Rheticus
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<strong>Rheticus</strong><br />
Die Geschichte des IfS-Vorarlberg<br />
Von der Bürgerinitiative zum<br />
sozialen Dienstleistungsunternehmen
<strong>Rheticus</strong><br />
Vierteljahresschrift der <strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft<br />
2007 Nr. 1, Jahrgang 29
Impressum<br />
Herausgeber und Verleger:<br />
Institut für Sozialdienste Vorarlberg und <strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft<br />
Institut für Sozialdienste (IfS)<br />
Interpark Focus 1 · A-6832 Röthis<br />
Tel.: 05523 52176<br />
E-Mail: ifs@ifs.at<br />
Homepage: www.ifs.at<br />
<strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft<br />
Palais Liechtenstein · A-6800 Feldkirch<br />
Tel.: 05522 304-1272, Fax: 05522 304-1279<br />
E-Mail: verena.valentini@feldkirch.at<br />
Homepage: www.rheticus.com<br />
Text: Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Wanner<br />
redaktionelle Mitarbeit: lic.phil. Alexandra Breuß<br />
Gestaltung: Jan Koller<br />
Druck: Wenin Dornbirn<br />
ISBN 3-900866-99-6<br />
Die Fotoauswahl soll ein Spiegelbild der vergangenen 45 Jahre Institut für<br />
Sozialdienste Vorarlberg darstellen. Die Anordnung der Fotos entspricht<br />
dem Zufallsprinzip, weshalb eine Übereinstimmung mit dem Text nicht<br />
immer gegeben ist.<br />
Es wurde versucht, den Text in einer geschlechtsneutralen Form zu verfassen.<br />
Sollte einmal lediglich die geschlechtsspezifische Form genannt sein,<br />
so sind damit sowohl Frauen als auch Männer gemeint.
Die Geschichte<br />
des IfS-Vorarlberg<br />
Von der Bürgerinitiative zum<br />
sozialen Dienstleistungsunternehmen
IfS-Geschichte Inhaltsverzeichnis<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
· Vorwort ........................................................................................................ 8<br />
· Sozialwesen in Vorarlberg ........................................................................ 10<br />
Sozialpolitik nach 1945 ......................................................................... 10<br />
Sozialfürsorge und Jugendpolitik bis zur Gründung des IfS .............. 15<br />
· Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen ........................................ 20<br />
Gründung und Anfangsjahre ................................................................ 20<br />
Der Nachfolgeverein Institut für Sozialdienste ................................... 24<br />
Der Verein „Institut für Sozialdienste“ entsteht ........................... 25<br />
Professionalisierung und Satzungsänderungen ............................. 26<br />
Das Institut für Sozialdienste und sein Wirken im sozialen Netz . 30<br />
· Leitlinien und Tätigkeitsbereiche ............................................................. 33<br />
Sozialpolitische Prinzipien .................................................................... 33<br />
Das Angebot des IfS .............................................................................. 34<br />
Finanzen ................................................................................................. 36<br />
Organisation .......................................................................................... 37<br />
· Im Dienste sozialer Gruppen .................................................................... 38<br />
· Soziale Dienstleistungen ..................................................................... 38<br />
· Kinder .................................................................................................. 39<br />
Allgemeine „Kinderfürsorge“ .......................................................... 39<br />
Erziehungsberatung ......................................................................... 40<br />
Vaterrolle .......................................................................................... 41<br />
Freizeit .............................................................................................. 42<br />
Kindergarten und Pflichtschule ....................................................... 43<br />
Kinderschutz .................................................................................... 46<br />
Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt .................................... 48<br />
Familienberatung ............................................................................. 48<br />
Familienarbeit .................................................................................. 49<br />
Familie im Wandel ............................................................................ 51<br />
· 5 ·
Inhaltsverzeichnis IfS-Geschichte<br />
· Jugendliche ........................................................................................... 53<br />
Jugendberatungsstelle Mühletor ..................................................... 53<br />
Streetwork ........................................................................................ 54<br />
Sozialpädagogik ................................................................................ 55<br />
Sozialpädagogische Wohngemeinschaften ................................ 55<br />
AbW – Ambulant betreutes Wohnen ........................................ 64<br />
JIP – Jugendintensivprogramm ................................................. 65<br />
NASA – Nachgehende sozialpädagogische Arbeit .................... 65<br />
Sexualerziehung ............................................................................... 66<br />
Jugendliche und Arbeit .................................................................... 67<br />
· Erwachsene .......................................................................................... 67<br />
Sozialarbeit ....................................................................................... 67<br />
Armut und Existenzsicherung ................................................... 69<br />
Schulden ..................................................................................... 71<br />
Wohnen und Wohnungslosigkeit .............................................. 73<br />
Delogierungsprävention ............................................................ 76<br />
Siedlungsarbeit ........................................................................... 77<br />
MigrantInnen ............................................................................. 77<br />
Psychologie und Psychotherapie ..................................................... 81<br />
Ehe und Partnerschaft ...................................................................... 84<br />
Trennungs- und Scheidungsberatung ............................................. 86<br />
Sexualität, Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte ....... 87<br />
Beratung für Männer ....................................................................... 89<br />
Opferschutz ...................................................................................... 90<br />
FrauennotWohnung ................................................................... 91<br />
Interventionsstelle ...................................................................... 93<br />
Prozessbegleitung ....................................................................... 96<br />
Gewaltberatung – Klartext ......................................................... 97<br />
· 6 ·
IfS-Geschichte Inhaltsverzeichnis<br />
· Menschen mit Behinderungen ........................................................... 97<br />
Grundlagen und Arbeitsbereiche .................................................... 97<br />
Schule, Bildung und Fortbildung .................................................. 100<br />
Arbeit und Beruf ............................................................................ 102<br />
Wohnen und Leben ........................................................................ 105<br />
Bauen und Wohnen ....................................................................... 108<br />
Sachwalterschaft ............................................................................ 111<br />
Patientenanwaltschaft .................................................................... 113<br />
Bewohnervertretung ...................................................................... 113<br />
· Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen .............................. 115<br />
· Öffentlichkeitsarbeit ............................................................................... 118<br />
Netz für Kinder ................................................................................... 122<br />
· Das IfS und die europäische Union ........................................................ 123<br />
Kooperationen und Grenzüberschreitungen ...................................... 124<br />
Spagat Südtirol .................................................................................... 125<br />
Gesundheitsförderung im Bodenseeraum – eine Initiative der IBK 125<br />
· Drei IfS-Persönlichkeiten ....................................................................... 127<br />
Manfred Dörler .................................................................................... 127<br />
Sepp Büsel ............................................................................................ 129<br />
Hedwig Gmeiner ................................................................................. 129<br />
· IfS – Studienreisen .................................................................................. 131<br />
· 45 Jahr IfS – Kurzchronik ....................................................................... 134<br />
· Mitglieder des Vereins Institut für Sozialdienste .................................. 144<br />
· Quellen .................................................................................................... 147<br />
· IfS-Leitbild .............................................................................................. 150<br />
· 7 ·
Vorwort IfS-Geschichte<br />
Dr. Stefan Allgäuer<br />
Vorwort<br />
Die geschriebene Geschichte jeder Organisation ist<br />
ein Konstrukt. Eigentlich gibt es das ja nicht - „die<br />
Geschichte“ – sondern es gibt die (vielen) Geschichten<br />
einer Institution, erlebt und gestaltet von den MitarbeiterInnen,<br />
den KlientInnen und den Rollenträgern<br />
(Präsidenten, Geschäftsführern, LeiterInnen usw.).<br />
So ist die Geschichte des Institut für Sozialdienste vor allem eine Geschichte<br />
vieler Einzelpersonen<br />
· die Geschichte zahlreicher Menschen, die sich Hilfe suchend an unsere<br />
Institution gewandt haben,<br />
· die Geschichte von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die<br />
tagtäglich qualifiziert und engagiert arbeiten, um den KlientInnen ein<br />
Stück weiter zu helfen,<br />
· die Geschichte von Menschen im Land Vorarlberg, die soziale Probleme<br />
und sozialen Handlungsbedarf wahrgenommen und aktiv darauf reagiert<br />
haben – in Politik und Verwaltung, als engagierte BürgerInnen, als Pioniere<br />
und Unterstützer.<br />
Diese Geschichten können in diesem Buch jedoch nicht oder nur verkürzt<br />
erzählt werden. Geschrieben wird hier die Geschichte der Organisation „Institut<br />
für Sozialdienste“, generell, im großen Bogen und auf dem Hintergrund<br />
der sozialen Entwicklung des Landes Vorarlberg.<br />
Die Einmaligkeit des Institut für Sozialdienste liegt darin, dass unter dem<br />
Namen, dem Dach „IfS“ so viele unterschiedliche Dienstleistungen zusammen<br />
finden, ohne sich gegenseitig einzuengen oder zu behindern. Ganz im<br />
Gegenteil. Trotz Größe und der Vielfalt wurde und wird das IfS dem Anspruch<br />
gerecht, Autonomie in den einzelnen Fachbereichen und Aufgabenstellungen<br />
zu gewährleisten und jedem Bereich die optimalen Rahmenbedingungen für<br />
die je spezifische Arbeit zu geben, so dass einerseits eigenverantwortliches<br />
und selbständiges Arbeiten aller MitarbeiterInnen möglich, ja gefordert ist,<br />
andererseits optimal Synergien in der Fallarbeit und der Weiterentwicklung<br />
von sozialpolitischen Anliegen genutzt werden können.<br />
· 8 ·
IfS-Geschichte Vorwort<br />
Im „Institut für Sozialdienste“ ist der Name Programm. Mit dem „Institut“<br />
(wie oft haben wir überlegt, diesen Teil des Namens zu ändern!) unterstreichen<br />
wir unseren Anspruch nach Professionalität und Reflexion. Mit<br />
dem „sozial“ im Wort „Sozialdienste“ definieren wir unseren Gegenstand.<br />
Sozial, das ist, was dem Menschen und der Gemeinschaft dient. In diesen<br />
„Dienst“ stellen wir alle unsere Dienstleistungen und mit diesem Begriff<br />
„Dienst“ beschreiben wir unsere Haltung. Nicht wir sind die ExpertInnen,<br />
die „Macher“. Die KlientInnen - jeder und jede Einzelne – sind die ExpertInnen<br />
ihrer selbst. Nur sie können, sie müssen Schritte setzen, Veränderungen<br />
einleiten, lernen, Entwicklungen vollziehen, Grenzen erkennen, Situationen<br />
ertragen, den jeweils eigenen Weg gehen. Unser – professioneller – Dienst<br />
dabei ist es, zu begleiten, mit zu gehen, zu informieren, zu intervenieren, zu<br />
reflektieren, zu strukturieren, zu konfrontieren, zu ermutigen, aufmerksam<br />
zu sein und vieles mehr; das verbunden mit allen bewährten und modernen<br />
Methoden, die uns in unseren Professionen der Sozialarbeit, der Psychologie,<br />
der Psychotherapie, der (Sozial)Pädagogik usw. zur Verfügung stehen.<br />
Die Idee zu dieser Broschüre ist schon Mitte der 1990er Jahre entstanden,<br />
forciert vom damaligen Geschäftsführer Manfred Dörler und dem IfS-Präsidenten<br />
Hans Sperandio. Dr. Gerhard Wanner hat den vorliegenden Text<br />
verfasst, ihn mehrmals überarbeitet und immer wieder aktualisiert – ihm<br />
gilt mein besonderer Dank.<br />
Mehrere Vereinsmitglieder und einige der dienstälteren IfS-Mitarbeiter-<br />
Innen haben diesen Text vorab gelesen und ihre Anmerkungen dazu gemacht.<br />
Ihnen allen sei dafür recht herzlich gedankt. Mein Dank gilt auch der<br />
<strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft, die als Mitherausgeberin der IfS-Geschichte fungiert<br />
und diese Form des Erscheinens erst möglich gemacht hat.<br />
Mein besonderer Dank gilt aber vor allem all unseren Klientinnen und Klienten<br />
und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Geschichte<br />
gestaltet und dadurch mitgeschrieben haben. Wir haben im vorliegenden<br />
Text ganz bewusst und größtenteils auf Namensnennungen verzichtet – wir<br />
könnten nie auch nur einigermaßen allen gerecht werden, die in die soziale<br />
Arbeit des IfS und in die Entwicklung der Institution „Herzblut“ und Kompetenz<br />
investiert haben.<br />
Dr. Stefan Allgäuer<br />
IfS-Geschäftsführer<br />
· 9 ·
Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />
Sozialwesen in Vorarlberg<br />
Sozialpolitik nach 1945<br />
Im Landesvoranschlag des Jahres 1960 betrugen die Ausgaben für das Fürsorgewesen<br />
und die Jugendwohlfahrtspflege sowie für das Gesundheitswesen<br />
und die „körperliche Ertüchtigung“ rund 36 Millionen Schilling (2,6<br />
Millionen Euro), beide Posten machten 16% des Landesbudgets aus. Am<br />
Ende der Amtsperiode von Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler im Jahr<br />
1987 waren die Ausgaben für die beiden Bereiche Soziales und Gesundheit<br />
auf 2,8 Milliarden Schilling (rund 203 Millionen Euro) gestiegen und hatten<br />
einen Budgetanteil von rund 40%. Zwanzig Jahre später, im Jahr 2007,<br />
wird das Budget für den Bereich Gesundheit und Soziales (ohne Hochbau)<br />
324,3 Millionen Euro betragen, was einem Gesamtbudgetanteil von 26%<br />
entspricht.<br />
Bis in die 1960er Jahre kam nicht primär das Land für die Sozialfürsorge<br />
auf: 37% der Kosten bezahlten die Bezirksfürsorgeverbände, 44% die<br />
Gemeinden und den Rest das Land. Der Bund beteiligte sich lediglich mit<br />
2%. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre machte sich ein rasantes Wirtschaftswachstum<br />
bemerkbar, gleichzeitig stiegen auch die Ansprüche der<br />
Bevölkerung bezüglich Kranken- und Pflegeanstalten und die Bedürfnisse<br />
für Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen.<br />
Einen entscheidenden Wandel im gesamten Vorarlberger Sozialwesen<br />
brachte das Jahr 1972 mit dem „Gesetz über die Sozialhilfe“. Bis<br />
dahin herrschte eine unbefriedigende Rechtslage mit Rechtszersplitterung<br />
und Rechtsunsicherheit. 1968 hatte das Innenministerium mitgeteilt, an der<br />
Ausarbeitung eines Bundessozialhilfegesetzes nicht interessiert zu sein, und<br />
hatte damit die Regelung des Fürsorgewesens endgültig den Ländern überlassen.<br />
Dies war die Voraussetzung für das erste österreichische Bundesländer-<br />
Sozialhilfegesetz in Vorarlberg. Als Folge entstand ein landesumfassender<br />
Fürsorgeverband und die Lastenverteilung der Sozialhilfeausgaben ging zu<br />
25% an das Land und zu 75% an die Gemeinden. Bemerkenswert war, dass<br />
das Gesetz Familien, Müttern und alten Menschen Hilfe gewährleistete.<br />
In den 1970er Jahren kam es zu einer Intensivierung sozialer und<br />
medizinischer Initiativen bzw. Aktivitäten durch die öffentliche Hand sowie<br />
· 10 ·
IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />
durch private Einrichtungen. Aus der zu Beginn der 60er Jahre gegründeten<br />
„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande Vorarlberg“<br />
entstand 1971 das „Institut für Sozialdienste“. 1972 wurde das „Medizinische<br />
Zentrum“ in Feldkirch eröffnet und 1974 präsentierte sich das neue<br />
Landesnervenkrankenhaus „Valduna“. Daneben unterstützte das Land die<br />
1964 ins Leben gerufene Privatinitiative des Arbeitskreises für Vorsorge und<br />
Sozialmedizin (aks), dessen Tätigkeiten mit den verschiedensten Vorsorgeprogrammen<br />
vor allem der Gesundheitsprophylaxe galten. Die Initiative<br />
wurde als „Vorarlberger Modell“ in anderen Bundesländern nachgeahmt.<br />
Zur Kontrolle der enorm gewachsenen Aufwendungen und zu deren<br />
Koordination wurde 1974 im Amt der Vorarlberger Landesregierung ein<br />
Sozialhilfebeirat geschaffen. Es entsprach ganz dem Konzept des Landes,<br />
· 11 ·
Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />
die Agenden sozialer Aktivitäten möglichst selbständigen und privaten Trägern<br />
zu überlassen. Es waren dies die Institutionen der „freien Wohlfahrtspflege“,<br />
von denen es 1974 sechzehn gab. Die wichtigsten davon waren der<br />
Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin (aks), die Caritas, das Institut<br />
für Sozialdienste (IfS), die Lebenshilfe Vorarlberg, die Stiftung Jupident, das<br />
Vorarlberger Kinderdorf und zahlreiche Krankenpflegevereine in Städten<br />
und Gemeinden.<br />
Ein besonderes Anliegen des Landes war die Betreuung und Eingliederung<br />
von Menschen mit Behinderungen. 1973 entstand zu diesem Zweck ein<br />
Rehabilitationsprogramm, das die zahlreichen Aktivitäten koordinierte und<br />
die erforderlichen Einrichtungen für die Zukunft plante. Außerdem wurden<br />
die bestehenden Einrichtungen kräftig unterstützt.<br />
Im Weiteren unterstützte das Land die Gründung der Sozialakademie.<br />
Mitglieder in deren Trägerverein waren das Land sowie Vertreter aller<br />
Sozialeinrichtungen, zu deren Beschäftigten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter<br />
zählten. Die Abteilung für Sozialhilfe und Jugendfürsorge im Amt<br />
der Vorarlberger Landesregierung unter Dr. Hermann Girardi entwickelte<br />
das Konzept der so genannten Sozialsprengel. Diese sollten die örtliche bzw.<br />
überörtliche Kooperation in den Bereichen Alten-, Familien- und Jugendhilfe<br />
sowie Krankenpflege, Rehabilitation und medizinische Versorgung übernehmen.<br />
1974 beschloss die Landesregierung ein Altenhilfeprogramm, welches<br />
vor allem den ausreichenden Bau von altersgerechten Wohnungen und die<br />
Ausweitung der sozialen Dienste mit Hilfe von SozialarbeiterInnen vorsah.<br />
Wie nur in wenigen Bereichen der Landespolitik waren sich die einzelnen<br />
Parteifraktionen über die Praktiken und Ziele der Sozial- und Gesundheitspolitik<br />
einig und dies, obwohl 1974 der damals 38jährige Bludenzer ÖVP-<br />
Stadtrat Fredy Mayer von seinem sozialistischen Kollegen Ernst Winder für<br />
fast zwanzig Jahre das Sozial- und Gesundheitsressort übernahm. Landesrat<br />
Fredy Mayer und mit ihm der zuständige Beamte der Vorarlberger Landesregierung<br />
Hofrat Dr. Hermann Girardi sowie Walter Stefani und Theo<br />
Kremmel sollten mit ihren sozialpolitischen Strategien und ihrer Politik<br />
ganz wesentlich die soziale Landschaft Vorarlbergs prägen. Nachfolger<br />
von Landesrat Mayer wurde der Internist Dr. med. Hans-Peter Bischof, der<br />
vorerst Landesrat, später auch Landesstatthalter war. Im Jahr 2000 übernahm<br />
Landesrätin Dr. Greti Schmid von diesem den Aufgabenbereich<br />
„Gesellschaft und Soziales“ und im Jänner 2007 trat Mag. Markus Wallner<br />
die Nachfolge von Bischof an.<br />
Landeshauptmann Herbert Keßler, auch Parteiobmann der Vorarlberger<br />
Volkspartei, hatte mit seinen weltanschaulichen Prinzipien die Grundlagen<br />
· 12 ·
IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />
für die spezielle Vorarlberger Sozial- und Gesundheitspolitik geschaffen.<br />
Selbstverwaltung und Selbsthilfe – als „Subsidiarität“ begrifflich zusammengefasst<br />
– wurden zu seinen Leitbildern: „Subsidiarität bedeutet das<br />
Bekenntnis zu den kleinen Gemeinschaften. Unser erstes Bemühen gilt der<br />
Einzelpersönlichkeit, der Ehe, der Familie. Es gilt in der Folge den privaten<br />
oder halbprivaten Einrichtungen. Erst dann folgen Gemeinden, das Land,<br />
der Staat. Selbstverwaltung und Selbsthilfe sind erstrangige landespolitische<br />
Anliegen.“ Und was die spezielle Sozialpolitik der Landes-ÖVP betraf,<br />
meinte Keßler: „Wir wollen anstelle des herkömmlichen Reparaturdenkens<br />
eine ganzheitliche Betrachtungsweise, mit der versucht wird, die Rahmenbedingungen<br />
für einen gesunden Lebensraum des Bürgers, vor allem die<br />
soziale Umwelt und die äußeren Lebensbedingungen so zu gestalten, dass<br />
soziale und gesundheitliche Notstände vermieden werden können.“<br />
Unter Landeshauptmann Dr. Martin Purtscher wurden seit 1987 die gleichen<br />
sozialpolitischen Wege beschritten, jedoch Bestehendes modifiziert,<br />
erweitert und ergänzt sowie deutliche Schwerpunkte gesetzt. Dazu gehörte<br />
die Familienpolitik, zu der auf Grund der neuen Landesverfassung des Jahres<br />
1984 eine gesetzliche Verpflichtung bestand. Mit Beginn des Jahres 1988 startete<br />
die Vorarlberger Landesregierung eine „familienpolitische Offensive“,<br />
die ein Familienprogramm und ein neues Familienförderungsgesetz (1989)<br />
beinhaltete. Getragen wurden diese österreichweit neuartigen Vorstellungen<br />
von allen Parteien des Landtages. Bahnbrechend war der Familienzuschuss<br />
des Landes ab dem zweiten Kind (1988), der sich ab 1994 auch auf das erste<br />
Kind erstreckte. Dazu kamen die Einführung eines „Familienpasses“ (1989),<br />
Hilfen für Familien in Not, das Projekt „Lebensraum Familie“ (1993), die<br />
institutionellen Einrichtungen eines eigenen Referates für Ehe-, Familien-<br />
und Frauenfragen (1989) sowie die Installierung eines „Familienbeirates“.<br />
Der Jugend und Jugendwohlfahrt kamen vor allem die 1990 erstellte<br />
Vorarlberger Jugendstudie und 1991 ein neues Gesetz über die öffentliche<br />
Jugendwohlfahrt zugute. Ab 1989 setzten massive Bestrebungen zum Ausbau<br />
der Alten- und Krankenpflege ein: Die Hauskrankenpflege wurde verstärkt<br />
ausgebaut und 1990 kam es mit der Einführung des Pflegezuschusses<br />
des Landes und der Gemeinden zu einer österreichischen Pionierleistung.<br />
Trotz all dieser Maßnahmen ruhte man sich nicht auf dem Erreichten aus.<br />
Dies bewies das Jahr 1997 mit seinen Novellen zum Sozialhilfegesetz, zum<br />
Behindertengesetz und dem Landes-Jugendwohlfahrtsgesetz. Entsprechend<br />
dem ansteigenden Bedarf an sozialen Leistungen wuchsen die Kosten für<br />
die soziale Wohlfahrt von 1987 mit 633 Millionen Schilling (46 Millionen<br />
Euro) auf 1,6 Milliarden Schilling (116 Millionen Euro) im Jahr 1997. In<br />
· 13 ·
Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />
Landesrätin Dr. Greti Schmid besucht das Büro der IfS-Geschäftsführung.<br />
diesem Jahr wurde der Sozialfonds zur gemeinschaftlichen Finanzierung<br />
der Kosten der Sozialhilfe durch das Land und die Gemeinden sowie zur<br />
Steuerung dieser Kosten eingerichtet. Seither ist der Finanzbedarf für die<br />
Bereiche S ozialhilfe, Jugendwohlfahrt und Behindertenhilfe auf Land und<br />
Gemeinden aufgeteilt – 60% werden vom Land, 40% von den Städten und<br />
Gemeinden übernommen. Aufgaben des Sozialfonds sind insbesondere die<br />
Übernahme der Kosten der Sozialhilfe, die Erlassung von Richtlinien zur<br />
Einhaltung des Voranschlages des Fonds bei der Gewährung von Sozialhilfe,<br />
die Entscheidung von Fragen der tarifl ichen Gestaltung sozialer Dienstleistungen<br />
für Hilfsbedürftige, die Erlassung von Förderrichtlinien sowie die<br />
Gewährung von Förderungen und sonstigen Zuschüssen an Einrichtungen<br />
der freien Wohlfahrtspfl ege und Gemeinden.<br />
Verbesserungen im Spitalsbereich brachte das seit 1995 in Vorarlberg<br />
praktizierte Modell der leistungsorientierten Krankenhausfi nanzierung, das<br />
für eine bundesweite Spitalsreform zum Vorbild wurde.<br />
Landesrat Dr. Hans-Peter Bischof erklärte 1996 nicht ohne Stolz, Vorarlberg<br />
habe sozial- und gesundheitspolitische Modelle entwickelt, die<br />
e uropaweit einzigartig seien und auf europäischer Ebene Lösungsansätze<br />
darstellten. Vorarlberg nehme ganz einfach EU-Vorbildcharakter ein, denn:<br />
„Große Sozial- und Gesundheitssysteme können nur dann wirksam sein,<br />
· 14 ·
IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />
wenn auch die Nahraumstrukturen funktionieren. Und genau das ist eine<br />
unserer Stärken.“<br />
Unter Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, der schon früher als<br />
Landesfinanzreferent wesentlich auf die Sozialpolitik Einfluss genommen<br />
hatte, entwickelte sich die Sozialpolitik weiter. Er betrieb Politik stets unter<br />
dem Credo, Vorarlberg zu einer „wirtschaftlich erfolgreichen Region mit<br />
menschlichem Gesicht“ zu machen. Die Arbeitslosigkeit wurde als besonderes<br />
Problem erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen wurden eingeleitet.<br />
Die Betonung der Ehrenamtlichkeit im Sozial- und Vereinswesen war<br />
ein weiterer Schwerpunkt.<br />
Landesrätin Dr. Greti Schmid widmete sich vor allem schwerpunktmäßig<br />
der Sicherung der Pflege, im Zuge dessen die Unterstützung der familiären<br />
Ressourcen und der professionellen Pflegedienste (beispielsweise die ARGE<br />
Mobile Hilfsdienste (Mohi) und der Vorarlberger Betreuungspool) forciert<br />
wurde. Zudem galten die Bemühungen der Landesrätin der Entwicklung von<br />
Strategien zur Armutsbekämpfung.<br />
Sozialfürsorge und Jugendpolitik<br />
bis zur Gründung des IfS<br />
Gemeinden, Bezirksfürsorgeverbände, das Land und der Bund waren jene<br />
öffentlichen Einrichtungen, die bis in die 60er Jahre für das „Fürsorgewesen<br />
und die Jugendhilfe“ im Land Vorarlberg aufkamen. Von privater<br />
Seite betrieb in größerem Umfang nur die Caritas der Diözese „allgemeine<br />
Maßnahmen der Sozialfürsorge“. Fünf Jahre nach Kriegsende resultierten<br />
die größten Ausgaben des Landes für die Sozialfürsorge aus den Verpflegungskosten<br />
für „Geisteskranke“ und Epileptiker in Heilanstalten, Versorgungsheimen<br />
und Erziehungsanstalten, wobei die wichtigste Einrichtung<br />
des Landes die „Valduna“ in Rankweil war. An zweiter Stelle kamen die<br />
Ausgaben für die jugendliche Fürsorgeerziehung, die im Land Vorarlberg<br />
insbesondere von der Erziehungsanstalt Jagdberg in Schlins, der Kinderheilstätte<br />
in Viktorsberg und der „Asylierungsanstalt“ in Sulzberg geleistet<br />
wurde. Außerdem unterstützte das Land Jugendliche in diversen privaten<br />
Ferienheimen und Schülerausspeisungen in den Gemeinden. Die Jugendfürsorge<br />
in den Bezirken widmete sich dem Pflegekinderwesen, der Amtsvormundschaft,<br />
der Schutzaufsicht und der Jugendgerichtshilfe. Für die<br />
Säuglingsfürsorge gab es einige Mütterberatungsstellen. Eine typische<br />
· 15 ·
Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />
Nachkriegserscheinung waren die noch hohen Beiträge für die Tuberkulosenhilfe.<br />
Als 1962 der Verein „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten<br />
Jugend im Land Vorarlberg“, der Vorgängerverein des Institut für<br />
Sozialdienste, gegründet wurde, hielt das Land die gesetzliche Tätigkeit der<br />
öffentlichen Jugendwohlfahrtseinrichtungen im Grunde für ausreichend.<br />
An privaten Einrichtungen unterstützte es das Vorarlberger Kinderdorf mit<br />
den Kinderdorffamilien und einige katholische Orden bei „baulichen Maßnahmen“.<br />
Vorarlbergs Jugend stellte im Allgemeinen keinen Problemfaktor<br />
dar und die körperlich, geistig und sozial behinderten Jugendlichen wurden<br />
in diversen „Anstalten“, die meisten davon im übrigen Österreich und in der<br />
Schweiz, untergebracht und behandelt.<br />
Dennoch erfolgten in den 1960er Jahren einige zukunftsweisende Aktivitäten<br />
für ein erweitertes Fürsorgebewusstsein, welche von privater Seite<br />
ausgingen, jedoch nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene erfassten:<br />
1961 wurde das Sprachheilheim Carina, 1962 der Vorgängerverein des<br />
Institut für Sozialdienste gegründet, 1964 entstand der Arbeitskreis für<br />
Vorsorge- und Sozialmedizin (aks) und 1967 konstituierte sich die Interessengemeinschaft<br />
für Menschen mit Behinderungen, bekannt unter der<br />
Bezeichnung „Lebenshilfe“, mit ihren Fördereinrichtungen und „beschützenden<br />
Werkstätten“.<br />
Die „normale“ Jugend war in den Schulen und Familien gut untergebracht<br />
und schien auch ausreichend betreut: Um loyale staatsbürgerliche Erziehung<br />
zu gewährleisten, gab es seit 1947 die „Jungbürgerfeiern“, die später<br />
auch von den anderen österreichischen Bundesländern eingeführt wurden.<br />
Die offizielle Landesjugendpolitik wurde seit 1949 durch den „Jugendbeirat“<br />
am Amt der Vorarlberger Landesregierung legitimiert. Von den in diesem<br />
Gremium vertretenen Eliten der Jugendorganisationen, die größten unter<br />
ihnen gehörten der katholischen Kirche an und vertraten christliche Lebensprinzipien,<br />
hatte man keine Probleme oder gar Widerstände zu erwarten. Als<br />
sich diese „heile Welt“ in den 1960er Jahren zu ändern schien, reagierten die<br />
Politiker des Landtags 1964 mit einem neuen Jugendschutzgesetz. Dieses<br />
löste zwar die noch aus der NS-Zeit stammenden Polizeiverordnungen ab,<br />
versprach sich seine pädagogische Wirkung jedoch weiterhin mittels Verboten<br />
und Strafen. Außerdem weitete das Gesetz, in Österreich einmalig, die<br />
Schutzbestimmungen von 18 auf 21 Lebensjahre aus.<br />
Mit diesen legistischen Maßnahmen vermochte man jedoch die neuen<br />
Strömungen und Verhaltensmuster, die von den USA ausgehend auch bei<br />
Vorarlberger Jugendlichen Aufnahme fanden, nicht in den Griff zu bekom-<br />
· 16 ·
IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />
1978: Dr. Michael Schmid, Dr. Irmgard Moosmann, Dr. Wilhelm Schmutzhard, Dr. Erika Neumann<br />
und IfS-Geschäftsführer Manfred Dörler.<br />
men. 1969 wurden die ersten Probleme mit illegalen Drogen publik, ein Jahr<br />
später forderten Mitglieder des sonst so friedlichen Landesjugendbeirates<br />
die Einführung von Sexualerziehung und die Abschaffung von Filmverboten.<br />
1970 fand das erste „Pop and lyric festival“ nach dem Vorbild von<br />
Woodstock (USA) auf der Neuburg (Koblach) vor dem Pfadfi nderheim statt.<br />
Bekannt wurde diese autonome Jugendveranstaltung unter dem Namen<br />
„fl int“ und durch die für viele Jugendliche unverständliche Reaktion der<br />
Landesregierung: Um eine weitere Großveranstaltung dieser Art zu verhindern,<br />
stellte sie den Neuburg-Hügel unter Naturschutz. Was in Koblach verhindert<br />
werden konnte, entstand wenig später in Bregenz als „Randspiele“,<br />
die ein oppositioneller Gegenpol zu den etablierten und für manche Jugendliche<br />
konservativen Bregenzer Festspielen sein sollten.<br />
Am Flint-Festival hatten als stille und wohlwollende Zuschauer auch<br />
Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft für Private Jugendhilfe“ teilgenommen,<br />
die sich wenige Monate später in „Institut für Sozialdienste“ umbenannte.<br />
Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der neue Verein als ein<br />
wichtiges Ziel die „Errichtung und Führung von Häusern der offenen Tür<br />
und anderer Kommunikationszentren“ ansah. Die Zeit der „offenen Jugendfürsorge“,<br />
aber auch der autonomen Jugendszene war gekommen.<br />
· 17 ·
Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />
Die beginnende Jugendemanzipationsbewegung war auch mit der Frauenemanzipation<br />
verknüpft, wofür die Vorgänge in Dornbirn ein gutes Beispiel<br />
darstellten: Im Herbst 1972 fand auf Initiative der Vorarlberger Jugendszene<br />
die Gründungsversammlung des auch vom IfS gewünschten Vereins<br />
„Offenes Haus“ statt. Daraus entwickelte sich in der Folge der Verein „Spielboden“.<br />
Die Frauen und Freundinnen der dort engagierten Jugendlichen<br />
und Junggebliebenen fanden sich 1973 zur ersten autonomen Frauengruppe<br />
zusammen. Sie engagierten sich für sexuelle Aufklärung, für den Schutz<br />
misshandelter Frauen und Kinder und für ein „Vorarlberger Frauenhaus“.<br />
Das IfS reagierte auf diese Entwicklungen. Für junge Mädchen in Krisensituationen<br />
war bereits im November 1972 in Bregenz eine „offene<br />
Wohnung“ geschaffen worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />
Beratungsdienste des IfS vertraten die Meinung, dass die komplexen Probleme<br />
allein mit strengen Gesetzen und Verboten nicht zu bewältigen sind.<br />
In den Mittelpunkt der helfenden Bestrebungen traten die konfliktgeladenen,<br />
menschlichen „Beziehungssysteme“ in Familie, Ehe, Partnerschaft und<br />
Jugend. In der Folge entwickelten sich die IfS-Krisenwohnungen, die Menschen<br />
während schwieriger Lebenssituationen Wohnmöglichkeit bieten,<br />
sowie die IfS-FrauennotWohnung, die Frauen und Kindern, die von Gewalt<br />
bedroht sind, Hilfe und Schutz gewährt.<br />
Die neuen und kritischen Ideen der Reformpädagogik der 1970er Jahre<br />
spielten eine wichtige Rolle: „Öffnet die Heime“ war die Devise. Psychiatriekritik,<br />
Kritik der „totalen Institutionen“, der Schulen, der Asyle, Kritik<br />
der Bevormundung des Individuums durch die Autorität des Staates und der<br />
Verwaltung etc. waren damals wichtige Forderungen. Dazu kam die Überzeugung,<br />
dass Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit im Sinne der Aufklärung<br />
dazu beitragen sollten, den Menschen aus seiner „selbstverschuldeten<br />
Unmündigkeit“ zu führen. Selbstbestimmung, Verantwortung und Selbstentfaltung<br />
waren damals wichtige Lebensziele.<br />
Die öffentlichen Fürsorgeeinrichtungen reagierten kaum auf die Folgen<br />
des sozialen Wandels. Zur damaligen Zeit gab es nur wenige private soziale<br />
Einrichtungen: Für Jugendliche galten die Jugendwohlfahrt und deren stationäre<br />
Angebote im Vorarlberger Kinderdorf, in den offenen Wohnungen<br />
(sozialpädagogischen WGs) des IfS und im „Haus der jungen Arbeiter“ in<br />
Dornbirn als Anlaufstellen. Um die Familien kümmerten sich Familienhelferinnen<br />
und die „Mutterschafts-, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“.<br />
Als das IfS 1973 mit dem Ausbau seiner Beratungsstellen begann und<br />
diesen 1978 in Dornbirn vorläufig beendete, hatte es ein völlig neues Tätigkeitsgebiet<br />
beschritten. Obwohl das IfS 1978 nur 18 Mitarbeiter beschäf-<br />
· 18 ·
IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />
tigte, war man auf die eigenen Leistungen stolz: „Es kann daher heute mit<br />
Sicherheit gesagt werden, dass Vorarlberg bei den sozialen Beratungsdiensten<br />
von allen Bundesländern das dichteste Versorgungsnetz aufweist“ (Jahresbericht).<br />
· 19 ·
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
Die Entwicklung des IfS und<br />
seine Satzungen<br />
Gründung und Anfangsjahre<br />
Am 22. November 1962 traf man sich um 16.15 Uhr zur ersten Sitzung<br />
im „Haus der jungen Arbeiter“ in Dornbirn. Es handelte sich um die<br />
„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande Vorarlberg“.<br />
Die Versammlung bestand aus Dr. Hermann Girardi, Dr. Adolf Würbel, Dr.<br />
Herbert Tschofen, Oswald Lenz, Hannelore Ulmer, Gerda Schelling, Edwin<br />
Böhler, Siegfried Lingenhel und Kaplan Emil Bonetti. Es ging um die Vorbereitung<br />
zur Konstituierung eines Vereins, der „keine Jugendbewegung“ sein<br />
wollte und der sich „nach den Grundsätzen der Subsidiarität“ zu orientieren<br />
versprach. Noch war man sich über den endgültigen Vereinsnamen nicht im<br />
Klaren und auch nicht über die konkreten Aufgabenbereiche. Einen Monat<br />
später kam man überein, dass man sich nur der „gefährdeten Jugend“ widmen<br />
und dies auch im Vereinsnamen zum Ausdruck bringen wollte.<br />
Bei der dritten Sitzung am 11. Jänner 1963 gab Schriftführer Dr. Herbert<br />
Tschofen bekannt, dass die Sicherheitsdirektion zwei Tage zuvor die<br />
„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Lande Vorarlberg“<br />
als Verein nicht untersagt hatte. Damit begann die legale Tätigkeit<br />
des Vereins.<br />
Der Sitz des Vereins befand sich im „Haus der jungen Arbeiter“ in<br />
Dornbirn. Zweck des Vereins war die Betreuung der Jugend und die Zusammenarbeit<br />
mit all jenen Kräften und Einrichtungen, die sich bisher damit<br />
beschäftigt hatten. Außerdem versprach man die „Mitwirkung bei der Heranbildung<br />
einer seelisch, geistig und körperlich gesunden Jugend“. Insbesondere<br />
sollte die Vereinsarbeit der Familienförderung, der Vorbeugung und<br />
Behebung jugendlicher Verwahrlosung, der Resozialisierung jugendlicher<br />
Rechtsbrecher und der Sorge um jugendliche Arbeitskräfte und Pflegekinder<br />
gelten.<br />
Trotz klarer Vereinsstatuten dienten die folgenden Monate der weiteren<br />
Orientierung des Vereins. Man nahm Kontakte mit den Bezirkshauptmannschaften,<br />
der Katholischen Jugend und den Pfadfindern auf, suchte nach För-<br />
· 20 ·
IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />
derern des Vereins und arbeitete am Aufbau „örtlicher Arbeitskreise“ in den<br />
Städten des Landes. Der erste dieser Art entstand im März 1963 in Feldkirch.<br />
Entscheidend für den weiteren Weg der Arbeitsgemeinschaft war die am<br />
18. Mai stattfi ndende „Arbeitstagung“ in Dornbirn. Auf dieser sollte vor<br />
allem geklärt werden, warum auf dem Gebiet der „gefährdeten Jugend“<br />
überhaupt etwas getan werden musste und was der „Einzelne“ tun könne.<br />
Auch war man sich nicht im Klaren darüber, welche Organisationsformen<br />
die beste Wirkung besäßen.<br />
· 21 ·
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
Die Ergebnisse waren Mitte des Jahres vorhanden: „Es wird einhellig die<br />
Auffassung vertreten, dass dem Verein vorwiegend die allgemeinen Aufgaben<br />
zukommen, während die Einzelbetreuung Jugendlicher zum überwiegenden<br />
Teil von den örtlichen Arbeitskreisen zu übernehmen ist.“ Weitere<br />
wichtige Punkte galten der anzustrebenden Öffentlichkeitsarbeit und der<br />
Werbung für den Verein und seine Zielsetzungen. In Vorarlberg werde<br />
„zwar vielfach von der Jugend bzw. über die Jugend gesprochen, eine allgemeine,<br />
ernsthafte und bewusst helfen wollende Einstellung sei noch keineswegs<br />
Allgemeingut“.<br />
· 22 ·
IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />
Im Laufe des Sommers 1963 waren neben Feldkirch auch in Bludenz, Dornbirn<br />
und Bregenz „Arbeitskreise“ entstanden, denen sich ein neues Problem<br />
stellte: die Schulung der freiwilligen Helfer für die praktische Sozialarbeit.<br />
Ing. Sepp Büsel wünschte sich für die theoretische Ausbildung die Behandlung<br />
folgender Themen: die Stellung der Familie, die Umwelt, Aufgaben<br />
von Jugendorganisationen, „Verantwortung vor Gott und dem bürgerlichen<br />
G esetz“.<br />
Im Vereinsjahr 1964 wurde eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen<br />
abgehalten, welche der Ausbildung von Heimleitern und Fürsorger innen<br />
· 23 ·
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
galten. Dabei stellte sich das Problem der Finanzierung der Referenten,<br />
welche für einen Vortrag 100 Schilling (7 Euro) erhielten. Es war ein großer<br />
Fortschritt, als die Landesregierung einen Unterstützungsbeitrag von 15.000<br />
Schilling (rund 1100 Euro) bereitstellte und dass vor allem Landeshauptmann<br />
Dr. Herbert Keßler „der Tätigkeit des Vereins sehr wohlwollend“<br />
gegenüberstand, „was für das Ansehen und die finanzielle Ausrichtung des<br />
Vereins sehr zu schätzen ist. Es wird allgemein gutgeheißen, diese Kontakte<br />
weiter zu pflegen“. Dennoch mahnte Adolf Würbel am Ende des Vereinsjahres,<br />
die „Arbeitsgemeinschaft für private Jugendhilfe“, wie sich der Verein<br />
mittlerweile nannte, müsse endlich „auf eine solide finanzielle Basis gestellt<br />
werden“. Dies war umso notwendiger, als man die Anstellung zweier hauptberuflicher<br />
Kräfte vorsah.<br />
In den folgenden Jahren arbeitete der Verein unter seinem Vorsitzenden,<br />
Bürgermeister Dipl. Ing. Rudolf Ammann aus Rankweil, der zugleich auch<br />
Sektionsobmann der Sektion „Gewerbe“ in der Vorarlberger Handelskammer<br />
war, in den vorgegebenen Strukturen weiter.<br />
Die praktische sozialarbeiterische Tätigkeit wurde von wenigen Helfern<br />
durchgeführt, die sich meist mit Einzelfällen beschäftigten. Wie wenig man<br />
sich eigentlich über die Grundprinzipien und Vorgangsweisen des Vereines<br />
im Klaren war, beweist ein Diskussionspunkt auf der Vorstandssitzung vom<br />
7. Juli 1967. Gründungsmitglied Kaplan Bonetti warf die Frage auf, „ob die<br />
Arbeitsgemeinschaft eine Vereinigung zur Betreuung der Jugend oder eine<br />
Jugendbewegung“ darstelle. Es wurde klargestellt, dass es eine Vereinigung<br />
zur Betreuung der Jugend sei.<br />
Der Nachfolgeverein Institut für Sozialdienste<br />
Diesen unklaren Verhältnissen machte das Jahr 1971 ein endgültiges Ende.<br />
Am 22. Jänner fand ein Arbeitsgespräch statt, an dem Hermann Girardi,<br />
Sepp Büsel und Rita Ilg beteiligt waren. Sie legten ein neues Vereinsstatut<br />
vor, welches als wichtigste Zielsetzungen eine Ausweitung der Tätigkeiten<br />
und die Bildung eines mit prominenten Personen besetzten „Kuratoriums“<br />
vorsah. Darunter befanden sich Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler, der<br />
sozialistische Landesrat Dr. Walter Peter und Vertreter der katholischen wie<br />
auch protestantischen Kirche.<br />
· 24 ·
IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />
Was war geschehen? Seit<br />
„mindestens zwei Jahren“<br />
hatte keine Mitgliederversammlung<br />
mehr stattgefunden<br />
und der Vereinsvorstand<br />
war nicht mehr „entlastet“<br />
worden, zudem gab es über<br />
die geleistete Arbeit keine<br />
Rechenschaftsberichte.<br />
Der Schriftverkehr wurde<br />
dezentral von verschiedenen<br />
Personen geführt. An praktizierenden<br />
Einrichtungen<br />
bestand seit 1969 eine einzige<br />
Anlaufstelle für Erziehungs-<br />
und Jugendberatung<br />
in Bregenz, die nur von einer<br />
Arbeitskraft besetzt war.<br />
In Zukunft sollte die neue<br />
Vereinstätigkeit wesentlich<br />
ausgeweitet werden: auf Ehe-<br />
und Familienberatung sowie<br />
auf Altenhilfe. Zu den dringlichsten<br />
Aufgaben zählte man<br />
eine verstärkte Ausbildung<br />
der Sozialhelfer, die Schaffung eines Wohnheimes für gefährdete Jugendliche<br />
und eine Ausweitung des Helfer- und Mitarbeiternetzes.<br />
Um all diese Pläne verwirklichen zu können, bedurfte es endlich einer<br />
g eordneten Verwaltung und organisatorischen Leitung. Dies geschah durch<br />
die Anstellung des bisher bei der Landwirtschaftskammer für Vorarlberg<br />
t ätig gewesenen Sepp Büsel. Rita Ilg arbeitete als erste hauptberufl iche<br />
Sozial arbeiterin.<br />
Der Verein „Institut für Sozialdienste“ entsteht<br />
Die IfS-Präsidenten: 1971-1981 Dipl. Ing. Rudolf Amann (l.o.),<br />
1981-1995 Prof. Hans Sperandio, 1995-1998 Dr. Anton Fliri,<br />
1999-2006 Gerhard Köhlmeier (r.u.)<br />
In der Sitzung vom 23. März 1971 wurde in Anwesenheit von Dipl.-Ing.<br />
Rudolf Ammann, Dr. Margit Seyfried, Edwin Böhler, Dr. Elmar F ischer,<br />
Dr. Hermann Girardi, Dr. Günther Hagen, Siegfried Lingenhel und<br />
· 25 ·
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
Dir. Manfred Schnetzer ein neuer Verein aus der Taufe gehoben: Als Nachfolger<br />
der „Arbeitsgemeinschaft für Private Jugendhilfe“ war das „Institut<br />
für Sozialdienste – Private Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Erziehungsberatung,<br />
Eheberatung, Altenhilfe“ entstanden. Die Bewilligung durch die<br />
Sicherheitsdirektion erfolgte am 1. April 1971.<br />
Gemäß den Vereinsstatuten hatte das neue „Institut für Sozialdienste“<br />
seinen Sitz in Bregenz und erstreckte seine Tätigkeit auf das Land Vorarlberg.<br />
Das IfS, wie es kurz genannt wurde, sah seine Tätigkeit im Rahmen der<br />
freien Wohlfahrtspflege ausschließlich für gemeinnützige Zwecke und als<br />
politisch sowie konfessionell unabhängige Einrichtung. Im Statut wurden<br />
jene Aufgaben festgelegt, welche für die kommenden Jahrzehnte zur Grundlage<br />
und Ausrichtung der Vereinsarbeit werden sollten:<br />
• Beratungsdienste für Jugendliche, alleinstehende Frauen, alte Leute, Ehen<br />
und Familien<br />
• Befürsorgung von Sozialhilfebedürftigen<br />
• Förderung außerschulischer Jugendarbeit<br />
• Aus- und Fortbildung des Beratungs- und Betreuungspersonals<br />
• Einrichtung sozialer Dienste<br />
• Forschung und Planung für die Wohlfahrtspflege<br />
• Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Wohlfahrtspflege<br />
• Einrichtungen und Maßnahmen mit Modellcharakter und<br />
• die Herausgabe von Publikationen und Zeitschriften bezüglich Wohlfahrtspflege<br />
Professionalisierung und Satzungsänderungen<br />
1973 begann der Verein mit seiner professionellen Arbeit und ab 1975<br />
erfolgte eine dynamische Entwicklung der Vereinsaktivitäten, die ab 1977<br />
insbesondere durch den Geschäftsführer Manfred Dörler betrieben und<br />
gefördert wurde. Die Entwicklung betrafen die vielfältigen Beratungsdienste<br />
für verschiedenste Gruppen, den Ausbau von Beratungsstellen, den Aufbau<br />
von Jugend-Wohngemeinschaften und die Verwirklichung von neuen Projekten.<br />
Mit der Ausweitung der Tätigkeitsfelder stiegen auch die finanziellen<br />
Ausgaben des Vereins kontinuierlich an. Um diese Ausgaben zu legitimieren<br />
und die vorhandenen Ressourcen sparsam einzusetzen, wurden dem Institut<br />
für Sozialdienste und seinem Trägerverein im Jahr 1982 neue Satzungen<br />
· 26 ·
IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />
und eine neue Geschäftsordnung<br />
gegeben. Damit wollte<br />
man auch der personellen und<br />
regionalen Ausweitung des<br />
Vereins sowie der Vermehrung<br />
seiner Aufgaben entsprechen.<br />
Gleich geblieben waren<br />
jedoch die grundlegenden<br />
Prinzipien dieses in Österreich<br />
einmaligen Vereins, der weitgehend<br />
Aufgaben der öffentlichen<br />
Hand übernommen hatte<br />
und „Modellcharakter“ besaß.<br />
Sein Motto hieß: „Weniger<br />
Staats- mehr Eigeninitiative<br />
auch im Dienstleistungsbereich<br />
der Sozialarbeit – Subsidiarität,<br />
Unabhängigkeit von<br />
politischen Parteien und von<br />
konfessionellen B indungen<br />
kommen hier in unserer<br />
G esellschaft Benachteiligten<br />
zugute.“<br />
Im IfS war fi x ein Vorstand<br />
installiert worden. Den ersten<br />
Vereinsvorstand bildeten<br />
Sepp Büsel (bis 1981), Dr.<br />
Erika Neumann (bis 1983)<br />
und Hedwig Gmeiner (bis<br />
1985). In der Folge gehörten<br />
diesem Vorstand des Weiteren<br />
mit unterschiedlicher Dauer<br />
an: Manfred Dörler (1977-<br />
1995), Dr. Stefan Allgäuer<br />
(1983-1995), Ulrike Tschofen<br />
(1988-1990) und Julius Schedl<br />
(1989-1992).<br />
1974 Dr. Erika Neumann<br />
· 27 ·<br />
Führende IfS-Mitarbeiter-<br />
Innen: Ulrike Tschofen (l.o.),<br />
Julius Schedl, Erika Neumann
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
1978: Institut für Sozialdienste im „Vorarlberg Bericht“ (Mitte Mag. Helmut Spirk)<br />
Wie sehr das Land an der Tätigkeit des IfS interessiert war, bewiesen s eine<br />
Rahmenvereinbarungen mit diesem im Oktober 1992. Sie regelten die<br />
Z usammenarbeit hinsichtlich gemeinsamer sozialpolitischer Zielsetzungen<br />
und Grundsätze, ferner die Aufgabenteilung, Koordination, die Information<br />
und schließlich die Finanzierung und Kontrolle der Leistungen.<br />
Zu weit reichenden Satzungsänderungen<br />
kam es im<br />
November 1994: Der Dienstleistungsbereich<br />
wurde aus<br />
dem Verein ausgegliedert und<br />
in eine gemeinnützige GmbH<br />
umgewandelt. Die Größe des<br />
IfS, Haftungsfragen und die<br />
Forderung nach effi zienteren<br />
Organisationsformen waren<br />
für diese Veränderung aus-<br />
Prof. Hans Sperandio (links) mit Manfred Dörler schlaggebend. In der Folge<br />
· 28 ·
IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />
wurden die beiden Fachgruppen,<br />
die IfS-Schuldenberatung<br />
und die IfS-Familienarbeit<br />
verselbständigt. Für die IfS-<br />
Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft<br />
wurde ein<br />
eigener Verein gegründet, da<br />
eine Trägerschaft durch eine<br />
GmbH gesetzlich nicht möglich<br />
war.<br />
Die vorgenommenen<br />
Änderungen im November<br />
1994 hatten sich gelohnt:<br />
Das I nstitut für Sozialdienste<br />
war fl exibler geworden, die<br />
Entscheidungsprozesse in<br />
den selbständigen Bereichen<br />
erwiesen sich als einfacher und<br />
schneller, außerdem arbeiteten<br />
die kleineren Einheiten kostengünstiger<br />
und sparsamer.<br />
Hinter diesen Innovationen<br />
standen ganz wesentlich die IfS-Mitgliederversammlung<br />
beiden damaligen Geschäftsführer<br />
des IfS, Manfred Dörler und Dr. Stefan Allgäuer. Beide hatten die<br />
Auffassung vertreten, dass sich eine Organisation permanent verändern und<br />
sich neuen Gegebenheiten anpassen müsse. Auch habe sich das Management<br />
laufend Gedanken über die nähere und weitere Zukunft zu machen.<br />
Sie befürchteten die Entsolidarisierung und Vereinsamung der Menschen,<br />
ihre Aufteilung in eine „Zweidrittel-Gesellschaft“, was Arbeit, Einkommen<br />
und Umwelt betreffe, und wünschten sich vor allem einen „entkrampften<br />
Umgang mit Fremden in unserem Land“.<br />
In den folgenden Jahren stiegen die KlientInnenzahlen des IfS kontinuierlich<br />
an. 1994 nahmen insgesamt 13.483 Personen die Beratungsangebote<br />
des IfS in Anspruch. Im Jahr 2000 war die GesamtklientInnenzahl bereits auf<br />
21.782 angestiegen. Im Jahr 2005 kontaktierten 28.172 VorarlbergerInnen<br />
das IfS und im Folgejahr waren es bereits 30.338 Menschen. Problemfelder<br />
hatten sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Immer mehr Menschen<br />
litten an psychosomatischen Erkrankungen und Burnout-Erscheinungen.<br />
Langjähriger Sitz des IfS Vorarlberg; Bregenz, Römerstraße<br />
· 29 ·
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
1995: IfS-Geschäftsführer und IfS-Präsident Dr. Anton Fliri (mitte)<br />
Des Weiteren vollzog sich eine Sensibilisierung gegenüber Gewalt, woraus<br />
eine Intensivierung der Opferschutzarbeit resultierte. Ein weiteres Problem<br />
stellte die „Schuldenfalle“ dar, in welche vor allem Jugendliche auf Grund<br />
ihrer Konsumansprüche tappten. Im Zusammenhang mit Wirtschaftsrezession<br />
und Arbeitslosigkeit trat eine verdeckte Armut in Erscheinung.<br />
Das Institut für Sozialdienste und sein Wirken im sozialen Netz<br />
Die Entwicklung des sozialen Netzes in Vorarlberg wurde in den vergangenen<br />
Jahrzehnten durch viele kleine Initiativen und einige große Sozialorganisationen<br />
(wie die Caritas, das IfS und die Lebenshilfe) beeinfl usst und<br />
vorangetrieben. Heute wird die soziale Arbeit im Netzwerk Vorarlberg von<br />
einer Vielzahl an Partnern – Gemeinden, Sozialeinrichtungen und Vereine<br />
– geleistet (vgl. Sozialbericht 2006 des Landes Vorarlberg – dieser weist für<br />
das Jahr 2005 283 Sozialorganisationen bzw. Soziale Dienste aus, die insgesamt<br />
7.512 hauptamtliche MitarbeiterInnen beschäftigen).<br />
In all den Jahren zeichneten sich die Arbeit und das Handeln der Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter des IfS durch Sensibilität und Kompetenz aus.<br />
Dem in der Bevölkerung vorhandenen Bedarf an sozialen Leistungen wurde<br />
mit der Erstellung neuer Konzepte für bedarfsgerechte Angebote begegnet.<br />
· 30 ·
IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />
Ein solches Vorgehen wurde<br />
durch die innovationsfördernden<br />
Strukturen des Institut<br />
für Sozialdienste unterstützt<br />
und erleichtert. So lässt sich<br />
auch das stetige Anwachsen<br />
der Organisation erklären – in<br />
der Bevölkerung vorhandener<br />
Bedarf wurde durch neu<br />
entwickelte Konzepte, deren<br />
Umsetzung von Auftraggebern<br />
wie Land Vorarlberg und<br />
Bund als wichtig und erstrebenswert<br />
erachtet wurden,<br />
gedeckt.<br />
Doch das IfS hat in der<br />
Vergangenheit auch immer<br />
wieder bewiesen, dass es offen<br />
für Kooperation im sozialen<br />
Netz ist und nicht das Ziel<br />
verfolgt, eine Vormachtstel- 1992: 30 Jahre Institut für Sozialdienste<br />
lung einzunehmen. Beispiele<br />
hierfür sind die Zusammenarbeit mit eVORIS – Soziale Dienstleister Vorarlberg<br />
gGmbH, dem aks und der Plattform Gesundheitsförderung sowie<br />
die Beteiligung am Aufbau des Arbeitgeberverbandes. Die eVORIS ist eine<br />
Kooperataion von Lebenshilfe, Caritas, ABF und IfS und hat den Arbeitsmarkt<br />
für benachteiligte Menschen als Schwerpunkt. Zudem startete das IfS<br />
zusammen mit der Caritas, der Lebens hilfe, der Pädagogische Akademie und<br />
der Stadt Feldkirch das Modell „Soziale Berufsorientierung“ für junge Menschen,<br />
aus dem sich in der Folge das „Freiwillige Soziale Jahr“ entwickelte.<br />
Das Institut für Sozialdienste war im Laufe seiner Entwicklung in den Proponenten-<br />
und Gründerkomitees mehrerer wichtiger sozialer Einrichtungen<br />
vertreten. Stets zählte die Unterstützung und Förderung anderer sozialer<br />
Strukturen und Entwicklungen zu seinen Bestrebungen. So unter stützte<br />
das IfS beispielsweise den Aufbau des Vorarlberger Landeszentrum für<br />
Hörgeschädigte, der Akademie für Sozialarbeit, der Telefonseelsorge (TS),<br />
der Sozialsprengel Hard und Feldkirch, der Krankenbegleitung der Diözese<br />
F eldkirch und den Aufbau der Patientenanwaltschaft.<br />
· 31 ·
Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />
Im April 1992 wurde die Einrichtung „aha – Tipps und Infos für junge<br />
Leute“ in Dornbirn eröffnet. Das Konzept dazu erstellte das IfS mit dem<br />
Land Vorarlberg und der Stadt<br />
Dornbirn. Ziel dieses ersten<br />
Jugendinformationszentrums<br />
Vorarlbergs war es, Jugendlichen<br />
„Hilfe zu Selbsthilfe“<br />
zu bieten, ihnen Zugang zu<br />
Informationen über sämtliche<br />
Lebensbereiche und damit<br />
eine aktive Lebensgestaltung<br />
und persönliche Entfaltung zu<br />
1992: aha - Tipps und Infos für junge Leute ermöglichen. Solche Informationen<br />
betrafen z. B. Bereiche<br />
wie Urlaub, Freizeit, Ferialarbeit, Jugendaustausch, Sprachkurse usw. Durch<br />
die 1995 erweiterte Infrastruktur wie Internet und E-Mail wurden die internationalen<br />
Kontaktmöglichkeiten intensiviert. Dass das Jugendinformationszentrum<br />
auch angenommen wurde, beweisen die Besucherzahlen, die<br />
sich allein im Jahr 1997 auf rund 10.000 beliefen.<br />
Des Weiteren ist das IfS<br />
im Kriseninterventionsteam<br />
(KIT) und an der „Plattform<br />
Gesundheitsförderung“ maßgeblich<br />
beteiligt. Auch die<br />
Gründungen von EASPD<br />
(Dachverband der Behinderteneinrichtungen<br />
in der EU)<br />
und des Vereins „Möwe“ fand<br />
t atkräftige U nterstützung<br />
durch das IfS. Zudem betei-<br />
2002: 40 Jahre IfS mit LH Sausgruber<br />
ligte es sich darüber hinaus<br />
am Aufbau des IGK (heute connexia), der österreichweiten Arbeitsgemeinschaft<br />
für Schuldenberatung, der österreichweiten Arbeitsgemeinschaft für<br />
Arbeitsassistenz und des Dachverbandes der Österreichischen Jugendwohlfahrtsträger<br />
(DÖJ).<br />
· 32 ·
IfS-Geschichte Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />
Sozialpolitische Prinzipien<br />
Als Leitgedanke für die soziale Gesetzgebung hatte sich das Land Vorarlberg<br />
für das Prinzip der Subsidiarität entschieden. Dies bedeutet, dass Regierung<br />
und Verwaltung zwar kontrollieren, koordinieren und fi nanzieren, die praktische<br />
Sozialarbeit jedoch privatrechtlichen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfl<br />
ege überlassen werden sollte.<br />
Was die arbeitsorientierten Leitlinien des IfS betraf, so beruhten diese<br />
auf folgenden Grundsätzen: jenen der Professionalität, der Nahraum-<br />
O rientierung, der Kooperation und Koordination und schließlich auf jenen<br />
der sozialpolitischen Grundlagenarbeit.<br />
Auf der Nahraum-Ebene bemühte sich das IfS, diverse soziale Aktivitäten<br />
im lokalen Bereich (Sozialsprengel, gesunde Lebensräume kommunale<br />
Gemeinwesenprojekte) anzuregen, zu unterstützen, zu begleiten und diese<br />
mit fachlichen Informationen zu versehen. 1991 wurde das „IfS-PRO-Team“<br />
gegründet, das im Folgejahr mit seiner Tätigkeit startete. PRO machte es<br />
sich zur Aufgabe, Gemeinden, Regionen oder sonstige Gruppierungen im<br />
Sozialbereich bei Entwicklungsprojekten wie der Situationsanalyse, Zielsetzung,<br />
Maßnahmenplanung und Evaluation zu begleiten und zu unterstützen.<br />
Dabei erstellte das „PRO-Team“ die erforderliche Expertise, sorgte für<br />
Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und vermittelte erforderlichenfalls<br />
zwischen den Beteiligten.<br />
Diskussion mit LR Dr. Hans Peter Bischof HR Dr. Ludwig Rhomberg<br />
· 33 ·
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche IfS-Geschichte<br />
1995: Besuch des Sozialausschusses des Vorarlberger Landtages<br />
Die alltägliche, praktische Arbeit führte zu verschiedensten Kontakten,<br />
a ngefangen von Politikern und Beamten (so z. B. mit dem Leiter der Abteilung<br />
IVa der Vorarlberger Landesregierung Dr. Ludwig Rhomberg) bis zu<br />
den betreuten Gruppen. Die dadurch erhaltenen Informationen und Erfahrungen<br />
verlangten, neue Wege zu gehen und Lösungen zu fi nden, und boten<br />
schließlich manche Orientierung für Zielsetzungen und Entscheidungen der<br />
Landtags- und Regierungspolitik.<br />
Das Angebot des IfS<br />
Ein Arbeitsschwerpunkt des IfS lag auf den fachlich qualifi zierten und effi -<br />
zienten Beratungsdienstleistungen, die in den einzelnen IfS-Beratungsstellen<br />
organisiert waren. Solche Beratungsstellen entstanden zwischen 1973<br />
und 1978 zuerst in den Städten Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz<br />
und wurden in den folgenden Jahrzehnten auf den Bregenzerwald (erst in<br />
A ndelsbuch, später in Egg), Hohenems sowie die Außenstelle Kleinwalsertal<br />
ausgedehnt. In Regionen wie beispielsweise dem Montafon oder dem<br />
K lostertal wurden zeitweise bedarfsorientiert Sprechstunden angeboten.<br />
· 34 ·
IfS-Geschichte Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />
Die Einrichtung der Außenstellen erfolgte bedarfsorientiert. Nach erfolgreicher<br />
Deckung des vorhandenen Bedarfs wurden die Stellen in den Talschaften<br />
Klostertal und Montafon wieder aufgelassen.<br />
Die IfS-Beratungsstellen sollten ohne Schwierigkeiten erreichbar sein<br />
und neben Informationen auch länger dauernde Therapien anbieten. Eine<br />
interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Sozialinstitutionen wurde<br />
angestrebt.<br />
Die kleinen Arbeitseinheiten des IfS, personell, organisatorisch und<br />
finanziell überschaubar, trugen dazu bei, dass die Hilfe- und Ratsuchenden<br />
ihre Schwellenangst zu reduzieren vermochten und frühzeitig angesprochen<br />
werden konnten. Gegenüber den KlientInnen entwickelten sich einige<br />
grundlegende Verhaltensprinzipien. Dazu zählten die Wahrung der Anonymität,<br />
die Versuche, die KlientInnen auf verschiedenen Ebenen und Wegen<br />
anzusprechen, und die Freiwilligkeit der Beratung.<br />
Fachlich gliederte sich das IfS Anfang der 1980er Jahre in folgende Bereiche:<br />
An den IfS-Beratungsstellen fächerte sich das Angebot in Erziehungs- und<br />
Jugendberatung, Ehe- und Erwachsenenberatung, Familienberatung und<br />
Familienplanung auf. Weitere Tätigkeitsfelder des IfS waren die berufliche<br />
und soziale Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen, die Betreuung<br />
von sozialpädagogischen Wohngemeinschaften sowie die Sozial- und<br />
Gemeinwesenarbeit. Die praktische und dezentral durchgeführte Arbeit<br />
erstreckte sich auf alle Gemeinden.<br />
Anfänglich stand ein Teil der Vorarlberger Bevölkerung den Tätigkeiten<br />
des IfS skeptisch gegenüber. Lange Zeit wurde die allgemeine Meinung<br />
vertreten, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter würden lediglich sozial<br />
gestrauchelte Personen, Menschen, die ihr Leben „nicht in den Griff bekommen“,<br />
betreuen. Im Jahr 2000 konnte jedoch ein grundlegender Wandel<br />
der öffentlichen Meinung, nämlich hin zu „breiter Wertschätzung“, konstatiert<br />
werden. Durch die Entwicklung neuer Methoden und Prinzipien<br />
erhielt Sozialarbeit einen neuen Stellenwert. Dank des Grundsatzes „Hilfe<br />
zur Selbsthilfe“ standen nicht länger Abhängigkeitsverhältnisse und Bevormundung<br />
im Vordergrund, sondern die Selbstbestimmung der Klientin bzw.<br />
des Klienten sowie das neuerliche Finden von eigenen Kräften und Ressourcen.<br />
· 35 ·
Leitlinien und Tätigkeitsbereiche IfS-Geschichte<br />
Finanzen<br />
Zehn Jahre nach der Gründung des IfS beliefen sich dessen Ausgaben im Jahr<br />
1982 auf ca. 31 Millionen Schilling (rund 2,3 Millionen Euro). Bis 1996 war<br />
der Gesamtumsatz auf 108 Millionen Schilling (rund 7,8 Millionen Euro)<br />
angewachsen. Die Kosten wurden entsprechend der Gesetzeslage vom Land<br />
Vorarlberg, von den Gemeinden, vom Bund aber auch von Eigenerlägen der<br />
KlientInnen aufgebracht. Die grundlegenden öffentlichen Verpflichtungen<br />
ergaben sich als Folge der Sozialhilfe-, der Jugendwohlfahrts- und Rehabilitationsgesetze.<br />
Mit Beginn des Jahres 1986 übernahm Mag. Klaus Kühne die Zuständigkeit<br />
für den finanziellen Bereich des IfS. Das finanzielle Risiko für die<br />
enormen Beträge wurde vom IfS getragen, es übernahm somit die volle Verantwortung<br />
über einen eventuellen finanziellen Abgang. Um einen solchen<br />
zu verhindern, gab es seit 1986 eine EDV-basierte Kostenrechnung samt<br />
„Controlling“. Das IfS war daher in der Lage, jeden „Fall“ einzeln abzurechnen<br />
und die notwendigen Vergleiche zwischen Aufwand und Ertrag anzustellen.<br />
Im Prinzip arbeitet das IfS auf der betriebswirtschaftlichen Basis<br />
gewinnorientierter Dienstleistungsbetriebe. Die Bilanzen werden jährlich<br />
durch unabhängige Wirtschaftstreuhänder, periodisch durch das Finanzamt,<br />
die Gebietskrankenkasse sowie durch die Kontrollabteilung des Amtes der<br />
Vorarlberger Landesregierung überprüft. Seit 2000 gibt es eine zusätzliche<br />
Prüfungsvereinbarung mit dem Land Vorarlberg, die besagt, dass der Rechnungshof<br />
die Bilanzen des IfS überprüfen darf. Des Weiteren bestehen für<br />
all jene Aufgabengebiete, die im Auftrag des Bundes ausgeführt werden,<br />
Vereinbarungen, die die Kontrolle durch die zuständigen Bundesministerien<br />
regeln.<br />
Die Finanzgebarung des Jahres 1996 liefert einen Überblick über die<br />
jeweiligen Ausgaben der einzelnen Arbeitsschwerpunkte: Mit 49,7 Millionen<br />
Schilling (3,6 Millionen Euro) standen an erster Stelle die Kosten<br />
für die sieben Beratungsstellen. An zweiter Stelle folgten mit 22 Millionen<br />
Schilling (1,6 Millionen Euro) die Ausgaben für die Arbeit mit Menschen<br />
mit Behinderungen. Sodann gab es Ausgaben von 20,6 Millionen Schilling<br />
(1,5 Millionen Euro) für die vier sozialpädagogischen Wohngemeinschaften<br />
und 5,9 Millionen Schilling (430 000 Euro) für „soziale Wohnformen“.<br />
Zwei Jahre später betrug der Gesamtumsatz 116,3 Millionen Schilling,<br />
was etwa 8,5 Millionen Euro entspricht. Diese Zahlen erhöhten sich im Jahr<br />
2006 auf 16,73 Millionen Euro und stiegen somit auf das Doppelte an. Als<br />
· 36 ·
IfS-Geschichte Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />
Ursachen können unter anderem die Übernahme neuer Aufgabenbereiche<br />
und die ständig wachsenden KlientInnenzahlen angeführt werden: Während<br />
im Jahr 1998 18.076 Personen beraten wurden, fanden 2006 bereits 30.338<br />
Menschen den Weg in das IfS, wobei vor allem die Erwachsenenberatung<br />
und in bisher kaum bekanntem Ausmaß die Schuldenberatung das größte<br />
Wachstum aufwiesen.<br />
Organisation<br />
Wenn auch das Organigramm des Institut für Sozialdienste eine klare Struktur<br />
aufweisen mag, so verhält es sich in der Praxis und im Alltag anders.<br />
Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer erläuterte dies wie folgt: „Das IfS hat<br />
keine starre Struktur. Vielmehr ist das IfS eine lebendige Organisation, die<br />
in ihrem Wirken stark durch die Persönlichkeiten jener Menschen, die hier<br />
arbeiten, geprägt ist. Es gibt nicht das Produkt der ‚Beratung‘, der ‚Begleitung‘,<br />
der ‚Psychotherapie‘. Vielmehr ist dieses Produkt geprägt und gestaltet<br />
durch die (unterschiedlich) handelnden Personen und deshalb immer<br />
wieder anders, individuell und einmalig.“<br />
Durch ein solches Agieren gelang es dem IfS über all die Jahre hinweg,<br />
die weltanschauliche Unabhängigkeit von politischen Strukturen aufrecht<br />
zu erhalten. Es gelang,<br />
abseits von theoretischen<br />
Überlegungen<br />
eine zukunftsorientierte,experimentierende,<br />
dynamische<br />
und weltoffene soziale<br />
Arbeit zu leisten, die<br />
sich nicht unbeweglichen<br />
und dogmatischen<br />
Verhaltensmustern<br />
verpflichtet fühlte,<br />
sondern einer lebendigen<br />
und humanen<br />
Gegenwart.<br />
· 37 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Soziale Dienstleistungen<br />
In Vorarlberg entwickelte sich im Laufe der Jahre auf der Basis der Grundsätze<br />
und Ziele der Vorarlberger Landespolitik eine Aufgabenteilung im<br />
Bereich der sozialen Dienstleistungen. Man spricht von den drei Ebenen der<br />
psycho-sozialen Versorgung: die Ebene des „Nahraumes“, jene der „Professionellen<br />
Fachdienste“ (ambulant und stationär) sowie die Ebene von „Staat,<br />
Land und Gemeinden“.<br />
Die Ebene des „Nahraumes“ umfasst Familien, Selbsthilfe, primäre Netze<br />
(wie Nachbarschaftshilfe, Hauskrankenpflege, Gesunder Lebensraum, Sozialsprengel,<br />
Aktivitäten der Gemeinwesenarbeit und Vereine), gemeindenahe<br />
soziale Strukturen und erste professionelle Dienstleistungen. Auf dieser<br />
Ebene wird eine Ergänzung der primären Netze sowie eine Vernetzung und<br />
Koordination vor Ort angestrebt. Der Bedarf an sozialen Dienstleistungen<br />
lässt sich im Nahraum aufgrund der Nähe und Betroffenheit erfassen.<br />
Längerfristige Kontakt- und Betreuungsaufgaben werden auf dieser Ebene<br />
wahrgenommen (z. B. Mobile Hilfsdienste und Betreuung alter Menschen,<br />
sozial-psychiatrische Begleitung, Tagesstruktur für Menschen mit Behinderungen).<br />
Die Unterstützung von Ehrenamtlichen, sozialen Kampagnen und<br />
Erhebungen werden forciert, eine Stärkung der kommunalen Kompetenz<br />
und Verantwortung angestrebt.<br />
Auf der Ebene der „Professionellen Dienstleistungen“ sind bedarfsgerechte,<br />
qualifizierte Fachdienste angesiedelt, die den Kriterien „Qualität“<br />
und „Akzeptanz“ zu genügen haben. Zu nennen wären hier für das Land<br />
Vorarlberg der aks, die Caritas, das Institut für Sozialdienste, die Lebenshilfe<br />
und das Vorarlberger Kinderdorf. Das Angebot dieser professionellen<br />
Dienstleister umfasst soziale Dienste, ambulante Interventionen bzw. Maßnahmen,<br />
stationäre Angebote sowie Übergangs- und Mischformen aus den<br />
eben genannten Angeboten. In Vorarlberg zeichnet sich diese zweite Ebene<br />
durch eine umfassende Struktur von sozialen Dienstleistungen aus, wobei<br />
teilweise das Prinzip der Bündelung von Leistungen bei „großen“ Trägern<br />
verfolgt wird. Somit sind ein generalistischer Zugang sowie eine Differenzierung<br />
nach innen gegeben. Die professionellen Dienstleistungen haben keine<br />
· 38 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
finanziellen Zugangsbarrieren, der Gedanke der „Prävention“ spielt eine<br />
vorherrschende Rolle in der Ausgestaltung der sozialen Dienstleistung.<br />
Aufgaben der „öffentlichen Hand“ sind auf der dritten Ebene „Staat,<br />
Land, Gemeinden“ insbesondere die Formulierung von Zielvorgaben, die<br />
Planung und Koordination sozialer Dienstleistungen sowie deren Finanzierung<br />
und die Durchführung des Controllings. Das Land Vorarlberg hat<br />
sich auf diese Aufgaben beschränkt und ist daher im Sozialbereich nicht als<br />
Dienstleister tätig. Ausnahmen hiervon sind hoheitliche Aufgaben wie die<br />
Jugendwohlfahrt, die Finanzierung (wie beispielsweise die offene Sozialhilfe)<br />
sowie kommunale Pflegeheime.<br />
Kinder<br />
Allgemeine „Kinderfürsorge“<br />
Die Kinderfürsorge des Landes Vorarlberg stellte in den ersten Jahrzehnten<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg einen wichtigen Bestandteil der sozialen<br />
Verwaltung dar. Sie wirkte sich auf die verschiedensten Bereiche aus: Die<br />
so genannte „geschlossene Fürsorge“ unterstützte Kinder mit Behinderungen<br />
in diversen Anstalten. Kinderbeihilfen gingen an Pflegekinder und<br />
TBC-kranke Familien, außerdem wurden Schülerausspeisungen, „Auslands-<br />
Kinderverschickungen“ und Kinderferienheime unterstützt. Das Land hatte<br />
sich auch um das Pflegekinderwesen, Amtsvormundschaften und Alimente<br />
zu kümmern. In den Gemeinden erfuhren die seit den 1950er Jahren bestehenden<br />
Säuglingsfürsorge- und Mutterberatungsstellen finanzielle Hilfe.<br />
In Vorarlberg zeigte die Sorge um die Betreuung gefährdeter Kinder nach<br />
1945 drei bestimmte Trends: Um die Wirtschaftlichkeit des sozialen Systems<br />
zu gewährleisten, versuchte man über die therapeutisch-stationäre Betreuung<br />
hinaus die vorbeugende Beratung auszubauen. Außerdem entsprach es<br />
dem weltanschaulichen Prinzip der Landes-ÖVP, wenn sie Erziehung und<br />
Betreuung von Kindern nicht allein den Schulen überlassen wollte. Im Sinne<br />
ihres Subsidiaritätsprinzips sollten Eltern und Familien primär zu erhöhter<br />
Verantwortung herangezogen werden und dies unter dem Gesichtspunkt<br />
der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Außerdem wünschte man sich Privatinitiativen<br />
informeller Gruppen und Vereine. Das IfS entsprach somit voll und ganz<br />
diesen Vorstellungen.<br />
· 39 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Daneben wirkten auch private Einrichtungen der Kinderfürsorge, die in Vorarlberg<br />
erst seit den 1960er Jahren entstanden. Im Jahr 1985 waren diese<br />
Einrichtungen auf drei Ebenen tätig: vorbeugend, beratend (ambulant und<br />
therapeutisch) sowie stationär. Zu letzteren zählten vor allem die Heilpädagogische<br />
Station Carina, Mutter-Kind-Heime und die sozialpädagogischen<br />
Wohngemeinschaften des IfS.<br />
Aufgaben im Bereich der Beratung nahmen die Jugendämter der Bezirkshauptmannschaften<br />
sowie die Sozialämter der Gemeinden wahr. In diesem<br />
beratend-ambulanten Rahmen wirkte das IfS mit seinen Beratungsstellen.<br />
Hinzu traten die Beratungsstellen des Arbeitskreises für Sozialmedizin (aks)<br />
und der Caritas, die Programme „Gesunder Lebensraum“, die Tätigkeiten<br />
innerhalb der Sozialsprengel und diverser Pflegeelternvereine.<br />
Die vorbeugenden sozialen Aktivitäten für Kinder in deren Nahraum<br />
waren in Vorarlberg nicht weniger vielfältig: Abgesehen von den Kindergärten<br />
und Schulen wirkten im Sinne der „Fremdhilfe“ Pflegeeltern, Tagesmütter,<br />
die Säuglingsfürsorge und schließlich die verschiedensten Eltern- und<br />
Familienrunden.<br />
Erziehungsberatung<br />
Die Erziehungsberatung von Kindern gehörte von Anfang an zu den Arbeitsbereichen<br />
des Institut für Sozialdienste. Der häufigste Anlass für Eltern, sich<br />
mit ihren Kindern an eine Beratungsstelle zu wenden, stellte die Wahrnehmung<br />
von Störungen im schulischen Leistungsbereich dar. Dabei handelte<br />
es sich vor allem um Lernschwierigkeiten und Konzentrationsschwächen.<br />
Seit den 1980er Jahren traten vermehrt Probleme in Beziehungsbereichen<br />
in den Vordergrund wie Ängste, Unsicherheit, Kontaktschwierigkeiten, aber<br />
auch Aggressivität, Lügen und Stehlen.<br />
1985 wurde die Erziehungs- und Jugendberatung von 534 Personen<br />
in Anspruch genommen, zehn Jahre später hatte sich diese Zahl beinahe<br />
verdoppelt. 2006 fanden insgesamt 1.263 Menschen den Weg in die Erziehungs-<br />
und Jugendberatung. Dennoch war es offensichtlich, dass diese<br />
Hilfesuchenden nur die Spitze eines Eisberges waren, weil für viele Eltern<br />
der Gang zur Beratung mit einer hohen „Schwellenangst“ verbunden war<br />
und als Eingeständnis des eigenen erzieherischen Unvermögens aufgefasst<br />
wurde. Außerdem wurden Familienverhältnisse als „Privatsache“ angesehen,<br />
in die man sich von außen nicht einzumischen hatte.<br />
· 40 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Bei der Vorgangsweise zur<br />
erzieherischen Problemlösung<br />
konzentrierte sich die Beratung<br />
des IfS auf zwei Schwerpunkte:<br />
Erziehungsarbeit wurde stets<br />
als Beziehungsarbeit angesehen<br />
und legte somit Wert auf die<br />
e rzieherische Integration der<br />
Familie bzw. der ErzieherInnen.<br />
Erfolgschancen sah man weiters<br />
nur dann, wenn das soziale Netz<br />
Konfl ikte zuließ und wenn sich<br />
die Betroffenen den Konfl ikten<br />
stellten.<br />
Das Verständnis von „Erziehungsberatung“<br />
hatte sich<br />
im Laufe der Jahre dahingehend<br />
verändert, dass sich der<br />
Fokus nunmehr nicht lediglich<br />
auf den „Problemträger Kind“<br />
richtete. Der Beratungsalltag<br />
hatte g ezeigt, dass das gesamte<br />
System, in dem das Kind aufwächst, mit all seinen Rahmenbedingungen<br />
beleuchtet werden musste. Zunehmend wurden immer mehr systemische<br />
Beratungen durchgeführt, d.h., Eltern, Geschwister und weitere wichtige<br />
Bezugspersonen wurden verstärkt in den Beratungsprozess miteinbezogen.<br />
Es galt, nicht mehr alleine das Kind zu „verändern“, sondern das gesamte<br />
Umfeld wurde in die Beratung integriert. Diese Veränderungen bedingten<br />
weitere Überlegungen und Entwicklungen innerhalb des IfS, die eine Auffächerung<br />
des Angebots für Kinder sowie eine Spezialisierung im Bereich<br />
der „Psychotherapie für Kinder“ zur Folge hatten.<br />
Vaterrolle<br />
Im Beratungsalltag des IfS zeigte sich, dass die Beratungs- und Therapieangebote<br />
nur zu einem Drittel von Männern wahrgenommen wurden, noch<br />
geringer war der Anteil der Väter. Doch gerade diesen sollte gemäß den sozi-<br />
· 41 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
alintegrativen Vorstellungen der BeraterInnen eine verstärkte erzieherische<br />
Rolle zukommen.<br />
Im Zusammenhang mit der sich verändernden Rolle und dem sich verändernden<br />
Selbstverständnis der Frau, aber auch durch steigende Scheidungsraten<br />
und neue Familienformen hatten sich neue Rahmenbedingungen<br />
ergeben. Diese erforderten eine Neukonzeption des Vaterbildes und ein<br />
Überdenken der klassischen Vaterrolle und der Anforderungen an Väter.<br />
Um die neue Bedeutung der Väter aufzuzeigen und ihre bisherige traditionelle<br />
Rolle zu hinterfragen, initiierte das Institut für Sozialdienste unter<br />
der Federführung von Dr. Michael Schmid über die Jahre hinweg immer<br />
wieder Aktivitäten zum Themenbereich „Väter“. Beispielsweise wurde 1990<br />
das Projekt „Vater“ durchgeführt, 1998 startete das IfS gemeinsam mit dem<br />
Fotokünstler Nikolaus Walter eine Foto-Wanderausstellung zum Thema<br />
„Manns-Bilder“.<br />
Freizeit<br />
Im Sinne des Präventionsgedankens und des vorbeugenden Handelns initiierte<br />
und unterstützte das Institut für Sozialdienste zahlreiche Aktionen<br />
im Freizeitbereich. Es wurde und wird aus präventiver Sicht als sinnvoll<br />
erachtet, bis in den Bereich der Freizeit vorzudringen, um Kindern frühzeitig<br />
soziales Lernen zu ermöglichen, soziale Integration zu fördern und die Ressourcen<br />
des Sozialraums zu stärken.<br />
Als beispielhafte Projekte und Aktionen sind unter anderen z. B. das<br />
„Neuburglager“ für Menschen mit Behinderungen, woraus sich der Freizeitverein<br />
„Möwe“ entwickelte, die Kinderstadt „Klein Feldkirch“, das<br />
Projekt „Familiengerechte Gemeinde“ und die Wochenendgruppen der IfS-<br />
Familienarbeit zu nennen.<br />
Erfolgreich gestaltete sich Ende der 1980er Jahre eine Aktion zweier IfS-<br />
Erziehungsberater, die sich den Kinderspielplätzen in Vorarlberg widmete.<br />
Den beiden Psychologen war in deren Praxis aufgefallen, dass vielen Kindern<br />
„der Bezug zu Natur und Umwelt fehlte“, dass sie ihren gesunden<br />
Bewegungsdrang nicht auszuleben vermochten und spielerische Kontakte<br />
zu anderen Kindern fehlten. Um dies zu ändern, unternahmen die IfS-<br />
BeraterInnen 1987 eine Analyse der Vorarlberger Spielplätze. Sie kamen<br />
dabei zu einem ernüchternden Ergebnis: Obwohl die Vorarlberger Landesregierung<br />
1976 eine umfassende und wohlmeinende Kinderspielplatzverordnung<br />
erlassen hatte, besaßen die meisten Kinderspielplätze „eine reine<br />
· 42 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Alibifunktion“. Sie zeichneten sich durch „Sterilität, Willkür und Lieblosigkeit“<br />
aus.<br />
Um diesen tristen Verhältnissen Einhalt zu bieten, gaben die beiden IfS-<br />
BeraterInnen, Dr. Ali Fürst und Dr. Günther Rösel, 1989 „Ein Handbuch für<br />
eine qualitative Spielplatz-Kultur“ heraus, welches vor allem den Gemeinden<br />
und den Initiatoren von Spielplätzen konkrete Hilfestellung bieten soll.<br />
Im Jahr 2005 startete das Land Vorarlberg unter der Schirmherrschaft von<br />
Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber das Schwerpunktprogramm<br />
„Kinder in die Mitte“, um Vorarlberg zur kinderfreundlichsten Region werden<br />
zu lassen. Von Beginn an engagierten sich das IfS und das Vorarlberger<br />
Kinderdorf im Rahmen dieses Programms, nahmen an dessen Gestaltung<br />
und Umsetzung aktiv teil, da die Unterstützung und Förderung von Kindern<br />
eines der zentralen Anliegen dieser Organisationen ist und Prävention als<br />
ein herausragendes Thema betrachtet wird.<br />
Kindergarten und Pflichtschule<br />
Von Beginn an erachtete das IfS die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen<br />
wie Kindergärten und Schulen als erstrebenswert. Kooperationen<br />
in diesem Bereich galten und gelten als zentrales und notwendiges Element,<br />
um Kinder mit Problemen – seien diese sozialer, schulischer oder anderer<br />
Art – unterstützend begleiten und ihnen helfen zu können.<br />
Als Beispiel für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich kann das im<br />
November 1992 in Feldkirch gestartete Pilotprojekt „Psychologische Beratung<br />
für den Kindergarten“ angefügt werden. Gemeinsam mit dem schulpsychologischen<br />
Dienst und der Landesschulbehörde wurde versucht, eine<br />
Verbindung zwischen KindergartenpädagogInnen, Eltern und den Beratungsstellen<br />
des IfS herzustellen, um verhaltensauffälligen Kindern und<br />
deren Eltern frühzeitig Hilfe zu leisten. Der Erfolg des Projektes führte dazu,<br />
dass die psychologische Beratung für Kindergärten 1996 landesweit ausgebaut<br />
wurde. In der Zwischenzeit existiert dieses Beratungsangebot für alle<br />
Kindergärten in allen Bezirken des Landes.<br />
Die Arbeit mit einzelnen Kindern, die aufgrund diverser Probleme von<br />
IfS-BeraterInnen unterstützt wurden, zeigte deutlich die Notwendigkeit auf,<br />
nicht nur mit den Kindern selbst, sondern auch mit den Systemen „Kindergarten“<br />
und „Schule“ arbeiten zu müssen. Aus dieser Erkenntnis entwickelten<br />
sich Projekte wie beispielsweise jenes des „Hauptschulabschlusskurses“:<br />
· 43 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
1995: KindergartenpädagogInnen auf Besuch im IfS (mit LR Dr. Eva Maria Waibel)<br />
Es hatte sich gezeigt, dass ein Teil der SchülerInnen aufgrund schulischer<br />
oder sozialer Probleme ihre Schulausbildung vorzeitig abbrachen. Demzufolge<br />
verfügten diese jungen Menschen über keinen Hauptschulabschluss,<br />
womit deren Chancen am Arbeitsmarkt äußerst schlecht standen. Um diesen<br />
Jugendlichen neue Zukunftsaussichten und Möglichkeiten zu eröffnen,<br />
startete die IfS-Jugendberatungsstelle Mühletor 1997 ein Pilotprojekt.<br />
Mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds, des Unterrichtsministeriums<br />
und des Arbeitsmarktservice (AMS) wurde ein zweisemestriger<br />
Lehrgang organisiert. Er sollte den Jugendlichen allgemeinbildende, individuelle,<br />
b erufl iche und soziale Kenntnisse vermitteln und ihnen schließlich<br />
zum Extern isten-Hauptschulabschluss verhelfen. Dieses innovative Projekt<br />
führte noch im selben Jahr zum Hauptschulabschluss für 16 Jugendliche und<br />
junge Erwachsene. Seit dem Schuljahr 2001/02 wird das Projekt in Kooperation<br />
mit der Volkshochschule Götzis durchgeführt und konnte im Frühjahr<br />
2007 sein 10jähriges Jubiläum feiern.<br />
Im Laufe der Zeit erkannte man, dass es von Vorteil ist, direkt an den<br />
Schulen Beratungen anzubieten, um näher am Ort des Geschehens und bei<br />
den SchülerInnen selbst zu sein. So gab und gibt es verschiedene Projekte,<br />
in deren Rahmen IfS-MitarbeiterInnen ein- bis zweimal die Woche vor Ort<br />
als Ansprechperson fungieren. Im Jahr 2001 nahm die IfS-Schulsozialarbeit<br />
ihre Tätigkeit in den Hauptschulen Bregenz Vorkloster und Rieden auf<br />
und wurde in den Folgejahren auch in den Dornbirner Hauptschulen Lus-<br />
· 44 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
1998: Zeugnisverleihung HS-Abschluss im Mühletor<br />
tenauerstraße und Baumgarten installiert. Erstmals in Vorarlberg arbeitete<br />
eine Sozialarbeiterin fi x an einer Schule, denn Schulen hatten sich in den<br />
vergangenen Jahren oftmals zu einem Ort entwickelt, an dem soziale Defi -<br />
zite von Kindern und Jugendlichen sichtbar wurden. Schulsozialarbeit verstand<br />
sich von Beginn an als Drehscheibe zwischen SchülerInnen, Eltern<br />
und Lehrer Innen. Schulsozialarbeit koordiniert, unterstützt, vermittelt und<br />
entlastet. Durch einen sehr niederschwelligen Zugang besteht eine geringe<br />
Hemmschwelle und durch die Erreichbarkeit in der Schule kann bei auftauchenden<br />
Krisen rasch interveniert werden. In erster Linie werden Kinder<br />
und J ugendliche in schwierigen Situationen begleitet und unterstützt.<br />
G emeinsam mit ihnen werden Lösungen gesucht und formuliert. Neben<br />
Einzelfallhilfe (Arbeit mit einzelnen Personen) befasst sich Schulsozialarbeit<br />
mit Prävention. In Projektarbeiten wird mit ganzen Gruppen (z. B. Klassen,<br />
Lehrerkollegien, Erziehungsberechtigten) gearbeitet, um Probleme schon<br />
im Vorfeld anzusprechen und zu vermeiden. Besonders hat sich das Projekt<br />
„Mut“ bewährt, in dem das Thema „Gewalt“ bearbeitet und alternative<br />
Handlungen aufgezeigt werden.<br />
· 45 ·
Im Dienste sozialer Gruppen< IfS-Geschichte<br />
Kinderschutz<br />
Von Beginn an war Kinderschutz ein zentrales Anliegen des Institut für<br />
Sozialdienste, wobei es auch Fachleuten besonders schwer fiel, zu akzeptieren,<br />
dass Kinder auch innerhalb der eigenen Familie misshandelt werden.<br />
In den vergangenen Jahren gewann dieses Thema öffentlich zunehmend<br />
an Bedeutung, da sexueller Missbrauch sowie jegliche andere Gewaltform<br />
gegen Kinder gesellschaftlich enttabuisiert und verstärkt in der Öffentlichkeit<br />
diskutiert wurden.<br />
Das Angebot „IfS-Kinderschutz“ bezieht sich auf alle Formen von<br />
Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie auf die Vernachlässigung von<br />
Kindern und Jugendlichen. Von Gewalt oder sexuellem Missbrauch betroffenen<br />
Kindern und deren Bezugspersonen wird einfühlsame Beratung, Hilfe<br />
und Unterstützung angeboten. Über die IfS-Beratungsstellen in den einzelnen<br />
Regionen Vorarlbergs sind flächendeckend ständig ExpertInnen zu<br />
erreichen, die bei Bedarf sofort reagieren sowie Hilfe und Unterstützung<br />
anbieten. Diese dezentrale Struktur ermöglicht und garantiert ein rascheres<br />
Reagieren sowie bessere Leistungen als eine zentrale Kinderschutzeinrichtung.<br />
Mit dem Familienkrisendienst des IfS und des Vorarlberger Kinderdorfes<br />
sowie der Umsetzung des Konzeptes „Ein Platz in der Krise“ ist in<br />
Krisensituationen eine sofortige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen<br />
sowie eine entsprechende Krisenintervention gewährleistet.<br />
Ein besonders sensibles Thema war seit jeher jenes des sexuellen Missbrauchs<br />
an Kindern. Als sich bei den IfS-Beratungsstellen die Fälle sexuellen<br />
Missbrauchs häuften, entschloss man sich 1995, dieses Thema speziell in<br />
einer ExpertInnengruppe zu behandeln. Im Rahmen des Projektes „Hautnah“<br />
wurde unter anderem versucht, statistische Daten zu sexuellem<br />
Missbrauch zu eruieren: Etwa 50 Anzeigen von Kindesmissbrauch gingen<br />
jährlich bei Vorarlbergs Gerichten ein. Gemäß den Schätzungen des IfS<br />
lag die Dunkelziffer der Straftaten jedoch zwischen 600 und 1500 Fällen.<br />
Opfer des sexuellen Missbrauchs waren überwiegend Mädchen, 97% der<br />
Täter waren männlich. In mehr als 40% der Fälle war der Missbrauch nicht<br />
einmalig, sondern erstreckte sich über einen Zeitraum von vielen Jahren.<br />
Die Kinder waren vor allem durch Männer ausgebeutet worden, die diesen<br />
nahe standen und zum Familienkreis gehörten. Es hatte sich gezeigt, dass der<br />
viel beschworene, „böse, schwarze Mann“, der die unschuldigen Kinder in<br />
den dunklen Wald lockte, kaum existierte und sich meist als „freundliches“<br />
Familienmitglied entpuppte.<br />
· 46 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Ein Bereich der Präventionsarbeit war in diesem Kontext die Aufklärung<br />
an Schulen. Zur Vorbeugung gegen Missbrauch wurde schon von jüngstem<br />
Alter an eine positive, kindgerechte Sexualerziehung gefordert und die<br />
bisher üblichen Methoden der Tabuisierung abgelehnt. Im Rahmen des IfS-<br />
Engagements wurde 1996 österreichweit eine Ausstellung mit dem Titel<br />
„(K)ein sicherer Ort“ präsentiert. Zusammen mit dem Vorarlberger Kinder-<br />
und Jugendanwalt thematisierte man in der Pädagogischen Akademie<br />
in Feldkirch den Kindesmissbrauch.<br />
Der 2004 in Dornbirn ins Leben gerufene IfS-KinderRaum befasst sich mit<br />
dem Themenkomplex „Kinder in Scheidungssituationen“. Der IfS-Kinder-<br />
Raum richtet sich an geschiedene Eltern, die bereit sind, die Familienbeziehungen<br />
in einem gewissen Ausmaß aufrecht zu erhalten und damit dem<br />
getrennt lebenden Partner die Möglichkeit zu bieten, mit seinem/ihrem<br />
Kind Besuchskontakt aufzunehmen.<br />
Da für so manche Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern der Kontakt zu<br />
einem der Elternteile völlig abbricht, wurden von der IfS-Familienarbeit<br />
2005 in Feldkirch und Bludenz sowie 2007 in Dornbirn IfS-Besuchstreffs<br />
eingerichtet. Dort können Kinder und geschiedene oder getrennt lebende<br />
Elternteile an einem neutralen Ort mit professioneller Hilfe wieder Kontakt<br />
zueinander aufbauen, um diesen nach einer gewissen Zeit wieder eigenverantwortlich<br />
pflegen zu können. Der Kontakt zu beiden leiblichen Eltern ist ein<br />
Recht der Kinder. Immer häufiger wurde daher im Streitfall eine begleitete<br />
Besuchsregelung auch von den PflegschaftsrichterInnen vorgeschrieben.<br />
Im Rahmen des Kinderschutzes wurden zahlreiche weitere Aktivitäten<br />
gestartet. Beispielsweise startete 2005 das Pilotprojekt „Kinderbeistand“ für<br />
die Bezirke Feldkirch und Bludenz, das in enger Zusammenarbeit mit den<br />
Gerichten durchgeführt wurde. Vertrauenspersonen des IfS sollten von nun<br />
an Kinder in der schwierigen Zeit der Scheidung unterstützen und ihnen<br />
als Sprachrohr zur Seite stehen. Damit war ein wichtiger Schritt getan, die<br />
Anliegen und Rechte der Kinder zu wahren.<br />
· 47 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt<br />
Die Zusammenarbeit mit öffentlichen Behörden wurde und wird in allen<br />
Fachbereichen des Institut für Sozialdienste als wichtig und zentral erachtet.<br />
Die Zusammenarbeit mit den Abteilungen der Jugendwohlfahrt der<br />
Bezirkshauptmannschaften entsprach den Jugendwohlfahrtsgesetzen der<br />
Jahre 1989 und 1991, wonach verstärkt Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt<br />
zur Erfüllung von nicht hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen<br />
Jugendwohlfahrt herangezogen werden konnten. Im Jahr 1991 hatte sich<br />
die Landesregierung gesetzlich dazu verpflichtet, dass Minderjährigen und<br />
deren Erziehungsberechtigten jene sozialen Dienste zur Verfügung zu stellen<br />
seien, die als Erziehungshilfe notwendig erschienen.<br />
Auf der fachlich qualifizierten Ebene, in der Arbeit am jeweiligen „Fall“<br />
funktionierte diese Zusammenarbeit stets sehr gut. Wenn sich Probleme<br />
ergaben, dann auf der institutionellen Ebene. Hier gestaltete sich die Zusammenarbeit<br />
teils als spannungsgeladen, da insbesondere die MitarbeiterInnen<br />
der Jugendwohlfahrt häufig den Eindruck hatten, dass den privaten<br />
Sozialeinrichtungen weit mehr Ressourcen zur Verfügung stehen würden.<br />
Beeinflusst durch die Fallarbeit – je nach „Fall“ gestaltete sich die Zusammenarbeit<br />
anders und neu – wurde es im Laufe der Zeit jedoch möglich,<br />
differenzierte Modelle der Kooperation zu entwickeln und somit die Zusammenarbeit<br />
zu strukturieren und zu erleichterten.<br />
Familienberatung<br />
Die Beratung von Familien zählte von Beginn an zu den Arbeitsschwerpunkten<br />
des IfS. Bereits in den 1970er Jahren nahmen die MitarbeiterInnen<br />
der IfS-Familienberatung einen beginnenden Wandel der Familie und ihrer<br />
Strukturen wahr. Auch die Probleme, die in der Beratung zu lösen versucht<br />
wurden, waren im Laufe der Jahre einem Wandel unterworfen. Bis<br />
in die Mitte der 1980er Jahre zählten überwiegend Sexualität, Empfängnisverhütung,<br />
ungewollte Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikte und<br />
Schwangerschaftsabbruch zu den Themenbereichen, mit denen man sich in<br />
der Beratung auseinandersetzte. Vor allem ungewollte Schwangerschaften<br />
warfen große Probleme auf. Nicht zuletzt hatte das IfS auch über den in<br />
Österreich seit 1975 legitimierten Schwangerschaftsabbruch in Form der<br />
„Fristenregelung“ zu informieren. Die komplexe Materie machte es not-<br />
· 48 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
1997: IfS-Beratungsstelle Feldkirch<br />
wendig, dass man in sämtlichen Belangen mit ÄrztInnen, PsychologInnen,<br />
Ehe- und FamilienberaterInnen zusammenarbeitete.<br />
Empfängnisregelung, Schwangerschaftskonfl ikte und Sexualerziehung<br />
zählten auch 2006 noch zu jenen Themenbereichen, die im Rahmen der<br />
IfS-Familienberatung vorrangig zur Sprache kamen. Zudem suchten Familien<br />
vor allem in den Bereichen Trennung und Scheidung, wirtschaftliche<br />
bzw. fi nanzielle Probleme, Erziehungsprobleme sowie Rechtsfragen Unterstützung.<br />
Familienarbeit<br />
1987 startete die Beratungsstelle Bludenz das Projekt „Sozialpädagogische<br />
Familienarbeit“, welches sich unter der Bezeichnung „IfS-Familienarbeit“<br />
erfolgreich etablieren sollte. Ziel dieses neuen Fachbereichs war, weniger<br />
Kinder von ihren Eltern trennen zu müssen und sie in einer Ersatz familie<br />
unter besseren Bedingungen aufwachsen zu lassen. Man wollte diesen Kindern<br />
vielmehr ihre wenn auch schwierigen Familien erhalten, diese aber<br />
massiv ambulant unterstützen. „Unterstützung der Erziehung“ anstelle<br />
„Volle Erziehung“ hieß dies im Fachjargon des Jugendwohlfahrtsgesetzes.<br />
Gemeinsam mit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz wurden „bedürftige“<br />
Familien ausgesucht, denen man sich intensiv widmete, indem man Hausbesuche<br />
anbot und auf ihre besondere Situation einging.<br />
Das Modell der ambulanten Familienhilfe war in Vorarlberg neu und<br />
so mussten die MitarbeiterInnen erst in Deutschland ausgebildet werden,<br />
· 49 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
zudem wurde das Projekt über drei Jahre wissenschaftlich vom Deutschen<br />
Jugendinstitut begleitet. In den ersten Jahren gestaltete sich die Arbeit als<br />
nicht einfach: Das Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft und das IfS<br />
mussten gemeinsame Konzepte entwickeln und diese koordinieren. Außerdem<br />
waren die fachliche Arbeit zu verbessern und neue Therapiemodelle<br />
anzuwenden. Schließlich durfte die Hilfestellung nicht allein und isoliert<br />
auf die betreute Familie reduziert werden. Es galt, „einen Brückenschlag zu<br />
gesellschaftlichen Aktivitäten herzustellen, der präventive Wirkung haben<br />
soll“, so der Geschäftsführer der IfS-Familienarbeit, Dr. Hubert Löffler.<br />
Anfang der 1990er Jahre hatte sich die Familienarbeit neuen Herausforderungen<br />
zu stellen: Das Land Vorarlberg beschloss, den ambulanten<br />
Bereich der Familienbetreuung massiv aus- und aufzubauen. Dies führte<br />
1991 zur Gründung der so genannten Familiendienste, welche in Feldkirch<br />
und Bludenz vom IfS, in den Bezirken Bregenz und Dornbirn vom Vorarlberger<br />
Kinderdorf übernommen wurden. Damit waren zwei Teilbereiche des<br />
IfS, nämlich die „Familienarbeit“ und der „Familiendienst“, ausschließlich<br />
mit den von den Jugendämtern zugewiesenen Fällen betraut.<br />
Die Rahmenvereinbarungen regelten die Kommunikationsabläufe zwischen<br />
IfS-Familienarbeit, dem Land und den zuweisenden Bezirkshauptmannschaften.<br />
Diese neue Form von Kooperation öffentlicher und privater<br />
Stellen war notwendig geworden, weil sich die Rahmenbedingungen für die<br />
Jugendwohlfahrt stark geändert hatten: Mit der Auflösung der klassischen,<br />
traditionellen Familienformen ergab sich ein steigender Bedarf an Hilfe,<br />
Beratung und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Erziehungsberechtigte.<br />
Außerdem waren die Anforderungen und Erwartungen an die<br />
fachliche Qualität der SozialarbeiterInnen gestiegen. Die organisatorische<br />
wie inhaltliche Neuorientierung hatte zur Folge, dass eine moderne, familienzentrierte<br />
und auf Vorbeugung ausgerichtete Jugendwohlfahrt entstand,<br />
die hauptsächlich im ambulanten Bereich arbeitete. 1995 wurde die IfS-<br />
Familienarbeit aus dem IfS ausgegliedert und zu einer eigenen GmbH.<br />
Im Jahr 2003 wurde auf Initiative der IfS-Familienarbeit das mehrjährige<br />
Projekt „… trotz allem gesund!“ gestartet. Dieses dient der Gesundheitsförderung<br />
für Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten.<br />
Denn eines war für das IfS unbestritten: „Armut macht krank“. „Arme<br />
sterben früher, erkranken schwerer, verunfallen häufiger, sind häufiger<br />
von Gewalt betroffen, sind stärker gesundheitsgefährdenden Umweltbedingungen<br />
ausgesetzt und arbeiten unter höheren psychischen und physischen<br />
Belastungen“, konstatierte die „IfS-Familienarbeit“. Ziel von<br />
· 50 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
1995: Familienarbeit-Fachtagung in Schloss Hofen<br />
„… trotz a llem gesund!“ war und ist, von Armut gefährdete oder betroffenen<br />
Erwachsene, Jugendliche und Kinder mittels individueller Beratungen,<br />
Aktivitäten und persönlichen Gesprächen zu gesundheitsbewusstem Verhalten<br />
zu motivieren.<br />
Familie im Wandel<br />
Das Jahr 1994 wurde von der UNO zum „Jahr der Familie“ deklariert.<br />
Das Jugend- und Familienreferat im Amt der Vorarlberger Landesregierung<br />
nahm dies zum Anlass, das Projekt „Lebensraum Familie“ zu initiieren.<br />
Eingebunden wurden hierbei beinahe sämtliche Gemeinden und die<br />
F amilienorganisationen des Landes. Das „PRO Team für Nahraum- und<br />
G emeinwesenentwicklung“ des IfS wurde mit der Konzeption, Begleitung<br />
und Umsetzung beauftragt. Für viele mochten die Aussagen der SozialarbeiterInnen<br />
des IfS überraschend sein, wenn es etwa hieß, „Um die Familien<br />
in ihren Aufgaben zu unterstützen, sollte nicht zwischen richtig und falsch<br />
oder gut und schlecht unterschieden und bewertet werden. Dies hilft den<br />
Familien nicht, sondern wirkt behindernd. Es gibt keine ,schlechten‘ Väter/<br />
Mütter/Eltern/Familienformen.“ Viele wiederum sahen die Schwierigkeiten<br />
vieler Familien darin, dass man sie mit Idealvorstellungen „überfrachte“, die<br />
· 51 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
der Realität nicht entsprächen.<br />
Diese Tatsachen zeigten sich<br />
auch in Vorarlberg verbunden<br />
mit Arbeitslosigkeit, Überschuldung,<br />
beengtem Wohnraum,<br />
Doppelbelastung der<br />
Mütter, mangelnder Kinderbetreuung,<br />
Druck der Schule<br />
und der Eltern auf die Kinder<br />
und mit Problemen vieler<br />
Migrantenfamilien. Was man<br />
1997: Besuch aus den USA (Gründer von FAST)<br />
noch vor einigen Jahrzehnten<br />
in Vorarlberg nicht einmal zu denken wagte, sprachen IfS-Mitarbeiter Innen<br />
im „Jahr der Familie“ offen aus. Sie gaben damit auch ein Bekenntnis zur<br />
offenen und toleranten Einstellung des IfS gegenüber gesellschaftlichen<br />
Entwicklungen ab. Gefragt, ob die „Konstruktion der Familie eher out“ sei,<br />
meinten sie: „Wenn man an die Idealfamilie (Vater, Mutter, zwei Kinder)<br />
denkt, ist diese Form nur eine Möglichkeit, Familie zu leben. Schlimm fänden<br />
wir es, diese Form zu idealisieren und all die allein erziehenden Mütter<br />
oder Väter, Patchwork-Familien, Lebensgemeinschaften, Pfl egeeltern, Tagesmütter<br />
und -väter mit ihren Kindern in den Schatten zu stellen. Wir erleben<br />
sehr häufi g, wie gerade in diesen Familien mit viel Engagement die Beziehungen<br />
untereinander gut gehen.“<br />
Der Trend zur Veränderung der traditionellen Familie ließ sich nicht<br />
mehr aufhalten oder verschleiern. In der Zeitschrift des IfS wurde die<br />
„Familie im Wandel“ 1999 offen angesprochen: „Berechtigterweise machen<br />
wir uns Sorgen, wenn wir an den Weiterbestand von Ehe und Familie als<br />
der Keimzelle unserer Gesellschaft denken.“ Verständlicherweise hatte man<br />
k eine Patentlösungen für diesen Wandel und die damit verbundenen Krisen<br />
anzubieten. Die Ursachen dafür fand man in den neuen Verhaltensweisen<br />
und „Werten“, welche durch die moderne Industriegesellschaft verstärkt<br />
wurden: Diese seien Expansion, Konkurrenz, Quantität und Herrschaft.<br />
Was die zukünftige Familie jedoch benötige, seien Qualität, Partnerschaft,<br />
Kooperation und „bessere Kommunikationsfähigkeit, vor allem in intimen<br />
Beziehungen“. Kreative, schöpferische, intelligente und den jeweiligen Situationen<br />
angepasste Lösungen sollten angestrebt werden.<br />
· 52 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Jugendliche<br />
Das IfS befasste sich seit Beginn seiner Tätigkeit mit Jugendberatung und<br />
Jugendbetreuung. Jugendliche stellten bereits an der ersten Beratungsstelle,<br />
die in Bregenz installiert worden war, einen der Schwerpunkte dar. Die MitarbeiterInnen<br />
wurden mit einer Vielzahl von Jugendproblemen konfrontiert:<br />
Häufi g wurde der Ablösungsprozess von den Eltern sowie der Übergang von<br />
der Kindheit in die Erwachsenenwelt von den Jugendlichen als schwierig und<br />
problembeladen erlebt. Des Weiteren hatte man mit Problemen wie Drogenkonsum,<br />
Vereinsamung und Suizidversuchen zu kämpfen. IfS-Berater-<br />
Innen suchten die Treffs von Jugendlichen auf, betrieben Gruppenarbeit<br />
mit j ugendlichen „Randgruppen“ und arbeiteten mit Jugendorganisationen<br />
sowie Bildungseinrichtungen zusammen.<br />
Jugendberatungsstelle Mühletor<br />
Zu einer Spezialeinrichtung des IfS entwickelte sich seit 1982 die Jugendberatungsstelle<br />
„Mühletor“, die im ganzen Land tätig war. „Mühletor“ organisierte<br />
die unterschiedlichsten Projekte, um jugendliche Kreativität, soziales<br />
Engagement und Selbstbewusstsein zu fördern. Projekte erwiesen sich als<br />
Tauchen ist auch ein Projektangebot der IfS-Jugendberatung Mühletor an die Jugendlichen.<br />
· 53 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
geeigneter Weg, um Kontakt mit Jugendlichen aufzunehmen und näher an<br />
diese heranzukommen. Aufhorchen ließ 1984 zum Beispiel eine Arbeitslosen-Selbsthilfegruppe<br />
und 1985 fanden eine Kunstausstellung, ein Kabarett<br />
und eine einwöchige „Punk-Ausstellung“ sowie ein Open-Air-Konzert<br />
statt.<br />
Solche Veranstaltungen wurden auch in den folgenden Jahren fortgesetzt.<br />
Auch hier zeigte sich, dass überwiegend Burschen mit ihren Anliegen<br />
und Problemen an die Mühletor-MitarbeiterInnen herantraten. Diese<br />
Erfahrung führte dazu, spezielle Projekte für Mädchen anzubieten. Folglich<br />
wurde 1988 mit der Kunstausstellung „Weibsbilder“ erstmals ein spezifi -<br />
sches Mädchen-Angebot gestartet.<br />
Streetwork<br />
1997: Eröffnung Streetwork Bregenz mit<br />
Bgm. Siegfried Gasser<br />
· 54 ·<br />
Im Dezember 1993 erteilte das<br />
Land Vorarlberg dem IfS unter<br />
dem Titel „Mobile Jugendarbeit“<br />
einen speziellen Auftrag<br />
für Streetwork. Im folgenden<br />
Jahr lief die Arbeit im Rheintal<br />
zwischen Bregenz und<br />
Feldkirch an. Streetwork war<br />
im Gegensatz zur stationären<br />
Jugendarbeit „fl exibel und<br />
mobil“. Das bedeutete, dass<br />
die BeraterInnen des IfS die<br />
bisher kaum bekannten und beachteten Treffpunkte der jugendlichen Zielgruppen<br />
aufsuchten, die im zersiedelten Vorarlberg meist an keinem f esten<br />
Ort etabliert waren. Die „Straße“ erwies sich als neuer Arbeitsort für die<br />
Streetworker.<br />
Zielgruppe der Arbeit waren vor allem jugendliche „Randgruppen“, die<br />
ausgegrenzt und mit herkömmlicher Jugendarbeit nicht zu erfassen waren<br />
sowie in der Regel nicht betreut werden wollten. Dazu zählten aggressive<br />
Jugendliche, delinquente Straßengruppen, rechts- bzw. neonazistische<br />
Jugendliche und nicht zuletzt die in der Öffentlichkeit am stärksten in<br />
Erscheinung getretenen Punks und Skinheads.<br />
Es gestaltete sich immer wieder als höchst schwierig und anspruchsvoll,<br />
Zugang zu den einzelnen Gruppen zu erhalten. Als besonders erfolgreich
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
zeigten sich in diesem Zusammenhang Aktivitäten im freizeitpädagogischen<br />
Bereich. Dass die BeraterInnen den Jugendlichen entgegenkamen, um<br />
g emeinsam mit diesen Defi zite und Probleme aufzuarbeiten, wurde von den<br />
Jugendlichen positiv aufgenommen. Als wichtiger pädagogischer Weg erwies<br />
sich, Projekte anzubieten, die genügend Anreize boten, die eigenen „Weltanschauungen<br />
neu zu überdenken und zu refl ektieren“. Die Streetwork-Arbeit<br />
konzentrierte sich anfänglich auf die Region Feldkirch und wurde in der<br />
Folge auf das ganze Land – mit Schwerpunkt Ballungsräume – ausgeweitet.<br />
Sozialpädagogik<br />
Sozialpädagogische Wohngemeinschaften<br />
Bis zum Jahre 1972 wurden verhaltensauffällige Jugendliche häufi g in<br />
geschlossenen Anstalten und Heimen untergebracht. Die damit gemachten<br />
Erfahrungen waren ambivalenter Natur. Zum Teil zeigten sich bei den<br />
betroffenen Jugendlichen Symptome wie Heimatlosigkeit, Hospitalisierung<br />
und Orientierungslosigkeit. In der Fürsorgeerziehung gab es für Jugendliche<br />
in Vorarlberg neben dem Kinderdorf lediglich den „Jagdberg“ in Schlins, wo<br />
jedoch nur schulpfl ichtige Knaben Platz fanden. Mädchen kamen in Erziehungsanstalten<br />
nach Kramsach und Schwaz in Tirol, ältere Jugendliche nach<br />
Kleinvolderberg in Tirol.<br />
In Vorarlberg hatten sich an verschiedenen Orten so genannte Mädchenwohnheime<br />
etabliert. Sie dienten der Unterkunft und Versorgung junger<br />
Frauen, welche aus anderen Bundesländern zur Arbeit nach Vorarlberg<br />
gekommen waren und zumeist aus unteren Sozialschichten stammten.<br />
H edwig Gmeiner hatte ein solches Heim<br />
in der Rankweiler Bahnhofstraße geführt.<br />
Im Rahmen ihrer Arbeit gelangte Gmeiner<br />
zu der Erkenntnis, dass diese Art von<br />
Einrichtungen jungen Frauen mit Problemen<br />
nicht gerecht werden könne. Als<br />
Alternative entwickelte die engagierte<br />
Betreuerin das für damalige Verhältnisse<br />
„revolutionäre“ Modell einer „offenen<br />
Wohnung“, die Heimat, familiäre Atmosphäre<br />
und qualifi zierte Betreuung bieten<br />
wollte. Hier sollten die jugendlichen Marianne Scheffknecht<br />
· 55 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Mädchen wieder Wertschätzung, Respekt und Individualität erfahren sowie<br />
Selbstständigkeit entwickeln.<br />
Nachdem das Land dem Projekt zugestimmt hatte und dieses in das damals<br />
noch sehr kleine IfS integriert worden war, entstand 1972 die erste Wohngemeinschaft<br />
für Mädchen in Bregenz und 1975 eine solche in Dornbirn.<br />
Da in den ersten Jahren der Großteil der Erzieherinnen mit den Mädchen<br />
in einem Haushalt zusammenlebte, gestaltete sich die Arbeit als sehr intensiv<br />
und auch voller lehrreicher Spannungen und Konfl ikte. Zu Beginn der<br />
1980er Jahre übernahmen BetreuerInnenteams die Arbeit in den Wohngemeinschaften.<br />
Die dadurch erlangte Arbeitsteilung führte zu einer Normalisierung<br />
der Arbeitszeiten für die WG-MitarbeiterInnen.<br />
Sieben Jahre nach der Entstehung der ersten Mädchen-Wohngemeinschaft<br />
wurde 1979 eine erste Wohngemeinschaft für Burschen gegründet.<br />
Diese befand sich in Hard.<br />
· 56 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Nach zehnjähriger Praxis, Erfahrung und Analyse kam man im Jahr 1982<br />
bezüglich der bis dahin 382 Jugendlichen, die in IfS-Wohngemeinschaften<br />
aufgenommenen worden waren, zu teils überraschenden Ergebnissen:<br />
Hauptgründe für die Aufnahme waren Schwierigkeiten mit Eltern und<br />
E rzieherInnen, Ziel- und Orientierungslosigkeit, akute Entwicklungskrisen<br />
und „Streunerei“ gewesen. Die normale Entwicklung war in erster L inie<br />
durch problematische Familienverhältnisse gestört worden. Der größte<br />
· 57 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
A nteil der Jugendlichen war im Alter zwischen 16 und 17 Jahren, darunter<br />
vor allem Mädchen. Überraschend war ihre Herkunft aus überwiegend „vollständigen“<br />
Familien, in denen häufi g eine „heile Welt“ vorgetäuscht wurde.<br />
60% der Familien gehörten der Mittel- bzw. Oberschicht an und konnten als<br />
„geachtet, gut bürgerlich, normal“ bezeichnet werden. Überwiegend lebten<br />
in diesen Familien mehrere Geschwister und 43% der Jugendlichen kamen<br />
· 58 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
aus städtischen Zentralorten. 41% lebten in Mietwohnungen, 32% in Eigenheimen,<br />
37% wurden von Hausfrau-Müttern betreut und erst an zweiter<br />
Stelle mit 33% von vollbeschäftigten Müttern. Es war offensichtlich, dass<br />
Eltern-Jugend-Probleme nicht etwa in sozialen Unterschichten dominierten,<br />
sondern quer durch alle Schichten vorkamen.<br />
Bis 1984 existierten Wohngemeinschaften nur im Vorarlberger Unterland.<br />
Um eine Unterbringung aller Jugendlichen in der Nähe ihres gewohnten<br />
sozialen Umfeldes zu gewährleisten, eröffnete das IfS eine solche für<br />
Burschen in Bludenz. 1990 wurde in Ludesch erstmals eine Wohngemeinschaft<br />
gegründet, die aus einer gemischten Gruppe bestand und dem zu<br />
dieser Zeit stark diskutierten Modell der Koedukation entsprach. Das Expe-<br />
· 59 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
riment hatte sich gelohnt und gezeigt, dass junge Mädchen „im gruppendynamischen<br />
Prozess mindestens genauso stark sind wie die Burschen und oft<br />
sogar die Führung“ übernahmen.<br />
Für manche Jugendliche war das Angebot der „offenen Wohnungen“<br />
nicht oder nicht mehr passend. Daher wurde das Konzept der „Außenwohnungen“<br />
entworfen und erstmals 1984 in Bludenz verwirklicht. Diese<br />
Wohnungen wurden vom IfS auf dem freien Markt angemietet und den<br />
Jugendlichen in einem internen Vertrag vermietet.<br />
1994 setzte im Fachbereich Sozialpädagogik die Diskussion über eine<br />
Veränderung der Angebote ein. 1995 wurde das Konzept des „Ambulanten<br />
betreuten Wohnens“ (AbW) in die Tat umgesetzt. Um dies mit den vorhan-<br />
· 60 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
denen Mitteln zu ermöglichen,<br />
wurde die Wohngemeinschaft<br />
in Hard geschlossen.<br />
Die Wohngemeinschaften<br />
blieben von Krisen nicht verschont.<br />
Eine solche gab es<br />
beispielsweise 1994 in der<br />
Mädchenwohngemeinschaft<br />
in Rankweil: Fünf der sieben<br />
Mädchen hatten Kontakte zur<br />
Drogenszene und waren durch<br />
erzieherische und sozialarbeiterische<br />
Bemühungen kaum<br />
noch zu erreichen. Die einzige<br />
sinnvolle Lösung sah man in<br />
einem intensiven erlebnispädagogischen<br />
Programm: Die<br />
Betroffenen machten sich für<br />
drei Wochen auf den Weg, zu<br />
Fuß und auf dem Kamel die<br />
Wüste Sinai in Ägypten zu<br />
durchqueren. Das waghalsige<br />
Projekt des IfS erwies sich<br />
als erfolgreich und aus der<br />
g elungenen Krisenintervention<br />
ging 1997 das „Jugendintensivprogramm“,<br />
kurz JIP<br />
genannt, hervor.<br />
Von 1972 bis 1996 wurden<br />
in den Formen des „offenen<br />
Wohnens“ 859 Jugendliche,<br />
davon 694 Mädchen und 165 Burschen, betreut. Die Betreuung erfolgte<br />
nach dem Drei-Stufenmodell, das zu immer mehr Eigenverantwortung und<br />
schließlich zu ambulanter Nachbetreuung führte.<br />
Natürlich stellte sich das IfS die Frage nach der Relevanz und der Effi -<br />
zienz seiner Einrichtungen. Eine 1997 von Maria Hollergschwandtner und<br />
Jakob Oberhauser durchgeführte Befragung unter Jugendlichen, die in den<br />
· 61 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
1992: Fotoausstellung IfS-Wohngemeinschaft Ludesch<br />
1992: Eröffnung IfS-Wohngemeinschaft Bregenz<br />
· 62 ·<br />
Jahren zwischen 1993 und<br />
1995 für mehr als drei M onate<br />
BewohnerInnen in den fünf<br />
Wohngemeinschaften gewesen<br />
waren, führte zu folgenden<br />
Ergebnissen (Anm.: Die<br />
folgenden Resultate berücksichtigen<br />
nur die prozentuellen<br />
Maximalwerte):<br />
49% zogen in die Wohngemeinschaft,<br />
weil sie Probleme<br />
zu Hause hatten. 64% wollten
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
diesen Ortswechsel. Durchgehend<br />
positiv wurde von der<br />
Mehrzahl der BewohnerInnen<br />
das soziale Klima zwischen den<br />
Jugendlichen und den BetreuerInnen<br />
defi niert: „Die ErzieherInnen<br />
w aren nicht perfekt,<br />
aber okay!“ Bezüglich der<br />
Außenbeziehungen ergab sich<br />
folgendes Bild: Bei 59% hatten<br />
sich die Beziehungen zur<br />
Familie, bei 58% zu den Part- 1997: IfS-Wohngemeinschaft Lustenau, Bgm. Grabher<br />
· 63 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
nerInnen und bei 64% zu den Freunden gebessert. Eindeutig hatten sich die<br />
Persönlichkeitsstrukturen in eine positive Richtung hin verändert. So gaben<br />
jeweils zwischen 30 und 40% der BewohnerInnen an, sie besäßen besseren<br />
Umgang mit Geld, größeres Durchsetzungsvermögen, mehr Selbstwertgefühl<br />
und einen neuen Lebenssinn. 67% glaubten mit Problemen besser<br />
umgehen zu können als früher.<br />
Es stellte sich jedoch heraus, dass trotz aller Bemühungen gewisse Jugendliche<br />
mit den herkömmlichen sozialpädagogischen Konzepten nicht erfasst<br />
werden konnten. Neue Möglichkeiten und neue Wege versprachen das 1995<br />
gestartete Projekt „Ambulant betreutes Wohnen“ (AbW), das im September<br />
1997 initiierte Projekt „Jugendintensivprogramm“ (JIP) sowie das 2001 ins<br />
Leben gerufene Projekt „Nachgehende sozialpädagogische Arbeit“ (NASA).<br />
Um die Finanzierung dieser Projekte zu gewährleisten, wurden weitere<br />
stationäre Einrichtungen, sprich die Wohngemeinschaften in Rankweil und<br />
Wolfurt, geschlossen.<br />
AbW – Ambulant betreutes Wohnen<br />
Das Ambulant betreute Wohnen (AbW) wurde 1995 ins Leben gerufen und<br />
in die IfS-Fachgruppe Sozialpädagogik integriert. Es bietet seither Jugendlichen,<br />
die in aus eigener Kraft unlösbaren Konflikten mit ihren Eltern stehen,<br />
die Möglichkeit, in eine vom AbW angemietete Wohnung zu ziehen. Diese<br />
Wohnungen stellen den Jugendlichen ein Experimentierfeld für Entwicklung,<br />
Selbständigkeit und Eigenverantwortung zur Verfügung. Hier können<br />
diese unterstützt durch eine IfS-Betreuungsperson lernen, ihren Alltag<br />
zu bewältigen, ein eigenständiges Leben zu führen und Verantwortung für<br />
ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Treffen mit persönlichen BetreuerInnen<br />
sind fixer Bestandteil des Wochenablaufs. Während der Kontakte werden<br />
Gespräche geführt und gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen.<br />
Die Jugendlichen erhalten Unterstützung in der Alltagsbewältigung und<br />
zugleich nimmt der/die BetreuerIn seine/ihre Kontrollfunktion wahr. Durch<br />
die räumliche Distanz werden familiäre Konfliktsituationen entschärft.<br />
Eltern wie Kindern wird der nötige Abstand zugestanden, um ihre Probleme<br />
reflektieren zu können. Ziel ist es, gemeinsam mit dem/r BetreuerIn eine<br />
neue Gesprächsbasis für Eltern und Jugendliche zu finden und eine Entlastung<br />
beider Seiten zu erreichen. Im Jahr 2006 kümmerten sich die MitarbeiterInnen<br />
um insgesamt 40 Jugendliche, die durchschnittlich zwischen 14<br />
und 19 Jahren alt waren.<br />
· 64 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
JIP – Jugendintensivprogramm<br />
Das Jugendintensivprogramm (JIP) startete 1997 unter der Leitung von Dr.<br />
Martina Gasser und diente von Beginn an der Unterstützung zur Maßnahme<br />
der Pflege und Erziehung von Minderjährigen nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz.<br />
Zielgruppen des JIP sind jugendliche Mädchen und Burschen, die<br />
entweder in einer konventionellen Einrichtung nicht gehalten werden können,<br />
und einer spezifischen Form der erlebnis-, sozialpädagogischen und<br />
therapeutischen Kurzintervention bedürfen, die aufgrund ihrer besonderen<br />
Lebenssituation nicht gruppen- oder arbeitsfähig sind, die sozial auffälliges<br />
Verhalten aufweisen oder die sich kurzzeitig in einer Krise befinden, aber<br />
noch nicht derart ausgeprägte unsoziale Verhaltensweisen zeigen, so dass<br />
eine intensive Maßnahme sinnvoll erscheint. Im Rahmen des JIP begibt sich<br />
ein/e BetreuerIn mit ein bis zwei Jugendlichen z. B. nach Rumänien, Polen,<br />
Tschechien, Indien, Sibirien oder in die Türkei, um dort soziale Hilfe zu<br />
leisten und eine andere Kultur kennen zu lernen. Während des mehrwöchigen<br />
Auslandsaufenthaltes sollen die verhaltensauffälligen Jugendlichen<br />
abseits gewohnter zivilisatorischer Einflüsse ihre Lebenssituation überdenken.<br />
Unter der Betreuung des/r IfS-MitarbeiterIn werden dabei neue<br />
Verhaltensweisen trainiert. Durch neue kulturelle und soziale Konfrontationen<br />
werden Bewusstseinsänderungen der Jugendlichen gefördert. Die<br />
Hauptwirkung des JIP ist, dass Jugendliche in massiven Krisensituationen<br />
die Möglichkeit erhalten, einen räumlichen wie auch emotionalen Abstand<br />
zu gewinnen, sodass sie zur Ruhe kommen und auf dissoziierte Weise ihre<br />
Situation neu reflektieren, ordnen und verändern können. Um dies zu erreichen,<br />
braucht es die Zusammenarbeit mit dem ganzen System.<br />
In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 100 verhaltensauffällige<br />
Jugendliche und deren Eltern vom JIP begleitet und unterstützt. Im Jahr<br />
2006 konnte insgesamt 20 Jugendlichen weitergeholfen werden.<br />
NASA – Nachgehende sozialpädagogische Arbeit<br />
Im Jahr 2001 nahm die IfS-NASA ihre Tätigkeit auf. NASA ist eine nachgehende<br />
sozialpädagogische Betreuungsform für Jugendliche, die nicht zu einer<br />
Beratungsstelle gehen können oder wollen, die sich in einer Übergangsphase<br />
befinden oder gerade aus einer stationären oder teilstationären Betreuung<br />
entlassen worden sind. Die MitarbeiterInnen unterstützen Jugendliche, die<br />
sich in schwierigen Lebenssituationen befinden und den Boden unter den<br />
· 65 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Füßen verloren haben, z. B. durch Probleme mit den Eltern, Schwierigkeiten<br />
in der Schule oder mit der Lehrstelle oder auch Probleme mit Drogen oder<br />
dem Gesetz. Von Beginn an setzten die NASA-MitarbeiterInnen außergewöhnliche<br />
und individuelle Methoden ein, um die Jugendlichen zu erreichen<br />
und direkt in deren persönlichem Umfeld zu arbeiten: mitfühlen, mitdenken<br />
und mitgestalten gehören ebenso dazu wie mitphantasieren und mitwachsen.<br />
In einer Vereinbarung verpflichten sich Jugendliche, Eltern, NASA-<br />
BetreuerIn und Jugendwohlfahrt der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft<br />
zu Kooperationsbereitschaft und Mitarbeit. So können Jugendliche lernen,<br />
was es heißt, einen Vertrag zu schließen. Insgesamt 90 Jugendliche wurden<br />
im Jahr 2006 von der IfS-NASA begleitet und unterstützt.<br />
Sexualerziehung<br />
Im Rahmen der Familienberatung sowie der Schwangerschaftskonfliktberatung<br />
zeigte sich, dass Informations- und Präventionsarbeit im Bereich<br />
Sexualität von Wichtigkeit ist. So startete das Institut für Sozialdienste in<br />
Zusammenarbeit mit Schulen Projekte und Aktivitäten, die der sexuellen<br />
Aufklärung der Jugendlichen dienten. Sexualpädagogische Workshops mit<br />
Kindern und Jugendlichen wurden angeboten.<br />
Unter der Bezeichnung „Love Talks“ startete ein Projekt, das sich an<br />
Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen wandte.<br />
Die BeraterInnen des IfS hatten sich im Rahmen der Sexualerziehung<br />
hohe Ziele gesetzt, welche zeigten, dass man mutig von traditionellen Vorgangsweisen<br />
abließ: Grundsätzlich war man der Meinung, Sexualerziehung<br />
sollte mehr sein als bloße Aufklärung über biologische Fakten und Vermittlung<br />
moralischer Überzeugungen, vor allem in Bezug auf die Sexualität von<br />
Minderheiten und Randgruppen. Dennoch wurde „verantwortliches Verhalten<br />
gegenüber sich selbst und anderen“ gefordert. Sexualität sollte ein<br />
integrativer Bestandteil der Sozialerziehung sein und kontinuierlich erfolgen.<br />
Programmatisch hieß es in einer Erklärung aus dem Jahr 2001: „Kinder<br />
und Jugendliche sollen befähigt werden, den eigenen Körper als natürlich<br />
zu akzeptieren, die eigene Sexualität als positiven Lebensbereich zu bejahen,<br />
Liebe zu empfinden und auszudrücken und Gefühle zuzulassen und zu<br />
zeigen.“<br />
· 66 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Jugendliche und Arbeit<br />
Die steigende Jugendarbeitslosigkeit machte deutlich, dass nicht nur Jugendliche<br />
mit Behinderungen oder Minderbegabungen auf dem oft schwierigen<br />
Weg von der Schule ins Berufsleben Unterstützung brauchen.<br />
Im Jahr 2004 übernahm das IfS die Umsetzung eines Konzeptes zur Prävention<br />
von Lehrabbrüchen. Die Entwicklung des so genannten „Lehrlingscoaching“<br />
war im Auftrag des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und<br />
des AMS durch „eVORIS Soziale Dienstleister Vorarlberg Service gGmbH”<br />
erfolgt. Ziel des Projektes „Lehrlingscoaching“ war, der steigenden Tendenz<br />
von Lehrabbrüchen in Vorarlberg entgegen zu wirken und eine Wiederaufnahme<br />
von Lehrverhältnissen zu fördern. Das IfS unterstützte Lehrlinge<br />
auch bei beruflicher Neuorientierung, beim positiven Abschluss des Berufsschuljahres<br />
und bei der erfolgreichen Absolvierung der Lehrabschlussprüfung.<br />
Ausschlaggebend für die Initiierung dieses Projektes war die Besorgnis<br />
erregende Situation am Lehrstellenmarkt: Von rund 7000 Jugendlichen, die<br />
2004 eine Lehrestelle hatten, brachen 1000 ihre Ausbildung ab. Während die<br />
Hälfte von ihnen sich einen neuen Lehrbetrieb oder eine andere Ausbildung<br />
suchte, blieben 500 ohne Berufsabschluss. 2006 begleitete das IfS-Lehrlingscoaching<br />
insgesamt 137 Jugendliche, die vor einem drohenden Lehrabbruch<br />
standen oder ihre Lehre bereits abgebrochen hatten und bezüglich einer<br />
Neuorientierung Unterstützung brauchten.<br />
Erwachsene<br />
Sozialarbeit<br />
Soziale Arbeit stand schon immer im Mittelpunkt der IfS-Arbeit für Menschen<br />
in Not und Krisen, was auch aus der Namensgebung „Institut für<br />
Sozialdienste“ ersichtlich ist. Sie zieht sich wie ein „roter Faden“ durch die<br />
Geschichte des IfS. So stellte das IfS Vorarlberg als erste nichtöffentliche<br />
Organisation in Vorarlberg ausgebildete SozialarbeiterInnen ein.<br />
Sozialarbeit setzt immer an der Schnittstelle zwischen Individuum und<br />
Umwelt bzw. Gesellschaft ein. Sie „fördert soziale Veränderungen, Problemlösungen<br />
in menschlichen Beziehungen und die Unterstützung und Befreiung<br />
von Menschen zur Verbesserung ihres Wohls. Unter Verwendung von<br />
· 67 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Theorien zu menschlichem<br />
Verhalten und über soziale<br />
Systeme, interveniert Sozialarbeit<br />
dort, wo Menschen mit<br />
ihrem Umfeld interagieren.<br />
Für Sozialarbeit sind die Prinzipien<br />
der Menschenrechte<br />
und soziale Gerechtigkeit von<br />
fundamentaler Bedeutung“<br />
(International Federation of<br />
Social Workers General Meeting<br />
in Montrèal, Canada in<br />
July 2000).<br />
Soziale Arbeit steht auf zwei<br />
Standbeinen: Zum einen wird<br />
in Krisensituationen konkrete<br />
Hilfe geleistet, zum anderen<br />
wird auf präventive, vorbeugende<br />
Arbeit gesetzt, die der<br />
Gesellschaft jede Menge Folgekosten<br />
erspart. Vorbeugende<br />
Sozialarbeit ist nach Defi nition<br />
des IfS die notwendigste<br />
und effi zienteste Arbeit. So<br />
hat das IfS z. B. im Rahmen des Themenbereichs „Gewalt“ eigene bewusstseinsbildende<br />
Prophylaxe-Aktionen gestartet, im Bereich der Verschuldung<br />
massiv auf Vorbeugung gesetzt ebenso wie in der Delogierungsprävention<br />
mit der Schaffung eines eigenen Projektbereiches.<br />
1995: Eröffnung IfS-Beratungsstelle Hohenems<br />
Im Institut für Sozialdienste erstreckt sich das Feld der Sozialarbeit im<br />
Wesentlichen auf drei große Bereiche. Der erste ist die Sicherung der<br />
L ebensgrundlagen in Krisen wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Schulden,<br />
Wohnungsnot, nach Trennung, Scheidung und bei Krankheit etc. Der<br />
zweite Bereich beinhaltet die Arbeit im zwischenmenschlichen Bereich, dazu<br />
zählen Konfl iktbeziehungen, familiäre Probleme und Krisen sowie Erziehungsfragen.<br />
Der dritte Bereich schließlich umfasst die Hilfe für Menschen<br />
in b esonderen Lebenslagen: Menschen mit Behinderungen, von Gewalt<br />
b edrohte Frauen und Kinder, AlleinerzieherInnen und andere. Dabei ist zu<br />
beachten, dass keiner dieser Bereiche isoliert in Erscheinung tritt, da ein<br />
· 68 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Problemfeld häufig ein weiteres mit sich zieht. Diese „Vernetzung“ der Probleme<br />
erfordert demzufolge eine Vernetzung des Hilfsangebotes, um jeweils<br />
die individuell richtige Hilfestellung anbieten zu können.<br />
Des Weiteren ist Soziale Arbeit mit der Gesellschaft verbunden, wobei beide<br />
einem steten Wandel unterworfen sind. Im Zusammenhang mit diesem<br />
Wandel hat sich auch im Berufsbild der im sozialen Bereich Tätigen einiges<br />
verändert: Anfänglich versuchten Laien zu helfen, später trat eine Professionalisierung<br />
ein, die eine Distanz zwischen KlientIn und hauptberuflicher<br />
Fachkraft brachte. Das heißt, die Profession ermöglichte es, mehr Distanz<br />
zwischen Hilfesuchenden und Beratenden zu wahren, um somit für KlientInnen<br />
einen zusätzlichen Raum für eigenständige Entwicklungen zu schaffen.<br />
Wichtig ist die Erkenntnis, dass Sozialarbeit mehr sein muss als ein reiner<br />
Systemerhalter, mehr als nur der „Feuerlöscher“ der Gesellschaft. Es<br />
gilt darüber hinaus gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzuzeigen, sich<br />
in die gesellschaftspolitische Diskussion einzuschalten. Ziel sollte sein, den<br />
Menschen in den Mittelpunkt der politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />
Betrachtungsweisen zu stellen.<br />
Einer der Leitgedanken, wie Sozialarbeit im Institut für Sozialdienste verstanden<br />
wird, ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. Selbsthilfe ist das Prinzip, eigene<br />
Probleme aus eigener Kraft bzw. gemeinsame Probleme mit gemeinsamen<br />
Anstrengungen zu bewältigen. Es gilt dabei, den ganzheitlichen Blick auf die<br />
Lebensumstände der KlientInnen zu wahren, gemeinsam mit KlientInnen<br />
Ziele und Erwartungen, die jemand hat, zu entwickeln und durch fachliche<br />
Hilfe, die kurz- oder längerfristig sei kann, zu versuchen, Zugang zu den<br />
Ressourcen der KlientInnen zu finden.<br />
Armut und Existenzsicherung<br />
Sozialarbeit kümmert sich vor allem um Menschen, die aus persönlichen<br />
Gründen oder aufgrund äußerer Einflüsse und Rahmenbedingungen in existenzielle<br />
Krisen und Nöte geraten. Meist handelt es sich dabei nicht um<br />
ein einzelnes, isoliert auftretendes Problem, sondern um Probleme, die in<br />
verschiedenen Bereichen gleichzeitig auftreten und sich gegenseitig beeinflussen.<br />
Oft sind die Betroffenen nicht in der Lage, diese Probleme aus eige-<br />
· 69 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
ner Kraft und eigener Anstrengung zu bewältigen, da äußere Bedingungen<br />
die Lösung erschweren. In der Sozialarbeit wird deshalb versucht, gemeinsam<br />
mit den Betroffenen individuelle und nachhaltige Lösungsansätze zu<br />
erarbeiten und herauszufinden, was für Rahmenbedingungen geschaffen<br />
werden müssen, damit solche Notlagen nicht auftreten bzw. schnell gelöst<br />
werden können.<br />
Ein Problem, das zumeist weite Kreise zieht, ist jenes der Armut. Arm<br />
sind nicht nur Menschen, die wohnungslos sind und auf der Straße leben,<br />
sondern auch Menschen, die nicht am Alltagsleben teilnehmen können und<br />
sozial ausgegrenzt werden. Armut wird definiert als die unzureichende Mittelausstattung<br />
zur Befriedigung der lebenswichtigen Grundbedürfnisse.<br />
Häufig ist diese bestimmt durch ein geringes Einkommen und das Auftreten<br />
von schwierigen Lebensbedingungen: Abgetragene Kleidung kann nicht<br />
ersetzt, die Wohnung nicht angemessen warm gehalten, keine unerwarteten<br />
Ausgaben getätigt werden. Armut bezieht sich jedoch nicht nur auf die<br />
finanziellen Möglichkeiten. Arm ist der, der keine Wahl hat. Armut macht<br />
krank, Armut ist Stress, Armut macht einsam, nimmt einem Zukunftsperspektiven<br />
und bedeutet so einen Mangel an Wahlmöglichkeiten im Leben.<br />
Ein besonders hohes Armutsrisiko weisen Migrantinnen und Migranten<br />
sowie Personen in Ein-Elternteil-Familien auf. Zudem zeigt sich bei Familien<br />
mit drei und mehr Kindern und bei Familien mit kleinen Kindern eine<br />
erhöhte Armutsgefährdung, vor allem dann, wenn die Frau nicht erwerbstätig<br />
ist. Ein Risikofaktor sind Scheidungen, da im Rahmen von Scheidungsvergleichen<br />
oft Weichenstellungen erfolgen, die langfristig Armutsfolgen haben<br />
können. Neben der Familiensituation spielt die Arbeits- und Bildungssituation<br />
in Bezug auf Armutsgefährdung eine zentrale Rolle. Die ökonomische<br />
Situation von Haushalten wird sowohl vom Grad der Einbindung in den<br />
Arbeitsmarkt als auch von der Zusammensetzung der Haushalte grundlegend<br />
bestimmt. Erwerbsarbeit hat eine wesentliche Sicherungsfunktion bei<br />
der Vermeidung von Armutsgefährdung. Auch fehlende schulische Bildung<br />
sowie die nicht vorhandene Sprachkompetenz erhöhen das Armutsrisiko.<br />
Weitere Faktoren, die die Armutsgefährdung erhöhen sind Alter und Pflegebedürftigkeit,<br />
Krankheit und Behinderung, Haftentlassung und Prostitutionsausstieg<br />
und Überschuldung.<br />
· 70 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Schulden<br />
Im Februar 1988 begründete das IfS unter der Federführung von Julius<br />
Schedel in Bregenz die erste Schuldenberatungsstelle. Neben der Arbeit für<br />
verschuldete Einzelpersonen und Familien wurde es ein besonderes Anliegen<br />
der „IfS-Schuldenberatung“, gemeinsam mit der „ARGE Schuldenhilfe<br />
Österreich“ an gesetzlichen Verbesserungen zu arbeiten.<br />
In der konkreten Arbeit der IfS-Schuldenberatung zeigte sich, dass<br />
Betroffene häufig sehr lange warteten, bis sie bei finanziellen Problemen<br />
Hilfe suchten und in Anspruch nahmen. Oft hatten deren Probleme bereits<br />
ein derart großes Ausmaß angenommen, dass diese negative Auswirkungen<br />
auf das familiäre Umfeld der Betroffenen hatten. In diesem Zusammenhang<br />
zeigte sich vielfach, dass die Krise durch eine alleinige Regelung der finanziellen<br />
Angelegenheiten nicht zu meistern war, sondern eine Änderung des<br />
gesamten Lebensstils und der Lebenshaltung erforderlich machte.<br />
Neben diversen Beratungstätigkeiten strebte die IfS-Schuldenberatung<br />
eine gute Zusammenarbeit mit Banken an, um grundsätzlich bessere Möglichkeiten<br />
in der Risikovermeidung und im Bereich der Schuldensanierung<br />
zu erarbeiten. Im Jahr 1989 wurde eine Fachkommission gebildet, in der<br />
Vertreter von Banken, Politik, Versicherungen und Wirtschaft gemeinsam<br />
nach Lösungsmöglichkeiten suchten.<br />
In den Folgejahren zeigte sich, dass die Zahl derer, die mit Problemen der<br />
Verschuldung zu kämpfen hatten, stetig zunahm. Waren es im Jahr 1989<br />
noch 260 Personen, vor allem Männer, welche die IfS-Schuldenberatung<br />
aufsuchten, so stieg die Anzahl der Hilfesuchenden 1990 auf 404 Personen<br />
an. Die Hauptursachen für die Nöte lagen im privaten aber auch öffentlichen<br />
Bereich: Es zeigte sich eine deutliche Relation zwischen Scheidung und Verschuldung<br />
sowie zwischen Arbeitslosigkeit und Verschuldung. Auch externe<br />
wirtschaftliche Phänomene machten sich negativ bemerkbar – die Zinskosten<br />
waren angestiegen und für viele fielen im Zusammenhang mit den allgemeinen<br />
Sparmaßnahmen die existenzsichernden Überstunden weg. 1999<br />
waren gemäß den Schätzungen des IfS zwischen 6000 und 8000 Haushalte<br />
von Überschuldung betroffen. Von Überschuldung wird gesprochen, wenn<br />
nach Abzug der Fixkosten für Miete, Strom, Heizung, Lebensmittel usw. kein<br />
Geld mehr für die Rückzahlung von Schulden vorhanden ist. Die Gründe<br />
dafür waren und sind vielfältig: „Hohe Lebenshaltungskosten, steigende<br />
Kosten für die Kindererziehung, die gestiegenen Arbeitslosenzahlen und<br />
Scheidungsraten, die Auslagerung von Betrieben im Zusammenhang mit der<br />
· 71 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Globalisierung sowie die Sparpakete<br />
von Bund und Land“,<br />
so Peter Kopf, Geschäftsführer<br />
der IfS-Schuldenberatung.<br />
Auch die KlientInnen-<br />
1998: 10 Jahre IfS-Schuldenberatung<br />
struktur hatte sich verändert:<br />
Zunehmend wurde das IfS von<br />
„reichen Schuldnern“ kontaktiert.<br />
Als „reiche Schuldner“<br />
werden Menschen bezeichnet,<br />
die hinsichtlich ihres Einkommens<br />
gut situiert w ären,<br />
jedoch so viele fi nanzielle<br />
Verpfl ichtungen eingegangen<br />
sind, dass die monatlichen<br />
Rückzahlungen die fi nanziellen<br />
Möglichkeiten bei Weitem<br />
übersteigen. Alarmierend<br />
war, dass sich vor allem junge<br />
Leute unter 35 Jahren an die<br />
IfS-Schuldenberatung wandten.<br />
Die Verschuldung zeigte<br />
sich auch in den Privatkonkursen<br />
– bezogen auf die Bevölkerungszahl lag Vorarlberg 2002 an der Spitze<br />
aller Bundesländer.<br />
Im Jahr 2003 betrug die Schuldenlast der insgesamt 3.214 Kontaktsuchenden<br />
156 Millionen Euro. Als häufi gste Ursachen wurden genannt:<br />
Arbeitslosigkeit, Konsumverhalten, Selbstständigkeit, Bürgschaften, Scheidungen<br />
und Autokauf.<br />
Unter den 2.002 Ratsuchenden des Jahres 2004 – seit den letzten drei<br />
Jahren war ihre Zahl um mehr als das Doppelte gestiegen – befanden sich<br />
doppelt so viele Männer wie Frauen. Im Jahr 2006 wurden 2.335 KlientInnen<br />
unterstützt, deren durchschnittliche Verschuldung bei 82.196,- Euro lag. Zu<br />
zwei Dritteln wurde die Schuldenberatung von Männern, zu einem Drittel<br />
von Frauen kontaktiert. Die Altersgruppe zwischen 26 und 35 Jahren machte<br />
rund 30% aus, jene der 36- bis 45jährigen rund 29%. Seit Gründung der IfS-<br />
Schuldenberatung im Jahr 1988 waren insgesamt 22.131 Menschen beraten<br />
worden.<br />
· 72 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Von Anfang an hatte die IfS-Schuldenberatung die besondere Wichtigkeit<br />
von Präventionsarbeit erkannt. 1990 organisierte das IfS gemeinsam mit<br />
dem Bildungszentrum Schloss Hofen unter dem Motto „Leben auf Pump“<br />
eine Fachtagung, um dem Thema „Schuld-Verschuldung“ in der öffentlichen<br />
Diskussion eine neue Perspektive zu geben. 1992 wurde zudem eine<br />
„Prophylaxeaktion“ gestartet, die vor allem bei Jugendlichen Hellhörigkeit<br />
bewirken sollte. Das neu konzipierte Programm präsentierte sich ein Jahr<br />
später als „vorbeugende Maßnahmen gegenüber Verschuldung“. Gemeinsam<br />
mit der Wochenzeitschrift „Wann & Wo“ und den Raiffeisenbanken<br />
wurde eine umfangreiche Informationskampagne gestartet. Zielgruppe<br />
waren vor allem Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr, die bereits über ein Einkommen<br />
verfügten bzw. kurz davor standen. Die Informationen richteten<br />
sich an Vorarlbergs berufsbildende Schulen und Jugendzentren und wurden<br />
selbst in Kinos und in bundesweiten ORF-Fernsehsendungen gezeigt.<br />
Dass Verschuldung nicht erst im Erwachsenenalter einsetzt, sondern<br />
in vermehrtem Maße auch Jugendliche betrifft, wurde immer deutlicher.<br />
In Kooperation mit dem Land Vorarlberg, AMS, der Arbeiterkammer und<br />
der Wirtschaftskammer begann das IfS, unter 15-19jährigen SchülerInnen,<br />
Lehrlingen und arbeitslosen Jugendlichen Aufklärungsarbeit bezüglich<br />
Schuldenprävention zu leisten. Wenige Jahre später, 2006, wurde der „Vorarlberger<br />
Finanzführerschein – Fit fürs Geld“ ins Leben gerufen. Ziel des<br />
österreichweit einzigartigen Projektes war es, Kinder und Jugendliche mit<br />
dem richtigen Umgang mit Geld vertraut zu machen, der notwendig ist,<br />
um die ganze Vielfalt der komplexen Themen Geld, Finanzen und Konsum<br />
abzudecken und zu verstehen.<br />
Wohnen und Wohnungslosigkeit<br />
Wohnen bedeutet mehr als bloß ein Dach über dem Kopf zu haben – Wohnen<br />
heißt Heimat zu finden, symbolisiert Wurzeln und hat für viele Menschen<br />
eine zentrale Bedeutung. Werden Personen vom Verlust ihrer Wohnung<br />
bedroht oder haben ihre Wohnung bereits verloren, so stürzen diese häufig<br />
in eine tiefe Krise, fühlen sich entwurzelt und an einem Tiefpunkt ihres<br />
Lebens angelangt. Um Menschen in solchen Notlagen Hilfe anzubieten,<br />
wurden im IfS die „Sozialen Wohnformen“ eingerichtet. Dieses Zusatzangebot,<br />
eines der ersten im Rahmen der sozialarbeiterischen Tätigkeit des IfS,<br />
stellt Betroffenen vorübergehenden Wohnraum und somit Ruhe und Schutz<br />
· 73 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
1996: 10 Jahre IfS-Krisenwohnung Dornbirn mit Bgm. Rudi Sohm (links)<br />
in dieser schwierigen Lebenslage zur Verfügung. Die nächsten Schritte und<br />
die Organisation des weiteren Lebens können von hier aus geplant werden.<br />
Die Angebote der Sozialen Wohnformen des Institut für Sozialdienste haben<br />
sich im Laufe der Zeit verändert und sich den jeweiligen Bedürfnissen der<br />
Menschen und der Zeit angepasst. Die erste Wohngemeinschaft für Mutter<br />
und Kind wurde Anfang 1979 in Bregenz eröffnet. Aufgenommen wurden<br />
schwangere Frauen und Frauen mit neugeborenen Kindern, die dort während<br />
des ersten Lebensjahres des Kindes Unterkunft fi nden sollten. Gründe<br />
für die Aufnahme waren meist Beziehungsprobleme mit dem Kindesvater,<br />
der Familie der Frau oder auch das Fehlen einer Kleinwohnung für eine<br />
junge, allein erziehende Mutter.<br />
Ein neuer Typus sozialen Wohnens, die „Krisenwohnung“, entstand<br />
Ende 1982 in Bregenz in der Achsiedlung, „unauffällig zwischen anderen<br />
Mietparteien in einer Wohnanlage integriert“. Weitere Wohnungen dieser<br />
Art wurden 1985 in Feldkirch und 1986 in Bregenz, Dornbirn und Bludenz<br />
eingerichtet. Waren sie ursprünglich für Personen gedacht, die aus fi nanziellen<br />
Gründen ihre Wohnung verloren hatten, so zeigte sich schon bald, dass<br />
sie hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen wurden, die eheliche<br />
und familiäre Probleme hatten. 1983 lebten in der 4-Zimmerwohnung in<br />
Bregenz daher zu 55% Frauen, zu 32% Kinder und nur zu 13% Männer.<br />
Die vorübergehende Aufnahme in einer Krisenwohnung sollte der Stabili-<br />
· 74 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
sierung, der Neuorientierung, aber auch dem Einstieg ins Arbeitsleben dienen,<br />
denn: „Wer keinen festen Wohnsitz hat, erhält keine Arbeit; wer keine<br />
Arbeit hat, erhält keinen Mietvertrag.“<br />
Typisch für diese Wohnform war das Prinzip der materiellen Selbstversorgung.<br />
Zur Bewältigung der jeweiligen Krisensituation wurde von<br />
Fachleuten außerhalb der Wohnung eine umfassende Betreuung angeboten.<br />
Ursprünglich plante man die Aufenthaltsdauer für 14 Tage, 1984 lag sie<br />
jedoch schon bei durchschnittlich zwei bis drei Monaten. Die Dauer der Aufenthalte<br />
zeigte schon früh eine Korrelation zur allgemeinen Wohnungssituation<br />
in Vorarlberg. Der Mangel an kostengünstigen Wohnungen zwingt<br />
die Betroffenen oft, länger in den Krisenwohnungen zu bleiben, als dies<br />
b ezüglich der persönlichen Notlage nötig wäre.<br />
In den folgenden Jahren wurde gemeindeübergreifend versucht, Menschen,<br />
die in soziale Not geraten waren und am Wohnungsmarkt wenig Chancen<br />
hatten, eine kostengünstige Wohnung zu vermitteln, um damit eine tiefere<br />
soziale Krise zu verhindern. So initiierte das IfS 1997 die Idee „Wohnnetz“.<br />
Die Gemeinden Lauterach, Hard, Höchst, Fußach und Wolfurt schlossen<br />
sich gemeinsam mit der Vogewosi Dornbirn zu einem dreijährigen Projekt<br />
zusammen. Dies war der erste größere Versuch, Menschen, die ihre<br />
Wohnung verloren hatten, nicht vorübergehend in stationären Einrichtungen<br />
unterzubringen, sondern diesen durch die Zurverfügungstellung von<br />
e rschwinglichem Wohnraum die Möglichkeit zu bieten, weiterhin selbstständig<br />
zu wohnen. 2006 wurde gemeinsam mit dem Amt der Vorarlberger<br />
1997: Pressekonferenz „Wohnnetz“<br />
· 75 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Landesregierung und der ARGE Wohnungslosenhilfe das Projekt „Soziales<br />
Netzwerk Wohnen“ gestartet, das Menschen, die ansonsten am freien Wohnungsmarkt<br />
keine Chancen hätten, in Vorarlberg erschwingliche Wohnungen<br />
zur Verfügung stellt. So werden die Betroffenen unterstützt und zudem<br />
die stationären Einrichtungen entlastet.<br />
Im Jahr 2006 gab es in Vorarlberg fünf Krisenwohnungen, die in diesem Jahr<br />
79 Personen vorübergehend eine Wohnmöglichkeit boten. Die IfS-Krisenwohnungen<br />
geben in schwierigen Lebenslagen Ruhe und Schutz.<br />
Delogierungsprävention<br />
Im September 2005 startete das IfS das Projekt „Delogierungsprävention“,<br />
das finanziell vom Vorarlberger Sozialfonds und den gemeinnützigen<br />
Wohnbauträgern getragen wird. Damit reagierte man auf den Bedarf an<br />
Hilfe für Menschen, die vom Wohnungsverlust bedroht wurden. Aus Erfahrung<br />
wusste man, dass Delogierungen zumeist viel Leid mit sich bringen<br />
und für die betroffenen Familien oft ein Schicksalsschlag waren, von dem<br />
sie sich nur schwer erholen. Für Gemeinden, Vermieter, Sozialinstitutionen<br />
und Sozialhilfe ist eine Delogierung mit Kosten und viel Mühen verbunden.<br />
Um dieses Leid zu verhindern, setzte das IfS auf Präventionsarbeit, die dieses<br />
neue Projekt leisten sollte.<br />
Das Projekt „Delogierungsprävention“ hatte es sich zum Ziel gesetzt,<br />
Strategien zu finden, wie der drohende „Rauswurf“ aus der Wohnung<br />
abgewendet werden konnte. Es zeigte sich, dass es besonders wichtig ist, die<br />
Betroffenen so früh wie möglich zu erreichen, um den Wohnungsverlust zu<br />
verhindern. Je früher Unterstützung angeboten wird, desto größer sind die<br />
Chancen auf Erhaltung der Wohnung.<br />
Zur Erreichung dieses Ziels wurde eine enge Zusammenarbeit mit den<br />
involvierten Partnern, wie Wohnbauträger, Gemeinden, Vermietern, Sozialhilfe<br />
oder psychosozialen Beratungsstellen angestrebt. Gemeinsam sollten<br />
Strategien erarbeitet werden, wie die bedrohten Menschen am besten zu<br />
erreichen sind und wie diesen Hilfe angeboten werden kann, die diese auch<br />
annehmen.<br />
Bereits im ersten Jahr der Projektumsetzung konnte für 85 Haushalte die<br />
bestehende Wohnung gesichert werden. In 27 Fällen wurde es als sinnvoll<br />
erachtet, einen Wohnungswechsel zu organisieren, was erfolgreich gelang.<br />
· 76 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Bei fünf Haushalten konnte trotz Interventionen eine Delogierung nicht<br />
abgewendet werden.<br />
Siedlungsarbeit<br />
Eine funktionierende Hausgemeinschaft erhöht die Wohnqualität und beugt<br />
Konflikten und Störungen vor. Basierend auf diesem Wissen wurde die „Siedlungsarbeit“<br />
ins Leben gerufen. Zentrale Aufgabe im Rahmen dieser Arbeit<br />
ist es, gemeinsam mit den BewohnerInnen aber auch mit Gemeinden und<br />
Wohnbauträgern zu versuchen, negativen Entwicklungen in den Siedlungen<br />
und Wohnanlagen entgegenzuwirken. Dabei können Nachbarschaftskonflikte,<br />
Mieterwechsel, Vandalismus und Isolation mögliche Problemsituationen<br />
sein, die zu bewältigen sind. Grundlagen für die Verbesserung im<br />
Wohnumfeld sind eine funktionierende und wertschätzende Kommunikation<br />
zwischen den BewohnerInnen sowie die Entwicklung einer Verantwortung<br />
für das Gemeinsame. So werden beispielsweise BewohnerInnen vor<br />
dem Bezug einer neuen Siedlung darin unterstützt, sich kennen zu lernen,<br />
und nach dem Bezug gemeinsam Verbesserungen und Problemlösungen für<br />
das Zusammenleben entwickelt.<br />
Durch die Entwicklung einer Gesprächskultur, mittels gemeinsamer Situationsanalysen,<br />
gezielter, aktivierender, gemeinsinn- und gemeinschaftsfördernder<br />
Interventionen in Siedlungen ist es möglich, die Vielfalt von<br />
Lebensformen in einer Wohnanlage nicht nur als konflikthaft, sondern<br />
als eine Bereicherung wahrzunehmen und somit einen wertschätzenden<br />
Umgang miteinander zu erlangen.<br />
MigrantInnen<br />
Das Institut für Sozialdienste sah sich bereits in den frühen 1980er Jahren<br />
damit konfrontiert, dass auch MigrantInnen fachlich qualifizierte Beratung<br />
und Unterstützung bedürften. Damals betrug der Anteil türkischer und<br />
jugoslawischer Staatsbürger an der Vorarlberger Gesamtbevölkerung rund<br />
7,5%. Die Anzahl der Hilfesuchenden war jedoch gering, da die deutsche<br />
Sprache meist ein großes Problem bzw. eine Barriere darstellte und mit Dolmetschern<br />
gearbeitet werden musste. Zudem glaubten viele MigrantInnen,<br />
das IfS sei eine „Behörde“, mit der man lieber nichts zu tun haben wollte.<br />
· 77 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Beratung scheiterte zudem<br />
häufi g an der österreichischen<br />
Gesetzeslage. Die SozialarbeiterInnen<br />
empfanden in diesem<br />
Zusammenhang oft ein<br />
Gefühl der Ohnmacht und<br />
gelangten daher 1986 zu dem<br />
Schluss, dass ihre Arbeit zur<br />
„Alibihandlung“ werde, falls<br />
es in Zukunft nicht gelinge,<br />
„Stimmen und Gehör für die<br />
Erster türkischer IfS-Berater: Kundayt Shurdum<br />
Gastarbeiter“ zu bekommen,<br />
und falls die Öffentlichkeitsarbeit<br />
nicht verstärkt und MitarbeiterInnen nicht entsprechend geschult<br />
würden (Jahresbericht 1986).<br />
Die Lage veränderte sich wesentlich, als 1987 das Arbeitsteam des IfS in<br />
Feldkirch durch den neuen, türkischen Mitarbeiter Kundeyt Surdum verstärkt<br />
wurde und dieser von nun an gemeinsam mit der Sozialarbeiterin<br />
Heide Schneider „grundsätzliche“ MigrantInnenarbeit – über die Einzelfälle<br />
hinaus – leistete.<br />
Die Probleme der MigrantInnen waren vielseitig: Sie hatten Schwierigkeiten<br />
mit der sprachlichen und kulturellen Andersartigkeit, besaßen<br />
kaum Kontakte zu Einheimischen und standen häufi g einer unsicheren<br />
Z ukunft g egenüber. Immer wieder zeigten sich ein hoher Verschuldungsgrad,<br />
schlechte und beengende Wohnverhältnisse, die völlige Isolation der<br />
Frauen und die große Sorge um die Erziehung der Kinder. Besonders diese<br />
litten unter dem „doppelten Analphabetismus“: Sie beherrschten weder die<br />
Sprache der Heimat der Eltern noch jene des Aufnahmelandes in Wort und<br />
Schrift perfekt. Um diesem Problem begegnen zu können, organisierte das<br />
IfS in Bludenz seit dem Herbst 1989 „Lernhilfen für ausländische Kinder“<br />
im Rahmen der Volksschulausbildung. Das Projekt erwies sich als erfolgreich<br />
und unterstützte die Kinder in Schule und Freizeit.<br />
An türkische Jugendliche wandten sich 1993 die Beratungsstellen des<br />
IfS in Dornbirn und Bregenz. Türkische Mädchen wurden über Kontakte<br />
einer türkischen IfS-Mitarbeiterin eingeladen, um über Themen wie Liebe,<br />
Zärtlichkeit, Sexualität, Aufklärung, Partnerschaft, Ehe und Verhütung zu<br />
sprechen. Zu den periodischen Treffen und Seminaren stießen 1994 auch<br />
Mädchen aus dem ehemaligen Jugoslawien. 1997 starteten schließlich in Vorarlberg<br />
geborene, türkische Jugendliche im IfS in Feldkirch eine I nitiative,<br />
· 78 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und mehr über Geschichte und<br />
Kultur ihrer türkischen Eltern-Heimat zu erfahren.<br />
Diese Initiativen waren erfreulich, konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,<br />
dass die Nöte der MigrantInnen viel tiefer und existentieller<br />
waren. Hauptursache waren strenge Ausländergesetze. Sie wirkten sich „in<br />
bedrohlicher Weise“ auf die Existenz jener MigrantInnen in Vorarlberg aus,<br />
die schon lange hier lebten. Konnte beispielsweise der vorgeschriebene Mindeststandard<br />
von 13 m² Wohnfl äche pro Person nicht nachgewiesen werden<br />
oder fehlte das erforderliche Familieneinkommen, konnte die Aufenthaltsbewilligung<br />
entzogen werden. Die Folgen waren konstante existentielle<br />
Unsicherheit und die Angst vor der Zukunft. Das IfS fürchtete, dass sich<br />
dadurch „auch das gesellschaftliche Klima im Lande verschärfe“.<br />
Besonders im Wohnungsbereich waren große Probleme erkennbar. An<br />
MigrantInnen wurden nur selten Wohnungen vermietet – wenn doch so<br />
meist zu erhöhten Preisen. Zudem wurden an MigrantInnen Anforderungen<br />
gestellt, die für Inländer nicht galten.<br />
In der Schwangerschaftskonfl iktberatung zeigte sich bei Migrantinnen<br />
das Problem, dass ein zusätzliches Kind zur Gefährdung der Aufenthaltsgenehmigung<br />
führen konnte, da die Geburt eines weiteren Kindes zur Verminderung<br />
des Familieneinkommens führte und der Wohnraum zumeist zu<br />
klein bzw. eng wurde. Außerdem erwies sich der Rechtsanspruch auf eine<br />
Familienzusammenführung meist als<br />
hypothetisch, da er auf Grund der Kontingentsregelungen<br />
nur schwer durchsetzbar<br />
war. Die MitarbeiterInnen des<br />
IfS im Bereich der MigrantInnenberatung<br />
konnten dem neuen Ausländergesetz<br />
deswegen wenig P ositives<br />
abgewinnen.<br />
Ein neues MigrantInnenenproblem<br />
ergab sich im Jahr 1992 im Zusammenhang<br />
mit dem Bürgerkrieg in Ex-<br />
Jugoslawien. Ende des Jahres lebten in<br />
Vorarlberg rund 3500 Kriegsfl üchtlinge.<br />
Ein Teil davon hatte bei Verwandten<br />
oder österreichischen Gastfamilien<br />
Aufnahme gefunden. 150 Menschen<br />
aus Bosnien lebten in der Bundesheer-<br />
Kaserne Galina in Nenzing.<br />
· 79 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Ein erstes konkretes Hilfsangebot galt den BewohnerInnen der erwähnten<br />
Kaserne. Die IfS-Beratungsstelle Feldkirch bot ab Oktober 1992 regelmäßige<br />
Sprechstunden an. Die meisten Flüchtlinge hatten nicht mehr als ihr Leben<br />
retten können und standen noch lange unter dem Schock der Vertreibung<br />
und der schrecklichen Kriegserlebnisse. Gemeinsam mit dem Vorarlberger<br />
Landesverband für Psychotherapie bot das IfS Psychotherapie für Kriegsneurosen<br />
und Entwurzelungssyndrome an. Bald wurde klar, „dass sinnvolle<br />
Hilfe auch einer Beschäftigungsmöglichkeit bedurfte“. Mit der publizistischen<br />
Hilfe der „Vorarlberger Nachrichten“ wurde 1993 von Dr. Gertrud<br />
Würbel ein Konzept für ein bosnisch-vorarlbergisches Partnerschaftsmodell,<br />
die so genannte Aktion „Susret-Begegnung“, geschaffen. Das Arbeitsteam<br />
mit vielen freiwilligen HelferInnen schuf die organisatorischen Brücken<br />
für eine Begegnung zwischen den Fremden und den Einheimischen. Web-,<br />
Näh-, Tischler- und Töpferwerkstätten entstanden in den Garagen der<br />
Galina, Arbeitsmaterialspenden wurden gesammelt. Die Produkte des bosnischen<br />
Handwerks fanden Absatz auf Basaren in der Galina, später auch auf<br />
öffentlichen Märkten. Der Erlös ging an die Produzenten.<br />
Eine „Beschäftigungsbörse“ für Arbeit außerhalb der Galina lief unter<br />
dem Namen „Flüchtlinge helfen Vorarlbergern“. Für Gartenarbeit und ähnliches<br />
konnten Geldbeträge auf ein Spendenkonto erwirtschaftet werden,<br />
die den Tätigen als Spende ausbezahlt wurde. „Dieses Modell entzog sich<br />
dem Konflikt mit dem Gesetz des Arbeitsverbots für de-fact-Flüchtlinge und<br />
wurde von der Caritas für alle in Vorarlberg lebenden Flüchtlinge übernommen.“<br />
Ein weiteres Projekt, das in diesem Kontext entstanden ist und noch<br />
heute fortgeführt wird, ist die „Bosna Quilt Werkstatt“.<br />
Im März 1993 startete das Projekt „Künstler und Flüchtlinge“ mit elf<br />
Vorarlberger Künstlern, die ihre Ideen und Entwürfe als Vorlage für feingewobene<br />
Tapisserien, geknüpfte Teppiche und gestickte Quilts schenkten.<br />
Die Aktion Susret wurde 1995 im Flüchtlingsheim Galina beendet. Bis<br />
Frühsommer 2001 schaffte das Vereinsunternehmen aus eigener finanzieller<br />
Kraft die Fortführung des Betriebes in einer Werkstätte mit zehn Weberinnen.<br />
Im Laufe der Jahre hat sich die MigrantInnenberatung an den IfS-Beratungsstellen<br />
etabliert. Sprachliche Barrieren wurden durch die Anstellung<br />
muttersprachlicher BeraterInnen abgebaut, so dass MigrantInnen in<br />
der Beratung ein Stück Heimat erleben können. Unterstützt werden diese<br />
Menschen, die häufig auf Ablehnung und Unverständnis stoßen, in allen<br />
möglichen Lebensbereichen. Ziel der Arbeit ist es, konkrete Lebenshilfen zu<br />
· 80 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
besprechen, Vorurteile abzubauen und in gegenseitiger Anerkennung miteinander<br />
vertraut zu werden.<br />
Im Bereich der Beratung von MigrantInnen waren im Laufe der Zeit spezifische<br />
Problematiken zu erkennen. Zum einen erforderten all jene Bereiche,<br />
in denen traditionell-kulturelle Werte mit Menschenrechten kollidierten<br />
(z. B. Zwangsehen), sowohl in der Beratung als auch im gesellschaftlichen<br />
Diskurs eine Auseinandersetzung, zum anderen musste im Rahmen der<br />
MigrantInnenberatung auf das Problem der sprachlichen Barrieren reagiert<br />
werden. Vor allem das Phänomen der Heiratsmigrantinnen sowie die Tatsache,<br />
dass in den kommenden Jahren immer mehr Flüchtlinge den Status als<br />
anerkannte Flüchtlinge erhalten werden, machen es unabdingbar, vermehrt<br />
Beratungen in der Muttersprache der Betroffenen anzubieten.<br />
Psychologie und Psychotherapie<br />
Das Psychologengesetz führt folgende Berufsbeschreibung an: „Die Ausübung<br />
des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens ist<br />
die durch den Erwerb fachlicher Kompetenz im Sinne dieses Bundesgesetzes<br />
erlernte Untersuchung, Auslegung, Änderung und Vorhersage des Erlebens<br />
und Verhaltens von Menschen unter Anwendung wissenschaftlich-psychologischer<br />
Erkenntnisse und Methoden. Die Ausübung des psychologischen<br />
Berufes … umfasst insbesondere 1. die klinisch-psychologische Diagnostik<br />
hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Persönlichkeitsmerkmalen, Verhaltensstörungen,<br />
psychischen Veränderungen und Leidenszuständen sowie sich<br />
darauf gründende Beratungen, Prognosen, Zeugnisse und Gutachten, 2.<br />
die Anwendung psychologischer Behandlungsmethoden zur Prävention,<br />
Behandlung und Rehabilitation von Einzelpersonen und Gruppen oder die<br />
Beratung von juristischen Personen sowie die Forschungs- und Lehrtätigkeit<br />
auf den genannten Gebieten und 3. die Entwicklung gesundheitsfördernder<br />
Maßnahmen und Projekte.“<br />
Das Psychotherapiegesetz definiert Psychotherapie in folgender Weise:<br />
„Die Ausübung der Psychotherapie … ist die nach einer allgemeinen<br />
und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante<br />
Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen<br />
und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen<br />
Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren<br />
Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel,<br />
· 81 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen<br />
und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und<br />
Gesundheit des Behandelten zu fördern.“<br />
Das Arbeiten mit psychotherapeutischen und psychologischen Methoden<br />
stellte neben der „Sozialen Arbeit“ von Beginn an einen Arbeitsschwerpunkt<br />
des IfS dar. Als 1991 das Psychologen- und Psychotherapie-Gesetz in<br />
Kraft trat und somit psychologisches und psychotherapeutisches Arbeiten<br />
auf eine breite gesetzliche Basis gestellt und zu einer anerkannten Profession<br />
wurde, hatte man im IfS bereits viele Erfahrungen in diesem Bereich<br />
gesammelt. Die IfS-Beratungsstellen setzten schon immer auf eine Zusammenarbeit<br />
zwischen Psychologie, Psychotherapie und Sozialarbeit, was bis<br />
heute die spezifisch multidisziplinäre Stärke des IfS ausmacht.<br />
Methodisch standen in den ersten Jahren die analytischen und tiefenpsychologischen<br />
Verfahren im Vordergrund. Methodenpluralität war jedoch<br />
immer Prinzip. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine breite Methodenvielfalt<br />
und man zeigte sich offen gegenüber neuen psychotherapeutischen<br />
und psychologischen Methoden und Entwicklungen. So werden heute beinahe<br />
alle psychotherapeutischen Methoden angewandt, die im Psychotherapiegesetz<br />
beschrieben sind, und vielfältige psychologische Verfahren sind im<br />
Einsatz. Schwerpunkte der psychologischen Verfahren sind die Diagnostik,<br />
die psychologische Behandlung (klinische Psychologie) und Maßnahmen<br />
der Gesundheitspsychologie.<br />
Viele Menschen kommen im Laufe ihres Lebens an Punkte, an denen das<br />
Ziehen einer Bilanz sowie eine Neuorientierung notwendig werden. Oder<br />
es treten „Störungen“ auf, die auf psycho-soziale Ursachen zurückzuführen<br />
sind. In Trennungs- und Verlustsituationen, in existenziellen Notlagen, bei<br />
der Übernahme neuer Anforderungen oder beim Verlust vertrauter Aufgaben<br />
und Lebensinhalte kann es zu Anpassungs- und Reaktionsstörungen<br />
kommen. Aber auch Ängste, Zwangsgedanken und -handlungen, Probleme<br />
in Partnerschaft oder Familie, Depressionen, Süchte und psychosomatische<br />
Erkrankungen können die Lebensqualität massiv einschränken.<br />
Die PsychotherapeutInnen und PsychologInnen des IfS machten es sich<br />
von Beginn an zur Aufgabe, Menschen, die sich in solch schwierigen Lebenssituationen<br />
befinden, zu helfen.<br />
Im Jahr 1981 unterstützten die MitarbeiterInnen des IfS beispielsweise 106<br />
Menschen mit Depressionen sowie 244 Personen, die Selbstmordgedanken<br />
hegten oder bereits einen Suizidversuch hinter sich hatten. Im Laufe der<br />
· 82 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Jahre stieg die Anzahl der KlientInnen, die Erwachsenenpsychotherapie in<br />
Anspruch nahmen, ständig an. 1994 waren es 1.164, im Jahr 1996 bereits<br />
1.959 und im Jahr 2006 insgesamt 2.279.<br />
Gerade die Betreuung psychisch belasteter und kranker Menschen zeigte,<br />
dass eine Zusammenarbeit der Disziplinen, insbesondere auch zwischen<br />
Sozial arbeit, Psychotherapie und Psychologie wichtig und notwendig ist.<br />
Zu diesem Themenschwerpunkt, der die Kooperation der Fachbereiche<br />
b eleuchtete, führte das IfS 1983 im Feldkircher Montforthaus ein Symposium<br />
durch, dessen Ergebnisse 1985 in der Fachschriftenreihe des IfS unter<br />
dem Titel „Sozialarbeit & Psychoanalyse, Chancen und Probleme in der<br />
praktischen Arbeit“ von Dr. Josef Christian Aigner herausgegeben wurden.<br />
Dass jedes Individuum jedoch Teil<br />
e ines sozialen Kontextes ist, der das<br />
Verhalten der Individuen stark mit<br />
beeinfl usst, wurde erst im systemischen<br />
Ansatz stärker beachtet und in<br />
die psychologischen und psychotherapeutischen<br />
Methoden integriert. Dass<br />
menschliche Probleme bis hin zu Sinnkrisen<br />
und Suizid vor allem eine Angelegenheit<br />
des sozialen Status und der<br />
sozialen Schichtzugehörigkeit waren,<br />
bewies in der IfS-Fachschriftenreihe<br />
der Beitrag des Sozialpädagogen Bertram<br />
Strolz über seine Erfahrungen in<br />
Vorarlberg: „... so wird offensichtlich,<br />
dass gerade die soziale Isolation, die<br />
aktuellen und biographisch brüchigen<br />
Beziehungserfahrungen und die gesellschaftlich bestehenden Stigmatisierungstendenzen<br />
das Erlangen und Erhalten von Integrität für Menschen aus<br />
sozial benachteiligten Schichten massiv beeinträchtigen ... zu Gefühlen der<br />
Minderwertigkeit, Passivität führen.“<br />
Das aus methodischer und therapeutischer Sicht zukunftsweisende Konzept<br />
der Gruppenpsychotherapie wurde seit 1982 von Dr. Martin Mittendorfer<br />
und Franz Feuerstein eingesetzt. Es wurden zahlreiche psychotherapeutische<br />
Intensivgruppen (Mehr-Tages-Workshops) durchgeführt, die von den<br />
KlientInnen sehr gut angenommen wurden.<br />
· 83 ·<br />
1997: Team für psychologische Beratung<br />
von Kindergärten
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Analysiert man die Entwicklungen und Aufgaben der IfS-Beratungsstellen,<br />
liefern diese ein deutliches Bild über den Wandel der Vorarlberger<br />
Gesellschaft seit der Gründung des IfS zu Beginn der 1970er Jahre: Dominierten<br />
damals Erziehungsfragen und Jugendarbeit, so verlagerte sich der<br />
Schwerpunkt immer stärker auf die Psychotherapie und die psychologische<br />
B ehandlung. Die zunehmende Verstädterung und Industrialisierung förderte<br />
ein bis dahin fast unbekanntes Phänomen – die individuelle Vereinsamung<br />
und Entsolidarisierung der Gesellschaft. Zu einem weiteren Problem<br />
wurden die große Schicht allein erziehender Frauen und die damit verbundene<br />
Vaterlosigkeit der Kinder.<br />
Ehe und Partnerschaft<br />
1991 IfS-Team Bregenzerwald<br />
Dr. Gertraud Würbel (Mitte)<br />
zum anderen in der Paarberatung Unterstützung.<br />
In den 1970er Jahren galt die Ehe-<br />
und Paarberatung als eigene Disziplin,<br />
in deren Rahmen die Ausübung<br />
der B eratungstätigkeit einer speziellen<br />
Ausbildung bedurfte. Im Laufe der<br />
Zeit wurde diese Disziplin jedoch von<br />
den Berufsfeldern der Sozialarbeit, der<br />
Psychologie und Psychotherapie übernommen<br />
und weiterentwickelt. Menschen<br />
mit Problemen im Bereich Ehe<br />
bzw. Partnerschaft fanden zum einen<br />
in der Erwachsenenberatung, in der<br />
Einzelpersonen gemeinsam mit einem<br />
Außenstehenden ihre Probleme in der<br />
Partnerschaft beleuchten und besser<br />
zu verstehen und zu lösen versuchen,<br />
Ehe und Partnerschaft stellen einen Bereich dar, in dem sich in den vergangenen<br />
Jahren und Jahrzehnten bezüglich der Wertehaltung sowie der<br />
Bedürfnisse von Paaren sehr vieles verändert hat. Gerade in diesem Bereich<br />
wird sichtbar, wie sich die gesellschaftlichen Rollen von Frauen und Männern<br />
verändert haben. Für Paare stellen diese neuen Rollenbilder und die<br />
Ansprüche, die heutzutage an eine Partnerschaft gestellt werden, oft eine<br />
große Herausforderung dar. Es hat sich gezeigt, dass es oft notwendig und<br />
· 84 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
1997: 20 Jahre IfS-Beratungsstelle Bludenz<br />
sinnvoll sein kann, Probleme innerhalb einer Beziehung mit einer außenstehenden<br />
Person zu analysieren, um die Partnerschaft aufrecht zu erhalten. In<br />
der Ehe- und Paarberatung geht es darum, den Partnern zu helfen, zu einer<br />
gelingenden Partnerschaft zurückzufi nden, oder sie darin zu unterstützen,<br />
sich respektvoll zu trennen und dabei das Wohl der gemeinsamen Kinder<br />
nicht aus den Augen zu verlieren.<br />
Zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Ehe-, Paar und Erwachsenenberatung<br />
hauptsächlich von den IfS-Beratungsstellen wahrgenommen. Kennzeichnend<br />
war, dass dieser Beratungsbereich etwa von einem Viertel aller<br />
Ratsuchenden in Anspruch genommen wurde und der Anteil an Männern<br />
mit 30% recht gering war. Im Jahr 2006 waren rund 75% der KlientInnen,<br />
die die Erwachsenenberatung aufsuchten weiblich, lediglich ein Viertel der<br />
Ratsuchenden in diesem Bereich war männlich.<br />
Einen entscheidenden Einfl uss auf die Eheberatung übte das im Jahr 2000<br />
erlassene neue Eherecht aus. Diese wichtige Eherechtsreform verpfl ichtete<br />
die EhepartnerInnen zu einer einvernehmlichen und ausgewogenen<br />
L ebensgestaltung. Aus der Sicht des IfS waren die Änderungen, die auch das<br />
Scheidungsrecht betrafen, zu begrüßen. Man wies jedoch darauf hin, dass<br />
eine Beratung nicht erst mit Beginn des Gerichtsverfahrens in Anspruch<br />
genommen werden sollte. Die krisenhafte Entwicklung beginne früher und<br />
dort wolle das IfS ansetzen. Es gehe nicht nur um Konfl iktberatung, sondern<br />
· 85 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
ebenso um einen einvernehmlichen Neubeginn oder um eine einvernehmliche<br />
Scheidung bei vorsorglicher Gestaltung der künftigen Beziehung.<br />
Durch das neue Zivilrechtsmediationsgesetz trat an Stelle der Beratung in<br />
verstärktem Maße die Vermittlung. Unter Mediation verstand man die fachlich<br />
fundierte Begleitung und Anleitung von Menschen in Konflikten. Ziel<br />
sollte es sein, für alle Beteiligten ausgewogene und akzeptierbare Lösungen<br />
zu finden.<br />
Trennungs- und Scheidungsberatung<br />
Noch vor rund 25 Jahren verfolgte man vornehmlich die Idee, Scheidungen<br />
zu verhindern. Heute gilt die Verhinderung der Trennung nicht mehr als<br />
oberstes Ziel. Man ist zu der Überzeugung gelangt, Paare bzw. Familien während<br />
der Trennungsphase zu begleiten und zu unterstützen.<br />
Seit Mitte der 1980er Jahre wurde die Zusammenarbeit mit Gerichten<br />
intensiviert. Immer häufiger holten Gerichte im Rahmen von strittigen Sorgerechtsverfahren<br />
psychologische Gutachten bei den IfS-Beratungsstellen<br />
ein. Diese Gutachten dienten als Entscheidungshilfe für die Beschlüsse, welcher<br />
Elternteil zukünftig mit der Obsorge betraut werden sollte. Um diese<br />
Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllen zu können, organisierte das IfS im Juni<br />
1986 gemeinsam mit der Vereinigung Österreichischer Richter, Sektion<br />
Vorarlberg, eine erste interdisziplinäre Tagung. Dabei wurden praktische<br />
Fragen des Scheidungsrechts, Scheidungshilfen und die Scheidungssituation<br />
des Kindes aus psychologischer Sicht thematisiert.<br />
Die Beratung und Begleitung von Paaren und Familien in Trennungs-<br />
und Scheidungssituationen stellte an den Beratungsstellen des IfS schon<br />
immer einen Schwerpunkt dar. Ein spezielles Beratungsangebot – „Familienberatung<br />
bei Trennung/Scheidung“ – wurde 2007 an der IfS-Beratungsstelle<br />
Feldkirch installiert. Dieses hat es sich zum Ziel gesetzt, Eltern zu<br />
unterstützen, trotz Scheidungskrise die Kinder im Mittelpunkt der gemeinsamen<br />
Verantwortung zu sehen. Ehescheidungen bzw. Trennungen sind einschneidende<br />
Erlebnisse – besonders für Kinder, die sich plötzlich mit der<br />
Situation zurechtfinden müssen, nur noch mit einem Elternteil im gemeinsamen<br />
Haushalt zu leben. Um Kindern die Möglichkeit zu geben, die Mitte<br />
zwischen den Eltern auch in Zeiten der Trennung weiterhin als Geborgenheit<br />
zu erleben, braucht es die Bereitschaft der Eltern, die Trennung als das<br />
· 86 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
zu sehen, was es für die Kinder sein kann: eine Krise, eine Bedrohung, eine<br />
Katastrophe.<br />
Im Rahmen der Beratung sollen Eltern dahingehend unterstützt werden,<br />
im Sinne des Kindes zu versuchen, sich in Gesprächen um die Obsorge nicht<br />
von Erfahrungen leiten zu lassen, die zur Scheidung bzw. Trennung führten.<br />
Kinder haben das Recht auf Mutter und Vater. Sie brauchen Geborgenheit,<br />
Gesprächsbereitschaft und das Interesse ihrer Eltern sowie Brücken zwischen<br />
ihren Eltern, auf denen sie sich angstfrei bewegen können.<br />
Die Obsorge beider Elternteile soll nicht als Aufteilung der Rechte und<br />
als gegenseitige Kontrolle verstanden werden, sondern als Versprechen der<br />
Eltern, die Kinder aus dem Konflikt herauszuhalten und sich gemeinsam um<br />
deren Erziehung zu sorgen und zu kümmern. Für das geschiedene Paar ist es<br />
– aufgrund vergangener Enttäuschungen und Verletzungen – nicht immer<br />
einfach, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen und sich gegenseitig in der<br />
Rolle als Mutter bzw. Vater zu bejahen. Doch nur so lässt sich ein Weg finden,<br />
Kindern weiterhin ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln, anstatt<br />
diese einem Loyalitätskonflikt auszusetzen.<br />
Das IfS bietet Familien in Scheidungs- bzw. Trennungssituationen Beratung<br />
und Hilfe an. Eltern werden dahingehend unterstützt, zwischen Paarkonflikt<br />
und Elternverantwortung zu unterscheiden, die künftige Sorge um<br />
die Kinder mit Inhalten zu füllen und diese kindgerecht zu gestalten sowie<br />
faire Vereinbarungen für eine einvernehmliche Scheidung auszuhandeln<br />
und zu formulieren, in denen die Obsorge für die Kinder einen besonderen<br />
Stellenwert hat.<br />
Sexualität, Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte<br />
Im Rahmen der Eheberatung und Familienplanung hatten sich die IfS-BeraterInnen<br />
von Anfang an mit Fragen der Sexualität zu beschäftigen. Im Rahmen<br />
des Familienberatungsförderungsgesetzes wurde vom Bund im Jahr<br />
1974 ein spezielles Beratungsangebot geschaffen, um als begleitende Maßnahme<br />
zur „Fristenregelung“ vorbeugend und helfend wirken zu können.<br />
In Vorarlberg übernahm das IfS zusammen mit der Ärzteschaft zum großen<br />
Teil diese Aufgabe. Unter der Federführung von Ulrike Tschofen entwickelten<br />
sich somit die Beratungen bei ungewollten Schwangerschaften und die<br />
Informationsleistungen bezüglich der Verhütung von Schwangerschaften<br />
zu einem zentralen Bereich der Sozialarbeit im IfS.<br />
· 87 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Anfang der 1980er Jahre wurde<br />
„Verhütung“ im öffentlichen Diskurs<br />
nur selten thematisiert, da die<br />
Moral „ohne Sex keine unerwünschte<br />
Schwangerschaft“ vorherrschend war.<br />
Von den rund 400 Frauen, die 1984<br />
eine IfS-Beratungsstelle aufgesucht<br />
hatten, da sie ungewollt schwanger<br />
geworden waren, hatten nur wenige<br />
ein Verhütungsmittel angewandt.<br />
Laut einer österreichischen Untersuchung<br />
hatten 57% der Frauen zum<br />
Zeitpunkt der Empfängnis mit ihren<br />
Partnern keine Verhütungsmaßnahmen<br />
getroffen, obwohl sie ausdrücklich<br />
kein Kind wünschten. Erst<br />
im Laufe der Jahre änderte sich die<br />
M oralvorstellung dahingehend, dass<br />
das Ausleben einer gesunden Sexualität<br />
dank Verhütung möglich ist.<br />
Das IfS bot den hilfesuchenden<br />
Schwangeren, meist Mädchen und<br />
junge Frauen, medizinische Beratung durch ÄrztInnen und auch s ozial-psychologische<br />
Hilfestellung durch qualifi zierte BeraterInnen an. Die Entscheidung<br />
für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch wurde den Frauen<br />
erschwert, da in Vorarlberg die öffentliche Meinung einen Schwangerschaftsabbruch<br />
verurteilte. Die BeraterInnen des IfS handelten aber dennoch<br />
nach dem Prinzip, „die betroffene Frau kann selbst entscheiden, ihr<br />
darf weder eine Entscheidung aufgedrängt noch abgenommen werden“.<br />
Im Rahmen der Schwangerschaftskonfl iktberatung wurden von Anfang an<br />
b estimmte Beratungsgrundsätze verfolgt: Die Beratung erfolgt im geschützten<br />
Rahmen, hat nicht wertend und aus ganzheitlicher Sicht zu erfolgen. Mit<br />
dem Anliegen der Hilfesuchenden ist sorgfältig und sorgsam umzugehen,<br />
die persönliche Entscheidung der Hilfesuchenden ist zu achten.<br />
Im Jahr 1984 schätzte man die Zahl der in Österreich vorgenommenen<br />
Abtreibungen auf 95.000, für Vorarlberg wurde eine Zahl von 2.000 angenommen.<br />
Von den ungewollt Schwangeren, die Kontakte zum IfS aufnahmen,<br />
bekannten sich ca. 30% zum anfangs unerwünschten Kind. Die übrigen<br />
suchten ihre individuelle „Lösung“ in anderen Bundesländern, da sich die<br />
· 88 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
ÄrztInnen und Spitäler weigerten, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.<br />
Damals wurden Themen wie Verhütung und Abtreibung gesellschaftlich<br />
tabuisiert, was dazu beitrug, dass Frauen, die ungewollt schwanger<br />
geworden waren, in sehr große Konflikte gerieten. Dies machte deutlich,<br />
dass man zukünftig den Schwerpunkt auf die Empfängnisverhütung und<br />
sexuelle Aufklärung verlagern musste. Die Forderung lautete daher: „Bei der<br />
Sexualerziehung in Schule und Elternhaus muss verstärkt auf eine gesamtheitliche<br />
Erziehung geachtet werden. Zum Menschsein gehören Sexualität<br />
und das Wissen, wie mit ihr verantwortlich umgegangen wird.“ 1984 bildete<br />
sich zu diesem Zweck eine Projektplanungsgruppe am IfS-Dornbirn, die sich<br />
zum Ziel setzte, „gegen Unwissenheit, gegen Vorurteile und gegen Tabus<br />
im Bereich der Sexualität“ vorzugehen. Die Projektgruppe arbeitete in der<br />
Folge „von Frau zu Frau“, mit Frauen- und Mädchengruppen, LehrerInnen<br />
und Schulen und dem Katholischen Bildungswerk.<br />
Im wichtigen Bereich der Prophylaxe bot das IfS bereits 1981 bis 1983 in<br />
Kooperation mit FrauenfachärztInnen fortlaufende und sehr gut besuchte<br />
Geburtsvorbereitungskurse für Schwangere und deren Partner an. Ebenso<br />
organisierte man mehrere Fortbildungen für Fachkräfte in diesem Bereich.<br />
Da durchschnittlich zwei Prozent der Eltern das Schicksal erleiden, ihr Kind<br />
während der Schwangerschaft oder im frühen Kindesalter zu verlieren,<br />
startete das IfS im Jahr 2004 eine besondere Hilfestellung: Die Broschüre<br />
„Abschied von einem kleinen Leben“ unterbreitet vielfältige Hilfsangebote<br />
in dieser schwierigen Situation.<br />
Beratung für Männer<br />
Im Oktober 1986 startete die Beratungsstelle Dornbirn das Projekt „Beratung<br />
für Männer“. Dies war ein „Angebot von Männern für Männer“. In Einzel-<br />
und Gruppengesprächen sowie in Informationsabenden wurden eherechtliche<br />
und erzieherische Fragen, Hilfestellungen in Scheidungssituationen,<br />
Fragen der Sexualität sowie Gesprächsmöglichkeiten bei Stress und Leistungsdruck<br />
behandelt und diskutiert.<br />
Im Allgemeinen waren es häufiger Frauen, die Probleme und Konflikte<br />
erkannten und einen Beitrag zu deren Lösung leisten wollten, um Partnerschaft<br />
und Familie zu „retten“ oder eine harmonische Beziehung wieder<br />
herzustellen. Die Bereitschaft und der Druck zu Veränderungen gingen<br />
somit häufiger von Frauen aus. Das betraf vor allem die Erwachsenenbe-<br />
· 89 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
ratung, Psychotherapie sowie Familienberatung<br />
und -planung. In den<br />
Bereichen der Beratung für Menschen<br />
mit Behinderungen war das Verhältnis<br />
zwischen Männern und Frauen<br />
ausgeglichen.<br />
2003 startete das IfS die Kampagne<br />
„Das Schweigen der Männer“. Diese<br />
Aktion, die im Jahr 2006 wiederholt<br />
wurde, zielte darauf ab, Männern<br />
deutlich zu machen, dass es selbstverständlich<br />
ist, dass Männer über sich<br />
selbst reden, sich gegenseitig unterstützen<br />
und in Problemlagen Hilfe in<br />
Anspruch nehmen.<br />
Mit der Kampagne „Starke Männer<br />
brauchen keine Gewalt“ sprachen<br />
sich 2007 das IfS und die AK<br />
Vorarlberg deutlich gegen gewalttätiges<br />
Handeln aus. Im Rahmen dieser Kampagne zeigten prominente Vorarlberger<br />
– Hubert Hämmerle (Präsident der AK Vorarlberg), Stefan Vögel<br />
(Kabarettist), Roman Rafreider (ORF-Moderator), Günter Polanec (ehem.<br />
ORF-Sportchef), Roland Kirchler (SCR Altach), Müslüm Atav (SCR Altach)<br />
und Jürgen König (mehrfacher Boxstaatsmeister) – Gewalt die rote Karte.<br />
Zudem war eine Wanderausstellung des Vorarlberger Fotokünstlers Nikolaus<br />
Walter zu sehen.<br />
Opferschutz<br />
Von Anfang an wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institut<br />
für Sozialdienste vermehrt mit Problemen, die in Zusammenhang mit<br />
G ewalt auftreten, konfrontiert. Vor allem Probleme im Zusammenhang mit<br />
innerfamiliärer Gewalt wurden in der Beratung – hauptsächlich von Frauen<br />
– immer wieder thematisiert. Die Arbeit mit diesen betroffenen Frauen<br />
zeigte die Notwendigkeit auf, dass es neben dem allgemeinen Beratungsangebot<br />
auch spezieller Angebote bedurfte, die sich vornehmlich dem Themenbereich<br />
Gewalt widmeten. So wurden im Laufe der Jahre zusätzliche und<br />
spezielle Angebote entwickelt und umgesetzt.<br />
· 90 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
FrauennotWohnung<br />
Ende der 1980er Jahre erkannten private und politische Initiativen die Probleme<br />
der von Gewalt betroffenen Frauen und setzten sich für die Gründung<br />
eines autonomen Frauenhauses ein. Doch die Politik wollte zum damaligen<br />
Zeitpunkt – teils aufgrund ideologischer Vorstellungen, teils aufgrund eines<br />
Wunschdenkens – nicht wahrhaben, dass eine solche Einrichtung vonnöten<br />
war. Die Anzahl jener Frauen, die sich Hilfe und Schutz suchend an das IfS<br />
wandten, machte die Notwendigkeit eines solchen Vorhabens jedoch deutlich.<br />
Die heile Welt der Politik existierte in der Realität nicht. Es gab von<br />
Gewalt betroffene Frauen, die spezieller Begleitung und besonderer Schutzmaßnahmen<br />
bedurften.<br />
Auf Initiative der damaligen Frauenreferentin Brigitte Bitschnau-C anal<br />
und der IfS-Mitarbeiterin Angelika Würbel wurde ein Konzept für eine<br />
Vorarlberger FrauennotWohnung entwickelt, welche im Juli 1990 unter<br />
dem Namen „IfS-FrauennotWohnung“ eröffnet wurde. Diese bietet seither<br />
Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind, rasch und direkt parteiliche<br />
Hilfe, Schutz und eine vorübergehende Wohnmöglichkeit an. In der<br />
IfS-FrauennotWohnung, die rund um die Uhr telefonisch erreichbar ist, fi nden<br />
misshandelte Frauen und Kinder Raum und Zeit, um zur Ruhe zu kommen.<br />
Hier können in einer gewaltfreien Umgebung Entscheidungen gefällt<br />
werden, wie das Leben in Zukunft gestaltet werden soll. Jeder Klientin steht<br />
1991: Ein Jahr IfS-FrauennotWohnung<br />
· 91 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
während ihres Aufenthaltes<br />
eine Beraterin begleitend,<br />
u nterstützend und informierend<br />
zur Seite.<br />
Wie in anderen IfS-Fachbereichen<br />
wurde auch in der<br />
FrauennotWohnung von B eginn<br />
an der Anspruch vertreten,<br />
Hilfe zur Selbsthilfe zu<br />
leisten. Egal ob sich die Frau<br />
nach ihrem Aufenthalt in der<br />
FrauennotWohnung dazu entschließt,<br />
ein eigenständiges<br />
Leben ohne ihren Partner zu<br />
beginnen oder ob sie zu ihrem<br />
Partner zurückkehrt, die Entscheidung<br />
wird von den Beraterinnen<br />
mitgetragen.<br />
Die Sozialarbeiterinnen<br />
und nebenamtlichen Mitar-<br />
1996: Kampagne gegen Gewalt an Frauen<br />
beiterinnen des IfS ließen sich<br />
von bestimmten Grundsätzen<br />
leiten: „Wir stehen auf jedem Fall auf der Seite der misshandelten Frauen.“<br />
Im Rahmen der Arbeit zeigte sich, dass auch eine intensive Betreuung der<br />
Kinder notwendig war, da diese auf Grund der meist lange andauernden,<br />
problematischen Familiensituationen häufi g traumatisiert waren.<br />
Obwohl Gewalt an Frauen bereits 1990 ein Straftatbestand war, gab es<br />
vor Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes im Mai 1997 keine Möglichkeit,<br />
den Gewalttäter aus der Wohnung zu verweisen. So waren es meist die<br />
Frauen und Kinder, die aus der Wohnung auszogen. Die Frauen kamen aus<br />
allen sozialen Schichten und aus ganz Vorarlberg.<br />
Ein neues Phänomen war die vermehrte Aufnahme von Frauen aus Osteuropa,<br />
Asien und Lateinamerika, die zwecks Ehe und Familiengründung ins<br />
Land geholt worden waren. Vor allem seit Mitte der 1990er Jahre traten im<br />
Zusammenhang mit dem Heiratstourismus diese Probleme zutage. Frauen,<br />
die in der Illusion, in Österreich eine gesicherte Existenz zu haben, nach<br />
Vorarlberg gekommen waren, sahen sich plötzlich mit gescheiterten, häufi g<br />
auch gewalttätigen Beziehungen konfrontiert und standen vor dem Problem,<br />
die deutsche Sprache nicht zu beherrschen und das Netz an s ozialen Organi-<br />
· 92 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
sationen, die Hilfestellungen anboten, nicht zu kennen. Die IfS-Frauennot-<br />
Wohnung war oft die einzige Auffangmöglichkeit, der einzige Ort, wo diese<br />
Frauen zur Ruhe kommen konnten, um sich neue Existenzen aufzubauen.<br />
1997 startete das IfS zusammen mit dem ORF die Aktion „Mir reicht’s“,<br />
eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Sechs Wochen lang stand dieses<br />
Tabuthema in der Öffentlichkeit und wurde reflektiert. 180 Anruferinnen<br />
meldeten sich bei der eigens eingerichteten Telefon-Hotline, die vom IfS und<br />
der kooperierenden Telefonseelsorge in Dornbirn installiert worden war.<br />
Im Jahr 1995 hatten 60 Frauen und ebenso viele Kinder die IfS-FrauennotWohnung<br />
in Dornbirn aufgesucht, wo sie Schutz, Unterstützung und<br />
Information erhielten. Im Jahr 2006 suchten 75 von Gewalt betroffene<br />
Frauen und deren Kindern (32 Mädchen und 33 Buben) in der IfS-FrauennotWohnung<br />
Schutz und Zuflucht. Die Aufenthaltsdauer variierte zwischen<br />
einem Tag und 180 Tagen.<br />
Interventionsstelle<br />
Einen wesentlichen Fortschritt im Gewaltschutz stellte das im Mai 1997<br />
erlassene Gesetz zum Schutz gegen Gewalt in der Familie dar. Zwei Jahre<br />
später, im September 1999, wurde in Feldkirch die „IfS-Interventionsstelle“<br />
– Handeln gegen Gewalt in der Familie – eröffnet. Diese bietet Opfern von<br />
Gewalt in der Familie rasche und kompetente Hilfe an. Anlässlich der Eröffnung<br />
wurde die Zielsetzung der IfS-Interventionsstelle im Eröffnungsstatement<br />
wie folgend erklärt: „Unsere Arbeit basiert auf dem Grundsatz, dass<br />
Gewalt in keiner Form und in keinem Ausmaß zu akzeptieren ist und unsere<br />
Aufmerksamkeit der Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern gelten<br />
muss. Der Gesetzgeber hat ein deutliches Zeichen gesetzt: Bei familiärer<br />
Gewalt müssen nicht mehr die Opfer fliehen und sich in Sicherheit bringen,<br />
die Gewaltspirale wird durch die Wegweisung von Gewalttätern unterbrochen.<br />
Den Opfern von Gewalt darf nie die Schuld für die erlittene Gewalt<br />
zugeschoben werden.“<br />
Finanziert wurde die IfS-Interventionsstelle Vorarlberg aus Mitteln des<br />
Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministerium für Gesundheit<br />
und Frauen. Diese gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtung setzte<br />
von Anfang an auf eine effektive Zusammenarbeit mit Exekutive, Gerichten,<br />
psychosozialen und medizinischen Einrichtungen, um somit ein wirkungsvolles<br />
Vorgehen gegen Gewalt gewährleisten zu können. Durch das Bundesgesetz<br />
zum Schutz vor Gewalt in der Familie können Polizei und Gerichte<br />
· 93 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
2007: 10 Jahre Gewaltschutzgesetz mit LR Schwärzler Elisabeth Kiesenebner Bauer<br />
den Gewalttäter aus der Wohnung weisen und ihm die Rückkehr sowie die<br />
Kontaktaufnahme zum Opfer verbieten. Erfolgt eine Wegweisung bzw. ein<br />
Betretungsverbot, so wird die IfS-Interventionsstelle umgehend informiert.<br />
Diese nimmt so schnell wie möglich mit dem Opfer Kontakt auf und bietet<br />
diesem Unterstützung an. Dabei wird das Ziel verfolgt, das Opfer zu schützen,<br />
damit sich dieses wieder sicher fühlen kann.<br />
Die IfS-Interventionsstelle begleitet und unterstützt das Opfer, gibt<br />
E rstinformationen weiter, erstellt einen Sicherheitsplan und leitet sofortige<br />
Interventionen ein. Zudem werden Hilfestellungen bei Behördenkontakten<br />
und bei der Weitervermittlung an andere soziale Einrichtungen angeboten.<br />
Die Bilanz der Interventionsstelle im ersten Jahr ihrer Tätigkeit ergab folgende<br />
Zahlen: 167 Opfer von Gewalt wurden beraten und in 114 Fällen war<br />
die Exekutive involviert. Betroffen waren überwiegend Frauen und Kinder.<br />
Mehr als 90% der Opfer hatten über längere Zeit andauernde physische,<br />
psychische oder sexuelle Gewalt erfahren. Es zeigten sich aber auch Probleme<br />
bei der Durchführung der Maßnahmen gegen die meist männlichen<br />
Gewalttäter. Ein Großteil der Frauen verzichtete auf eine Wegweisung der<br />
Gewalttäter aus der gemeinsamen Wohnung, weil sie existentiell abhängig<br />
waren und Angst vor verstärkter Gewalt und schließlich auch die Hoffnung<br />
auf Veränderung des „Partners“ hatten. Wegweisungen und Betretungsverbote<br />
wurden zudem anfangs kaum ausgeführt, da es den Exekutivbeamten<br />
oblag, wie sie die Situation an Ort und Stelle einschätzten, und sich häufi g<br />
mit Streitschlichtungen zufrieden gaben.<br />
Eine Studie über die Gewalt in Familie und Partnerschaft in Vorarlberg,<br />
Liechtenstein und Graubünden bewies, dass männliche Gewalttäter überwiegend<br />
traditionelle Vorstellungen von der Rollenverteilung von Frauen<br />
· 94 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
und Männern hatten: Die Frau gehöre in den Haushalt, der Mann habe die<br />
Funktion, die Familie zu versorgen. Eifersucht und Verlustangst bei Trennungsabsichten<br />
der Frauen führten häufig zu Gewalttaten.<br />
Im Jahr 2001 hatten die Wegweisungen und Betretungsverbote im Vergleich<br />
zum Vorjahr um 55% zugenommen. Betretungsverbote waren von<br />
den Beamten nunmehr als wirkungsvolle Maßnahme erkannt worden, wie<br />
überhaupt das Bewusstsein entstanden war, dass Gewalt – in welcher Form<br />
auch immer – ein strafrechtlicher Tatbestand und kein Beziehungsproblem<br />
war. „Es liegt nicht in der Macht des Opfers, die Gewalt zu verhindern, es<br />
liegt allein in der Hand des Täters, die Gewalt zu beenden“, so Elisabeth<br />
Kiesenebner-Bauer, die Leiterin der IfS-Interventionsstelle.<br />
Im Jahr 2006 begleitete und unterstützte die IfS-Interventionsstelle 432<br />
Menschen. 91% der Hilfesuchenden waren Frauen, lediglich in 9% der Fälle<br />
wandten sich Männer an die Mitarbeiterinnen der Interventionsstelle.<br />
Die mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Änderungen der Strafprozessordnung<br />
wurden von den Mitarbeiterinnen der IfS-Interventionsstelle<br />
begrüßt. Diese brachten wichtige Verbesserungen für Opfer mit sich, da<br />
diesen in Zukunft mehr Rechte zugesprochen und Opferanliegen verstärkt<br />
zum Gegenstand des Strafverfahrens werden. Die erweiterten Opferrechte<br />
beinhalteten neben einer umfassenden Information der Gewaltopfer auch<br />
ohne Privatbeteiligtenanschluss die Verständigung über den Fortgang des<br />
Verfahrens, die Mitwirkung im Verfahren, Akteneinsicht sowie eine schonende<br />
Behandlung. Die Anliegen der Opfer sollen ernst genommen und<br />
zum Gegenstand des Strafprozesses gemacht werden. Des Weiteren kommt<br />
Gewaltopfern nun das Recht auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung<br />
zu, die von der Interventionsstelle angeboten wird.<br />
Weitere Änderungen brachte das mit 1. Juli 2006 in Kraft tretende Anti-<br />
Stalking-Gesetz mit sich. Dieses neue Bundesgesetz schützt gegen beharrliche<br />
Verfolgung, sorgt für den zivilrechtlichen Schutz vor Eingriffen in<br />
die Privatsphäre und ist somit ein weiteres Gesetz zur Stärkung der Opfer.<br />
Die Mitarbeiterinnen der IfS-Interventionsstelle zeigten sich erfreut, dass<br />
auf gesellschaftliche Forderungen reagiert und nunmehr auch psychische<br />
Gewalt als kriminelles Verhalten angesehen und staatlich geächtet wurde.<br />
Mit dem neuen Anti-Stalking-Gesetz wurde eine solche Art der Gewaltausübung<br />
strafbar.<br />
· 95 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Prozessbegleitung<br />
Das Thema „Gewalt in der Familie“ gelangte in den 1980er Jahren zunehmend<br />
in die öffentliche Diskussion. Im Zuge der verstärkten Thematisierung<br />
wurde erst sichtbar, welches Ausmaß diese Form der Gewalt angenommen<br />
hatte. Um den Betroffenen gerecht zu werden, schuf man in der Folge<br />
gesetzliche Grundlagen und richtete entsprechende Hilfeleistungen ein.<br />
Eines dieser Unterstützungsangebote war die psychosoziale und juristische<br />
Prozessbegleitung, in deren Rahmen PsychologInnen, SozialarbeiterInnen,<br />
JuristInnen und AnwältInnen Opfer von Straftaten von der Anzeige durch<br />
die verschiedenen Verfahrensstadien (Zeugenaussagen, Hauptverhandlung<br />
etc.) bis zur Beendigung des Strafverfahrens beraten und unterstützen.<br />
Die Prozessbegleitung richtete sich an Kinder und Jugendliche, die Opfer<br />
von sexuellem Missbrauch oder Misshandlungen wurden, an Frauen und<br />
Männer, die sexuelle, körperliche oder psychische Gewalt erlitten hatten,<br />
sowie an nahe Angehörige von durch Straftat getöteten Personen und Zeugen<br />
einer solchen Tat.<br />
Eine Anzeige und ein gerichtliches Verfahren konnten sich für die Opfer<br />
und deren Bezugssystem als sehr belastende Ausnahmesituationen gestalten,<br />
die durch ein stärkendes Umfeld abgemildert werden konnten. Besonders<br />
wenn Kinder betroffen waren, zeigten sich zumeist auch deren Bezugspersonen<br />
verunsichert, hatten Schuldgefühle oder widersprüchliche Gefühle.<br />
In solch schwierigen Lebenssituationen wurde die psychosoziale Prozessbegleitung<br />
als entlastende Hilfestellung und Stabilisierung erlebt. Zusammenhänge<br />
und Abläufe wurden aufgezeigt und erklärt, was bereits in vielen<br />
Fällen eine Stärkung des Opfers bedeutete, denn so konnten auch eventuelle<br />
Gefühle von persönlicher Schuld oder Unfähigkeit verringert werden.<br />
Im Rahmen der juristischen Prozessbegleitung war es Aufgabe der<br />
JuristIn bzw. AnwältIn, den Betroffenen den Ablauf des Gerichtsprozederes<br />
zu erläutern und sie über die Rechte und Möglichkeiten der beteiligten<br />
Personen zu informieren. Zudem konnte versucht werden, falsche Vorstellungen<br />
der Betroffenen darüber, was durch einen Prozess erreicht oder verändert<br />
werden kann, zu korrigieren. Die Kenntnisse der juridischen Abläufe<br />
halfen, Unsicherheiten und Hilflosigkeiten zu verringern. Darüber hinaus<br />
konnten die Opfer als Privatbeteiligte im Strafverfahren bei Gericht anwaltlich<br />
vertreten werden. Dies stärkte besonders den Status der als ZeugInnen<br />
auftretenden Opfer und gab ein Gefühl der Sicherheit.<br />
· 96 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Gewaltberatung – Klartext<br />
Das IfS startete 1999 unter der Federführung von Arno Dalpra den Versuch<br />
einer gezielten Beratung von Gewalttätern. Männer standen fortan<br />
gewalttätigen Männern als Berater zur Verfügung. Klartext ging dabei von<br />
der Gewaltdefinition „Gewalt ist die Ausübung und Androhung von körperlicher<br />
Beeinträchtigung“ aus. Durch diese klare Definition konnten das<br />
Thema Gewalt benannt und die Täter mit dem Thema konfrontiert werden.<br />
Konfrontation wurde in der Gewaltberatung als notwendig erachtet, denn<br />
lediglich durch die Übernahme von Verantwortung für sein gewalttätiges<br />
Tun und die Veränderung seines Verhaltens kann der Täter weitere Gewalt<br />
verhindern. Während des Prozesses der Verantwortungsübernahme wurden<br />
Täter von den Beratern begleitet, die mit einer klaren Werthaltung gegen<br />
Gewalt arbeiteten. Dies bedeutete eine Entsolidarisierung mit der Gewalttat<br />
und eine Solidarisierung mit dem Mann. Gewaltberatung fand zum einen<br />
in einem freiwilligen Kontext, zum anderen bei Zwangsmaßnahme statt.<br />
Zuweiser waren in erster Linie Gerichte und Bezirkshauptmannschaften.<br />
Beide Möglichkeiten waren notwendig, da davon ausgegangen werden kann,<br />
dass es für die überwiegende Zahl der Täter keine Veranlassung gibt, sich in<br />
eine Beratung zu begeben.<br />
IfS-Klartext bietet im Rahmen der Therapie für Gewalttäter Einzelarbeit<br />
sowie Arbeit in Gruppen an. Ziel der Beratung war, dass der Täter<br />
Verantwortung für sein vergangenes und zukünftiges Tun übernimmt und<br />
lernt, sich zu kontrollieren, damit keine Gewalttaten mehr ausgeübt werden.<br />
Neben der Arbeit mit Tätern wurde zudem Präventionsarbeit an Schulen<br />
und für Jugendliche angeboten.<br />
Menschen mit Behinderungen<br />
Grundlagen und Arbeitsbereiche<br />
Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen wurde vom IfS immer unter<br />
dem Aspekt einer ganzheitlichen Beratung und Hilfestellung gesehen. Ziel<br />
sollte es sein, Menschen mit Behinderungen an dem Ort, an dem sie leben, zu<br />
unterstützen und so eine wirkliche Integration zu ermöglichen. Im Rahmen<br />
dieser Arbeit galt die Zusammenarbeit mit Organisationen im sozialen Netz<br />
sowie mit Selbsthilfegruppen von Beginn an als ein wesentlicher Ansatz. So<br />
· 97 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
wurde Menschen mit Behinderungen<br />
ein möglichst breites<br />
Angebot an Unterstützung<br />
zur Verfügung gestellt, damit<br />
diese jeweils die für sich individuell<br />
passende Hilfestellung<br />
erhalten.<br />
Die Arbeit des IfS bezog<br />
sich in erster Linie auf die<br />
ambulante Beratung und<br />
Betreuung von Menschen mit<br />
Körperbehinderung, geistiger<br />
Behinderung und SonderschülerInnen.<br />
Dazu kamen die<br />
Förderung von Freizeitaktivitäten<br />
und die Mitarbeit im<br />
Team des Heilpädagogischen<br />
Sprechtages. Es zeigte sich,<br />
dass sich die Arbeit mit Menschen<br />
mit Behinderungen als<br />
äußerst komplex gestaltete<br />
und eine Zusammenarbeit<br />
von PsychologInnen, SozialarbeiterInnen,<br />
SonderpädagogInnen, ÄrztInnen und JuristInnen erforderte.<br />
Als eine wesentliche Zielsetzung galt von Anfang an, das soziale Umfeld und<br />
den familiären und berufl ichen Bezugsrahmen der KlientInnen in die Beratungsarbeit<br />
mit einzubeziehen.<br />
In Vorarlberg beschritt man einen neuen Weg. Neben der Förderung<br />
von Arbeitsplätzen in geschützten Werkstätten versuchte man mit Erfolg,<br />
Menschen mit Behinderungen in die Privatwirtschaft bzw. in den öffentlichen<br />
Dienst zu integrieren. Mitte der 1980er Jahre entwickelten sich weitere<br />
Schwerpunkte in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Es wurden<br />
Programme zur betrieblichen Eingliederung erstellt, welche sich zum Ziel<br />
setzten, den jeweiligen Fähigkeiten angemessene Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />
zu fi nden. Das Erreichen dieser Ziele war mit einer Reihe von Schwierigkeiten<br />
verbunden: Zum einen gab es Engstellen am Arbeitsmarkt, zum<br />
anderen befanden sich die Ausbildungsmöglichkeiten nicht immer in der<br />
Nähe der Betroffenen und zudem stieß man auf Vorurteile von Seiten potentieller<br />
ArbeitgeberInnen und der Allgemeinheit. Das Modell des geschützten<br />
· 98 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Arbeitsplatzes war so einfach<br />
wie erfolgreich: Menschen mit<br />
Behinderungen wurden langfristig<br />
unterstützt und begleitet<br />
und die Betriebe erhielten<br />
einen Lohnkostenzuschuss in<br />
der Höhe der festgestellten<br />
Minderleistung. Das „Modell<br />
Vorarlberg“ war europaweit<br />
ein Vorzeigemodell, die<br />
Anzahl der Arbeitsplätze in<br />
der Privatwirtschaft unüber-<br />
1996: Kooperation zwischen Lebenshilfe und IfS<br />
Dr. Heinz-Werner Blum, IfS-GF Dr. Stefan Allgäuer (links)<br />
troffen. Europaweit wurde mit dem Modell der „Arbeitsassistenten“ (seit<br />
1998) und mit neuen fi nanziellen Förderungen der Vorarlberger Weg weitergeführt<br />
– leider in reduzierter Form.<br />
Da neben dem Ausüben einer befriedigenden, selbständigen Erwerbstätigkeit<br />
zudem das selbständige Wohnen zum Wohlbefi nden eines Menschen<br />
beiträgt, wurden Mitte der 1980er Jahre neue Wohnformen für Menschen<br />
mit Behinderungen entwickelt. Diese zielten darauf ab, den Betroffenen trotz<br />
Behinderung ein Leben in größtmöglicher Selbständigkeit zu ermöglichen.<br />
Das Jahr 1981 – offi ziell zum „Jahr der Behinderten“ erklärt, in dessen Rahmen<br />
zahlreiche Initiativen stattfanden – trug wesentlich zur Verbesserung<br />
der Situation für Menschen mit Behinderungen bei. Die Beratungsschwerpunkte<br />
der damaligen Zeit belegt eine Statistik dieses Jahres: 53% der Rat<br />
suchenden Menschen mit Behinderungen waren schulpfl ichtige Kinder und<br />
Jugendliche, die größtenteils die Sonderschule besuchten und sich vor a llem<br />
mit Problemen der Berufsfi ndung konfrontiert sahen. Der Anteil der 19<br />
– 29jährigen KlientInnen lag bei 35%. Diese bedurften der Beratung und<br />
Unterstützung in den Bereichen Berufsausbildung und Arbeitsplatz. 22%<br />
der Menschen mit Körperbehinderung beklagten zum damaligen Zeitpunkt,<br />
nicht behindertengerecht zu wohnen.<br />
In der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen waren und sind gesellschaftliche<br />
Strömungen im besonderen Maße spürbar, was zu Veränderungen der<br />
gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der individuellen Wünsche und<br />
Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen führt. Deshalb ist es von<br />
besonderer Wichtigkeit, in diesem Bereich der Sozialarbeit inhaltliche und<br />
organisatorische Anpassungen vorzunehmen, um sowohl den Rahmenbe-<br />
· 99 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
dingungen als auch den individuellen<br />
Ansprüchen der<br />
KlientInnen gerecht zu werden.<br />
In den 1990er Jahren<br />
entsprachen die organisatorischen<br />
Anpassungen dem<br />
B estreben, verschiedenste<br />
neue und eigenständige Angebote<br />
zu entwickeln. So wurde<br />
die damalige Fachgruppe „IfS-<br />
Reha“, deren Ziel die berufl iche<br />
und soziale Rehabilitation<br />
von Menschen mit Behinderungen war, im Jahr 2000 in eine selbständige<br />
GmbH umgewandelt und 2005 eine namentliche Änderung zu „IfS-Okay“<br />
vorgenommen. Heute, im Jahr 2007, wird es als notwendig erachtet, auch<br />
intern gut etablierte, unabhängige Angebote zu vernetzen und unter dem<br />
gemeinsamen Dach der „IfS-Assistenz“ anzubieten.<br />
2007: Berufskundegruppe des IfS-Spagat<br />
Schule, Bildung und Fortbildung<br />
Im Juli 1992 wurde die Servicestelle „IfS-Dialog“ geschaffen. Diese richtete<br />
sich im Gegensatz zu den bisherigen Angeboten nicht in erster Linie an<br />
Menschen mit Behinderungen, sondern an deren Eltern und Bezugspersonen<br />
sowie an KindergärtnerInnen und LehrerInnen. Diese neue IfS-Stelle<br />
versuchte durch Beratung Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit<br />
Kindern mit Behinderungen abzubauen und somit der bislang mangelnden<br />
Integration von Menschen mit Behinderungen in Kindergärten und Pfl ichtschulen<br />
entgegenzuwirken. Zudem fungierte IfS-Dialog als Verhandlungspartner<br />
mit Behörden, Gemeinden und Schulen. Diese unter der Führung<br />
von Dr. Peter Reinelt in Österreich vorerst einmalige Beratungsstelle sah<br />
ihr Hauptziel darin, Menschen mit Behinderungen möglichst früh den Weg<br />
in ein normales familiäres, gesellschaftliches, kulturelles und soziales Leben<br />
zu ebnen.<br />
Es zeigte sich, dass sich der Übergang von der Schule ins Berufsleben<br />
b esonders für Jugendliche mit Beeinträchtigungen als schwierig herausstellte.<br />
Deshalb startete die Fachstelle IfS-Dialog zur Abklärung derer<br />
b erufl ichen Entwicklungsmöglichkeiten 2001 das Projekt „Clearing“. D ieses<br />
· 100 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
bot Jugendlichen Beratung, Betreuung und Begleitung auf ihrem Weg von<br />
der Schule in die Arbeitswelt an und wurde in enger Zusammenarbeit mit<br />
sonderpädagogischen und integrativen Schulen durchgeführt. Ziel war es,<br />
den Jugendlichen Perspektiven für ein künftiges Berufsleben aufzuzeigen<br />
und Entscheidungsgrundlagen in Richtung berufliche Integration bereitzustellen.<br />
Um den individuell geeigneten Arbeitsplatz zu finden und Unsicherheiten<br />
zu beseitigen, wurden die Jugendlichen Schritt für Schritt auf ihrem<br />
Weg in den neuen Lebensabschnitt begleitet. Mit jedem Einzelnen wurden<br />
Neigungs- und Fähigkeitsanalysen durchgeführt, Schnupperpraktika organisiert<br />
und ein persönlicher Entwicklungsplan erstellt. Auf der Suche nach<br />
dem optimal geeigneten Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz nach Beendigung<br />
der Schulpflicht galten die Fähigkeiten und Wünsche des Jugendlichen als<br />
Richtlinie, da jede/r Jugendliche besondere Kompetenzen und Stärken hat.<br />
Ende der 1980er Jahre erkannten MitarbeiterInnen des IfS, dass eine bloße<br />
Arbeitsplatzvermittlung für Menschen mit Behinderungen nicht zu deren<br />
beruflicher Integration ausreichte. Man schuf daher gezielte Weiterbildungsangebote<br />
in Form von Kursen, welche von den Menschen mit Behinderungen<br />
selbst oder den Betrieben zu bezahlen waren. Dabei ging es vor allem<br />
um eine Förderung handwerklicher Fähigkeiten. Daraus entstand 1986 das<br />
Projekt „Reha-Kreisel“, das gemeinsam mit verschiedenen Erwachsenen-<br />
Bildungseinrichtungen Kurse für Menschen mit Behinderungen anbot. Man<br />
weitete in der Folge die inhaltlichen Angebote auf Sprachkurse, Computerkurse<br />
und Themen aus, die man bisher tabuisiert hatte, so etwa auf Fragen<br />
der Sexualität von Menschen mit Behinderungen. Das Kursprogramm<br />
des „Reha-Kreisel“ vom Herbst 1996 besaß zudem Schwerpunkte in den<br />
Bereichen Musik, Spiel und Tanz. Zu den kreativen Aktivitäten kamen auch<br />
Kurzzeit-Seminare, die aktuelle Lebensfragen behandelten. Ab 2001 wurde<br />
der Kreisel ein eigenes Projekt mit zusätzlichem Schwerpunkt auf integrative<br />
Kurse und berufliche Qualifizierung von bildungsbenachteiligten Menschen.<br />
Im Laufe der Jahre wurden die Programme immer mehr auf berufsbildende<br />
Aktivitäten ausgedehnt, dennoch blieb das thematisch breit gestreute<br />
Angebot bestehen. Ein Beispiel hierfür war der 2005 organisierte Fotografie-Workshop,<br />
in dessen Rahmen Menschen mit Behinderungen ihre Kunstwerke<br />
in der Fotoausstellung „Lebensbilder“ zeigen konnten.<br />
· 101 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Arbeit und Beruf<br />
Seit 1978 integriert die IfS-Fachgruppe „Berufliche und soziale Rehabilitation“<br />
Menschen mit Behinderungen in die reguläre Arbeitswelt. Die Realisierung<br />
verlief fallweise schwierig und schleppend. Für die jährlich zwischen<br />
50 und 100 Menschen mit Behinderungen konnten nur unter erschwerten<br />
Bedingungen Arbeitsplätze gefunden werden, dies deshalb, weil sich viele<br />
Vorarlberger Betriebe scheuten, den vermeintlichen bürokratischen Aufwand<br />
zu übernehmen. Hinzu traten Befürchtungen bezüglich des besonderen<br />
Kündigungsschutzes. Im Jahr 1985 stimmten daher das IfS, das Land<br />
und die beruflichen Interessensvertreter überein, ein Programm zur verstärkten<br />
beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen zu<br />
entwickeln.<br />
Das Programm zeigte bereits ein Jahr später gute Erfolge: Man fand insgesamt<br />
280 geschützte Arbeitsplätze. Die gute Wirtschaftskonjunktur Ende<br />
der 1980er Jahre erleichterte die berufliche Integration zusehends, wodurch<br />
vermehrt Sonderschulabgänger an Arbeitsplätze vermittelt werden konnten.<br />
Die positiven Ergebnisse einer Untersuchung der Wirtschaftsuniversität<br />
Wien durch Prof. Badelt über die Wirksamkeit sozialer und beruflicher<br />
Integration von Menschen mit Behinderungen an geschützten Arbeitsplätzen<br />
in Vorarlberg trug wesentlich dazu bei, dass sich im Jahr 1990 das Land<br />
Vorarlberg gemeinsam mit dem IfS über ein generelles Konzept beruflicher<br />
Integration einigte: Die Betreuung von berufstätigen Menschen mit<br />
Behinderungen sollte durch das IfS geschehen, welches auch als „universeller<br />
Gesprächspartner“ für die Betriebe fungieren sollte. Das Land erklärte<br />
sich überdies dazu bereit, an Betriebe Lohnkostenzuschüsse bei Leistungsminderung<br />
durch die Menschen mit Behinderungen zu bezahlen.<br />
Im Jahr 1990 wurden vom IfS 264 Menschen mit Behinderungen an<br />
geschützten Arbeitsplätzen in 172 Vorarlberger Unternehmen betreut. Die<br />
Erfahrungen waren durchwegs positiv: Bei den Menschen mit geistigen<br />
Behinderungen zeigten sich Verbesserungen der körperlichen und sozialen<br />
Gesundheit, die Akzeptanzprobleme durch die übrigen MitarbeiterInnen der<br />
Belegschaften waren gering. Auch waren die meisten Unternehmer bereit,<br />
bei Vakanz einer solchen Stelle wiederum Menschen mit Behinderungen<br />
aufzunehmen.<br />
Die geschützten Arbeitsplätze brachten bedeutende finanzielle Vorteile<br />
mit sich: Einmal erhielten die Menschen mit Behinderungen einen Lohn<br />
und schufen sich damit sowohl eine Grundlage für ein selbstständiges Leben<br />
· 102 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
als auch eine Vorsorge für das Pensionsalter. Außerdem konnte festgestellt<br />
werden, dass diese Form der Arbeitstätigkeit im Vergleich mit den beschützenden<br />
Werkstätten bzw. geschützten Werkstätten wesentlich kostengünstiger<br />
war, selbst wenn man die Lohnkostenzuschüsse der Landesregierung<br />
und des Bundessozialamtes – 1989 in der Höhe von 1,85 Millionen Schilling<br />
(135 000 Euro) – dazurechnete.<br />
Zu einem Spezialfall entwickelte sich das im Jahr 1989 gestartete Projekt<br />
„Anlehre“ bei der Firma Zumtobel Lighting GmbH: Initiiert vom IfS,<br />
unterstützt vom Land Vorarlberg,<br />
der Arbeitsmarktverwaltung<br />
und vom damaligen<br />
Landes-Invalidenamt stellte<br />
das Unternehmen nicht nur<br />
Arbeitsplätze für Menschen<br />
mit Behinderungen zur Verfügung,<br />
sondern es setzte sich<br />
zum Ziel, ein spezielles Ausbildungsprogramm<br />
zu entwickeln:<br />
Zu diesem Zweck<br />
wurden eine eigene Abtei-<br />
1993: Geschützter Arbeitsplatz bei der Fa. Zumtobel<br />
lung gegründet und spezieller<br />
Unterricht in der Firma angeboten, der auch lebenspraktisches Wissen<br />
beinhaltete. Das zweijährige Programm verlief erfolgreich, da fast sämtliche<br />
der 18 betreuten Burschen und Mädchen mit Behinderungen in den Betrieb<br />
integriert wurden oder einen<br />
anderen Arbeitsplatz fanden.<br />
Ende des Jahres 1997<br />
begleitete die Fachgruppe<br />
„berufl iche und soziale<br />
Rehabilitation“ des IfS 414<br />
geschützte Arbeitsplätze in<br />
Vorarlberg, davon ein Drittel<br />
in der Industrie. Es stellte sich<br />
heraus, dass für den Erfolg am<br />
Arbeitsplatz nicht nur der Arbeitgeber, sondern vor allem die Mitarbeiter-<br />
Innen am Arbeitsplatz ausschlaggebend waren: „Sie sind unsere wichtigsten<br />
PartnerInnen bei der erfolgreichen Integration.“<br />
Die Fachgruppe wurde 1998 in „IfS-Reha“ umbenannt. In diesem Jahr<br />
wurde auch im Rahmen eines EU-Projektes das IfS-Reha-Service-Center<br />
· 103 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
(RSC) in der Bregenzer Rheinstraße installiert. Dieses Projekt widmete sich<br />
primär der Aus- und Weiterbildung von Menschen mit Behinderungen und<br />
Landzeitarbeitslosen.<br />
1998 bestätigte eine neuerliche wissenschaftliche Evaluation des IfS-<br />
Modells des „geschützten Arbeitsplatzes“ durch Prof. Dr. Badelt der<br />
Wirtschaftsuniversität Wien, dass die Eingliederung von Menschen mit<br />
Behinderungen trotz teilweiser großer Leistungsminderung erfolgreich war.<br />
Es ergab sich ferner eine hohe Zufriedenheit der Menschen mit Behinderungen<br />
mit der Arbeitsplatzsituation und den involvierten Unternehmen.<br />
Dadurch gestärkt stellten das Land Vorarlberg und das IfS gemeinsam mit<br />
den Sozialeinrichtungen Caritas und Lebenshilfe das Sozialmodell Vorarlberg<br />
während der „EU-Beschäftigungswoche“ in Brüssel vor. Selbstbewusst<br />
erklärten die InitiatorInnen: „... das erfolgreiche Modell des geschützten<br />
Arbeitsplatzes ist maßgeschneidert für die Bestrebungen der EU und stellt<br />
nach wie vor eine Erfolg versprechende, zukunftsorientierte Möglichkeit dar,<br />
benachteiligte Menschen an Arbeitsplätzen der Wirtschaft zu integrieren<br />
und die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.“<br />
1998 besaßen über tausend Menschen mit Behinderungen in Vorarlberg<br />
einen geschützten Arbeitsplatz, 30% in der Industrie, 18% in Gewerbe und<br />
Handel sowie in Non-Profit-Unternehmen. Diese Zahlen wurden als absolute<br />
europäische Spitze betrachtet.<br />
Im Jahr 1997 startete das IfS das österreichweit einzigartige Projekt<br />
„Spagat“ mit dem Ziel der beruflichen Integration von Jugendlichen mit<br />
erheblichen körperlichen und/oder geistigen Behinderungen, die auf den<br />
ersten Blick keinerlei Chancen auf einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft<br />
hatten, denn Arbeiten mit allen Rechten und Pflichten und die Teilhabe am<br />
„normalen“ Leben verbunden mit einem Gehalt sind für Menschen mit<br />
Behinderungen genauso wichtig wie für jeden anderen auch. Bei der Suche<br />
nach einem passenden Arbeitsplatz steht die individuelle Zukunftsplanung<br />
im Mittelpunkt, wobei das Umfeld des Jugendlichen – Eltern, Familie, Lehrer<br />
und Freunde – im so genannten Unterstützungskreis miteinbezogen wird.<br />
Der Unterstützungskreis ist ein aktives Netzwerk um den/die Jugendliche<br />
herum, der ihn/sie im Prozess der Suche nach einem Arbeitsplatz und auch<br />
darüber hinaus begleitet.<br />
Die wichtigsten Ansprechpartner bei der Suche nach dem optimalen<br />
Arbeitsplatz sind Betriebe, ArbeitgeberInnen und MitarbeiterInnen. Bei<br />
der Einrichtung eines Arbeitsplatzes für einen Menschen mit Behinderung<br />
geht es nicht nur um die geeigneten Rahmenbedingungen, sondern es sind<br />
· 104 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
vor allem die Bereitschaft der zukünftigen MitarbeiterInnen und die persönlichen<br />
Beziehungen, die das Fundament für eine berufliche Integration<br />
schaffen. Die Arbeitsplätze der Jugendlichen sind vielfältig in ihren Anforderungen<br />
und Branchen, denn den typischen Arbeitsplatz für Jungendliche<br />
mit schwerer Behinderung gibt es nicht.<br />
Während der Schnupperzeit wird der/die Jugendliche von einem/einer<br />
IntergrationsberaterIn begleitet. Diese Zeit wird genutzt, um mit den MitarbeiterInnen<br />
im Betrieb ins Gespräch zu kommen, die Arbeitsweise zu erklären<br />
und die Scheu vor dem/der neuen MitarbeiterIn zu nehmen. So können<br />
viele Fragen und Themen bereits im Vorfeld angesprochen werden. Wichtig<br />
für die berufliche Eingliederung ist zudem das Mentorenprinzip: Für den/die<br />
Jugendliche/n wird ein innerbetrieblicher Mentor gesucht, der im Betrieb<br />
Ansprechpartner für den/die Jugendliche/n ist. Wichtige Aufgaben sind z.B.<br />
das Erklären von Dienstplänen, Pausenordnung, Einhaltung der Vereinbarungen,<br />
Kontakt zum Integrationsberater etc.<br />
Das Konzept und die Methoden von IfS-Spagat fanden von Beginn an<br />
europaweit große Beachtung und Interesse. Mit großem Erfolg konnten<br />
zahlreiche Jugendliche mit erheblichen Behinderungen in die Arbeitswelt<br />
integriert werden.<br />
Zudem wurde für Jugendliche mit körperlicher, geistiger oder Lernbehinderung<br />
sowie für sozial und emotional gehandicapte Jugendliche die<br />
Jugendarbeitsassistenz eingerichtet. Die Finanzierung übernahm das Bundessozialamt.<br />
Dabei wurde das Ziel verfolgt, einen für den/die Jugendliche/n<br />
entsprechenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden und somit eine<br />
dauerhafte Integration ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Jugendlichen<br />
werden ebenso wie die Betriebe für eine bestimmte Zeit unterstützt und<br />
begleitet – schließlich soll der erste Arbeitsplatz keine kurzfristige Hilfe,<br />
sondern das optimale Sprungbrett in die dauerhafte Integration in die<br />
Arbeitswelt sein.<br />
Wohnen und Leben<br />
Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass der erste Schritt der Integration von<br />
Menschen mit Behinderungen – die Ermöglichung einer selbständigen<br />
Erwerbstätigkeit – zu dem Wunsch führte, auch selbständig zu wohnen.<br />
So gelangten die MitarbeiterInnen des IfS Mitte der 1980er Jahre zu der<br />
Erkenntnis, dass bei Menschen mit Behinderungen der Bedarf an speziellen<br />
· 105 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Wohngemeinschaften außerhalb der Familie stieg. Diese sollten eine Alternative<br />
zur bisherigen Unterbringung in Heimen bzw. Altersheimen sein. Im<br />
März 1986 wurde in Feldkirch die erste Wohnung Vorarlbergs für Menschen<br />
mit Behinderungen eröffnet, die gemeinsam mit den zukünftigen Bewohnern<br />
konzipiert wurde und ein Wohnen ganz unabhängig von Institutionen<br />
ermöglichte. Das Besondere an dieser Wohnform war die große Autonomie<br />
der Bewohner, die Lage in der Innenstadt und die dadurch vorhandene Möglichkeit<br />
sozialer Kontakte. Die Begleitung und Unterstützung erfolgte durch<br />
das IfS.<br />
Bis zur Realisierung dieser ersten Wohngemeinschaft waren drei Jahre<br />
intensiver Arbeit und Planung vergangen, welche in der Fachschriftenreihe<br />
des IfS unter dem Titel „Prinzip Integration. Wohngemeinschaft für körperbehinderte<br />
und nicht behinderte Menschen“ dokumentiert wurden. Die<br />
ersten Initiativen erfolgten von privater Seite nach Vorbildern des „Mobilen<br />
Hilfsdienstes“ in München. Von Anfang an wurde das Projekt vom IfS<br />
unterstützt. Bei den Entscheidungen über die Form des Wohnens wurde den<br />
Rollstuhlfahrern ein möglichst breiter Spielraum gewährt. Die anfallenden<br />
Investitionskosten konnten zum größten Teil mit privaten Geldern bestritten<br />
werden, während die öffentliche Hand die Betriebskosten übernahm.<br />
Das Projekt war der erste Pilotversuch dieser Art in Vorarlberg und führte<br />
zu wesentlichen Erkenntnissen für die MitarbeiterInnen des IfS, welche die<br />
Wohngemeinschaft unterstützten, mitgestalteten und organisatorisch wie<br />
auch fachlich begleiteten. Der Aufbau der Wohngemeinschaft war für alle<br />
Beteiligten ein neues Erlebnis, ein Abenteuer. Auf diesem Gebiet waren alle<br />
Laien – deshalb musste alles besprochen werden, jeder war beteiligt und<br />
konnte sich einbringen.<br />
Nach den teils schmerzhaften und schwierigen Feldkircher Erfahrungen<br />
ging die Gründung einer zweiten Wohngemeinschaft in Bludenz,<br />
„F8“ genannt, wesentlich leichter vor sich. In Bludenz wurde erstmals eine<br />
bewusste Trennung von Arbeit und Wohnen vorgenommen. Die fachliche<br />
Begleitung war darauf ausgerichtet, Menschen mit Behinderungen zu zeigen,<br />
wie ein eigenständiges Leben gestaltet werden konnte. Es ging somit<br />
letztlich darum, die Menschen mit Behinderungen auf eine selbständigere<br />
Form des Lebens vorzubereiten, was in den meisten Fällen erfolgreich<br />
glückte.<br />
Inspiriert von holländischen Beispielen des „individuellen Wohnens“<br />
entwickelten MitarbeiterInnen der IfS-Fachgruppe „Reha“ das Konzept<br />
einer „ambulant betreuten Wohnform“, die 1993 in Bludenz für Menschen<br />
mit geistiger Behinderung eröffnet wurde. Die drei Männer, die dort wohn-<br />
· 106 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
ten, zeitweilig betreut von nebenamtlichen Mitarbeitern des IfS, bewältigten<br />
ihren Lebensalltag größtenteils selbst und arbeiteten tagsüber an einem<br />
g eschützten Arbeitsplatz. Durch ihren Gehalt fi nanzierten sie einen Teil<br />
i hres Lebensunterhaltes. Die Erfahrungen mit dieser ambulanten Wohnform<br />
waren sehr erfreulich: „Die Bewohner haben ein großes Verantwortungsgefühl<br />
für sich und ihre Wohnung entwickelt.“<br />
Seit 1991 betätigte sich das IfS-Fundament – Wohnen für Menschen mit<br />
Behinderung – im Bereich der Beratung und Begleitung von erwachsenen<br />
Menschen mit Behinderung<br />
oder Minderbegabung, wobei<br />
das IfS-Fundament heute eine<br />
Weiterentwicklung der damaligen<br />
IfS-Wohngemeinschaften<br />
„F8“ (Bludenz) und „Rheinstraße“<br />
(Bregenz) darstellte.<br />
Die Klientel war aufgrund der<br />
vermehrten Integration in den<br />
vergangenen Jahren schon<br />
von Kindesalter an vielfach „WG für Menschen mit Behinderungen in Bludenz“<br />
selbstbewusster und selbständiger<br />
geworden. Die Bedürfnisse und Ansprüche der Betroffenen hatten sich<br />
geändert, worauf mit der Installierung des Angebots IfS-Fundament reagiert<br />
worden war. Dieses galt als Anlaufstelle für Menschen mit einer geistigen<br />
Behinderung und bot Hilfe im Wohnbereich. Von Beginn an orientierte man<br />
sich an den Bedürfnissen der KlientInnen und unterstützte diese dabei, ihr<br />
Leben nach individuellen Bedürfnissen inmitten der Gesellschaft zu gestalten<br />
und eine für sie passende Wohnform zu fi nden.<br />
1995 mieteten die ersten vier Bewohner der „Rheinstraße“ – allen<br />
G efahren und Risiken zum Trotz – ihre eigene Wohnung. Heute unterstützt<br />
das Fundament mit ambulanter Begleitung rund 100 erwachsene Menschen<br />
mit einer Behinderung oder Minderbegabung dabei, weitestgehend selbstständig<br />
in einer eigenen Wohnung leben zu können. Neben der ambulanten<br />
Begleitung wurde zudem ein Angebot entwickelt, das Menschen darin<br />
u nterstützt, sich gut vorbereitet auf den Weg in die Selbständigkeit zu<br />
machen. Hierfür gibt es mehrere über das ganze Land verteilte, kleine Wohnungen,<br />
in denen Menschen mit Behinderung in einem noch geschützteren<br />
Rahmen lernen können, Fähigkeiten für ein Leben in Eigenständigkeit zu<br />
erlernen und zu entwickeln.<br />
· 107 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Das IfS-Fundament verfolgte von Anfang an bestimmte Grundsätze: Für<br />
jede/n KlientIn werden individuelle Lösungen gesucht, der Schwerpunkt<br />
wird auf die Selbstbestimmung der KlientInnen gelegt. Die Menschen mit<br />
Behinderungen werden als AuftraggeberInnen verstanden, sie haben nicht<br />
„normaler“ zu sein als andere und sollen ausprobieren dürfen. Krisen im<br />
Leben eines Menschen werden als Lernfeld und Möglichkeit gesehen, sich<br />
eigenständiges Leben anzueignen.<br />
Bauen und Wohnen<br />
Die Erfahrungen, die im Rahmen der Organisation des selbständigen Wohnens<br />
für Menschen mit Behinderungen gesammelt wurden, machten deutlich,<br />
dass unter anderem auch architektonische Barrieren zu überwinden<br />
waren. Es zeigte sich, dass es einer barrierefreien Planung und Umsetzung<br />
bedurfte. Zudem machten die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenhang<br />
mit den bereits beschriebenen Wohnformen ergeben hatten, und die relativ<br />
kleine Anzahl von Menschen mit Behinderungen, die man hier betreute,<br />
deutlich, dass es sich bei diesen Modellen nur um Ausnahmen handeln<br />
konnte. Für eine befriedigende Lösung musste ein anderer Ansatz gefunden<br />
werden. Dieser ging davon aus, Menschen mit Behinderungen nach Möglichkeit<br />
in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen bzw. ihnen aus dieser<br />
heraus den Kontakt zur sozialen Umwelt zu ermöglichen. Dies verhinderten<br />
IfS-Ausstellung in Brüssel<br />
· 108 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
„Menschengerechtes Bauen“: Preisträger, Jury und Festredner am Tag der Auszeichnung<br />
jedoch des Öfteren architektonische<br />
Barrieren, mit ein<br />
Grund für die gesellschaftliche<br />
Ausgrenzung von Menschen<br />
mit Behinderungen. Vor diesem<br />
Hintergrund entwickelte<br />
das IfS im Jahr 1990 unter der<br />
Leitung von BM Ing. Hermann<br />
M ayer ein Sonderprojekt, das<br />
sich mit dem Themenbereich<br />
des barrierefreien Planens und<br />
Bauens befasste.<br />
Die Idee des IfS stieß auf<br />
Zustimmung der Landesregierung,<br />
die mit ihrer fi nanziellen<br />
Unterstützung die<br />
notwendige Basis für eine<br />
kontinuierliche Arbeit schuf:<br />
In Dornbirn wurde 1990 eine<br />
„Beratungsstelle für behindertengerechtes<br />
Bauen und<br />
Wohnen“ eröffnet. Diese Wettbewerb „Menschengerechtes Bauen“<br />
richtete sich an Bauherren,<br />
Bauträger, Siedlungsgenossenschaften, Planer, aber auch an Bauabteilungen<br />
öffentlicher Einrichtungen. Es zeigte sich sehr rasch, dass der anfängliche<br />
· 109 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Projektansatz zu eng gefasst war und dass die Maßnahmen auch ältere Menschen,<br />
schwangere Frauen, Mütter, Kinder und Menschen mit zeitweiliger<br />
Behinderung zu berücksichtigen hatten. Die in Österreich vorerst einmalige<br />
Einrichtung des IfS wurde daher 1991 entsprechend in „IfS-Beratungsstelle<br />
für menschengerechtes Bauen“ umbenannt.<br />
Die Beratungsstelle stieß auf großes privates wie öffentliches Interesse<br />
und wurde entsprechend frequentiert. Dadurch ermuntert ging das IfS 1992<br />
in die „Offensive“: Gemeinsam mit den „Vorarlberger Nachrichten“ schrieb<br />
das IfS erstmals in Österreich einen Wettbewerb zum Thema „Menschengerechtes<br />
Bauen“ aus, der in den folgenden Jahren wiederholt wurde. Die<br />
Initiatoren verfolgten dabei folgende Ziele: Es ging vor allem um eine prophylaktische<br />
Aufarbeitung der Problematik, um eine Bewusstseinsänderung<br />
bei den Verantwortlichen, aber auch bei der Gesamtbevölkerung und um<br />
ein möglichst lückenloses Netz von behindertenfreundlichen Gebäuden und<br />
Anlagen.<br />
Meinungsbildung auf breiter Ebene wurde betrieben, wozu auch die<br />
Herausgabe einer Planungsmappe für „Menschengerechtes Bauen“ z ählte.<br />
Diese befasste sich vorrangig mit dem Thema „Fehler im Hinblick auf<br />
Krankheit und Alter vermeiden“.<br />
Ein neuer inhaltlicher<br />
Schwerpunkt war seit 1998<br />
„Wohnen im Alter“, der in der<br />
Stadt Feldkirch mit der Aktion<br />
„Sichere Gemeinde“ als Pilotprojekt<br />
gestartet wurde.<br />
Mit den Jahren stieg<br />
– gefördert durch intensive<br />
Öffentlichkeitsarbeit in Seni-<br />
1996: Mappe „Menschengerechtes Bauen“ orenrunden, Schulen und<br />
Ausbildungsstätten – das<br />
B ewusstsein für die Nützlichkeit und auch Notwendigkeit des intelligenten<br />
Bauens ohne Barrieren. Dementsprechend stieg die Anzahl an Beratungen<br />
kontinuierlich an.<br />
Das Angebot der IfS-Beratungsstelle „Menschengerechtes Bauen“ soll weiter<br />
entwickelt und um das Beratungsangebot „Familiengerechte Lebensräume“<br />
erweitert werden.<br />
· 110 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Sachwalterschaft<br />
Im Jahr 1984 wurde in Österreich die Entmündigungsordnung aus dem<br />
Jahr 1916 durch das zeitgemäße „Sachwalterrecht“ abgelöst. Damit wurden<br />
psychisch kranke Menschen, die rechtlich auf den Status eines Kindes<br />
zurückgestuft, oft in Anstalten abgeschoben, ein Leben lang „verwahrt“ und<br />
kaum gefördert worden waren, nicht mehr entmündigt. In Zukunft konnten<br />
Sachwalter als gesetzliche Vertreter für erwachsene Menschen mit geistiger<br />
Behinderung oder psychischer<br />
Krankheit eingesetzt werden.<br />
Für Österreich waren Vereine<br />
vorgesehen, die für die<br />
jeweiligen Bundesländer die<br />
Trägerschaft übernehmen sollten.<br />
Daraufhin bemühte sich<br />
das IfS um die Trägerschaft<br />
in Vorarlberg, um angepasste<br />
Angebotsstrukturen anbieten<br />
zu können. Im Februar 1985<br />
nahm die IfS-Sachwalterschaft<br />
dann ihre Tätigkeit auf.<br />
Noch im selben Jahr wurden<br />
die „Fachkommission für Vereinssachwalterschaft“<br />
und das<br />
erste Vorarlberger ehrenamtliche<br />
Sachwalterteam in Bludenz<br />
gebildet.<br />
Der „Verein für Sachwalterschaft“<br />
wurde aktiv, wenn<br />
kein Verwandter in der Lage 2006: 20 Jahre IfS-Sachwalterschaft<br />
oder willens war, diese Aufgabe<br />
zu übernehmen. Der Sachwalter nahm dem Betroffenen nicht, wie<br />
einst der Kurator, sämtliche Entscheidungen ab, sondern bemühte sich um<br />
die Erhaltung größtmöglicher Selbständigkeit des Menschen mit geistiger<br />
B ehinderung oder psychischer Beeinträchtigung.<br />
Die Anfragen für eine Sachwalterschaft erfolgen über ein Gericht. Fachleute<br />
des IfS regeln sodann die notwendigsten und in der Regel arbeitsintensiven<br />
Angelegenheiten. Erst hernach werden die ehrenamtlichen Sachwalter<br />
mobilisiert.<br />
· 111 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
Schon nach einigen Jahren<br />
zeigten sich die positiven<br />
Auswirkungen der Tätigkeit<br />
der Sachwalter. Viele bereits<br />
Jahrzehnte alte ehemalige<br />
Entmündigungen konnten<br />
aufgehoben werden. Weiter<br />
gelang es in vermehrtem<br />
Maße, Sachwalter aus dem<br />
familiären Umfeld der Betrof-<br />
2007: Sommerfest der IfS-Sachwalterschaft<br />
fenen zu fi nden.<br />
In den Folgejahren stieg der<br />
Bedarf an Sachwaltern stärker als prognostiziert. Der dadurch notwendige<br />
Ausbau wurde in Vorarlberg durch das Engagement von ehrenamtlichen<br />
MitarbeiterInnen und durch eine österreichweit einmalige Subvention des<br />
Landes bewältigt.<br />
Im Jahr 1995 wurde die bisherige Fachgruppe „Sachwalterschaft“ neben<br />
der IfS-Schuldenberatung und der IfS-Familienarbeit aus dem IfS ausgegliedert<br />
und der Verein „IfS-Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft“<br />
g egründet. Waren es 1985 rund 800 Personen, die einen gesetzlichen Vertreter<br />
benötigten, so stieg deren Anzahl bis zum Jahr 2000 auf etwa zweitausend<br />
Personen an, von denen rund 20% von hauptberufl ichen oder ehrenamtlichen<br />
IfS-SachwalterInnen betreut wurden. Zwischenzeitlich sind über 180<br />
ehrenamtliche SachwalterInnen im Einsatz.<br />
Mit dem im Juli 2007 in Kraft tretenden Sachwalterrechts-Änderungsgesetz<br />
wurde die Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung<br />
oder psychischer Krankheit weiter gestärkt. Diese Stärkung erfolgte<br />
insbesondere durch zwei neue rechtliche Möglichkeiten, die Vertretungsmacht<br />
naher gesetzlicher Angehöriger und eine gesetzlich verankerte Vorsorgevollmacht.<br />
Die gesetzliche Vertretung von Angehörigen trägt dazu<br />
bei, dass im familiären Bereich weniger Sachwalter notwendig werden, da<br />
beispielsweise Kinder deren Eltern bei Demenz vertreten können und kein<br />
Sachwalter bestellt werden muss. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht, dass<br />
angehörige Personen benannt werden, welche die Vollmacht übernehmen,<br />
sobald man selbst nicht mehr geschäftsfähig ist.<br />
· 112 ·
IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />
Patientenanwaltschaft<br />
Im Jahr 1990 verabschiedete<br />
der Nationalrat das so<br />
g enannte Unterbringungsgesetz,<br />
das die bisher geltenden<br />
Vorschriften über die<br />
„zwangsweise Anhaltung“<br />
aus dem Jahr 1916 ersetzte.<br />
Oberstes Ziel der Reform war<br />
die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Menschenwürde psychisch<br />
Kranker in psychiatrischen Krankenhäusern und die Errichtung von „Patientenanwaltschaften“<br />
in allen Bundesländern. Das Justizministerium übertrug<br />
diese Aufgabe für Vorarlberg 1991 dem Institut für Sozialdienste im<br />
Rahmen der Sachwalterschaft. Drei MitarbeiterInnen und Juristen des IfS<br />
führen seither diese Funktion am Landeskrankenhaus Rankweil aus. Der<br />
Patientenanwalt ist durch gesetzlichen Auftrag Vertreter von zwangsweise<br />
untergebrachten PatientInnen und hat in erster Linie den Wünschen der<br />
PatientInnen zu entsprechen. Diese Einrichtung brachte schon bald wesentliche<br />
Verbesserungen für die Betroffenen: Der Aufnahmemodus wurde verschärft,<br />
die gerichtliche Kontrolle der Zulässigkeit von Zwang setzte rasch<br />
ein und die PatientInnen wurden in ihren Informations- und Mitspracherechten<br />
auch ernst genommen.<br />
1993 wurden die psychiatrischen Stationen am LKH Rankweil geöffnet.<br />
Dadurch haben die kurzfristigen Unterbringungen und ambulanten Betreuungsmöglichkeiten<br />
deutlich zugenommen.<br />
Bewohnervertretung<br />
Im Jahr 2004 wurde vom<br />
N ationalrat das Heimaufenthaltsgesetz<br />
erlassen, in dem<br />
ab Juli 2005 die Voraussetzungen<br />
für die Zulässigkeit einer<br />
Beschränkung der persönlichen<br />
Freiheit von Menschen in<br />
A lters- und Pfl egeheimen und<br />
vergleichbaren Einrichtungen<br />
Seit 2005 gibt es die IfS-Bewohnervertretung.<br />
Bernhard K. Fuchs, Brigitte Leitner, Dr. Herbert Spiess<br />
· 113 ·
Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />
geregelt wurden. In der Folge installierte das IfS die „Bewohnervertretung“,<br />
deren Aufgabe es ist, in einem ersten Schritt die einzelnen Einrichtungen<br />
wie Alters- und Pflegeheime, stationäre Behinderteneinrichtungen sowie<br />
Krankenhäuser über die gesetzlichen Regelungen und notwendigen Abläufe<br />
zu informieren. Um dem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, besteht für<br />
diese Einrichtungen seit 2005 eine Meldepflicht bei Freiheitsbe- und -einschränkungen.<br />
Es ging darum, Persönlichkeitsrechte zu stärken, aber auch<br />
die Rechts- und Handlungssicherheit für die Pflegekräfte und das Betreuungspersonal<br />
sicher zu stellen.<br />
· 114 ·
IfS-Geschichte Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen<br />
Gemeinwesenarbeit<br />
für Gemeinden und Regionen<br />
Vorarlberg beschloss im Jänner 1972 als erstes Bundesland ein Sozialhilfegesetz,<br />
wodurch eine Reihe neuer Ideen auf rasche Weise verwirklicht<br />
werden konnte und zahlreiche Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfl ege<br />
materielle Unterstützung erhielten. Im Jahr 1974 starteten der Leiter der<br />
Abteilung Sozialhilfe im Amt<br />
der Vorarlberger Landesregierung,<br />
Mitbegründer und<br />
Vorstandsmitglied des Institut<br />
für Sozialdienste, HR<br />
Dr. Hermann Girardi, und<br />
der G eschäftsführer des IfS,<br />
Manfred Dörler, mit einem<br />
Modell, das unter der Bezeichnung<br />
„Sozialsprengel“ Schule<br />
machte. Der Grundgedanke 2004: Team Gemeinwesenarbeit Feldkirch<br />
war die (über)örtliche Kooperation,<br />
Konzentration und die Zusammenarbeit aller öffentlichen und privaten<br />
Einrichtungen im sozialen Bereich. Die Sprengel befassten sich mit<br />
Altenhilfe, Familienhilfe, Jugendhilfe, Krankenpfl ege usw. Im Sinne einer<br />
neuen Sozialgesinnung war man bestrebt, ein möglichst gutes soziales<br />
Umfeld im Nahraum zu schaffen, die Nachbarschaftshilfe zu aktivieren und<br />
damit auch soziale „Bürgernähe“, personale Eigenverantwortung zu wecken<br />
und zu entwickeln. Aufbauend auf örtlichen Sozialsprengeln auf der untersten<br />
Ebene, agierten im ambulanten Bereich das Institut für Sozialdienste<br />
und der Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin, die Beratung und<br />
Hilfe im gesamten regionalen Bereich des Landes anboten. Die Sozialsprengel<br />
entwickelten sich rasch und 1984 gab es solche bereits im Vorderbregenzerwald,<br />
in Hard, im Vorderland, in Feldkirch und im Walgau.<br />
Das IfS hatte dadurch genügend Erfahrungen gesammelt, wie Sozialarbeit<br />
auf Gemeindeebene organisiert, durchgeführt und betreut werden<br />
konnte. Als erste Kommune nahm die Stadt Feldkirch seit 1980 die ständige<br />
Mithilfe des IfS für ihre Sozialarbeit in Anspruch, indem sie eine Stelle<br />
· 115 ·
Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen IfS-Geschichte<br />
für „Sozial- und Gemeinwesenarbeit“ schuf. Sie initiierte in den folgenden<br />
Jahren eine Reihe von Aktivitäten, wie den Stammtisch für Menschen mit<br />
Behinderungen und Nichtbehinderte, Arbeitslosenaktionen, Obdachlosenbetreuung,<br />
mobile Haushilfe, Ferienspielwochen für Kinder etc. In der Folge<br />
wurde der „Sozialsprengel Hard“ in der Marktgemeinde Hard gegründet.<br />
Diese und andere Erfahrungen im Nahraum einer Gemeinde und die<br />
Nachfrage von Gemeinden, Regionen und vom Land zur Mithilfe bei kommunalen<br />
Projekten gaben im Jahr 1991 den Anstoß zur Gründung eines<br />
IfS-Arbeitsteams für „Nahraum- und Gemeinwesenentwicklung“, das 1992<br />
startete und sich in der Folge als „PRO-Team“ bezeichnete. Die Arbeitsgruppe<br />
setzte sich unter der Federführung von Reinhard Sonderegger zum<br />
Ziel, Hilfe und Beratung anzubieten, wenn es um Analysen, den Aufbau von<br />
Sozialeinrichtungen und um generelle Beratung von Kommunen und Institutionen<br />
ging. Um effektiv arbeiten zu können, griff man auf Fachleute im<br />
IfS zurück und band diese so weit wie möglich mit ein.<br />
Das PRO-Team zeigte sich in den folgenden Jahren sehr aktiv: Es<br />
begleitete das Projekt „Familiengerechte Gemeinde“ mit dem Ziel, in enger<br />
Zusammenarbeit mit den Betroffenen eine höhere Lebensqualität zu schaffen.<br />
Höhere Lebensqualität bedeutete vor allem für berufstätige Frauen eine<br />
gute Betreuung in den Kindergärten, passende Öffnungszeiten dieser Einrichtungen<br />
sowie die Gesundheitsförderung der Kinder. Auch eine spezielle<br />
Jugendarbeit, um Konflikte, Gewalt und dissoziales Verhalten zur Erhöhung<br />
der Lebensqualität abzubauen, zählten dazu. Die Fachkräfte des IfS verfolgten<br />
die Umsetzung dieser Ziele in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen<br />
Schulen und sonderpädagogischen Zentren. Man sah sich als „begleitende<br />
BrückenbauerInnen“. Dazu ein Beispiel aus dem Jahr 2002: Das „PRO-Team“<br />
begleitete Planungsprozesse für Sozialzentren in Götzis und Rankweil, für<br />
Tagesbetreuung oder betreutes Wohnen in der Region Vorderland und für<br />
das Sozialkonzept der Gemeinde Koblach. Des Weiteren wurden Konzepte<br />
für die Stadt Dornbirn, um Kindergärten zukünftig als Familientreffpunkte<br />
zu erleben, sowie für die Gemeinde Wolfurt bezüglich eines Zentrums für<br />
Kinderbetreuung erarbeitet.<br />
Seit 1995 ist PRO mit Pro Senectute Rheintal (Schweiz) und der Stiftung<br />
Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe (LAK) Kooperationspartner zu<br />
Fragen der Rheintaler Alterstagung, die sich mit der Betreuung und Pflege<br />
von alten Menschen beschäftigt. Auch arbeitete PRO Kriterien für Möglichkeiten<br />
eines Seniorenengagements aus, welche im Projekt „NAUBE – Neues<br />
Alter und bürgerschaftliches Engagement“ umgesetzt wurden.<br />
· 116 ·
IfS-Geschichte Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen<br />
1996: Gemeinwesenarbeit Klostertal<br />
Zudem beteiligte sich das PRO-Team an dem im Jahr 2005 vom Land Vorarlberg<br />
gestarteten Schwerpunktprogramm „Kinder in die Mitte“. In diesem<br />
Zusammenhang begleitete PRO ein Beteiligungsverfahren, das sich „Bürgergutachten“<br />
nennt, und beteiligte sich unter anderem an der Konzeption<br />
von „Elternbildung neu“. Im Rahmen von „Kinder in die Mitte“ wie auch<br />
im Rahmen des Projektes „Familiengerechte Gemeinde“ wurde der Erfahrungsaustausch<br />
zwischen den Gemeinden, beispielsweise zu erfolgreicher<br />
Integrationspolitik, moderiert.<br />
Im Jahr 2006 wurde die neue IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ installiert,<br />
die die Gemeinwesenstellen in Feldkirch, Rankweil und dem Kleinwalsertal,<br />
das PRO-Team und die Siedlungsarbeit umfasst.<br />
· 117 ·
Öffentlichkeitsarbeit IfS-Geschichte<br />
Öffentlichkeitsarbeit<br />
Der Vereinsführung und den MitarbeiterInnen des IfS war es von Anfang<br />
an klar, dass der Erfolg ihrer Arbeit sehr wesentlich vom öffentlichen<br />
Bewusstsein der Vorarlberger Bevölkerung über die Notwendigkeit sozialer<br />
Aktivitäten abhängig war. Neben der Präsenz in der Tagespresse und im<br />
Rundfunk erschien seit 1976 gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge-<br />
und Sozialmedizin ein „Informations-Blatt“. 1980 wurde dieses in „Soziale<br />
Rundschau“, 1982 in „soziales forum“ umbenannt. In Zukunft sollte mehr<br />
Raum für fachliche Auseinandersetzungen und Informationen geboten werden<br />
und jede der Ausgaben wurde unter ein bestimmtes Thema gestellt.<br />
Ende der 1970er Jahre war die Vereinstätigkeit des IfS derart angewachsen,<br />
dass die gemeinsame Publikation mit dem aks nicht mehr ausreichte,<br />
um die vielseitigen Aktivitäten zu dokumentieren und damit auch gegenüber<br />
den Geldgebern eine Legitimationsbasis zu schaffen. So erschien 1978<br />
erstmals ein gedruckter Tätigkeitsbericht, seit 1985 unter der Bezeichnung<br />
„IfS-Jahresbericht“. Die Berichte dienten in der Folge nicht nur als Rechenschaftsberichte,<br />
sondern enthielten meist umfassende Schwerpunktthemen,<br />
so etwa 1982 über die „Offenen Wohnungen“ oder 1984 über umstrittene<br />
und viel diskutierte Themen wie Schwangerschaft, Sterilisation, Abtreibung<br />
und andere Konflikte. Als mit Jahresende 1991 erstmals die „IfS-Informationen<br />
– Aktuelle Berichte für MitarbeiterInnen und Freunde“ erschien, wurde<br />
es bei der Erstellung der Jahresberichte möglich, die Berichte zu straffen und<br />
auf einen Tätigkeitsnachweis in Form von statistischen Daten, Auskünften<br />
über die Zahl der KlientInnen der einzelnen Fachgruppen sowie über einzelne<br />
Probleme zu beschränken.<br />
1986 gab sich das IfS auch ein neues äußeres, individuelles Erscheinungsbild<br />
(CD), das ganz gezielt Auskunft über die Philosophie des Vereins geben<br />
sollte: „Als Symbol für Hilfe und Unterstützung wurde die Hand gewählt<br />
- nicht die warnend emporgehobene, sondern die freundschaftlich entgegengestreckte.<br />
In der piktogrammgrafischen Auflösung verbindet sie sich<br />
mit dem D, in der eigenwilligen, prägnanten Schriftmarke wird dadurch der<br />
Aspekt Dienste bewusst betont.“<br />
Mit dem neuen Logo verbanden sich 1986 neue und zukunftsweisende<br />
inhaltliche Werbestrategien: Man wollte die Tätigkeiten des IfS einem größeren<br />
Umfeld bekannt machen und als Möglichkeit der Problemlösung<br />
· 118 ·
IfS-Geschichte Öffentlichkeitsarbeit<br />
anbieten. Zudem versuchte<br />
man, Menschen<br />
zu fi nanzieller Mithilfe<br />
anzuregen und auch<br />
Meinungsbildung zu<br />
betreiben: „Sich selber<br />
und anderen soziale Probleme<br />
zuzugestehen sowie<br />
menschliche Schwächen<br />
und Behinderungen als<br />
Teil von uns und dieser Gesellschaft anzunehmen.“<br />
Ein Jahr zuvor war die Idee für eine „Fachschriftenreihe“ entstanden,<br />
in welcher aktuelle Themen der Sozialarbeit angesprochen und diskutiert<br />
und auch Lösungsvorschläge angeboten werden sollten. Die folgenden<br />
P ublikationen enthielten häufi g Resultate von wichtigen Tagungen und<br />
Symposien, die vom IfS organisiert worden waren. Die Reihe begann mit<br />
einem Tagungsbericht über „Sozialarbeit & Psychoanalyse. Chancen und<br />
Probleme in der praktischen Arbeit“. Die Schriftenreihe dokumentierte<br />
nicht nur fachlich-theoretische Überlegungen, sondern stellte auch praktische<br />
Hilfen für die Sozialarbeit dar, so das 1989 erschienene „Handbuch für<br />
eine qualitative Spielplatz-Kultur“.<br />
1991 wurde vom Vorstand erstmals eine Person, Franz Abbrederis, eingestellt,<br />
die sich hauptberufl ich der externen und internen Kommunikation<br />
widmete. Im selben Jahr wurde das gesamte Erscheinungsbild überarbeitet<br />
und für alle Bereiche als verbindlich erklärt.<br />
Von 1984 bis 1990 bot die „Dornbirner Messe“ eine große Chance<br />
und vielseitige Möglichkeiten, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.<br />
G emeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin entwickelte<br />
man das Modell „Dorfplatz“. Hier warben die beiden Sozialeinrichtungen<br />
mit Vorträgen, Theater, Dias und Diskussionen für ihre Anliegen<br />
und machten vor allem auf gesundheitliche und soziale Probleme aufmerksam.<br />
Nicht zuletzt sollten die vielseitigen Informationen auch Starthilfen<br />
für regionale Selbsthilfegruppen anbieten.<br />
Der Öffentlichkeitsarbeit dienten auch verschiedene Ausstellungen, sei<br />
es von „Betroffenen“ selbst oder über diese: Als Beispiel zu nennen ist eine<br />
Malaktion von Mädchen, die 1988 von der Jugendberatungsstelle Mühletor<br />
initiiert worden war. Aus Anlass des 20jährigen Jubiläums der sozialpädagogischen<br />
Wohngemeinschaften schuf der Fotograf Nikolaus Walter 1992<br />
eine viel beachtete Ausstellung über die Lebens- und Alltagswelt der Wohn-<br />
· 119 ·
Öffentlichkeitsarbeit IfS-Geschichte<br />
1993: 10 Jahre „Fragen unseres Daseins“ im ORF<br />
gemeinschaft Ludesch. Der<br />
Öffentlichkeitsarbeit dienten<br />
schließlich eine Reihe von<br />
Fachtagungen und Symposien<br />
als Großveranstaltungen. Ein<br />
Höhepunkt war sicherlich der<br />
Helios II-Kongress der Europäischen<br />
Union über Fragen<br />
der Arbeit mit Menschen mit<br />
Behinderungen im März 1996<br />
im Montforthaus in Feldkirch<br />
mit TeilnehmerInnen aus ganz<br />
Europa.<br />
Um die breite Öffentlichkeit<br />
auf soziale Themen aufmerksam<br />
zu machen, ging das<br />
IfS immer wieder Kooperationen<br />
mit Vorarlberger Medien<br />
ein. Hervorzuheben sind folgende<br />
Aktionen: Seit 1983<br />
wurde gemeinsam mit dem<br />
ORF Dornbirn (primär mit<br />
Dr. Franz Josef Köb) die Vortragsreihe<br />
„Fragen unseres Daseins“ gestaltet. Seit 1992 veranstaltete man<br />
mit den „Vorarlberger Nachrichten“ den Landeswettbewerb „Menschengerechtes<br />
Bauen“ und von 1995 bis 1999 erschienen in der jeweiligen Sonntagsausgabe<br />
der „Neuen Vorarlberger Tageszeitung“ die Artikelserie „Von<br />
Mensch zu Mensch“.<br />
Um die Dienste und<br />
Leistungen des IfS einem<br />
noch größeren Publikum<br />
zugänglich zu m achen und<br />
den innovativen Möglichkeiten<br />
nachzukommen,<br />
präsentierte sich das Institut<br />
für Sozialdienste<br />
seit 1996 u nter www.ifs.<br />
at auch im Internet. Im<br />
Jahr 2000 ging man noch<br />
· 120 ·
IfS-Geschichte Öffentlichkeitsarbeit<br />
einen Schritt weiter: In Zusammenarbeit<br />
mit der Firma Teleport wurde erstmals in<br />
Österreich eine eigene Internet-Beratung<br />
eingeführt. Qualifi zierte Fachleute des IfS<br />
standen von nun an für sämtliche Anfragen<br />
zur Verfügung und antworteten den Ratsuchenden<br />
innerhalb weniger Stunden. Die<br />
Beratung erfolgt völlig anonym. Als Zielgruppe<br />
von http://beratung.ifs.vol.at erwartete<br />
man sich vor allem „junge moderne und<br />
einsame ältere Menschen“. In der Online-<br />
Beratung wurden von Beginn an die Bereiche<br />
Depressionen, Ausländer, Behinderung,<br />
Erwachsene und Partnerschaft, Erziehung,<br />
Essstörungen, Familie, Finanzen, Gewalt,<br />
Jugend, Missbrauch und Sexualität abgedeckt.<br />
Die meisten Anfragen fi elen in die Seit 1997: „IfS-Informationen“<br />
Bereiche Sozialarbeit und Psychologie.<br />
Dass die IfS-Zeitung „Informationen“, im Jahr 1991 erstmals erschienen,<br />
den richtigen formalen aber auch inhaltlichen Weg eingeschlagen hatte,<br />
bewies 2006 ihre Auszeichnung durch den „FEIEA Grand Prix“ als beste<br />
österreichische Firmenzeitschrift. Ende des Jahres 2006 wurde die IfS-Zeitung<br />
„Informationen“ in „www.ifs.at - Informationen. Aktuelle Berichte.<br />
Soziale Reportagen“ umbenannt und verfügte über eine Aufl age von 8000<br />
Exemplaren. Die Zeitung wird an alle wichtigen Meinungsbildner in Vorarlberg<br />
(BürgermeisterInnen, Obleute der Sozialausschüsse, Landes- und<br />
BundespolitikerInnen in Vorarlberg etc.), an Gemeindeämter und Behörden<br />
(BH etc.), zuständige Ministerien und Beamte, andere Sozialeinrichtungen,<br />
· 121 ·
Öffentlichkeitsarbeit IfS-Geschichte<br />
Ärzte, JournalistInnen, Interessenten im In- und Ausland, die diese Zeitung<br />
bestellt haben, alle unterstützenden IfS-Mitglieder sowie an alle IfS-MitarbeiterInnen<br />
und IfS-Vereinsmitglieder versendet.<br />
Netz für Kinder<br />
Das IfS begann im Jahr 1995<br />
mit den Aufbauarbeiten für<br />
den Förderkreis „Netz für<br />
Kinder“, der sich 1997 als<br />
Verein konstituierte. Die IfS-<br />
Familienarbeit stellte vorerst<br />
ihre Infrastruktur und ihre<br />
Erfahrungen zur Verfügung.<br />
Die Initiatoren des Konzepts,<br />
bestehend aus engagierten<br />
Personen aus verschie densten<br />
Berufssparten, strebten drei<br />
Hauptziele an: Den Aufbau<br />
einer ehrenamtlichen<br />
Kinder- und Jugendhilfe als<br />
E rgänzung zu professionellen<br />
Diensten, die Gruppenarbeit<br />
mit gefährdeten Kindern und<br />
die Errichtung eines Fonds für<br />
Familien und Kinder in besonderen<br />
Notlagen. Als nächster<br />
Schritt wurde die Einrichtung<br />
von „Gastfamilien“ geschaffen,<br />
um gefährdeten Kindern<br />
für eine bestimmte Übergangszeit ein Zuhause zu bieten.<br />
1996: Gründung „Netz für Kinder“<br />
1997: Überreichung „SmileStone“ von DDr. Felix Dünser<br />
(Mitte) und Dr. Hubert Löffl er (rechts) an Dr. Walter Fehle.<br />
· 122 ·
IfS-Geschichte Das IfS und die europäische Union<br />
Das IfS und die europäische Union<br />
Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 zeigte sich das<br />
IfS bestrebt, sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen und internationale<br />
Kontakte zu knüpfen: „Wir sind sehr bemüht, möglichst rasch die<br />
Spielregeln der EU-Refi nanzierung zu erlernen und entsprechende Kontakte<br />
mit anderen Einrichtungen in den übrigen EU-Staaten aufzubauen“, war die<br />
Devise des Jahres 1994. Ein Jahr später beteiligte sich das IfS bereits an einem<br />
der vielen EU-Programme, speziell bei HELIOS II/IV, in dessen Rahmen es<br />
um die Förderung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen<br />
ging. Zwei konkrete Projekte wurden eingereicht und von Brüssel bewilligt.<br />
Es handelte sich dabei um ein Projekt zum Erwerb eines Externisten-Hauptschulabschlusses<br />
sowie um ein Projekt, das die Fachgruppe „Reha“ mit<br />
Partnern aus Frankreich und Portugal startete. In letzterem ging es um die<br />
Überbrückung von Schwierigkeiten,<br />
die sich Menschen mit<br />
Behinderungen beim Eintritt<br />
in die A rbeitswelt stellten. In<br />
Kursen, Weiterbildungsseminaren<br />
und Firmenbesuchen<br />
wurden im Jahr 1997 108<br />
Personen, davon ein Drittel<br />
Menschen mit Behinderun-<br />
gen, in das Projekt miteinbezogen.<br />
Im selben Jahr fand in<br />
Feldkirch die internationale<br />
1996: Vorstellung „Vorarlberger Modell“ in Brüssel<br />
IfS-Tagung „HELIOS II“<br />
statt. IfS-G eschäftsführer, Dr.<br />
Stefan Allgäuer, resümierte<br />
im Rahmen dieser Tagung<br />
seine Vorarlberger Erfahrungen<br />
und entwarf zugleich ein<br />
Zukunftsbild der europäischen<br />
Sozialarbeit: „Es wird<br />
in Zukunft nicht mehr nur<br />
der einzelne Mensch betreut. 1996: EU-Projekt „Helios II“<br />
· 123 ·
Das IfS und die europäische Union IfS-Geschichte<br />
Vielmehr soll das soziale Umfeld in die Betreuung mit einbezogen werden.<br />
Dadurch entstehen Rahmenbedingungen, die dem einzelnen ein größeres<br />
Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortung ermöglichen.“<br />
Der eingeschlagene Weg erwies sich als erfolgreich. Man zeigte sich<br />
in Europa präsent. In diese Richtung wies unter anderem das EU-Projekt<br />
„Labor“ unter der Federführung des IfS. Durch diese Auftragsarbeit der<br />
Europäischen Kommission gelang zum ersten Mal ein Überblick über die<br />
Situation der beruflichen Integration von Menschen mit geistiger Behinderung<br />
in 13 Ländern.<br />
Eine eigene Informationsbörse mit dem Titel „eu.pik“ wurde vom IfS<br />
erfolgreich gestartet. Die eu.pik ist eine Informationsplattform für Entwicklungen,<br />
Programme und Ausschreibungen im Bereich der europäischen<br />
Sozial- und Gesundheitspolitik. Es handelt sich um einen fachlichen Informationsaustausch<br />
unterschiedlicher Ebenen: Sozialeinrichtungen, Behörden<br />
etc.<br />
2005 erhielt das IfS gemeinsam mit 12 Partnern den Auftrag des Bundesministeriums<br />
für Wirtschaft und Arbeit, ein österreichweites EU-Projekt<br />
mit dem Namen „IMPROVE“ durchzuführen. Dabei ging es um die<br />
Verbesserung des Beschaffungssystems von Non-profit-Organisationen in<br />
Österreich und um die Verbesserung bzw. Erhaltung der Qualität im Sozialbereich<br />
und im Bereich des Arbeitsmarktservice. Der Abschluss des Projektes<br />
„IMPROVE“ erfolgte Mitte 2007 mit einer großen Abschlusskonferenz<br />
im Parlament in Wien.<br />
Kooperationen und Grenzüberschreitungen<br />
Im Jahr 1996 beteiligte sich das Institut für Sozialdienste an der Gründung<br />
von EASPD – European Association of service providers for Persons with<br />
Disabilities. Dr. Michael Himmer, IfS-Mitarbeiter, wurde in der Folge zum<br />
ersten Vizepräsidenten ernannt, erster Präsident von EASPD wurde Luk<br />
Zelderloo. Seit der Gründung repräsentiert EASPD über 8000 europäische<br />
Dienstleister im Behindertenbereich. EASPD reagiert auf Entwicklungen<br />
der europäischen Politik, beobachtet und überwacht diese. Es wird versucht,<br />
durch gezielte Forschung und Untersuchungen die Lebensqualität von Menschen<br />
mit Behinderungen zu steigern. Zudem bietet EASPD Informationen<br />
über die EU-Politik und Projektfinanzierung sowie die Möglichkeiten der<br />
Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern. Kerngeschäft ist es, Dienstleis-<br />
· 124 ·
IfS-Geschichte Das IfS und die europäische Union<br />
tern eine Stimme auf europäischer Ebene anzubieten, um die Lebensqualität<br />
von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Als Mittel dazu bedient<br />
sich EASPD an mehreren Lobby-Instrumenten, die die relevanten Entwicklungen<br />
der europäischen Politik verfolgen.<br />
EASPD beteiligte sich seit der Gründung an zahlreichen Forschungsprojekten<br />
und -aktivitäten. Auch das IfS arbeitete in den vergangenen Jahren an<br />
mehreren Projekten mit. Dies sind z. B. „Labor“, und „Tolerance and acceptance“.<br />
Labor beschäftigte sich mit dem Bereich der beruflichen Ausbildung,<br />
Bildung und Beschäftigung.<br />
Spagat Südtirol<br />
Im Jahr 2004 stieß der Non-Profit-Verein Grain-Bruneck aus Südtirol bei<br />
der Internet-Recherche auf das IfS-Projekt „Spagat“. Es wurde als äußerst<br />
innovatives Modell zur Integration von Menschen mit Behinderungen in die<br />
Arbeitswelt wahrgenommen und als nachahmenswert erachtet. So wurde<br />
in der Folge das ESF-Pilotprojekt Spagat Südtirol gestartet, in dessen Rahmen<br />
auf die gemeinsame Entwicklung, Erprobung und Implementierung des<br />
Modells abgezielt wurde. Als Vorbild dient dabei das Vorarlberger Projekt<br />
SPAGAT, das die Beratung, Begleitung und Eingliederung von behinderten<br />
Jugendlichen in die Arbeitswelt umfasst. Im Jahr 2005 konnten sich die<br />
Regierungsmitglieder der italienischen Provinz Südtirol in Vorarlberg vor<br />
Ort von der erfolgreichen Umsetzung des Modells und den langjährigen<br />
Vorarlberger Erfahrungen überzeugen.<br />
Das Institut für Sozialdienste unterstützte Spagat Südtirol bei der<br />
Umsetzung des Konzeptes, bei der Schulung der Fachpersonen und stand<br />
für Fragen, beispielsweise bei Fallbesprechungen, offen. Elisabeth Tschann,<br />
Leiterin von IfS-Spagat, war zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirates,<br />
der die Implementierung des Projektes begleitete.<br />
Gesundheitsförderung im Bodenseeraum –<br />
eine Initiative der IBK<br />
Die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) ist ein Zusammenschluss aller<br />
Regierungen der Länder und Kantone um den Bodensee. Bei der IBK gibt<br />
· 125 ·
Das IfS und die europäische Union IfS-Geschichte<br />
es unter anderem eine spezielle Arbeitsgruppe, die sich mit „Gesundheitsförderung“<br />
auseinandersetzt. Von der Vorarlberger Landesregierung ist IfS-<br />
Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer in diese Kommission berufen worden.<br />
Zudem ist das IfS von Beginn an (2004) durchführende Organisation der<br />
IBK-Tagung zu diesem Thema, die von ca. 300 Personen besucht wird und<br />
alle zwei Jahre stattfi ndet. Bei dieser Tagung wird auch der in allen IBK-Ländern<br />
ausgeschriebene IBK-Preis zur Gesundheitsförderung überreicht.<br />
Bundespräsident Dr. Heinz Fischer war vom IfS-Bereich<br />
„Spagat“ beeindruckt.<br />
· 126 ·<br />
1995: Besuch »Die Furche« Wien<br />
2007: Justizministerin Dr. Maria Berger besucht das IfS. 2007: Arbeiterkammer-Vorstand mit AK-Präsident<br />
Hämmerle im Dialog mit dem IfS-Geschäftsführer.
IfS-Geschichte Drei IfS-Persönlichkeiten<br />
Drei IfS-Persönlichkeiten<br />
Manfred Dörler<br />
Manfred Dörler übernahm die Geschäftsführung des IfS 1977, in einer Zeit,<br />
in der es nach den Pionierjahren notwendig wurde, Organisation und Finanzierung<br />
des IfS auf eine professionelle Basis zu stellen.<br />
Dass Professionalität im fachlichen Bereich und Professionalität in<br />
Organisation und Management keinen Gegensatz darstellen, sondern sich<br />
langfristig gegenseitig bedingen, war eine Grundüberzeugung von Manfred<br />
Dörler – dafür hat er gearbeitet, manchmal auch darum<br />
gekämpft.<br />
Sein Blick war immer – geprägt durch seine Pfadfinder-Erfahrungen<br />
– auf die Menschen gerichtet: „Wenn<br />
man eine Aufgabe erledigen, ein Ziel erreichen oder<br />
etwas weiter bringen will, kommt es darauf an, die richtigen<br />
Menschen zusammen zu bringen.“ Zentral war<br />
für ihn, immer wieder die „richtigen“ Menschen anzusprechen,<br />
diese dann zusammen und in einen gemeinsamen<br />
Prozess zu bringen.<br />
Manfred Dörler hat in seinen 20 Jahren als<br />
Geschäftsführer des Institut für Sozialdienste die Entwicklung<br />
des IfS von der pionierhaften, improvisierten<br />
Sozialinitiative zu einem differenzierten, strukturierten<br />
und komplexen Unternehmen in der Sozialwirtschaft<br />
des Landes Vorarlberg vorangetrieben und verantwortet.<br />
Es war die Zeit des Wachstums und der Differenzierung<br />
von sozialen Dienstleistungen.<br />
So sind fast alle größeren Aufgabengebiete, die das IfS<br />
heute betreibt, in der Zeit von Manfred Dörler entstanden,<br />
gewachsen und haben sich etabliert.<br />
Besonders engagiert hat sich Manfred Dörler für Anliegen<br />
der Integration von Menschen mit Behinderungen<br />
und den Aufbau der „Reha“ im IfS (heute IfS-Assistenz). Historisch waren<br />
die Bemühungen in den Jahren 1984/85, eine landeseigene Struktur für die<br />
· 127 ·
Drei IfS-Persönlichkeiten IfS-Geschichte<br />
Sachwalterschaft zu schaffen – am Beginn<br />
ganz gegen die Vorstellungen der Beamten<br />
in den zuständigen Ministerien.<br />
Wohnen als Grundrecht und Grundbedürfnis<br />
war für ihn immer ein Thema, das er<br />
forcierte. Viele Projekte z. B. jene der Krisenwohnungen,<br />
des Netzwerks „Wohnen“<br />
usw. weisen noch heute seine Handschrift<br />
auf.<br />
Manfred Dörler war aber stets auch ein<br />
politischer Mensch. Er hat verstanden, dass<br />
es neben dem Blick auf den Einzelnen und<br />
die je individuelle Hilfe auch den Blick auf<br />
gesellschaftliche Rahmenbedingungen, welche<br />
in schwierigen Lebenssituationen jeweils<br />
verstärkend oder entlastend wirken können,<br />
braucht. Dies hat ihn auch in die Politik geführt und ihn – auf dem Hintergrund<br />
seiner Erfahrungen in der kommunalen Politik und in der Sozialarbeit<br />
– zu einem profilierten und visionären Sozialpolitiker im Vorarlberger<br />
Landtag gemacht.<br />
Manfred Dörler hat während seiner Tätigkeit als IfS-Geschäftsführer auch<br />
in vielen Aufgaben und Tätigkeitsfeldern mitgearbeitet und mitgewirkt mit<br />
dem Ziel, soziale Strukturen weiter zu entwickeln und solide Angebotsstrukturen<br />
zu etablieren. So ist z. B. die Geschichte der Telefonseelsorge,<br />
der (heutigen) Connexia, des Sozialsprengels Hard, des aha, der ehemaligen<br />
Akademie für Sozialarbeit usw. eng mit dem Namen Manfred Dörler verknüpft.<br />
Auch das macht ein Bild von Manfred Dörler: Nicht das Wachstum des<br />
IfS war ihm das Wichtigste, sondern die sinnvolle und richtige Entwicklung<br />
der sozialen Dienstleistungsangebote.<br />
Lebenslauf von Manfred Dörler<br />
Manfred Dörler wurde am 27. Dezember 1941 in Bregenz geboren. Nach<br />
Abschluss der Handelsakademie in Bregenz arbeitete er von 1959 bis 1977<br />
bei der Maschinenbaufirma Künz in Hard, wo er die Funktion des Prokuristen<br />
innehatte. Mit 1. Jänner 1977 übernahm Dörler bis zu seinem Austritt<br />
im März 1997 für 20 Jahre die Geschäftsführung des Institut für Sozial-<br />
· 128 ·
IfS-Geschichte Drei IfS-Persönlichkeiten<br />
dienste. Seit 1989 gehörte er dem Vorarlberger Landtag an und wurde 1999<br />
zum Landtagspräsidenten gewählt.<br />
Manfred Dörler ist am 15. Juli 2004 verstorben.<br />
Sepp Büsel<br />
Sepp Büsel, ehemals Mitarbeiter in der Vorarlberger Landwirtschaftskammer<br />
und aktiver Pfadfinder, wurde von Dr. Hermann Girardi für die Mitarbeit<br />
im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande<br />
Vorarlberg“, dem Vorläuferverein des Institut für Sozialdienste, motiviert.<br />
Im Jahr 1971 wechselte Sepp Büsel in eine fixe Anstellung beim IfS. Er war<br />
als erster Geschäftsführer der „Mann für alles“ und setzte sich überall dort<br />
ein, wo seine Tatkraft und seine praktischen Fähigkeiten gebraucht wurden.<br />
Seine wichtigsten Funktionen waren die Suche (im ganzen deutschsprachigen<br />
Raum) und Anstellung der ersten hauptberuflichen Mitarbeiter und<br />
Mitarbeiterinnen im IfS, (SozialarbeiterInnen, PsychologInnen) und – oft<br />
an der Überlebensgrenze - deren Finanzierung. Ein wichtiges Anliegen war<br />
ihm auch die Vernetzung des noch „jungen“ IfS mit allen Bereichen des<br />
gesellschaftlichen Lebens in Vorarlberg.<br />
Gemeinsam mit Hermann Girardi war es Sepp Büsel ein Anliegen, das<br />
IfS in langfristige und betriebswirtschaftlich fundierte Hände zu legen. So<br />
war es mit sein entscheidender Verdienst, mit der Einstellung von Manfred<br />
Dörler als seinem Nachfolger die personelle und organisatorische Grundlage<br />
für die Entwicklung und das Wachstum des IfS geschaffen zu haben.<br />
Mit Ende Jänner 1981 trat Sepp Büsel aus dem Dienstverhältnis im IfS<br />
aus in seinen Ruhestand, blieb jedoch bis zu seinem Tod im Jahre 1999 weiterhin<br />
Ehrenmitglied des Vereins „Institut für Sozialdienste“.<br />
Hedwig Gmeiner<br />
Hedwig Gmeiner war eine der ersten Mitarbeiterinnen im Institut für<br />
Sozialdienste. Lange Zeit beeinflusste sie als Leiterin der sozialpädagogischen<br />
Wohngemeinschaften und als Vorstandsmitglied die Tätigkeiten und<br />
die Denk- und Arbeitshaltung des IfS wesentlich.<br />
· 129 ·
Drei IfS-Persönlichkeiten IfS-Geschichte<br />
Als junge Frau hatte Hedwig Gmeiner die<br />
Gemeinschaft der Frohbotinnen von Batschuns<br />
mitgegründet. In der Folge arbeitete sie im Haus<br />
für Österreicherinnen in Hamburg, im Kinder-<br />
Caritashaus im Hackwald bei Ebnit, als Leiterin im<br />
Heim für innerösterreichische Mädchen in Rankweil<br />
und als Leiterin im Haus der Begegnung in<br />
Innsbruck.<br />
Im Jahr 1972 nahm Hedwig Gmeiner ihre<br />
Tätigkeit für das IfS auf und initiierte dort ein<br />
pädagogisches Modell, das bislang in Österreich<br />
einzigartig war: sozialpädagogische Wohngemeinschaften für Mädchen.<br />
Ihre „Offenen Wohnungen“ stellten den Beginn der heutigen Fachgruppe<br />
„Sozialpädagogik“ dar.<br />
Hedwig Gmeiner arbeitete bis 1985 im Vorstand des IfS mit und trug so<br />
wesentlich zum Wachstum und Gelingen der Einrichtung bei. Sie setzte sich<br />
in unterschiedlichsten Bereichen tatkräftig ein, nahm sich der Mädchen im<br />
so genannten „Milieu“ an, schuf Krisenwohnungen in allen vier Bezirksstädten<br />
und war wesentlich an der Gründung der Akademie für Sozialarbeit<br />
in Bregenz beteiligt.<br />
Frau Gmeiner war zeitlebens ein Mensch der Zukunft. Mit ihrem geradezu<br />
sprichwörtlichen Sinn für Menschen in Bedrängnis hat sie Hunderten<br />
Heimat, Geborgenheit, Zuwendung und Begleitung geschenkt. Ihre Pädagogik<br />
hieß Vertrauen, Geduld, Zuversicht, Gernhaben – eine großartige Alternative<br />
zu Ge- und Verboten und Disziplinierung.<br />
Nach ihrer Pensionierung im Jahr 1985 wurde Hedwig Gmeiner als Leiterin<br />
der Gemeinschaft der Frohbotinnen in Batschuns gewählt, ein Amt, das<br />
sie bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1989 ausübte.<br />
· 130 ·
IfS-Geschichte IfS – Studienreisen<br />
IfS – Studienreisen<br />
Das IfS führt seit vielen Jahren sehr erfolgreiche sozialpolitische Studienfahrten<br />
für Kommunal- und LandespolitikerInnen durch. Seit einigen Jahren<br />
werden diese in enger Kooperation mit dem Vorarlberger Gemeindeverband<br />
veranstaltet. Ziel dieser Studienfahrten ist immer der Vergleich mit sozialen<br />
Modellen in anderen Ländern und der Dialog unter den TeilnehmerInnen.<br />
Hier eine Aufgliederung der bisherigen Studienfahrten und derer inhaltlichen<br />
Schwerpunkte:<br />
1989 Dänemark,<br />
Thema: Altenpolitik<br />
1991 Roveretto/Italien<br />
Thema: Altenpolitik<br />
Schwerpunkte: Exkursion zu Altenhilfeeinrichtungen in Rovereto und<br />
Umgebung<br />
1992 Oberkirch/BRD<br />
Thema: Sozialarbeit am Oberrhein<br />
Schwerpunkte: Altenbetreuung – Gemeinwesenarbeit)<br />
1994 Berlin/BRD<br />
Thema: Alten- und Ausländerpolitik<br />
Hauptschwerpunkte: Neuentwicklung im Gesundheits- und Sozialbereich<br />
der Stadt Berlin; Neue Innovative Altenprojekte in den einzelnen Bezirken;<br />
Integration von Ausländern auf kommunaler Ebene.<br />
1995 Turin/Italien<br />
Thema: Jugend- und Streetworkarbeit<br />
Schwerpunkte: Jugendarbeit auf kommunaler Ebene und neue Modelle der<br />
Altenarbeit<br />
1996 Thüringen und Sachsen/BRD<br />
Thema: Privatisierungsbestrebungen im Gesundheits- Alten- und Sozialbereich<br />
· 131 ·
IfS – Studienreisen IfS-Geschichte<br />
1997 Rotterdam/Niederlande<br />
Thema: Arbeitsmarktpolitik und Frauenprojekte<br />
Schwerpunkte: Kommunale Möglichkeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit;<br />
Ambulante Modelle für Altenarbeit<br />
1998 Mainz und Umgebung/BRD<br />
Thema: Kindergerechte Gemeinden<br />
1999 Tessin/Schweiz<br />
Thema: Jugendpolitik in der Gemeinde<br />
Ab 2000 Sozialpolitische Studienreise des Institut für Sozialdienste und des<br />
Vorarlberger Gemeindeverbandes<br />
2000 Dänemark<br />
Thema: Kommunale Seniorenpolitik<br />
Schwerpunkt: Dialog zwischen den Generationen (Modelle des Dialoges<br />
zwischen Alt und Jung auf kommunaler und regionaler Ebene)<br />
2001 Wien/Ungarn<br />
Thema: Kommunale soziale Projekte mit dem Schwerpunkt Europa und<br />
Osteuropäische Länder<br />
Schwerpunkte: Europäische Union und Kommune; Integration; Jugendprojekte,<br />
Modell eines neuen Altersheimes<br />
2002 Basel/Schweiz, Mulhouse (Frankreich)<br />
Thema: Altersversorgung und Altenarbeit<br />
Schwerpunkt: Altenarbeit in der Schweiz, neue Modelle der Kooperation<br />
zwischen ambulanter und stationärer Betreuung, Kooperationsmodelle div.<br />
stationärer Heime in den verschiedenen Bereichen, privat oder öffentlich.<br />
2003 Heidelberg, Darmstadt, Kempten, Hersbruck / BRD<br />
Thema: kinder- und jugendgerechte Stadt bzw. Gemeinde<br />
2004 Helsinki/Finnland<br />
Thema: Kinderbetreuung durch Kommunen und Schulen<br />
Schwerpunkt: Kinderbetreuung an Schulen – Soziales Lernen und ein Modell<br />
des Dialoges der Generationen.<br />
· 132 ·
IfS-Geschichte IfS – Studienreisen<br />
Sozialpolitische Studienfahrt Turin<br />
Sozialpolitische Studienfahrt Luxemburg<br />
2005 Berlin und Umgebung/BRD<br />
Thema: Ambulant betreutes Wohnen für ältere Menschen sowie Freiwilligenarbeit<br />
im Altenbereich<br />
2006 Mailand/Lombardei/Italien<br />
Thema: Freiwilligenarbeit auf sozialer Ebene<br />
Schwerpunkte: Bürgerliches Engagement im Sozialbereich, die kommunale<br />
Sozialplanung und Zusammenarbeit im Sozialbereich<br />
2007 Luxemburg<br />
Schwerpunkt: Neben dem Gesamtsozialsystem auf kommunaler Ebene –<br />
Fragen der Integration von MigrantInnen, Jugend und Arbeit mit Menschen<br />
mit Behinderung.<br />
· 133 ·
Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />
45 Jahre IfS<br />
Kurzchronik 1962 – 2007<br />
1962<br />
Im November fand die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung<br />
der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“ – Vorgängervereinigung des<br />
IfS – statt.<br />
1963<br />
Zulassung des Vereins „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten<br />
Jugend im Land Vorarlberg“. Entstehung von „Arbeitskreisen“ des Vereins<br />
in den Städten Vorarlbergs.<br />
1969<br />
Gründung der ersten Jugend- und Erziehungsberatungsstelle in Bregenz<br />
(Vorgängerverein des IfS).<br />
1971<br />
Umbenennung und Gründung des Vereins „Institut für Sozialdienste – Private<br />
Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Erziehungsberatung, Eheberatung,<br />
Altenhilfe“.<br />
Erster Präsident wird Dipl.-Ing. Rudolf Ammann.<br />
Erster Geschäftsführer wird Sepp Büsel.<br />
1972<br />
Vorarlberg beschließt als erstes Bundesland ein Sozialhilfegesetz.<br />
Die erste „offene“ IfS-Wohngemeinschaft wird eröffnet.<br />
· 134 ·
IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />
1973<br />
Erste Beratungsstelle des IfS wird in Bregenz installiert.<br />
Dr. Erika Neumannn übernimmt bis 1982 die fachliche Leitung des Gesamt-<br />
IfS.<br />
1974<br />
Die IfS-Beratungsstelle in Feldkirch wird eröffnet.<br />
Fredy Mayer (ÖVP) übernimmt von Ernst Winder (SPÖ) das Sozial- und<br />
Gesundheitsressort der Landesregierung.<br />
Einrichtung der vom Bund geförderten IfS-Familienplanungsstelle in der<br />
Beratungsstelle Bregenz.<br />
1975<br />
Bundesgesetz zur „Fristenregelung“ (Schwangerschaftsabbruch).<br />
Das IfS erweitert sein Angebot um die Schwangerschaftskonfliktberatung.<br />
1976<br />
Gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin erscheint<br />
das erste „Informations-Blatt“.<br />
Die ersten Ferien- und Förderfreizeiten für Menschen mit Behinderungen<br />
auf der Neuburg in Götzis werden angeboten. Damit beginnt die Arbeit im<br />
Bereich der späteren „IfS-Reha“.<br />
1977<br />
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle in Bludenz.<br />
Manfred Dörler wird im Jänner Geschäftsführer des IfS.<br />
· 135 ·
Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />
1978<br />
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle in Dornbirn.<br />
1979<br />
Erste IfS-Wohngemeinschaft für Burschen wird in Hard eröffnet.<br />
Erste IfS-Wohngemeinschaft für Mutter und Kind eröffnet.<br />
1980<br />
Gründung der Stelle für Sozial- und Gemeinwesenarbeit in Feldkirch.<br />
1981<br />
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle Bregenzerwald in Andelsbuch.<br />
Prof. Hans Sperandio wird Nachfolger von Dipl.-Ing. Rudolf Ammann als<br />
Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“.<br />
1982<br />
Das IfS erhält neue Satzungen und eine neue Geschäftsordnung.<br />
Beginn der IfS-Jugendberatungstätigkeit „Mühletor“ in Feldkirch.<br />
Die erste „IfS-Krisenwohnung“ wird in Bregenz eröffnet.<br />
1983<br />
Beginn der Zusammenarbeit mit dem ORF-Dornbirn im Rahmen der Vortragsreihe<br />
„Fragen unseres Daseins“.<br />
1984<br />
Landesverfassung verankert Familienpolitik.<br />
Start der IfS-Sachwalterschaft in Feldkirch.<br />
· 136 ·
IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />
1985<br />
Die IfS-Krisenwohnung in Feldkirch wird eröffnet.<br />
1986<br />
Einführung der Kostenrechnung, Budgetierung und des Controllings im<br />
IfS.<br />
Modellversuch „Sozialarbeit im Krankenhaus“ (Bregenz).<br />
Die IfS-Krisenwohnungen in Dornbirn und Bludenz werden eröffnet.<br />
Die erste IfS-Wohnung für Menschen mit Behinderung wird im März in<br />
Feldkirch eröffnet.<br />
1987<br />
Das Projekt „Sozialpädagogische Familienarbeit“, aus dem sich in der Folge<br />
die IfS-Familienarbeit entwickelt, startet in Bludenz.<br />
Das IfS feiert sein 25-jähriges Bestehen.<br />
1988<br />
Die IfS-Schuldenberatungsstelle wird im Februar in Bregenz eröffnet.<br />
1989<br />
Familienförderungsgesetz des Landes Vorarlberg.<br />
Das Familien- und Frauenreferat im Amt der Landesregierung wird gegründet.<br />
Das Projekt „Anlehre“ bei Zumtobel Lighting GmbH wird gestartet.<br />
· 137 ·
Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />
1990<br />
Die IfS-Beratungsstelle für behindertengerechtes Bauen und Wohnen wird<br />
in Dornbirn eröffnet.<br />
Die IfS-FrauennotWohnung wird in Dornbirn eröffnet.<br />
1991<br />
Das IfS übernimmt die Patientenanwaltschaft im LKH Rankweil.<br />
„IfS-Informationen“ erscheinen erstmals mit einer Auflage von<br />
ca. 2.000 Stk. Exemplaren.<br />
Erstmals wird eine „sozialpolitische Studienreise des IfS für Landes- und<br />
Kommunalpolitiker“ angeboten, die auf reges Interesse stößt. Diese wird in<br />
Zukunft ein Mal pro Jahr durchgeführt.<br />
1992<br />
Gründung der Beratungsstelle „IfS-Dialog“.<br />
Gründung des PRO-Team für Nahraum und Gemeinwesenentwicklung.<br />
Der erster Landeswettbewerb „Menschengerechtes Bauen“ wird gemeinsam<br />
mit der Redaktion der Vorarlberger Nachrichten ausgeschrieben.<br />
Das Projekt „Psychologische Beratung für Kindergärten“ wird gestartet.<br />
Das IfS startet mit dem Angebot „Supervision & Coaching“.<br />
1993<br />
Ambulant betreute Wohnform für Menschen mit Behinderungen in Bludenz<br />
eröffnet.<br />
Die IfS-Jugendberatungsstelle startet mit der „mobilen Jugendarbeit“<br />
(Streetwork).<br />
· 138 ·
IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />
1994<br />
Satzungsänderungen des Vereines Institut für Sozialdienste. Der Verein gründet<br />
im November die erste soziale gemeinnützige GmbH in Österreich.<br />
1995<br />
Dr. Stefan Allgäuer wird im Jänner gemeinsam mit Manfred Dörler zum<br />
IfS-Geschäftsführer der IFS GmbH bestellt.<br />
Die Bereiche Familienarbeit, Schuldenberatung, Sachwalterschaft und<br />
Patientenanwaltschaft werden aus dem IfS ausgegliedert. Die IfS-Familienarbeit<br />
(Geschäftsführer Dr. Hubert Löffler) und die IfS-Schuldenberatung<br />
(Geschäftsführer Peter Kopf) werden eigenständige GmbHs, IfS-Sachwalterschaft<br />
und Patientenanwaltschaft bilden einen Verein.<br />
Eröffnung der IfS-Beratungsstelle Hohenems.<br />
IfS-Präsident Prof. Hans Sperandio übergibt sein Amt an Dr. Anton Fliri.<br />
Dipl.-Ing. Rudolf Ammann, erster Präsident des Vereins Institut für Sozialdienste,<br />
stirbt im April.<br />
Erste IfS-Beteiligung an EU-Projekten.<br />
1996<br />
Gründung des Förderkreises „Netz für Kinder“ auf Initiative der Geschäftsführer<br />
des IfS.<br />
Das „Jugendintensivprogramm“, kurz JIP, wird im Rahmen der Fachgruppe<br />
Sozialpädagogik installiert.<br />
Erstmals wird die „eu-pik“ ins Leben gerufen. Es geht dabei um die Vernetzung<br />
und Information im NPO-Bereich bei EU-Projekten.<br />
Das IfS hat die Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen<br />
aufgelöst und ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben durch ambulante<br />
Begleitung und Unterstützung organisiert. Daraus entstand das „IfS-<br />
Fundament“.<br />
· 139 ·
Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />
1997<br />
Dr. Stefan Allgäuer wird im April aufgrund des Rücktritts von Manfred<br />
Dörler alleiniger Geschäftsführer des IfS.<br />
Die Streetwork-Stelle in Bregenz wird eröffnet.<br />
Das EU-Projekt „Hauptschulabschluss“ wird vom IfS-Mühletor gestartet.<br />
IfS-Beratungsstunden werden erstmals auch im Kleinwalsertal angeboten.<br />
Die Sozialpädagogischen Wohngemeinschaften des IfS in Rankweil und<br />
Wolfurt werden geschlossen und in „Ambulant betreute Wohnungen“<br />
(AbW) umgebaut.<br />
1998<br />
Die Fachgruppe „IfS-Reha“ wird geteilt. Die klassische Reha-Arbeit bleibt<br />
bei der IfS-Reha, die Angebote Spagat, Dialog und Reha-Service-Center<br />
werden in die neue Fachgruppe „Dialog“ gelegt.<br />
Der amtierende IfS-Präsident Dr. Anton Fliri stirbt im August.<br />
1999<br />
Gerhard Köhlmeier, bis Dezember 1998 Bürgermeister der Marktgemeinde<br />
Hard, wird mit 1.1.1999 neuer Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“.<br />
Der erste IfS-Geschäftsführer Sepp Büsel stirbt im Februar.<br />
Die Gewaltberatungsstelle „Klartext“ wird in der IfS-Beratungsstelle<br />
Bregenz gegründet.<br />
Im Auftrag des Landes Vorarlberg und des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten<br />
wird in Feldkirch die „IfS-Interventionsstelle – Handeln<br />
gegen Gewalt in der Familie“ installiert.<br />
· 140 ·
IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />
2000<br />
Die bisherige IfS-Fachgruppe „IfS-Reha“ wird eine selbstständige GmbH.<br />
Die „Prozessbegleitung für Gewaltopfer“ wird im Auftrag des Justizministeriums<br />
gestartet.<br />
Erstmals in Österreich wird vom IfS in Zusammenarbeit mit der Firma Teleport<br />
eine Internet-Beratung angeboten.<br />
2001<br />
Das Projekt „IfS-Schulsozialarbeit“ wird in den beiden Hauptschulen von<br />
Bregenz erstmals in Vorarlberg umgesetzt.<br />
2002<br />
Das IfS startet mit einem neuen Angebot: psychotherapeutische Betreuung<br />
für Senioren.<br />
Das erste Psychotherapie-Verzeichnis des IfS wird in schriftlicher Form heraus-<br />
und zur Verteilung gebracht.<br />
Im Rahmen einer Zukunftstagung wird „40 Jahre Verein IfS“ gefeiert.<br />
Anwesend sind u. a. Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber und die Landesräte<br />
Dr. Hans Peter Bischof und Dr. Greti Schmid.<br />
Die IfS-Fachgruppe „Opferschutz“ wird gegründet. In dieser sind die IfS-<br />
FrauennotWohnung, die IfS-Interventionsstelle, die Prozessbegleitung und<br />
der Kinderschutz zusammengefasst.<br />
2003<br />
Die Fachgruppe Sozialpädagogik erweitert ihr Angebot mit der „Nachgehenden<br />
sozialpädagogischen Arbeit“ (NASA).<br />
In der Gemeinde Mittelberg wird auf Wunsch der Gemeinde eine eigene IfS-<br />
Stelle für das Kleinwalsertal installiert.<br />
· 141 ·
Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />
Erstmals wird das IfS-Angebot „Clearing“ in ganz Vorarlberg angeboten<br />
(Jugendliche mit Benachteiligung werden bei der Berufsfindung unterstützt).<br />
2004<br />
Das IfS unterschreibt einen Kooperationsvertrag mit der Marktgemeinde<br />
Rankweil, in dem die „Stelle für Gemeinwesenarbeit Rankweil Mitanand“<br />
personell übernommen wird.<br />
Manfred Dörler, langjähriger IfS-Geschäftsführer und Mitglied des<br />
IfS-Präsidiums, stirbt im Juli. Am 20. Juli findet eine Trauersitzung des<br />
Vorarlberger Landtages statt.<br />
Das IfS startet mit der Umsetzung des Projektes „Lehrlingscoaching“.<br />
2005<br />
Die bisherige IfS-Reha wird in „IfS-Okay Für Menschen mit Behinderungen“<br />
umbenannt.<br />
Start des „IfS-Besuchstreff“ in der IfS-Familienarbeit für Kinder und deren<br />
getrennte Eltern nach der Scheidung.<br />
Das IfS übernimmt die neue Bewohnervertretung in Vorarlberg.<br />
Die ARGE „Öffentlichkeitsarbeit“ aller sozialen Einrichtungen im Land<br />
schreibt erstmals den „Sozial-Medienoskar“ für JournalistInnen in Vorarlberg<br />
aus. Vergabe im Rahmen eines „Presseclub-Spezial“.<br />
Das IfS veranstaltet im Auftrag der Int. Bodenseekonferenz in Bregenz<br />
(Festspielhaus) das IBK-Symposium zum Thema „Gesundheitsförderung<br />
im Bodenseeraum“ mit über 400 TeilnehmerInnen.<br />
Start des großen EU-Projektes „Improve“ - Qualität im Wettbewerb um soziale<br />
Dienste, bei dem das IfS österreichweit eine wesentliche Rolle spielt.<br />
· 142 ·
IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />
Start des IfS-Projekts „Delogierungsprävention“.<br />
Installierung der neuen IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ mit der Zusammenführung<br />
des „PRO-Team“ und aller Gemeinwesenstellen (Feldkirch,<br />
Rankweil, Kleinwalsertal).<br />
2006<br />
Das IfS bietet in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer, dem<br />
Land Vorarlberg und den Bäuerinnen ein spezielles Service für Menschen<br />
aus der Landwirtschaft an. Ein eigenes BeraterInnen-Team steht dieser<br />
Bevölkerungsgruppe zur Verfügung.<br />
IfS-Schuldenberatung startet den Vorarlberger Finanzführerschein „Fit fürs<br />
Geld“, um Kinder und Jugendliche für den richtigen Umgang mit Geld zu<br />
sensibilisieren.<br />
Gerhard Köhlmeier, amtierender Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“,<br />
stirbt im Juli.<br />
2007<br />
Die IfS-Schuldenberatung führt einen einheitlichen, regelmäßigen Sprechtag<br />
(Donnerstag) ein.<br />
Die IfS-Bereiche, die mit und für Menschen mit Behinderungen arbeiten,<br />
werden zusammengelegt (IfS-Okay, IfS-Dialog, IfS-Fundament, IfS-Assistenz).<br />
Aus Anlass des 45-jährigen Bestehens des IfS wird das vorliegende Buch in<br />
Kooperation mit der Rhethicus-Gesellschaft herausgegeben.<br />
· 143 ·
Ergänzung der Kurzchronik 2007 – 2010 IfS-Geschichte<br />
Die Ergänzung der Kurzchronik (2007 – 2010) ist im Buch „Die Geschichte<br />
des IfS-Vorarlberg“ nicht enthalten.<br />
2007<br />
Es kommen bereits einige Punkte zum Jahr 2007 im Buch „Die Geschichte<br />
des IfS-Vorarlberg“ vor. So ging es 2007 weiter ...<br />
Nach zweijähriger Projektphase wird die Koordinationsstelle IfS-Delogierungsprävention,<br />
die eng mit Land, Gemeinden, Gerichten, Wohnbauträgern<br />
und anderen sozialen Einrichtungen wie Caritas, DOWAS und Beratungsstelle<br />
Kaplan Bonetti kooperiert, in den Regelbetrieb des IfS übernommen.<br />
Die IfS-Familienarbeit eröffnet einen weiteren Besuchstreff in Dornbirn.<br />
Das österreichweite Projekt IMPROVE findet mit einer österreichweiten<br />
Tagung im Parlament in Wien seinen Abschluss.<br />
2008<br />
Zwei große Vorarlberger Betriebe (Hydro Aluminium und VKW) gehen<br />
eine Kooperation mit dem IfS ein, um so die seelische Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen<br />
zu pflegen und zu fördern.<br />
Die neue Stelle „IfS-Kindergerechte Lebensräume“ zielt darauf ab, Aktivitäten<br />
zu stärken, die kindergerechte Lebens- und Siedlungsräume schaffen.<br />
Das IfS erhält eine neue Unternehmensstruktur und gliedert sich nunmehr<br />
in Fachgruppen, welche wiederum in einzelne Fachbereiche bzw. Angebote<br />
unterteilt sind, sowie in selbständige Unternehmen. Zu den Fachgruppen<br />
zählen: IfS-Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigung, die IfS-Beratungsdienste,<br />
IfS-Sozialpädagogik und IfS-Sozialer Nahraum. Selbständige<br />
Unternehmen sind die IfS-Schuldenberatung, die IfS-Familienarbeit und<br />
der Verein IfS-Sachwalterschaft, IfS-Bewohnervertretung und IfS-Patientenanwaltschaft.<br />
Im Rahmen der Mitgliederversammlung und der anschließenden Präsidiumssitzung<br />
des Vereins „Institut für Sozialdienste“ wird Dr. Hans-Peter<br />
Bischof einstimmig zum neuen IfS-Präsidenten gewählt. Neben Dr. Hans-<br />
· E 1 ·
IfS-Geschichte Ergänzung der Kurzchronik 2007 – 2010<br />
Peter Bischof sind Dr. Elke Sader (Vizepräsidentin), Dr. Evelyn Marte-Stefani,<br />
Ing. Christoph Winder und Bürgermeister Erwin Mohr im Präsidium<br />
vertreten.<br />
2009<br />
Die IfS-Interventionsstelle wird in IfS-Gewaltschutzstelle umbenannt.<br />
Das Praxis-Handbuch Spiel- und Freiräume wurde vom Land Vorarlberg<br />
und dem IfS herausgegeben und umfasst 96 Seiten.<br />
„Die Herausforderung in der Krise“, eine österreichweite Tagung der Schuldenberatungen,<br />
findet in Bregenz statt.<br />
Eine Neukonzeption und Ausweitung der IfS-Schulsozialarbeit wird vorgenommen.<br />
Die IfS-Beratungsdienste starten mit dem neuen Angebot eines eigenen<br />
Fachdienstes für Beratung, Vermittlung und Information. Dieser Fachdienst<br />
versteht sich als zentrale, regionale Anlaufstelle zu den IfS-Diensten. Ziel<br />
dieses Beratungsdienstes ist es, sofortige Hilfestellung zu geben, den Zugang<br />
zu den IfS-Angeboten zu vereinfachen und die Hilfesuchenden im Hilfeprozess<br />
zu unterstützen.<br />
Der neue Fachbereich der IfS-Assistenz „Information und Orientierung“<br />
wird installiert.<br />
2010<br />
Die IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ wird neu organisiert. Die Bereiche<br />
„Pro-Team“ und „Kindergerechte Lebensräume“ werden eigenständige<br />
Bereiche. Die beiden bisher bei dieser Fachgruppe integrierten Gemeinwesenstellen<br />
in Rankweil (Mitanand) und Kleinwalsertal werden dem Bereich<br />
„Beratungsdienste“ angegliedert.<br />
· E 2 ·
Mitglieder des Vereins (1962 – 2007) IfS-Geschichte<br />
Mitglieder des Vereins<br />
Institut für Sozialdienste<br />
(1962 – 2007)<br />
Dipl.-Ing. Rudolf Amann<br />
Wolfgang Angerer<br />
Ewald Angerer<br />
Dr. Hermann Anzenbacher<br />
Dr. Gustav Bargehr<br />
Josef Bechtold<br />
Dr. Gerhard Beck<br />
Dr. Wilfried Bildstein<br />
Dr. Heinz Bilz<br />
Dr. Leopold Bischof<br />
Edwin Böhler<br />
Emil Bonetti<br />
Walter Bösch<br />
Werner Bösch<br />
Leo Burtscher<br />
Dr. Alfons Dür<br />
Xaveria Dür<br />
Dr. Gottfried Feurstein<br />
Dkfm. Joseph P. Feurstein<br />
Dr. Anton Fliri<br />
Anna Franz<br />
Ernst Fritz<br />
· 144 ·<br />
Angelika Fussenegger<br />
Alois Gassner<br />
Mag. Klaus Gerstgrasser<br />
Dr. Hermann Girardi<br />
Dr. Günther Hagen<br />
Inge Hagspiel<br />
Ing. Guntram Hämmerle<br />
Erwin Isele<br />
Hans Jaquemar<br />
Ing. Otto Kazil<br />
Brigitta Keckeis<br />
Mag. Barbara Knittel<br />
Mag. Markus Koch<br />
Hans Kogler<br />
Gerhard Köhlmeier<br />
Dkfm. Erwin Konzett<br />
Dr. Erwin Krämer<br />
Mag. Ruth Kucera-Dörler<br />
Günter Lampert<br />
Johanna Langanger<br />
Dipl.-Ing. Rudolf Längle
IfS-Geschichte Mitglieder des Vereins (1962 – 2007)<br />
Oswald Lenz<br />
Irmgard Mader<br />
Dr. Gert Mähr<br />
Dr. Elmar Marent<br />
Dr. Evelyn Marte-Stefani<br />
Elisabeth Mathis<br />
Anton Mayrhauser<br />
Erwin Mohr<br />
Klara Motter<br />
Dr. Johannes Müller<br />
Richard Natter<br />
Sabine Neumann<br />
Edith Nussbaumer<br />
Dr. Franz Pflanzner<br />
Günther Platter<br />
Herbert Pruner<br />
Elisabeth Ruepp<br />
Dr. Elke Sader<br />
Elfriede Salzgeber<br />
Dipl.-Vw. Dr. August Schäppi<br />
Dr. Georg Scharfetter<br />
· 145 ·<br />
Gerda Schelling<br />
Dr. Paul Schmid<br />
Manfred Schnetzer<br />
Mag. Elmar Simma<br />
Prof. Hans Sperandio<br />
Helmut Spiegel<br />
Dr. Herbert Spieler<br />
Walter Stefani<br />
Mag. Mimi Steurer-Holböck<br />
Marianne Strauß<br />
Dr. Herbert Tschofen<br />
Hannelore Ulmer<br />
Maria Wäger<br />
Dr. Karl Waltle<br />
Gertrud Weber<br />
Bertl Widmer<br />
Hiltraud Wieser<br />
Ing. Christoph Winder<br />
Dr. Adolf Würbel<br />
Astrid Zimmermann<br />
Klaus Zitt
IfS-Geschichte Quellen<br />
Quellen<br />
Aigner, Josef Christian (Hg.): Sozialarbeit & Psychoanalyse. Chancen und<br />
Probleme in der praktischen Arbeit. Fachschriftenreihe des Instituts für<br />
Sozialdienste. Wien 1985.<br />
Allgäuer, Stefan/ Ciresa, Brigitte und Löffler, Hubert (Red.): Psychologie und<br />
Recht im Gespräch. Am Beispiel: das Kind in der Scheidungssituation der<br />
Eltern. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Rankweil 1987.<br />
Allgäuer, Stefan/ Mayer, Hermann und Würbel, Angelika (Red.):Prinzip<br />
Integration. Wohngemeinschaft für körperbehinderte und nichtbehinderte<br />
Menschen. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Rankweil<br />
1988.<br />
Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin und Institut für Sozialdienste<br />
(Hg.): Soziale Rundschau. 1980-1982.<br />
Dörler, Manfred: „Fühle mich nicht als Herr über eine Sozialordnung.“<br />
(Interview). In: Kultur, Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Nr. 9, 1994,<br />
S. 6-9.<br />
Fürst, Ali und Rösel, Günther: Der Spielplatz. Ein Handbuch für eine qualitative<br />
Spielplatz-Kultur. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste.<br />
Bregenz 1989.<br />
Hollergschwandtner, Maria und Oberhauser, Jakob: “Hier habe ich erst<br />
angefangen zu leben...“ 25 Jahre sozialpädagogische Wohngemeinschaften<br />
des IfS. Sozialpädagogische Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste.<br />
Bregenz o. J.<br />
Institut für Sozialdienste (Hg.): Tätigkeitsberichte bzw. Jahresberichte, 1981<br />
bis 1996 (seit 1994 in den „Informationen“ des IfS enthalten).<br />
Institut für Sozialdienste (Hg.): IfS Informationen. 1991 bis 1997.<br />
· 147 ·
Quellen IfS-Geschichte<br />
Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin<br />
(Hg.): 5 Jahre soziale Umwelt. Gesunder Lebensraum. Götzis 1986.<br />
Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin<br />
(Hg.): Soziales forum. 1982 bis 1984.<br />
Institut für Sozialdienste und Neue Vorarlberger Tageszeitung (Hg.):Von<br />
Mensch zu Mensch. Sonntagsausgaben der Neuen Vorarlberger Tageszeitung.<br />
Bregenz 1995.<br />
Keßler, Herbert: Arbeit für Vorarlberg. Drei Jahrzehnte Landespolitik. Dornbirn<br />
1995.<br />
Land Vorarlberg (Hg.): Vorarlberg Bericht. Informationen der Vorarlberger<br />
Landesregierung. 1972 bis 1997.<br />
Land Vorarlberg (Hg.): Institut für Sozialdienste: Beratung und Hilfe bei<br />
Lebensproblemen. In: Vorarlberg Bericht. Heft 22, 1978.<br />
Löffler, Hubert: Wir fangen an, wenn’s nicht mehr weiter geht. 10 Jahre IfS<br />
Familienarbeit. Fachschriftenreihe des IfS. Dornbirn o. J..<br />
Neumann, Erika: Das Institut für Sozialdienste in den Jahren 1978 bis 1980.<br />
In: Montfort. H.1, 1982, S. 49-60.<br />
Paul, Armin (Hg.): „Leben auf Pump“. Möglichkeiten und Grenzen der<br />
Schuldenberatung. Bericht über eine Fachtagung in Schloß Hofen gemeinsam<br />
veranstaltet mit dem Institut für Sozialdienste. Informationsbuch,<br />
Kleine Reihe Nr. 21 des Landesbildungszentrums Schloß Hofen. Lochau<br />
1991.<br />
Sperandio, Hans: Akten über die Gründung des Vereins „Arbeitsgemeinschaft<br />
zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“, 1962 bis<br />
1971. Privatarchiv.<br />
· 148 ·
IfS-Geschichte Quellen<br />
Spieß, Herbert: Die Unterbringung psychisch Kranker. Patientenanwaltschaft.<br />
Eine Information der Patientenanwaltschaft Institut für Sozialdienste.<br />
Dornbirn o. J.<br />
Vorarlberger Landesregierung (Hg.): Rechenschaftsberichte der Vorarlberger<br />
Landesregierung an den Vorarlberger Landtag über die Jahre 1945 bis<br />
1997. In: Beilagen zu den Sitzungsberichten der Vorarlberger Landtage. (vor<br />
allem Kapitel „Soziale Verwaltung“).<br />
Wanner, Gerhard: Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg<br />
1946-1985. Ein Beitrag zur Vorarlberger Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.<br />
Dornbirn 1985.<br />
Wanner, Gerhard: Landespolitik 1964-1987. Bilanz, Rechenschaft und Kritik.<br />
In: Keßler, Herbert: Arbeit für Vorarlberg. Dornbirn 1995.<br />
· 149 ·
IfS-Leitbild IfS-Geschichte<br />
IfS-Leitbild<br />
Das Institut für Sozialdienste ist ein privater Verein. Die Durchführung der<br />
Aufgaben erfolgt in der IfS-Gemeinnützigen GmbH und in deren selbständigen<br />
Einheiten. Gemeinsames Ziel ist es, die psychosoziale Entwicklung<br />
Einzelner und der Gesellschaft zu fördern. Wir sind ein dezentral organisiertes<br />
Dienstleistungsunternehmen, das im Sinne des Subsidiaritätprinzips<br />
arbeitet. Unsere MitarbeiterInnen sind Fachkräfte in interdisziplinären<br />
Teams, deren Qualifikation sich auf fachspezifische Grundausbildung, Aus-<br />
und Weiterbildung, Supervision und Teamarbeit stützt. Wir respektieren die<br />
Entfaltung des Menschen gemäß seinen Anlagen, Fähigkeiten und Grenzen.<br />
Ideelle Ziele unserer Arbeit sind:<br />
• Hilfe zur Selbsthilfe<br />
• Verbesserung der Lebensqualität Benachteiligter und sozial Schwacher<br />
• Förderung der Akzeptanz sozialer Randgruppen in unserer Gesellschaft<br />
Unser Angebot<br />
Wir wenden uns an Menschen, die in ihren Lebensfragen und psychosozialen<br />
Konflikten professionelle Hilfe suchen oder brauchen.<br />
Wir bieten Orte des Vertrauens, Kontakt und Gespräch. Wir wollen Menschen<br />
beistehen, sie beraten, Not lindern, Entwicklungsprozesse einleiten<br />
und fördern. Wir glauben an Veränderung durch Konfliktbearbeitung und<br />
emanzipatorische Aufklärung. Wir sind in der Lage, bei akuter Not rasch<br />
und flexibel zu handeln und Lösungen zu erarbeiten. Wir helfen weiter.<br />
Wir wollen unsere Erfahrungen wissenschaftlich verwerten und diese in die<br />
Entwicklung neuer Projekte einbringen.<br />
· 150 ·
IfS-Geschichte IfS-Leitbild<br />
Organisation und Kultur<br />
Grundsätze der Unternehmenskultur sind:<br />
• eigenständiges und mitverantwortliches Handeln<br />
• Entwicklungsbereitschaft von MitarbeiterInnen, Führungskräften und<br />
Organisation<br />
• Kooperations- und Konfliktbereitschaft<br />
• fachlicher Austausch und interdisziplinäre Akzeptanz<br />
• Solidarität als Arbeitsprinzip<br />
• Wertschätzung als Führungsprinzip<br />
• fortbildungsfreundliches Klima<br />
• verantwortlicher und effizienter Umgang mit Zeit und Geld<br />
• selbstkritische Reflexion unserer Arbeit<br />
Wir bekennen uns zu einer durchschaubaren Leitungsstruktur, die kreatives<br />
Arbeiten, Veränderung und Innovation ermöglicht.<br />
Öffentlichkeit und Umwelt<br />
Wir ergreifen Partei, wenn wir Benachteiligungen feststellen, und setzen<br />
uns ein für Verbesserung von Lebenschancen und Integration. Wir setzen<br />
kritische, sozialpolitische Akzente und schärfen den Blick für gesellschaftliche<br />
Missstände.<br />
Unsere Auftraggeber und Partner erhalten von uns ausführliche Dokumentation<br />
und Rechenschaft über unsere Arbeit und die eingesetzten Geldmittel.<br />
Wir gehen auf Personen und Einrichtungen im sozialen Umfeld zu, motivieren<br />
zur Zusammenarbeit und gestalten die soziale Vernetzung aktiv mit.<br />
· 151 ·
Notizen IfS-Geschichte<br />
Die Geschichte geht weiter ...<br />
Persönliche Notizen:<br />
· 152 ·
IfS-Geschichte Notizen<br />
· 153 ·
Sozialfürsorge und Jugendpolitik bis zur Gründung des IfS IfS-Geschichte<br />
· 154 ·
ISBN 3-900866-99-6