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<strong>Rheticus</strong><br />

Die Geschichte des IfS-Vorarlberg<br />

Von der Bürgerinitiative zum<br />

sozialen Dienstleistungsunternehmen


<strong>Rheticus</strong><br />

Vierteljahresschrift der <strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft<br />

2007 Nr. 1, Jahrgang 29


Impressum<br />

Herausgeber und Verleger:<br />

Institut für Sozialdienste Vorarlberg und <strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft<br />

Institut für Sozialdienste (IfS)<br />

Interpark Focus 1 · A-6832 Röthis<br />

Tel.: 05523 52176<br />

E-Mail: ifs@ifs.at<br />

Homepage: www.ifs.at<br />

<strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft<br />

Palais Liechtenstein · A-6800 Feldkirch<br />

Tel.: 05522 304-1272, Fax: 05522 304-1279<br />

E-Mail: verena.valentini@feldkirch.at<br />

Homepage: www.rheticus.com<br />

Text: Univ.-Prof. Mag. Dr. Gerhard Wanner<br />

redaktionelle Mitarbeit: lic.phil. Alexandra Breuß<br />

Gestaltung: Jan Koller<br />

Druck: Wenin Dornbirn<br />

ISBN 3-900866-99-6<br />

Die Fotoauswahl soll ein Spiegelbild der vergangenen 45 Jahre Institut für<br />

Sozialdienste Vorarlberg darstellen. Die Anordnung der Fotos entspricht<br />

dem Zufallsprinzip, weshalb eine Übereinstimmung mit dem Text nicht<br />

immer gegeben ist.<br />

Es wurde versucht, den Text in einer geschlechtsneutralen Form zu verfassen.<br />

Sollte einmal lediglich die geschlechtsspezifische Form genannt sein,<br />

so sind damit sowohl Frauen als auch Männer gemeint.


Die Geschichte<br />

des IfS-Vorarlberg<br />

Von der Bürgerinitiative zum<br />

sozialen Dienstleistungsunternehmen


IfS-Geschichte Inhaltsverzeichnis<br />

Inhaltsverzeichnis<br />

· Vorwort ........................................................................................................ 8<br />

· Sozialwesen in Vorarlberg ........................................................................ 10<br />

Sozialpolitik nach 1945 ......................................................................... 10<br />

Sozialfürsorge und Jugendpolitik bis zur Gründung des IfS .............. 15<br />

· Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen ........................................ 20<br />

Gründung und Anfangsjahre ................................................................ 20<br />

Der Nachfolgeverein Institut für Sozialdienste ................................... 24<br />

Der Verein „Institut für Sozialdienste“ entsteht ........................... 25<br />

Professionalisierung und Satzungsänderungen ............................. 26<br />

Das Institut für Sozialdienste und sein Wirken im sozialen Netz . 30<br />

· Leitlinien und Tätigkeitsbereiche ............................................................. 33<br />

Sozialpolitische Prinzipien .................................................................... 33<br />

Das Angebot des IfS .............................................................................. 34<br />

Finanzen ................................................................................................. 36<br />

Organisation .......................................................................................... 37<br />

· Im Dienste sozialer Gruppen .................................................................... 38<br />

· Soziale Dienstleistungen ..................................................................... 38<br />

· Kinder .................................................................................................. 39<br />

Allgemeine „Kinderfürsorge“ .......................................................... 39<br />

Erziehungsberatung ......................................................................... 40<br />

Vaterrolle .......................................................................................... 41<br />

Freizeit .............................................................................................. 42<br />

Kindergarten und Pflichtschule ....................................................... 43<br />

Kinderschutz .................................................................................... 46<br />

Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt .................................... 48<br />

Familienberatung ............................................................................. 48<br />

Familienarbeit .................................................................................. 49<br />

Familie im Wandel ............................................................................ 51<br />

· 5 ·


Inhaltsverzeichnis IfS-Geschichte<br />

· Jugendliche ........................................................................................... 53<br />

Jugendberatungsstelle Mühletor ..................................................... 53<br />

Streetwork ........................................................................................ 54<br />

Sozialpädagogik ................................................................................ 55<br />

Sozialpädagogische Wohngemeinschaften ................................ 55<br />

AbW – Ambulant betreutes Wohnen ........................................ 64<br />

JIP – Jugendintensivprogramm ................................................. 65<br />

NASA – Nachgehende sozialpädagogische Arbeit .................... 65<br />

Sexualerziehung ............................................................................... 66<br />

Jugendliche und Arbeit .................................................................... 67<br />

· Erwachsene .......................................................................................... 67<br />

Sozialarbeit ....................................................................................... 67<br />

Armut und Existenzsicherung ................................................... 69<br />

Schulden ..................................................................................... 71<br />

Wohnen und Wohnungslosigkeit .............................................. 73<br />

Delogierungsprävention ............................................................ 76<br />

Siedlungsarbeit ........................................................................... 77<br />

MigrantInnen ............................................................................. 77<br />

Psychologie und Psychotherapie ..................................................... 81<br />

Ehe und Partnerschaft ...................................................................... 84<br />

Trennungs- und Scheidungsberatung ............................................. 86<br />

Sexualität, Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte ....... 87<br />

Beratung für Männer ....................................................................... 89<br />

Opferschutz ...................................................................................... 90<br />

FrauennotWohnung ................................................................... 91<br />

Interventionsstelle ...................................................................... 93<br />

Prozessbegleitung ....................................................................... 96<br />

Gewaltberatung – Klartext ......................................................... 97<br />

· 6 ·


IfS-Geschichte Inhaltsverzeichnis<br />

· Menschen mit Behinderungen ........................................................... 97<br />

Grundlagen und Arbeitsbereiche .................................................... 97<br />

Schule, Bildung und Fortbildung .................................................. 100<br />

Arbeit und Beruf ............................................................................ 102<br />

Wohnen und Leben ........................................................................ 105<br />

Bauen und Wohnen ....................................................................... 108<br />

Sachwalterschaft ............................................................................ 111<br />

Patientenanwaltschaft .................................................................... 113<br />

Bewohnervertretung ...................................................................... 113<br />

· Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen .............................. 115<br />

· Öffentlichkeitsarbeit ............................................................................... 118<br />

Netz für Kinder ................................................................................... 122<br />

· Das IfS und die europäische Union ........................................................ 123<br />

Kooperationen und Grenzüberschreitungen ...................................... 124<br />

Spagat Südtirol .................................................................................... 125<br />

Gesundheitsförderung im Bodenseeraum – eine Initiative der IBK 125<br />

· Drei IfS-Persönlichkeiten ....................................................................... 127<br />

Manfred Dörler .................................................................................... 127<br />

Sepp Büsel ............................................................................................ 129<br />

Hedwig Gmeiner ................................................................................. 129<br />

· IfS – Studienreisen .................................................................................. 131<br />

· 45 Jahr IfS – Kurzchronik ....................................................................... 134<br />

· Mitglieder des Vereins Institut für Sozialdienste .................................. 144<br />

· Quellen .................................................................................................... 147<br />

· IfS-Leitbild .............................................................................................. 150<br />

· 7 ·


Vorwort IfS-Geschichte<br />

Dr. Stefan Allgäuer<br />

Vorwort<br />

Die geschriebene Geschichte jeder Organisation ist<br />

ein Konstrukt. Eigentlich gibt es das ja nicht - „die<br />

Geschichte“ – sondern es gibt die (vielen) Geschichten<br />

einer Institution, erlebt und gestaltet von den MitarbeiterInnen,<br />

den KlientInnen und den Rollenträgern<br />

(Präsidenten, Geschäftsführern, LeiterInnen usw.).<br />

So ist die Geschichte des Institut für Sozialdienste vor allem eine Geschichte<br />

vieler Einzelpersonen<br />

· die Geschichte zahlreicher Menschen, die sich Hilfe suchend an unsere<br />

Institution gewandt haben,<br />

· die Geschichte von engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die<br />

tagtäglich qualifiziert und engagiert arbeiten, um den KlientInnen ein<br />

Stück weiter zu helfen,<br />

· die Geschichte von Menschen im Land Vorarlberg, die soziale Probleme<br />

und sozialen Handlungsbedarf wahrgenommen und aktiv darauf reagiert<br />

haben – in Politik und Verwaltung, als engagierte BürgerInnen, als Pioniere<br />

und Unterstützer.<br />

Diese Geschichten können in diesem Buch jedoch nicht oder nur verkürzt<br />

erzählt werden. Geschrieben wird hier die Geschichte der Organisation „Institut<br />

für Sozialdienste“, generell, im großen Bogen und auf dem Hintergrund<br />

der sozialen Entwicklung des Landes Vorarlberg.<br />

Die Einmaligkeit des Institut für Sozialdienste liegt darin, dass unter dem<br />

Namen, dem Dach „IfS“ so viele unterschiedliche Dienstleistungen zusammen<br />

finden, ohne sich gegenseitig einzuengen oder zu behindern. Ganz im<br />

Gegenteil. Trotz Größe und der Vielfalt wurde und wird das IfS dem Anspruch<br />

gerecht, Autonomie in den einzelnen Fachbereichen und Aufgabenstellungen<br />

zu gewährleisten und jedem Bereich die optimalen Rahmenbedingungen für<br />

die je spezifische Arbeit zu geben, so dass einerseits eigenverantwortliches<br />

und selbständiges Arbeiten aller MitarbeiterInnen möglich, ja gefordert ist,<br />

andererseits optimal Synergien in der Fallarbeit und der Weiterentwicklung<br />

von sozialpolitischen Anliegen genutzt werden können.<br />

· 8 ·


IfS-Geschichte Vorwort<br />

Im „Institut für Sozialdienste“ ist der Name Programm. Mit dem „Institut“<br />

(wie oft haben wir überlegt, diesen Teil des Namens zu ändern!) unterstreichen<br />

wir unseren Anspruch nach Professionalität und Reflexion. Mit<br />

dem „sozial“ im Wort „Sozialdienste“ definieren wir unseren Gegenstand.<br />

Sozial, das ist, was dem Menschen und der Gemeinschaft dient. In diesen<br />

„Dienst“ stellen wir alle unsere Dienstleistungen und mit diesem Begriff<br />

„Dienst“ beschreiben wir unsere Haltung. Nicht wir sind die ExpertInnen,<br />

die „Macher“. Die KlientInnen - jeder und jede Einzelne – sind die ExpertInnen<br />

ihrer selbst. Nur sie können, sie müssen Schritte setzen, Veränderungen<br />

einleiten, lernen, Entwicklungen vollziehen, Grenzen erkennen, Situationen<br />

ertragen, den jeweils eigenen Weg gehen. Unser – professioneller – Dienst<br />

dabei ist es, zu begleiten, mit zu gehen, zu informieren, zu intervenieren, zu<br />

reflektieren, zu strukturieren, zu konfrontieren, zu ermutigen, aufmerksam<br />

zu sein und vieles mehr; das verbunden mit allen bewährten und modernen<br />

Methoden, die uns in unseren Professionen der Sozialarbeit, der Psychologie,<br />

der Psychotherapie, der (Sozial)Pädagogik usw. zur Verfügung stehen.<br />

Die Idee zu dieser Broschüre ist schon Mitte der 1990er Jahre entstanden,<br />

forciert vom damaligen Geschäftsführer Manfred Dörler und dem IfS-Präsidenten<br />

Hans Sperandio. Dr. Gerhard Wanner hat den vorliegenden Text<br />

verfasst, ihn mehrmals überarbeitet und immer wieder aktualisiert – ihm<br />

gilt mein besonderer Dank.<br />

Mehrere Vereinsmitglieder und einige der dienstälteren IfS-Mitarbeiter-<br />

Innen haben diesen Text vorab gelesen und ihre Anmerkungen dazu gemacht.<br />

Ihnen allen sei dafür recht herzlich gedankt. Mein Dank gilt auch der<br />

<strong>Rheticus</strong>-Gesellschaft, die als Mitherausgeberin der IfS-Geschichte fungiert<br />

und diese Form des Erscheinens erst möglich gemacht hat.<br />

Mein besonderer Dank gilt aber vor allem all unseren Klientinnen und Klienten<br />

und unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die diese Geschichte<br />

gestaltet und dadurch mitgeschrieben haben. Wir haben im vorliegenden<br />

Text ganz bewusst und größtenteils auf Namensnennungen verzichtet – wir<br />

könnten nie auch nur einigermaßen allen gerecht werden, die in die soziale<br />

Arbeit des IfS und in die Entwicklung der Institution „Herzblut“ und Kompetenz<br />

investiert haben.<br />

Dr. Stefan Allgäuer<br />

IfS-Geschäftsführer<br />

· 9 ·


Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />

Sozialwesen in Vorarlberg<br />

Sozialpolitik nach 1945<br />

Im Landesvoranschlag des Jahres 1960 betrugen die Ausgaben für das Fürsorgewesen<br />

und die Jugendwohlfahrtspflege sowie für das Gesundheitswesen<br />

und die „körperliche Ertüchtigung“ rund 36 Millionen Schilling (2,6<br />

Millionen Euro), beide Posten machten 16% des Landesbudgets aus. Am<br />

Ende der Amtsperiode von Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler im Jahr<br />

1987 waren die Ausgaben für die beiden Bereiche Soziales und Gesundheit<br />

auf 2,8 Milliarden Schilling (rund 203 Millionen Euro) gestiegen und hatten<br />

einen Budgetanteil von rund 40%. Zwanzig Jahre später, im Jahr 2007,<br />

wird das Budget für den Bereich Gesundheit und Soziales (ohne Hochbau)<br />

324,3 Millionen Euro betragen, was einem Gesamtbudgetanteil von 26%<br />

entspricht.<br />

Bis in die 1960er Jahre kam nicht primär das Land für die Sozialfürsorge<br />

auf: 37% der Kosten bezahlten die Bezirksfürsorgeverbände, 44% die<br />

Gemeinden und den Rest das Land. Der Bund beteiligte sich lediglich mit<br />

2%. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre machte sich ein rasantes Wirtschaftswachstum<br />

bemerkbar, gleichzeitig stiegen auch die Ansprüche der<br />

Bevölkerung bezüglich Kranken- und Pflegeanstalten und die Bedürfnisse<br />

für Rehabilitationsmaßnahmen für Menschen mit Behinderungen.<br />

Einen entscheidenden Wandel im gesamten Vorarlberger Sozialwesen<br />

brachte das Jahr 1972 mit dem „Gesetz über die Sozialhilfe“. Bis<br />

dahin herrschte eine unbefriedigende Rechtslage mit Rechtszersplitterung<br />

und Rechtsunsicherheit. 1968 hatte das Innenministerium mitgeteilt, an der<br />

Ausarbeitung eines Bundessozialhilfegesetzes nicht interessiert zu sein, und<br />

hatte damit die Regelung des Fürsorgewesens endgültig den Ländern überlassen.<br />

Dies war die Voraussetzung für das erste österreichische Bundesländer-<br />

Sozialhilfegesetz in Vorarlberg. Als Folge entstand ein landesumfassender<br />

Fürsorgeverband und die Lastenverteilung der Sozialhilfeausgaben ging zu<br />

25% an das Land und zu 75% an die Gemeinden. Bemerkenswert war, dass<br />

das Gesetz Familien, Müttern und alten Menschen Hilfe gewährleistete.<br />

In den 1970er Jahren kam es zu einer Intensivierung sozialer und<br />

medizinischer Initiativen bzw. Aktivitäten durch die öffentliche Hand sowie<br />

· 10 ·


IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />

durch private Einrichtungen. Aus der zu Beginn der 60er Jahre gegründeten<br />

„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande Vorarlberg“<br />

entstand 1971 das „Institut für Sozialdienste“. 1972 wurde das „Medizinische<br />

Zentrum“ in Feldkirch eröffnet und 1974 präsentierte sich das neue<br />

Landesnervenkrankenhaus „Valduna“. Daneben unterstützte das Land die<br />

1964 ins Leben gerufene Privatinitiative des Arbeitskreises für Vorsorge und<br />

Sozialmedizin (aks), dessen Tätigkeiten mit den verschiedensten Vorsorgeprogrammen<br />

vor allem der Gesundheitsprophylaxe galten. Die Initiative<br />

wurde als „Vorarlberger Modell“ in anderen Bundesländern nachgeahmt.<br />

Zur Kontrolle der enorm gewachsenen Aufwendungen und zu deren<br />

Koordination wurde 1974 im Amt der Vorarlberger Landesregierung ein<br />

Sozialhilfebeirat geschaffen. Es entsprach ganz dem Konzept des Landes,<br />

· 11 ·


Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />

die Agenden sozialer Aktivitäten möglichst selbständigen und privaten Trägern<br />

zu überlassen. Es waren dies die Institutionen der „freien Wohlfahrtspflege“,<br />

von denen es 1974 sechzehn gab. Die wichtigsten davon waren der<br />

Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin (aks), die Caritas, das Institut<br />

für Sozialdienste (IfS), die Lebenshilfe Vorarlberg, die Stiftung Jupident, das<br />

Vorarlberger Kinderdorf und zahlreiche Krankenpflegevereine in Städten<br />

und Gemeinden.<br />

Ein besonderes Anliegen des Landes war die Betreuung und Eingliederung<br />

von Menschen mit Behinderungen. 1973 entstand zu diesem Zweck ein<br />

Rehabilitationsprogramm, das die zahlreichen Aktivitäten koordinierte und<br />

die erforderlichen Einrichtungen für die Zukunft plante. Außerdem wurden<br />

die bestehenden Einrichtungen kräftig unterstützt.<br />

Im Weiteren unterstützte das Land die Gründung der Sozialakademie.<br />

Mitglieder in deren Trägerverein waren das Land sowie Vertreter aller<br />

Sozialeinrichtungen, zu deren Beschäftigten Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter<br />

zählten. Die Abteilung für Sozialhilfe und Jugendfürsorge im Amt<br />

der Vorarlberger Landesregierung unter Dr. Hermann Girardi entwickelte<br />

das Konzept der so genannten Sozialsprengel. Diese sollten die örtliche bzw.<br />

überörtliche Kooperation in den Bereichen Alten-, Familien- und Jugendhilfe<br />

sowie Krankenpflege, Rehabilitation und medizinische Versorgung übernehmen.<br />

1974 beschloss die Landesregierung ein Altenhilfeprogramm, welches<br />

vor allem den ausreichenden Bau von altersgerechten Wohnungen und die<br />

Ausweitung der sozialen Dienste mit Hilfe von SozialarbeiterInnen vorsah.<br />

Wie nur in wenigen Bereichen der Landespolitik waren sich die einzelnen<br />

Parteifraktionen über die Praktiken und Ziele der Sozial- und Gesundheitspolitik<br />

einig und dies, obwohl 1974 der damals 38jährige Bludenzer ÖVP-<br />

Stadtrat Fredy Mayer von seinem sozialistischen Kollegen Ernst Winder für<br />

fast zwanzig Jahre das Sozial- und Gesundheitsressort übernahm. Landesrat<br />

Fredy Mayer und mit ihm der zuständige Beamte der Vorarlberger Landesregierung<br />

Hofrat Dr. Hermann Girardi sowie Walter Stefani und Theo<br />

Kremmel sollten mit ihren sozialpolitischen Strategien und ihrer Politik<br />

ganz wesentlich die soziale Landschaft Vorarlbergs prägen. Nachfolger<br />

von Landesrat Mayer wurde der Internist Dr. med. Hans-Peter Bischof, der<br />

vorerst Landesrat, später auch Landesstatthalter war. Im Jahr 2000 übernahm<br />

Landesrätin Dr. Greti Schmid von diesem den Aufgabenbereich<br />

„Gesellschaft und Soziales“ und im Jänner 2007 trat Mag. Markus Wallner<br />

die Nachfolge von Bischof an.<br />

Landeshauptmann Herbert Keßler, auch Parteiobmann der Vorarlberger<br />

Volkspartei, hatte mit seinen weltanschaulichen Prinzipien die Grundlagen<br />

· 12 ·


IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />

für die spezielle Vorarlberger Sozial- und Gesundheitspolitik geschaffen.<br />

Selbstverwaltung und Selbsthilfe – als „Subsidiarität“ begrifflich zusammengefasst<br />

– wurden zu seinen Leitbildern: „Subsidiarität bedeutet das<br />

Bekenntnis zu den kleinen Gemeinschaften. Unser erstes Bemühen gilt der<br />

Einzelpersönlichkeit, der Ehe, der Familie. Es gilt in der Folge den privaten<br />

oder halbprivaten Einrichtungen. Erst dann folgen Gemeinden, das Land,<br />

der Staat. Selbstverwaltung und Selbsthilfe sind erstrangige landespolitische<br />

Anliegen.“ Und was die spezielle Sozialpolitik der Landes-ÖVP betraf,<br />

meinte Keßler: „Wir wollen anstelle des herkömmlichen Reparaturdenkens<br />

eine ganzheitliche Betrachtungsweise, mit der versucht wird, die Rahmenbedingungen<br />

für einen gesunden Lebensraum des Bürgers, vor allem die<br />

soziale Umwelt und die äußeren Lebensbedingungen so zu gestalten, dass<br />

soziale und gesundheitliche Notstände vermieden werden können.“<br />

Unter Landeshauptmann Dr. Martin Purtscher wurden seit 1987 die gleichen<br />

sozialpolitischen Wege beschritten, jedoch Bestehendes modifiziert,<br />

erweitert und ergänzt sowie deutliche Schwerpunkte gesetzt. Dazu gehörte<br />

die Familienpolitik, zu der auf Grund der neuen Landesverfassung des Jahres<br />

1984 eine gesetzliche Verpflichtung bestand. Mit Beginn des Jahres 1988 startete<br />

die Vorarlberger Landesregierung eine „familienpolitische Offensive“,<br />

die ein Familienprogramm und ein neues Familienförderungsgesetz (1989)<br />

beinhaltete. Getragen wurden diese österreichweit neuartigen Vorstellungen<br />

von allen Parteien des Landtages. Bahnbrechend war der Familienzuschuss<br />

des Landes ab dem zweiten Kind (1988), der sich ab 1994 auch auf das erste<br />

Kind erstreckte. Dazu kamen die Einführung eines „Familienpasses“ (1989),<br />

Hilfen für Familien in Not, das Projekt „Lebensraum Familie“ (1993), die<br />

institutionellen Einrichtungen eines eigenen Referates für Ehe-, Familien-<br />

und Frauenfragen (1989) sowie die Installierung eines „Familienbeirates“.<br />

Der Jugend und Jugendwohlfahrt kamen vor allem die 1990 erstellte<br />

Vorarlberger Jugendstudie und 1991 ein neues Gesetz über die öffentliche<br />

Jugendwohlfahrt zugute. Ab 1989 setzten massive Bestrebungen zum Ausbau<br />

der Alten- und Krankenpflege ein: Die Hauskrankenpflege wurde verstärkt<br />

ausgebaut und 1990 kam es mit der Einführung des Pflegezuschusses<br />

des Landes und der Gemeinden zu einer österreichischen Pionierleistung.<br />

Trotz all dieser Maßnahmen ruhte man sich nicht auf dem Erreichten aus.<br />

Dies bewies das Jahr 1997 mit seinen Novellen zum Sozialhilfegesetz, zum<br />

Behindertengesetz und dem Landes-Jugendwohlfahrtsgesetz. Entsprechend<br />

dem ansteigenden Bedarf an sozialen Leistungen wuchsen die Kosten für<br />

die soziale Wohlfahrt von 1987 mit 633 Millionen Schilling (46 Millionen<br />

Euro) auf 1,6 Milliarden Schilling (116 Millionen Euro) im Jahr 1997. In<br />

· 13 ·


Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />

Landesrätin Dr. Greti Schmid besucht das Büro der IfS-Geschäftsführung.<br />

diesem Jahr wurde der Sozialfonds zur gemeinschaftlichen Finanzierung<br />

der Kosten der Sozialhilfe durch das Land und die Gemeinden sowie zur<br />

Steuerung dieser Kosten eingerichtet. Seither ist der Finanzbedarf für die<br />

Bereiche S ozialhilfe, Jugendwohlfahrt und Behindertenhilfe auf Land und<br />

Gemeinden aufgeteilt – 60% werden vom Land, 40% von den Städten und<br />

Gemeinden übernommen. Aufgaben des Sozialfonds sind insbesondere die<br />

Übernahme der Kosten der Sozialhilfe, die Erlassung von Richtlinien zur<br />

Einhaltung des Voranschlages des Fonds bei der Gewährung von Sozialhilfe,<br />

die Entscheidung von Fragen der tarifl ichen Gestaltung sozialer Dienstleistungen<br />

für Hilfsbedürftige, die Erlassung von Förderrichtlinien sowie die<br />

Gewährung von Förderungen und sonstigen Zuschüssen an Einrichtungen<br />

der freien Wohlfahrtspfl ege und Gemeinden.<br />

Verbesserungen im Spitalsbereich brachte das seit 1995 in Vorarlberg<br />

praktizierte Modell der leistungsorientierten Krankenhausfi nanzierung, das<br />

für eine bundesweite Spitalsreform zum Vorbild wurde.<br />

Landesrat Dr. Hans-Peter Bischof erklärte 1996 nicht ohne Stolz, Vorarlberg<br />

habe sozial- und gesundheitspolitische Modelle entwickelt, die<br />

e uropaweit einzigartig seien und auf europäischer Ebene Lösungsansätze<br />

darstellten. Vorarlberg nehme ganz einfach EU-Vorbildcharakter ein, denn:<br />

„Große Sozial- und Gesundheitssysteme können nur dann wirksam sein,<br />

· 14 ·


IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />

wenn auch die Nahraumstrukturen funktionieren. Und genau das ist eine<br />

unserer Stärken.“<br />

Unter Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber, der schon früher als<br />

Landesfinanzreferent wesentlich auf die Sozialpolitik Einfluss genommen<br />

hatte, entwickelte sich die Sozialpolitik weiter. Er betrieb Politik stets unter<br />

dem Credo, Vorarlberg zu einer „wirtschaftlich erfolgreichen Region mit<br />

menschlichem Gesicht“ zu machen. Die Arbeitslosigkeit wurde als besonderes<br />

Problem erkannt und entsprechende Gegenmaßnahmen wurden eingeleitet.<br />

Die Betonung der Ehrenamtlichkeit im Sozial- und Vereinswesen war<br />

ein weiterer Schwerpunkt.<br />

Landesrätin Dr. Greti Schmid widmete sich vor allem schwerpunktmäßig<br />

der Sicherung der Pflege, im Zuge dessen die Unterstützung der familiären<br />

Ressourcen und der professionellen Pflegedienste (beispielsweise die ARGE<br />

Mobile Hilfsdienste (Mohi) und der Vorarlberger Betreuungspool) forciert<br />

wurde. Zudem galten die Bemühungen der Landesrätin der Entwicklung von<br />

Strategien zur Armutsbekämpfung.<br />

Sozialfürsorge und Jugendpolitik<br />

bis zur Gründung des IfS<br />

Gemeinden, Bezirksfürsorgeverbände, das Land und der Bund waren jene<br />

öffentlichen Einrichtungen, die bis in die 60er Jahre für das „Fürsorgewesen<br />

und die Jugendhilfe“ im Land Vorarlberg aufkamen. Von privater<br />

Seite betrieb in größerem Umfang nur die Caritas der Diözese „allgemeine<br />

Maßnahmen der Sozialfürsorge“. Fünf Jahre nach Kriegsende resultierten<br />

die größten Ausgaben des Landes für die Sozialfürsorge aus den Verpflegungskosten<br />

für „Geisteskranke“ und Epileptiker in Heilanstalten, Versorgungsheimen<br />

und Erziehungsanstalten, wobei die wichtigste Einrichtung<br />

des Landes die „Valduna“ in Rankweil war. An zweiter Stelle kamen die<br />

Ausgaben für die jugendliche Fürsorgeerziehung, die im Land Vorarlberg<br />

insbesondere von der Erziehungsanstalt Jagdberg in Schlins, der Kinderheilstätte<br />

in Viktorsberg und der „Asylierungsanstalt“ in Sulzberg geleistet<br />

wurde. Außerdem unterstützte das Land Jugendliche in diversen privaten<br />

Ferienheimen und Schülerausspeisungen in den Gemeinden. Die Jugendfürsorge<br />

in den Bezirken widmete sich dem Pflegekinderwesen, der Amtsvormundschaft,<br />

der Schutzaufsicht und der Jugendgerichtshilfe. Für die<br />

Säuglingsfürsorge gab es einige Mütterberatungsstellen. Eine typische<br />

· 15 ·


Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />

Nachkriegserscheinung waren die noch hohen Beiträge für die Tuberkulosenhilfe.<br />

Als 1962 der Verein „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten<br />

Jugend im Land Vorarlberg“, der Vorgängerverein des Institut für<br />

Sozialdienste, gegründet wurde, hielt das Land die gesetzliche Tätigkeit der<br />

öffentlichen Jugendwohlfahrtseinrichtungen im Grunde für ausreichend.<br />

An privaten Einrichtungen unterstützte es das Vorarlberger Kinderdorf mit<br />

den Kinderdorffamilien und einige katholische Orden bei „baulichen Maßnahmen“.<br />

Vorarlbergs Jugend stellte im Allgemeinen keinen Problemfaktor<br />

dar und die körperlich, geistig und sozial behinderten Jugendlichen wurden<br />

in diversen „Anstalten“, die meisten davon im übrigen Österreich und in der<br />

Schweiz, untergebracht und behandelt.<br />

Dennoch erfolgten in den 1960er Jahren einige zukunftsweisende Aktivitäten<br />

für ein erweitertes Fürsorgebewusstsein, welche von privater Seite<br />

ausgingen, jedoch nicht nur Jugendliche, sondern auch Erwachsene erfassten:<br />

1961 wurde das Sprachheilheim Carina, 1962 der Vorgängerverein des<br />

Institut für Sozialdienste gegründet, 1964 entstand der Arbeitskreis für<br />

Vorsorge- und Sozialmedizin (aks) und 1967 konstituierte sich die Interessengemeinschaft<br />

für Menschen mit Behinderungen, bekannt unter der<br />

Bezeichnung „Lebenshilfe“, mit ihren Fördereinrichtungen und „beschützenden<br />

Werkstätten“.<br />

Die „normale“ Jugend war in den Schulen und Familien gut untergebracht<br />

und schien auch ausreichend betreut: Um loyale staatsbürgerliche Erziehung<br />

zu gewährleisten, gab es seit 1947 die „Jungbürgerfeiern“, die später<br />

auch von den anderen österreichischen Bundesländern eingeführt wurden.<br />

Die offizielle Landesjugendpolitik wurde seit 1949 durch den „Jugendbeirat“<br />

am Amt der Vorarlberger Landesregierung legitimiert. Von den in diesem<br />

Gremium vertretenen Eliten der Jugendorganisationen, die größten unter<br />

ihnen gehörten der katholischen Kirche an und vertraten christliche Lebensprinzipien,<br />

hatte man keine Probleme oder gar Widerstände zu erwarten. Als<br />

sich diese „heile Welt“ in den 1960er Jahren zu ändern schien, reagierten die<br />

Politiker des Landtags 1964 mit einem neuen Jugendschutzgesetz. Dieses<br />

löste zwar die noch aus der NS-Zeit stammenden Polizeiverordnungen ab,<br />

versprach sich seine pädagogische Wirkung jedoch weiterhin mittels Verboten<br />

und Strafen. Außerdem weitete das Gesetz, in Österreich einmalig, die<br />

Schutzbestimmungen von 18 auf 21 Lebensjahre aus.<br />

Mit diesen legistischen Maßnahmen vermochte man jedoch die neuen<br />

Strömungen und Verhaltensmuster, die von den USA ausgehend auch bei<br />

Vorarlberger Jugendlichen Aufnahme fanden, nicht in den Griff zu bekom-<br />

· 16 ·


IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />

1978: Dr. Michael Schmid, Dr. Irmgard Moosmann, Dr. Wilhelm Schmutzhard, Dr. Erika Neumann<br />

und IfS-Geschäftsführer Manfred Dörler.<br />

men. 1969 wurden die ersten Probleme mit illegalen Drogen publik, ein Jahr<br />

später forderten Mitglieder des sonst so friedlichen Landesjugendbeirates<br />

die Einführung von Sexualerziehung und die Abschaffung von Filmverboten.<br />

1970 fand das erste „Pop and lyric festival“ nach dem Vorbild von<br />

Woodstock (USA) auf der Neuburg (Koblach) vor dem Pfadfi nderheim statt.<br />

Bekannt wurde diese autonome Jugendveranstaltung unter dem Namen<br />

„fl int“ und durch die für viele Jugendliche unverständliche Reaktion der<br />

Landesregierung: Um eine weitere Großveranstaltung dieser Art zu verhindern,<br />

stellte sie den Neuburg-Hügel unter Naturschutz. Was in Koblach verhindert<br />

werden konnte, entstand wenig später in Bregenz als „Randspiele“,<br />

die ein oppositioneller Gegenpol zu den etablierten und für manche Jugendliche<br />

konservativen Bregenzer Festspielen sein sollten.<br />

Am Flint-Festival hatten als stille und wohlwollende Zuschauer auch<br />

Mitglieder der „Arbeitsgemeinschaft für Private Jugendhilfe“ teilgenommen,<br />

die sich wenige Monate später in „Institut für Sozialdienste“ umbenannte.<br />

Es ist daher nicht verwunderlich, wenn der neue Verein als ein<br />

wichtiges Ziel die „Errichtung und Führung von Häusern der offenen Tür<br />

und anderer Kommunikationszentren“ ansah. Die Zeit der „offenen Jugendfürsorge“,<br />

aber auch der autonomen Jugendszene war gekommen.<br />

· 17 ·


Sozialwesen in Vorarlberg IfS-Geschichte<br />

Die beginnende Jugendemanzipationsbewegung war auch mit der Frauenemanzipation<br />

verknüpft, wofür die Vorgänge in Dornbirn ein gutes Beispiel<br />

darstellten: Im Herbst 1972 fand auf Initiative der Vorarlberger Jugendszene<br />

die Gründungsversammlung des auch vom IfS gewünschten Vereins<br />

„Offenes Haus“ statt. Daraus entwickelte sich in der Folge der Verein „Spielboden“.<br />

Die Frauen und Freundinnen der dort engagierten Jugendlichen<br />

und Junggebliebenen fanden sich 1973 zur ersten autonomen Frauengruppe<br />

zusammen. Sie engagierten sich für sexuelle Aufklärung, für den Schutz<br />

misshandelter Frauen und Kinder und für ein „Vorarlberger Frauenhaus“.<br />

Das IfS reagierte auf diese Entwicklungen. Für junge Mädchen in Krisensituationen<br />

war bereits im November 1972 in Bregenz eine „offene<br />

Wohnung“ geschaffen worden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der<br />

Beratungsdienste des IfS vertraten die Meinung, dass die komplexen Probleme<br />

allein mit strengen Gesetzen und Verboten nicht zu bewältigen sind.<br />

In den Mittelpunkt der helfenden Bestrebungen traten die konfliktgeladenen,<br />

menschlichen „Beziehungssysteme“ in Familie, Ehe, Partnerschaft und<br />

Jugend. In der Folge entwickelten sich die IfS-Krisenwohnungen, die Menschen<br />

während schwieriger Lebenssituationen Wohnmöglichkeit bieten,<br />

sowie die IfS-FrauennotWohnung, die Frauen und Kindern, die von Gewalt<br />

bedroht sind, Hilfe und Schutz gewährt.<br />

Die neuen und kritischen Ideen der Reformpädagogik der 1970er Jahre<br />

spielten eine wichtige Rolle: „Öffnet die Heime“ war die Devise. Psychiatriekritik,<br />

Kritik der „totalen Institutionen“, der Schulen, der Asyle, Kritik<br />

der Bevormundung des Individuums durch die Autorität des Staates und der<br />

Verwaltung etc. waren damals wichtige Forderungen. Dazu kam die Überzeugung,<br />

dass Pädagogik, Psychologie und Sozialarbeit im Sinne der Aufklärung<br />

dazu beitragen sollten, den Menschen aus seiner „selbstverschuldeten<br />

Unmündigkeit“ zu führen. Selbstbestimmung, Verantwortung und Selbstentfaltung<br />

waren damals wichtige Lebensziele.<br />

Die öffentlichen Fürsorgeeinrichtungen reagierten kaum auf die Folgen<br />

des sozialen Wandels. Zur damaligen Zeit gab es nur wenige private soziale<br />

Einrichtungen: Für Jugendliche galten die Jugendwohlfahrt und deren stationäre<br />

Angebote im Vorarlberger Kinderdorf, in den offenen Wohnungen<br />

(sozialpädagogischen WGs) des IfS und im „Haus der jungen Arbeiter“ in<br />

Dornbirn als Anlaufstellen. Um die Familien kümmerten sich Familienhelferinnen<br />

und die „Mutterschafts-, Säuglings- und Kleinkinderfürsorge“.<br />

Als das IfS 1973 mit dem Ausbau seiner Beratungsstellen begann und<br />

diesen 1978 in Dornbirn vorläufig beendete, hatte es ein völlig neues Tätigkeitsgebiet<br />

beschritten. Obwohl das IfS 1978 nur 18 Mitarbeiter beschäf-<br />

· 18 ·


IfS-Geschichte Sozialwesen in Vorarlberg<br />

tigte, war man auf die eigenen Leistungen stolz: „Es kann daher heute mit<br />

Sicherheit gesagt werden, dass Vorarlberg bei den sozialen Beratungsdiensten<br />

von allen Bundesländern das dichteste Versorgungsnetz aufweist“ (Jahresbericht).<br />

· 19 ·


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

Die Entwicklung des IfS und<br />

seine Satzungen<br />

Gründung und Anfangsjahre<br />

Am 22. November 1962 traf man sich um 16.15 Uhr zur ersten Sitzung<br />

im „Haus der jungen Arbeiter“ in Dornbirn. Es handelte sich um die<br />

„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande Vorarlberg“.<br />

Die Versammlung bestand aus Dr. Hermann Girardi, Dr. Adolf Würbel, Dr.<br />

Herbert Tschofen, Oswald Lenz, Hannelore Ulmer, Gerda Schelling, Edwin<br />

Böhler, Siegfried Lingenhel und Kaplan Emil Bonetti. Es ging um die Vorbereitung<br />

zur Konstituierung eines Vereins, der „keine Jugendbewegung“ sein<br />

wollte und der sich „nach den Grundsätzen der Subsidiarität“ zu orientieren<br />

versprach. Noch war man sich über den endgültigen Vereinsnamen nicht im<br />

Klaren und auch nicht über die konkreten Aufgabenbereiche. Einen Monat<br />

später kam man überein, dass man sich nur der „gefährdeten Jugend“ widmen<br />

und dies auch im Vereinsnamen zum Ausdruck bringen wollte.<br />

Bei der dritten Sitzung am 11. Jänner 1963 gab Schriftführer Dr. Herbert<br />

Tschofen bekannt, dass die Sicherheitsdirektion zwei Tage zuvor die<br />

„Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Lande Vorarlberg“<br />

als Verein nicht untersagt hatte. Damit begann die legale Tätigkeit<br />

des Vereins.<br />

Der Sitz des Vereins befand sich im „Haus der jungen Arbeiter“ in<br />

Dornbirn. Zweck des Vereins war die Betreuung der Jugend und die Zusammenarbeit<br />

mit all jenen Kräften und Einrichtungen, die sich bisher damit<br />

beschäftigt hatten. Außerdem versprach man die „Mitwirkung bei der Heranbildung<br />

einer seelisch, geistig und körperlich gesunden Jugend“. Insbesondere<br />

sollte die Vereinsarbeit der Familienförderung, der Vorbeugung und<br />

Behebung jugendlicher Verwahrlosung, der Resozialisierung jugendlicher<br />

Rechtsbrecher und der Sorge um jugendliche Arbeitskräfte und Pflegekinder<br />

gelten.<br />

Trotz klarer Vereinsstatuten dienten die folgenden Monate der weiteren<br />

Orientierung des Vereins. Man nahm Kontakte mit den Bezirkshauptmannschaften,<br />

der Katholischen Jugend und den Pfadfindern auf, suchte nach För-<br />

· 20 ·


IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />

derern des Vereins und arbeitete am Aufbau „örtlicher Arbeitskreise“ in den<br />

Städten des Landes. Der erste dieser Art entstand im März 1963 in Feldkirch.<br />

Entscheidend für den weiteren Weg der Arbeitsgemeinschaft war die am<br />

18. Mai stattfi ndende „Arbeitstagung“ in Dornbirn. Auf dieser sollte vor<br />

allem geklärt werden, warum auf dem Gebiet der „gefährdeten Jugend“<br />

überhaupt etwas getan werden musste und was der „Einzelne“ tun könne.<br />

Auch war man sich nicht im Klaren darüber, welche Organisationsformen<br />

die beste Wirkung besäßen.<br />

· 21 ·


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

Die Ergebnisse waren Mitte des Jahres vorhanden: „Es wird einhellig die<br />

Auffassung vertreten, dass dem Verein vorwiegend die allgemeinen Aufgaben<br />

zukommen, während die Einzelbetreuung Jugendlicher zum überwiegenden<br />

Teil von den örtlichen Arbeitskreisen zu übernehmen ist.“ Weitere<br />

wichtige Punkte galten der anzustrebenden Öffentlichkeitsarbeit und der<br />

Werbung für den Verein und seine Zielsetzungen. In Vorarlberg werde<br />

„zwar vielfach von der Jugend bzw. über die Jugend gesprochen, eine allgemeine,<br />

ernsthafte und bewusst helfen wollende Einstellung sei noch keineswegs<br />

Allgemeingut“.<br />

· 22 ·


IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />

Im Laufe des Sommers 1963 waren neben Feldkirch auch in Bludenz, Dornbirn<br />

und Bregenz „Arbeitskreise“ entstanden, denen sich ein neues Problem<br />

stellte: die Schulung der freiwilligen Helfer für die praktische Sozialarbeit.<br />

Ing. Sepp Büsel wünschte sich für die theoretische Ausbildung die Behandlung<br />

folgender Themen: die Stellung der Familie, die Umwelt, Aufgaben<br />

von Jugendorganisationen, „Verantwortung vor Gott und dem bürgerlichen<br />

G esetz“.<br />

Im Vereinsjahr 1964 wurde eine Reihe von Fortbildungsveranstaltungen<br />

abgehalten, welche der Ausbildung von Heimleitern und Fürsorger innen<br />

· 23 ·


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

galten. Dabei stellte sich das Problem der Finanzierung der Referenten,<br />

welche für einen Vortrag 100 Schilling (7 Euro) erhielten. Es war ein großer<br />

Fortschritt, als die Landesregierung einen Unterstützungsbeitrag von 15.000<br />

Schilling (rund 1100 Euro) bereitstellte und dass vor allem Landeshauptmann<br />

Dr. Herbert Keßler „der Tätigkeit des Vereins sehr wohlwollend“<br />

gegenüberstand, „was für das Ansehen und die finanzielle Ausrichtung des<br />

Vereins sehr zu schätzen ist. Es wird allgemein gutgeheißen, diese Kontakte<br />

weiter zu pflegen“. Dennoch mahnte Adolf Würbel am Ende des Vereinsjahres,<br />

die „Arbeitsgemeinschaft für private Jugendhilfe“, wie sich der Verein<br />

mittlerweile nannte, müsse endlich „auf eine solide finanzielle Basis gestellt<br />

werden“. Dies war umso notwendiger, als man die Anstellung zweier hauptberuflicher<br />

Kräfte vorsah.<br />

In den folgenden Jahren arbeitete der Verein unter seinem Vorsitzenden,<br />

Bürgermeister Dipl. Ing. Rudolf Ammann aus Rankweil, der zugleich auch<br />

Sektionsobmann der Sektion „Gewerbe“ in der Vorarlberger Handelskammer<br />

war, in den vorgegebenen Strukturen weiter.<br />

Die praktische sozialarbeiterische Tätigkeit wurde von wenigen Helfern<br />

durchgeführt, die sich meist mit Einzelfällen beschäftigten. Wie wenig man<br />

sich eigentlich über die Grundprinzipien und Vorgangsweisen des Vereines<br />

im Klaren war, beweist ein Diskussionspunkt auf der Vorstandssitzung vom<br />

7. Juli 1967. Gründungsmitglied Kaplan Bonetti warf die Frage auf, „ob die<br />

Arbeitsgemeinschaft eine Vereinigung zur Betreuung der Jugend oder eine<br />

Jugendbewegung“ darstelle. Es wurde klargestellt, dass es eine Vereinigung<br />

zur Betreuung der Jugend sei.<br />

Der Nachfolgeverein Institut für Sozialdienste<br />

Diesen unklaren Verhältnissen machte das Jahr 1971 ein endgültiges Ende.<br />

Am 22. Jänner fand ein Arbeitsgespräch statt, an dem Hermann Girardi,<br />

Sepp Büsel und Rita Ilg beteiligt waren. Sie legten ein neues Vereinsstatut<br />

vor, welches als wichtigste Zielsetzungen eine Ausweitung der Tätigkeiten<br />

und die Bildung eines mit prominenten Personen besetzten „Kuratoriums“<br />

vorsah. Darunter befanden sich Landeshauptmann Dr. Herbert Keßler, der<br />

sozialistische Landesrat Dr. Walter Peter und Vertreter der katholischen wie<br />

auch protestantischen Kirche.<br />

· 24 ·


IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />

Was war geschehen? Seit<br />

„mindestens zwei Jahren“<br />

hatte keine Mitgliederversammlung<br />

mehr stattgefunden<br />

und der Vereinsvorstand<br />

war nicht mehr „entlastet“<br />

worden, zudem gab es über<br />

die geleistete Arbeit keine<br />

Rechenschaftsberichte.<br />

Der Schriftverkehr wurde<br />

dezentral von verschiedenen<br />

Personen geführt. An praktizierenden<br />

Einrichtungen<br />

bestand seit 1969 eine einzige<br />

Anlaufstelle für Erziehungs-<br />

und Jugendberatung<br />

in Bregenz, die nur von einer<br />

Arbeitskraft besetzt war.<br />

In Zukunft sollte die neue<br />

Vereinstätigkeit wesentlich<br />

ausgeweitet werden: auf Ehe-<br />

und Familienberatung sowie<br />

auf Altenhilfe. Zu den dringlichsten<br />

Aufgaben zählte man<br />

eine verstärkte Ausbildung<br />

der Sozialhelfer, die Schaffung eines Wohnheimes für gefährdete Jugendliche<br />

und eine Ausweitung des Helfer- und Mitarbeiternetzes.<br />

Um all diese Pläne verwirklichen zu können, bedurfte es endlich einer<br />

g eordneten Verwaltung und organisatorischen Leitung. Dies geschah durch<br />

die Anstellung des bisher bei der Landwirtschaftskammer für Vorarlberg<br />

t ätig gewesenen Sepp Büsel. Rita Ilg arbeitete als erste hauptberufl iche<br />

Sozial arbeiterin.<br />

Der Verein „Institut für Sozialdienste“ entsteht<br />

Die IfS-Präsidenten: 1971-1981 Dipl. Ing. Rudolf Amann (l.o.),<br />

1981-1995 Prof. Hans Sperandio, 1995-1998 Dr. Anton Fliri,<br />

1999-2006 Gerhard Köhlmeier (r.u.)<br />

In der Sitzung vom 23. März 1971 wurde in Anwesenheit von Dipl.-Ing.<br />

Rudolf Ammann, Dr. Margit Seyfried, Edwin Böhler, Dr. Elmar F ischer,<br />

Dr. Hermann Girardi, Dr. Günther Hagen, Siegfried Lingenhel und<br />

· 25 ·


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

Dir. Manfred Schnetzer ein neuer Verein aus der Taufe gehoben: Als Nachfolger<br />

der „Arbeitsgemeinschaft für Private Jugendhilfe“ war das „Institut<br />

für Sozialdienste – Private Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Erziehungsberatung,<br />

Eheberatung, Altenhilfe“ entstanden. Die Bewilligung durch die<br />

Sicherheitsdirektion erfolgte am 1. April 1971.<br />

Gemäß den Vereinsstatuten hatte das neue „Institut für Sozialdienste“<br />

seinen Sitz in Bregenz und erstreckte seine Tätigkeit auf das Land Vorarlberg.<br />

Das IfS, wie es kurz genannt wurde, sah seine Tätigkeit im Rahmen der<br />

freien Wohlfahrtspflege ausschließlich für gemeinnützige Zwecke und als<br />

politisch sowie konfessionell unabhängige Einrichtung. Im Statut wurden<br />

jene Aufgaben festgelegt, welche für die kommenden Jahrzehnte zur Grundlage<br />

und Ausrichtung der Vereinsarbeit werden sollten:<br />

• Beratungsdienste für Jugendliche, alleinstehende Frauen, alte Leute, Ehen<br />

und Familien<br />

• Befürsorgung von Sozialhilfebedürftigen<br />

• Förderung außerschulischer Jugendarbeit<br />

• Aus- und Fortbildung des Beratungs- und Betreuungspersonals<br />

• Einrichtung sozialer Dienste<br />

• Forschung und Planung für die Wohlfahrtspflege<br />

• Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Wohlfahrtspflege<br />

• Einrichtungen und Maßnahmen mit Modellcharakter und<br />

• die Herausgabe von Publikationen und Zeitschriften bezüglich Wohlfahrtspflege<br />

Professionalisierung und Satzungsänderungen<br />

1973 begann der Verein mit seiner professionellen Arbeit und ab 1975<br />

erfolgte eine dynamische Entwicklung der Vereinsaktivitäten, die ab 1977<br />

insbesondere durch den Geschäftsführer Manfred Dörler betrieben und<br />

gefördert wurde. Die Entwicklung betrafen die vielfältigen Beratungsdienste<br />

für verschiedenste Gruppen, den Ausbau von Beratungsstellen, den Aufbau<br />

von Jugend-Wohngemeinschaften und die Verwirklichung von neuen Projekten.<br />

Mit der Ausweitung der Tätigkeitsfelder stiegen auch die finanziellen<br />

Ausgaben des Vereins kontinuierlich an. Um diese Ausgaben zu legitimieren<br />

und die vorhandenen Ressourcen sparsam einzusetzen, wurden dem Institut<br />

für Sozialdienste und seinem Trägerverein im Jahr 1982 neue Satzungen<br />

· 26 ·


IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />

und eine neue Geschäftsordnung<br />

gegeben. Damit wollte<br />

man auch der personellen und<br />

regionalen Ausweitung des<br />

Vereins sowie der Vermehrung<br />

seiner Aufgaben entsprechen.<br />

Gleich geblieben waren<br />

jedoch die grundlegenden<br />

Prinzipien dieses in Österreich<br />

einmaligen Vereins, der weitgehend<br />

Aufgaben der öffentlichen<br />

Hand übernommen hatte<br />

und „Modellcharakter“ besaß.<br />

Sein Motto hieß: „Weniger<br />

Staats- mehr Eigeninitiative<br />

auch im Dienstleistungsbereich<br />

der Sozialarbeit – Subsidiarität,<br />

Unabhängigkeit von<br />

politischen Parteien und von<br />

konfessionellen B indungen<br />

kommen hier in unserer<br />

G esellschaft Benachteiligten<br />

zugute.“<br />

Im IfS war fi x ein Vorstand<br />

installiert worden. Den ersten<br />

Vereinsvorstand bildeten<br />

Sepp Büsel (bis 1981), Dr.<br />

Erika Neumann (bis 1983)<br />

und Hedwig Gmeiner (bis<br />

1985). In der Folge gehörten<br />

diesem Vorstand des Weiteren<br />

mit unterschiedlicher Dauer<br />

an: Manfred Dörler (1977-<br />

1995), Dr. Stefan Allgäuer<br />

(1983-1995), Ulrike Tschofen<br />

(1988-1990) und Julius Schedl<br />

(1989-1992).<br />

1974 Dr. Erika Neumann<br />

· 27 ·<br />

Führende IfS-Mitarbeiter-<br />

Innen: Ulrike Tschofen (l.o.),<br />

Julius Schedl, Erika Neumann


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

1978: Institut für Sozialdienste im „Vorarlberg Bericht“ (Mitte Mag. Helmut Spirk)<br />

Wie sehr das Land an der Tätigkeit des IfS interessiert war, bewiesen s eine<br />

Rahmenvereinbarungen mit diesem im Oktober 1992. Sie regelten die<br />

Z usammenarbeit hinsichtlich gemeinsamer sozialpolitischer Zielsetzungen<br />

und Grundsätze, ferner die Aufgabenteilung, Koordination, die Information<br />

und schließlich die Finanzierung und Kontrolle der Leistungen.<br />

Zu weit reichenden Satzungsänderungen<br />

kam es im<br />

November 1994: Der Dienstleistungsbereich<br />

wurde aus<br />

dem Verein ausgegliedert und<br />

in eine gemeinnützige GmbH<br />

umgewandelt. Die Größe des<br />

IfS, Haftungsfragen und die<br />

Forderung nach effi zienteren<br />

Organisationsformen waren<br />

für diese Veränderung aus-<br />

Prof. Hans Sperandio (links) mit Manfred Dörler schlaggebend. In der Folge<br />

· 28 ·


IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />

wurden die beiden Fachgruppen,<br />

die IfS-Schuldenberatung<br />

und die IfS-Familienarbeit<br />

verselbständigt. Für die IfS-<br />

Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft<br />

wurde ein<br />

eigener Verein gegründet, da<br />

eine Trägerschaft durch eine<br />

GmbH gesetzlich nicht möglich<br />

war.<br />

Die vorgenommenen<br />

Änderungen im November<br />

1994 hatten sich gelohnt:<br />

Das I nstitut für Sozialdienste<br />

war fl exibler geworden, die<br />

Entscheidungsprozesse in<br />

den selbständigen Bereichen<br />

erwiesen sich als einfacher und<br />

schneller, außerdem arbeiteten<br />

die kleineren Einheiten kostengünstiger<br />

und sparsamer.<br />

Hinter diesen Innovationen<br />

standen ganz wesentlich die IfS-Mitgliederversammlung<br />

beiden damaligen Geschäftsführer<br />

des IfS, Manfred Dörler und Dr. Stefan Allgäuer. Beide hatten die<br />

Auffassung vertreten, dass sich eine Organisation permanent verändern und<br />

sich neuen Gegebenheiten anpassen müsse. Auch habe sich das Management<br />

laufend Gedanken über die nähere und weitere Zukunft zu machen.<br />

Sie befürchteten die Entsolidarisierung und Vereinsamung der Menschen,<br />

ihre Aufteilung in eine „Zweidrittel-Gesellschaft“, was Arbeit, Einkommen<br />

und Umwelt betreffe, und wünschten sich vor allem einen „entkrampften<br />

Umgang mit Fremden in unserem Land“.<br />

In den folgenden Jahren stiegen die KlientInnenzahlen des IfS kontinuierlich<br />

an. 1994 nahmen insgesamt 13.483 Personen die Beratungsangebote<br />

des IfS in Anspruch. Im Jahr 2000 war die GesamtklientInnenzahl bereits auf<br />

21.782 angestiegen. Im Jahr 2005 kontaktierten 28.172 VorarlbergerInnen<br />

das IfS und im Folgejahr waren es bereits 30.338 Menschen. Problemfelder<br />

hatten sich in den vergangenen Jahren ausgeweitet. Immer mehr Menschen<br />

litten an psychosomatischen Erkrankungen und Burnout-Erscheinungen.<br />

Langjähriger Sitz des IfS Vorarlberg; Bregenz, Römerstraße<br />

· 29 ·


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

1995: IfS-Geschäftsführer und IfS-Präsident Dr. Anton Fliri (mitte)<br />

Des Weiteren vollzog sich eine Sensibilisierung gegenüber Gewalt, woraus<br />

eine Intensivierung der Opferschutzarbeit resultierte. Ein weiteres Problem<br />

stellte die „Schuldenfalle“ dar, in welche vor allem Jugendliche auf Grund<br />

ihrer Konsumansprüche tappten. Im Zusammenhang mit Wirtschaftsrezession<br />

und Arbeitslosigkeit trat eine verdeckte Armut in Erscheinung.<br />

Das Institut für Sozialdienste und sein Wirken im sozialen Netz<br />

Die Entwicklung des sozialen Netzes in Vorarlberg wurde in den vergangenen<br />

Jahrzehnten durch viele kleine Initiativen und einige große Sozialorganisationen<br />

(wie die Caritas, das IfS und die Lebenshilfe) beeinfl usst und<br />

vorangetrieben. Heute wird die soziale Arbeit im Netzwerk Vorarlberg von<br />

einer Vielzahl an Partnern – Gemeinden, Sozialeinrichtungen und Vereine<br />

– geleistet (vgl. Sozialbericht 2006 des Landes Vorarlberg – dieser weist für<br />

das Jahr 2005 283 Sozialorganisationen bzw. Soziale Dienste aus, die insgesamt<br />

7.512 hauptamtliche MitarbeiterInnen beschäftigen).<br />

In all den Jahren zeichneten sich die Arbeit und das Handeln der Mitarbeiterinnen<br />

und Mitarbeiter des IfS durch Sensibilität und Kompetenz aus.<br />

Dem in der Bevölkerung vorhandenen Bedarf an sozialen Leistungen wurde<br />

mit der Erstellung neuer Konzepte für bedarfsgerechte Angebote begegnet.<br />

· 30 ·


IfS-Geschichte Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen<br />

Ein solches Vorgehen wurde<br />

durch die innovationsfördernden<br />

Strukturen des Institut<br />

für Sozialdienste unterstützt<br />

und erleichtert. So lässt sich<br />

auch das stetige Anwachsen<br />

der Organisation erklären – in<br />

der Bevölkerung vorhandener<br />

Bedarf wurde durch neu<br />

entwickelte Konzepte, deren<br />

Umsetzung von Auftraggebern<br />

wie Land Vorarlberg und<br />

Bund als wichtig und erstrebenswert<br />

erachtet wurden,<br />

gedeckt.<br />

Doch das IfS hat in der<br />

Vergangenheit auch immer<br />

wieder bewiesen, dass es offen<br />

für Kooperation im sozialen<br />

Netz ist und nicht das Ziel<br />

verfolgt, eine Vormachtstel- 1992: 30 Jahre Institut für Sozialdienste<br />

lung einzunehmen. Beispiele<br />

hierfür sind die Zusammenarbeit mit eVORIS – Soziale Dienstleister Vorarlberg<br />

gGmbH, dem aks und der Plattform Gesundheitsförderung sowie<br />

die Beteiligung am Aufbau des Arbeitgeberverbandes. Die eVORIS ist eine<br />

Kooperataion von Lebenshilfe, Caritas, ABF und IfS und hat den Arbeitsmarkt<br />

für benachteiligte Menschen als Schwerpunkt. Zudem startete das IfS<br />

zusammen mit der Caritas, der Lebens hilfe, der Pädagogische Akademie und<br />

der Stadt Feldkirch das Modell „Soziale Berufsorientierung“ für junge Menschen,<br />

aus dem sich in der Folge das „Freiwillige Soziale Jahr“ entwickelte.<br />

Das Institut für Sozialdienste war im Laufe seiner Entwicklung in den Proponenten-<br />

und Gründerkomitees mehrerer wichtiger sozialer Einrichtungen<br />

vertreten. Stets zählte die Unterstützung und Förderung anderer sozialer<br />

Strukturen und Entwicklungen zu seinen Bestrebungen. So unter stützte<br />

das IfS beispielsweise den Aufbau des Vorarlberger Landeszentrum für<br />

Hörgeschädigte, der Akademie für Sozialarbeit, der Telefonseelsorge (TS),<br />

der Sozialsprengel Hard und Feldkirch, der Krankenbegleitung der Diözese<br />

F eldkirch und den Aufbau der Patientenanwaltschaft.<br />

· 31 ·


Die Entwicklung des IfS und seine Satzungen IfS-Geschichte<br />

Im April 1992 wurde die Einrichtung „aha – Tipps und Infos für junge<br />

Leute“ in Dornbirn eröffnet. Das Konzept dazu erstellte das IfS mit dem<br />

Land Vorarlberg und der Stadt<br />

Dornbirn. Ziel dieses ersten<br />

Jugendinformationszentrums<br />

Vorarlbergs war es, Jugendlichen<br />

„Hilfe zu Selbsthilfe“<br />

zu bieten, ihnen Zugang zu<br />

Informationen über sämtliche<br />

Lebensbereiche und damit<br />

eine aktive Lebensgestaltung<br />

und persönliche Entfaltung zu<br />

1992: aha - Tipps und Infos für junge Leute ermöglichen. Solche Informationen<br />

betrafen z. B. Bereiche<br />

wie Urlaub, Freizeit, Ferialarbeit, Jugendaustausch, Sprachkurse usw. Durch<br />

die 1995 erweiterte Infrastruktur wie Internet und E-Mail wurden die internationalen<br />

Kontaktmöglichkeiten intensiviert. Dass das Jugendinformationszentrum<br />

auch angenommen wurde, beweisen die Besucherzahlen, die<br />

sich allein im Jahr 1997 auf rund 10.000 beliefen.<br />

Des Weiteren ist das IfS<br />

im Kriseninterventionsteam<br />

(KIT) und an der „Plattform<br />

Gesundheitsförderung“ maßgeblich<br />

beteiligt. Auch die<br />

Gründungen von EASPD<br />

(Dachverband der Behinderteneinrichtungen<br />

in der EU)<br />

und des Vereins „Möwe“ fand<br />

t atkräftige U nterstützung<br />

durch das IfS. Zudem betei-<br />

2002: 40 Jahre IfS mit LH Sausgruber<br />

ligte es sich darüber hinaus<br />

am Aufbau des IGK (heute connexia), der österreichweiten Arbeitsgemeinschaft<br />

für Schuldenberatung, der österreichweiten Arbeitsgemeinschaft für<br />

Arbeitsassistenz und des Dachverbandes der Österreichischen Jugendwohlfahrtsträger<br />

(DÖJ).<br />

· 32 ·


IfS-Geschichte Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />

Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />

Sozialpolitische Prinzipien<br />

Als Leitgedanke für die soziale Gesetzgebung hatte sich das Land Vorarlberg<br />

für das Prinzip der Subsidiarität entschieden. Dies bedeutet, dass Regierung<br />

und Verwaltung zwar kontrollieren, koordinieren und fi nanzieren, die praktische<br />

Sozialarbeit jedoch privatrechtlichen Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfl<br />

ege überlassen werden sollte.<br />

Was die arbeitsorientierten Leitlinien des IfS betraf, so beruhten diese<br />

auf folgenden Grundsätzen: jenen der Professionalität, der Nahraum-<br />

O rientierung, der Kooperation und Koordination und schließlich auf jenen<br />

der sozialpolitischen Grundlagenarbeit.<br />

Auf der Nahraum-Ebene bemühte sich das IfS, diverse soziale Aktivitäten<br />

im lokalen Bereich (Sozialsprengel, gesunde Lebensräume kommunale<br />

Gemeinwesenprojekte) anzuregen, zu unterstützen, zu begleiten und diese<br />

mit fachlichen Informationen zu versehen. 1991 wurde das „IfS-PRO-Team“<br />

gegründet, das im Folgejahr mit seiner Tätigkeit startete. PRO machte es<br />

sich zur Aufgabe, Gemeinden, Regionen oder sonstige Gruppierungen im<br />

Sozialbereich bei Entwicklungsprojekten wie der Situationsanalyse, Zielsetzung,<br />

Maßnahmenplanung und Evaluation zu begleiten und zu unterstützen.<br />

Dabei erstellte das „PRO-Team“ die erforderliche Expertise, sorgte für<br />

Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit und vermittelte erforderlichenfalls<br />

zwischen den Beteiligten.<br />

Diskussion mit LR Dr. Hans Peter Bischof HR Dr. Ludwig Rhomberg<br />

· 33 ·


Leitlinien und Tätigkeitsbereiche IfS-Geschichte<br />

1995: Besuch des Sozialausschusses des Vorarlberger Landtages<br />

Die alltägliche, praktische Arbeit führte zu verschiedensten Kontakten,<br />

a ngefangen von Politikern und Beamten (so z. B. mit dem Leiter der Abteilung<br />

IVa der Vorarlberger Landesregierung Dr. Ludwig Rhomberg) bis zu<br />

den betreuten Gruppen. Die dadurch erhaltenen Informationen und Erfahrungen<br />

verlangten, neue Wege zu gehen und Lösungen zu fi nden, und boten<br />

schließlich manche Orientierung für Zielsetzungen und Entscheidungen der<br />

Landtags- und Regierungspolitik.<br />

Das Angebot des IfS<br />

Ein Arbeitsschwerpunkt des IfS lag auf den fachlich qualifi zierten und effi -<br />

zienten Beratungsdienstleistungen, die in den einzelnen IfS-Beratungsstellen<br />

organisiert waren. Solche Beratungsstellen entstanden zwischen 1973<br />

und 1978 zuerst in den Städten Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz<br />

und wurden in den folgenden Jahrzehnten auf den Bregenzerwald (erst in<br />

A ndelsbuch, später in Egg), Hohenems sowie die Außenstelle Kleinwalsertal<br />

ausgedehnt. In Regionen wie beispielsweise dem Montafon oder dem<br />

K lostertal wurden zeitweise bedarfsorientiert Sprechstunden angeboten.<br />

· 34 ·


IfS-Geschichte Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />

Die Einrichtung der Außenstellen erfolgte bedarfsorientiert. Nach erfolgreicher<br />

Deckung des vorhandenen Bedarfs wurden die Stellen in den Talschaften<br />

Klostertal und Montafon wieder aufgelassen.<br />

Die IfS-Beratungsstellen sollten ohne Schwierigkeiten erreichbar sein<br />

und neben Informationen auch länger dauernde Therapien anbieten. Eine<br />

interdisziplinäre Zusammenarbeit mit anderen Sozialinstitutionen wurde<br />

angestrebt.<br />

Die kleinen Arbeitseinheiten des IfS, personell, organisatorisch und<br />

finanziell überschaubar, trugen dazu bei, dass die Hilfe- und Ratsuchenden<br />

ihre Schwellenangst zu reduzieren vermochten und frühzeitig angesprochen<br />

werden konnten. Gegenüber den KlientInnen entwickelten sich einige<br />

grundlegende Verhaltensprinzipien. Dazu zählten die Wahrung der Anonymität,<br />

die Versuche, die KlientInnen auf verschiedenen Ebenen und Wegen<br />

anzusprechen, und die Freiwilligkeit der Beratung.<br />

Fachlich gliederte sich das IfS Anfang der 1980er Jahre in folgende Bereiche:<br />

An den IfS-Beratungsstellen fächerte sich das Angebot in Erziehungs- und<br />

Jugendberatung, Ehe- und Erwachsenenberatung, Familienberatung und<br />

Familienplanung auf. Weitere Tätigkeitsfelder des IfS waren die berufliche<br />

und soziale Rehabilitation von Menschen mit Behinderungen, die Betreuung<br />

von sozialpädagogischen Wohngemeinschaften sowie die Sozial- und<br />

Gemeinwesenarbeit. Die praktische und dezentral durchgeführte Arbeit<br />

erstreckte sich auf alle Gemeinden.<br />

Anfänglich stand ein Teil der Vorarlberger Bevölkerung den Tätigkeiten<br />

des IfS skeptisch gegenüber. Lange Zeit wurde die allgemeine Meinung<br />

vertreten, Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter würden lediglich sozial<br />

gestrauchelte Personen, Menschen, die ihr Leben „nicht in den Griff bekommen“,<br />

betreuen. Im Jahr 2000 konnte jedoch ein grundlegender Wandel<br />

der öffentlichen Meinung, nämlich hin zu „breiter Wertschätzung“, konstatiert<br />

werden. Durch die Entwicklung neuer Methoden und Prinzipien<br />

erhielt Sozialarbeit einen neuen Stellenwert. Dank des Grundsatzes „Hilfe<br />

zur Selbsthilfe“ standen nicht länger Abhängigkeitsverhältnisse und Bevormundung<br />

im Vordergrund, sondern die Selbstbestimmung der Klientin bzw.<br />

des Klienten sowie das neuerliche Finden von eigenen Kräften und Ressourcen.<br />

· 35 ·


Leitlinien und Tätigkeitsbereiche IfS-Geschichte<br />

Finanzen<br />

Zehn Jahre nach der Gründung des IfS beliefen sich dessen Ausgaben im Jahr<br />

1982 auf ca. 31 Millionen Schilling (rund 2,3 Millionen Euro). Bis 1996 war<br />

der Gesamtumsatz auf 108 Millionen Schilling (rund 7,8 Millionen Euro)<br />

angewachsen. Die Kosten wurden entsprechend der Gesetzeslage vom Land<br />

Vorarlberg, von den Gemeinden, vom Bund aber auch von Eigenerlägen der<br />

KlientInnen aufgebracht. Die grundlegenden öffentlichen Verpflichtungen<br />

ergaben sich als Folge der Sozialhilfe-, der Jugendwohlfahrts- und Rehabilitationsgesetze.<br />

Mit Beginn des Jahres 1986 übernahm Mag. Klaus Kühne die Zuständigkeit<br />

für den finanziellen Bereich des IfS. Das finanzielle Risiko für die<br />

enormen Beträge wurde vom IfS getragen, es übernahm somit die volle Verantwortung<br />

über einen eventuellen finanziellen Abgang. Um einen solchen<br />

zu verhindern, gab es seit 1986 eine EDV-basierte Kostenrechnung samt<br />

„Controlling“. Das IfS war daher in der Lage, jeden „Fall“ einzeln abzurechnen<br />

und die notwendigen Vergleiche zwischen Aufwand und Ertrag anzustellen.<br />

Im Prinzip arbeitet das IfS auf der betriebswirtschaftlichen Basis<br />

gewinnorientierter Dienstleistungsbetriebe. Die Bilanzen werden jährlich<br />

durch unabhängige Wirtschaftstreuhänder, periodisch durch das Finanzamt,<br />

die Gebietskrankenkasse sowie durch die Kontrollabteilung des Amtes der<br />

Vorarlberger Landesregierung überprüft. Seit 2000 gibt es eine zusätzliche<br />

Prüfungsvereinbarung mit dem Land Vorarlberg, die besagt, dass der Rechnungshof<br />

die Bilanzen des IfS überprüfen darf. Des Weiteren bestehen für<br />

all jene Aufgabengebiete, die im Auftrag des Bundes ausgeführt werden,<br />

Vereinbarungen, die die Kontrolle durch die zuständigen Bundesministerien<br />

regeln.<br />

Die Finanzgebarung des Jahres 1996 liefert einen Überblick über die<br />

jeweiligen Ausgaben der einzelnen Arbeitsschwerpunkte: Mit 49,7 Millionen<br />

Schilling (3,6 Millionen Euro) standen an erster Stelle die Kosten<br />

für die sieben Beratungsstellen. An zweiter Stelle folgten mit 22 Millionen<br />

Schilling (1,6 Millionen Euro) die Ausgaben für die Arbeit mit Menschen<br />

mit Behinderungen. Sodann gab es Ausgaben von 20,6 Millionen Schilling<br />

(1,5 Millionen Euro) für die vier sozialpädagogischen Wohngemeinschaften<br />

und 5,9 Millionen Schilling (430 000 Euro) für „soziale Wohnformen“.<br />

Zwei Jahre später betrug der Gesamtumsatz 116,3 Millionen Schilling,<br />

was etwa 8,5 Millionen Euro entspricht. Diese Zahlen erhöhten sich im Jahr<br />

2006 auf 16,73 Millionen Euro und stiegen somit auf das Doppelte an. Als<br />

· 36 ·


IfS-Geschichte Leitlinien und Tätigkeitsbereiche<br />

Ursachen können unter anderem die Übernahme neuer Aufgabenbereiche<br />

und die ständig wachsenden KlientInnenzahlen angeführt werden: Während<br />

im Jahr 1998 18.076 Personen beraten wurden, fanden 2006 bereits 30.338<br />

Menschen den Weg in das IfS, wobei vor allem die Erwachsenenberatung<br />

und in bisher kaum bekanntem Ausmaß die Schuldenberatung das größte<br />

Wachstum aufwiesen.<br />

Organisation<br />

Wenn auch das Organigramm des Institut für Sozialdienste eine klare Struktur<br />

aufweisen mag, so verhält es sich in der Praxis und im Alltag anders.<br />

Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer erläuterte dies wie folgt: „Das IfS hat<br />

keine starre Struktur. Vielmehr ist das IfS eine lebendige Organisation, die<br />

in ihrem Wirken stark durch die Persönlichkeiten jener Menschen, die hier<br />

arbeiten, geprägt ist. Es gibt nicht das Produkt der ‚Beratung‘, der ‚Begleitung‘,<br />

der ‚Psychotherapie‘. Vielmehr ist dieses Produkt geprägt und gestaltet<br />

durch die (unterschiedlich) handelnden Personen und deshalb immer<br />

wieder anders, individuell und einmalig.“<br />

Durch ein solches Agieren gelang es dem IfS über all die Jahre hinweg,<br />

die weltanschauliche Unabhängigkeit von politischen Strukturen aufrecht<br />

zu erhalten. Es gelang,<br />

abseits von theoretischen<br />

Überlegungen<br />

eine zukunftsorientierte,experimentierende,<br />

dynamische<br />

und weltoffene soziale<br />

Arbeit zu leisten, die<br />

sich nicht unbeweglichen<br />

und dogmatischen<br />

Verhaltensmustern<br />

verpflichtet fühlte,<br />

sondern einer lebendigen<br />

und humanen<br />

Gegenwart.<br />

· 37 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Soziale Dienstleistungen<br />

In Vorarlberg entwickelte sich im Laufe der Jahre auf der Basis der Grundsätze<br />

und Ziele der Vorarlberger Landespolitik eine Aufgabenteilung im<br />

Bereich der sozialen Dienstleistungen. Man spricht von den drei Ebenen der<br />

psycho-sozialen Versorgung: die Ebene des „Nahraumes“, jene der „Professionellen<br />

Fachdienste“ (ambulant und stationär) sowie die Ebene von „Staat,<br />

Land und Gemeinden“.<br />

Die Ebene des „Nahraumes“ umfasst Familien, Selbsthilfe, primäre Netze<br />

(wie Nachbarschaftshilfe, Hauskrankenpflege, Gesunder Lebensraum, Sozialsprengel,<br />

Aktivitäten der Gemeinwesenarbeit und Vereine), gemeindenahe<br />

soziale Strukturen und erste professionelle Dienstleistungen. Auf dieser<br />

Ebene wird eine Ergänzung der primären Netze sowie eine Vernetzung und<br />

Koordination vor Ort angestrebt. Der Bedarf an sozialen Dienstleistungen<br />

lässt sich im Nahraum aufgrund der Nähe und Betroffenheit erfassen.<br />

Längerfristige Kontakt- und Betreuungsaufgaben werden auf dieser Ebene<br />

wahrgenommen (z. B. Mobile Hilfsdienste und Betreuung alter Menschen,<br />

sozial-psychiatrische Begleitung, Tagesstruktur für Menschen mit Behinderungen).<br />

Die Unterstützung von Ehrenamtlichen, sozialen Kampagnen und<br />

Erhebungen werden forciert, eine Stärkung der kommunalen Kompetenz<br />

und Verantwortung angestrebt.<br />

Auf der Ebene der „Professionellen Dienstleistungen“ sind bedarfsgerechte,<br />

qualifizierte Fachdienste angesiedelt, die den Kriterien „Qualität“<br />

und „Akzeptanz“ zu genügen haben. Zu nennen wären hier für das Land<br />

Vorarlberg der aks, die Caritas, das Institut für Sozialdienste, die Lebenshilfe<br />

und das Vorarlberger Kinderdorf. Das Angebot dieser professionellen<br />

Dienstleister umfasst soziale Dienste, ambulante Interventionen bzw. Maßnahmen,<br />

stationäre Angebote sowie Übergangs- und Mischformen aus den<br />

eben genannten Angeboten. In Vorarlberg zeichnet sich diese zweite Ebene<br />

durch eine umfassende Struktur von sozialen Dienstleistungen aus, wobei<br />

teilweise das Prinzip der Bündelung von Leistungen bei „großen“ Trägern<br />

verfolgt wird. Somit sind ein generalistischer Zugang sowie eine Differenzierung<br />

nach innen gegeben. Die professionellen Dienstleistungen haben keine<br />

· 38 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

finanziellen Zugangsbarrieren, der Gedanke der „Prävention“ spielt eine<br />

vorherrschende Rolle in der Ausgestaltung der sozialen Dienstleistung.<br />

Aufgaben der „öffentlichen Hand“ sind auf der dritten Ebene „Staat,<br />

Land, Gemeinden“ insbesondere die Formulierung von Zielvorgaben, die<br />

Planung und Koordination sozialer Dienstleistungen sowie deren Finanzierung<br />

und die Durchführung des Controllings. Das Land Vorarlberg hat<br />

sich auf diese Aufgaben beschränkt und ist daher im Sozialbereich nicht als<br />

Dienstleister tätig. Ausnahmen hiervon sind hoheitliche Aufgaben wie die<br />

Jugendwohlfahrt, die Finanzierung (wie beispielsweise die offene Sozialhilfe)<br />

sowie kommunale Pflegeheime.<br />

Kinder<br />

Allgemeine „Kinderfürsorge“<br />

Die Kinderfürsorge des Landes Vorarlberg stellte in den ersten Jahrzehnten<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg einen wichtigen Bestandteil der sozialen<br />

Verwaltung dar. Sie wirkte sich auf die verschiedensten Bereiche aus: Die<br />

so genannte „geschlossene Fürsorge“ unterstützte Kinder mit Behinderungen<br />

in diversen Anstalten. Kinderbeihilfen gingen an Pflegekinder und<br />

TBC-kranke Familien, außerdem wurden Schülerausspeisungen, „Auslands-<br />

Kinderverschickungen“ und Kinderferienheime unterstützt. Das Land hatte<br />

sich auch um das Pflegekinderwesen, Amtsvormundschaften und Alimente<br />

zu kümmern. In den Gemeinden erfuhren die seit den 1950er Jahren bestehenden<br />

Säuglingsfürsorge- und Mutterberatungsstellen finanzielle Hilfe.<br />

In Vorarlberg zeigte die Sorge um die Betreuung gefährdeter Kinder nach<br />

1945 drei bestimmte Trends: Um die Wirtschaftlichkeit des sozialen Systems<br />

zu gewährleisten, versuchte man über die therapeutisch-stationäre Betreuung<br />

hinaus die vorbeugende Beratung auszubauen. Außerdem entsprach es<br />

dem weltanschaulichen Prinzip der Landes-ÖVP, wenn sie Erziehung und<br />

Betreuung von Kindern nicht allein den Schulen überlassen wollte. Im Sinne<br />

ihres Subsidiaritätsprinzips sollten Eltern und Familien primär zu erhöhter<br />

Verantwortung herangezogen werden und dies unter dem Gesichtspunkt<br />

der „Hilfe zur Selbsthilfe“. Außerdem wünschte man sich Privatinitiativen<br />

informeller Gruppen und Vereine. Das IfS entsprach somit voll und ganz<br />

diesen Vorstellungen.<br />

· 39 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Daneben wirkten auch private Einrichtungen der Kinderfürsorge, die in Vorarlberg<br />

erst seit den 1960er Jahren entstanden. Im Jahr 1985 waren diese<br />

Einrichtungen auf drei Ebenen tätig: vorbeugend, beratend (ambulant und<br />

therapeutisch) sowie stationär. Zu letzteren zählten vor allem die Heilpädagogische<br />

Station Carina, Mutter-Kind-Heime und die sozialpädagogischen<br />

Wohngemeinschaften des IfS.<br />

Aufgaben im Bereich der Beratung nahmen die Jugendämter der Bezirkshauptmannschaften<br />

sowie die Sozialämter der Gemeinden wahr. In diesem<br />

beratend-ambulanten Rahmen wirkte das IfS mit seinen Beratungsstellen.<br />

Hinzu traten die Beratungsstellen des Arbeitskreises für Sozialmedizin (aks)<br />

und der Caritas, die Programme „Gesunder Lebensraum“, die Tätigkeiten<br />

innerhalb der Sozialsprengel und diverser Pflegeelternvereine.<br />

Die vorbeugenden sozialen Aktivitäten für Kinder in deren Nahraum<br />

waren in Vorarlberg nicht weniger vielfältig: Abgesehen von den Kindergärten<br />

und Schulen wirkten im Sinne der „Fremdhilfe“ Pflegeeltern, Tagesmütter,<br />

die Säuglingsfürsorge und schließlich die verschiedensten Eltern- und<br />

Familienrunden.<br />

Erziehungsberatung<br />

Die Erziehungsberatung von Kindern gehörte von Anfang an zu den Arbeitsbereichen<br />

des Institut für Sozialdienste. Der häufigste Anlass für Eltern, sich<br />

mit ihren Kindern an eine Beratungsstelle zu wenden, stellte die Wahrnehmung<br />

von Störungen im schulischen Leistungsbereich dar. Dabei handelte<br />

es sich vor allem um Lernschwierigkeiten und Konzentrationsschwächen.<br />

Seit den 1980er Jahren traten vermehrt Probleme in Beziehungsbereichen<br />

in den Vordergrund wie Ängste, Unsicherheit, Kontaktschwierigkeiten, aber<br />

auch Aggressivität, Lügen und Stehlen.<br />

1985 wurde die Erziehungs- und Jugendberatung von 534 Personen<br />

in Anspruch genommen, zehn Jahre später hatte sich diese Zahl beinahe<br />

verdoppelt. 2006 fanden insgesamt 1.263 Menschen den Weg in die Erziehungs-<br />

und Jugendberatung. Dennoch war es offensichtlich, dass diese<br />

Hilfesuchenden nur die Spitze eines Eisberges waren, weil für viele Eltern<br />

der Gang zur Beratung mit einer hohen „Schwellenangst“ verbunden war<br />

und als Eingeständnis des eigenen erzieherischen Unvermögens aufgefasst<br />

wurde. Außerdem wurden Familienverhältnisse als „Privatsache“ angesehen,<br />

in die man sich von außen nicht einzumischen hatte.<br />

· 40 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Bei der Vorgangsweise zur<br />

erzieherischen Problemlösung<br />

konzentrierte sich die Beratung<br />

des IfS auf zwei Schwerpunkte:<br />

Erziehungsarbeit wurde stets<br />

als Beziehungsarbeit angesehen<br />

und legte somit Wert auf die<br />

e rzieherische Integration der<br />

Familie bzw. der ErzieherInnen.<br />

Erfolgschancen sah man weiters<br />

nur dann, wenn das soziale Netz<br />

Konfl ikte zuließ und wenn sich<br />

die Betroffenen den Konfl ikten<br />

stellten.<br />

Das Verständnis von „Erziehungsberatung“<br />

hatte sich<br />

im Laufe der Jahre dahingehend<br />

verändert, dass sich der<br />

Fokus nunmehr nicht lediglich<br />

auf den „Problemträger Kind“<br />

richtete. Der Beratungsalltag<br />

hatte g ezeigt, dass das gesamte<br />

System, in dem das Kind aufwächst, mit all seinen Rahmenbedingungen<br />

beleuchtet werden musste. Zunehmend wurden immer mehr systemische<br />

Beratungen durchgeführt, d.h., Eltern, Geschwister und weitere wichtige<br />

Bezugspersonen wurden verstärkt in den Beratungsprozess miteinbezogen.<br />

Es galt, nicht mehr alleine das Kind zu „verändern“, sondern das gesamte<br />

Umfeld wurde in die Beratung integriert. Diese Veränderungen bedingten<br />

weitere Überlegungen und Entwicklungen innerhalb des IfS, die eine Auffächerung<br />

des Angebots für Kinder sowie eine Spezialisierung im Bereich<br />

der „Psychotherapie für Kinder“ zur Folge hatten.<br />

Vaterrolle<br />

Im Beratungsalltag des IfS zeigte sich, dass die Beratungs- und Therapieangebote<br />

nur zu einem Drittel von Männern wahrgenommen wurden, noch<br />

geringer war der Anteil der Väter. Doch gerade diesen sollte gemäß den sozi-<br />

· 41 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

alintegrativen Vorstellungen der BeraterInnen eine verstärkte erzieherische<br />

Rolle zukommen.<br />

Im Zusammenhang mit der sich verändernden Rolle und dem sich verändernden<br />

Selbstverständnis der Frau, aber auch durch steigende Scheidungsraten<br />

und neue Familienformen hatten sich neue Rahmenbedingungen<br />

ergeben. Diese erforderten eine Neukonzeption des Vaterbildes und ein<br />

Überdenken der klassischen Vaterrolle und der Anforderungen an Väter.<br />

Um die neue Bedeutung der Väter aufzuzeigen und ihre bisherige traditionelle<br />

Rolle zu hinterfragen, initiierte das Institut für Sozialdienste unter<br />

der Federführung von Dr. Michael Schmid über die Jahre hinweg immer<br />

wieder Aktivitäten zum Themenbereich „Väter“. Beispielsweise wurde 1990<br />

das Projekt „Vater“ durchgeführt, 1998 startete das IfS gemeinsam mit dem<br />

Fotokünstler Nikolaus Walter eine Foto-Wanderausstellung zum Thema<br />

„Manns-Bilder“.<br />

Freizeit<br />

Im Sinne des Präventionsgedankens und des vorbeugenden Handelns initiierte<br />

und unterstützte das Institut für Sozialdienste zahlreiche Aktionen<br />

im Freizeitbereich. Es wurde und wird aus präventiver Sicht als sinnvoll<br />

erachtet, bis in den Bereich der Freizeit vorzudringen, um Kindern frühzeitig<br />

soziales Lernen zu ermöglichen, soziale Integration zu fördern und die Ressourcen<br />

des Sozialraums zu stärken.<br />

Als beispielhafte Projekte und Aktionen sind unter anderen z. B. das<br />

„Neuburglager“ für Menschen mit Behinderungen, woraus sich der Freizeitverein<br />

„Möwe“ entwickelte, die Kinderstadt „Klein Feldkirch“, das<br />

Projekt „Familiengerechte Gemeinde“ und die Wochenendgruppen der IfS-<br />

Familienarbeit zu nennen.<br />

Erfolgreich gestaltete sich Ende der 1980er Jahre eine Aktion zweier IfS-<br />

Erziehungsberater, die sich den Kinderspielplätzen in Vorarlberg widmete.<br />

Den beiden Psychologen war in deren Praxis aufgefallen, dass vielen Kindern<br />

„der Bezug zu Natur und Umwelt fehlte“, dass sie ihren gesunden<br />

Bewegungsdrang nicht auszuleben vermochten und spielerische Kontakte<br />

zu anderen Kindern fehlten. Um dies zu ändern, unternahmen die IfS-<br />

BeraterInnen 1987 eine Analyse der Vorarlberger Spielplätze. Sie kamen<br />

dabei zu einem ernüchternden Ergebnis: Obwohl die Vorarlberger Landesregierung<br />

1976 eine umfassende und wohlmeinende Kinderspielplatzverordnung<br />

erlassen hatte, besaßen die meisten Kinderspielplätze „eine reine<br />

· 42 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Alibifunktion“. Sie zeichneten sich durch „Sterilität, Willkür und Lieblosigkeit“<br />

aus.<br />

Um diesen tristen Verhältnissen Einhalt zu bieten, gaben die beiden IfS-<br />

BeraterInnen, Dr. Ali Fürst und Dr. Günther Rösel, 1989 „Ein Handbuch für<br />

eine qualitative Spielplatz-Kultur“ heraus, welches vor allem den Gemeinden<br />

und den Initiatoren von Spielplätzen konkrete Hilfestellung bieten soll.<br />

Im Jahr 2005 startete das Land Vorarlberg unter der Schirmherrschaft von<br />

Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber das Schwerpunktprogramm<br />

„Kinder in die Mitte“, um Vorarlberg zur kinderfreundlichsten Region werden<br />

zu lassen. Von Beginn an engagierten sich das IfS und das Vorarlberger<br />

Kinderdorf im Rahmen dieses Programms, nahmen an dessen Gestaltung<br />

und Umsetzung aktiv teil, da die Unterstützung und Förderung von Kindern<br />

eines der zentralen Anliegen dieser Organisationen ist und Prävention als<br />

ein herausragendes Thema betrachtet wird.<br />

Kindergarten und Pflichtschule<br />

Von Beginn an erachtete das IfS die Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen<br />

wie Kindergärten und Schulen als erstrebenswert. Kooperationen<br />

in diesem Bereich galten und gelten als zentrales und notwendiges Element,<br />

um Kinder mit Problemen – seien diese sozialer, schulischer oder anderer<br />

Art – unterstützend begleiten und ihnen helfen zu können.<br />

Als Beispiel für eine Zusammenarbeit in diesem Bereich kann das im<br />

November 1992 in Feldkirch gestartete Pilotprojekt „Psychologische Beratung<br />

für den Kindergarten“ angefügt werden. Gemeinsam mit dem schulpsychologischen<br />

Dienst und der Landesschulbehörde wurde versucht, eine<br />

Verbindung zwischen KindergartenpädagogInnen, Eltern und den Beratungsstellen<br />

des IfS herzustellen, um verhaltensauffälligen Kindern und<br />

deren Eltern frühzeitig Hilfe zu leisten. Der Erfolg des Projektes führte dazu,<br />

dass die psychologische Beratung für Kindergärten 1996 landesweit ausgebaut<br />

wurde. In der Zwischenzeit existiert dieses Beratungsangebot für alle<br />

Kindergärten in allen Bezirken des Landes.<br />

Die Arbeit mit einzelnen Kindern, die aufgrund diverser Probleme von<br />

IfS-BeraterInnen unterstützt wurden, zeigte deutlich die Notwendigkeit auf,<br />

nicht nur mit den Kindern selbst, sondern auch mit den Systemen „Kindergarten“<br />

und „Schule“ arbeiten zu müssen. Aus dieser Erkenntnis entwickelten<br />

sich Projekte wie beispielsweise jenes des „Hauptschulabschlusskurses“:<br />

· 43 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

1995: KindergartenpädagogInnen auf Besuch im IfS (mit LR Dr. Eva Maria Waibel)<br />

Es hatte sich gezeigt, dass ein Teil der SchülerInnen aufgrund schulischer<br />

oder sozialer Probleme ihre Schulausbildung vorzeitig abbrachen. Demzufolge<br />

verfügten diese jungen Menschen über keinen Hauptschulabschluss,<br />

womit deren Chancen am Arbeitsmarkt äußerst schlecht standen. Um diesen<br />

Jugendlichen neue Zukunftsaussichten und Möglichkeiten zu eröffnen,<br />

startete die IfS-Jugendberatungsstelle Mühletor 1997 ein Pilotprojekt.<br />

Mit Unterstützung des Europäischen Sozialfonds, des Unterrichtsministeriums<br />

und des Arbeitsmarktservice (AMS) wurde ein zweisemestriger<br />

Lehrgang organisiert. Er sollte den Jugendlichen allgemeinbildende, individuelle,<br />

b erufl iche und soziale Kenntnisse vermitteln und ihnen schließlich<br />

zum Extern isten-Hauptschulabschluss verhelfen. Dieses innovative Projekt<br />

führte noch im selben Jahr zum Hauptschulabschluss für 16 Jugendliche und<br />

junge Erwachsene. Seit dem Schuljahr 2001/02 wird das Projekt in Kooperation<br />

mit der Volkshochschule Götzis durchgeführt und konnte im Frühjahr<br />

2007 sein 10jähriges Jubiläum feiern.<br />

Im Laufe der Zeit erkannte man, dass es von Vorteil ist, direkt an den<br />

Schulen Beratungen anzubieten, um näher am Ort des Geschehens und bei<br />

den SchülerInnen selbst zu sein. So gab und gibt es verschiedene Projekte,<br />

in deren Rahmen IfS-MitarbeiterInnen ein- bis zweimal die Woche vor Ort<br />

als Ansprechperson fungieren. Im Jahr 2001 nahm die IfS-Schulsozialarbeit<br />

ihre Tätigkeit in den Hauptschulen Bregenz Vorkloster und Rieden auf<br />

und wurde in den Folgejahren auch in den Dornbirner Hauptschulen Lus-<br />

· 44 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

1998: Zeugnisverleihung HS-Abschluss im Mühletor<br />

tenauerstraße und Baumgarten installiert. Erstmals in Vorarlberg arbeitete<br />

eine Sozialarbeiterin fi x an einer Schule, denn Schulen hatten sich in den<br />

vergangenen Jahren oftmals zu einem Ort entwickelt, an dem soziale Defi -<br />

zite von Kindern und Jugendlichen sichtbar wurden. Schulsozialarbeit verstand<br />

sich von Beginn an als Drehscheibe zwischen SchülerInnen, Eltern<br />

und Lehrer Innen. Schulsozialarbeit koordiniert, unterstützt, vermittelt und<br />

entlastet. Durch einen sehr niederschwelligen Zugang besteht eine geringe<br />

Hemmschwelle und durch die Erreichbarkeit in der Schule kann bei auftauchenden<br />

Krisen rasch interveniert werden. In erster Linie werden Kinder<br />

und J ugendliche in schwierigen Situationen begleitet und unterstützt.<br />

G emeinsam mit ihnen werden Lösungen gesucht und formuliert. Neben<br />

Einzelfallhilfe (Arbeit mit einzelnen Personen) befasst sich Schulsozialarbeit<br />

mit Prävention. In Projektarbeiten wird mit ganzen Gruppen (z. B. Klassen,<br />

Lehrerkollegien, Erziehungsberechtigten) gearbeitet, um Probleme schon<br />

im Vorfeld anzusprechen und zu vermeiden. Besonders hat sich das Projekt<br />

„Mut“ bewährt, in dem das Thema „Gewalt“ bearbeitet und alternative<br />

Handlungen aufgezeigt werden.<br />

· 45 ·


Im Dienste sozialer Gruppen< IfS-Geschichte<br />

Kinderschutz<br />

Von Beginn an war Kinderschutz ein zentrales Anliegen des Institut für<br />

Sozialdienste, wobei es auch Fachleuten besonders schwer fiel, zu akzeptieren,<br />

dass Kinder auch innerhalb der eigenen Familie misshandelt werden.<br />

In den vergangenen Jahren gewann dieses Thema öffentlich zunehmend<br />

an Bedeutung, da sexueller Missbrauch sowie jegliche andere Gewaltform<br />

gegen Kinder gesellschaftlich enttabuisiert und verstärkt in der Öffentlichkeit<br />

diskutiert wurden.<br />

Das Angebot „IfS-Kinderschutz“ bezieht sich auf alle Formen von<br />

Gewalt gegen Kinder und Jugendliche sowie auf die Vernachlässigung von<br />

Kindern und Jugendlichen. Von Gewalt oder sexuellem Missbrauch betroffenen<br />

Kindern und deren Bezugspersonen wird einfühlsame Beratung, Hilfe<br />

und Unterstützung angeboten. Über die IfS-Beratungsstellen in den einzelnen<br />

Regionen Vorarlbergs sind flächendeckend ständig ExpertInnen zu<br />

erreichen, die bei Bedarf sofort reagieren sowie Hilfe und Unterstützung<br />

anbieten. Diese dezentrale Struktur ermöglicht und garantiert ein rascheres<br />

Reagieren sowie bessere Leistungen als eine zentrale Kinderschutzeinrichtung.<br />

Mit dem Familienkrisendienst des IfS und des Vorarlberger Kinderdorfes<br />

sowie der Umsetzung des Konzeptes „Ein Platz in der Krise“ ist in<br />

Krisensituationen eine sofortige Unterbringung von Kindern und Jugendlichen<br />

sowie eine entsprechende Krisenintervention gewährleistet.<br />

Ein besonders sensibles Thema war seit jeher jenes des sexuellen Missbrauchs<br />

an Kindern. Als sich bei den IfS-Beratungsstellen die Fälle sexuellen<br />

Missbrauchs häuften, entschloss man sich 1995, dieses Thema speziell in<br />

einer ExpertInnengruppe zu behandeln. Im Rahmen des Projektes „Hautnah“<br />

wurde unter anderem versucht, statistische Daten zu sexuellem<br />

Missbrauch zu eruieren: Etwa 50 Anzeigen von Kindesmissbrauch gingen<br />

jährlich bei Vorarlbergs Gerichten ein. Gemäß den Schätzungen des IfS<br />

lag die Dunkelziffer der Straftaten jedoch zwischen 600 und 1500 Fällen.<br />

Opfer des sexuellen Missbrauchs waren überwiegend Mädchen, 97% der<br />

Täter waren männlich. In mehr als 40% der Fälle war der Missbrauch nicht<br />

einmalig, sondern erstreckte sich über einen Zeitraum von vielen Jahren.<br />

Die Kinder waren vor allem durch Männer ausgebeutet worden, die diesen<br />

nahe standen und zum Familienkreis gehörten. Es hatte sich gezeigt, dass der<br />

viel beschworene, „böse, schwarze Mann“, der die unschuldigen Kinder in<br />

den dunklen Wald lockte, kaum existierte und sich meist als „freundliches“<br />

Familienmitglied entpuppte.<br />

· 46 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Ein Bereich der Präventionsarbeit war in diesem Kontext die Aufklärung<br />

an Schulen. Zur Vorbeugung gegen Missbrauch wurde schon von jüngstem<br />

Alter an eine positive, kindgerechte Sexualerziehung gefordert und die<br />

bisher üblichen Methoden der Tabuisierung abgelehnt. Im Rahmen des IfS-<br />

Engagements wurde 1996 österreichweit eine Ausstellung mit dem Titel<br />

„(K)ein sicherer Ort“ präsentiert. Zusammen mit dem Vorarlberger Kinder-<br />

und Jugendanwalt thematisierte man in der Pädagogischen Akademie<br />

in Feldkirch den Kindesmissbrauch.<br />

Der 2004 in Dornbirn ins Leben gerufene IfS-KinderRaum befasst sich mit<br />

dem Themenkomplex „Kinder in Scheidungssituationen“. Der IfS-Kinder-<br />

Raum richtet sich an geschiedene Eltern, die bereit sind, die Familienbeziehungen<br />

in einem gewissen Ausmaß aufrecht zu erhalten und damit dem<br />

getrennt lebenden Partner die Möglichkeit zu bieten, mit seinem/ihrem<br />

Kind Besuchskontakt aufzunehmen.<br />

Da für so manche Kinder nach der Scheidung ihrer Eltern der Kontakt zu<br />

einem der Elternteile völlig abbricht, wurden von der IfS-Familienarbeit<br />

2005 in Feldkirch und Bludenz sowie 2007 in Dornbirn IfS-Besuchstreffs<br />

eingerichtet. Dort können Kinder und geschiedene oder getrennt lebende<br />

Elternteile an einem neutralen Ort mit professioneller Hilfe wieder Kontakt<br />

zueinander aufbauen, um diesen nach einer gewissen Zeit wieder eigenverantwortlich<br />

pflegen zu können. Der Kontakt zu beiden leiblichen Eltern ist ein<br />

Recht der Kinder. Immer häufiger wurde daher im Streitfall eine begleitete<br />

Besuchsregelung auch von den PflegschaftsrichterInnen vorgeschrieben.<br />

Im Rahmen des Kinderschutzes wurden zahlreiche weitere Aktivitäten<br />

gestartet. Beispielsweise startete 2005 das Pilotprojekt „Kinderbeistand“ für<br />

die Bezirke Feldkirch und Bludenz, das in enger Zusammenarbeit mit den<br />

Gerichten durchgeführt wurde. Vertrauenspersonen des IfS sollten von nun<br />

an Kinder in der schwierigen Zeit der Scheidung unterstützen und ihnen<br />

als Sprachrohr zur Seite stehen. Damit war ein wichtiger Schritt getan, die<br />

Anliegen und Rechte der Kinder zu wahren.<br />

· 47 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Zusammenarbeit mit der Jugendwohlfahrt<br />

Die Zusammenarbeit mit öffentlichen Behörden wurde und wird in allen<br />

Fachbereichen des Institut für Sozialdienste als wichtig und zentral erachtet.<br />

Die Zusammenarbeit mit den Abteilungen der Jugendwohlfahrt der<br />

Bezirkshauptmannschaften entsprach den Jugendwohlfahrtsgesetzen der<br />

Jahre 1989 und 1991, wonach verstärkt Einrichtungen der freien Jugendwohlfahrt<br />

zur Erfüllung von nicht hoheitlichen Aufgaben der öffentlichen<br />

Jugendwohlfahrt herangezogen werden konnten. Im Jahr 1991 hatte sich<br />

die Landesregierung gesetzlich dazu verpflichtet, dass Minderjährigen und<br />

deren Erziehungsberechtigten jene sozialen Dienste zur Verfügung zu stellen<br />

seien, die als Erziehungshilfe notwendig erschienen.<br />

Auf der fachlich qualifizierten Ebene, in der Arbeit am jeweiligen „Fall“<br />

funktionierte diese Zusammenarbeit stets sehr gut. Wenn sich Probleme<br />

ergaben, dann auf der institutionellen Ebene. Hier gestaltete sich die Zusammenarbeit<br />

teils als spannungsgeladen, da insbesondere die MitarbeiterInnen<br />

der Jugendwohlfahrt häufig den Eindruck hatten, dass den privaten<br />

Sozialeinrichtungen weit mehr Ressourcen zur Verfügung stehen würden.<br />

Beeinflusst durch die Fallarbeit – je nach „Fall“ gestaltete sich die Zusammenarbeit<br />

anders und neu – wurde es im Laufe der Zeit jedoch möglich,<br />

differenzierte Modelle der Kooperation zu entwickeln und somit die Zusammenarbeit<br />

zu strukturieren und zu erleichterten.<br />

Familienberatung<br />

Die Beratung von Familien zählte von Beginn an zu den Arbeitsschwerpunkten<br />

des IfS. Bereits in den 1970er Jahren nahmen die MitarbeiterInnen<br />

der IfS-Familienberatung einen beginnenden Wandel der Familie und ihrer<br />

Strukturen wahr. Auch die Probleme, die in der Beratung zu lösen versucht<br />

wurden, waren im Laufe der Jahre einem Wandel unterworfen. Bis<br />

in die Mitte der 1980er Jahre zählten überwiegend Sexualität, Empfängnisverhütung,<br />

ungewollte Schwangerschaft, Schwangerschaftskonflikte und<br />

Schwangerschaftsabbruch zu den Themenbereichen, mit denen man sich in<br />

der Beratung auseinandersetzte. Vor allem ungewollte Schwangerschaften<br />

warfen große Probleme auf. Nicht zuletzt hatte das IfS auch über den in<br />

Österreich seit 1975 legitimierten Schwangerschaftsabbruch in Form der<br />

„Fristenregelung“ zu informieren. Die komplexe Materie machte es not-<br />

· 48 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

1997: IfS-Beratungsstelle Feldkirch<br />

wendig, dass man in sämtlichen Belangen mit ÄrztInnen, PsychologInnen,<br />

Ehe- und FamilienberaterInnen zusammenarbeitete.<br />

Empfängnisregelung, Schwangerschaftskonfl ikte und Sexualerziehung<br />

zählten auch 2006 noch zu jenen Themenbereichen, die im Rahmen der<br />

IfS-Familienberatung vorrangig zur Sprache kamen. Zudem suchten Familien<br />

vor allem in den Bereichen Trennung und Scheidung, wirtschaftliche<br />

bzw. fi nanzielle Probleme, Erziehungsprobleme sowie Rechtsfragen Unterstützung.<br />

Familienarbeit<br />

1987 startete die Beratungsstelle Bludenz das Projekt „Sozialpädagogische<br />

Familienarbeit“, welches sich unter der Bezeichnung „IfS-Familienarbeit“<br />

erfolgreich etablieren sollte. Ziel dieses neuen Fachbereichs war, weniger<br />

Kinder von ihren Eltern trennen zu müssen und sie in einer Ersatz familie<br />

unter besseren Bedingungen aufwachsen zu lassen. Man wollte diesen Kindern<br />

vielmehr ihre wenn auch schwierigen Familien erhalten, diese aber<br />

massiv ambulant unterstützen. „Unterstützung der Erziehung“ anstelle<br />

„Volle Erziehung“ hieß dies im Fachjargon des Jugendwohlfahrtsgesetzes.<br />

Gemeinsam mit der Bezirkshauptmannschaft Bludenz wurden „bedürftige“<br />

Familien ausgesucht, denen man sich intensiv widmete, indem man Hausbesuche<br />

anbot und auf ihre besondere Situation einging.<br />

Das Modell der ambulanten Familienhilfe war in Vorarlberg neu und<br />

so mussten die MitarbeiterInnen erst in Deutschland ausgebildet werden,<br />

· 49 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

zudem wurde das Projekt über drei Jahre wissenschaftlich vom Deutschen<br />

Jugendinstitut begleitet. In den ersten Jahren gestaltete sich die Arbeit als<br />

nicht einfach: Das Jugendamt der Bezirkshauptmannschaft und das IfS<br />

mussten gemeinsame Konzepte entwickeln und diese koordinieren. Außerdem<br />

waren die fachliche Arbeit zu verbessern und neue Therapiemodelle<br />

anzuwenden. Schließlich durfte die Hilfestellung nicht allein und isoliert<br />

auf die betreute Familie reduziert werden. Es galt, „einen Brückenschlag zu<br />

gesellschaftlichen Aktivitäten herzustellen, der präventive Wirkung haben<br />

soll“, so der Geschäftsführer der IfS-Familienarbeit, Dr. Hubert Löffler.<br />

Anfang der 1990er Jahre hatte sich die Familienarbeit neuen Herausforderungen<br />

zu stellen: Das Land Vorarlberg beschloss, den ambulanten<br />

Bereich der Familienbetreuung massiv aus- und aufzubauen. Dies führte<br />

1991 zur Gründung der so genannten Familiendienste, welche in Feldkirch<br />

und Bludenz vom IfS, in den Bezirken Bregenz und Dornbirn vom Vorarlberger<br />

Kinderdorf übernommen wurden. Damit waren zwei Teilbereiche des<br />

IfS, nämlich die „Familienarbeit“ und der „Familiendienst“, ausschließlich<br />

mit den von den Jugendämtern zugewiesenen Fällen betraut.<br />

Die Rahmenvereinbarungen regelten die Kommunikationsabläufe zwischen<br />

IfS-Familienarbeit, dem Land und den zuweisenden Bezirkshauptmannschaften.<br />

Diese neue Form von Kooperation öffentlicher und privater<br />

Stellen war notwendig geworden, weil sich die Rahmenbedingungen für die<br />

Jugendwohlfahrt stark geändert hatten: Mit der Auflösung der klassischen,<br />

traditionellen Familienformen ergab sich ein steigender Bedarf an Hilfe,<br />

Beratung und Unterstützung für Kinder, Jugendliche und Erziehungsberechtigte.<br />

Außerdem waren die Anforderungen und Erwartungen an die<br />

fachliche Qualität der SozialarbeiterInnen gestiegen. Die organisatorische<br />

wie inhaltliche Neuorientierung hatte zur Folge, dass eine moderne, familienzentrierte<br />

und auf Vorbeugung ausgerichtete Jugendwohlfahrt entstand,<br />

die hauptsächlich im ambulanten Bereich arbeitete. 1995 wurde die IfS-<br />

Familienarbeit aus dem IfS ausgegliedert und zu einer eigenen GmbH.<br />

Im Jahr 2003 wurde auf Initiative der IfS-Familienarbeit das mehrjährige<br />

Projekt „… trotz allem gesund!“ gestartet. Dieses dient der Gesundheitsförderung<br />

für Menschen aus sozioökonomisch benachteiligten Schichten.<br />

Denn eines war für das IfS unbestritten: „Armut macht krank“. „Arme<br />

sterben früher, erkranken schwerer, verunfallen häufiger, sind häufiger<br />

von Gewalt betroffen, sind stärker gesundheitsgefährdenden Umweltbedingungen<br />

ausgesetzt und arbeiten unter höheren psychischen und physischen<br />

Belastungen“, konstatierte die „IfS-Familienarbeit“. Ziel von<br />

· 50 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

1995: Familienarbeit-Fachtagung in Schloss Hofen<br />

„… trotz a llem gesund!“ war und ist, von Armut gefährdete oder betroffenen<br />

Erwachsene, Jugendliche und Kinder mittels individueller Beratungen,<br />

Aktivitäten und persönlichen Gesprächen zu gesundheitsbewusstem Verhalten<br />

zu motivieren.<br />

Familie im Wandel<br />

Das Jahr 1994 wurde von der UNO zum „Jahr der Familie“ deklariert.<br />

Das Jugend- und Familienreferat im Amt der Vorarlberger Landesregierung<br />

nahm dies zum Anlass, das Projekt „Lebensraum Familie“ zu initiieren.<br />

Eingebunden wurden hierbei beinahe sämtliche Gemeinden und die<br />

F amilienorganisationen des Landes. Das „PRO Team für Nahraum- und<br />

G emeinwesenentwicklung“ des IfS wurde mit der Konzeption, Begleitung<br />

und Umsetzung beauftragt. Für viele mochten die Aussagen der SozialarbeiterInnen<br />

des IfS überraschend sein, wenn es etwa hieß, „Um die Familien<br />

in ihren Aufgaben zu unterstützen, sollte nicht zwischen richtig und falsch<br />

oder gut und schlecht unterschieden und bewertet werden. Dies hilft den<br />

Familien nicht, sondern wirkt behindernd. Es gibt keine ,schlechten‘ Väter/<br />

Mütter/Eltern/Familienformen.“ Viele wiederum sahen die Schwierigkeiten<br />

vieler Familien darin, dass man sie mit Idealvorstellungen „überfrachte“, die<br />

· 51 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

der Realität nicht entsprächen.<br />

Diese Tatsachen zeigten sich<br />

auch in Vorarlberg verbunden<br />

mit Arbeitslosigkeit, Überschuldung,<br />

beengtem Wohnraum,<br />

Doppelbelastung der<br />

Mütter, mangelnder Kinderbetreuung,<br />

Druck der Schule<br />

und der Eltern auf die Kinder<br />

und mit Problemen vieler<br />

Migrantenfamilien. Was man<br />

1997: Besuch aus den USA (Gründer von FAST)<br />

noch vor einigen Jahrzehnten<br />

in Vorarlberg nicht einmal zu denken wagte, sprachen IfS-Mitarbeiter Innen<br />

im „Jahr der Familie“ offen aus. Sie gaben damit auch ein Bekenntnis zur<br />

offenen und toleranten Einstellung des IfS gegenüber gesellschaftlichen<br />

Entwicklungen ab. Gefragt, ob die „Konstruktion der Familie eher out“ sei,<br />

meinten sie: „Wenn man an die Idealfamilie (Vater, Mutter, zwei Kinder)<br />

denkt, ist diese Form nur eine Möglichkeit, Familie zu leben. Schlimm fänden<br />

wir es, diese Form zu idealisieren und all die allein erziehenden Mütter<br />

oder Väter, Patchwork-Familien, Lebensgemeinschaften, Pfl egeeltern, Tagesmütter<br />

und -väter mit ihren Kindern in den Schatten zu stellen. Wir erleben<br />

sehr häufi g, wie gerade in diesen Familien mit viel Engagement die Beziehungen<br />

untereinander gut gehen.“<br />

Der Trend zur Veränderung der traditionellen Familie ließ sich nicht<br />

mehr aufhalten oder verschleiern. In der Zeitschrift des IfS wurde die<br />

„Familie im Wandel“ 1999 offen angesprochen: „Berechtigterweise machen<br />

wir uns Sorgen, wenn wir an den Weiterbestand von Ehe und Familie als<br />

der Keimzelle unserer Gesellschaft denken.“ Verständlicherweise hatte man<br />

k eine Patentlösungen für diesen Wandel und die damit verbundenen Krisen<br />

anzubieten. Die Ursachen dafür fand man in den neuen Verhaltensweisen<br />

und „Werten“, welche durch die moderne Industriegesellschaft verstärkt<br />

wurden: Diese seien Expansion, Konkurrenz, Quantität und Herrschaft.<br />

Was die zukünftige Familie jedoch benötige, seien Qualität, Partnerschaft,<br />

Kooperation und „bessere Kommunikationsfähigkeit, vor allem in intimen<br />

Beziehungen“. Kreative, schöpferische, intelligente und den jeweiligen Situationen<br />

angepasste Lösungen sollten angestrebt werden.<br />

· 52 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Jugendliche<br />

Das IfS befasste sich seit Beginn seiner Tätigkeit mit Jugendberatung und<br />

Jugendbetreuung. Jugendliche stellten bereits an der ersten Beratungsstelle,<br />

die in Bregenz installiert worden war, einen der Schwerpunkte dar. Die MitarbeiterInnen<br />

wurden mit einer Vielzahl von Jugendproblemen konfrontiert:<br />

Häufi g wurde der Ablösungsprozess von den Eltern sowie der Übergang von<br />

der Kindheit in die Erwachsenenwelt von den Jugendlichen als schwierig und<br />

problembeladen erlebt. Des Weiteren hatte man mit Problemen wie Drogenkonsum,<br />

Vereinsamung und Suizidversuchen zu kämpfen. IfS-Berater-<br />

Innen suchten die Treffs von Jugendlichen auf, betrieben Gruppenarbeit<br />

mit j ugendlichen „Randgruppen“ und arbeiteten mit Jugendorganisationen<br />

sowie Bildungseinrichtungen zusammen.<br />

Jugendberatungsstelle Mühletor<br />

Zu einer Spezialeinrichtung des IfS entwickelte sich seit 1982 die Jugendberatungsstelle<br />

„Mühletor“, die im ganzen Land tätig war. „Mühletor“ organisierte<br />

die unterschiedlichsten Projekte, um jugendliche Kreativität, soziales<br />

Engagement und Selbstbewusstsein zu fördern. Projekte erwiesen sich als<br />

Tauchen ist auch ein Projektangebot der IfS-Jugendberatung Mühletor an die Jugendlichen.<br />

· 53 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

geeigneter Weg, um Kontakt mit Jugendlichen aufzunehmen und näher an<br />

diese heranzukommen. Aufhorchen ließ 1984 zum Beispiel eine Arbeitslosen-Selbsthilfegruppe<br />

und 1985 fanden eine Kunstausstellung, ein Kabarett<br />

und eine einwöchige „Punk-Ausstellung“ sowie ein Open-Air-Konzert<br />

statt.<br />

Solche Veranstaltungen wurden auch in den folgenden Jahren fortgesetzt.<br />

Auch hier zeigte sich, dass überwiegend Burschen mit ihren Anliegen<br />

und Problemen an die Mühletor-MitarbeiterInnen herantraten. Diese<br />

Erfahrung führte dazu, spezielle Projekte für Mädchen anzubieten. Folglich<br />

wurde 1988 mit der Kunstausstellung „Weibsbilder“ erstmals ein spezifi -<br />

sches Mädchen-Angebot gestartet.<br />

Streetwork<br />

1997: Eröffnung Streetwork Bregenz mit<br />

Bgm. Siegfried Gasser<br />

· 54 ·<br />

Im Dezember 1993 erteilte das<br />

Land Vorarlberg dem IfS unter<br />

dem Titel „Mobile Jugendarbeit“<br />

einen speziellen Auftrag<br />

für Streetwork. Im folgenden<br />

Jahr lief die Arbeit im Rheintal<br />

zwischen Bregenz und<br />

Feldkirch an. Streetwork war<br />

im Gegensatz zur stationären<br />

Jugendarbeit „fl exibel und<br />

mobil“. Das bedeutete, dass<br />

die BeraterInnen des IfS die<br />

bisher kaum bekannten und beachteten Treffpunkte der jugendlichen Zielgruppen<br />

aufsuchten, die im zersiedelten Vorarlberg meist an keinem f esten<br />

Ort etabliert waren. Die „Straße“ erwies sich als neuer Arbeitsort für die<br />

Streetworker.<br />

Zielgruppe der Arbeit waren vor allem jugendliche „Randgruppen“, die<br />

ausgegrenzt und mit herkömmlicher Jugendarbeit nicht zu erfassen waren<br />

sowie in der Regel nicht betreut werden wollten. Dazu zählten aggressive<br />

Jugendliche, delinquente Straßengruppen, rechts- bzw. neonazistische<br />

Jugendliche und nicht zuletzt die in der Öffentlichkeit am stärksten in<br />

Erscheinung getretenen Punks und Skinheads.<br />

Es gestaltete sich immer wieder als höchst schwierig und anspruchsvoll,<br />

Zugang zu den einzelnen Gruppen zu erhalten. Als besonders erfolgreich


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

zeigten sich in diesem Zusammenhang Aktivitäten im freizeitpädagogischen<br />

Bereich. Dass die BeraterInnen den Jugendlichen entgegenkamen, um<br />

g emeinsam mit diesen Defi zite und Probleme aufzuarbeiten, wurde von den<br />

Jugendlichen positiv aufgenommen. Als wichtiger pädagogischer Weg erwies<br />

sich, Projekte anzubieten, die genügend Anreize boten, die eigenen „Weltanschauungen<br />

neu zu überdenken und zu refl ektieren“. Die Streetwork-Arbeit<br />

konzentrierte sich anfänglich auf die Region Feldkirch und wurde in der<br />

Folge auf das ganze Land – mit Schwerpunkt Ballungsräume – ausgeweitet.<br />

Sozialpädagogik<br />

Sozialpädagogische Wohngemeinschaften<br />

Bis zum Jahre 1972 wurden verhaltensauffällige Jugendliche häufi g in<br />

geschlossenen Anstalten und Heimen untergebracht. Die damit gemachten<br />

Erfahrungen waren ambivalenter Natur. Zum Teil zeigten sich bei den<br />

betroffenen Jugendlichen Symptome wie Heimatlosigkeit, Hospitalisierung<br />

und Orientierungslosigkeit. In der Fürsorgeerziehung gab es für Jugendliche<br />

in Vorarlberg neben dem Kinderdorf lediglich den „Jagdberg“ in Schlins, wo<br />

jedoch nur schulpfl ichtige Knaben Platz fanden. Mädchen kamen in Erziehungsanstalten<br />

nach Kramsach und Schwaz in Tirol, ältere Jugendliche nach<br />

Kleinvolderberg in Tirol.<br />

In Vorarlberg hatten sich an verschiedenen Orten so genannte Mädchenwohnheime<br />

etabliert. Sie dienten der Unterkunft und Versorgung junger<br />

Frauen, welche aus anderen Bundesländern zur Arbeit nach Vorarlberg<br />

gekommen waren und zumeist aus unteren Sozialschichten stammten.<br />

H edwig Gmeiner hatte ein solches Heim<br />

in der Rankweiler Bahnhofstraße geführt.<br />

Im Rahmen ihrer Arbeit gelangte Gmeiner<br />

zu der Erkenntnis, dass diese Art von<br />

Einrichtungen jungen Frauen mit Problemen<br />

nicht gerecht werden könne. Als<br />

Alternative entwickelte die engagierte<br />

Betreuerin das für damalige Verhältnisse<br />

„revolutionäre“ Modell einer „offenen<br />

Wohnung“, die Heimat, familiäre Atmosphäre<br />

und qualifi zierte Betreuung bieten<br />

wollte. Hier sollten die jugendlichen Marianne Scheffknecht<br />

· 55 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Mädchen wieder Wertschätzung, Respekt und Individualität erfahren sowie<br />

Selbstständigkeit entwickeln.<br />

Nachdem das Land dem Projekt zugestimmt hatte und dieses in das damals<br />

noch sehr kleine IfS integriert worden war, entstand 1972 die erste Wohngemeinschaft<br />

für Mädchen in Bregenz und 1975 eine solche in Dornbirn.<br />

Da in den ersten Jahren der Großteil der Erzieherinnen mit den Mädchen<br />

in einem Haushalt zusammenlebte, gestaltete sich die Arbeit als sehr intensiv<br />

und auch voller lehrreicher Spannungen und Konfl ikte. Zu Beginn der<br />

1980er Jahre übernahmen BetreuerInnenteams die Arbeit in den Wohngemeinschaften.<br />

Die dadurch erlangte Arbeitsteilung führte zu einer Normalisierung<br />

der Arbeitszeiten für die WG-MitarbeiterInnen.<br />

Sieben Jahre nach der Entstehung der ersten Mädchen-Wohngemeinschaft<br />

wurde 1979 eine erste Wohngemeinschaft für Burschen gegründet.<br />

Diese befand sich in Hard.<br />

· 56 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Nach zehnjähriger Praxis, Erfahrung und Analyse kam man im Jahr 1982<br />

bezüglich der bis dahin 382 Jugendlichen, die in IfS-Wohngemeinschaften<br />

aufgenommenen worden waren, zu teils überraschenden Ergebnissen:<br />

Hauptgründe für die Aufnahme waren Schwierigkeiten mit Eltern und<br />

E rzieherInnen, Ziel- und Orientierungslosigkeit, akute Entwicklungskrisen<br />

und „Streunerei“ gewesen. Die normale Entwicklung war in erster L inie<br />

durch problematische Familienverhältnisse gestört worden. Der größte<br />

· 57 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

A nteil der Jugendlichen war im Alter zwischen 16 und 17 Jahren, darunter<br />

vor allem Mädchen. Überraschend war ihre Herkunft aus überwiegend „vollständigen“<br />

Familien, in denen häufi g eine „heile Welt“ vorgetäuscht wurde.<br />

60% der Familien gehörten der Mittel- bzw. Oberschicht an und konnten als<br />

„geachtet, gut bürgerlich, normal“ bezeichnet werden. Überwiegend lebten<br />

in diesen Familien mehrere Geschwister und 43% der Jugendlichen kamen<br />

· 58 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

aus städtischen Zentralorten. 41% lebten in Mietwohnungen, 32% in Eigenheimen,<br />

37% wurden von Hausfrau-Müttern betreut und erst an zweiter<br />

Stelle mit 33% von vollbeschäftigten Müttern. Es war offensichtlich, dass<br />

Eltern-Jugend-Probleme nicht etwa in sozialen Unterschichten dominierten,<br />

sondern quer durch alle Schichten vorkamen.<br />

Bis 1984 existierten Wohngemeinschaften nur im Vorarlberger Unterland.<br />

Um eine Unterbringung aller Jugendlichen in der Nähe ihres gewohnten<br />

sozialen Umfeldes zu gewährleisten, eröffnete das IfS eine solche für<br />

Burschen in Bludenz. 1990 wurde in Ludesch erstmals eine Wohngemeinschaft<br />

gegründet, die aus einer gemischten Gruppe bestand und dem zu<br />

dieser Zeit stark diskutierten Modell der Koedukation entsprach. Das Expe-<br />

· 59 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

riment hatte sich gelohnt und gezeigt, dass junge Mädchen „im gruppendynamischen<br />

Prozess mindestens genauso stark sind wie die Burschen und oft<br />

sogar die Führung“ übernahmen.<br />

Für manche Jugendliche war das Angebot der „offenen Wohnungen“<br />

nicht oder nicht mehr passend. Daher wurde das Konzept der „Außenwohnungen“<br />

entworfen und erstmals 1984 in Bludenz verwirklicht. Diese<br />

Wohnungen wurden vom IfS auf dem freien Markt angemietet und den<br />

Jugendlichen in einem internen Vertrag vermietet.<br />

1994 setzte im Fachbereich Sozialpädagogik die Diskussion über eine<br />

Veränderung der Angebote ein. 1995 wurde das Konzept des „Ambulanten<br />

betreuten Wohnens“ (AbW) in die Tat umgesetzt. Um dies mit den vorhan-<br />

· 60 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

denen Mitteln zu ermöglichen,<br />

wurde die Wohngemeinschaft<br />

in Hard geschlossen.<br />

Die Wohngemeinschaften<br />

blieben von Krisen nicht verschont.<br />

Eine solche gab es<br />

beispielsweise 1994 in der<br />

Mädchenwohngemeinschaft<br />

in Rankweil: Fünf der sieben<br />

Mädchen hatten Kontakte zur<br />

Drogenszene und waren durch<br />

erzieherische und sozialarbeiterische<br />

Bemühungen kaum<br />

noch zu erreichen. Die einzige<br />

sinnvolle Lösung sah man in<br />

einem intensiven erlebnispädagogischen<br />

Programm: Die<br />

Betroffenen machten sich für<br />

drei Wochen auf den Weg, zu<br />

Fuß und auf dem Kamel die<br />

Wüste Sinai in Ägypten zu<br />

durchqueren. Das waghalsige<br />

Projekt des IfS erwies sich<br />

als erfolgreich und aus der<br />

g elungenen Krisenintervention<br />

ging 1997 das „Jugendintensivprogramm“,<br />

kurz JIP<br />

genannt, hervor.<br />

Von 1972 bis 1996 wurden<br />

in den Formen des „offenen<br />

Wohnens“ 859 Jugendliche,<br />

davon 694 Mädchen und 165 Burschen, betreut. Die Betreuung erfolgte<br />

nach dem Drei-Stufenmodell, das zu immer mehr Eigenverantwortung und<br />

schließlich zu ambulanter Nachbetreuung führte.<br />

Natürlich stellte sich das IfS die Frage nach der Relevanz und der Effi -<br />

zienz seiner Einrichtungen. Eine 1997 von Maria Hollergschwandtner und<br />

Jakob Oberhauser durchgeführte Befragung unter Jugendlichen, die in den<br />

· 61 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

1992: Fotoausstellung IfS-Wohngemeinschaft Ludesch<br />

1992: Eröffnung IfS-Wohngemeinschaft Bregenz<br />

· 62 ·<br />

Jahren zwischen 1993 und<br />

1995 für mehr als drei M onate<br />

BewohnerInnen in den fünf<br />

Wohngemeinschaften gewesen<br />

waren, führte zu folgenden<br />

Ergebnissen (Anm.: Die<br />

folgenden Resultate berücksichtigen<br />

nur die prozentuellen<br />

Maximalwerte):<br />

49% zogen in die Wohngemeinschaft,<br />

weil sie Probleme<br />

zu Hause hatten. 64% wollten


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

diesen Ortswechsel. Durchgehend<br />

positiv wurde von der<br />

Mehrzahl der BewohnerInnen<br />

das soziale Klima zwischen den<br />

Jugendlichen und den BetreuerInnen<br />

defi niert: „Die ErzieherInnen<br />

w aren nicht perfekt,<br />

aber okay!“ Bezüglich der<br />

Außenbeziehungen ergab sich<br />

folgendes Bild: Bei 59% hatten<br />

sich die Beziehungen zur<br />

Familie, bei 58% zu den Part- 1997: IfS-Wohngemeinschaft Lustenau, Bgm. Grabher<br />

· 63 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

nerInnen und bei 64% zu den Freunden gebessert. Eindeutig hatten sich die<br />

Persönlichkeitsstrukturen in eine positive Richtung hin verändert. So gaben<br />

jeweils zwischen 30 und 40% der BewohnerInnen an, sie besäßen besseren<br />

Umgang mit Geld, größeres Durchsetzungsvermögen, mehr Selbstwertgefühl<br />

und einen neuen Lebenssinn. 67% glaubten mit Problemen besser<br />

umgehen zu können als früher.<br />

Es stellte sich jedoch heraus, dass trotz aller Bemühungen gewisse Jugendliche<br />

mit den herkömmlichen sozialpädagogischen Konzepten nicht erfasst<br />

werden konnten. Neue Möglichkeiten und neue Wege versprachen das 1995<br />

gestartete Projekt „Ambulant betreutes Wohnen“ (AbW), das im September<br />

1997 initiierte Projekt „Jugendintensivprogramm“ (JIP) sowie das 2001 ins<br />

Leben gerufene Projekt „Nachgehende sozialpädagogische Arbeit“ (NASA).<br />

Um die Finanzierung dieser Projekte zu gewährleisten, wurden weitere<br />

stationäre Einrichtungen, sprich die Wohngemeinschaften in Rankweil und<br />

Wolfurt, geschlossen.<br />

AbW – Ambulant betreutes Wohnen<br />

Das Ambulant betreute Wohnen (AbW) wurde 1995 ins Leben gerufen und<br />

in die IfS-Fachgruppe Sozialpädagogik integriert. Es bietet seither Jugendlichen,<br />

die in aus eigener Kraft unlösbaren Konflikten mit ihren Eltern stehen,<br />

die Möglichkeit, in eine vom AbW angemietete Wohnung zu ziehen. Diese<br />

Wohnungen stellen den Jugendlichen ein Experimentierfeld für Entwicklung,<br />

Selbständigkeit und Eigenverantwortung zur Verfügung. Hier können<br />

diese unterstützt durch eine IfS-Betreuungsperson lernen, ihren Alltag<br />

zu bewältigen, ein eigenständiges Leben zu führen und Verantwortung für<br />

ihr eigenes Handeln zu übernehmen. Treffen mit persönlichen BetreuerInnen<br />

sind fixer Bestandteil des Wochenablaufs. Während der Kontakte werden<br />

Gespräche geführt und gemeinsame Freizeitaktivitäten unternommen.<br />

Die Jugendlichen erhalten Unterstützung in der Alltagsbewältigung und<br />

zugleich nimmt der/die BetreuerIn seine/ihre Kontrollfunktion wahr. Durch<br />

die räumliche Distanz werden familiäre Konfliktsituationen entschärft.<br />

Eltern wie Kindern wird der nötige Abstand zugestanden, um ihre Probleme<br />

reflektieren zu können. Ziel ist es, gemeinsam mit dem/r BetreuerIn eine<br />

neue Gesprächsbasis für Eltern und Jugendliche zu finden und eine Entlastung<br />

beider Seiten zu erreichen. Im Jahr 2006 kümmerten sich die MitarbeiterInnen<br />

um insgesamt 40 Jugendliche, die durchschnittlich zwischen 14<br />

und 19 Jahren alt waren.<br />

· 64 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

JIP – Jugendintensivprogramm<br />

Das Jugendintensivprogramm (JIP) startete 1997 unter der Leitung von Dr.<br />

Martina Gasser und diente von Beginn an der Unterstützung zur Maßnahme<br />

der Pflege und Erziehung von Minderjährigen nach dem Jugendwohlfahrtsgesetz.<br />

Zielgruppen des JIP sind jugendliche Mädchen und Burschen, die<br />

entweder in einer konventionellen Einrichtung nicht gehalten werden können,<br />

und einer spezifischen Form der erlebnis-, sozialpädagogischen und<br />

therapeutischen Kurzintervention bedürfen, die aufgrund ihrer besonderen<br />

Lebenssituation nicht gruppen- oder arbeitsfähig sind, die sozial auffälliges<br />

Verhalten aufweisen oder die sich kurzzeitig in einer Krise befinden, aber<br />

noch nicht derart ausgeprägte unsoziale Verhaltensweisen zeigen, so dass<br />

eine intensive Maßnahme sinnvoll erscheint. Im Rahmen des JIP begibt sich<br />

ein/e BetreuerIn mit ein bis zwei Jugendlichen z. B. nach Rumänien, Polen,<br />

Tschechien, Indien, Sibirien oder in die Türkei, um dort soziale Hilfe zu<br />

leisten und eine andere Kultur kennen zu lernen. Während des mehrwöchigen<br />

Auslandsaufenthaltes sollen die verhaltensauffälligen Jugendlichen<br />

abseits gewohnter zivilisatorischer Einflüsse ihre Lebenssituation überdenken.<br />

Unter der Betreuung des/r IfS-MitarbeiterIn werden dabei neue<br />

Verhaltensweisen trainiert. Durch neue kulturelle und soziale Konfrontationen<br />

werden Bewusstseinsänderungen der Jugendlichen gefördert. Die<br />

Hauptwirkung des JIP ist, dass Jugendliche in massiven Krisensituationen<br />

die Möglichkeit erhalten, einen räumlichen wie auch emotionalen Abstand<br />

zu gewinnen, sodass sie zur Ruhe kommen und auf dissoziierte Weise ihre<br />

Situation neu reflektieren, ordnen und verändern können. Um dies zu erreichen,<br />

braucht es die Zusammenarbeit mit dem ganzen System.<br />

In den vergangenen zehn Jahren wurden mehr als 100 verhaltensauffällige<br />

Jugendliche und deren Eltern vom JIP begleitet und unterstützt. Im Jahr<br />

2006 konnte insgesamt 20 Jugendlichen weitergeholfen werden.<br />

NASA – Nachgehende sozialpädagogische Arbeit<br />

Im Jahr 2001 nahm die IfS-NASA ihre Tätigkeit auf. NASA ist eine nachgehende<br />

sozialpädagogische Betreuungsform für Jugendliche, die nicht zu einer<br />

Beratungsstelle gehen können oder wollen, die sich in einer Übergangsphase<br />

befinden oder gerade aus einer stationären oder teilstationären Betreuung<br />

entlassen worden sind. Die MitarbeiterInnen unterstützen Jugendliche, die<br />

sich in schwierigen Lebenssituationen befinden und den Boden unter den<br />

· 65 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Füßen verloren haben, z. B. durch Probleme mit den Eltern, Schwierigkeiten<br />

in der Schule oder mit der Lehrstelle oder auch Probleme mit Drogen oder<br />

dem Gesetz. Von Beginn an setzten die NASA-MitarbeiterInnen außergewöhnliche<br />

und individuelle Methoden ein, um die Jugendlichen zu erreichen<br />

und direkt in deren persönlichem Umfeld zu arbeiten: mitfühlen, mitdenken<br />

und mitgestalten gehören ebenso dazu wie mitphantasieren und mitwachsen.<br />

In einer Vereinbarung verpflichten sich Jugendliche, Eltern, NASA-<br />

BetreuerIn und Jugendwohlfahrt der jeweiligen Bezirkshauptmannschaft<br />

zu Kooperationsbereitschaft und Mitarbeit. So können Jugendliche lernen,<br />

was es heißt, einen Vertrag zu schließen. Insgesamt 90 Jugendliche wurden<br />

im Jahr 2006 von der IfS-NASA begleitet und unterstützt.<br />

Sexualerziehung<br />

Im Rahmen der Familienberatung sowie der Schwangerschaftskonfliktberatung<br />

zeigte sich, dass Informations- und Präventionsarbeit im Bereich<br />

Sexualität von Wichtigkeit ist. So startete das Institut für Sozialdienste in<br />

Zusammenarbeit mit Schulen Projekte und Aktivitäten, die der sexuellen<br />

Aufklärung der Jugendlichen dienten. Sexualpädagogische Workshops mit<br />

Kindern und Jugendlichen wurden angeboten.<br />

Unter der Bezeichnung „Love Talks“ startete ein Projekt, das sich an<br />

Eltern, SchülerInnen und LehrerInnen wandte.<br />

Die BeraterInnen des IfS hatten sich im Rahmen der Sexualerziehung<br />

hohe Ziele gesetzt, welche zeigten, dass man mutig von traditionellen Vorgangsweisen<br />

abließ: Grundsätzlich war man der Meinung, Sexualerziehung<br />

sollte mehr sein als bloße Aufklärung über biologische Fakten und Vermittlung<br />

moralischer Überzeugungen, vor allem in Bezug auf die Sexualität von<br />

Minderheiten und Randgruppen. Dennoch wurde „verantwortliches Verhalten<br />

gegenüber sich selbst und anderen“ gefordert. Sexualität sollte ein<br />

integrativer Bestandteil der Sozialerziehung sein und kontinuierlich erfolgen.<br />

Programmatisch hieß es in einer Erklärung aus dem Jahr 2001: „Kinder<br />

und Jugendliche sollen befähigt werden, den eigenen Körper als natürlich<br />

zu akzeptieren, die eigene Sexualität als positiven Lebensbereich zu bejahen,<br />

Liebe zu empfinden und auszudrücken und Gefühle zuzulassen und zu<br />

zeigen.“<br />

· 66 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Jugendliche und Arbeit<br />

Die steigende Jugendarbeitslosigkeit machte deutlich, dass nicht nur Jugendliche<br />

mit Behinderungen oder Minderbegabungen auf dem oft schwierigen<br />

Weg von der Schule ins Berufsleben Unterstützung brauchen.<br />

Im Jahr 2004 übernahm das IfS die Umsetzung eines Konzeptes zur Prävention<br />

von Lehrabbrüchen. Die Entwicklung des so genannten „Lehrlingscoaching“<br />

war im Auftrag des Amtes der Vorarlberger Landesregierung und<br />

des AMS durch „eVORIS Soziale Dienstleister Vorarlberg Service gGmbH”<br />

erfolgt. Ziel des Projektes „Lehrlingscoaching“ war, der steigenden Tendenz<br />

von Lehrabbrüchen in Vorarlberg entgegen zu wirken und eine Wiederaufnahme<br />

von Lehrverhältnissen zu fördern. Das IfS unterstützte Lehrlinge<br />

auch bei beruflicher Neuorientierung, beim positiven Abschluss des Berufsschuljahres<br />

und bei der erfolgreichen Absolvierung der Lehrabschlussprüfung.<br />

Ausschlaggebend für die Initiierung dieses Projektes war die Besorgnis<br />

erregende Situation am Lehrstellenmarkt: Von rund 7000 Jugendlichen, die<br />

2004 eine Lehrestelle hatten, brachen 1000 ihre Ausbildung ab. Während die<br />

Hälfte von ihnen sich einen neuen Lehrbetrieb oder eine andere Ausbildung<br />

suchte, blieben 500 ohne Berufsabschluss. 2006 begleitete das IfS-Lehrlingscoaching<br />

insgesamt 137 Jugendliche, die vor einem drohenden Lehrabbruch<br />

standen oder ihre Lehre bereits abgebrochen hatten und bezüglich einer<br />

Neuorientierung Unterstützung brauchten.<br />

Erwachsene<br />

Sozialarbeit<br />

Soziale Arbeit stand schon immer im Mittelpunkt der IfS-Arbeit für Menschen<br />

in Not und Krisen, was auch aus der Namensgebung „Institut für<br />

Sozialdienste“ ersichtlich ist. Sie zieht sich wie ein „roter Faden“ durch die<br />

Geschichte des IfS. So stellte das IfS Vorarlberg als erste nichtöffentliche<br />

Organisation in Vorarlberg ausgebildete SozialarbeiterInnen ein.<br />

Sozialarbeit setzt immer an der Schnittstelle zwischen Individuum und<br />

Umwelt bzw. Gesellschaft ein. Sie „fördert soziale Veränderungen, Problemlösungen<br />

in menschlichen Beziehungen und die Unterstützung und Befreiung<br />

von Menschen zur Verbesserung ihres Wohls. Unter Verwendung von<br />

· 67 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Theorien zu menschlichem<br />

Verhalten und über soziale<br />

Systeme, interveniert Sozialarbeit<br />

dort, wo Menschen mit<br />

ihrem Umfeld interagieren.<br />

Für Sozialarbeit sind die Prinzipien<br />

der Menschenrechte<br />

und soziale Gerechtigkeit von<br />

fundamentaler Bedeutung“<br />

(International Federation of<br />

Social Workers General Meeting<br />

in Montrèal, Canada in<br />

July 2000).<br />

Soziale Arbeit steht auf zwei<br />

Standbeinen: Zum einen wird<br />

in Krisensituationen konkrete<br />

Hilfe geleistet, zum anderen<br />

wird auf präventive, vorbeugende<br />

Arbeit gesetzt, die der<br />

Gesellschaft jede Menge Folgekosten<br />

erspart. Vorbeugende<br />

Sozialarbeit ist nach Defi nition<br />

des IfS die notwendigste<br />

und effi zienteste Arbeit. So<br />

hat das IfS z. B. im Rahmen des Themenbereichs „Gewalt“ eigene bewusstseinsbildende<br />

Prophylaxe-Aktionen gestartet, im Bereich der Verschuldung<br />

massiv auf Vorbeugung gesetzt ebenso wie in der Delogierungsprävention<br />

mit der Schaffung eines eigenen Projektbereiches.<br />

1995: Eröffnung IfS-Beratungsstelle Hohenems<br />

Im Institut für Sozialdienste erstreckt sich das Feld der Sozialarbeit im<br />

Wesentlichen auf drei große Bereiche. Der erste ist die Sicherung der<br />

L ebensgrundlagen in Krisen wie beispielsweise Arbeitslosigkeit, Schulden,<br />

Wohnungsnot, nach Trennung, Scheidung und bei Krankheit etc. Der<br />

zweite Bereich beinhaltet die Arbeit im zwischenmenschlichen Bereich, dazu<br />

zählen Konfl iktbeziehungen, familiäre Probleme und Krisen sowie Erziehungsfragen.<br />

Der dritte Bereich schließlich umfasst die Hilfe für Menschen<br />

in b esonderen Lebenslagen: Menschen mit Behinderungen, von Gewalt<br />

b edrohte Frauen und Kinder, AlleinerzieherInnen und andere. Dabei ist zu<br />

beachten, dass keiner dieser Bereiche isoliert in Erscheinung tritt, da ein<br />

· 68 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Problemfeld häufig ein weiteres mit sich zieht. Diese „Vernetzung“ der Probleme<br />

erfordert demzufolge eine Vernetzung des Hilfsangebotes, um jeweils<br />

die individuell richtige Hilfestellung anbieten zu können.<br />

Des Weiteren ist Soziale Arbeit mit der Gesellschaft verbunden, wobei beide<br />

einem steten Wandel unterworfen sind. Im Zusammenhang mit diesem<br />

Wandel hat sich auch im Berufsbild der im sozialen Bereich Tätigen einiges<br />

verändert: Anfänglich versuchten Laien zu helfen, später trat eine Professionalisierung<br />

ein, die eine Distanz zwischen KlientIn und hauptberuflicher<br />

Fachkraft brachte. Das heißt, die Profession ermöglichte es, mehr Distanz<br />

zwischen Hilfesuchenden und Beratenden zu wahren, um somit für KlientInnen<br />

einen zusätzlichen Raum für eigenständige Entwicklungen zu schaffen.<br />

Wichtig ist die Erkenntnis, dass Sozialarbeit mehr sein muss als ein reiner<br />

Systemerhalter, mehr als nur der „Feuerlöscher“ der Gesellschaft. Es<br />

gilt darüber hinaus gesellschaftliche Fehlentwicklungen aufzuzeigen, sich<br />

in die gesellschaftspolitische Diskussion einzuschalten. Ziel sollte sein, den<br />

Menschen in den Mittelpunkt der politischen, wirtschaftlichen und sozialen<br />

Betrachtungsweisen zu stellen.<br />

Einer der Leitgedanken, wie Sozialarbeit im Institut für Sozialdienste verstanden<br />

wird, ist „Hilfe zur Selbsthilfe“. Selbsthilfe ist das Prinzip, eigene<br />

Probleme aus eigener Kraft bzw. gemeinsame Probleme mit gemeinsamen<br />

Anstrengungen zu bewältigen. Es gilt dabei, den ganzheitlichen Blick auf die<br />

Lebensumstände der KlientInnen zu wahren, gemeinsam mit KlientInnen<br />

Ziele und Erwartungen, die jemand hat, zu entwickeln und durch fachliche<br />

Hilfe, die kurz- oder längerfristig sei kann, zu versuchen, Zugang zu den<br />

Ressourcen der KlientInnen zu finden.<br />

Armut und Existenzsicherung<br />

Sozialarbeit kümmert sich vor allem um Menschen, die aus persönlichen<br />

Gründen oder aufgrund äußerer Einflüsse und Rahmenbedingungen in existenzielle<br />

Krisen und Nöte geraten. Meist handelt es sich dabei nicht um<br />

ein einzelnes, isoliert auftretendes Problem, sondern um Probleme, die in<br />

verschiedenen Bereichen gleichzeitig auftreten und sich gegenseitig beeinflussen.<br />

Oft sind die Betroffenen nicht in der Lage, diese Probleme aus eige-<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

ner Kraft und eigener Anstrengung zu bewältigen, da äußere Bedingungen<br />

die Lösung erschweren. In der Sozialarbeit wird deshalb versucht, gemeinsam<br />

mit den Betroffenen individuelle und nachhaltige Lösungsansätze zu<br />

erarbeiten und herauszufinden, was für Rahmenbedingungen geschaffen<br />

werden müssen, damit solche Notlagen nicht auftreten bzw. schnell gelöst<br />

werden können.<br />

Ein Problem, das zumeist weite Kreise zieht, ist jenes der Armut. Arm<br />

sind nicht nur Menschen, die wohnungslos sind und auf der Straße leben,<br />

sondern auch Menschen, die nicht am Alltagsleben teilnehmen können und<br />

sozial ausgegrenzt werden. Armut wird definiert als die unzureichende Mittelausstattung<br />

zur Befriedigung der lebenswichtigen Grundbedürfnisse.<br />

Häufig ist diese bestimmt durch ein geringes Einkommen und das Auftreten<br />

von schwierigen Lebensbedingungen: Abgetragene Kleidung kann nicht<br />

ersetzt, die Wohnung nicht angemessen warm gehalten, keine unerwarteten<br />

Ausgaben getätigt werden. Armut bezieht sich jedoch nicht nur auf die<br />

finanziellen Möglichkeiten. Arm ist der, der keine Wahl hat. Armut macht<br />

krank, Armut ist Stress, Armut macht einsam, nimmt einem Zukunftsperspektiven<br />

und bedeutet so einen Mangel an Wahlmöglichkeiten im Leben.<br />

Ein besonders hohes Armutsrisiko weisen Migrantinnen und Migranten<br />

sowie Personen in Ein-Elternteil-Familien auf. Zudem zeigt sich bei Familien<br />

mit drei und mehr Kindern und bei Familien mit kleinen Kindern eine<br />

erhöhte Armutsgefährdung, vor allem dann, wenn die Frau nicht erwerbstätig<br />

ist. Ein Risikofaktor sind Scheidungen, da im Rahmen von Scheidungsvergleichen<br />

oft Weichenstellungen erfolgen, die langfristig Armutsfolgen haben<br />

können. Neben der Familiensituation spielt die Arbeits- und Bildungssituation<br />

in Bezug auf Armutsgefährdung eine zentrale Rolle. Die ökonomische<br />

Situation von Haushalten wird sowohl vom Grad der Einbindung in den<br />

Arbeitsmarkt als auch von der Zusammensetzung der Haushalte grundlegend<br />

bestimmt. Erwerbsarbeit hat eine wesentliche Sicherungsfunktion bei<br />

der Vermeidung von Armutsgefährdung. Auch fehlende schulische Bildung<br />

sowie die nicht vorhandene Sprachkompetenz erhöhen das Armutsrisiko.<br />

Weitere Faktoren, die die Armutsgefährdung erhöhen sind Alter und Pflegebedürftigkeit,<br />

Krankheit und Behinderung, Haftentlassung und Prostitutionsausstieg<br />

und Überschuldung.<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Schulden<br />

Im Februar 1988 begründete das IfS unter der Federführung von Julius<br />

Schedel in Bregenz die erste Schuldenberatungsstelle. Neben der Arbeit für<br />

verschuldete Einzelpersonen und Familien wurde es ein besonderes Anliegen<br />

der „IfS-Schuldenberatung“, gemeinsam mit der „ARGE Schuldenhilfe<br />

Österreich“ an gesetzlichen Verbesserungen zu arbeiten.<br />

In der konkreten Arbeit der IfS-Schuldenberatung zeigte sich, dass<br />

Betroffene häufig sehr lange warteten, bis sie bei finanziellen Problemen<br />

Hilfe suchten und in Anspruch nahmen. Oft hatten deren Probleme bereits<br />

ein derart großes Ausmaß angenommen, dass diese negative Auswirkungen<br />

auf das familiäre Umfeld der Betroffenen hatten. In diesem Zusammenhang<br />

zeigte sich vielfach, dass die Krise durch eine alleinige Regelung der finanziellen<br />

Angelegenheiten nicht zu meistern war, sondern eine Änderung des<br />

gesamten Lebensstils und der Lebenshaltung erforderlich machte.<br />

Neben diversen Beratungstätigkeiten strebte die IfS-Schuldenberatung<br />

eine gute Zusammenarbeit mit Banken an, um grundsätzlich bessere Möglichkeiten<br />

in der Risikovermeidung und im Bereich der Schuldensanierung<br />

zu erarbeiten. Im Jahr 1989 wurde eine Fachkommission gebildet, in der<br />

Vertreter von Banken, Politik, Versicherungen und Wirtschaft gemeinsam<br />

nach Lösungsmöglichkeiten suchten.<br />

In den Folgejahren zeigte sich, dass die Zahl derer, die mit Problemen der<br />

Verschuldung zu kämpfen hatten, stetig zunahm. Waren es im Jahr 1989<br />

noch 260 Personen, vor allem Männer, welche die IfS-Schuldenberatung<br />

aufsuchten, so stieg die Anzahl der Hilfesuchenden 1990 auf 404 Personen<br />

an. Die Hauptursachen für die Nöte lagen im privaten aber auch öffentlichen<br />

Bereich: Es zeigte sich eine deutliche Relation zwischen Scheidung und Verschuldung<br />

sowie zwischen Arbeitslosigkeit und Verschuldung. Auch externe<br />

wirtschaftliche Phänomene machten sich negativ bemerkbar – die Zinskosten<br />

waren angestiegen und für viele fielen im Zusammenhang mit den allgemeinen<br />

Sparmaßnahmen die existenzsichernden Überstunden weg. 1999<br />

waren gemäß den Schätzungen des IfS zwischen 6000 und 8000 Haushalte<br />

von Überschuldung betroffen. Von Überschuldung wird gesprochen, wenn<br />

nach Abzug der Fixkosten für Miete, Strom, Heizung, Lebensmittel usw. kein<br />

Geld mehr für die Rückzahlung von Schulden vorhanden ist. Die Gründe<br />

dafür waren und sind vielfältig: „Hohe Lebenshaltungskosten, steigende<br />

Kosten für die Kindererziehung, die gestiegenen Arbeitslosenzahlen und<br />

Scheidungsraten, die Auslagerung von Betrieben im Zusammenhang mit der<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Globalisierung sowie die Sparpakete<br />

von Bund und Land“,<br />

so Peter Kopf, Geschäftsführer<br />

der IfS-Schuldenberatung.<br />

Auch die KlientInnen-<br />

1998: 10 Jahre IfS-Schuldenberatung<br />

struktur hatte sich verändert:<br />

Zunehmend wurde das IfS von<br />

„reichen Schuldnern“ kontaktiert.<br />

Als „reiche Schuldner“<br />

werden Menschen bezeichnet,<br />

die hinsichtlich ihres Einkommens<br />

gut situiert w ären,<br />

jedoch so viele fi nanzielle<br />

Verpfl ichtungen eingegangen<br />

sind, dass die monatlichen<br />

Rückzahlungen die fi nanziellen<br />

Möglichkeiten bei Weitem<br />

übersteigen. Alarmierend<br />

war, dass sich vor allem junge<br />

Leute unter 35 Jahren an die<br />

IfS-Schuldenberatung wandten.<br />

Die Verschuldung zeigte<br />

sich auch in den Privatkonkursen<br />

– bezogen auf die Bevölkerungszahl lag Vorarlberg 2002 an der Spitze<br />

aller Bundesländer.<br />

Im Jahr 2003 betrug die Schuldenlast der insgesamt 3.214 Kontaktsuchenden<br />

156 Millionen Euro. Als häufi gste Ursachen wurden genannt:<br />

Arbeitslosigkeit, Konsumverhalten, Selbstständigkeit, Bürgschaften, Scheidungen<br />

und Autokauf.<br />

Unter den 2.002 Ratsuchenden des Jahres 2004 – seit den letzten drei<br />

Jahren war ihre Zahl um mehr als das Doppelte gestiegen – befanden sich<br />

doppelt so viele Männer wie Frauen. Im Jahr 2006 wurden 2.335 KlientInnen<br />

unterstützt, deren durchschnittliche Verschuldung bei 82.196,- Euro lag. Zu<br />

zwei Dritteln wurde die Schuldenberatung von Männern, zu einem Drittel<br />

von Frauen kontaktiert. Die Altersgruppe zwischen 26 und 35 Jahren machte<br />

rund 30% aus, jene der 36- bis 45jährigen rund 29%. Seit Gründung der IfS-<br />

Schuldenberatung im Jahr 1988 waren insgesamt 22.131 Menschen beraten<br />

worden.<br />

· 72 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Von Anfang an hatte die IfS-Schuldenberatung die besondere Wichtigkeit<br />

von Präventionsarbeit erkannt. 1990 organisierte das IfS gemeinsam mit<br />

dem Bildungszentrum Schloss Hofen unter dem Motto „Leben auf Pump“<br />

eine Fachtagung, um dem Thema „Schuld-Verschuldung“ in der öffentlichen<br />

Diskussion eine neue Perspektive zu geben. 1992 wurde zudem eine<br />

„Prophylaxeaktion“ gestartet, die vor allem bei Jugendlichen Hellhörigkeit<br />

bewirken sollte. Das neu konzipierte Programm präsentierte sich ein Jahr<br />

später als „vorbeugende Maßnahmen gegenüber Verschuldung“. Gemeinsam<br />

mit der Wochenzeitschrift „Wann & Wo“ und den Raiffeisenbanken<br />

wurde eine umfangreiche Informationskampagne gestartet. Zielgruppe<br />

waren vor allem Jugendliche ab dem 14. Lebensjahr, die bereits über ein Einkommen<br />

verfügten bzw. kurz davor standen. Die Informationen richteten<br />

sich an Vorarlbergs berufsbildende Schulen und Jugendzentren und wurden<br />

selbst in Kinos und in bundesweiten ORF-Fernsehsendungen gezeigt.<br />

Dass Verschuldung nicht erst im Erwachsenenalter einsetzt, sondern<br />

in vermehrtem Maße auch Jugendliche betrifft, wurde immer deutlicher.<br />

In Kooperation mit dem Land Vorarlberg, AMS, der Arbeiterkammer und<br />

der Wirtschaftskammer begann das IfS, unter 15-19jährigen SchülerInnen,<br />

Lehrlingen und arbeitslosen Jugendlichen Aufklärungsarbeit bezüglich<br />

Schuldenprävention zu leisten. Wenige Jahre später, 2006, wurde der „Vorarlberger<br />

Finanzführerschein – Fit fürs Geld“ ins Leben gerufen. Ziel des<br />

österreichweit einzigartigen Projektes war es, Kinder und Jugendliche mit<br />

dem richtigen Umgang mit Geld vertraut zu machen, der notwendig ist,<br />

um die ganze Vielfalt der komplexen Themen Geld, Finanzen und Konsum<br />

abzudecken und zu verstehen.<br />

Wohnen und Wohnungslosigkeit<br />

Wohnen bedeutet mehr als bloß ein Dach über dem Kopf zu haben – Wohnen<br />

heißt Heimat zu finden, symbolisiert Wurzeln und hat für viele Menschen<br />

eine zentrale Bedeutung. Werden Personen vom Verlust ihrer Wohnung<br />

bedroht oder haben ihre Wohnung bereits verloren, so stürzen diese häufig<br />

in eine tiefe Krise, fühlen sich entwurzelt und an einem Tiefpunkt ihres<br />

Lebens angelangt. Um Menschen in solchen Notlagen Hilfe anzubieten,<br />

wurden im IfS die „Sozialen Wohnformen“ eingerichtet. Dieses Zusatzangebot,<br />

eines der ersten im Rahmen der sozialarbeiterischen Tätigkeit des IfS,<br />

stellt Betroffenen vorübergehenden Wohnraum und somit Ruhe und Schutz<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

1996: 10 Jahre IfS-Krisenwohnung Dornbirn mit Bgm. Rudi Sohm (links)<br />

in dieser schwierigen Lebenslage zur Verfügung. Die nächsten Schritte und<br />

die Organisation des weiteren Lebens können von hier aus geplant werden.<br />

Die Angebote der Sozialen Wohnformen des Institut für Sozialdienste haben<br />

sich im Laufe der Zeit verändert und sich den jeweiligen Bedürfnissen der<br />

Menschen und der Zeit angepasst. Die erste Wohngemeinschaft für Mutter<br />

und Kind wurde Anfang 1979 in Bregenz eröffnet. Aufgenommen wurden<br />

schwangere Frauen und Frauen mit neugeborenen Kindern, die dort während<br />

des ersten Lebensjahres des Kindes Unterkunft fi nden sollten. Gründe<br />

für die Aufnahme waren meist Beziehungsprobleme mit dem Kindesvater,<br />

der Familie der Frau oder auch das Fehlen einer Kleinwohnung für eine<br />

junge, allein erziehende Mutter.<br />

Ein neuer Typus sozialen Wohnens, die „Krisenwohnung“, entstand<br />

Ende 1982 in Bregenz in der Achsiedlung, „unauffällig zwischen anderen<br />

Mietparteien in einer Wohnanlage integriert“. Weitere Wohnungen dieser<br />

Art wurden 1985 in Feldkirch und 1986 in Bregenz, Dornbirn und Bludenz<br />

eingerichtet. Waren sie ursprünglich für Personen gedacht, die aus fi nanziellen<br />

Gründen ihre Wohnung verloren hatten, so zeigte sich schon bald, dass<br />

sie hauptsächlich von Frauen in Anspruch genommen wurden, die eheliche<br />

und familiäre Probleme hatten. 1983 lebten in der 4-Zimmerwohnung in<br />

Bregenz daher zu 55% Frauen, zu 32% Kinder und nur zu 13% Männer.<br />

Die vorübergehende Aufnahme in einer Krisenwohnung sollte der Stabili-<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

sierung, der Neuorientierung, aber auch dem Einstieg ins Arbeitsleben dienen,<br />

denn: „Wer keinen festen Wohnsitz hat, erhält keine Arbeit; wer keine<br />

Arbeit hat, erhält keinen Mietvertrag.“<br />

Typisch für diese Wohnform war das Prinzip der materiellen Selbstversorgung.<br />

Zur Bewältigung der jeweiligen Krisensituation wurde von<br />

Fachleuten außerhalb der Wohnung eine umfassende Betreuung angeboten.<br />

Ursprünglich plante man die Aufenthaltsdauer für 14 Tage, 1984 lag sie<br />

jedoch schon bei durchschnittlich zwei bis drei Monaten. Die Dauer der Aufenthalte<br />

zeigte schon früh eine Korrelation zur allgemeinen Wohnungssituation<br />

in Vorarlberg. Der Mangel an kostengünstigen Wohnungen zwingt<br />

die Betroffenen oft, länger in den Krisenwohnungen zu bleiben, als dies<br />

b ezüglich der persönlichen Notlage nötig wäre.<br />

In den folgenden Jahren wurde gemeindeübergreifend versucht, Menschen,<br />

die in soziale Not geraten waren und am Wohnungsmarkt wenig Chancen<br />

hatten, eine kostengünstige Wohnung zu vermitteln, um damit eine tiefere<br />

soziale Krise zu verhindern. So initiierte das IfS 1997 die Idee „Wohnnetz“.<br />

Die Gemeinden Lauterach, Hard, Höchst, Fußach und Wolfurt schlossen<br />

sich gemeinsam mit der Vogewosi Dornbirn zu einem dreijährigen Projekt<br />

zusammen. Dies war der erste größere Versuch, Menschen, die ihre<br />

Wohnung verloren hatten, nicht vorübergehend in stationären Einrichtungen<br />

unterzubringen, sondern diesen durch die Zurverfügungstellung von<br />

e rschwinglichem Wohnraum die Möglichkeit zu bieten, weiterhin selbstständig<br />

zu wohnen. 2006 wurde gemeinsam mit dem Amt der Vorarlberger<br />

1997: Pressekonferenz „Wohnnetz“<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Landesregierung und der ARGE Wohnungslosenhilfe das Projekt „Soziales<br />

Netzwerk Wohnen“ gestartet, das Menschen, die ansonsten am freien Wohnungsmarkt<br />

keine Chancen hätten, in Vorarlberg erschwingliche Wohnungen<br />

zur Verfügung stellt. So werden die Betroffenen unterstützt und zudem<br />

die stationären Einrichtungen entlastet.<br />

Im Jahr 2006 gab es in Vorarlberg fünf Krisenwohnungen, die in diesem Jahr<br />

79 Personen vorübergehend eine Wohnmöglichkeit boten. Die IfS-Krisenwohnungen<br />

geben in schwierigen Lebenslagen Ruhe und Schutz.<br />

Delogierungsprävention<br />

Im September 2005 startete das IfS das Projekt „Delogierungsprävention“,<br />

das finanziell vom Vorarlberger Sozialfonds und den gemeinnützigen<br />

Wohnbauträgern getragen wird. Damit reagierte man auf den Bedarf an<br />

Hilfe für Menschen, die vom Wohnungsverlust bedroht wurden. Aus Erfahrung<br />

wusste man, dass Delogierungen zumeist viel Leid mit sich bringen<br />

und für die betroffenen Familien oft ein Schicksalsschlag waren, von dem<br />

sie sich nur schwer erholen. Für Gemeinden, Vermieter, Sozialinstitutionen<br />

und Sozialhilfe ist eine Delogierung mit Kosten und viel Mühen verbunden.<br />

Um dieses Leid zu verhindern, setzte das IfS auf Präventionsarbeit, die dieses<br />

neue Projekt leisten sollte.<br />

Das Projekt „Delogierungsprävention“ hatte es sich zum Ziel gesetzt,<br />

Strategien zu finden, wie der drohende „Rauswurf“ aus der Wohnung<br />

abgewendet werden konnte. Es zeigte sich, dass es besonders wichtig ist, die<br />

Betroffenen so früh wie möglich zu erreichen, um den Wohnungsverlust zu<br />

verhindern. Je früher Unterstützung angeboten wird, desto größer sind die<br />

Chancen auf Erhaltung der Wohnung.<br />

Zur Erreichung dieses Ziels wurde eine enge Zusammenarbeit mit den<br />

involvierten Partnern, wie Wohnbauträger, Gemeinden, Vermietern, Sozialhilfe<br />

oder psychosozialen Beratungsstellen angestrebt. Gemeinsam sollten<br />

Strategien erarbeitet werden, wie die bedrohten Menschen am besten zu<br />

erreichen sind und wie diesen Hilfe angeboten werden kann, die diese auch<br />

annehmen.<br />

Bereits im ersten Jahr der Projektumsetzung konnte für 85 Haushalte die<br />

bestehende Wohnung gesichert werden. In 27 Fällen wurde es als sinnvoll<br />

erachtet, einen Wohnungswechsel zu organisieren, was erfolgreich gelang.<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Bei fünf Haushalten konnte trotz Interventionen eine Delogierung nicht<br />

abgewendet werden.<br />

Siedlungsarbeit<br />

Eine funktionierende Hausgemeinschaft erhöht die Wohnqualität und beugt<br />

Konflikten und Störungen vor. Basierend auf diesem Wissen wurde die „Siedlungsarbeit“<br />

ins Leben gerufen. Zentrale Aufgabe im Rahmen dieser Arbeit<br />

ist es, gemeinsam mit den BewohnerInnen aber auch mit Gemeinden und<br />

Wohnbauträgern zu versuchen, negativen Entwicklungen in den Siedlungen<br />

und Wohnanlagen entgegenzuwirken. Dabei können Nachbarschaftskonflikte,<br />

Mieterwechsel, Vandalismus und Isolation mögliche Problemsituationen<br />

sein, die zu bewältigen sind. Grundlagen für die Verbesserung im<br />

Wohnumfeld sind eine funktionierende und wertschätzende Kommunikation<br />

zwischen den BewohnerInnen sowie die Entwicklung einer Verantwortung<br />

für das Gemeinsame. So werden beispielsweise BewohnerInnen vor<br />

dem Bezug einer neuen Siedlung darin unterstützt, sich kennen zu lernen,<br />

und nach dem Bezug gemeinsam Verbesserungen und Problemlösungen für<br />

das Zusammenleben entwickelt.<br />

Durch die Entwicklung einer Gesprächskultur, mittels gemeinsamer Situationsanalysen,<br />

gezielter, aktivierender, gemeinsinn- und gemeinschaftsfördernder<br />

Interventionen in Siedlungen ist es möglich, die Vielfalt von<br />

Lebensformen in einer Wohnanlage nicht nur als konflikthaft, sondern<br />

als eine Bereicherung wahrzunehmen und somit einen wertschätzenden<br />

Umgang miteinander zu erlangen.<br />

MigrantInnen<br />

Das Institut für Sozialdienste sah sich bereits in den frühen 1980er Jahren<br />

damit konfrontiert, dass auch MigrantInnen fachlich qualifizierte Beratung<br />

und Unterstützung bedürften. Damals betrug der Anteil türkischer und<br />

jugoslawischer Staatsbürger an der Vorarlberger Gesamtbevölkerung rund<br />

7,5%. Die Anzahl der Hilfesuchenden war jedoch gering, da die deutsche<br />

Sprache meist ein großes Problem bzw. eine Barriere darstellte und mit Dolmetschern<br />

gearbeitet werden musste. Zudem glaubten viele MigrantInnen,<br />

das IfS sei eine „Behörde“, mit der man lieber nichts zu tun haben wollte.<br />

· 77 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Beratung scheiterte zudem<br />

häufi g an der österreichischen<br />

Gesetzeslage. Die SozialarbeiterInnen<br />

empfanden in diesem<br />

Zusammenhang oft ein<br />

Gefühl der Ohnmacht und<br />

gelangten daher 1986 zu dem<br />

Schluss, dass ihre Arbeit zur<br />

„Alibihandlung“ werde, falls<br />

es in Zukunft nicht gelinge,<br />

„Stimmen und Gehör für die<br />

Erster türkischer IfS-Berater: Kundayt Shurdum<br />

Gastarbeiter“ zu bekommen,<br />

und falls die Öffentlichkeitsarbeit<br />

nicht verstärkt und MitarbeiterInnen nicht entsprechend geschult<br />

würden (Jahresbericht 1986).<br />

Die Lage veränderte sich wesentlich, als 1987 das Arbeitsteam des IfS in<br />

Feldkirch durch den neuen, türkischen Mitarbeiter Kundeyt Surdum verstärkt<br />

wurde und dieser von nun an gemeinsam mit der Sozialarbeiterin<br />

Heide Schneider „grundsätzliche“ MigrantInnenarbeit – über die Einzelfälle<br />

hinaus – leistete.<br />

Die Probleme der MigrantInnen waren vielseitig: Sie hatten Schwierigkeiten<br />

mit der sprachlichen und kulturellen Andersartigkeit, besaßen<br />

kaum Kontakte zu Einheimischen und standen häufi g einer unsicheren<br />

Z ukunft g egenüber. Immer wieder zeigten sich ein hoher Verschuldungsgrad,<br />

schlechte und beengende Wohnverhältnisse, die völlige Isolation der<br />

Frauen und die große Sorge um die Erziehung der Kinder. Besonders diese<br />

litten unter dem „doppelten Analphabetismus“: Sie beherrschten weder die<br />

Sprache der Heimat der Eltern noch jene des Aufnahmelandes in Wort und<br />

Schrift perfekt. Um diesem Problem begegnen zu können, organisierte das<br />

IfS in Bludenz seit dem Herbst 1989 „Lernhilfen für ausländische Kinder“<br />

im Rahmen der Volksschulausbildung. Das Projekt erwies sich als erfolgreich<br />

und unterstützte die Kinder in Schule und Freizeit.<br />

An türkische Jugendliche wandten sich 1993 die Beratungsstellen des<br />

IfS in Dornbirn und Bregenz. Türkische Mädchen wurden über Kontakte<br />

einer türkischen IfS-Mitarbeiterin eingeladen, um über Themen wie Liebe,<br />

Zärtlichkeit, Sexualität, Aufklärung, Partnerschaft, Ehe und Verhütung zu<br />

sprechen. Zu den periodischen Treffen und Seminaren stießen 1994 auch<br />

Mädchen aus dem ehemaligen Jugoslawien. 1997 starteten schließlich in Vorarlberg<br />

geborene, türkische Jugendliche im IfS in Feldkirch eine I nitiative,<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

um ihre Sprachkenntnisse zu verbessern und mehr über Geschichte und<br />

Kultur ihrer türkischen Eltern-Heimat zu erfahren.<br />

Diese Initiativen waren erfreulich, konnten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen,<br />

dass die Nöte der MigrantInnen viel tiefer und existentieller<br />

waren. Hauptursache waren strenge Ausländergesetze. Sie wirkten sich „in<br />

bedrohlicher Weise“ auf die Existenz jener MigrantInnen in Vorarlberg aus,<br />

die schon lange hier lebten. Konnte beispielsweise der vorgeschriebene Mindeststandard<br />

von 13 m² Wohnfl äche pro Person nicht nachgewiesen werden<br />

oder fehlte das erforderliche Familieneinkommen, konnte die Aufenthaltsbewilligung<br />

entzogen werden. Die Folgen waren konstante existentielle<br />

Unsicherheit und die Angst vor der Zukunft. Das IfS fürchtete, dass sich<br />

dadurch „auch das gesellschaftliche Klima im Lande verschärfe“.<br />

Besonders im Wohnungsbereich waren große Probleme erkennbar. An<br />

MigrantInnen wurden nur selten Wohnungen vermietet – wenn doch so<br />

meist zu erhöhten Preisen. Zudem wurden an MigrantInnen Anforderungen<br />

gestellt, die für Inländer nicht galten.<br />

In der Schwangerschaftskonfl iktberatung zeigte sich bei Migrantinnen<br />

das Problem, dass ein zusätzliches Kind zur Gefährdung der Aufenthaltsgenehmigung<br />

führen konnte, da die Geburt eines weiteren Kindes zur Verminderung<br />

des Familieneinkommens führte und der Wohnraum zumeist zu<br />

klein bzw. eng wurde. Außerdem erwies sich der Rechtsanspruch auf eine<br />

Familienzusammenführung meist als<br />

hypothetisch, da er auf Grund der Kontingentsregelungen<br />

nur schwer durchsetzbar<br />

war. Die MitarbeiterInnen des<br />

IfS im Bereich der MigrantInnenberatung<br />

konnten dem neuen Ausländergesetz<br />

deswegen wenig P ositives<br />

abgewinnen.<br />

Ein neues MigrantInnenenproblem<br />

ergab sich im Jahr 1992 im Zusammenhang<br />

mit dem Bürgerkrieg in Ex-<br />

Jugoslawien. Ende des Jahres lebten in<br />

Vorarlberg rund 3500 Kriegsfl üchtlinge.<br />

Ein Teil davon hatte bei Verwandten<br />

oder österreichischen Gastfamilien<br />

Aufnahme gefunden. 150 Menschen<br />

aus Bosnien lebten in der Bundesheer-<br />

Kaserne Galina in Nenzing.<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Ein erstes konkretes Hilfsangebot galt den BewohnerInnen der erwähnten<br />

Kaserne. Die IfS-Beratungsstelle Feldkirch bot ab Oktober 1992 regelmäßige<br />

Sprechstunden an. Die meisten Flüchtlinge hatten nicht mehr als ihr Leben<br />

retten können und standen noch lange unter dem Schock der Vertreibung<br />

und der schrecklichen Kriegserlebnisse. Gemeinsam mit dem Vorarlberger<br />

Landesverband für Psychotherapie bot das IfS Psychotherapie für Kriegsneurosen<br />

und Entwurzelungssyndrome an. Bald wurde klar, „dass sinnvolle<br />

Hilfe auch einer Beschäftigungsmöglichkeit bedurfte“. Mit der publizistischen<br />

Hilfe der „Vorarlberger Nachrichten“ wurde 1993 von Dr. Gertrud<br />

Würbel ein Konzept für ein bosnisch-vorarlbergisches Partnerschaftsmodell,<br />

die so genannte Aktion „Susret-Begegnung“, geschaffen. Das Arbeitsteam<br />

mit vielen freiwilligen HelferInnen schuf die organisatorischen Brücken<br />

für eine Begegnung zwischen den Fremden und den Einheimischen. Web-,<br />

Näh-, Tischler- und Töpferwerkstätten entstanden in den Garagen der<br />

Galina, Arbeitsmaterialspenden wurden gesammelt. Die Produkte des bosnischen<br />

Handwerks fanden Absatz auf Basaren in der Galina, später auch auf<br />

öffentlichen Märkten. Der Erlös ging an die Produzenten.<br />

Eine „Beschäftigungsbörse“ für Arbeit außerhalb der Galina lief unter<br />

dem Namen „Flüchtlinge helfen Vorarlbergern“. Für Gartenarbeit und ähnliches<br />

konnten Geldbeträge auf ein Spendenkonto erwirtschaftet werden,<br />

die den Tätigen als Spende ausbezahlt wurde. „Dieses Modell entzog sich<br />

dem Konflikt mit dem Gesetz des Arbeitsverbots für de-fact-Flüchtlinge und<br />

wurde von der Caritas für alle in Vorarlberg lebenden Flüchtlinge übernommen.“<br />

Ein weiteres Projekt, das in diesem Kontext entstanden ist und noch<br />

heute fortgeführt wird, ist die „Bosna Quilt Werkstatt“.<br />

Im März 1993 startete das Projekt „Künstler und Flüchtlinge“ mit elf<br />

Vorarlberger Künstlern, die ihre Ideen und Entwürfe als Vorlage für feingewobene<br />

Tapisserien, geknüpfte Teppiche und gestickte Quilts schenkten.<br />

Die Aktion Susret wurde 1995 im Flüchtlingsheim Galina beendet. Bis<br />

Frühsommer 2001 schaffte das Vereinsunternehmen aus eigener finanzieller<br />

Kraft die Fortführung des Betriebes in einer Werkstätte mit zehn Weberinnen.<br />

Im Laufe der Jahre hat sich die MigrantInnenberatung an den IfS-Beratungsstellen<br />

etabliert. Sprachliche Barrieren wurden durch die Anstellung<br />

muttersprachlicher BeraterInnen abgebaut, so dass MigrantInnen in<br />

der Beratung ein Stück Heimat erleben können. Unterstützt werden diese<br />

Menschen, die häufig auf Ablehnung und Unverständnis stoßen, in allen<br />

möglichen Lebensbereichen. Ziel der Arbeit ist es, konkrete Lebenshilfen zu<br />

· 80 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

besprechen, Vorurteile abzubauen und in gegenseitiger Anerkennung miteinander<br />

vertraut zu werden.<br />

Im Bereich der Beratung von MigrantInnen waren im Laufe der Zeit spezifische<br />

Problematiken zu erkennen. Zum einen erforderten all jene Bereiche,<br />

in denen traditionell-kulturelle Werte mit Menschenrechten kollidierten<br />

(z. B. Zwangsehen), sowohl in der Beratung als auch im gesellschaftlichen<br />

Diskurs eine Auseinandersetzung, zum anderen musste im Rahmen der<br />

MigrantInnenberatung auf das Problem der sprachlichen Barrieren reagiert<br />

werden. Vor allem das Phänomen der Heiratsmigrantinnen sowie die Tatsache,<br />

dass in den kommenden Jahren immer mehr Flüchtlinge den Status als<br />

anerkannte Flüchtlinge erhalten werden, machen es unabdingbar, vermehrt<br />

Beratungen in der Muttersprache der Betroffenen anzubieten.<br />

Psychologie und Psychotherapie<br />

Das Psychologengesetz führt folgende Berufsbeschreibung an: „Die Ausübung<br />

des psychologischen Berufes im Bereich des Gesundheitswesens ist<br />

die durch den Erwerb fachlicher Kompetenz im Sinne dieses Bundesgesetzes<br />

erlernte Untersuchung, Auslegung, Änderung und Vorhersage des Erlebens<br />

und Verhaltens von Menschen unter Anwendung wissenschaftlich-psychologischer<br />

Erkenntnisse und Methoden. Die Ausübung des psychologischen<br />

Berufes … umfasst insbesondere 1. die klinisch-psychologische Diagnostik<br />

hinsichtlich Leistungsfähigkeit, Persönlichkeitsmerkmalen, Verhaltensstörungen,<br />

psychischen Veränderungen und Leidenszuständen sowie sich<br />

darauf gründende Beratungen, Prognosen, Zeugnisse und Gutachten, 2.<br />

die Anwendung psychologischer Behandlungsmethoden zur Prävention,<br />

Behandlung und Rehabilitation von Einzelpersonen und Gruppen oder die<br />

Beratung von juristischen Personen sowie die Forschungs- und Lehrtätigkeit<br />

auf den genannten Gebieten und 3. die Entwicklung gesundheitsfördernder<br />

Maßnahmen und Projekte.“<br />

Das Psychotherapiegesetz definiert Psychotherapie in folgender Weise:<br />

„Die Ausübung der Psychotherapie … ist die nach einer allgemeinen<br />

und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante<br />

Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen<br />

und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen<br />

Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren<br />

Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel,<br />

· 81 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen<br />

und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und<br />

Gesundheit des Behandelten zu fördern.“<br />

Das Arbeiten mit psychotherapeutischen und psychologischen Methoden<br />

stellte neben der „Sozialen Arbeit“ von Beginn an einen Arbeitsschwerpunkt<br />

des IfS dar. Als 1991 das Psychologen- und Psychotherapie-Gesetz in<br />

Kraft trat und somit psychologisches und psychotherapeutisches Arbeiten<br />

auf eine breite gesetzliche Basis gestellt und zu einer anerkannten Profession<br />

wurde, hatte man im IfS bereits viele Erfahrungen in diesem Bereich<br />

gesammelt. Die IfS-Beratungsstellen setzten schon immer auf eine Zusammenarbeit<br />

zwischen Psychologie, Psychotherapie und Sozialarbeit, was bis<br />

heute die spezifisch multidisziplinäre Stärke des IfS ausmacht.<br />

Methodisch standen in den ersten Jahren die analytischen und tiefenpsychologischen<br />

Verfahren im Vordergrund. Methodenpluralität war jedoch<br />

immer Prinzip. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine breite Methodenvielfalt<br />

und man zeigte sich offen gegenüber neuen psychotherapeutischen<br />

und psychologischen Methoden und Entwicklungen. So werden heute beinahe<br />

alle psychotherapeutischen Methoden angewandt, die im Psychotherapiegesetz<br />

beschrieben sind, und vielfältige psychologische Verfahren sind im<br />

Einsatz. Schwerpunkte der psychologischen Verfahren sind die Diagnostik,<br />

die psychologische Behandlung (klinische Psychologie) und Maßnahmen<br />

der Gesundheitspsychologie.<br />

Viele Menschen kommen im Laufe ihres Lebens an Punkte, an denen das<br />

Ziehen einer Bilanz sowie eine Neuorientierung notwendig werden. Oder<br />

es treten „Störungen“ auf, die auf psycho-soziale Ursachen zurückzuführen<br />

sind. In Trennungs- und Verlustsituationen, in existenziellen Notlagen, bei<br />

der Übernahme neuer Anforderungen oder beim Verlust vertrauter Aufgaben<br />

und Lebensinhalte kann es zu Anpassungs- und Reaktionsstörungen<br />

kommen. Aber auch Ängste, Zwangsgedanken und -handlungen, Probleme<br />

in Partnerschaft oder Familie, Depressionen, Süchte und psychosomatische<br />

Erkrankungen können die Lebensqualität massiv einschränken.<br />

Die PsychotherapeutInnen und PsychologInnen des IfS machten es sich<br />

von Beginn an zur Aufgabe, Menschen, die sich in solch schwierigen Lebenssituationen<br />

befinden, zu helfen.<br />

Im Jahr 1981 unterstützten die MitarbeiterInnen des IfS beispielsweise 106<br />

Menschen mit Depressionen sowie 244 Personen, die Selbstmordgedanken<br />

hegten oder bereits einen Suizidversuch hinter sich hatten. Im Laufe der<br />

· 82 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Jahre stieg die Anzahl der KlientInnen, die Erwachsenenpsychotherapie in<br />

Anspruch nahmen, ständig an. 1994 waren es 1.164, im Jahr 1996 bereits<br />

1.959 und im Jahr 2006 insgesamt 2.279.<br />

Gerade die Betreuung psychisch belasteter und kranker Menschen zeigte,<br />

dass eine Zusammenarbeit der Disziplinen, insbesondere auch zwischen<br />

Sozial arbeit, Psychotherapie und Psychologie wichtig und notwendig ist.<br />

Zu diesem Themenschwerpunkt, der die Kooperation der Fachbereiche<br />

b eleuchtete, führte das IfS 1983 im Feldkircher Montforthaus ein Symposium<br />

durch, dessen Ergebnisse 1985 in der Fachschriftenreihe des IfS unter<br />

dem Titel „Sozialarbeit & Psychoanalyse, Chancen und Probleme in der<br />

praktischen Arbeit“ von Dr. Josef Christian Aigner herausgegeben wurden.<br />

Dass jedes Individuum jedoch Teil<br />

e ines sozialen Kontextes ist, der das<br />

Verhalten der Individuen stark mit<br />

beeinfl usst, wurde erst im systemischen<br />

Ansatz stärker beachtet und in<br />

die psychologischen und psychotherapeutischen<br />

Methoden integriert. Dass<br />

menschliche Probleme bis hin zu Sinnkrisen<br />

und Suizid vor allem eine Angelegenheit<br />

des sozialen Status und der<br />

sozialen Schichtzugehörigkeit waren,<br />

bewies in der IfS-Fachschriftenreihe<br />

der Beitrag des Sozialpädagogen Bertram<br />

Strolz über seine Erfahrungen in<br />

Vorarlberg: „... so wird offensichtlich,<br />

dass gerade die soziale Isolation, die<br />

aktuellen und biographisch brüchigen<br />

Beziehungserfahrungen und die gesellschaftlich bestehenden Stigmatisierungstendenzen<br />

das Erlangen und Erhalten von Integrität für Menschen aus<br />

sozial benachteiligten Schichten massiv beeinträchtigen ... zu Gefühlen der<br />

Minderwertigkeit, Passivität führen.“<br />

Das aus methodischer und therapeutischer Sicht zukunftsweisende Konzept<br />

der Gruppenpsychotherapie wurde seit 1982 von Dr. Martin Mittendorfer<br />

und Franz Feuerstein eingesetzt. Es wurden zahlreiche psychotherapeutische<br />

Intensivgruppen (Mehr-Tages-Workshops) durchgeführt, die von den<br />

KlientInnen sehr gut angenommen wurden.<br />

· 83 ·<br />

1997: Team für psychologische Beratung<br />

von Kindergärten


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Analysiert man die Entwicklungen und Aufgaben der IfS-Beratungsstellen,<br />

liefern diese ein deutliches Bild über den Wandel der Vorarlberger<br />

Gesellschaft seit der Gründung des IfS zu Beginn der 1970er Jahre: Dominierten<br />

damals Erziehungsfragen und Jugendarbeit, so verlagerte sich der<br />

Schwerpunkt immer stärker auf die Psychotherapie und die psychologische<br />

B ehandlung. Die zunehmende Verstädterung und Industrialisierung förderte<br />

ein bis dahin fast unbekanntes Phänomen – die individuelle Vereinsamung<br />

und Entsolidarisierung der Gesellschaft. Zu einem weiteren Problem<br />

wurden die große Schicht allein erziehender Frauen und die damit verbundene<br />

Vaterlosigkeit der Kinder.<br />

Ehe und Partnerschaft<br />

1991 IfS-Team Bregenzerwald<br />

Dr. Gertraud Würbel (Mitte)<br />

zum anderen in der Paarberatung Unterstützung.<br />

In den 1970er Jahren galt die Ehe-<br />

und Paarberatung als eigene Disziplin,<br />

in deren Rahmen die Ausübung<br />

der B eratungstätigkeit einer speziellen<br />

Ausbildung bedurfte. Im Laufe der<br />

Zeit wurde diese Disziplin jedoch von<br />

den Berufsfeldern der Sozialarbeit, der<br />

Psychologie und Psychotherapie übernommen<br />

und weiterentwickelt. Menschen<br />

mit Problemen im Bereich Ehe<br />

bzw. Partnerschaft fanden zum einen<br />

in der Erwachsenenberatung, in der<br />

Einzelpersonen gemeinsam mit einem<br />

Außenstehenden ihre Probleme in der<br />

Partnerschaft beleuchten und besser<br />

zu verstehen und zu lösen versuchen,<br />

Ehe und Partnerschaft stellen einen Bereich dar, in dem sich in den vergangenen<br />

Jahren und Jahrzehnten bezüglich der Wertehaltung sowie der<br />

Bedürfnisse von Paaren sehr vieles verändert hat. Gerade in diesem Bereich<br />

wird sichtbar, wie sich die gesellschaftlichen Rollen von Frauen und Männern<br />

verändert haben. Für Paare stellen diese neuen Rollenbilder und die<br />

Ansprüche, die heutzutage an eine Partnerschaft gestellt werden, oft eine<br />

große Herausforderung dar. Es hat sich gezeigt, dass es oft notwendig und<br />

· 84 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

1997: 20 Jahre IfS-Beratungsstelle Bludenz<br />

sinnvoll sein kann, Probleme innerhalb einer Beziehung mit einer außenstehenden<br />

Person zu analysieren, um die Partnerschaft aufrecht zu erhalten. In<br />

der Ehe- und Paarberatung geht es darum, den Partnern zu helfen, zu einer<br />

gelingenden Partnerschaft zurückzufi nden, oder sie darin zu unterstützen,<br />

sich respektvoll zu trennen und dabei das Wohl der gemeinsamen Kinder<br />

nicht aus den Augen zu verlieren.<br />

Zu Beginn der 1980er Jahre wurde die Ehe-, Paar und Erwachsenenberatung<br />

hauptsächlich von den IfS-Beratungsstellen wahrgenommen. Kennzeichnend<br />

war, dass dieser Beratungsbereich etwa von einem Viertel aller<br />

Ratsuchenden in Anspruch genommen wurde und der Anteil an Männern<br />

mit 30% recht gering war. Im Jahr 2006 waren rund 75% der KlientInnen,<br />

die die Erwachsenenberatung aufsuchten weiblich, lediglich ein Viertel der<br />

Ratsuchenden in diesem Bereich war männlich.<br />

Einen entscheidenden Einfl uss auf die Eheberatung übte das im Jahr 2000<br />

erlassene neue Eherecht aus. Diese wichtige Eherechtsreform verpfl ichtete<br />

die EhepartnerInnen zu einer einvernehmlichen und ausgewogenen<br />

L ebensgestaltung. Aus der Sicht des IfS waren die Änderungen, die auch das<br />

Scheidungsrecht betrafen, zu begrüßen. Man wies jedoch darauf hin, dass<br />

eine Beratung nicht erst mit Beginn des Gerichtsverfahrens in Anspruch<br />

genommen werden sollte. Die krisenhafte Entwicklung beginne früher und<br />

dort wolle das IfS ansetzen. Es gehe nicht nur um Konfl iktberatung, sondern<br />

· 85 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

ebenso um einen einvernehmlichen Neubeginn oder um eine einvernehmliche<br />

Scheidung bei vorsorglicher Gestaltung der künftigen Beziehung.<br />

Durch das neue Zivilrechtsmediationsgesetz trat an Stelle der Beratung in<br />

verstärktem Maße die Vermittlung. Unter Mediation verstand man die fachlich<br />

fundierte Begleitung und Anleitung von Menschen in Konflikten. Ziel<br />

sollte es sein, für alle Beteiligten ausgewogene und akzeptierbare Lösungen<br />

zu finden.<br />

Trennungs- und Scheidungsberatung<br />

Noch vor rund 25 Jahren verfolgte man vornehmlich die Idee, Scheidungen<br />

zu verhindern. Heute gilt die Verhinderung der Trennung nicht mehr als<br />

oberstes Ziel. Man ist zu der Überzeugung gelangt, Paare bzw. Familien während<br />

der Trennungsphase zu begleiten und zu unterstützen.<br />

Seit Mitte der 1980er Jahre wurde die Zusammenarbeit mit Gerichten<br />

intensiviert. Immer häufiger holten Gerichte im Rahmen von strittigen Sorgerechtsverfahren<br />

psychologische Gutachten bei den IfS-Beratungsstellen<br />

ein. Diese Gutachten dienten als Entscheidungshilfe für die Beschlüsse, welcher<br />

Elternteil zukünftig mit der Obsorge betraut werden sollte. Um diese<br />

Aufgabe zur Zufriedenheit erfüllen zu können, organisierte das IfS im Juni<br />

1986 gemeinsam mit der Vereinigung Österreichischer Richter, Sektion<br />

Vorarlberg, eine erste interdisziplinäre Tagung. Dabei wurden praktische<br />

Fragen des Scheidungsrechts, Scheidungshilfen und die Scheidungssituation<br />

des Kindes aus psychologischer Sicht thematisiert.<br />

Die Beratung und Begleitung von Paaren und Familien in Trennungs-<br />

und Scheidungssituationen stellte an den Beratungsstellen des IfS schon<br />

immer einen Schwerpunkt dar. Ein spezielles Beratungsangebot – „Familienberatung<br />

bei Trennung/Scheidung“ – wurde 2007 an der IfS-Beratungsstelle<br />

Feldkirch installiert. Dieses hat es sich zum Ziel gesetzt, Eltern zu<br />

unterstützen, trotz Scheidungskrise die Kinder im Mittelpunkt der gemeinsamen<br />

Verantwortung zu sehen. Ehescheidungen bzw. Trennungen sind einschneidende<br />

Erlebnisse – besonders für Kinder, die sich plötzlich mit der<br />

Situation zurechtfinden müssen, nur noch mit einem Elternteil im gemeinsamen<br />

Haushalt zu leben. Um Kindern die Möglichkeit zu geben, die Mitte<br />

zwischen den Eltern auch in Zeiten der Trennung weiterhin als Geborgenheit<br />

zu erleben, braucht es die Bereitschaft der Eltern, die Trennung als das<br />

· 86 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

zu sehen, was es für die Kinder sein kann: eine Krise, eine Bedrohung, eine<br />

Katastrophe.<br />

Im Rahmen der Beratung sollen Eltern dahingehend unterstützt werden,<br />

im Sinne des Kindes zu versuchen, sich in Gesprächen um die Obsorge nicht<br />

von Erfahrungen leiten zu lassen, die zur Scheidung bzw. Trennung führten.<br />

Kinder haben das Recht auf Mutter und Vater. Sie brauchen Geborgenheit,<br />

Gesprächsbereitschaft und das Interesse ihrer Eltern sowie Brücken zwischen<br />

ihren Eltern, auf denen sie sich angstfrei bewegen können.<br />

Die Obsorge beider Elternteile soll nicht als Aufteilung der Rechte und<br />

als gegenseitige Kontrolle verstanden werden, sondern als Versprechen der<br />

Eltern, die Kinder aus dem Konflikt herauszuhalten und sich gemeinsam um<br />

deren Erziehung zu sorgen und zu kümmern. Für das geschiedene Paar ist es<br />

– aufgrund vergangener Enttäuschungen und Verletzungen – nicht immer<br />

einfach, eine neue Vertrauensbasis zu schaffen und sich gegenseitig in der<br />

Rolle als Mutter bzw. Vater zu bejahen. Doch nur so lässt sich ein Weg finden,<br />

Kindern weiterhin ein Gefühl von Geborgenheit zu vermitteln, anstatt<br />

diese einem Loyalitätskonflikt auszusetzen.<br />

Das IfS bietet Familien in Scheidungs- bzw. Trennungssituationen Beratung<br />

und Hilfe an. Eltern werden dahingehend unterstützt, zwischen Paarkonflikt<br />

und Elternverantwortung zu unterscheiden, die künftige Sorge um<br />

die Kinder mit Inhalten zu füllen und diese kindgerecht zu gestalten sowie<br />

faire Vereinbarungen für eine einvernehmliche Scheidung auszuhandeln<br />

und zu formulieren, in denen die Obsorge für die Kinder einen besonderen<br />

Stellenwert hat.<br />

Sexualität, Schwangerschaft und Schwangerschaftskonflikte<br />

Im Rahmen der Eheberatung und Familienplanung hatten sich die IfS-BeraterInnen<br />

von Anfang an mit Fragen der Sexualität zu beschäftigen. Im Rahmen<br />

des Familienberatungsförderungsgesetzes wurde vom Bund im Jahr<br />

1974 ein spezielles Beratungsangebot geschaffen, um als begleitende Maßnahme<br />

zur „Fristenregelung“ vorbeugend und helfend wirken zu können.<br />

In Vorarlberg übernahm das IfS zusammen mit der Ärzteschaft zum großen<br />

Teil diese Aufgabe. Unter der Federführung von Ulrike Tschofen entwickelten<br />

sich somit die Beratungen bei ungewollten Schwangerschaften und die<br />

Informationsleistungen bezüglich der Verhütung von Schwangerschaften<br />

zu einem zentralen Bereich der Sozialarbeit im IfS.<br />

· 87 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Anfang der 1980er Jahre wurde<br />

„Verhütung“ im öffentlichen Diskurs<br />

nur selten thematisiert, da die<br />

Moral „ohne Sex keine unerwünschte<br />

Schwangerschaft“ vorherrschend war.<br />

Von den rund 400 Frauen, die 1984<br />

eine IfS-Beratungsstelle aufgesucht<br />

hatten, da sie ungewollt schwanger<br />

geworden waren, hatten nur wenige<br />

ein Verhütungsmittel angewandt.<br />

Laut einer österreichischen Untersuchung<br />

hatten 57% der Frauen zum<br />

Zeitpunkt der Empfängnis mit ihren<br />

Partnern keine Verhütungsmaßnahmen<br />

getroffen, obwohl sie ausdrücklich<br />

kein Kind wünschten. Erst<br />

im Laufe der Jahre änderte sich die<br />

M oralvorstellung dahingehend, dass<br />

das Ausleben einer gesunden Sexualität<br />

dank Verhütung möglich ist.<br />

Das IfS bot den hilfesuchenden<br />

Schwangeren, meist Mädchen und<br />

junge Frauen, medizinische Beratung durch ÄrztInnen und auch s ozial-psychologische<br />

Hilfestellung durch qualifi zierte BeraterInnen an. Die Entscheidung<br />

für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch wurde den Frauen<br />

erschwert, da in Vorarlberg die öffentliche Meinung einen Schwangerschaftsabbruch<br />

verurteilte. Die BeraterInnen des IfS handelten aber dennoch<br />

nach dem Prinzip, „die betroffene Frau kann selbst entscheiden, ihr<br />

darf weder eine Entscheidung aufgedrängt noch abgenommen werden“.<br />

Im Rahmen der Schwangerschaftskonfl iktberatung wurden von Anfang an<br />

b estimmte Beratungsgrundsätze verfolgt: Die Beratung erfolgt im geschützten<br />

Rahmen, hat nicht wertend und aus ganzheitlicher Sicht zu erfolgen. Mit<br />

dem Anliegen der Hilfesuchenden ist sorgfältig und sorgsam umzugehen,<br />

die persönliche Entscheidung der Hilfesuchenden ist zu achten.<br />

Im Jahr 1984 schätzte man die Zahl der in Österreich vorgenommenen<br />

Abtreibungen auf 95.000, für Vorarlberg wurde eine Zahl von 2.000 angenommen.<br />

Von den ungewollt Schwangeren, die Kontakte zum IfS aufnahmen,<br />

bekannten sich ca. 30% zum anfangs unerwünschten Kind. Die übrigen<br />

suchten ihre individuelle „Lösung“ in anderen Bundesländern, da sich die<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

ÄrztInnen und Spitäler weigerten, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.<br />

Damals wurden Themen wie Verhütung und Abtreibung gesellschaftlich<br />

tabuisiert, was dazu beitrug, dass Frauen, die ungewollt schwanger<br />

geworden waren, in sehr große Konflikte gerieten. Dies machte deutlich,<br />

dass man zukünftig den Schwerpunkt auf die Empfängnisverhütung und<br />

sexuelle Aufklärung verlagern musste. Die Forderung lautete daher: „Bei der<br />

Sexualerziehung in Schule und Elternhaus muss verstärkt auf eine gesamtheitliche<br />

Erziehung geachtet werden. Zum Menschsein gehören Sexualität<br />

und das Wissen, wie mit ihr verantwortlich umgegangen wird.“ 1984 bildete<br />

sich zu diesem Zweck eine Projektplanungsgruppe am IfS-Dornbirn, die sich<br />

zum Ziel setzte, „gegen Unwissenheit, gegen Vorurteile und gegen Tabus<br />

im Bereich der Sexualität“ vorzugehen. Die Projektgruppe arbeitete in der<br />

Folge „von Frau zu Frau“, mit Frauen- und Mädchengruppen, LehrerInnen<br />

und Schulen und dem Katholischen Bildungswerk.<br />

Im wichtigen Bereich der Prophylaxe bot das IfS bereits 1981 bis 1983 in<br />

Kooperation mit FrauenfachärztInnen fortlaufende und sehr gut besuchte<br />

Geburtsvorbereitungskurse für Schwangere und deren Partner an. Ebenso<br />

organisierte man mehrere Fortbildungen für Fachkräfte in diesem Bereich.<br />

Da durchschnittlich zwei Prozent der Eltern das Schicksal erleiden, ihr Kind<br />

während der Schwangerschaft oder im frühen Kindesalter zu verlieren,<br />

startete das IfS im Jahr 2004 eine besondere Hilfestellung: Die Broschüre<br />

„Abschied von einem kleinen Leben“ unterbreitet vielfältige Hilfsangebote<br />

in dieser schwierigen Situation.<br />

Beratung für Männer<br />

Im Oktober 1986 startete die Beratungsstelle Dornbirn das Projekt „Beratung<br />

für Männer“. Dies war ein „Angebot von Männern für Männer“. In Einzel-<br />

und Gruppengesprächen sowie in Informationsabenden wurden eherechtliche<br />

und erzieherische Fragen, Hilfestellungen in Scheidungssituationen,<br />

Fragen der Sexualität sowie Gesprächsmöglichkeiten bei Stress und Leistungsdruck<br />

behandelt und diskutiert.<br />

Im Allgemeinen waren es häufiger Frauen, die Probleme und Konflikte<br />

erkannten und einen Beitrag zu deren Lösung leisten wollten, um Partnerschaft<br />

und Familie zu „retten“ oder eine harmonische Beziehung wieder<br />

herzustellen. Die Bereitschaft und der Druck zu Veränderungen gingen<br />

somit häufiger von Frauen aus. Das betraf vor allem die Erwachsenenbe-<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

ratung, Psychotherapie sowie Familienberatung<br />

und -planung. In den<br />

Bereichen der Beratung für Menschen<br />

mit Behinderungen war das Verhältnis<br />

zwischen Männern und Frauen<br />

ausgeglichen.<br />

2003 startete das IfS die Kampagne<br />

„Das Schweigen der Männer“. Diese<br />

Aktion, die im Jahr 2006 wiederholt<br />

wurde, zielte darauf ab, Männern<br />

deutlich zu machen, dass es selbstverständlich<br />

ist, dass Männer über sich<br />

selbst reden, sich gegenseitig unterstützen<br />

und in Problemlagen Hilfe in<br />

Anspruch nehmen.<br />

Mit der Kampagne „Starke Männer<br />

brauchen keine Gewalt“ sprachen<br />

sich 2007 das IfS und die AK<br />

Vorarlberg deutlich gegen gewalttätiges<br />

Handeln aus. Im Rahmen dieser Kampagne zeigten prominente Vorarlberger<br />

– Hubert Hämmerle (Präsident der AK Vorarlberg), Stefan Vögel<br />

(Kabarettist), Roman Rafreider (ORF-Moderator), Günter Polanec (ehem.<br />

ORF-Sportchef), Roland Kirchler (SCR Altach), Müslüm Atav (SCR Altach)<br />

und Jürgen König (mehrfacher Boxstaatsmeister) – Gewalt die rote Karte.<br />

Zudem war eine Wanderausstellung des Vorarlberger Fotokünstlers Nikolaus<br />

Walter zu sehen.<br />

Opferschutz<br />

Von Anfang an wurden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Institut<br />

für Sozialdienste vermehrt mit Problemen, die in Zusammenhang mit<br />

G ewalt auftreten, konfrontiert. Vor allem Probleme im Zusammenhang mit<br />

innerfamiliärer Gewalt wurden in der Beratung – hauptsächlich von Frauen<br />

– immer wieder thematisiert. Die Arbeit mit diesen betroffenen Frauen<br />

zeigte die Notwendigkeit auf, dass es neben dem allgemeinen Beratungsangebot<br />

auch spezieller Angebote bedurfte, die sich vornehmlich dem Themenbereich<br />

Gewalt widmeten. So wurden im Laufe der Jahre zusätzliche und<br />

spezielle Angebote entwickelt und umgesetzt.<br />

· 90 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

FrauennotWohnung<br />

Ende der 1980er Jahre erkannten private und politische Initiativen die Probleme<br />

der von Gewalt betroffenen Frauen und setzten sich für die Gründung<br />

eines autonomen Frauenhauses ein. Doch die Politik wollte zum damaligen<br />

Zeitpunkt – teils aufgrund ideologischer Vorstellungen, teils aufgrund eines<br />

Wunschdenkens – nicht wahrhaben, dass eine solche Einrichtung vonnöten<br />

war. Die Anzahl jener Frauen, die sich Hilfe und Schutz suchend an das IfS<br />

wandten, machte die Notwendigkeit eines solchen Vorhabens jedoch deutlich.<br />

Die heile Welt der Politik existierte in der Realität nicht. Es gab von<br />

Gewalt betroffene Frauen, die spezieller Begleitung und besonderer Schutzmaßnahmen<br />

bedurften.<br />

Auf Initiative der damaligen Frauenreferentin Brigitte Bitschnau-C anal<br />

und der IfS-Mitarbeiterin Angelika Würbel wurde ein Konzept für eine<br />

Vorarlberger FrauennotWohnung entwickelt, welche im Juli 1990 unter<br />

dem Namen „IfS-FrauennotWohnung“ eröffnet wurde. Diese bietet seither<br />

Frauen und Kindern, die von Gewalt betroffen sind, rasch und direkt parteiliche<br />

Hilfe, Schutz und eine vorübergehende Wohnmöglichkeit an. In der<br />

IfS-FrauennotWohnung, die rund um die Uhr telefonisch erreichbar ist, fi nden<br />

misshandelte Frauen und Kinder Raum und Zeit, um zur Ruhe zu kommen.<br />

Hier können in einer gewaltfreien Umgebung Entscheidungen gefällt<br />

werden, wie das Leben in Zukunft gestaltet werden soll. Jeder Klientin steht<br />

1991: Ein Jahr IfS-FrauennotWohnung<br />

· 91 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

während ihres Aufenthaltes<br />

eine Beraterin begleitend,<br />

u nterstützend und informierend<br />

zur Seite.<br />

Wie in anderen IfS-Fachbereichen<br />

wurde auch in der<br />

FrauennotWohnung von B eginn<br />

an der Anspruch vertreten,<br />

Hilfe zur Selbsthilfe zu<br />

leisten. Egal ob sich die Frau<br />

nach ihrem Aufenthalt in der<br />

FrauennotWohnung dazu entschließt,<br />

ein eigenständiges<br />

Leben ohne ihren Partner zu<br />

beginnen oder ob sie zu ihrem<br />

Partner zurückkehrt, die Entscheidung<br />

wird von den Beraterinnen<br />

mitgetragen.<br />

Die Sozialarbeiterinnen<br />

und nebenamtlichen Mitar-<br />

1996: Kampagne gegen Gewalt an Frauen<br />

beiterinnen des IfS ließen sich<br />

von bestimmten Grundsätzen<br />

leiten: „Wir stehen auf jedem Fall auf der Seite der misshandelten Frauen.“<br />

Im Rahmen der Arbeit zeigte sich, dass auch eine intensive Betreuung der<br />

Kinder notwendig war, da diese auf Grund der meist lange andauernden,<br />

problematischen Familiensituationen häufi g traumatisiert waren.<br />

Obwohl Gewalt an Frauen bereits 1990 ein Straftatbestand war, gab es<br />

vor Inkrafttreten des Gewaltschutzgesetzes im Mai 1997 keine Möglichkeit,<br />

den Gewalttäter aus der Wohnung zu verweisen. So waren es meist die<br />

Frauen und Kinder, die aus der Wohnung auszogen. Die Frauen kamen aus<br />

allen sozialen Schichten und aus ganz Vorarlberg.<br />

Ein neues Phänomen war die vermehrte Aufnahme von Frauen aus Osteuropa,<br />

Asien und Lateinamerika, die zwecks Ehe und Familiengründung ins<br />

Land geholt worden waren. Vor allem seit Mitte der 1990er Jahre traten im<br />

Zusammenhang mit dem Heiratstourismus diese Probleme zutage. Frauen,<br />

die in der Illusion, in Österreich eine gesicherte Existenz zu haben, nach<br />

Vorarlberg gekommen waren, sahen sich plötzlich mit gescheiterten, häufi g<br />

auch gewalttätigen Beziehungen konfrontiert und standen vor dem Problem,<br />

die deutsche Sprache nicht zu beherrschen und das Netz an s ozialen Organi-<br />

· 92 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

sationen, die Hilfestellungen anboten, nicht zu kennen. Die IfS-Frauennot-<br />

Wohnung war oft die einzige Auffangmöglichkeit, der einzige Ort, wo diese<br />

Frauen zur Ruhe kommen konnten, um sich neue Existenzen aufzubauen.<br />

1997 startete das IfS zusammen mit dem ORF die Aktion „Mir reicht’s“,<br />

eine Kampagne gegen Gewalt an Frauen. Sechs Wochen lang stand dieses<br />

Tabuthema in der Öffentlichkeit und wurde reflektiert. 180 Anruferinnen<br />

meldeten sich bei der eigens eingerichteten Telefon-Hotline, die vom IfS und<br />

der kooperierenden Telefonseelsorge in Dornbirn installiert worden war.<br />

Im Jahr 1995 hatten 60 Frauen und ebenso viele Kinder die IfS-FrauennotWohnung<br />

in Dornbirn aufgesucht, wo sie Schutz, Unterstützung und<br />

Information erhielten. Im Jahr 2006 suchten 75 von Gewalt betroffene<br />

Frauen und deren Kindern (32 Mädchen und 33 Buben) in der IfS-FrauennotWohnung<br />

Schutz und Zuflucht. Die Aufenthaltsdauer variierte zwischen<br />

einem Tag und 180 Tagen.<br />

Interventionsstelle<br />

Einen wesentlichen Fortschritt im Gewaltschutz stellte das im Mai 1997<br />

erlassene Gesetz zum Schutz gegen Gewalt in der Familie dar. Zwei Jahre<br />

später, im September 1999, wurde in Feldkirch die „IfS-Interventionsstelle“<br />

– Handeln gegen Gewalt in der Familie – eröffnet. Diese bietet Opfern von<br />

Gewalt in der Familie rasche und kompetente Hilfe an. Anlässlich der Eröffnung<br />

wurde die Zielsetzung der IfS-Interventionsstelle im Eröffnungsstatement<br />

wie folgend erklärt: „Unsere Arbeit basiert auf dem Grundsatz, dass<br />

Gewalt in keiner Form und in keinem Ausmaß zu akzeptieren ist und unsere<br />

Aufmerksamkeit der Verhinderung von Gewalt an Frauen und Kindern gelten<br />

muss. Der Gesetzgeber hat ein deutliches Zeichen gesetzt: Bei familiärer<br />

Gewalt müssen nicht mehr die Opfer fliehen und sich in Sicherheit bringen,<br />

die Gewaltspirale wird durch die Wegweisung von Gewalttätern unterbrochen.<br />

Den Opfern von Gewalt darf nie die Schuld für die erlittene Gewalt<br />

zugeschoben werden.“<br />

Finanziert wurde die IfS-Interventionsstelle Vorarlberg aus Mitteln des<br />

Bundesministeriums für Inneres und des Bundesministerium für Gesundheit<br />

und Frauen. Diese gesetzlich anerkannte Opferschutzeinrichtung setzte<br />

von Anfang an auf eine effektive Zusammenarbeit mit Exekutive, Gerichten,<br />

psychosozialen und medizinischen Einrichtungen, um somit ein wirkungsvolles<br />

Vorgehen gegen Gewalt gewährleisten zu können. Durch das Bundesgesetz<br />

zum Schutz vor Gewalt in der Familie können Polizei und Gerichte<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

2007: 10 Jahre Gewaltschutzgesetz mit LR Schwärzler Elisabeth Kiesenebner Bauer<br />

den Gewalttäter aus der Wohnung weisen und ihm die Rückkehr sowie die<br />

Kontaktaufnahme zum Opfer verbieten. Erfolgt eine Wegweisung bzw. ein<br />

Betretungsverbot, so wird die IfS-Interventionsstelle umgehend informiert.<br />

Diese nimmt so schnell wie möglich mit dem Opfer Kontakt auf und bietet<br />

diesem Unterstützung an. Dabei wird das Ziel verfolgt, das Opfer zu schützen,<br />

damit sich dieses wieder sicher fühlen kann.<br />

Die IfS-Interventionsstelle begleitet und unterstützt das Opfer, gibt<br />

E rstinformationen weiter, erstellt einen Sicherheitsplan und leitet sofortige<br />

Interventionen ein. Zudem werden Hilfestellungen bei Behördenkontakten<br />

und bei der Weitervermittlung an andere soziale Einrichtungen angeboten.<br />

Die Bilanz der Interventionsstelle im ersten Jahr ihrer Tätigkeit ergab folgende<br />

Zahlen: 167 Opfer von Gewalt wurden beraten und in 114 Fällen war<br />

die Exekutive involviert. Betroffen waren überwiegend Frauen und Kinder.<br />

Mehr als 90% der Opfer hatten über längere Zeit andauernde physische,<br />

psychische oder sexuelle Gewalt erfahren. Es zeigten sich aber auch Probleme<br />

bei der Durchführung der Maßnahmen gegen die meist männlichen<br />

Gewalttäter. Ein Großteil der Frauen verzichtete auf eine Wegweisung der<br />

Gewalttäter aus der gemeinsamen Wohnung, weil sie existentiell abhängig<br />

waren und Angst vor verstärkter Gewalt und schließlich auch die Hoffnung<br />

auf Veränderung des „Partners“ hatten. Wegweisungen und Betretungsverbote<br />

wurden zudem anfangs kaum ausgeführt, da es den Exekutivbeamten<br />

oblag, wie sie die Situation an Ort und Stelle einschätzten, und sich häufi g<br />

mit Streitschlichtungen zufrieden gaben.<br />

Eine Studie über die Gewalt in Familie und Partnerschaft in Vorarlberg,<br />

Liechtenstein und Graubünden bewies, dass männliche Gewalttäter überwiegend<br />

traditionelle Vorstellungen von der Rollenverteilung von Frauen<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

und Männern hatten: Die Frau gehöre in den Haushalt, der Mann habe die<br />

Funktion, die Familie zu versorgen. Eifersucht und Verlustangst bei Trennungsabsichten<br />

der Frauen führten häufig zu Gewalttaten.<br />

Im Jahr 2001 hatten die Wegweisungen und Betretungsverbote im Vergleich<br />

zum Vorjahr um 55% zugenommen. Betretungsverbote waren von<br />

den Beamten nunmehr als wirkungsvolle Maßnahme erkannt worden, wie<br />

überhaupt das Bewusstsein entstanden war, dass Gewalt – in welcher Form<br />

auch immer – ein strafrechtlicher Tatbestand und kein Beziehungsproblem<br />

war. „Es liegt nicht in der Macht des Opfers, die Gewalt zu verhindern, es<br />

liegt allein in der Hand des Täters, die Gewalt zu beenden“, so Elisabeth<br />

Kiesenebner-Bauer, die Leiterin der IfS-Interventionsstelle.<br />

Im Jahr 2006 begleitete und unterstützte die IfS-Interventionsstelle 432<br />

Menschen. 91% der Hilfesuchenden waren Frauen, lediglich in 9% der Fälle<br />

wandten sich Männer an die Mitarbeiterinnen der Interventionsstelle.<br />

Die mit 1. Jänner 2006 in Kraft getretenen Änderungen der Strafprozessordnung<br />

wurden von den Mitarbeiterinnen der IfS-Interventionsstelle<br />

begrüßt. Diese brachten wichtige Verbesserungen für Opfer mit sich, da<br />

diesen in Zukunft mehr Rechte zugesprochen und Opferanliegen verstärkt<br />

zum Gegenstand des Strafverfahrens werden. Die erweiterten Opferrechte<br />

beinhalteten neben einer umfassenden Information der Gewaltopfer auch<br />

ohne Privatbeteiligtenanschluss die Verständigung über den Fortgang des<br />

Verfahrens, die Mitwirkung im Verfahren, Akteneinsicht sowie eine schonende<br />

Behandlung. Die Anliegen der Opfer sollen ernst genommen und<br />

zum Gegenstand des Strafprozesses gemacht werden. Des Weiteren kommt<br />

Gewaltopfern nun das Recht auf psychosoziale und juristische Prozessbegleitung<br />

zu, die von der Interventionsstelle angeboten wird.<br />

Weitere Änderungen brachte das mit 1. Juli 2006 in Kraft tretende Anti-<br />

Stalking-Gesetz mit sich. Dieses neue Bundesgesetz schützt gegen beharrliche<br />

Verfolgung, sorgt für den zivilrechtlichen Schutz vor Eingriffen in<br />

die Privatsphäre und ist somit ein weiteres Gesetz zur Stärkung der Opfer.<br />

Die Mitarbeiterinnen der IfS-Interventionsstelle zeigten sich erfreut, dass<br />

auf gesellschaftliche Forderungen reagiert und nunmehr auch psychische<br />

Gewalt als kriminelles Verhalten angesehen und staatlich geächtet wurde.<br />

Mit dem neuen Anti-Stalking-Gesetz wurde eine solche Art der Gewaltausübung<br />

strafbar.<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Prozessbegleitung<br />

Das Thema „Gewalt in der Familie“ gelangte in den 1980er Jahren zunehmend<br />

in die öffentliche Diskussion. Im Zuge der verstärkten Thematisierung<br />

wurde erst sichtbar, welches Ausmaß diese Form der Gewalt angenommen<br />

hatte. Um den Betroffenen gerecht zu werden, schuf man in der Folge<br />

gesetzliche Grundlagen und richtete entsprechende Hilfeleistungen ein.<br />

Eines dieser Unterstützungsangebote war die psychosoziale und juristische<br />

Prozessbegleitung, in deren Rahmen PsychologInnen, SozialarbeiterInnen,<br />

JuristInnen und AnwältInnen Opfer von Straftaten von der Anzeige durch<br />

die verschiedenen Verfahrensstadien (Zeugenaussagen, Hauptverhandlung<br />

etc.) bis zur Beendigung des Strafverfahrens beraten und unterstützen.<br />

Die Prozessbegleitung richtete sich an Kinder und Jugendliche, die Opfer<br />

von sexuellem Missbrauch oder Misshandlungen wurden, an Frauen und<br />

Männer, die sexuelle, körperliche oder psychische Gewalt erlitten hatten,<br />

sowie an nahe Angehörige von durch Straftat getöteten Personen und Zeugen<br />

einer solchen Tat.<br />

Eine Anzeige und ein gerichtliches Verfahren konnten sich für die Opfer<br />

und deren Bezugssystem als sehr belastende Ausnahmesituationen gestalten,<br />

die durch ein stärkendes Umfeld abgemildert werden konnten. Besonders<br />

wenn Kinder betroffen waren, zeigten sich zumeist auch deren Bezugspersonen<br />

verunsichert, hatten Schuldgefühle oder widersprüchliche Gefühle.<br />

In solch schwierigen Lebenssituationen wurde die psychosoziale Prozessbegleitung<br />

als entlastende Hilfestellung und Stabilisierung erlebt. Zusammenhänge<br />

und Abläufe wurden aufgezeigt und erklärt, was bereits in vielen<br />

Fällen eine Stärkung des Opfers bedeutete, denn so konnten auch eventuelle<br />

Gefühle von persönlicher Schuld oder Unfähigkeit verringert werden.<br />

Im Rahmen der juristischen Prozessbegleitung war es Aufgabe der<br />

JuristIn bzw. AnwältIn, den Betroffenen den Ablauf des Gerichtsprozederes<br />

zu erläutern und sie über die Rechte und Möglichkeiten der beteiligten<br />

Personen zu informieren. Zudem konnte versucht werden, falsche Vorstellungen<br />

der Betroffenen darüber, was durch einen Prozess erreicht oder verändert<br />

werden kann, zu korrigieren. Die Kenntnisse der juridischen Abläufe<br />

halfen, Unsicherheiten und Hilflosigkeiten zu verringern. Darüber hinaus<br />

konnten die Opfer als Privatbeteiligte im Strafverfahren bei Gericht anwaltlich<br />

vertreten werden. Dies stärkte besonders den Status der als ZeugInnen<br />

auftretenden Opfer und gab ein Gefühl der Sicherheit.<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Gewaltberatung – Klartext<br />

Das IfS startete 1999 unter der Federführung von Arno Dalpra den Versuch<br />

einer gezielten Beratung von Gewalttätern. Männer standen fortan<br />

gewalttätigen Männern als Berater zur Verfügung. Klartext ging dabei von<br />

der Gewaltdefinition „Gewalt ist die Ausübung und Androhung von körperlicher<br />

Beeinträchtigung“ aus. Durch diese klare Definition konnten das<br />

Thema Gewalt benannt und die Täter mit dem Thema konfrontiert werden.<br />

Konfrontation wurde in der Gewaltberatung als notwendig erachtet, denn<br />

lediglich durch die Übernahme von Verantwortung für sein gewalttätiges<br />

Tun und die Veränderung seines Verhaltens kann der Täter weitere Gewalt<br />

verhindern. Während des Prozesses der Verantwortungsübernahme wurden<br />

Täter von den Beratern begleitet, die mit einer klaren Werthaltung gegen<br />

Gewalt arbeiteten. Dies bedeutete eine Entsolidarisierung mit der Gewalttat<br />

und eine Solidarisierung mit dem Mann. Gewaltberatung fand zum einen<br />

in einem freiwilligen Kontext, zum anderen bei Zwangsmaßnahme statt.<br />

Zuweiser waren in erster Linie Gerichte und Bezirkshauptmannschaften.<br />

Beide Möglichkeiten waren notwendig, da davon ausgegangen werden kann,<br />

dass es für die überwiegende Zahl der Täter keine Veranlassung gibt, sich in<br />

eine Beratung zu begeben.<br />

IfS-Klartext bietet im Rahmen der Therapie für Gewalttäter Einzelarbeit<br />

sowie Arbeit in Gruppen an. Ziel der Beratung war, dass der Täter<br />

Verantwortung für sein vergangenes und zukünftiges Tun übernimmt und<br />

lernt, sich zu kontrollieren, damit keine Gewalttaten mehr ausgeübt werden.<br />

Neben der Arbeit mit Tätern wurde zudem Präventionsarbeit an Schulen<br />

und für Jugendliche angeboten.<br />

Menschen mit Behinderungen<br />

Grundlagen und Arbeitsbereiche<br />

Die Arbeit mit Menschen mit Behinderungen wurde vom IfS immer unter<br />

dem Aspekt einer ganzheitlichen Beratung und Hilfestellung gesehen. Ziel<br />

sollte es sein, Menschen mit Behinderungen an dem Ort, an dem sie leben, zu<br />

unterstützen und so eine wirkliche Integration zu ermöglichen. Im Rahmen<br />

dieser Arbeit galt die Zusammenarbeit mit Organisationen im sozialen Netz<br />

sowie mit Selbsthilfegruppen von Beginn an als ein wesentlicher Ansatz. So<br />

· 97 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

wurde Menschen mit Behinderungen<br />

ein möglichst breites<br />

Angebot an Unterstützung<br />

zur Verfügung gestellt, damit<br />

diese jeweils die für sich individuell<br />

passende Hilfestellung<br />

erhalten.<br />

Die Arbeit des IfS bezog<br />

sich in erster Linie auf die<br />

ambulante Beratung und<br />

Betreuung von Menschen mit<br />

Körperbehinderung, geistiger<br />

Behinderung und SonderschülerInnen.<br />

Dazu kamen die<br />

Förderung von Freizeitaktivitäten<br />

und die Mitarbeit im<br />

Team des Heilpädagogischen<br />

Sprechtages. Es zeigte sich,<br />

dass sich die Arbeit mit Menschen<br />

mit Behinderungen als<br />

äußerst komplex gestaltete<br />

und eine Zusammenarbeit<br />

von PsychologInnen, SozialarbeiterInnen,<br />

SonderpädagogInnen, ÄrztInnen und JuristInnen erforderte.<br />

Als eine wesentliche Zielsetzung galt von Anfang an, das soziale Umfeld und<br />

den familiären und berufl ichen Bezugsrahmen der KlientInnen in die Beratungsarbeit<br />

mit einzubeziehen.<br />

In Vorarlberg beschritt man einen neuen Weg. Neben der Förderung<br />

von Arbeitsplätzen in geschützten Werkstätten versuchte man mit Erfolg,<br />

Menschen mit Behinderungen in die Privatwirtschaft bzw. in den öffentlichen<br />

Dienst zu integrieren. Mitte der 1980er Jahre entwickelten sich weitere<br />

Schwerpunkte in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen. Es wurden<br />

Programme zur betrieblichen Eingliederung erstellt, welche sich zum Ziel<br />

setzten, den jeweiligen Fähigkeiten angemessene Arbeits- und Ausbildungsplätze<br />

zu fi nden. Das Erreichen dieser Ziele war mit einer Reihe von Schwierigkeiten<br />

verbunden: Zum einen gab es Engstellen am Arbeitsmarkt, zum<br />

anderen befanden sich die Ausbildungsmöglichkeiten nicht immer in der<br />

Nähe der Betroffenen und zudem stieß man auf Vorurteile von Seiten potentieller<br />

ArbeitgeberInnen und der Allgemeinheit. Das Modell des geschützten<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Arbeitsplatzes war so einfach<br />

wie erfolgreich: Menschen mit<br />

Behinderungen wurden langfristig<br />

unterstützt und begleitet<br />

und die Betriebe erhielten<br />

einen Lohnkostenzuschuss in<br />

der Höhe der festgestellten<br />

Minderleistung. Das „Modell<br />

Vorarlberg“ war europaweit<br />

ein Vorzeigemodell, die<br />

Anzahl der Arbeitsplätze in<br />

der Privatwirtschaft unüber-<br />

1996: Kooperation zwischen Lebenshilfe und IfS<br />

Dr. Heinz-Werner Blum, IfS-GF Dr. Stefan Allgäuer (links)<br />

troffen. Europaweit wurde mit dem Modell der „Arbeitsassistenten“ (seit<br />

1998) und mit neuen fi nanziellen Förderungen der Vorarlberger Weg weitergeführt<br />

– leider in reduzierter Form.<br />

Da neben dem Ausüben einer befriedigenden, selbständigen Erwerbstätigkeit<br />

zudem das selbständige Wohnen zum Wohlbefi nden eines Menschen<br />

beiträgt, wurden Mitte der 1980er Jahre neue Wohnformen für Menschen<br />

mit Behinderungen entwickelt. Diese zielten darauf ab, den Betroffenen trotz<br />

Behinderung ein Leben in größtmöglicher Selbständigkeit zu ermöglichen.<br />

Das Jahr 1981 – offi ziell zum „Jahr der Behinderten“ erklärt, in dessen Rahmen<br />

zahlreiche Initiativen stattfanden – trug wesentlich zur Verbesserung<br />

der Situation für Menschen mit Behinderungen bei. Die Beratungsschwerpunkte<br />

der damaligen Zeit belegt eine Statistik dieses Jahres: 53% der Rat<br />

suchenden Menschen mit Behinderungen waren schulpfl ichtige Kinder und<br />

Jugendliche, die größtenteils die Sonderschule besuchten und sich vor a llem<br />

mit Problemen der Berufsfi ndung konfrontiert sahen. Der Anteil der 19<br />

– 29jährigen KlientInnen lag bei 35%. Diese bedurften der Beratung und<br />

Unterstützung in den Bereichen Berufsausbildung und Arbeitsplatz. 22%<br />

der Menschen mit Körperbehinderung beklagten zum damaligen Zeitpunkt,<br />

nicht behindertengerecht zu wohnen.<br />

In der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen waren und sind gesellschaftliche<br />

Strömungen im besonderen Maße spürbar, was zu Veränderungen der<br />

gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und der individuellen Wünsche und<br />

Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen führt. Deshalb ist es von<br />

besonderer Wichtigkeit, in diesem Bereich der Sozialarbeit inhaltliche und<br />

organisatorische Anpassungen vorzunehmen, um sowohl den Rahmenbe-<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

dingungen als auch den individuellen<br />

Ansprüchen der<br />

KlientInnen gerecht zu werden.<br />

In den 1990er Jahren<br />

entsprachen die organisatorischen<br />

Anpassungen dem<br />

B estreben, verschiedenste<br />

neue und eigenständige Angebote<br />

zu entwickeln. So wurde<br />

die damalige Fachgruppe „IfS-<br />

Reha“, deren Ziel die berufl iche<br />

und soziale Rehabilitation<br />

von Menschen mit Behinderungen war, im Jahr 2000 in eine selbständige<br />

GmbH umgewandelt und 2005 eine namentliche Änderung zu „IfS-Okay“<br />

vorgenommen. Heute, im Jahr 2007, wird es als notwendig erachtet, auch<br />

intern gut etablierte, unabhängige Angebote zu vernetzen und unter dem<br />

gemeinsamen Dach der „IfS-Assistenz“ anzubieten.<br />

2007: Berufskundegruppe des IfS-Spagat<br />

Schule, Bildung und Fortbildung<br />

Im Juli 1992 wurde die Servicestelle „IfS-Dialog“ geschaffen. Diese richtete<br />

sich im Gegensatz zu den bisherigen Angeboten nicht in erster Linie an<br />

Menschen mit Behinderungen, sondern an deren Eltern und Bezugspersonen<br />

sowie an KindergärtnerInnen und LehrerInnen. Diese neue IfS-Stelle<br />

versuchte durch Beratung Unsicherheiten und Ängste im Umgang mit<br />

Kindern mit Behinderungen abzubauen und somit der bislang mangelnden<br />

Integration von Menschen mit Behinderungen in Kindergärten und Pfl ichtschulen<br />

entgegenzuwirken. Zudem fungierte IfS-Dialog als Verhandlungspartner<br />

mit Behörden, Gemeinden und Schulen. Diese unter der Führung<br />

von Dr. Peter Reinelt in Österreich vorerst einmalige Beratungsstelle sah<br />

ihr Hauptziel darin, Menschen mit Behinderungen möglichst früh den Weg<br />

in ein normales familiäres, gesellschaftliches, kulturelles und soziales Leben<br />

zu ebnen.<br />

Es zeigte sich, dass sich der Übergang von der Schule ins Berufsleben<br />

b esonders für Jugendliche mit Beeinträchtigungen als schwierig herausstellte.<br />

Deshalb startete die Fachstelle IfS-Dialog zur Abklärung derer<br />

b erufl ichen Entwicklungsmöglichkeiten 2001 das Projekt „Clearing“. D ieses<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

bot Jugendlichen Beratung, Betreuung und Begleitung auf ihrem Weg von<br />

der Schule in die Arbeitswelt an und wurde in enger Zusammenarbeit mit<br />

sonderpädagogischen und integrativen Schulen durchgeführt. Ziel war es,<br />

den Jugendlichen Perspektiven für ein künftiges Berufsleben aufzuzeigen<br />

und Entscheidungsgrundlagen in Richtung berufliche Integration bereitzustellen.<br />

Um den individuell geeigneten Arbeitsplatz zu finden und Unsicherheiten<br />

zu beseitigen, wurden die Jugendlichen Schritt für Schritt auf ihrem<br />

Weg in den neuen Lebensabschnitt begleitet. Mit jedem Einzelnen wurden<br />

Neigungs- und Fähigkeitsanalysen durchgeführt, Schnupperpraktika organisiert<br />

und ein persönlicher Entwicklungsplan erstellt. Auf der Suche nach<br />

dem optimal geeigneten Ausbildungs- bzw. Arbeitsplatz nach Beendigung<br />

der Schulpflicht galten die Fähigkeiten und Wünsche des Jugendlichen als<br />

Richtlinie, da jede/r Jugendliche besondere Kompetenzen und Stärken hat.<br />

Ende der 1980er Jahre erkannten MitarbeiterInnen des IfS, dass eine bloße<br />

Arbeitsplatzvermittlung für Menschen mit Behinderungen nicht zu deren<br />

beruflicher Integration ausreichte. Man schuf daher gezielte Weiterbildungsangebote<br />

in Form von Kursen, welche von den Menschen mit Behinderungen<br />

selbst oder den Betrieben zu bezahlen waren. Dabei ging es vor allem<br />

um eine Förderung handwerklicher Fähigkeiten. Daraus entstand 1986 das<br />

Projekt „Reha-Kreisel“, das gemeinsam mit verschiedenen Erwachsenen-<br />

Bildungseinrichtungen Kurse für Menschen mit Behinderungen anbot. Man<br />

weitete in der Folge die inhaltlichen Angebote auf Sprachkurse, Computerkurse<br />

und Themen aus, die man bisher tabuisiert hatte, so etwa auf Fragen<br />

der Sexualität von Menschen mit Behinderungen. Das Kursprogramm<br />

des „Reha-Kreisel“ vom Herbst 1996 besaß zudem Schwerpunkte in den<br />

Bereichen Musik, Spiel und Tanz. Zu den kreativen Aktivitäten kamen auch<br />

Kurzzeit-Seminare, die aktuelle Lebensfragen behandelten. Ab 2001 wurde<br />

der Kreisel ein eigenes Projekt mit zusätzlichem Schwerpunkt auf integrative<br />

Kurse und berufliche Qualifizierung von bildungsbenachteiligten Menschen.<br />

Im Laufe der Jahre wurden die Programme immer mehr auf berufsbildende<br />

Aktivitäten ausgedehnt, dennoch blieb das thematisch breit gestreute<br />

Angebot bestehen. Ein Beispiel hierfür war der 2005 organisierte Fotografie-Workshop,<br />

in dessen Rahmen Menschen mit Behinderungen ihre Kunstwerke<br />

in der Fotoausstellung „Lebensbilder“ zeigen konnten.<br />

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Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Arbeit und Beruf<br />

Seit 1978 integriert die IfS-Fachgruppe „Berufliche und soziale Rehabilitation“<br />

Menschen mit Behinderungen in die reguläre Arbeitswelt. Die Realisierung<br />

verlief fallweise schwierig und schleppend. Für die jährlich zwischen<br />

50 und 100 Menschen mit Behinderungen konnten nur unter erschwerten<br />

Bedingungen Arbeitsplätze gefunden werden, dies deshalb, weil sich viele<br />

Vorarlberger Betriebe scheuten, den vermeintlichen bürokratischen Aufwand<br />

zu übernehmen. Hinzu traten Befürchtungen bezüglich des besonderen<br />

Kündigungsschutzes. Im Jahr 1985 stimmten daher das IfS, das Land<br />

und die beruflichen Interessensvertreter überein, ein Programm zur verstärkten<br />

beruflichen Eingliederung von Menschen mit Behinderungen zu<br />

entwickeln.<br />

Das Programm zeigte bereits ein Jahr später gute Erfolge: Man fand insgesamt<br />

280 geschützte Arbeitsplätze. Die gute Wirtschaftskonjunktur Ende<br />

der 1980er Jahre erleichterte die berufliche Integration zusehends, wodurch<br />

vermehrt Sonderschulabgänger an Arbeitsplätze vermittelt werden konnten.<br />

Die positiven Ergebnisse einer Untersuchung der Wirtschaftsuniversität<br />

Wien durch Prof. Badelt über die Wirksamkeit sozialer und beruflicher<br />

Integration von Menschen mit Behinderungen an geschützten Arbeitsplätzen<br />

in Vorarlberg trug wesentlich dazu bei, dass sich im Jahr 1990 das Land<br />

Vorarlberg gemeinsam mit dem IfS über ein generelles Konzept beruflicher<br />

Integration einigte: Die Betreuung von berufstätigen Menschen mit<br />

Behinderungen sollte durch das IfS geschehen, welches auch als „universeller<br />

Gesprächspartner“ für die Betriebe fungieren sollte. Das Land erklärte<br />

sich überdies dazu bereit, an Betriebe Lohnkostenzuschüsse bei Leistungsminderung<br />

durch die Menschen mit Behinderungen zu bezahlen.<br />

Im Jahr 1990 wurden vom IfS 264 Menschen mit Behinderungen an<br />

geschützten Arbeitsplätzen in 172 Vorarlberger Unternehmen betreut. Die<br />

Erfahrungen waren durchwegs positiv: Bei den Menschen mit geistigen<br />

Behinderungen zeigten sich Verbesserungen der körperlichen und sozialen<br />

Gesundheit, die Akzeptanzprobleme durch die übrigen MitarbeiterInnen der<br />

Belegschaften waren gering. Auch waren die meisten Unternehmer bereit,<br />

bei Vakanz einer solchen Stelle wiederum Menschen mit Behinderungen<br />

aufzunehmen.<br />

Die geschützten Arbeitsplätze brachten bedeutende finanzielle Vorteile<br />

mit sich: Einmal erhielten die Menschen mit Behinderungen einen Lohn<br />

und schufen sich damit sowohl eine Grundlage für ein selbstständiges Leben<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

als auch eine Vorsorge für das Pensionsalter. Außerdem konnte festgestellt<br />

werden, dass diese Form der Arbeitstätigkeit im Vergleich mit den beschützenden<br />

Werkstätten bzw. geschützten Werkstätten wesentlich kostengünstiger<br />

war, selbst wenn man die Lohnkostenzuschüsse der Landesregierung<br />

und des Bundessozialamtes – 1989 in der Höhe von 1,85 Millionen Schilling<br />

(135 000 Euro) – dazurechnete.<br />

Zu einem Spezialfall entwickelte sich das im Jahr 1989 gestartete Projekt<br />

„Anlehre“ bei der Firma Zumtobel Lighting GmbH: Initiiert vom IfS,<br />

unterstützt vom Land Vorarlberg,<br />

der Arbeitsmarktverwaltung<br />

und vom damaligen<br />

Landes-Invalidenamt stellte<br />

das Unternehmen nicht nur<br />

Arbeitsplätze für Menschen<br />

mit Behinderungen zur Verfügung,<br />

sondern es setzte sich<br />

zum Ziel, ein spezielles Ausbildungsprogramm<br />

zu entwickeln:<br />

Zu diesem Zweck<br />

wurden eine eigene Abtei-<br />

1993: Geschützter Arbeitsplatz bei der Fa. Zumtobel<br />

lung gegründet und spezieller<br />

Unterricht in der Firma angeboten, der auch lebenspraktisches Wissen<br />

beinhaltete. Das zweijährige Programm verlief erfolgreich, da fast sämtliche<br />

der 18 betreuten Burschen und Mädchen mit Behinderungen in den Betrieb<br />

integriert wurden oder einen<br />

anderen Arbeitsplatz fanden.<br />

Ende des Jahres 1997<br />

begleitete die Fachgruppe<br />

„berufl iche und soziale<br />

Rehabilitation“ des IfS 414<br />

geschützte Arbeitsplätze in<br />

Vorarlberg, davon ein Drittel<br />

in der Industrie. Es stellte sich<br />

heraus, dass für den Erfolg am<br />

Arbeitsplatz nicht nur der Arbeitgeber, sondern vor allem die Mitarbeiter-<br />

Innen am Arbeitsplatz ausschlaggebend waren: „Sie sind unsere wichtigsten<br />

PartnerInnen bei der erfolgreichen Integration.“<br />

Die Fachgruppe wurde 1998 in „IfS-Reha“ umbenannt. In diesem Jahr<br />

wurde auch im Rahmen eines EU-Projektes das IfS-Reha-Service-Center<br />

· 103 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

(RSC) in der Bregenzer Rheinstraße installiert. Dieses Projekt widmete sich<br />

primär der Aus- und Weiterbildung von Menschen mit Behinderungen und<br />

Landzeitarbeitslosen.<br />

1998 bestätigte eine neuerliche wissenschaftliche Evaluation des IfS-<br />

Modells des „geschützten Arbeitsplatzes“ durch Prof. Dr. Badelt der<br />

Wirtschaftsuniversität Wien, dass die Eingliederung von Menschen mit<br />

Behinderungen trotz teilweiser großer Leistungsminderung erfolgreich war.<br />

Es ergab sich ferner eine hohe Zufriedenheit der Menschen mit Behinderungen<br />

mit der Arbeitsplatzsituation und den involvierten Unternehmen.<br />

Dadurch gestärkt stellten das Land Vorarlberg und das IfS gemeinsam mit<br />

den Sozialeinrichtungen Caritas und Lebenshilfe das Sozialmodell Vorarlberg<br />

während der „EU-Beschäftigungswoche“ in Brüssel vor. Selbstbewusst<br />

erklärten die InitiatorInnen: „... das erfolgreiche Modell des geschützten<br />

Arbeitsplatzes ist maßgeschneidert für die Bestrebungen der EU und stellt<br />

nach wie vor eine Erfolg versprechende, zukunftsorientierte Möglichkeit dar,<br />

benachteiligte Menschen an Arbeitsplätzen der Wirtschaft zu integrieren<br />

und die Arbeitslosigkeit zu vermeiden.“<br />

1998 besaßen über tausend Menschen mit Behinderungen in Vorarlberg<br />

einen geschützten Arbeitsplatz, 30% in der Industrie, 18% in Gewerbe und<br />

Handel sowie in Non-Profit-Unternehmen. Diese Zahlen wurden als absolute<br />

europäische Spitze betrachtet.<br />

Im Jahr 1997 startete das IfS das österreichweit einzigartige Projekt<br />

„Spagat“ mit dem Ziel der beruflichen Integration von Jugendlichen mit<br />

erheblichen körperlichen und/oder geistigen Behinderungen, die auf den<br />

ersten Blick keinerlei Chancen auf einen Arbeitsplatz in der freien Wirtschaft<br />

hatten, denn Arbeiten mit allen Rechten und Pflichten und die Teilhabe am<br />

„normalen“ Leben verbunden mit einem Gehalt sind für Menschen mit<br />

Behinderungen genauso wichtig wie für jeden anderen auch. Bei der Suche<br />

nach einem passenden Arbeitsplatz steht die individuelle Zukunftsplanung<br />

im Mittelpunkt, wobei das Umfeld des Jugendlichen – Eltern, Familie, Lehrer<br />

und Freunde – im so genannten Unterstützungskreis miteinbezogen wird.<br />

Der Unterstützungskreis ist ein aktives Netzwerk um den/die Jugendliche<br />

herum, der ihn/sie im Prozess der Suche nach einem Arbeitsplatz und auch<br />

darüber hinaus begleitet.<br />

Die wichtigsten Ansprechpartner bei der Suche nach dem optimalen<br />

Arbeitsplatz sind Betriebe, ArbeitgeberInnen und MitarbeiterInnen. Bei<br />

der Einrichtung eines Arbeitsplatzes für einen Menschen mit Behinderung<br />

geht es nicht nur um die geeigneten Rahmenbedingungen, sondern es sind<br />

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IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

vor allem die Bereitschaft der zukünftigen MitarbeiterInnen und die persönlichen<br />

Beziehungen, die das Fundament für eine berufliche Integration<br />

schaffen. Die Arbeitsplätze der Jugendlichen sind vielfältig in ihren Anforderungen<br />

und Branchen, denn den typischen Arbeitsplatz für Jungendliche<br />

mit schwerer Behinderung gibt es nicht.<br />

Während der Schnupperzeit wird der/die Jugendliche von einem/einer<br />

IntergrationsberaterIn begleitet. Diese Zeit wird genutzt, um mit den MitarbeiterInnen<br />

im Betrieb ins Gespräch zu kommen, die Arbeitsweise zu erklären<br />

und die Scheu vor dem/der neuen MitarbeiterIn zu nehmen. So können<br />

viele Fragen und Themen bereits im Vorfeld angesprochen werden. Wichtig<br />

für die berufliche Eingliederung ist zudem das Mentorenprinzip: Für den/die<br />

Jugendliche/n wird ein innerbetrieblicher Mentor gesucht, der im Betrieb<br />

Ansprechpartner für den/die Jugendliche/n ist. Wichtige Aufgaben sind z.B.<br />

das Erklären von Dienstplänen, Pausenordnung, Einhaltung der Vereinbarungen,<br />

Kontakt zum Integrationsberater etc.<br />

Das Konzept und die Methoden von IfS-Spagat fanden von Beginn an<br />

europaweit große Beachtung und Interesse. Mit großem Erfolg konnten<br />

zahlreiche Jugendliche mit erheblichen Behinderungen in die Arbeitswelt<br />

integriert werden.<br />

Zudem wurde für Jugendliche mit körperlicher, geistiger oder Lernbehinderung<br />

sowie für sozial und emotional gehandicapte Jugendliche die<br />

Jugendarbeitsassistenz eingerichtet. Die Finanzierung übernahm das Bundessozialamt.<br />

Dabei wurde das Ziel verfolgt, einen für den/die Jugendliche/n<br />

entsprechenden Ausbildungs- oder Arbeitsplatz zu finden und somit eine<br />

dauerhafte Integration ins Berufsleben zu ermöglichen. Die Jugendlichen<br />

werden ebenso wie die Betriebe für eine bestimmte Zeit unterstützt und<br />

begleitet – schließlich soll der erste Arbeitsplatz keine kurzfristige Hilfe,<br />

sondern das optimale Sprungbrett in die dauerhafte Integration in die<br />

Arbeitswelt sein.<br />

Wohnen und Leben<br />

Im Laufe der Zeit zeigte sich, dass der erste Schritt der Integration von<br />

Menschen mit Behinderungen – die Ermöglichung einer selbständigen<br />

Erwerbstätigkeit – zu dem Wunsch führte, auch selbständig zu wohnen.<br />

So gelangten die MitarbeiterInnen des IfS Mitte der 1980er Jahre zu der<br />

Erkenntnis, dass bei Menschen mit Behinderungen der Bedarf an speziellen<br />

· 105 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Wohngemeinschaften außerhalb der Familie stieg. Diese sollten eine Alternative<br />

zur bisherigen Unterbringung in Heimen bzw. Altersheimen sein. Im<br />

März 1986 wurde in Feldkirch die erste Wohnung Vorarlbergs für Menschen<br />

mit Behinderungen eröffnet, die gemeinsam mit den zukünftigen Bewohnern<br />

konzipiert wurde und ein Wohnen ganz unabhängig von Institutionen<br />

ermöglichte. Das Besondere an dieser Wohnform war die große Autonomie<br />

der Bewohner, die Lage in der Innenstadt und die dadurch vorhandene Möglichkeit<br />

sozialer Kontakte. Die Begleitung und Unterstützung erfolgte durch<br />

das IfS.<br />

Bis zur Realisierung dieser ersten Wohngemeinschaft waren drei Jahre<br />

intensiver Arbeit und Planung vergangen, welche in der Fachschriftenreihe<br />

des IfS unter dem Titel „Prinzip Integration. Wohngemeinschaft für körperbehinderte<br />

und nicht behinderte Menschen“ dokumentiert wurden. Die<br />

ersten Initiativen erfolgten von privater Seite nach Vorbildern des „Mobilen<br />

Hilfsdienstes“ in München. Von Anfang an wurde das Projekt vom IfS<br />

unterstützt. Bei den Entscheidungen über die Form des Wohnens wurde den<br />

Rollstuhlfahrern ein möglichst breiter Spielraum gewährt. Die anfallenden<br />

Investitionskosten konnten zum größten Teil mit privaten Geldern bestritten<br />

werden, während die öffentliche Hand die Betriebskosten übernahm.<br />

Das Projekt war der erste Pilotversuch dieser Art in Vorarlberg und führte<br />

zu wesentlichen Erkenntnissen für die MitarbeiterInnen des IfS, welche die<br />

Wohngemeinschaft unterstützten, mitgestalteten und organisatorisch wie<br />

auch fachlich begleiteten. Der Aufbau der Wohngemeinschaft war für alle<br />

Beteiligten ein neues Erlebnis, ein Abenteuer. Auf diesem Gebiet waren alle<br />

Laien – deshalb musste alles besprochen werden, jeder war beteiligt und<br />

konnte sich einbringen.<br />

Nach den teils schmerzhaften und schwierigen Feldkircher Erfahrungen<br />

ging die Gründung einer zweiten Wohngemeinschaft in Bludenz,<br />

„F8“ genannt, wesentlich leichter vor sich. In Bludenz wurde erstmals eine<br />

bewusste Trennung von Arbeit und Wohnen vorgenommen. Die fachliche<br />

Begleitung war darauf ausgerichtet, Menschen mit Behinderungen zu zeigen,<br />

wie ein eigenständiges Leben gestaltet werden konnte. Es ging somit<br />

letztlich darum, die Menschen mit Behinderungen auf eine selbständigere<br />

Form des Lebens vorzubereiten, was in den meisten Fällen erfolgreich<br />

glückte.<br />

Inspiriert von holländischen Beispielen des „individuellen Wohnens“<br />

entwickelten MitarbeiterInnen der IfS-Fachgruppe „Reha“ das Konzept<br />

einer „ambulant betreuten Wohnform“, die 1993 in Bludenz für Menschen<br />

mit geistiger Behinderung eröffnet wurde. Die drei Männer, die dort wohn-<br />

· 106 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

ten, zeitweilig betreut von nebenamtlichen Mitarbeitern des IfS, bewältigten<br />

ihren Lebensalltag größtenteils selbst und arbeiteten tagsüber an einem<br />

g eschützten Arbeitsplatz. Durch ihren Gehalt fi nanzierten sie einen Teil<br />

i hres Lebensunterhaltes. Die Erfahrungen mit dieser ambulanten Wohnform<br />

waren sehr erfreulich: „Die Bewohner haben ein großes Verantwortungsgefühl<br />

für sich und ihre Wohnung entwickelt.“<br />

Seit 1991 betätigte sich das IfS-Fundament – Wohnen für Menschen mit<br />

Behinderung – im Bereich der Beratung und Begleitung von erwachsenen<br />

Menschen mit Behinderung<br />

oder Minderbegabung, wobei<br />

das IfS-Fundament heute eine<br />

Weiterentwicklung der damaligen<br />

IfS-Wohngemeinschaften<br />

„F8“ (Bludenz) und „Rheinstraße“<br />

(Bregenz) darstellte.<br />

Die Klientel war aufgrund der<br />

vermehrten Integration in den<br />

vergangenen Jahren schon<br />

von Kindesalter an vielfach „WG für Menschen mit Behinderungen in Bludenz“<br />

selbstbewusster und selbständiger<br />

geworden. Die Bedürfnisse und Ansprüche der Betroffenen hatten sich<br />

geändert, worauf mit der Installierung des Angebots IfS-Fundament reagiert<br />

worden war. Dieses galt als Anlaufstelle für Menschen mit einer geistigen<br />

Behinderung und bot Hilfe im Wohnbereich. Von Beginn an orientierte man<br />

sich an den Bedürfnissen der KlientInnen und unterstützte diese dabei, ihr<br />

Leben nach individuellen Bedürfnissen inmitten der Gesellschaft zu gestalten<br />

und eine für sie passende Wohnform zu fi nden.<br />

1995 mieteten die ersten vier Bewohner der „Rheinstraße“ – allen<br />

G efahren und Risiken zum Trotz – ihre eigene Wohnung. Heute unterstützt<br />

das Fundament mit ambulanter Begleitung rund 100 erwachsene Menschen<br />

mit einer Behinderung oder Minderbegabung dabei, weitestgehend selbstständig<br />

in einer eigenen Wohnung leben zu können. Neben der ambulanten<br />

Begleitung wurde zudem ein Angebot entwickelt, das Menschen darin<br />

u nterstützt, sich gut vorbereitet auf den Weg in die Selbständigkeit zu<br />

machen. Hierfür gibt es mehrere über das ganze Land verteilte, kleine Wohnungen,<br />

in denen Menschen mit Behinderung in einem noch geschützteren<br />

Rahmen lernen können, Fähigkeiten für ein Leben in Eigenständigkeit zu<br />

erlernen und zu entwickeln.<br />

· 107 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Das IfS-Fundament verfolgte von Anfang an bestimmte Grundsätze: Für<br />

jede/n KlientIn werden individuelle Lösungen gesucht, der Schwerpunkt<br />

wird auf die Selbstbestimmung der KlientInnen gelegt. Die Menschen mit<br />

Behinderungen werden als AuftraggeberInnen verstanden, sie haben nicht<br />

„normaler“ zu sein als andere und sollen ausprobieren dürfen. Krisen im<br />

Leben eines Menschen werden als Lernfeld und Möglichkeit gesehen, sich<br />

eigenständiges Leben anzueignen.<br />

Bauen und Wohnen<br />

Die Erfahrungen, die im Rahmen der Organisation des selbständigen Wohnens<br />

für Menschen mit Behinderungen gesammelt wurden, machten deutlich,<br />

dass unter anderem auch architektonische Barrieren zu überwinden<br />

waren. Es zeigte sich, dass es einer barrierefreien Planung und Umsetzung<br />

bedurfte. Zudem machten die Schwierigkeiten, die sich im Zusammenhang<br />

mit den bereits beschriebenen Wohnformen ergeben hatten, und die relativ<br />

kleine Anzahl von Menschen mit Behinderungen, die man hier betreute,<br />

deutlich, dass es sich bei diesen Modellen nur um Ausnahmen handeln<br />

konnte. Für eine befriedigende Lösung musste ein anderer Ansatz gefunden<br />

werden. Dieser ging davon aus, Menschen mit Behinderungen nach Möglichkeit<br />

in ihrer gewohnten Umgebung zu belassen bzw. ihnen aus dieser<br />

heraus den Kontakt zur sozialen Umwelt zu ermöglichen. Dies verhinderten<br />

IfS-Ausstellung in Brüssel<br />

· 108 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

„Menschengerechtes Bauen“: Preisträger, Jury und Festredner am Tag der Auszeichnung<br />

jedoch des Öfteren architektonische<br />

Barrieren, mit ein<br />

Grund für die gesellschaftliche<br />

Ausgrenzung von Menschen<br />

mit Behinderungen. Vor diesem<br />

Hintergrund entwickelte<br />

das IfS im Jahr 1990 unter der<br />

Leitung von BM Ing. Hermann<br />

M ayer ein Sonderprojekt, das<br />

sich mit dem Themenbereich<br />

des barrierefreien Planens und<br />

Bauens befasste.<br />

Die Idee des IfS stieß auf<br />

Zustimmung der Landesregierung,<br />

die mit ihrer fi nanziellen<br />

Unterstützung die<br />

notwendige Basis für eine<br />

kontinuierliche Arbeit schuf:<br />

In Dornbirn wurde 1990 eine<br />

„Beratungsstelle für behindertengerechtes<br />

Bauen und<br />

Wohnen“ eröffnet. Diese Wettbewerb „Menschengerechtes Bauen“<br />

richtete sich an Bauherren,<br />

Bauträger, Siedlungsgenossenschaften, Planer, aber auch an Bauabteilungen<br />

öffentlicher Einrichtungen. Es zeigte sich sehr rasch, dass der anfängliche<br />

· 109 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Projektansatz zu eng gefasst war und dass die Maßnahmen auch ältere Menschen,<br />

schwangere Frauen, Mütter, Kinder und Menschen mit zeitweiliger<br />

Behinderung zu berücksichtigen hatten. Die in Österreich vorerst einmalige<br />

Einrichtung des IfS wurde daher 1991 entsprechend in „IfS-Beratungsstelle<br />

für menschengerechtes Bauen“ umbenannt.<br />

Die Beratungsstelle stieß auf großes privates wie öffentliches Interesse<br />

und wurde entsprechend frequentiert. Dadurch ermuntert ging das IfS 1992<br />

in die „Offensive“: Gemeinsam mit den „Vorarlberger Nachrichten“ schrieb<br />

das IfS erstmals in Österreich einen Wettbewerb zum Thema „Menschengerechtes<br />

Bauen“ aus, der in den folgenden Jahren wiederholt wurde. Die<br />

Initiatoren verfolgten dabei folgende Ziele: Es ging vor allem um eine prophylaktische<br />

Aufarbeitung der Problematik, um eine Bewusstseinsänderung<br />

bei den Verantwortlichen, aber auch bei der Gesamtbevölkerung und um<br />

ein möglichst lückenloses Netz von behindertenfreundlichen Gebäuden und<br />

Anlagen.<br />

Meinungsbildung auf breiter Ebene wurde betrieben, wozu auch die<br />

Herausgabe einer Planungsmappe für „Menschengerechtes Bauen“ z ählte.<br />

Diese befasste sich vorrangig mit dem Thema „Fehler im Hinblick auf<br />

Krankheit und Alter vermeiden“.<br />

Ein neuer inhaltlicher<br />

Schwerpunkt war seit 1998<br />

„Wohnen im Alter“, der in der<br />

Stadt Feldkirch mit der Aktion<br />

„Sichere Gemeinde“ als Pilotprojekt<br />

gestartet wurde.<br />

Mit den Jahren stieg<br />

– gefördert durch intensive<br />

Öffentlichkeitsarbeit in Seni-<br />

1996: Mappe „Menschengerechtes Bauen“ orenrunden, Schulen und<br />

Ausbildungsstätten – das<br />

B ewusstsein für die Nützlichkeit und auch Notwendigkeit des intelligenten<br />

Bauens ohne Barrieren. Dementsprechend stieg die Anzahl an Beratungen<br />

kontinuierlich an.<br />

Das Angebot der IfS-Beratungsstelle „Menschengerechtes Bauen“ soll weiter<br />

entwickelt und um das Beratungsangebot „Familiengerechte Lebensräume“<br />

erweitert werden.<br />

· 110 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Sachwalterschaft<br />

Im Jahr 1984 wurde in Österreich die Entmündigungsordnung aus dem<br />

Jahr 1916 durch das zeitgemäße „Sachwalterrecht“ abgelöst. Damit wurden<br />

psychisch kranke Menschen, die rechtlich auf den Status eines Kindes<br />

zurückgestuft, oft in Anstalten abgeschoben, ein Leben lang „verwahrt“ und<br />

kaum gefördert worden waren, nicht mehr entmündigt. In Zukunft konnten<br />

Sachwalter als gesetzliche Vertreter für erwachsene Menschen mit geistiger<br />

Behinderung oder psychischer<br />

Krankheit eingesetzt werden.<br />

Für Österreich waren Vereine<br />

vorgesehen, die für die<br />

jeweiligen Bundesländer die<br />

Trägerschaft übernehmen sollten.<br />

Daraufhin bemühte sich<br />

das IfS um die Trägerschaft<br />

in Vorarlberg, um angepasste<br />

Angebotsstrukturen anbieten<br />

zu können. Im Februar 1985<br />

nahm die IfS-Sachwalterschaft<br />

dann ihre Tätigkeit auf.<br />

Noch im selben Jahr wurden<br />

die „Fachkommission für Vereinssachwalterschaft“<br />

und das<br />

erste Vorarlberger ehrenamtliche<br />

Sachwalterteam in Bludenz<br />

gebildet.<br />

Der „Verein für Sachwalterschaft“<br />

wurde aktiv, wenn<br />

kein Verwandter in der Lage 2006: 20 Jahre IfS-Sachwalterschaft<br />

oder willens war, diese Aufgabe<br />

zu übernehmen. Der Sachwalter nahm dem Betroffenen nicht, wie<br />

einst der Kurator, sämtliche Entscheidungen ab, sondern bemühte sich um<br />

die Erhaltung größtmöglicher Selbständigkeit des Menschen mit geistiger<br />

B ehinderung oder psychischer Beeinträchtigung.<br />

Die Anfragen für eine Sachwalterschaft erfolgen über ein Gericht. Fachleute<br />

des IfS regeln sodann die notwendigsten und in der Regel arbeitsintensiven<br />

Angelegenheiten. Erst hernach werden die ehrenamtlichen Sachwalter<br />

mobilisiert.<br />

· 111 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

Schon nach einigen Jahren<br />

zeigten sich die positiven<br />

Auswirkungen der Tätigkeit<br />

der Sachwalter. Viele bereits<br />

Jahrzehnte alte ehemalige<br />

Entmündigungen konnten<br />

aufgehoben werden. Weiter<br />

gelang es in vermehrtem<br />

Maße, Sachwalter aus dem<br />

familiären Umfeld der Betrof-<br />

2007: Sommerfest der IfS-Sachwalterschaft<br />

fenen zu fi nden.<br />

In den Folgejahren stieg der<br />

Bedarf an Sachwaltern stärker als prognostiziert. Der dadurch notwendige<br />

Ausbau wurde in Vorarlberg durch das Engagement von ehrenamtlichen<br />

MitarbeiterInnen und durch eine österreichweit einmalige Subvention des<br />

Landes bewältigt.<br />

Im Jahr 1995 wurde die bisherige Fachgruppe „Sachwalterschaft“ neben<br />

der IfS-Schuldenberatung und der IfS-Familienarbeit aus dem IfS ausgegliedert<br />

und der Verein „IfS-Sachwalterschaft und Patientenanwaltschaft“<br />

g egründet. Waren es 1985 rund 800 Personen, die einen gesetzlichen Vertreter<br />

benötigten, so stieg deren Anzahl bis zum Jahr 2000 auf etwa zweitausend<br />

Personen an, von denen rund 20% von hauptberufl ichen oder ehrenamtlichen<br />

IfS-SachwalterInnen betreut wurden. Zwischenzeitlich sind über 180<br />

ehrenamtliche SachwalterInnen im Einsatz.<br />

Mit dem im Juli 2007 in Kraft tretenden Sachwalterrechts-Änderungsgesetz<br />

wurde die Selbstbestimmung von Menschen mit geistiger Behinderung<br />

oder psychischer Krankheit weiter gestärkt. Diese Stärkung erfolgte<br />

insbesondere durch zwei neue rechtliche Möglichkeiten, die Vertretungsmacht<br />

naher gesetzlicher Angehöriger und eine gesetzlich verankerte Vorsorgevollmacht.<br />

Die gesetzliche Vertretung von Angehörigen trägt dazu<br />

bei, dass im familiären Bereich weniger Sachwalter notwendig werden, da<br />

beispielsweise Kinder deren Eltern bei Demenz vertreten können und kein<br />

Sachwalter bestellt werden muss. Die Vorsorgevollmacht ermöglicht, dass<br />

angehörige Personen benannt werden, welche die Vollmacht übernehmen,<br />

sobald man selbst nicht mehr geschäftsfähig ist.<br />

· 112 ·


IfS-Geschichte Im Dienste sozialer Gruppen<br />

Patientenanwaltschaft<br />

Im Jahr 1990 verabschiedete<br />

der Nationalrat das so<br />

g enannte Unterbringungsgesetz,<br />

das die bisher geltenden<br />

Vorschriften über die<br />

„zwangsweise Anhaltung“<br />

aus dem Jahr 1916 ersetzte.<br />

Oberstes Ziel der Reform war<br />

die Wahrung der Persönlichkeitsrechte und der Menschenwürde psychisch<br />

Kranker in psychiatrischen Krankenhäusern und die Errichtung von „Patientenanwaltschaften“<br />

in allen Bundesländern. Das Justizministerium übertrug<br />

diese Aufgabe für Vorarlberg 1991 dem Institut für Sozialdienste im<br />

Rahmen der Sachwalterschaft. Drei MitarbeiterInnen und Juristen des IfS<br />

führen seither diese Funktion am Landeskrankenhaus Rankweil aus. Der<br />

Patientenanwalt ist durch gesetzlichen Auftrag Vertreter von zwangsweise<br />

untergebrachten PatientInnen und hat in erster Linie den Wünschen der<br />

PatientInnen zu entsprechen. Diese Einrichtung brachte schon bald wesentliche<br />

Verbesserungen für die Betroffenen: Der Aufnahmemodus wurde verschärft,<br />

die gerichtliche Kontrolle der Zulässigkeit von Zwang setzte rasch<br />

ein und die PatientInnen wurden in ihren Informations- und Mitspracherechten<br />

auch ernst genommen.<br />

1993 wurden die psychiatrischen Stationen am LKH Rankweil geöffnet.<br />

Dadurch haben die kurzfristigen Unterbringungen und ambulanten Betreuungsmöglichkeiten<br />

deutlich zugenommen.<br />

Bewohnervertretung<br />

Im Jahr 2004 wurde vom<br />

N ationalrat das Heimaufenthaltsgesetz<br />

erlassen, in dem<br />

ab Juli 2005 die Voraussetzungen<br />

für die Zulässigkeit einer<br />

Beschränkung der persönlichen<br />

Freiheit von Menschen in<br />

A lters- und Pfl egeheimen und<br />

vergleichbaren Einrichtungen<br />

Seit 2005 gibt es die IfS-Bewohnervertretung.<br />

Bernhard K. Fuchs, Brigitte Leitner, Dr. Herbert Spiess<br />

· 113 ·


Im Dienste sozialer Gruppen IfS-Geschichte<br />

geregelt wurden. In der Folge installierte das IfS die „Bewohnervertretung“,<br />

deren Aufgabe es ist, in einem ersten Schritt die einzelnen Einrichtungen<br />

wie Alters- und Pflegeheime, stationäre Behinderteneinrichtungen sowie<br />

Krankenhäuser über die gesetzlichen Regelungen und notwendigen Abläufe<br />

zu informieren. Um dem Gesetz zum Durchbruch zu verhelfen, besteht für<br />

diese Einrichtungen seit 2005 eine Meldepflicht bei Freiheitsbe- und -einschränkungen.<br />

Es ging darum, Persönlichkeitsrechte zu stärken, aber auch<br />

die Rechts- und Handlungssicherheit für die Pflegekräfte und das Betreuungspersonal<br />

sicher zu stellen.<br />

· 114 ·


IfS-Geschichte Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen<br />

Gemeinwesenarbeit<br />

für Gemeinden und Regionen<br />

Vorarlberg beschloss im Jänner 1972 als erstes Bundesland ein Sozialhilfegesetz,<br />

wodurch eine Reihe neuer Ideen auf rasche Weise verwirklicht<br />

werden konnte und zahlreiche Einrichtungen der freien Wohlfahrtspfl ege<br />

materielle Unterstützung erhielten. Im Jahr 1974 starteten der Leiter der<br />

Abteilung Sozialhilfe im Amt<br />

der Vorarlberger Landesregierung,<br />

Mitbegründer und<br />

Vorstandsmitglied des Institut<br />

für Sozialdienste, HR<br />

Dr. Hermann Girardi, und<br />

der G eschäftsführer des IfS,<br />

Manfred Dörler, mit einem<br />

Modell, das unter der Bezeichnung<br />

„Sozialsprengel“ Schule<br />

machte. Der Grundgedanke 2004: Team Gemeinwesenarbeit Feldkirch<br />

war die (über)örtliche Kooperation,<br />

Konzentration und die Zusammenarbeit aller öffentlichen und privaten<br />

Einrichtungen im sozialen Bereich. Die Sprengel befassten sich mit<br />

Altenhilfe, Familienhilfe, Jugendhilfe, Krankenpfl ege usw. Im Sinne einer<br />

neuen Sozialgesinnung war man bestrebt, ein möglichst gutes soziales<br />

Umfeld im Nahraum zu schaffen, die Nachbarschaftshilfe zu aktivieren und<br />

damit auch soziale „Bürgernähe“, personale Eigenverantwortung zu wecken<br />

und zu entwickeln. Aufbauend auf örtlichen Sozialsprengeln auf der untersten<br />

Ebene, agierten im ambulanten Bereich das Institut für Sozialdienste<br />

und der Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin, die Beratung und<br />

Hilfe im gesamten regionalen Bereich des Landes anboten. Die Sozialsprengel<br />

entwickelten sich rasch und 1984 gab es solche bereits im Vorderbregenzerwald,<br />

in Hard, im Vorderland, in Feldkirch und im Walgau.<br />

Das IfS hatte dadurch genügend Erfahrungen gesammelt, wie Sozialarbeit<br />

auf Gemeindeebene organisiert, durchgeführt und betreut werden<br />

konnte. Als erste Kommune nahm die Stadt Feldkirch seit 1980 die ständige<br />

Mithilfe des IfS für ihre Sozialarbeit in Anspruch, indem sie eine Stelle<br />

· 115 ·


Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen IfS-Geschichte<br />

für „Sozial- und Gemeinwesenarbeit“ schuf. Sie initiierte in den folgenden<br />

Jahren eine Reihe von Aktivitäten, wie den Stammtisch für Menschen mit<br />

Behinderungen und Nichtbehinderte, Arbeitslosenaktionen, Obdachlosenbetreuung,<br />

mobile Haushilfe, Ferienspielwochen für Kinder etc. In der Folge<br />

wurde der „Sozialsprengel Hard“ in der Marktgemeinde Hard gegründet.<br />

Diese und andere Erfahrungen im Nahraum einer Gemeinde und die<br />

Nachfrage von Gemeinden, Regionen und vom Land zur Mithilfe bei kommunalen<br />

Projekten gaben im Jahr 1991 den Anstoß zur Gründung eines<br />

IfS-Arbeitsteams für „Nahraum- und Gemeinwesenentwicklung“, das 1992<br />

startete und sich in der Folge als „PRO-Team“ bezeichnete. Die Arbeitsgruppe<br />

setzte sich unter der Federführung von Reinhard Sonderegger zum<br />

Ziel, Hilfe und Beratung anzubieten, wenn es um Analysen, den Aufbau von<br />

Sozialeinrichtungen und um generelle Beratung von Kommunen und Institutionen<br />

ging. Um effektiv arbeiten zu können, griff man auf Fachleute im<br />

IfS zurück und band diese so weit wie möglich mit ein.<br />

Das PRO-Team zeigte sich in den folgenden Jahren sehr aktiv: Es<br />

begleitete das Projekt „Familiengerechte Gemeinde“ mit dem Ziel, in enger<br />

Zusammenarbeit mit den Betroffenen eine höhere Lebensqualität zu schaffen.<br />

Höhere Lebensqualität bedeutete vor allem für berufstätige Frauen eine<br />

gute Betreuung in den Kindergärten, passende Öffnungszeiten dieser Einrichtungen<br />

sowie die Gesundheitsförderung der Kinder. Auch eine spezielle<br />

Jugendarbeit, um Konflikte, Gewalt und dissoziales Verhalten zur Erhöhung<br />

der Lebensqualität abzubauen, zählten dazu. Die Fachkräfte des IfS verfolgten<br />

die Umsetzung dieser Ziele in enger Zusammenarbeit mit den jeweiligen<br />

Schulen und sonderpädagogischen Zentren. Man sah sich als „begleitende<br />

BrückenbauerInnen“. Dazu ein Beispiel aus dem Jahr 2002: Das „PRO-Team“<br />

begleitete Planungsprozesse für Sozialzentren in Götzis und Rankweil, für<br />

Tagesbetreuung oder betreutes Wohnen in der Region Vorderland und für<br />

das Sozialkonzept der Gemeinde Koblach. Des Weiteren wurden Konzepte<br />

für die Stadt Dornbirn, um Kindergärten zukünftig als Familientreffpunkte<br />

zu erleben, sowie für die Gemeinde Wolfurt bezüglich eines Zentrums für<br />

Kinderbetreuung erarbeitet.<br />

Seit 1995 ist PRO mit Pro Senectute Rheintal (Schweiz) und der Stiftung<br />

Liechtensteinische Alters- und Krankenhilfe (LAK) Kooperationspartner zu<br />

Fragen der Rheintaler Alterstagung, die sich mit der Betreuung und Pflege<br />

von alten Menschen beschäftigt. Auch arbeitete PRO Kriterien für Möglichkeiten<br />

eines Seniorenengagements aus, welche im Projekt „NAUBE – Neues<br />

Alter und bürgerschaftliches Engagement“ umgesetzt wurden.<br />

· 116 ·


IfS-Geschichte Gemeinwesenarbeit für Gemeinden und Regionen<br />

1996: Gemeinwesenarbeit Klostertal<br />

Zudem beteiligte sich das PRO-Team an dem im Jahr 2005 vom Land Vorarlberg<br />

gestarteten Schwerpunktprogramm „Kinder in die Mitte“. In diesem<br />

Zusammenhang begleitete PRO ein Beteiligungsverfahren, das sich „Bürgergutachten“<br />

nennt, und beteiligte sich unter anderem an der Konzeption<br />

von „Elternbildung neu“. Im Rahmen von „Kinder in die Mitte“ wie auch<br />

im Rahmen des Projektes „Familiengerechte Gemeinde“ wurde der Erfahrungsaustausch<br />

zwischen den Gemeinden, beispielsweise zu erfolgreicher<br />

Integrationspolitik, moderiert.<br />

Im Jahr 2006 wurde die neue IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ installiert,<br />

die die Gemeinwesenstellen in Feldkirch, Rankweil und dem Kleinwalsertal,<br />

das PRO-Team und die Siedlungsarbeit umfasst.<br />

· 117 ·


Öffentlichkeitsarbeit IfS-Geschichte<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Der Vereinsführung und den MitarbeiterInnen des IfS war es von Anfang<br />

an klar, dass der Erfolg ihrer Arbeit sehr wesentlich vom öffentlichen<br />

Bewusstsein der Vorarlberger Bevölkerung über die Notwendigkeit sozialer<br />

Aktivitäten abhängig war. Neben der Präsenz in der Tagespresse und im<br />

Rundfunk erschien seit 1976 gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge-<br />

und Sozialmedizin ein „Informations-Blatt“. 1980 wurde dieses in „Soziale<br />

Rundschau“, 1982 in „soziales forum“ umbenannt. In Zukunft sollte mehr<br />

Raum für fachliche Auseinandersetzungen und Informationen geboten werden<br />

und jede der Ausgaben wurde unter ein bestimmtes Thema gestellt.<br />

Ende der 1970er Jahre war die Vereinstätigkeit des IfS derart angewachsen,<br />

dass die gemeinsame Publikation mit dem aks nicht mehr ausreichte,<br />

um die vielseitigen Aktivitäten zu dokumentieren und damit auch gegenüber<br />

den Geldgebern eine Legitimationsbasis zu schaffen. So erschien 1978<br />

erstmals ein gedruckter Tätigkeitsbericht, seit 1985 unter der Bezeichnung<br />

„IfS-Jahresbericht“. Die Berichte dienten in der Folge nicht nur als Rechenschaftsberichte,<br />

sondern enthielten meist umfassende Schwerpunktthemen,<br />

so etwa 1982 über die „Offenen Wohnungen“ oder 1984 über umstrittene<br />

und viel diskutierte Themen wie Schwangerschaft, Sterilisation, Abtreibung<br />

und andere Konflikte. Als mit Jahresende 1991 erstmals die „IfS-Informationen<br />

– Aktuelle Berichte für MitarbeiterInnen und Freunde“ erschien, wurde<br />

es bei der Erstellung der Jahresberichte möglich, die Berichte zu straffen und<br />

auf einen Tätigkeitsnachweis in Form von statistischen Daten, Auskünften<br />

über die Zahl der KlientInnen der einzelnen Fachgruppen sowie über einzelne<br />

Probleme zu beschränken.<br />

1986 gab sich das IfS auch ein neues äußeres, individuelles Erscheinungsbild<br />

(CD), das ganz gezielt Auskunft über die Philosophie des Vereins geben<br />

sollte: „Als Symbol für Hilfe und Unterstützung wurde die Hand gewählt<br />

- nicht die warnend emporgehobene, sondern die freundschaftlich entgegengestreckte.<br />

In der piktogrammgrafischen Auflösung verbindet sie sich<br />

mit dem D, in der eigenwilligen, prägnanten Schriftmarke wird dadurch der<br />

Aspekt Dienste bewusst betont.“<br />

Mit dem neuen Logo verbanden sich 1986 neue und zukunftsweisende<br />

inhaltliche Werbestrategien: Man wollte die Tätigkeiten des IfS einem größeren<br />

Umfeld bekannt machen und als Möglichkeit der Problemlösung<br />

· 118 ·


IfS-Geschichte Öffentlichkeitsarbeit<br />

anbieten. Zudem versuchte<br />

man, Menschen<br />

zu fi nanzieller Mithilfe<br />

anzuregen und auch<br />

Meinungsbildung zu<br />

betreiben: „Sich selber<br />

und anderen soziale Probleme<br />

zuzugestehen sowie<br />

menschliche Schwächen<br />

und Behinderungen als<br />

Teil von uns und dieser Gesellschaft anzunehmen.“<br />

Ein Jahr zuvor war die Idee für eine „Fachschriftenreihe“ entstanden,<br />

in welcher aktuelle Themen der Sozialarbeit angesprochen und diskutiert<br />

und auch Lösungsvorschläge angeboten werden sollten. Die folgenden<br />

P ublikationen enthielten häufi g Resultate von wichtigen Tagungen und<br />

Symposien, die vom IfS organisiert worden waren. Die Reihe begann mit<br />

einem Tagungsbericht über „Sozialarbeit & Psychoanalyse. Chancen und<br />

Probleme in der praktischen Arbeit“. Die Schriftenreihe dokumentierte<br />

nicht nur fachlich-theoretische Überlegungen, sondern stellte auch praktische<br />

Hilfen für die Sozialarbeit dar, so das 1989 erschienene „Handbuch für<br />

eine qualitative Spielplatz-Kultur“.<br />

1991 wurde vom Vorstand erstmals eine Person, Franz Abbrederis, eingestellt,<br />

die sich hauptberufl ich der externen und internen Kommunikation<br />

widmete. Im selben Jahr wurde das gesamte Erscheinungsbild überarbeitet<br />

und für alle Bereiche als verbindlich erklärt.<br />

Von 1984 bis 1990 bot die „Dornbirner Messe“ eine große Chance<br />

und vielseitige Möglichkeiten, mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten.<br />

G emeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin entwickelte<br />

man das Modell „Dorfplatz“. Hier warben die beiden Sozialeinrichtungen<br />

mit Vorträgen, Theater, Dias und Diskussionen für ihre Anliegen<br />

und machten vor allem auf gesundheitliche und soziale Probleme aufmerksam.<br />

Nicht zuletzt sollten die vielseitigen Informationen auch Starthilfen<br />

für regionale Selbsthilfegruppen anbieten.<br />

Der Öffentlichkeitsarbeit dienten auch verschiedene Ausstellungen, sei<br />

es von „Betroffenen“ selbst oder über diese: Als Beispiel zu nennen ist eine<br />

Malaktion von Mädchen, die 1988 von der Jugendberatungsstelle Mühletor<br />

initiiert worden war. Aus Anlass des 20jährigen Jubiläums der sozialpädagogischen<br />

Wohngemeinschaften schuf der Fotograf Nikolaus Walter 1992<br />

eine viel beachtete Ausstellung über die Lebens- und Alltagswelt der Wohn-<br />

· 119 ·


Öffentlichkeitsarbeit IfS-Geschichte<br />

1993: 10 Jahre „Fragen unseres Daseins“ im ORF<br />

gemeinschaft Ludesch. Der<br />

Öffentlichkeitsarbeit dienten<br />

schließlich eine Reihe von<br />

Fachtagungen und Symposien<br />

als Großveranstaltungen. Ein<br />

Höhepunkt war sicherlich der<br />

Helios II-Kongress der Europäischen<br />

Union über Fragen<br />

der Arbeit mit Menschen mit<br />

Behinderungen im März 1996<br />

im Montforthaus in Feldkirch<br />

mit TeilnehmerInnen aus ganz<br />

Europa.<br />

Um die breite Öffentlichkeit<br />

auf soziale Themen aufmerksam<br />

zu machen, ging das<br />

IfS immer wieder Kooperationen<br />

mit Vorarlberger Medien<br />

ein. Hervorzuheben sind folgende<br />

Aktionen: Seit 1983<br />

wurde gemeinsam mit dem<br />

ORF Dornbirn (primär mit<br />

Dr. Franz Josef Köb) die Vortragsreihe<br />

„Fragen unseres Daseins“ gestaltet. Seit 1992 veranstaltete man<br />

mit den „Vorarlberger Nachrichten“ den Landeswettbewerb „Menschengerechtes<br />

Bauen“ und von 1995 bis 1999 erschienen in der jeweiligen Sonntagsausgabe<br />

der „Neuen Vorarlberger Tageszeitung“ die Artikelserie „Von<br />

Mensch zu Mensch“.<br />

Um die Dienste und<br />

Leistungen des IfS einem<br />

noch größeren Publikum<br />

zugänglich zu m achen und<br />

den innovativen Möglichkeiten<br />

nachzukommen,<br />

präsentierte sich das Institut<br />

für Sozialdienste<br />

seit 1996 u nter www.ifs.<br />

at auch im Internet. Im<br />

Jahr 2000 ging man noch<br />

· 120 ·


IfS-Geschichte Öffentlichkeitsarbeit<br />

einen Schritt weiter: In Zusammenarbeit<br />

mit der Firma Teleport wurde erstmals in<br />

Österreich eine eigene Internet-Beratung<br />

eingeführt. Qualifi zierte Fachleute des IfS<br />

standen von nun an für sämtliche Anfragen<br />

zur Verfügung und antworteten den Ratsuchenden<br />

innerhalb weniger Stunden. Die<br />

Beratung erfolgt völlig anonym. Als Zielgruppe<br />

von http://beratung.ifs.vol.at erwartete<br />

man sich vor allem „junge moderne und<br />

einsame ältere Menschen“. In der Online-<br />

Beratung wurden von Beginn an die Bereiche<br />

Depressionen, Ausländer, Behinderung,<br />

Erwachsene und Partnerschaft, Erziehung,<br />

Essstörungen, Familie, Finanzen, Gewalt,<br />

Jugend, Missbrauch und Sexualität abgedeckt.<br />

Die meisten Anfragen fi elen in die Seit 1997: „IfS-Informationen“<br />

Bereiche Sozialarbeit und Psychologie.<br />

Dass die IfS-Zeitung „Informationen“, im Jahr 1991 erstmals erschienen,<br />

den richtigen formalen aber auch inhaltlichen Weg eingeschlagen hatte,<br />

bewies 2006 ihre Auszeichnung durch den „FEIEA Grand Prix“ als beste<br />

österreichische Firmenzeitschrift. Ende des Jahres 2006 wurde die IfS-Zeitung<br />

„Informationen“ in „www.ifs.at - Informationen. Aktuelle Berichte.<br />

Soziale Reportagen“ umbenannt und verfügte über eine Aufl age von 8000<br />

Exemplaren. Die Zeitung wird an alle wichtigen Meinungsbildner in Vorarlberg<br />

(BürgermeisterInnen, Obleute der Sozialausschüsse, Landes- und<br />

BundespolitikerInnen in Vorarlberg etc.), an Gemeindeämter und Behörden<br />

(BH etc.), zuständige Ministerien und Beamte, andere Sozialeinrichtungen,<br />

· 121 ·


Öffentlichkeitsarbeit IfS-Geschichte<br />

Ärzte, JournalistInnen, Interessenten im In- und Ausland, die diese Zeitung<br />

bestellt haben, alle unterstützenden IfS-Mitglieder sowie an alle IfS-MitarbeiterInnen<br />

und IfS-Vereinsmitglieder versendet.<br />

Netz für Kinder<br />

Das IfS begann im Jahr 1995<br />

mit den Aufbauarbeiten für<br />

den Förderkreis „Netz für<br />

Kinder“, der sich 1997 als<br />

Verein konstituierte. Die IfS-<br />

Familienarbeit stellte vorerst<br />

ihre Infrastruktur und ihre<br />

Erfahrungen zur Verfügung.<br />

Die Initiatoren des Konzepts,<br />

bestehend aus engagierten<br />

Personen aus verschie densten<br />

Berufssparten, strebten drei<br />

Hauptziele an: Den Aufbau<br />

einer ehrenamtlichen<br />

Kinder- und Jugendhilfe als<br />

E rgänzung zu professionellen<br />

Diensten, die Gruppenarbeit<br />

mit gefährdeten Kindern und<br />

die Errichtung eines Fonds für<br />

Familien und Kinder in besonderen<br />

Notlagen. Als nächster<br />

Schritt wurde die Einrichtung<br />

von „Gastfamilien“ geschaffen,<br />

um gefährdeten Kindern<br />

für eine bestimmte Übergangszeit ein Zuhause zu bieten.<br />

1996: Gründung „Netz für Kinder“<br />

1997: Überreichung „SmileStone“ von DDr. Felix Dünser<br />

(Mitte) und Dr. Hubert Löffl er (rechts) an Dr. Walter Fehle.<br />

· 122 ·


IfS-Geschichte Das IfS und die europäische Union<br />

Das IfS und die europäische Union<br />

Nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union 1995 zeigte sich das<br />

IfS bestrebt, sich den neuen Rahmenbedingungen anzupassen und internationale<br />

Kontakte zu knüpfen: „Wir sind sehr bemüht, möglichst rasch die<br />

Spielregeln der EU-Refi nanzierung zu erlernen und entsprechende Kontakte<br />

mit anderen Einrichtungen in den übrigen EU-Staaten aufzubauen“, war die<br />

Devise des Jahres 1994. Ein Jahr später beteiligte sich das IfS bereits an einem<br />

der vielen EU-Programme, speziell bei HELIOS II/IV, in dessen Rahmen es<br />

um die Förderung der Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen<br />

ging. Zwei konkrete Projekte wurden eingereicht und von Brüssel bewilligt.<br />

Es handelte sich dabei um ein Projekt zum Erwerb eines Externisten-Hauptschulabschlusses<br />

sowie um ein Projekt, das die Fachgruppe „Reha“ mit<br />

Partnern aus Frankreich und Portugal startete. In letzterem ging es um die<br />

Überbrückung von Schwierigkeiten,<br />

die sich Menschen mit<br />

Behinderungen beim Eintritt<br />

in die A rbeitswelt stellten. In<br />

Kursen, Weiterbildungsseminaren<br />

und Firmenbesuchen<br />

wurden im Jahr 1997 108<br />

Personen, davon ein Drittel<br />

Menschen mit Behinderun-<br />

gen, in das Projekt miteinbezogen.<br />

Im selben Jahr fand in<br />

Feldkirch die internationale<br />

1996: Vorstellung „Vorarlberger Modell“ in Brüssel<br />

IfS-Tagung „HELIOS II“<br />

statt. IfS-G eschäftsführer, Dr.<br />

Stefan Allgäuer, resümierte<br />

im Rahmen dieser Tagung<br />

seine Vorarlberger Erfahrungen<br />

und entwarf zugleich ein<br />

Zukunftsbild der europäischen<br />

Sozialarbeit: „Es wird<br />

in Zukunft nicht mehr nur<br />

der einzelne Mensch betreut. 1996: EU-Projekt „Helios II“<br />

· 123 ·


Das IfS und die europäische Union IfS-Geschichte<br />

Vielmehr soll das soziale Umfeld in die Betreuung mit einbezogen werden.<br />

Dadurch entstehen Rahmenbedingungen, die dem einzelnen ein größeres<br />

Maß an Selbständigkeit und Eigenverantwortung ermöglichen.“<br />

Der eingeschlagene Weg erwies sich als erfolgreich. Man zeigte sich<br />

in Europa präsent. In diese Richtung wies unter anderem das EU-Projekt<br />

„Labor“ unter der Federführung des IfS. Durch diese Auftragsarbeit der<br />

Europäischen Kommission gelang zum ersten Mal ein Überblick über die<br />

Situation der beruflichen Integration von Menschen mit geistiger Behinderung<br />

in 13 Ländern.<br />

Eine eigene Informationsbörse mit dem Titel „eu.pik“ wurde vom IfS<br />

erfolgreich gestartet. Die eu.pik ist eine Informationsplattform für Entwicklungen,<br />

Programme und Ausschreibungen im Bereich der europäischen<br />

Sozial- und Gesundheitspolitik. Es handelt sich um einen fachlichen Informationsaustausch<br />

unterschiedlicher Ebenen: Sozialeinrichtungen, Behörden<br />

etc.<br />

2005 erhielt das IfS gemeinsam mit 12 Partnern den Auftrag des Bundesministeriums<br />

für Wirtschaft und Arbeit, ein österreichweites EU-Projekt<br />

mit dem Namen „IMPROVE“ durchzuführen. Dabei ging es um die<br />

Verbesserung des Beschaffungssystems von Non-profit-Organisationen in<br />

Österreich und um die Verbesserung bzw. Erhaltung der Qualität im Sozialbereich<br />

und im Bereich des Arbeitsmarktservice. Der Abschluss des Projektes<br />

„IMPROVE“ erfolgte Mitte 2007 mit einer großen Abschlusskonferenz<br />

im Parlament in Wien.<br />

Kooperationen und Grenzüberschreitungen<br />

Im Jahr 1996 beteiligte sich das Institut für Sozialdienste an der Gründung<br />

von EASPD – European Association of service providers for Persons with<br />

Disabilities. Dr. Michael Himmer, IfS-Mitarbeiter, wurde in der Folge zum<br />

ersten Vizepräsidenten ernannt, erster Präsident von EASPD wurde Luk<br />

Zelderloo. Seit der Gründung repräsentiert EASPD über 8000 europäische<br />

Dienstleister im Behindertenbereich. EASPD reagiert auf Entwicklungen<br />

der europäischen Politik, beobachtet und überwacht diese. Es wird versucht,<br />

durch gezielte Forschung und Untersuchungen die Lebensqualität von Menschen<br />

mit Behinderungen zu steigern. Zudem bietet EASPD Informationen<br />

über die EU-Politik und Projektfinanzierung sowie die Möglichkeiten der<br />

Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedern. Kerngeschäft ist es, Dienstleis-<br />

· 124 ·


IfS-Geschichte Das IfS und die europäische Union<br />

tern eine Stimme auf europäischer Ebene anzubieten, um die Lebensqualität<br />

von Menschen mit Behinderungen zu verbessern. Als Mittel dazu bedient<br />

sich EASPD an mehreren Lobby-Instrumenten, die die relevanten Entwicklungen<br />

der europäischen Politik verfolgen.<br />

EASPD beteiligte sich seit der Gründung an zahlreichen Forschungsprojekten<br />

und -aktivitäten. Auch das IfS arbeitete in den vergangenen Jahren an<br />

mehreren Projekten mit. Dies sind z. B. „Labor“, und „Tolerance and acceptance“.<br />

Labor beschäftigte sich mit dem Bereich der beruflichen Ausbildung,<br />

Bildung und Beschäftigung.<br />

Spagat Südtirol<br />

Im Jahr 2004 stieß der Non-Profit-Verein Grain-Bruneck aus Südtirol bei<br />

der Internet-Recherche auf das IfS-Projekt „Spagat“. Es wurde als äußerst<br />

innovatives Modell zur Integration von Menschen mit Behinderungen in die<br />

Arbeitswelt wahrgenommen und als nachahmenswert erachtet. So wurde<br />

in der Folge das ESF-Pilotprojekt Spagat Südtirol gestartet, in dessen Rahmen<br />

auf die gemeinsame Entwicklung, Erprobung und Implementierung des<br />

Modells abgezielt wurde. Als Vorbild dient dabei das Vorarlberger Projekt<br />

SPAGAT, das die Beratung, Begleitung und Eingliederung von behinderten<br />

Jugendlichen in die Arbeitswelt umfasst. Im Jahr 2005 konnten sich die<br />

Regierungsmitglieder der italienischen Provinz Südtirol in Vorarlberg vor<br />

Ort von der erfolgreichen Umsetzung des Modells und den langjährigen<br />

Vorarlberger Erfahrungen überzeugen.<br />

Das Institut für Sozialdienste unterstützte Spagat Südtirol bei der<br />

Umsetzung des Konzeptes, bei der Schulung der Fachpersonen und stand<br />

für Fragen, beispielsweise bei Fallbesprechungen, offen. Elisabeth Tschann,<br />

Leiterin von IfS-Spagat, war zudem Mitglied des wissenschaftlichen Beirates,<br />

der die Implementierung des Projektes begleitete.<br />

Gesundheitsförderung im Bodenseeraum –<br />

eine Initiative der IBK<br />

Die Internationale Bodenseekonferenz (IBK) ist ein Zusammenschluss aller<br />

Regierungen der Länder und Kantone um den Bodensee. Bei der IBK gibt<br />

· 125 ·


Das IfS und die europäische Union IfS-Geschichte<br />

es unter anderem eine spezielle Arbeitsgruppe, die sich mit „Gesundheitsförderung“<br />

auseinandersetzt. Von der Vorarlberger Landesregierung ist IfS-<br />

Geschäftsführer Dr. Stefan Allgäuer in diese Kommission berufen worden.<br />

Zudem ist das IfS von Beginn an (2004) durchführende Organisation der<br />

IBK-Tagung zu diesem Thema, die von ca. 300 Personen besucht wird und<br />

alle zwei Jahre stattfi ndet. Bei dieser Tagung wird auch der in allen IBK-Ländern<br />

ausgeschriebene IBK-Preis zur Gesundheitsförderung überreicht.<br />

Bundespräsident Dr. Heinz Fischer war vom IfS-Bereich<br />

„Spagat“ beeindruckt.<br />

· 126 ·<br />

1995: Besuch »Die Furche« Wien<br />

2007: Justizministerin Dr. Maria Berger besucht das IfS. 2007: Arbeiterkammer-Vorstand mit AK-Präsident<br />

Hämmerle im Dialog mit dem IfS-Geschäftsführer.


IfS-Geschichte Drei IfS-Persönlichkeiten<br />

Drei IfS-Persönlichkeiten<br />

Manfred Dörler<br />

Manfred Dörler übernahm die Geschäftsführung des IfS 1977, in einer Zeit,<br />

in der es nach den Pionierjahren notwendig wurde, Organisation und Finanzierung<br />

des IfS auf eine professionelle Basis zu stellen.<br />

Dass Professionalität im fachlichen Bereich und Professionalität in<br />

Organisation und Management keinen Gegensatz darstellen, sondern sich<br />

langfristig gegenseitig bedingen, war eine Grundüberzeugung von Manfred<br />

Dörler – dafür hat er gearbeitet, manchmal auch darum<br />

gekämpft.<br />

Sein Blick war immer – geprägt durch seine Pfadfinder-Erfahrungen<br />

– auf die Menschen gerichtet: „Wenn<br />

man eine Aufgabe erledigen, ein Ziel erreichen oder<br />

etwas weiter bringen will, kommt es darauf an, die richtigen<br />

Menschen zusammen zu bringen.“ Zentral war<br />

für ihn, immer wieder die „richtigen“ Menschen anzusprechen,<br />

diese dann zusammen und in einen gemeinsamen<br />

Prozess zu bringen.<br />

Manfred Dörler hat in seinen 20 Jahren als<br />

Geschäftsführer des Institut für Sozialdienste die Entwicklung<br />

des IfS von der pionierhaften, improvisierten<br />

Sozialinitiative zu einem differenzierten, strukturierten<br />

und komplexen Unternehmen in der Sozialwirtschaft<br />

des Landes Vorarlberg vorangetrieben und verantwortet.<br />

Es war die Zeit des Wachstums und der Differenzierung<br />

von sozialen Dienstleistungen.<br />

So sind fast alle größeren Aufgabengebiete, die das IfS<br />

heute betreibt, in der Zeit von Manfred Dörler entstanden,<br />

gewachsen und haben sich etabliert.<br />

Besonders engagiert hat sich Manfred Dörler für Anliegen<br />

der Integration von Menschen mit Behinderungen<br />

und den Aufbau der „Reha“ im IfS (heute IfS-Assistenz). Historisch waren<br />

die Bemühungen in den Jahren 1984/85, eine landeseigene Struktur für die<br />

· 127 ·


Drei IfS-Persönlichkeiten IfS-Geschichte<br />

Sachwalterschaft zu schaffen – am Beginn<br />

ganz gegen die Vorstellungen der Beamten<br />

in den zuständigen Ministerien.<br />

Wohnen als Grundrecht und Grundbedürfnis<br />

war für ihn immer ein Thema, das er<br />

forcierte. Viele Projekte z. B. jene der Krisenwohnungen,<br />

des Netzwerks „Wohnen“<br />

usw. weisen noch heute seine Handschrift<br />

auf.<br />

Manfred Dörler war aber stets auch ein<br />

politischer Mensch. Er hat verstanden, dass<br />

es neben dem Blick auf den Einzelnen und<br />

die je individuelle Hilfe auch den Blick auf<br />

gesellschaftliche Rahmenbedingungen, welche<br />

in schwierigen Lebenssituationen jeweils<br />

verstärkend oder entlastend wirken können,<br />

braucht. Dies hat ihn auch in die Politik geführt und ihn – auf dem Hintergrund<br />

seiner Erfahrungen in der kommunalen Politik und in der Sozialarbeit<br />

– zu einem profilierten und visionären Sozialpolitiker im Vorarlberger<br />

Landtag gemacht.<br />

Manfred Dörler hat während seiner Tätigkeit als IfS-Geschäftsführer auch<br />

in vielen Aufgaben und Tätigkeitsfeldern mitgearbeitet und mitgewirkt mit<br />

dem Ziel, soziale Strukturen weiter zu entwickeln und solide Angebotsstrukturen<br />

zu etablieren. So ist z. B. die Geschichte der Telefonseelsorge,<br />

der (heutigen) Connexia, des Sozialsprengels Hard, des aha, der ehemaligen<br />

Akademie für Sozialarbeit usw. eng mit dem Namen Manfred Dörler verknüpft.<br />

Auch das macht ein Bild von Manfred Dörler: Nicht das Wachstum des<br />

IfS war ihm das Wichtigste, sondern die sinnvolle und richtige Entwicklung<br />

der sozialen Dienstleistungsangebote.<br />

Lebenslauf von Manfred Dörler<br />

Manfred Dörler wurde am 27. Dezember 1941 in Bregenz geboren. Nach<br />

Abschluss der Handelsakademie in Bregenz arbeitete er von 1959 bis 1977<br />

bei der Maschinenbaufirma Künz in Hard, wo er die Funktion des Prokuristen<br />

innehatte. Mit 1. Jänner 1977 übernahm Dörler bis zu seinem Austritt<br />

im März 1997 für 20 Jahre die Geschäftsführung des Institut für Sozial-<br />

· 128 ·


IfS-Geschichte Drei IfS-Persönlichkeiten<br />

dienste. Seit 1989 gehörte er dem Vorarlberger Landtag an und wurde 1999<br />

zum Landtagspräsidenten gewählt.<br />

Manfred Dörler ist am 15. Juli 2004 verstorben.<br />

Sepp Büsel<br />

Sepp Büsel, ehemals Mitarbeiter in der Vorarlberger Landwirtschaftskammer<br />

und aktiver Pfadfinder, wurde von Dr. Hermann Girardi für die Mitarbeit<br />

im Rahmen der „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der Jugend im Lande<br />

Vorarlberg“, dem Vorläuferverein des Institut für Sozialdienste, motiviert.<br />

Im Jahr 1971 wechselte Sepp Büsel in eine fixe Anstellung beim IfS. Er war<br />

als erster Geschäftsführer der „Mann für alles“ und setzte sich überall dort<br />

ein, wo seine Tatkraft und seine praktischen Fähigkeiten gebraucht wurden.<br />

Seine wichtigsten Funktionen waren die Suche (im ganzen deutschsprachigen<br />

Raum) und Anstellung der ersten hauptberuflichen Mitarbeiter und<br />

Mitarbeiterinnen im IfS, (SozialarbeiterInnen, PsychologInnen) und – oft<br />

an der Überlebensgrenze - deren Finanzierung. Ein wichtiges Anliegen war<br />

ihm auch die Vernetzung des noch „jungen“ IfS mit allen Bereichen des<br />

gesellschaftlichen Lebens in Vorarlberg.<br />

Gemeinsam mit Hermann Girardi war es Sepp Büsel ein Anliegen, das<br />

IfS in langfristige und betriebswirtschaftlich fundierte Hände zu legen. So<br />

war es mit sein entscheidender Verdienst, mit der Einstellung von Manfred<br />

Dörler als seinem Nachfolger die personelle und organisatorische Grundlage<br />

für die Entwicklung und das Wachstum des IfS geschaffen zu haben.<br />

Mit Ende Jänner 1981 trat Sepp Büsel aus dem Dienstverhältnis im IfS<br />

aus in seinen Ruhestand, blieb jedoch bis zu seinem Tod im Jahre 1999 weiterhin<br />

Ehrenmitglied des Vereins „Institut für Sozialdienste“.<br />

Hedwig Gmeiner<br />

Hedwig Gmeiner war eine der ersten Mitarbeiterinnen im Institut für<br />

Sozialdienste. Lange Zeit beeinflusste sie als Leiterin der sozialpädagogischen<br />

Wohngemeinschaften und als Vorstandsmitglied die Tätigkeiten und<br />

die Denk- und Arbeitshaltung des IfS wesentlich.<br />

· 129 ·


Drei IfS-Persönlichkeiten IfS-Geschichte<br />

Als junge Frau hatte Hedwig Gmeiner die<br />

Gemeinschaft der Frohbotinnen von Batschuns<br />

mitgegründet. In der Folge arbeitete sie im Haus<br />

für Österreicherinnen in Hamburg, im Kinder-<br />

Caritashaus im Hackwald bei Ebnit, als Leiterin im<br />

Heim für innerösterreichische Mädchen in Rankweil<br />

und als Leiterin im Haus der Begegnung in<br />

Innsbruck.<br />

Im Jahr 1972 nahm Hedwig Gmeiner ihre<br />

Tätigkeit für das IfS auf und initiierte dort ein<br />

pädagogisches Modell, das bislang in Österreich<br />

einzigartig war: sozialpädagogische Wohngemeinschaften für Mädchen.<br />

Ihre „Offenen Wohnungen“ stellten den Beginn der heutigen Fachgruppe<br />

„Sozialpädagogik“ dar.<br />

Hedwig Gmeiner arbeitete bis 1985 im Vorstand des IfS mit und trug so<br />

wesentlich zum Wachstum und Gelingen der Einrichtung bei. Sie setzte sich<br />

in unterschiedlichsten Bereichen tatkräftig ein, nahm sich der Mädchen im<br />

so genannten „Milieu“ an, schuf Krisenwohnungen in allen vier Bezirksstädten<br />

und war wesentlich an der Gründung der Akademie für Sozialarbeit<br />

in Bregenz beteiligt.<br />

Frau Gmeiner war zeitlebens ein Mensch der Zukunft. Mit ihrem geradezu<br />

sprichwörtlichen Sinn für Menschen in Bedrängnis hat sie Hunderten<br />

Heimat, Geborgenheit, Zuwendung und Begleitung geschenkt. Ihre Pädagogik<br />

hieß Vertrauen, Geduld, Zuversicht, Gernhaben – eine großartige Alternative<br />

zu Ge- und Verboten und Disziplinierung.<br />

Nach ihrer Pensionierung im Jahr 1985 wurde Hedwig Gmeiner als Leiterin<br />

der Gemeinschaft der Frohbotinnen in Batschuns gewählt, ein Amt, das<br />

sie bis kurz vor ihrem Tod im Jahr 1989 ausübte.<br />

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IfS-Geschichte IfS – Studienreisen<br />

IfS – Studienreisen<br />

Das IfS führt seit vielen Jahren sehr erfolgreiche sozialpolitische Studienfahrten<br />

für Kommunal- und LandespolitikerInnen durch. Seit einigen Jahren<br />

werden diese in enger Kooperation mit dem Vorarlberger Gemeindeverband<br />

veranstaltet. Ziel dieser Studienfahrten ist immer der Vergleich mit sozialen<br />

Modellen in anderen Ländern und der Dialog unter den TeilnehmerInnen.<br />

Hier eine Aufgliederung der bisherigen Studienfahrten und derer inhaltlichen<br />

Schwerpunkte:<br />

1989 Dänemark,<br />

Thema: Altenpolitik<br />

1991 Roveretto/Italien<br />

Thema: Altenpolitik<br />

Schwerpunkte: Exkursion zu Altenhilfeeinrichtungen in Rovereto und<br />

Umgebung<br />

1992 Oberkirch/BRD<br />

Thema: Sozialarbeit am Oberrhein<br />

Schwerpunkte: Altenbetreuung – Gemeinwesenarbeit)<br />

1994 Berlin/BRD<br />

Thema: Alten- und Ausländerpolitik<br />

Hauptschwerpunkte: Neuentwicklung im Gesundheits- und Sozialbereich<br />

der Stadt Berlin; Neue Innovative Altenprojekte in den einzelnen Bezirken;<br />

Integration von Ausländern auf kommunaler Ebene.<br />

1995 Turin/Italien<br />

Thema: Jugend- und Streetworkarbeit<br />

Schwerpunkte: Jugendarbeit auf kommunaler Ebene und neue Modelle der<br />

Altenarbeit<br />

1996 Thüringen und Sachsen/BRD<br />

Thema: Privatisierungsbestrebungen im Gesundheits- Alten- und Sozialbereich<br />

· 131 ·


IfS – Studienreisen IfS-Geschichte<br />

1997 Rotterdam/Niederlande<br />

Thema: Arbeitsmarktpolitik und Frauenprojekte<br />

Schwerpunkte: Kommunale Möglichkeiten zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit;<br />

Ambulante Modelle für Altenarbeit<br />

1998 Mainz und Umgebung/BRD<br />

Thema: Kindergerechte Gemeinden<br />

1999 Tessin/Schweiz<br />

Thema: Jugendpolitik in der Gemeinde<br />

Ab 2000 Sozialpolitische Studienreise des Institut für Sozialdienste und des<br />

Vorarlberger Gemeindeverbandes<br />

2000 Dänemark<br />

Thema: Kommunale Seniorenpolitik<br />

Schwerpunkt: Dialog zwischen den Generationen (Modelle des Dialoges<br />

zwischen Alt und Jung auf kommunaler und regionaler Ebene)<br />

2001 Wien/Ungarn<br />

Thema: Kommunale soziale Projekte mit dem Schwerpunkt Europa und<br />

Osteuropäische Länder<br />

Schwerpunkte: Europäische Union und Kommune; Integration; Jugendprojekte,<br />

Modell eines neuen Altersheimes<br />

2002 Basel/Schweiz, Mulhouse (Frankreich)<br />

Thema: Altersversorgung und Altenarbeit<br />

Schwerpunkt: Altenarbeit in der Schweiz, neue Modelle der Kooperation<br />

zwischen ambulanter und stationärer Betreuung, Kooperationsmodelle div.<br />

stationärer Heime in den verschiedenen Bereichen, privat oder öffentlich.<br />

2003 Heidelberg, Darmstadt, Kempten, Hersbruck / BRD<br />

Thema: kinder- und jugendgerechte Stadt bzw. Gemeinde<br />

2004 Helsinki/Finnland<br />

Thema: Kinderbetreuung durch Kommunen und Schulen<br />

Schwerpunkt: Kinderbetreuung an Schulen – Soziales Lernen und ein Modell<br />

des Dialoges der Generationen.<br />

· 132 ·


IfS-Geschichte IfS – Studienreisen<br />

Sozialpolitische Studienfahrt Turin<br />

Sozialpolitische Studienfahrt Luxemburg<br />

2005 Berlin und Umgebung/BRD<br />

Thema: Ambulant betreutes Wohnen für ältere Menschen sowie Freiwilligenarbeit<br />

im Altenbereich<br />

2006 Mailand/Lombardei/Italien<br />

Thema: Freiwilligenarbeit auf sozialer Ebene<br />

Schwerpunkte: Bürgerliches Engagement im Sozialbereich, die kommunale<br />

Sozialplanung und Zusammenarbeit im Sozialbereich<br />

2007 Luxemburg<br />

Schwerpunkt: Neben dem Gesamtsozialsystem auf kommunaler Ebene –<br />

Fragen der Integration von MigrantInnen, Jugend und Arbeit mit Menschen<br />

mit Behinderung.<br />

· 133 ·


Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />

45 Jahre IfS<br />

Kurzchronik 1962 – 2007<br />

1962<br />

Im November fand die Gründung der „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung<br />

der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“ – Vorgängervereinigung des<br />

IfS – statt.<br />

1963<br />

Zulassung des Vereins „Arbeitsgemeinschaft zur Betreuung der gefährdeten<br />

Jugend im Land Vorarlberg“. Entstehung von „Arbeitskreisen“ des Vereins<br />

in den Städten Vorarlbergs.<br />

1969<br />

Gründung der ersten Jugend- und Erziehungsberatungsstelle in Bregenz<br />

(Vorgängerverein des IfS).<br />

1971<br />

Umbenennung und Gründung des Vereins „Institut für Sozialdienste – Private<br />

Arbeitsgemeinschaft für Jugendhilfe, Erziehungsberatung, Eheberatung,<br />

Altenhilfe“.<br />

Erster Präsident wird Dipl.-Ing. Rudolf Ammann.<br />

Erster Geschäftsführer wird Sepp Büsel.<br />

1972<br />

Vorarlberg beschließt als erstes Bundesland ein Sozialhilfegesetz.<br />

Die erste „offene“ IfS-Wohngemeinschaft wird eröffnet.<br />

· 134 ·


IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />

1973<br />

Erste Beratungsstelle des IfS wird in Bregenz installiert.<br />

Dr. Erika Neumannn übernimmt bis 1982 die fachliche Leitung des Gesamt-<br />

IfS.<br />

1974<br />

Die IfS-Beratungsstelle in Feldkirch wird eröffnet.<br />

Fredy Mayer (ÖVP) übernimmt von Ernst Winder (SPÖ) das Sozial- und<br />

Gesundheitsressort der Landesregierung.<br />

Einrichtung der vom Bund geförderten IfS-Familienplanungsstelle in der<br />

Beratungsstelle Bregenz.<br />

1975<br />

Bundesgesetz zur „Fristenregelung“ (Schwangerschaftsabbruch).<br />

Das IfS erweitert sein Angebot um die Schwangerschaftskonfliktberatung.<br />

1976<br />

Gemeinsam mit dem Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin erscheint<br />

das erste „Informations-Blatt“.<br />

Die ersten Ferien- und Förderfreizeiten für Menschen mit Behinderungen<br />

auf der Neuburg in Götzis werden angeboten. Damit beginnt die Arbeit im<br />

Bereich der späteren „IfS-Reha“.<br />

1977<br />

Eröffnung der IfS-Beratungsstelle in Bludenz.<br />

Manfred Dörler wird im Jänner Geschäftsführer des IfS.<br />

· 135 ·


Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />

1978<br />

Eröffnung der IfS-Beratungsstelle in Dornbirn.<br />

1979<br />

Erste IfS-Wohngemeinschaft für Burschen wird in Hard eröffnet.<br />

Erste IfS-Wohngemeinschaft für Mutter und Kind eröffnet.<br />

1980<br />

Gründung der Stelle für Sozial- und Gemeinwesenarbeit in Feldkirch.<br />

1981<br />

Eröffnung der IfS-Beratungsstelle Bregenzerwald in Andelsbuch.<br />

Prof. Hans Sperandio wird Nachfolger von Dipl.-Ing. Rudolf Ammann als<br />

Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“.<br />

1982<br />

Das IfS erhält neue Satzungen und eine neue Geschäftsordnung.<br />

Beginn der IfS-Jugendberatungstätigkeit „Mühletor“ in Feldkirch.<br />

Die erste „IfS-Krisenwohnung“ wird in Bregenz eröffnet.<br />

1983<br />

Beginn der Zusammenarbeit mit dem ORF-Dornbirn im Rahmen der Vortragsreihe<br />

„Fragen unseres Daseins“.<br />

1984<br />

Landesverfassung verankert Familienpolitik.<br />

Start der IfS-Sachwalterschaft in Feldkirch.<br />

· 136 ·


IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />

1985<br />

Die IfS-Krisenwohnung in Feldkirch wird eröffnet.<br />

1986<br />

Einführung der Kostenrechnung, Budgetierung und des Controllings im<br />

IfS.<br />

Modellversuch „Sozialarbeit im Krankenhaus“ (Bregenz).<br />

Die IfS-Krisenwohnungen in Dornbirn und Bludenz werden eröffnet.<br />

Die erste IfS-Wohnung für Menschen mit Behinderung wird im März in<br />

Feldkirch eröffnet.<br />

1987<br />

Das Projekt „Sozialpädagogische Familienarbeit“, aus dem sich in der Folge<br />

die IfS-Familienarbeit entwickelt, startet in Bludenz.<br />

Das IfS feiert sein 25-jähriges Bestehen.<br />

1988<br />

Die IfS-Schuldenberatungsstelle wird im Februar in Bregenz eröffnet.<br />

1989<br />

Familienförderungsgesetz des Landes Vorarlberg.<br />

Das Familien- und Frauenreferat im Amt der Landesregierung wird gegründet.<br />

Das Projekt „Anlehre“ bei Zumtobel Lighting GmbH wird gestartet.<br />

· 137 ·


Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />

1990<br />

Die IfS-Beratungsstelle für behindertengerechtes Bauen und Wohnen wird<br />

in Dornbirn eröffnet.<br />

Die IfS-FrauennotWohnung wird in Dornbirn eröffnet.<br />

1991<br />

Das IfS übernimmt die Patientenanwaltschaft im LKH Rankweil.<br />

„IfS-Informationen“ erscheinen erstmals mit einer Auflage von<br />

ca. 2.000 Stk. Exemplaren.<br />

Erstmals wird eine „sozialpolitische Studienreise des IfS für Landes- und<br />

Kommunalpolitiker“ angeboten, die auf reges Interesse stößt. Diese wird in<br />

Zukunft ein Mal pro Jahr durchgeführt.<br />

1992<br />

Gründung der Beratungsstelle „IfS-Dialog“.<br />

Gründung des PRO-Team für Nahraum und Gemeinwesenentwicklung.<br />

Der erster Landeswettbewerb „Menschengerechtes Bauen“ wird gemeinsam<br />

mit der Redaktion der Vorarlberger Nachrichten ausgeschrieben.<br />

Das Projekt „Psychologische Beratung für Kindergärten“ wird gestartet.<br />

Das IfS startet mit dem Angebot „Supervision & Coaching“.<br />

1993<br />

Ambulant betreute Wohnform für Menschen mit Behinderungen in Bludenz<br />

eröffnet.<br />

Die IfS-Jugendberatungsstelle startet mit der „mobilen Jugendarbeit“<br />

(Streetwork).<br />

· 138 ·


IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />

1994<br />

Satzungsänderungen des Vereines Institut für Sozialdienste. Der Verein gründet<br />

im November die erste soziale gemeinnützige GmbH in Österreich.<br />

1995<br />

Dr. Stefan Allgäuer wird im Jänner gemeinsam mit Manfred Dörler zum<br />

IfS-Geschäftsführer der IFS GmbH bestellt.<br />

Die Bereiche Familienarbeit, Schuldenberatung, Sachwalterschaft und<br />

Patientenanwaltschaft werden aus dem IfS ausgegliedert. Die IfS-Familienarbeit<br />

(Geschäftsführer Dr. Hubert Löffler) und die IfS-Schuldenberatung<br />

(Geschäftsführer Peter Kopf) werden eigenständige GmbHs, IfS-Sachwalterschaft<br />

und Patientenanwaltschaft bilden einen Verein.<br />

Eröffnung der IfS-Beratungsstelle Hohenems.<br />

IfS-Präsident Prof. Hans Sperandio übergibt sein Amt an Dr. Anton Fliri.<br />

Dipl.-Ing. Rudolf Ammann, erster Präsident des Vereins Institut für Sozialdienste,<br />

stirbt im April.<br />

Erste IfS-Beteiligung an EU-Projekten.<br />

1996<br />

Gründung des Förderkreises „Netz für Kinder“ auf Initiative der Geschäftsführer<br />

des IfS.<br />

Das „Jugendintensivprogramm“, kurz JIP, wird im Rahmen der Fachgruppe<br />

Sozialpädagogik installiert.<br />

Erstmals wird die „eu-pik“ ins Leben gerufen. Es geht dabei um die Vernetzung<br />

und Information im NPO-Bereich bei EU-Projekten.<br />

Das IfS hat die Wohngemeinschaften für Menschen mit Behinderungen<br />

aufgelöst und ein selbstbestimmtes, eigenständiges Leben durch ambulante<br />

Begleitung und Unterstützung organisiert. Daraus entstand das „IfS-<br />

Fundament“.<br />

· 139 ·


Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />

1997<br />

Dr. Stefan Allgäuer wird im April aufgrund des Rücktritts von Manfred<br />

Dörler alleiniger Geschäftsführer des IfS.<br />

Die Streetwork-Stelle in Bregenz wird eröffnet.<br />

Das EU-Projekt „Hauptschulabschluss“ wird vom IfS-Mühletor gestartet.<br />

IfS-Beratungsstunden werden erstmals auch im Kleinwalsertal angeboten.<br />

Die Sozialpädagogischen Wohngemeinschaften des IfS in Rankweil und<br />

Wolfurt werden geschlossen und in „Ambulant betreute Wohnungen“<br />

(AbW) umgebaut.<br />

1998<br />

Die Fachgruppe „IfS-Reha“ wird geteilt. Die klassische Reha-Arbeit bleibt<br />

bei der IfS-Reha, die Angebote Spagat, Dialog und Reha-Service-Center<br />

werden in die neue Fachgruppe „Dialog“ gelegt.<br />

Der amtierende IfS-Präsident Dr. Anton Fliri stirbt im August.<br />

1999<br />

Gerhard Köhlmeier, bis Dezember 1998 Bürgermeister der Marktgemeinde<br />

Hard, wird mit 1.1.1999 neuer Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“.<br />

Der erste IfS-Geschäftsführer Sepp Büsel stirbt im Februar.<br />

Die Gewaltberatungsstelle „Klartext“ wird in der IfS-Beratungsstelle<br />

Bregenz gegründet.<br />

Im Auftrag des Landes Vorarlberg und des Bundesministeriums für Frauenangelegenheiten<br />

wird in Feldkirch die „IfS-Interventionsstelle – Handeln<br />

gegen Gewalt in der Familie“ installiert.<br />

· 140 ·


IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />

2000<br />

Die bisherige IfS-Fachgruppe „IfS-Reha“ wird eine selbstständige GmbH.<br />

Die „Prozessbegleitung für Gewaltopfer“ wird im Auftrag des Justizministeriums<br />

gestartet.<br />

Erstmals in Österreich wird vom IfS in Zusammenarbeit mit der Firma Teleport<br />

eine Internet-Beratung angeboten.<br />

2001<br />

Das Projekt „IfS-Schulsozialarbeit“ wird in den beiden Hauptschulen von<br />

Bregenz erstmals in Vorarlberg umgesetzt.<br />

2002<br />

Das IfS startet mit einem neuen Angebot: psychotherapeutische Betreuung<br />

für Senioren.<br />

Das erste Psychotherapie-Verzeichnis des IfS wird in schriftlicher Form heraus-<br />

und zur Verteilung gebracht.<br />

Im Rahmen einer Zukunftstagung wird „40 Jahre Verein IfS“ gefeiert.<br />

Anwesend sind u. a. Landeshauptmann Dr. Herbert Sausgruber und die Landesräte<br />

Dr. Hans Peter Bischof und Dr. Greti Schmid.<br />

Die IfS-Fachgruppe „Opferschutz“ wird gegründet. In dieser sind die IfS-<br />

FrauennotWohnung, die IfS-Interventionsstelle, die Prozessbegleitung und<br />

der Kinderschutz zusammengefasst.<br />

2003<br />

Die Fachgruppe Sozialpädagogik erweitert ihr Angebot mit der „Nachgehenden<br />

sozialpädagogischen Arbeit“ (NASA).<br />

In der Gemeinde Mittelberg wird auf Wunsch der Gemeinde eine eigene IfS-<br />

Stelle für das Kleinwalsertal installiert.<br />

· 141 ·


Kurzchronik 1962 – 2007 IfS-Geschichte<br />

Erstmals wird das IfS-Angebot „Clearing“ in ganz Vorarlberg angeboten<br />

(Jugendliche mit Benachteiligung werden bei der Berufsfindung unterstützt).<br />

2004<br />

Das IfS unterschreibt einen Kooperationsvertrag mit der Marktgemeinde<br />

Rankweil, in dem die „Stelle für Gemeinwesenarbeit Rankweil Mitanand“<br />

personell übernommen wird.<br />

Manfred Dörler, langjähriger IfS-Geschäftsführer und Mitglied des<br />

IfS-Präsidiums, stirbt im Juli. Am 20. Juli findet eine Trauersitzung des<br />

Vorarlberger Landtages statt.<br />

Das IfS startet mit der Umsetzung des Projektes „Lehrlingscoaching“.<br />

2005<br />

Die bisherige IfS-Reha wird in „IfS-Okay Für Menschen mit Behinderungen“<br />

umbenannt.<br />

Start des „IfS-Besuchstreff“ in der IfS-Familienarbeit für Kinder und deren<br />

getrennte Eltern nach der Scheidung.<br />

Das IfS übernimmt die neue Bewohnervertretung in Vorarlberg.<br />

Die ARGE „Öffentlichkeitsarbeit“ aller sozialen Einrichtungen im Land<br />

schreibt erstmals den „Sozial-Medienoskar“ für JournalistInnen in Vorarlberg<br />

aus. Vergabe im Rahmen eines „Presseclub-Spezial“.<br />

Das IfS veranstaltet im Auftrag der Int. Bodenseekonferenz in Bregenz<br />

(Festspielhaus) das IBK-Symposium zum Thema „Gesundheitsförderung<br />

im Bodenseeraum“ mit über 400 TeilnehmerInnen.<br />

Start des großen EU-Projektes „Improve“ - Qualität im Wettbewerb um soziale<br />

Dienste, bei dem das IfS österreichweit eine wesentliche Rolle spielt.<br />

· 142 ·


IfS-Geschichte Kurzchronik 1962 – 2007<br />

Start des IfS-Projekts „Delogierungsprävention“.<br />

Installierung der neuen IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ mit der Zusammenführung<br />

des „PRO-Team“ und aller Gemeinwesenstellen (Feldkirch,<br />

Rankweil, Kleinwalsertal).<br />

2006<br />

Das IfS bietet in Zusammenarbeit mit der Landwirtschaftskammer, dem<br />

Land Vorarlberg und den Bäuerinnen ein spezielles Service für Menschen<br />

aus der Landwirtschaft an. Ein eigenes BeraterInnen-Team steht dieser<br />

Bevölkerungsgruppe zur Verfügung.<br />

IfS-Schuldenberatung startet den Vorarlberger Finanzführerschein „Fit fürs<br />

Geld“, um Kinder und Jugendliche für den richtigen Umgang mit Geld zu<br />

sensibilisieren.<br />

Gerhard Köhlmeier, amtierender Präsident des Vereins „Institut für Sozialdienste“,<br />

stirbt im Juli.<br />

2007<br />

Die IfS-Schuldenberatung führt einen einheitlichen, regelmäßigen Sprechtag<br />

(Donnerstag) ein.<br />

Die IfS-Bereiche, die mit und für Menschen mit Behinderungen arbeiten,<br />

werden zusammengelegt (IfS-Okay, IfS-Dialog, IfS-Fundament, IfS-Assistenz).<br />

Aus Anlass des 45-jährigen Bestehens des IfS wird das vorliegende Buch in<br />

Kooperation mit der Rhethicus-Gesellschaft herausgegeben.<br />

· 143 ·


Ergänzung der Kurzchronik 2007 – 2010 IfS-Geschichte<br />

Die Ergänzung der Kurzchronik (2007 – 2010) ist im Buch „Die Geschichte<br />

des IfS-Vorarlberg“ nicht enthalten.<br />

2007<br />

Es kommen bereits einige Punkte zum Jahr 2007 im Buch „Die Geschichte<br />

des IfS-Vorarlberg“ vor. So ging es 2007 weiter ...<br />

Nach zweijähriger Projektphase wird die Koordinationsstelle IfS-Delogierungsprävention,<br />

die eng mit Land, Gemeinden, Gerichten, Wohnbauträgern<br />

und anderen sozialen Einrichtungen wie Caritas, DOWAS und Beratungsstelle<br />

Kaplan Bonetti kooperiert, in den Regelbetrieb des IfS übernommen.<br />

Die IfS-Familienarbeit eröffnet einen weiteren Besuchstreff in Dornbirn.<br />

Das österreichweite Projekt IMPROVE findet mit einer österreichweiten<br />

Tagung im Parlament in Wien seinen Abschluss.<br />

2008<br />

Zwei große Vorarlberger Betriebe (Hydro Aluminium und VKW) gehen<br />

eine Kooperation mit dem IfS ein, um so die seelische Gesundheit ihrer MitarbeiterInnen<br />

zu pflegen und zu fördern.<br />

Die neue Stelle „IfS-Kindergerechte Lebensräume“ zielt darauf ab, Aktivitäten<br />

zu stärken, die kindergerechte Lebens- und Siedlungsräume schaffen.<br />

Das IfS erhält eine neue Unternehmensstruktur und gliedert sich nunmehr<br />

in Fachgruppen, welche wiederum in einzelne Fachbereiche bzw. Angebote<br />

unterteilt sind, sowie in selbständige Unternehmen. Zu den Fachgruppen<br />

zählen: IfS-Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigung, die IfS-Beratungsdienste,<br />

IfS-Sozialpädagogik und IfS-Sozialer Nahraum. Selbständige<br />

Unternehmen sind die IfS-Schuldenberatung, die IfS-Familienarbeit und<br />

der Verein IfS-Sachwalterschaft, IfS-Bewohnervertretung und IfS-Patientenanwaltschaft.<br />

Im Rahmen der Mitgliederversammlung und der anschließenden Präsidiumssitzung<br />

des Vereins „Institut für Sozialdienste“ wird Dr. Hans-Peter<br />

Bischof einstimmig zum neuen IfS-Präsidenten gewählt. Neben Dr. Hans-<br />

· E 1 ·


IfS-Geschichte Ergänzung der Kurzchronik 2007 – 2010<br />

Peter Bischof sind Dr. Elke Sader (Vizepräsidentin), Dr. Evelyn Marte-Stefani,<br />

Ing. Christoph Winder und Bürgermeister Erwin Mohr im Präsidium<br />

vertreten.<br />

2009<br />

Die IfS-Interventionsstelle wird in IfS-Gewaltschutzstelle umbenannt.<br />

Das Praxis-Handbuch Spiel- und Freiräume wurde vom Land Vorarlberg<br />

und dem IfS herausgegeben und umfasst 96 Seiten.<br />

„Die Herausforderung in der Krise“, eine österreichweite Tagung der Schuldenberatungen,<br />

findet in Bregenz statt.<br />

Eine Neukonzeption und Ausweitung der IfS-Schulsozialarbeit wird vorgenommen.<br />

Die IfS-Beratungsdienste starten mit dem neuen Angebot eines eigenen<br />

Fachdienstes für Beratung, Vermittlung und Information. Dieser Fachdienst<br />

versteht sich als zentrale, regionale Anlaufstelle zu den IfS-Diensten. Ziel<br />

dieses Beratungsdienstes ist es, sofortige Hilfestellung zu geben, den Zugang<br />

zu den IfS-Angeboten zu vereinfachen und die Hilfesuchenden im Hilfeprozess<br />

zu unterstützen.<br />

Der neue Fachbereich der IfS-Assistenz „Information und Orientierung“<br />

wird installiert.<br />

2010<br />

Die IfS-Fachgruppe „Sozialer Nahraum“ wird neu organisiert. Die Bereiche<br />

„Pro-Team“ und „Kindergerechte Lebensräume“ werden eigenständige<br />

Bereiche. Die beiden bisher bei dieser Fachgruppe integrierten Gemeinwesenstellen<br />

in Rankweil (Mitanand) und Kleinwalsertal werden dem Bereich<br />

„Beratungsdienste“ angegliedert.<br />

· E 2 ·


Mitglieder des Vereins (1962 – 2007) IfS-Geschichte<br />

Mitglieder des Vereins<br />

Institut für Sozialdienste<br />

(1962 – 2007)<br />

Dipl.-Ing. Rudolf Amann<br />

Wolfgang Angerer<br />

Ewald Angerer<br />

Dr. Hermann Anzenbacher<br />

Dr. Gustav Bargehr<br />

Josef Bechtold<br />

Dr. Gerhard Beck<br />

Dr. Wilfried Bildstein<br />

Dr. Heinz Bilz<br />

Dr. Leopold Bischof<br />

Edwin Böhler<br />

Emil Bonetti<br />

Walter Bösch<br />

Werner Bösch<br />

Leo Burtscher<br />

Dr. Alfons Dür<br />

Xaveria Dür<br />

Dr. Gottfried Feurstein<br />

Dkfm. Joseph P. Feurstein<br />

Dr. Anton Fliri<br />

Anna Franz<br />

Ernst Fritz<br />

· 144 ·<br />

Angelika Fussenegger<br />

Alois Gassner<br />

Mag. Klaus Gerstgrasser<br />

Dr. Hermann Girardi<br />

Dr. Günther Hagen<br />

Inge Hagspiel<br />

Ing. Guntram Hämmerle<br />

Erwin Isele<br />

Hans Jaquemar<br />

Ing. Otto Kazil<br />

Brigitta Keckeis<br />

Mag. Barbara Knittel<br />

Mag. Markus Koch<br />

Hans Kogler<br />

Gerhard Köhlmeier<br />

Dkfm. Erwin Konzett<br />

Dr. Erwin Krämer<br />

Mag. Ruth Kucera-Dörler<br />

Günter Lampert<br />

Johanna Langanger<br />

Dipl.-Ing. Rudolf Längle


IfS-Geschichte Mitglieder des Vereins (1962 – 2007)<br />

Oswald Lenz<br />

Irmgard Mader<br />

Dr. Gert Mähr<br />

Dr. Elmar Marent<br />

Dr. Evelyn Marte-Stefani<br />

Elisabeth Mathis<br />

Anton Mayrhauser<br />

Erwin Mohr<br />

Klara Motter<br />

Dr. Johannes Müller<br />

Richard Natter<br />

Sabine Neumann<br />

Edith Nussbaumer<br />

Dr. Franz Pflanzner<br />

Günther Platter<br />

Herbert Pruner<br />

Elisabeth Ruepp<br />

Dr. Elke Sader<br />

Elfriede Salzgeber<br />

Dipl.-Vw. Dr. August Schäppi<br />

Dr. Georg Scharfetter<br />

· 145 ·<br />

Gerda Schelling<br />

Dr. Paul Schmid<br />

Manfred Schnetzer<br />

Mag. Elmar Simma<br />

Prof. Hans Sperandio<br />

Helmut Spiegel<br />

Dr. Herbert Spieler<br />

Walter Stefani<br />

Mag. Mimi Steurer-Holböck<br />

Marianne Strauß<br />

Dr. Herbert Tschofen<br />

Hannelore Ulmer<br />

Maria Wäger<br />

Dr. Karl Waltle<br />

Gertrud Weber<br />

Bertl Widmer<br />

Hiltraud Wieser<br />

Ing. Christoph Winder<br />

Dr. Adolf Würbel<br />

Astrid Zimmermann<br />

Klaus Zitt


IfS-Geschichte Quellen<br />

Quellen<br />

Aigner, Josef Christian (Hg.): Sozialarbeit & Psychoanalyse. Chancen und<br />

Probleme in der praktischen Arbeit. Fachschriftenreihe des Instituts für<br />

Sozialdienste. Wien 1985.<br />

Allgäuer, Stefan/ Ciresa, Brigitte und Löffler, Hubert (Red.): Psychologie und<br />

Recht im Gespräch. Am Beispiel: das Kind in der Scheidungssituation der<br />

Eltern. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Rankweil 1987.<br />

Allgäuer, Stefan/ Mayer, Hermann und Würbel, Angelika (Red.):Prinzip<br />

Integration. Wohngemeinschaft für körperbehinderte und nichtbehinderte<br />

Menschen. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste. Rankweil<br />

1988.<br />

Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin und Institut für Sozialdienste<br />

(Hg.): Soziale Rundschau. 1980-1982.<br />

Dörler, Manfred: „Fühle mich nicht als Herr über eine Sozialordnung.“<br />

(Interview). In: Kultur, Zeitschrift für Kultur und Gesellschaft, Nr. 9, 1994,<br />

S. 6-9.<br />

Fürst, Ali und Rösel, Günther: Der Spielplatz. Ein Handbuch für eine qualitative<br />

Spielplatz-Kultur. Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste.<br />

Bregenz 1989.<br />

Hollergschwandtner, Maria und Oberhauser, Jakob: “Hier habe ich erst<br />

angefangen zu leben...“ 25 Jahre sozialpädagogische Wohngemeinschaften<br />

des IfS. Sozialpädagogische Fachschriftenreihe des Instituts für Sozialdienste.<br />

Bregenz o. J.<br />

Institut für Sozialdienste (Hg.): Tätigkeitsberichte bzw. Jahresberichte, 1981<br />

bis 1996 (seit 1994 in den „Informationen“ des IfS enthalten).<br />

Institut für Sozialdienste (Hg.): IfS Informationen. 1991 bis 1997.<br />

· 147 ·


Quellen IfS-Geschichte<br />

Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin<br />

(Hg.): 5 Jahre soziale Umwelt. Gesunder Lebensraum. Götzis 1986.<br />

Institut für Sozialdienste und Arbeitskreis für Vorsorge- und Sozialmedizin<br />

(Hg.): Soziales forum. 1982 bis 1984.<br />

Institut für Sozialdienste und Neue Vorarlberger Tageszeitung (Hg.):Von<br />

Mensch zu Mensch. Sonntagsausgaben der Neuen Vorarlberger Tageszeitung.<br />

Bregenz 1995.<br />

Keßler, Herbert: Arbeit für Vorarlberg. Drei Jahrzehnte Landespolitik. Dornbirn<br />

1995.<br />

Land Vorarlberg (Hg.): Vorarlberg Bericht. Informationen der Vorarlberger<br />

Landesregierung. 1972 bis 1997.<br />

Land Vorarlberg (Hg.): Institut für Sozialdienste: Beratung und Hilfe bei<br />

Lebensproblemen. In: Vorarlberg Bericht. Heft 22, 1978.<br />

Löffler, Hubert: Wir fangen an, wenn’s nicht mehr weiter geht. 10 Jahre IfS<br />

Familienarbeit. Fachschriftenreihe des IfS. Dornbirn o. J..<br />

Neumann, Erika: Das Institut für Sozialdienste in den Jahren 1978 bis 1980.<br />

In: Montfort. H.1, 1982, S. 49-60.<br />

Paul, Armin (Hg.): „Leben auf Pump“. Möglichkeiten und Grenzen der<br />

Schuldenberatung. Bericht über eine Fachtagung in Schloß Hofen gemeinsam<br />

veranstaltet mit dem Institut für Sozialdienste. Informationsbuch,<br />

Kleine Reihe Nr. 21 des Landesbildungszentrums Schloß Hofen. Lochau<br />

1991.<br />

Sperandio, Hans: Akten über die Gründung des Vereins „Arbeitsgemeinschaft<br />

zur Betreuung der gefährdeten Jugend im Land Vorarlberg“, 1962 bis<br />

1971. Privatarchiv.<br />

· 148 ·


IfS-Geschichte Quellen<br />

Spieß, Herbert: Die Unterbringung psychisch Kranker. Patientenanwaltschaft.<br />

Eine Information der Patientenanwaltschaft Institut für Sozialdienste.<br />

Dornbirn o. J.<br />

Vorarlberger Landesregierung (Hg.): Rechenschaftsberichte der Vorarlberger<br />

Landesregierung an den Vorarlberger Landtag über die Jahre 1945 bis<br />

1997. In: Beilagen zu den Sitzungsberichten der Vorarlberger Landtage. (vor<br />

allem Kapitel „Soziale Verwaltung“).<br />

Wanner, Gerhard: Die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Vorarlberg<br />

1946-1985. Ein Beitrag zur Vorarlberger Sozial- und Wirtschaftsgeschichte.<br />

Dornbirn 1985.<br />

Wanner, Gerhard: Landespolitik 1964-1987. Bilanz, Rechenschaft und Kritik.<br />

In: Keßler, Herbert: Arbeit für Vorarlberg. Dornbirn 1995.<br />

· 149 ·


IfS-Leitbild IfS-Geschichte<br />

IfS-Leitbild<br />

Das Institut für Sozialdienste ist ein privater Verein. Die Durchführung der<br />

Aufgaben erfolgt in der IfS-Gemeinnützigen GmbH und in deren selbständigen<br />

Einheiten. Gemeinsames Ziel ist es, die psychosoziale Entwicklung<br />

Einzelner und der Gesellschaft zu fördern. Wir sind ein dezentral organisiertes<br />

Dienstleistungsunternehmen, das im Sinne des Subsidiaritätprinzips<br />

arbeitet. Unsere MitarbeiterInnen sind Fachkräfte in interdisziplinären<br />

Teams, deren Qualifikation sich auf fachspezifische Grundausbildung, Aus-<br />

und Weiterbildung, Supervision und Teamarbeit stützt. Wir respektieren die<br />

Entfaltung des Menschen gemäß seinen Anlagen, Fähigkeiten und Grenzen.<br />

Ideelle Ziele unserer Arbeit sind:<br />

• Hilfe zur Selbsthilfe<br />

• Verbesserung der Lebensqualität Benachteiligter und sozial Schwacher<br />

• Förderung der Akzeptanz sozialer Randgruppen in unserer Gesellschaft<br />

Unser Angebot<br />

Wir wenden uns an Menschen, die in ihren Lebensfragen und psychosozialen<br />

Konflikten professionelle Hilfe suchen oder brauchen.<br />

Wir bieten Orte des Vertrauens, Kontakt und Gespräch. Wir wollen Menschen<br />

beistehen, sie beraten, Not lindern, Entwicklungsprozesse einleiten<br />

und fördern. Wir glauben an Veränderung durch Konfliktbearbeitung und<br />

emanzipatorische Aufklärung. Wir sind in der Lage, bei akuter Not rasch<br />

und flexibel zu handeln und Lösungen zu erarbeiten. Wir helfen weiter.<br />

Wir wollen unsere Erfahrungen wissenschaftlich verwerten und diese in die<br />

Entwicklung neuer Projekte einbringen.<br />

· 150 ·


IfS-Geschichte IfS-Leitbild<br />

Organisation und Kultur<br />

Grundsätze der Unternehmenskultur sind:<br />

• eigenständiges und mitverantwortliches Handeln<br />

• Entwicklungsbereitschaft von MitarbeiterInnen, Führungskräften und<br />

Organisation<br />

• Kooperations- und Konfliktbereitschaft<br />

• fachlicher Austausch und interdisziplinäre Akzeptanz<br />

• Solidarität als Arbeitsprinzip<br />

• Wertschätzung als Führungsprinzip<br />

• fortbildungsfreundliches Klima<br />

• verantwortlicher und effizienter Umgang mit Zeit und Geld<br />

• selbstkritische Reflexion unserer Arbeit<br />

Wir bekennen uns zu einer durchschaubaren Leitungsstruktur, die kreatives<br />

Arbeiten, Veränderung und Innovation ermöglicht.<br />

Öffentlichkeit und Umwelt<br />

Wir ergreifen Partei, wenn wir Benachteiligungen feststellen, und setzen<br />

uns ein für Verbesserung von Lebenschancen und Integration. Wir setzen<br />

kritische, sozialpolitische Akzente und schärfen den Blick für gesellschaftliche<br />

Missstände.<br />

Unsere Auftraggeber und Partner erhalten von uns ausführliche Dokumentation<br />

und Rechenschaft über unsere Arbeit und die eingesetzten Geldmittel.<br />

Wir gehen auf Personen und Einrichtungen im sozialen Umfeld zu, motivieren<br />

zur Zusammenarbeit und gestalten die soziale Vernetzung aktiv mit.<br />

· 151 ·


Notizen IfS-Geschichte<br />

Die Geschichte geht weiter ...<br />

Persönliche Notizen:<br />

· 152 ·


IfS-Geschichte Notizen<br />

· 153 ·


Sozialfürsorge und Jugendpolitik bis zur Gründung des IfS IfS-Geschichte<br />

· 154 ·


ISBN 3-900866-99-6

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