IMB Management Forum IMB Symposium - FHW Berlin School of ...
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10 Titelthema: Die vernetzte Hochschule<br />
SemesterJournal 1/11 SemesterJournal 1/11 Titelthema: Die vernetzte Hochschule<br />
11<br />
Rationalität statt Gießkannenprinzip<br />
„Public <strong>Management</strong>“ ist der Titel eines Studiengangs an der HWR <strong>Berlin</strong> und zugleich Programm der Zusammenarbeit mit<br />
dem Finanzministerium Sachsen-Anhalt. Mit dem Initialprojekt zur Politikfeldsteuerung haben Studierende diese Kooperation<br />
begründet. Ihre Leistungen und das engagierte und enge Zusammenspiel mit der Stabstelle des Ministers waren Voraussetzung<br />
für die Fortführung des Projekts.<br />
Text: Anne Müller-Osten<br />
Die höchsten Ziele unserer Demokratie<br />
sind im Grundgesetz verankert. Die<br />
Schulden zu bremsen – den Haushalt<br />
künftig ohne Einnahmen aus Krediten<br />
auszugleichen – hat inzwischen Verfassungsrang.<br />
Den enormen Herausforderungen,<br />
die mit der Regelung zur<br />
Schuldenbremse verbunden sind, stellt<br />
sich Sachsen-Anhalt mit bundesweit<br />
Vorbild gebender Verbindlichkeit und<br />
Strategie.<br />
Mit dem Instrument der Politikfeldsteuerung<br />
will das Bundesland das „Prinzip<br />
Gießkanne“ durchbrechen und sich den<br />
Herausforderungen der Schuldenbremse<br />
stellen. Dessen Erprobung und Ausgestaltung<br />
haben sich Studierende des<br />
Schwerpunktes Controlling angenommen.<br />
Bereits bei der Budgetanmeldung<br />
sollen anhand von gemeinsam festgelegten<br />
Politikfeldern die Abbildung<br />
des Regierungsprogramms in Zahlen<br />
festgeschrieben und so willkürliche<br />
Kürzungen verhindert und eine landesweite<br />
Pr<strong>of</strong>ilierung nach fachpolitischen<br />
Themenkomplexen forciert werden.<br />
Mit Unterstützung durch Günther<br />
Fengler von der Stabstelle des Finanzministers<br />
haben die Studierenden die<br />
Konzeption der Politikfeldsteuerung<br />
des Landes untersucht und angewendet.<br />
Sie erstellten einen Strukturbaum, über<br />
den die strategische Steuerung erfolgen<br />
kann. Ausgehend von einem Visionsmodell<br />
bestimmten sie Leitziele, die<br />
über politische Handlungsfelder erreicht<br />
werden. Für jedes wurde ein Ziel formuliert,<br />
eine begründete Auswahl von<br />
Kennzahlen entlang von ausgewählten<br />
Dimensionen mit realer Datengrundlage<br />
und einer begründeten Aggregationsvorschrift<br />
erarbeitet.<br />
Das Instrument darf nun nicht zu der<br />
Illusion verleiten, man könne eine<br />
vollständige Rationalität der politischen<br />
Das „Gießkannenprinzip“<br />
Aus Sicht von Parteipolitiker/innen und Entscheidungsträger/innen mit Haushaltsverantwortung<br />
ist es nachvollziehbar und individuell rational, im Interesse<br />
der eigenen Wähler/innen und Mitarbeiter/innen ein möglichst großes<br />
Budgets für die eigenen Programme bzw. Projekte einzufordern. Betrachtet<br />
man die Gesamtsituation, so ergeben alle Budgets zusammengenommen<br />
einen Betrag, der mit größter Wahrscheinlichkeit weit über den verfügbaren<br />
Ressourcen liegt. Was kann man tun, um den Haushalt auszugleichen? Gängige<br />
Praxis ist die Kreditaufnahme oder – in Anbetracht der Schuldenbremse<br />
von Bedeutungszuwachs – das Instrument der globalen Minderausgabe. Hier<br />
wird das Budget zu einem mehr oder weniger pauschalen Prozentsatz gekürzt.<br />
Solche Kürzungen nach dem „Gießkannenprinzip“ haben zwei fatale Auswirkungen:<br />
Sie verhindern eine gemeinsame Besserstellung, die darin besteht, sich<br />
als demokratisch legitimierte Partei zu pr<strong>of</strong>ilieren. Pr<strong>of</strong>ilierung durch Priorisierung<br />
bestimmter Politikfelder und somit im demokratischen Wettbewerb<br />
um Wählerstimmen zu werben und fachlich zu überzeugen, wird verhindert.<br />
Zweitens wird ein Perpetuum Mobile in Gang gehalten, da es individuell<br />
rational bleibt, bei der Budgetanmeldung mehr einzufordern, da die Kürzung<br />
bereits einkalkuliert werden muss. Das wiederum perpetuiert die Kürzung.<br />
Ergebnisse herbeiführen. Aber durch das<br />
Konzept von Sachsen-Anhalt gelingt es –<br />
das haben die Studierenden unter Beweis<br />
gestellt –, zielgerichtete und entlang von<br />
Strukturen geführte Fachdiskussionen<br />
zu erzeugen. Dies gelingt, weil an erster<br />
Stelle strukturierte Fachdiskussionen entlang<br />
von politischen Themenkomplexen<br />
evoziert werden. An Stelle der Gießkanne<br />
wird ein rationalitätsfördernder<br />
Rahmen bereitgestellt, innerhalb dessen<br />
eine verantwortungsbewusste Verteilung<br />
der verfügbaren Mittel unterstützt wird.<br />
Die Studierenden selbst leiteten und<br />
steuerten das Projekt, von der Planung<br />
bis zum fertigen Konzept. Kommuniziert<br />
wurde über die internetbasierte<br />
Lernplattform der HWR <strong>Berlin</strong>, Web-<br />
und Telefonkonferenzen. Die Erweiterung<br />
der Kooperation mit IBM bot<br />
darüber hinaus allen die Möglichkeit,<br />
sowohl Einblick in die Projektarbeit, als<br />
auch Ausblick hinsichtlich der bi-technischen<br />
Umsetzung zu gewinnen.<br />
HWR-Präsident Pr<strong>of</strong>. Dr. Bernd Reissert<br />
und Finanzminister des Landes<br />
Sachsen-Anhalt Jens Bullerjahn würdigten<br />
persönlich das große Engagement<br />
und die Ergebnisse. Höhepunkt war<br />
die Präsentation in einer Expert/innenrunde<br />
in Magdeburg, die Finanzminister<br />
Bullerjahn geführt und zu der er<br />
eingeladen hatte. Die Kooperation wird<br />
fortgesetzt.<br />
Die Autorin ist Gastpr<strong>of</strong>essorin an der<br />
HWR <strong>Berlin</strong> für das Fachgebiet „Öffentliches<br />
<strong>Management</strong>“.<br />
TankNotStrom – Interdisziplinäre<br />
Forschung<br />
Ein längerer Stromausfall in <strong>Berlin</strong> hätte durch die enge Verknüpfung kritischer Infrastrukturen massive Auswirkungen auf<br />
das öffentliche Leben. Die psychosozialen Folgewirkungen, das Krisenmanagement und rechtliche Aspekte eines solchen<br />
Szenarios werden derzeit in einem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützten Verbundprojekt<br />
am Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement der HWR <strong>Berlin</strong> erforscht.<br />
Text: Karl Boehme<br />
Was wäre, wenn…? Im Projekt TankNotStrom entwickeln Hochschulen, Feuerwehr, Krankenhaus,<br />
Unternehmen und Institutionen gemeinsam einen Notfallplan für das richtige <strong>Management</strong><br />
während und nach einer solchen Krise.<br />
Im Projekt TankNotStrom wird von<br />
einem sechstägigen Stromausfall in<br />
<strong>Berlin</strong> und Brandenburg ausgegangen.<br />
Zentrales Thema sind die Schwierigkeiten<br />
bei der Kraftst<strong>of</strong>fversorgung,<br />
weil Tankstellen nicht benutzbar<br />
wären. Hinzu käme, dass sehr viele<br />
Notstromaggregate mit unterschiedlichem<br />
Kraftst<strong>of</strong>fverbrauch und -vorrat<br />
nachgetankt werden müssten. Technisches<br />
Ziel des Projektes ist ein System,<br />
dass die Kraftst<strong>of</strong>fversorgung kritischer<br />
Versorgungsstrukturen sicherstellt.<br />
Doch das Forschungsfeld ist insgesamt<br />
viel komplexer.<br />
Unter der Leitung der Firma TimeKontor<br />
AG kooperieren neben der HWR<br />
<strong>Berlin</strong> die Fachhochschule Brandenburg,<br />
die TU-<strong>Berlin</strong>, die <strong>Berlin</strong>er<br />
Feuerwehr, die Charité und die Firma<br />
HiSolutions. Darüber hinaus sind assoziierte<br />
Partner wie die Senatsverwaltung<br />
für Inneres und Sport <strong>Berlin</strong> sowie der<br />
Shell-Konzern einbezogen. Dem interdisziplinär<br />
arbeitenden Team gehören<br />
neben wissenschaftlichen Mitarbeiter/<br />
innen, darunter Alumni der HWR <strong>Berlin</strong>,<br />
auch Studierende an.<br />
Der Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement<br />
der HWR <strong>Berlin</strong><br />
arbeitet unter Federführung von Pr<strong>of</strong>.<br />
Dr. Birgitta Sticher und Pr<strong>of</strong>. Dr. Claudius<br />
Ohder seit Mitte 2009 im Projekt<br />
„Energie- und Kraftst<strong>of</strong>fversorgung von<br />
Tankstellen und Notstromaggregaten<br />
bei Stromausfall“ (TankNotStrom) mit.<br />
Das vom BMBF geförderte Verbundprojekt<br />
ist Teil des Programms „Schutz<br />
vor Ausfall von Versorgungsinfrastrukturen“<br />
im Rahmen der „Forschung für<br />
die zivile Sicherheit“ und läuft noch bis<br />
Mitte 2012.<br />
Das Team des Fachbereichs beschäftigt<br />
sich vor allem mit der Fragestellung, wie<br />
die Bevölkerung auf den länger andauernden<br />
Stromausfall reagieren würde und<br />
welche Folgen dies für das Krisenmanagement<br />
hätte. Hierbei werden sowohl<br />
rechtliche Aspekte beleuchtet als auch die<br />
Arbeitsweise der Polizei näher untersucht.<br />
Dafür entwickelten Studierende<br />
des Bachelor-Studiengangs Sicherheitsmanagement<br />
ein möglichst realistisches<br />
Szenario, das die Folgewirkungen eines<br />
sechstätigen Stromausfalls abbildet. Um<br />
die Bevölkerungsreaktionen abzuschätzen<br />
zu können, wurden Befragungen<br />
bei Polizei und Feuerwehr in verschiedenen<br />
<strong>Berlin</strong>er Bezirken durchgeführt.<br />
Zudem sind rechtliche Fragestellungen<br />
identifiziert und untersucht worden. Vier<br />
Bachelor-Abschlussarbeiten zu den Folgewirkungen<br />
des Stromausfalls auf den<br />
Strafvollzug, Dialyseeinrichtungen und<br />
Altenpflegeheime sowie die Krisenkommunikation<br />
mit vulnerablen Personen,<br />
also Menschen, die unter einem Stromausfall<br />
besonders leiden würden, konnten<br />
bereits abgeschlossen werden.<br />
Aktuell werden in Kooperation mit<br />
den Katastrophenschutzbeauftragten<br />
der Bezirke Steglitz-Zehlendorf und<br />
Lichtenberg Ansatzpunkte für ein<br />
entsprechendes Krisenmanagement<br />
speziell in diesen <strong>Berlin</strong>er Stadtgebieten<br />
entwickelt.<br />
Mehr Informationen im Internet:<br />
www.tanknotstrom.info<br />
Der Autor ist Dipl.Psychologe und<br />
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Fachbereich 5 Polizei und Sicherheitsmanagement<br />
der HWR <strong>Berlin</strong>.<br />
Praxisnahe Forschung für die Zukunft<br />
schon während des Studiums.