Stahlgeschäft neu aufgerollt - Deutsche Bahn AG
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Solution<br />
44 | LOGISTICS<br />
<strong>Stahlgeschäft</strong><br />
<strong>neu</strong> <strong>aufgerollt</strong><br />
50 Millionen Tonnen Stahl fährt die <strong>Bahn</strong> jedes<br />
Jahr. Jetzt erarbeiten die Logistiker <strong>neu</strong>e<br />
internationale Transportkonzepte.<br />
[ Text] Kerim Köhne [ Foto] Julia Baier<br />
Heiße Ware: Gerollte<br />
Stahlbleche, so genannte<br />
Coils, kühlen<br />
vor dem Transport ab<br />
Foto: M. Neuhaus<br />
{ Otto Niederhofer }<br />
»Wir können<br />
den Kunden<br />
individuelle<br />
Lösungen bieten.«<br />
Der Stahl kommt nicht zur Ruhe:<br />
Von Finnland per Schiff<br />
in die Niederlande, dann per<br />
<strong>Bahn</strong> durch Belgien, Deutschland<br />
und die Schweiz nach<br />
Norditalien. Quer durch Europa lässt<br />
der finnische Stahlkocher Outokumpu<br />
seine Waren zum Kunden transportieren.<br />
Voraussetzung dafür, dass jede Tonne<br />
pünktlich ankommt, ist neben einer<br />
ausgefeilten Logistik der gute Kontakt<br />
zwischen denen, die den Stahl herstellen,<br />
und denen, die ihn transportieren.<br />
Gemeinsam mit dem KundenService-<br />
Zentrum (KSZ) von Railion in Duisburg<br />
haben die Fachleute im Marktbereich<br />
Montan von Stinnes Freight Logistics<br />
für Outokumpu ein maßgeschneidertes<br />
Konzept entwickelt. Die Lösung: Neben<br />
regelmäßigen Shuttleverbindungen zum<br />
STINNESrailport in Castelguelfo fahren<br />
die Einzelwagen und Wagengruppen<br />
ebenfalls per Shuttle auf den STINNESrailport<br />
Desio ab – per Einzelwagen.<br />
Das ist für Kunden im Raum Mailand<br />
effizienter. Die Transportmenge lässt<br />
sich genau abstimmen.<br />
Nur noch fünf Tage benötigen die<br />
Stahlsendungen heute vom niederländischen<br />
Ter<strong>neu</strong>zen bis zum Lager des<br />
Empfängers in Italien, früher waren es<br />
bis zu drei Wochen. „Die Kunden können<br />
nun ihre Transporte besser planen<br />
und den Abnehmern zuverlässige Ankunftszeiten<br />
bieten“, sagt Gert Soetekou,<br />
Key Account Manager im Marktbereich<br />
Montan. Jede Woche gehen 700<br />
Tonnen Stahl auf ihre Reise.<br />
Thyssen in Duisburg: Die Rohstoffe für die Stahlherstellung kommen mit der Eisenbahn<br />
Immer internationaler werden die<br />
<strong>Stahlgeschäft</strong>e. Ausgefeilte Transportkonzepte<br />
spielen sowohl im Verkehr<br />
zwischen den Werken großer Unternehmen<br />
als auch bei der Zulieferung für die<br />
Automobilindustrie eine wichtige Rolle.<br />
Im Duisburger KSZ steuern die Expertenteams<br />
bundesweite und internationale<br />
Montantransporte. Außerdem sind sie<br />
für die Disposition der Güterwagenflotte,<br />
die zentrale Auftragsbearbeitung und<br />
die Abrechnung verantwortlich.<br />
Die Fachleute bei Stinnes Freight Logistics<br />
bereiten die reibungslose Abwicklung<br />
vor: Ladefristvereinbarungen schaffen<br />
verbindliche Rahmenbedingungen.<br />
Bei Bedarf kommt modernste Technik<br />
wie GPS (Global Positioning System),<br />
mit dem die Güterwagen jederzeit zu<br />
orten sind, zum Einsatz. „Die Kunden<br />
werden anspruchsvoller. Nicht nur der<br />
Preis, auch die Geschwindigkeit wird<br />
zum Kriterium dafür, ob ein Auftrag zustande<br />
kommt“, sagt Otto Niederhofer,<br />
Leiter des Marktbereiches Montan.<br />
Da die Konkurrenz zur Straße und<br />
zum Binnenschiff schärfer wird, müssen<br />
die Experten im DB Ressort Transport<br />
und Logistik genau wissen, was ihre<br />
Kunden erwarten. Das bedeutet, die<br />
Zusammenstellung von Zügen ständig<br />
zu optimieren und die Angebote zu verbessern.<br />
Niederhofer ist sich sicher, vor<br />
allem mit einem überzeugen zu können:<br />
„Wir können je nach Kunde und Bedarf ><br />
LOGISTICS | 45
46 | LOGISTICS<br />
Modernste Technik wie GPS kommt im<br />
Schienengüterverkehr stärker zum Einsatz<br />
1<br />
Vorratshaltung:<br />
Güterzüge bringen<br />
Koks und Zuschlagsstoffe<br />
ins<br />
Stahlwerk<br />
Komplexe Logistik für die Hochöfen<br />
■ Erz als Herausforderung: Die Stahlhütten<br />
im Binnenland erhalten einen<br />
großen Teil ihrer Rohstoffe wie Eisenerz,<br />
Koks und Zuschlagstoffe über die<br />
Schiene. Freight Logistics beauftragt<br />
Railion, die Züge zusammenzustellen.<br />
Aufgrund seines hohen spezifischen Gewichts<br />
stellt vor allem Erz außerordentliche<br />
Herausforderungen an den Transporteur.<br />
Mit zwei Lokomotiven können<br />
Züge eine Last von bis zu 4 600 Tonnen<br />
transportieren. Bereits ein einzelner der<br />
speziell für den Erzverkehr entwickelten<br />
Waggons nimmt 115 Tonnen auf.<br />
Per Kran auf den Zug: Mit dem<br />
1. Schiff gelangt das Erz in die deutschen<br />
Seehäfen wie Hamburg oder<br />
Rotterdam. Dort wird die Ware per<br />
Kran auf die Waggons umgeschlagen.<br />
Die Züge erreichen beladen eine Durchschnittsgeschwindigkeit<br />
von 80 km/h.<br />
Genauer Fahrplan: In präzise<br />
2. getakteten Verkehren treffen<br />
die bis zu 600 Meter langen Züge im<br />
Stahlwerk ein. Werkslokomotiven übernehmen<br />
den Weitertransport bis zu den<br />
Bunkeranlagen.<br />
ganz individuelle und maßgeschneiderte<br />
Lösungen anbieten – vom Einzelwagen<br />
bis zum Ganzzug.“<br />
Stahlzüge machen jedoch nur einen<br />
Teil der Transporte aus, die DB Transport<br />
und Logistik im Montanbereich<br />
fährt. Neben 50 Millionen Tonnen Stahl<br />
– zumeist als Coils, in Form von zu Rollen<br />
aufgewickelten Blechen – sind Kohle<br />
und Erze ein Geschäft. Die Zahlen sind<br />
beeindruckend: 50 Millionen Tonnen<br />
Braun- und Steinkohle, 14 Millionen<br />
Tonnen Erz – immerhin 70 Prozent aller<br />
deutschen Erztransporte – und zwölf<br />
Millionen Tonnen Schrott.<br />
Von den Häfen Hamburg und Rotterdam<br />
gehen die Rohstoffe auf ihre <strong>Bahn</strong>reise<br />
zu den Hüttenstandorten. Bei einigen<br />
Kunden übernimmt die <strong>Bahn</strong> den kompletten<br />
Transport von den Minen bis zu<br />
den Werken – auch über tausende von<br />
Kilometern. In diesem Jahr fuhren unter<br />
der Federführung von Transa sechs<br />
Güterzuge Koks für die ThyssenKrupp<br />
MinEnergy 9 814 Kilometer von China<br />
über Russland und Polen nach Duisburg.<br />
In nur 15 Tagen erreichte der Zug<br />
Automatisch in<br />
3. die Bunker: Über<br />
den Tiefbunkern laden die<br />
Güterwaggons automatisch ihre<br />
Fracht ab. Der ganze Vorgang dauert<br />
heute nur noch wenige Minuten. In den<br />
Bunkern kann Ware für eine längere<br />
Zeit gelagert werden.<br />
Per Förderband ins Werk: In<br />
4. den Bunkern wird das Erz mit<br />
Zuschlagstoffen vermischt und gelangt<br />
dann auf einem Förderband zur Weiterverarbeitung<br />
ins Stahlwerk.<br />
2<br />
Foto: M. Neuhaus, privat Grafik: infographic.de / Jakub Chrobuk<br />
sein Ziel, schneller als jedes Schiff.<br />
Wichtigster Baustein im Geschäft ist<br />
der persönliche Kontakt. Daher veranstaltete<br />
das KSZ im Sommer erstmals<br />
einen Branchentag Montan. Industriekunden<br />
diskutierten mit <strong>Bahn</strong>experten<br />
die <strong>neu</strong>en logistischen Herausforderungen.<br />
Die Logistiker erfuhren, was die<br />
Kunden wünschen. Und die lernten, was<br />
DB Transport und Logistik alles kann.<br />
Der Kontakt zum KSZ ist für Heinz<br />
Behling, Dispatch Manager von Europipe,<br />
wichtig. Das Unternehmen lässt<br />
Großrohre für den Bau von Öl- und<br />
Gasleitungen transportieren. „Wir verladen<br />
die Produktion weitestgehend direkt<br />
auf den Wagen. Bei Engpässen in<br />
der Bereitstellung der Güterwagen müssen<br />
wir zwischenlagern, was mit dem Risiko<br />
von Beschädigungen der Rohre verbunden<br />
ist”, sagt Behling. „Deswegen<br />
brauchen wir möglichst früh Informationen<br />
über die zu erwartenden Zug- und<br />
Wageneingänge.“ Und die seien durch<br />
den guten Draht zum KSZ gegeben.<br />
Förderbänder<br />
Portalkran<br />
{ Heinz Behling }<br />
»Wir brauchen früh am<br />
Tag Informationen über<br />
die Wageneingänge.«<br />
3<br />
Nicht nur Stahl, auch Schrott ist ein<br />
anspruchsvolles Geschäft. So setzen<br />
sowohl Stahlwerke wie die Riva Stahl<br />
GmbH als auch die Scholz <strong>AG</strong>, einer<br />
der größten europäischen Händler in<br />
Sachen Eisen- und Stahlschrott, bei ihrer<br />
Logistik auf die Schiene. Die Branche ist<br />
auf reibungslose Verkehre angewiesen.<br />
„Unsere Transport- und Logistikketten<br />
sind optimiert, wir sind mit den Leistungen<br />
des KSZ sehr zufrieden“, lobt<br />
Logistikleiter Thomas Grötzinger. Das<br />
Unternehmen vertraut auf ein EDV-gestütztes<br />
Warenwirtschaftssystem. Vom<br />
Firmensitz in Essingen steuern Scholz-<br />
Mitarbeiter die Transportlogistik digital.<br />
Transportaufträge werden automatisch<br />
generiert und per Datenleitung an das<br />
KSZ übertragen. Aus der dortigen Auftragsbearbeitung<br />
erhalten die Empfänger<br />
eine Auftragsvormeldung mit Informationen<br />
über die zulaufenden Mengen<br />
und Sorten. Frachtbriefe gehören, bis<br />
auf Ausnahmen im internationalen Verkehr,<br />
der Vergangenheit an. ■<br />
4<br />
Lufterhitzer<br />
Solution<br />
Wachstumsmarkt: Die <strong>Bahn</strong> ist im Montangeschäft<br />
idealer Transporteur nach Osteuropa<br />
Vierachsenprojekt<br />
Auf der Schiene<br />
in den Osten<br />
■ Potenziale: Noch werden nur Güter im<br />
Volumen von rund 730 000 Tonnen im Jahr<br />
auf der Schiene zwischen Russland, Polen<br />
und Deutschland transportiert. Doch die<br />
Chancen für die Eisenbahnen sind gewaltig,<br />
schließlich ist die Schiene in weiten<br />
Teilen Russlands das einzig verfügbare<br />
Verkehrsmittel. Daher hat sich die <strong>Deutsche</strong><br />
<strong>Bahn</strong> mit der russischen <strong>Bahn</strong> RZD,<br />
der polnischen PKP Cargo und der belorussischen<br />
Staatsbahn im so genannten<br />
Vierachsenprojekt zusammengetan. Ziel:<br />
Die Transportmengen per Schiene in den<br />
kommenden Jahren zu verdoppeln.<br />
■ Abfertigung: Entscheidendes Hindernis<br />
im Schienengüterverkehr ist die aufwändige<br />
Grenzabfertigung. Die <strong>Bahn</strong>en wollen<br />
aber ihren Kunden schnelle, pünktliche und<br />
günstige Transport- und Logistikangebote<br />
aus einer Hand anbieten. Ein gemeinsam<br />
mit dem Internationalen Eisenbahnkomitee<br />
und der Organisation für die Zusammenarbeit<br />
der <strong>Bahn</strong>en eingeführter Frachtbrief<br />
soll Abhilfe schaffen.<br />
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