11.08.2012 Aufrufe

Neue Umwelthaftung

Neue Umwelthaftung

Neue Umwelthaftung

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

wissen<br />

34<br />

<strong>Neue</strong> <strong>Umwelthaftung</strong><br />

In Umsetzung der EU-Richtlinie<br />

vom April 2004 über <strong>Umwelthaftung</strong><br />

zur Vermeidung und Sanierung<br />

von Umweltschäden (<strong>Umwelthaftung</strong>srichtlinie,<br />

2004/35/EG)<br />

hat der Nationalrat im März 2009<br />

das Bundes-<strong>Umwelthaftung</strong>sgesetz<br />

(B-UHG) beschlossen. Dieses Gesetz<br />

führt entsprechend der Richtlinie eine<br />

verschuldensunabhängige Gefähr-<br />

Das B-UHG bringt nun doch keine Haftungsfalle<br />

für konsensgemäße Betriebe.<br />

dungshaftung für bestimmte Ökoschäden<br />

ein. Von der Haftung betroffen<br />

sind Betreiber bestimmter wirtschaftlicher<br />

Tätigkeiten, die im Anhang des<br />

Gesetzes taxativ aufgezählt sind. Darunter<br />

fallen unter anderem Betreiber<br />

von IPPC-Anlagen, womit Unternehmen<br />

der Papierindustrie grundsätzlich von<br />

der <strong>Umwelthaftung</strong> tangiert werden<br />

können.<br />

von Elisabeth Furherr<br />

Mit Bescheid keine Haftung<br />

Der Beschlussfassung im Parlament<br />

gingen zwei Jahre intensiver, äußerst<br />

kontroversieller Verhandlungen voraus.<br />

Ein prioritäres Anliegen war für<br />

uns, Unternehmer, die ihre genehmigte<br />

Anlage bescheidkonform betreiben,<br />

von der nachträglichen Keule der<br />

<strong>Umwelthaftung</strong> weitgehend zu verschonen.<br />

Die Wirtschaftskammer


Die <strong>Umwelthaftung</strong>srichtlinie hätte bereits bis Ende April 2007<br />

vom Nationalrat umgesetzt werden müssen, jetzt läuft ein<br />

EU-Vertragsverletzungsverfahren.<br />

Das Wesentliche des B-UHG<br />

1) Erfasste Schadenstypen<br />

Das B-UHG regelt die Haftung nur für jene Umweltschäden,<br />

die in den Kompetenzbereich des Bundes fallen. Darunter<br />

sind zu verstehen:<br />

a) Erhebliche Gewässerschäden: Nicht jede Schädigung,<br />

sondern nur erhebliche Schädigungen der Gewässer sind<br />

vom Anwendungsbereich des Gesetzes erfasst. Darunter<br />

ist jeder Schaden zu verstehen, der erhebliche nachteilige<br />

Auswirkungen auf den ökologischen, chemischen oder<br />

mengenmäßigen Zustand oder das ökologische Potenzial<br />

der betreffenden Gewässer im Sinne des Wasserrechtsgesetzes<br />

1959 hat und nicht durch eine Bewilligung in<br />

Anwendung des Wasserrechtsgesetzes gedeckt ist.<br />

© Mike Ranz<br />

bestand dabei darauf, dass behördliche<br />

Genehmigungen, die in Österreich ja<br />

zweifellos nicht zum Diskontpreis zu<br />

erhalten sind, etwas wert sein müssen<br />

und einen Rechtsschutz vor uferloser<br />

Haftung bieten. Anders gesagt dürfen<br />

behördlich genehmigte Einwirkungen<br />

auf die Umwelt nicht zur Haftungsfalle<br />

für Betriebe werden, die ihre Anlagen<br />

konsensgemäß betreiben. Weiters achteten<br />

wir sehr genau auf eine richtlinienkonforme<br />

Umsetzung ohne das in der<br />

österreichischen Umweltgesetzgebung<br />

so beliebte Golden plating. Gleich vorweg<br />

– beide Ziele konnten erreicht werden.<br />

Insgesamt stellt das B-UHG eine<br />

wirtschaftsverträgliche Umsetzung der<br />

Richtlinien-Vorgaben dar.<br />

Katastrophaler<br />

Begutachtungsentwurf<br />

Dabei war die Ausgangssituation alles<br />

andere als ermutigend. Der Begutachtungsentwurf<br />

des BMLFUW zeichnete<br />

Wasserrechtlich genehmigte Einwirkungen auf Gewässer<br />

(Versickerungen, Einleitungen, sonstige Gewässerbenutzungen<br />

mit Auswirkung auf den ökologischen Zustand)<br />

sind somit nicht als erhebliche nachteilige Auswirkungen<br />

im Sinne des B-UHG zu verstehen und fallen daher nicht<br />

unter den Anwendungsbereich des Gesetzes. Dies bringen<br />

die Erläuterungen des Initiativantrags klar zum Ausdruck. In<br />

Anwendung des Wasserrechtsgesetzes erlassen sind sowohl<br />

Bescheide der Wasserrechtsbehörde als auch Bescheide anderer<br />

Behörden (zum Beispiel Bescheide der Gewerbebehörde<br />

nach § 356b Abs 3 GewO, Bescheide der Abfallbehörde nach<br />

§ 38a Abs 1 AWG sowie UVP-Bescheide nach § 17 UVP-G), bei<br />

denen Einwirkungen auf Gewässer in Anwendung des WRG<br />

papierausösterreich 7-8/09<br />

Austria has<br />

implemented a<br />

European directive<br />

on environmental<br />

liability in national<br />

law.


wissen<br />

Auch ohne Fahrlässigkeit oder gar Vorsatz sind Papierfabriken für erhebliche Gewässerschäden<br />

verantwortlich zum Beispiel nach einem Betriebsunfall.<br />

sich durch krasses Unverständnis für<br />

wirtschaftliche Zusammenhänge aus,<br />

ignorierte sämtliche in der Richtlinie<br />

vorgesehenen Erleichterungen für die<br />

von der Haftung betroffenen Unternehmen<br />

und führte eine Unzahl systemwidriger,<br />

gravierender Belastungen für die<br />

Wirtschaft ein. Als Kostprobe aus dieser<br />

unverdaulichen Liste seien genannt:<br />

in einem konzentrierten Genehmigungsverfahren genehmigt<br />

wurden.<br />

b) Bodenschäden, die ein erhebliches Gesundheitsrisiko verursachen:<br />

Das B-UHG umfasst Bodenschäden nicht als solche,<br />

sondern nur dann, wenn mit der Verunreinigung des Bodens<br />

ein erhebliches Risiko für die menschliche Gesundheit verbunden<br />

ist. Anders als beim Gewässerschaden kommt es beim<br />

Bodenschaden für den Haftungsfall nicht auf den Schadenseintritt,<br />

sondern auf den Eintritt einer Gesundheitsgefährdung<br />

für Menschen an. Zur Beurteilung, ob ein Bodenschaden im<br />

Sinn des B-UHG vorliegt wird daher im Einzelfall stets ein humanmedizinisches<br />

Gutachten erforderlich sein.<br />

Der weiters in der Richtlinie geregelte sogenannte Biodiversitätsschaden,<br />

also die Schädigungen von geschützten Arten<br />

und natürlichen Lebensräumen, ist der Umsetzung durch die<br />

Bundesländer vorbehalten. Auf Grund dieser Kompetenzzersplitterung<br />

wird es in Österreich neben dem Bundes-<strong>Umwelthaftung</strong>sgesetz<br />

neun Landes-<strong>Umwelthaftung</strong>sgesetze<br />

geben.<br />

2) Anwendungsbereich<br />

Die neue <strong>Umwelthaftung</strong> ist als verschuldensunabhängige<br />

Gefährdungshaftung konzipiert, die nur für Schäden gilt, die<br />

in Ausübung von im Gesetz taxativ aufgezählten bestimmten<br />

beruflichen Tätigkeiten verursacht worden sind. Die Liste dieser<br />

• Die vom Anhang des Gesetzes betroffenen<br />

Betreiber sollten unabhängig<br />

von einem Schadenseintritt zu einer<br />

finanziellen Deckungsvorsorge für<br />

den Schadensfall verpflichtet werden.<br />

Das ist ein Pech für die Unternehmen,<br />

denn laut Versicherungswirtschaft ist<br />

der genehmigte Normalbetrieb nicht<br />

versicherbar.<br />

© P. Mader<br />

Elisabeth Furherr<br />

ist Referentin in der<br />

WKÖ-Abteilung<br />

Umwelt- und<br />

Energiepolitik.<br />

• Für Gesellschafter von Kapitalgesellschaften<br />

sollte eine Durchgriffshaftung<br />

normiert werden.<br />

• Dem Staat sollte ein Vorzugspfandrecht<br />

an Liegenschaften des Betreibers<br />

eingeräumt werden.<br />

• Bei mehreren Verursachern sollte ein<br />

Teilverursacher für den Gesamtschaden<br />

in Anspruch genommen werden<br />

können (Solidarhaftung).<br />

• Auf Genehmigungen ist keinerlei<br />

Bedacht zu nehmen.<br />

• Besonders krass: Der Betreiber sollte<br />

auch dann alleinig haften, wenn der<br />

Schaden durch einen betriebsfremden<br />

Dritten verursacht worden ist,<br />

obwohl er alle nötigen Vorkehrungen<br />

ge troffen hatte!<br />

beruflichen Tätigkeiten findet sich im Anhang 1 und umfasst<br />

unter anderem den Betrieb von IPPC-Anlagen (RL 96/61/EG).<br />

Da die Haftung als Gefährdungshaftung konzipiert ist, ist<br />

ein Verschulden (also Fahrlässigkeit oder Vorsatz) unerheblich.<br />

Wichtig ist, dass für die Frage der Verantwortlichkeit für<br />

einen Umweltschaden keine Beweislastumkehr zu Lasten<br />

des Betreibers normiert ist. Vielmehr muss die Behörde den<br />

Kausalitätsnachweis erbringen. Eine Verursachungsvermutung<br />

reicht somit nicht, um einen Betreiber gemäß B-UHG<br />

zur Verantwortung zu ziehen. Dementsprechend sind diffuse<br />

Schäden, somit Schäden, bei denen eine Zuordnung zu Verursachern<br />

nicht möglich ist, nicht vom Anwendungsbereich<br />

des B-UHG erfasst.<br />

Wichtig ist, dass das B-UHG keine rückwirkende Haftung<br />

vorsieht. Dementsprechend fallen Schäden, die verursacht<br />

worden sind durch Emissionen oder Ereignisse, die vor dem<br />

Inkrafttreten des B-UHG stattgefunden haben oder Tätigkeiten,<br />

die vor dem Inkrafttreten des B-UHG stattgefunden<br />

haben (auch wenn die Emissionen erst nach dem Inkrafttreten<br />

aufgetreten sind), nicht unter den Anwendungsbereich des<br />

Gesetzes.<br />

Weiters sieht das B-UHG eine absolute Verjährungsfrist von<br />

30 Jahren vor: Sind seit dem schadensverursachenden Ereignis<br />

mehr als 30 Jahre vergangen, ist der Schaden jedenfalls nicht<br />

vom B-UHG erfasst.<br />

© WKO


Genug Stoff also für harte und zähe Verhandlungen,<br />

an deren Ende wir sämtliche<br />

der genannten No go’s aus dem Gesetz<br />

herausreklamieren konnten. Gleichzeitig<br />

erzielten wir die so essentielle Bedachtnahme<br />

auf Genehmigungen. Der Anwendungsbereich<br />

des B-UHG bleibt im<br />

Wesentlichen<br />

auf nicht genehmigteTätigkeiten<br />

und<br />

irreguläre Betriebsweisen,<br />

wie Industrieunfälle<br />

oder<br />

Störfälle,<br />

beschränkt.<br />

Der genehmigungskonforme<br />

Betrieb wird durch die<br />

neue <strong>Umwelthaftung</strong> nicht verunsichert<br />

oder belastet.<br />

© Act-Center<br />

Strenge Regelung<br />

Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie<br />

wird mit dem B-UHG die schärfste<br />

Form der Haftung, die verschuldensun-<br />

3) Betreiberpflichten<br />

Betreiber der im Gesetz taxativ aufgezählten beruflichen Tätigkeiten<br />

treffen nach dem B-UHG grundsätzlich zwei Arten<br />

von Verpflichtungen, wenn es zu einem erheblichen Schaden<br />

im Sinne des Gesetzes gekommen ist oder ein solcher droht:<br />

a) Noch bevor es zum Schadensfall kommt, hat der Betreiber<br />

alle erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um einen drohenden<br />

Schaden abzuwenden. Vermeidungsmaßnahmen<br />

sind erst dann zu setzen, wenn eine konkrete Gefahr eines<br />

Umweltschadens unmittelbar bevorsteht.<br />

b) Ist ein Umweltschaden eingetreten, muss der Betreiber<br />

unverzüglich die Behörde verständigen und die erforderlichen<br />

Sanierungsmaßnahmen ergreifen.<br />

4) Arten der Sanierungsmaßnahmen<br />

Entsprechend der Richtlinie unterscheidet das Gesetz folgende<br />

Sanierungsmaßnahmen:<br />

a) Primäre Sanierung: Das ist die Wiederherstellung des<br />

Ausgangszustands<br />

b) Ergänzende Sanierung: Diese kommt zum Tragen, wenn<br />

die primäre Sanierung nicht möglich ist. In diesem Fall ist ein<br />

gleichwertiger Zustand an einem anderen Ort herzustellen.<br />

c) Ausgleichssanierung: Zusätzlich zur primären Sanierung<br />

oder der ergänzenden Sanierung sind zwischenzeitliche Verluste<br />

von Ressourcen und Funktionen auszugleichen.<br />

abhängige Gefährdungshaftung, für<br />

Ökoschäden eingeführt. Danach haftet<br />

ein Betreiber auch dann, wenn ihm<br />

keine Verletzung seiner Sorgfaltspflicht<br />

vorwerfbar ist. Diese strenge Haftungsform<br />

ist der österreichischen Rechtsordnung<br />

nicht fremd. Sie findet sich etwa<br />

im Wasserrechtsgesetz (zB § 31 WRG).<br />

Mit dem B-UHG wird das geltende Wasserrechtsgesetz<br />

nicht berührt, sondern<br />

bleibt unverändert aufrecht.<br />

Aus unserer Sicht war es daher notwendig,<br />

das B-UHG in einen sinnvollen<br />

Konnex mit den Regelungen des WRG zu<br />

bringen. Das Anlagenrecht sollte durch<br />

die neuen Haftungsregelungen ergänzt,<br />

aber nicht konterkariert werden. Gleichzeitig<br />

legten wir besonderen Wert darauf,<br />

dass für die Betriebe ein ausreichendes<br />

Maß an Rechtssicherheit und<br />

Kalkulierbarkeit gewährleistet ist. Diese<br />

Anforderungen sehen wir durch die De-<br />

finition der Erheblichkeit des Gewässerschadens<br />

erfüllt, wonach Einwirkungen,<br />

die in Anwendung des WRG genehmigt<br />

wurden (damit u.a. auch eine Genehmigung<br />

nach der Gewerbeordnung), nicht<br />

als erheblich anzusehen sind und somit<br />

nicht unter den Anwendungsbereich des<br />

B-UHG fallen. �<br />

5) Ausnahme von der Kostentragung<br />

Der Betreiber hat die Vermeidungs- und Sanierungskosten<br />

nicht zu tragen, wenn der Schaden auf eine behördliche<br />

Anordnung wegen fremder Tätigkeit zurückzuführen ist<br />

oder der Schaden durch einen Dritten verursacht worden<br />

ist und der Betreiber geeignete Sicherheitsvorkehrungen<br />

getroffen hat.<br />

6) Zuständige Behörde<br />

Als zuständige Behörde gilt jene Bezirksverwaltungsbehörde,<br />

in deren örtlichen Wirkungsbereich die Vermeidungs-<br />

oder Sanierungsmaßnahmen zu ergreifen waren<br />

oder zu ergreifen gewesen wären.<br />

7) Umweltbeschwerde<br />

Entsprechend den Vorgaben der Richtlinie führt auch<br />

das B-UHG das Instrument der Umweltbeschwerde ein.<br />

Danach können Personen, die durch einen Umweltschaden<br />

in ihren Rechten verletzt werden können, in einer<br />

schriftlichen Beschwerde die Behörde zur Tätigkeit<br />

auffordern. Dieses Recht zur Umweltbeschwerde steht<br />

auch dem Umweltanwalt und jenen Umweltorganisationen<br />

zu, die gemäß Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz<br />

(gemäß § 19 Abs 7 UVP-G 2000) anerkannt<br />

sind.<br />

papierausösterreich 7-8/09<br />

„Dieses Maß an Rechtssicherheit der Betriebe war für uns eine<br />

Conditio sine qua non, um die verschärften Haftungsregelungen<br />

mitzutragen. Nun ist die neue <strong>Umwelthaftung</strong> verursachergerecht,<br />

aber nicht uferlos.“<br />

Dr. Stephan Schwarzer<br />

Leiter der WKÖ-Abteilung Umwelt- und Energiepolitik<br />

37

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!