Die Geschichte von Surenthini - Bundesamt für Migration
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<strong>Die</strong> <strong>Geschichte</strong> eines tamilischen Mädchens<br />
Meine Heimat<br />
Ich habe kaum Kindheitserinnerungen an meine Heimat. Seit wir in der Schweiz<br />
wohnen, konnten wir erst einmal dort die Ferien verbringen. Es war sehr schön, alle<br />
Verwandten – insbesondere die Grosseltern – zu treffen. Mein Vater wollte ein Haus<br />
kaufen in Jaffna – in der Hoffnung, bald wieder dort leben zu können. Meine Mutter<br />
war aber dagegen; sie wolle dort wohnen bleiben, wo ihre Kinder seien, und wenn<br />
wir in der Schweiz unsere Ausbildung machten, sei es vermutlich hier, wo unsere<br />
Zukunft liege. Mein Vater war sehr traurig. Seit sich die politische Situation in Sri<br />
Lanka jedoch wieder derart verschlechtert hat, hat er nie mehr da<strong>von</strong> gesprochen,<br />
dort ein Haus zu kaufen.<br />
Ich weiss nicht, ob ich mir vorstellen könnte, in Sri Lanka zu leben. Das Land ist sehr<br />
schön und es wäre toll, die Verwandten in der Nähe zu haben. Andererseits gibt es<br />
viele Dinge, die mir nicht passen. Unter anderem hätte ich dort viel weniger<br />
Freiheiten als in der Schweiz. Irgendwie ist mir meine Heimat auch ein bisschen<br />
fremd, ich war halt noch sehr klein, als wir Sri Lanka verlassen mussten. Obwohl ich<br />
mit meinen Eltern und Freundinnen Tamilisch spreche, wir meistens Tamilisch essen<br />
und an den Wochenenden Verwandte besuchen oder an tamilische Hochzeiten<br />
eingeladen sind, ist auch viel <strong>von</strong> der schweizerischen Kultur in mir drin.<br />
Meine Mutter möchte sich gerne einbürgern lassen. Der Vater will nicht, weil er Angst<br />
hat, dadurch seine Heimat zu verlieren. Ich selbst möchte gerne den Schweizer<br />
Pass, sonst wird es <strong>für</strong> mich schwierig, in der Schweiz zu studieren oder vielleicht<br />
einmal ein Haus zu kaufen.<br />
Freundschaft und Liebe<br />
<strong>Die</strong> meisten meiner Freundinnen sind Tamilinnen. Ich treffe sie regelmässig in der<br />
tamilischen Schule und früher auch im Bharata Natyam. Das habe ich jedoch jetzt<br />
aufgegeben, weil es einfach zuviel Stress war mit den ganzen Vorbereitungen <strong>für</strong>s<br />
Gymnasium.<br />
In der Schule habe ich ein paar Schweizer Kolleginnen und auch solche aus anderen<br />
Ländern. Ausserhalb der Schule treffe ich sie jedoch kaum. Erstens habe ich fast<br />
keine Zeit, weil ich so viel lernen muss und zweitens sehen es meine Eltern nicht<br />
gerne, wenn ich mit ihnen in der Stadt abmache zum ‚Shoppen’ oder so. Sie haben<br />
immer Angst, dass mich Verwandte sehen könnten und ich dann einen schlechten<br />
Ruf bekomme. Abends darf ich sowieso nicht weggehen. Meine Eltern haben grosse<br />
Angst, dass ich mich in einen Jungen verliebe.<br />
Bei uns ist es so, dass meistens die Eltern einen Ehepartner <strong>für</strong> ihre Kinder<br />
aussuchen. Sie klären ab, ob er der richtigen Kaste angehört, ob er aus einer guten<br />
Familie stammt, ob er nicht schon Freundinnen gehabt hat und ob er einen guten<br />
Beruf erlernt hat. Auch das Horoskop wird gecheckt. Wenn alles stimmt, machen sie<br />
der Tochter einen Vorschlag. So ein- oder zweimal kann man noch nein sagen, aber<br />
dann muss man sich entscheiden, sonst sind die Eltern sehr enttäuscht. Für mich ist<br />
die Vorstellung schon komisch, dass ich einen Mann heiraten soll, den ich gar nicht<br />
kenne. Ich würde es auch vorziehen, mich zu verlieben und einen Mann näher<br />
kennen zu lernen, bevor ich ihn heirate. Aber ich habe keine Wahl: ich könnte es<br />
meinen Eltern nie antun, einen Mann zu heiraten, den sie nicht wollen, aber ich habe<br />
das Vertrauen, dass sie einen Partner wählen, der <strong>für</strong> mich gut ist.<br />
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