JAHRESBERICHT 2009 • 2010
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Eine fallende Feder erfüllt die physikalischen Gesetzmässigkeiten<br />
von Galilei nur im Vakuum<br />
Lässt man eine Feder und eine Metallkugel fallen, so<br />
haben sie nicht dieselben Fallzeiten. Dies heisst jedoch<br />
nicht, dass Galilei falsch lag. Seine Theorie ist aber<br />
unvollständig. Fallen Feder und Metallkugel im Vakuum,<br />
wo die Einflüsse der Luft nicht vorhanden sind, so haben<br />
beide dieselbe Fallzeit. Dies wurde 1659 durch Robert<br />
Boyle erstmals experimentell bestätigt. Galileis Theorie<br />
hat also nur in einem gewissen Bereich ihre Gültigkeit und<br />
kann nur bei Körpern angewendet werden, bei welchen<br />
die durch die Luft erzeugten Kräfte (Luftwiderstand,<br />
Auftrieb) viel kleiner sind als die Gewichtskraft. Körper<br />
wie Federn oder Fallschirme befinden sich klar ausserhalb<br />
dieses Bereichs.<br />
Jede physikalische Theorie hat einen Gültigkeitsbereich,<br />
ausserhalb welchem sie nicht anwendbar ist. In der Physik<br />
ist es nun häufig so, dass eine neue Entwicklung den Gültigkeitsbereich<br />
einer Theorie vergrössert. Galileis Analyse<br />
der fallenden Körper wurde ein halbes Jahrhundert später<br />
durch die Bewegungsgesetze und das Gravitationsgesetz<br />
von Isaac Newton (1643 – 1726) wunderbar erweitert,<br />
wobei Naturwissenschaftler wie Copernikus, Brahe, Kepler<br />
und Galilei vieles zur Basis der Mechanik beigesteuert<br />
haben.<br />
«Wenn ich weiter als andere gesehen<br />
habe, dann nur deshalb, weil ich auf den<br />
Schultern von Giganten stand.»<br />
Isaac Newton<br />
Die Gesetze der klassischen Mechanik sind über Jahrhunderte<br />
immer wieder sehr genau bestätigt worden und<br />
haben auch heute noch ihre Gültigkeit – im entsprechenden<br />
Bereich.<br />
Eines der wohl bedeutendsten Experimente der Physik<br />
wurde 1887 von Albert Abraham Michelson und Edward<br />
Morley durchgeführt. Die von aussen beobachtbare<br />
Geschwindigkeit einer Person, welche auf einem Rollband<br />
spaziert ergibt sich durch Addition der Geschwindigkeit<br />
des Rollbandes und der Spaziergeschwindigkeit der Person<br />
auf dem Rollband. Mit dem Michelson-Morley-Experiment<br />
wurde Analoges mit einem Lichtstrahl untersucht. Die<br />
Versuche ergaben, dass sich ein Lichtstrahl in Bewegungsrichtung<br />
der Erde gleich schnell ausbreitet wie ein<br />
Lichtstrahl, der entgegen der Bewegungsrichtung der Erde<br />
ausgesendet wird. Dieses Ergebnis widerlegte die klassische<br />
Mechanik und zeigte, dass die Gesetze der Newton-<br />
Mechanik unvollständig sind und ihr Gültigkeitsbereich<br />
sich auf Geschwindigkeiten beschränkt, die im Vergleich<br />
zur Lichtgeschwindigkeit klein sind.<br />
Albert Einstein (1879 – 1955) zog folgenden Schluss aus<br />
dem «negativen» Ausgang des Experiments: Das Licht<br />
breitet sich überall im leeren Raum mit derselben endlichen<br />
Geschwindigkeit aus, wobei sie nicht von der Bewegung der<br />
Lichtquelle abhängt (Invarianz der Lichtgeschwindigkeit).<br />
Mit diesem Postulat entwickelte Albert Einstein im Jahre<br />
1905 die spezielle Relativitätstheorie und damit Gesetzmässigkeiten,<br />
die auch für grosse Geschwindigkeiten ihre<br />
Gültigkeit haben – solange sie nicht durch ein Experiment<br />
widerlegt werden (was bis heute nicht der Fall ist).<br />
«Falls Gott die Welt geschaffen hat, war<br />
seine Hauptsorge sicher nicht, sie so zu<br />
machen, dass wir sie verstehen können.»<br />
Albert Einstein<br />
Physik ist nicht eine Sammlung von Fakten und Gesetzmässigkeiten.<br />
Physik ist der (nicht abgeschlossene) Prozess, mit<br />
welchem man zu allgemeinen Gesetzmässigkeiten gelangt,<br />
die das Verhalten des gesamten Universums – von den kleinsten<br />
Teilchen bis zu astronomischen Grössen – beschreiben.<br />
Warum Physik lernen<br />
Unser jetziges Verständnis der physikalischen Welt baut<br />
auf den Fundamenten auf, die durch grosse Naturwissenschaftler<br />
wie Galilei, Newton und Einstein gelegt wurden.<br />
Ihr Einfluss erstreckt sich weit über die eigentliche Wissenschaft<br />
hinaus und beeinflusst auch die Art und Weise<br />
unseres Lebens und Denkens. Wenn wir lernen die Physik<br />
einzusetzen, um praktische Probleme zu lösen und um<br />
Einblicke in alltägliche Phänomene zu erhalten, so können<br />
wir teilhaben an den phantastischen Entdeckungen der<br />
«Giganten» und uns «auf deren Schultern» an unserem<br />
Universum erfreuen.<br />
Jahresbericht 25