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Entwurf Brief an die Kultusministerin - Schulfrei für die Bundeswehr

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Koordination:DFG-VK Baden-Württemberg, Werastr. 10, 70182 Stuttgart, 0711-51885601, ba-wue@dfg-vk.dewww.schulfrei-für-<strong>die</strong>-bundeswehr.deMinisterium für Kultus, Jugend und SportFrau Ministerin Gabriele Warminski-Leitheußer persönlichPostfach 10 34 4270029 Stuttgart 25. Juli 2011Kündigung der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministeriumund der <strong>Bundeswehr</strong>Sehr geehrte Frau Ministerin,am 4. Dezember 2009 hat der ehemalige Kultusminister Rau (CDU) eineKooperationsvereinbarung mit der <strong>Bundeswehr</strong> unterzeichnet, der den Jugendoffizieren undWehr<strong>die</strong>nstberatern der <strong>Bundeswehr</strong> einen privilegierten Zug<strong>an</strong>g zu denBildungseinrichtungen des L<strong>an</strong>des Baden-Württemberg zuspricht.Mit <strong>die</strong>sem Schreiben möchten wir Ihnen unsere Position zu <strong>die</strong>serKooperationsvereinbarung darlegen und verschiedene Vorschläge unterbreiten.Bis zum 22. Juli 1983 war es möglich, dass Mitglieder von Friedensorg<strong>an</strong>isationen alsExperten in den Unterricht eingeladen werden konnten. Dies führte damals zu sehr lebhaftenDiskussionen im Unterricht und zu einer intensiven Ausein<strong>an</strong>dersetzung der Schülerinnenund Schüler mit der Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschl<strong>an</strong>d. Am 22. Juli 1983setzte der damalige Kultusminister Mayer-Vorfelder (CDU) <strong>die</strong> Verwaltungsvorschrift"Friedenssicherung und <strong>Bundeswehr</strong> im Unterricht" in Kraft und verbot in einemZusatzerlass, dass einzelne Kriegs<strong>die</strong>nstverweigerer und Vertreter vonKriegs<strong>die</strong>nstverweigerer-Org<strong>an</strong>isationen als Experten in den Unterricht eingeladen werdenkönnen. Dieser Ausschluss hatte zur Folge, dass es Lehrerinnen und Lehrern verboten war,kritische Stimmen aus der Friedensbewegung in ihren Unterricht einzuladen.Dieses Verbot galt in Baden-Württemberg bis zum 14.Dezember 2004. Erst zu <strong>die</strong>semZeitpunkt erreichte der L<strong>an</strong>dessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - VereinigteKriegs<strong>die</strong>nstgegnerInnen (DFG-VK), Klaus Pfisterer, dass das Verbot zurückgenommenwurde. Bis dahin waren mehr als 21 Jahre l<strong>an</strong>g kritische Stimmen aus derFriedensbewegung im Unterricht ausgeschlossen!Mit der Verwaltungsvorschrift „Mitwirkung von Fachleuten aus der Praxis im Unterreicht“ vom14. Dezember 2004 dürfen Vertreter von Friedensorg<strong>an</strong>isationen wieder als Fachleute ausder Praxis in den Unterricht eingeladen werden. Damit wäre eigentlich alles geregelt und denLehrerinnen und Lehrern des L<strong>an</strong>des Baden-Württemberg bliebe es überlassen, wen sie alsExperten in ihren Unterricht einladen.


In der Praxis sieht das allerdings <strong>an</strong>ders aus. Hier wird der <strong>Bundeswehr</strong> durch <strong>die</strong>Kooperationsvereinbarung eine unserer Meinung nach unzulässige Privilegierungeingeräumt, <strong>die</strong> eindeutig dem " Beutelsbacher Konsens" aus dem Jahre 1976 widerspricht.Im Beutelsbacher Konsens wird in der politischen Bildung einerseits einÜberwältigungsverbot ausgesprochen sowie <strong>an</strong>dererseits ein Kontroversitätsgeboteingefordert. Beides sehen wir durch <strong>die</strong> Kooperationsvereinbarung nicht gewährleistet.Die einseitige Bevorzugung der <strong>Bundeswehr</strong>/der Jugendoffiziere im Unterricht wird u.a.dar<strong>an</strong> deutlich, dass viele Schulleiter schon Monate im Voraus Termine für Vorträge undVer<strong>an</strong>staltungen mit den Wehr<strong>die</strong>nstberatern ausmachen, ohne das Kollegium vorab zuinformieren oder zu fragen.Ein weiteres Beispiel der einseitigen Bevorzugung der <strong>Bundeswehr</strong>/der Jugendoffiziere zeigtsich in der Ausbildung von Lehramts<strong>an</strong>wärtern. Aus der Antwort des Kultusministeriums vom22. März 2011 auf <strong>die</strong> Kleine Anfrage des Abgeordneten Christoph Bayer, SPD, geht hervor,dass <strong>die</strong> Jugendoffiziere der <strong>Bundeswehr</strong> in den Jahren 2007 bis 2010 vieleAusbildungsver<strong>an</strong>staltungen <strong>an</strong> den Staatlichen Seminaren für Didaktik und Lehrerbildungdurchgeführt haben. Die Mehrzahl der Ver<strong>an</strong>staltungen war für <strong>die</strong> Lehramts<strong>an</strong>wärterverpflichtend.In dem gleichen Zeitraum hat keine Fortbildungsver<strong>an</strong>staltung mit Friedensorg<strong>an</strong>isationenstattgefunden (siehe Schreiben vom 22.3.2011).Durch <strong>die</strong> Aussetzung der Wehrpflicht muss <strong>die</strong> <strong>Bundeswehr</strong> verstärkt um Freiwilligewerben, um <strong>die</strong> aus dem Dienst scheidenden Zeit- und Berufssoldaten zu ersetzen. Für<strong>die</strong>se Werbung ist <strong>die</strong> Schule das ideale Betätigungsfeld der Wehr<strong>die</strong>nstberater, <strong>die</strong> bereitsheute <strong>die</strong>se Aufgaben übernehmen und im Unterricht für den Dienst in der <strong>Bundeswehr</strong>werben. Die Jugendoffiziere werben indirekt für den Dienst in den Streitkräften, da sie inUniform vor <strong>die</strong> Klasse treten und den Dienst in der Armee positiv darstellen. Aus unsererErfahrung heraus werden dabei <strong>die</strong> tatsächlichen Kriegserlebnisse, wie das Töten vonMenschen im Krieg, außer Acht gelassen. Auch <strong>die</strong> posttraumatischen Belastungsstörungen,mit denen viele deutsche Soldaten aus den Ausl<strong>an</strong>dseinsätzen zurückkehren, werden imUnterricht nicht thematisiert. Damit wird den Schülerinnen und Schülern ein idealisiertes Bildvom Dienst in der Armee gespiegelt, das nicht der Realität entspricht.Das Thema Friedenserziehung ist im Koalitionsvertrag festgehalten, aber bisl<strong>an</strong>g noch nichtmit Inhalt unterfüttert. Es gehört zum Kern des Bildungsauftrags des L<strong>an</strong>des Baden-Württemberg, dass <strong>die</strong> Schülerinnen und Schüler in einer solch existentiellen Frage wie dernach Krieg und Frieden nicht nur <strong>die</strong> Anschauung derer kennen lernen, <strong>die</strong> in Uniform vorihnen stehen. Die Friedensbewegung hat eine <strong>an</strong>dere Auffassung von Friedenssicherungund Konfliktbewältigung. Sie hat Konzepte zur gewaltlosen Konfliktbearbeitung und -lösungerarbeitet, <strong>die</strong> von einem nicht unerheblichen Teil der Bevölkerung geteilt werden und <strong>die</strong> imUnterricht dargestellt werden sollten.Die Friedensorg<strong>an</strong>isationen in Baden-Württemberg wollen auch keine eigeneKooperationsvereinbarung. Das hat einen einfachen Grund. Wir haben nicht <strong>die</strong> personelle,materielle fin<strong>an</strong>zielle Ausstattung, um ein Gegengewicht zu den Jugendoffizieren bilden zukönnen. Allein der Etat für <strong>die</strong> Öffentlichkeitsarbeit der <strong>Bundeswehr</strong> wurde <strong>die</strong>ses Jahr von12 auf 27 Millionen Euro erhöht.Vor der L<strong>an</strong>dtagswahl in Baden-Württemberg am 27. März 2011 haben wir mit denBildungspolitikern von Bündnis90/Die Grünen und der SPD Gespräche über <strong>die</strong> Kündigungder Kooperationsvereinbarung im Falle eines Wahlsieges geführt. In <strong>die</strong>sen Gesprächenwurde uns sehr klar signalisiert, dass im Falle eines Wahlsieges <strong>die</strong> Kündigung derKooperationsvereinbarung erfolgen soll.Der ehemalige Spitzenk<strong>an</strong>didat der SPD und heutige Fin<strong>an</strong>zminister Nils Schmidveröffentlichte <strong>die</strong>se Sichtweise in einer Stellungnahme am 04.02.2011: "Zwar ist der


Meinungsbildungsprozess in meiner Faktion dazu noch nicht vollständig abgeschlossen,aber im Arbeitskreis ’Schule’ überwiegt <strong>an</strong>gesichts der gen<strong>an</strong>nten Gründe g<strong>an</strong>z klar <strong>die</strong>Meinung, <strong>die</strong> Kooperationsvereinbarung sei aufzukündigen, um der <strong>Bundeswehr</strong> gegenüber<strong>an</strong>deren Org<strong>an</strong>isationen oder Initiativen keine privilegierte Stellung einzuräumen. Denndadurch entsteht nach unserer Auffassung <strong>die</strong> Gefahr, dass <strong>die</strong> Diskussion um ’Krieg undFrieden’ sowie ’Sicherheitspolitik’ in den Schulen durch <strong>die</strong> <strong>Bundeswehr</strong> und ihre Sichtweisequasi monopolisiert wird."Auf Grundlage <strong>die</strong>ser Gespräche haben wir nach der von Bündnis 90/Die Grünen und SPDgewonnenen L<strong>an</strong>dtagswahl ein 5-Punkte-Programm erarbeitet, zu dessen Umsetzung wirSie hiermit ermutigen/auffordern möchten:1. Kündigung der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Kultusministerium und derWehrbereichsverwaltung.2. Keine Werbemaßnahmen der <strong>Bundeswehr</strong> durch Jugendoffiziere und Wehr<strong>die</strong>nstberater<strong>an</strong> den Schulen.3. Keine Einbindung von Jugendoffizieren in <strong>die</strong> Ausbildung von Lehramts<strong>an</strong>wärtern.4. Einrichtung einer l<strong>an</strong>desweiten Arbeitsstelle Friedenserziehung/Friedenspädagogik.5. Aufnahme von Themen der Friedenserziehung/Friedenspädagogik in <strong>die</strong>Lehrerausbildung und <strong>die</strong> Fortbildungsver<strong>an</strong>staltungen der Staatlichen Akademien fürLehrerfortbildung.Diesen Forderungskatalog haben wir nach der Regierungsbildung bereits allenAbgeordneten von Bündnis 90/Die Grünen und der SPD zukommen lassen. In den in denletzten Wochen geführten Gesprächen mit Partei- und Fraktionsmitgliedern von Bündnis90/Die Grünen und der SPD wurde das 5-Punkte-Programm mit viel Sympathie undUnterstützung bedacht.Wir sind jederzeit gerne zu einem Gespräch mit Ihnen bereit, bei dem wir unsereVorstellungen vertiefend darlegen könnten.Mit freundlichen GrüßenRol<strong>an</strong>d Blach, KampagnenkoordinatorGez.Hagen Battr<strong>an</strong>, Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Baden-WürttembergAnnett Gnass, Werkstatt für Gewaltfreie Aktion, BadenThomas Haschke, Offenes Treffen gegen Krieg und MilitarisierungVolker Haury, Arbeitsgemeinschaft Mennonitischer Gemeinden in Deutschl<strong>an</strong>dSus<strong>an</strong>ne Hellstern, Pax Christi Rottenburg-StuttgartKlaus Pfisterer, Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegs<strong>die</strong>nstgegnerInnen (DFG-VK)Paul Russm<strong>an</strong>n, Ohne Rüstung LebenMarkus Weber, Pax Christi Freiburg

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