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Standard Spezial, Bologna - Bundesministerium für Wissenschaft ...

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<strong>Bologna</strong>-Prozess<br />

BOLOGNA-PROZESS<br />

März MÄRZ 2010 der <strong>Standard</strong> BMWF 9<br />

Anhaltende Rufe nach Reformierung der Reform<br />

Die <strong>Bologna</strong>-Reform hätte besser verlaufen<br />

können, meinen Kritiker. Studierende seien<br />

zwischen Überlastung und Unterforderung hin<br />

und her gerissen. Und Europa wetteifert in<br />

puncto Qualität mit den USA.<br />

Bernhard Madlener<br />

Sieben Fehler erkennt Rolf Schulmeister,<br />

emeritierter Professor am<br />

Zentrum<strong>für</strong>Hochschul-undWeiterbildung<br />

der Universität Hamburg, in<br />

der <strong>Bologna</strong>-Reform. So sei die Einzelbelastung<br />

<strong>für</strong> Studierende oft zu<br />

hoch, v. a. wenn diese Studierenden<br />

ernsthaft berufstätig sind, und die<br />

starre Semesterstruktur schränke die<br />

Zeit <strong>für</strong> Lehrveranstaltungen auf 28<br />

Wochen pro Studienjahr ein.<br />

Das Selbststudium wird vielen<br />

grundsätzlich Lernwilligen verleidet,<br />

da das Gelernte in Vorlesungen und<br />

Seminaren kaum eine Rolle spiele.<br />

Die Module, in die Lehrveranstaltungen<br />

zusammengefasstwurden, sindzu<br />

klein, woraus eine hohe Zahl an Prüfungen<br />

resultiere. Zudem erschwere<br />

dieEinteilungnachSemesterwochenstunden<br />

die Abhaltung von Blockveranstaltungen,<br />

die Professor Schulmeister<br />

als sinnvoll erachtet.<br />

Ministerkonferenz lenkt ein<br />

Schließlich seien kaum studienbegleitende<br />

Leistungen definiert worden.<br />

Prüfungen würden so noch<br />

mehr zum singulären Ereignis, auf<br />

das kurzfristige studentische Energien<br />

gelenkt werden. Aber auch der<br />

wenig zielführende Einsatz neuer<br />

Medien ist Schulmeister ein Dorn im<br />

Auge. Er plädiert da<strong>für</strong>, Studierende<br />

multimedial in Zeiten von Praktika<br />

und während eines Auslandsaufenthalts<br />

zu unterstützen.<br />

Im Interview sagt Schulmeister,<br />

dass die deutsche Kultusminister-<br />

Konferenz im vergangenen Dezember<br />

– auch als Reaktion auf die Studierendenproteste<br />

im Herbst – ein<br />

neues Papier erarbeitet habe, „in dem<br />

einiges aufgegriffen worden ist. Man<br />

hat etwa auf die Belastung der Studierenden<br />

reagiert, wobei ich gerade<br />

festgestellt habe, dass es damit gar<br />

nicht so weit her ist“.<br />

In einem Studiengang seiner Universität<br />

habe er nämlich erhoben,<br />

dass im November nur 111 Stunden<br />

<strong>für</strong> das Lernen aufgewendet<br />

worden sind;<br />

im Dezember waren<br />

es sogar nur 73 – „da<br />

wurde die Weihnachtszeitblaugemacht“<br />

– und im Jänner,<br />

zur Prüfungszeit,<br />

dann 144 Stunden.AnderUniversität<br />

Mainz waren es in<br />

einem anderen Studium<br />

121, 77 bzw.<br />

116 Stunden monatlich.<br />

„Man muss aber<br />

bedenken, dass das Mittelwerte sind.<br />

50 Prozent liegen noch darunter. Da<strong>für</strong><br />

gibt es die Superfleißigen, die bis<br />

zu 250 Stunden pro Monat lernen.“<br />

Ursprünglich habe er angenommen,<br />

die Studierenden müssten <strong>für</strong><br />

Mai 2007<br />

„<br />

Die Idee,<br />

Länder<br />

in Sachen<br />

höherer Bildung<br />

zu ranken, ist<br />

äußerst fraglich.<br />

„ Clifford Adelman<br />

ihren Lebensunterhalt arbeiten<br />

und könnten deshalb nicht so<br />

viel studieren, wie sie gerne<br />

würden; aber in puncto Berufstätigkeit<br />

seien die Zahlen<br />

doch sehr eindeutig: „In Hamburg<br />

liegt die durchschnittliche<br />

Belastung durch Erwerbstätigkeit<br />

bei unter zehn Stunden<br />

im Monat“, stellt der Professor<br />

fest. Einige Studierende<br />

seien demnach der Meinung,<br />

„möglichst minimalistisch<br />

durchkommen zu können“.<br />

Das habe aber auch und vor<br />

allem damit zu tun, „dass die<br />

Hochschullehrer ihnen einfach<br />

keine Rückmeldung geben:<br />

Wenn die Studierenden<br />

gefordert wären, dann würden<br />

sie auch mehr tun.“ Aber<br />

wie könnte die höhere BetreuungdurchdieLehrenden<br />

künftig aussehen?<br />

Es seien etwa „viele E-<br />

Learning-Sachen einfach zu<br />

verwirklichen, da steht unsereins<br />

in der Regel die Hilfe<br />

des Rechenzentrums zur<br />

Verfügung. Im Fall eines<br />

Auslandsaufenthalts würde<br />

das heißen, dass z. B. ein virtueller<br />

Klassenraum eingerichtet<br />

wird, sodass ein Student<br />

an Seminaren des Professors,<br />

der ihn später prüfen<br />

wird, teilnehmen kann.<br />

Der sitzt dann etwa in<br />

Cambridge vor dem Bildschirm,<br />

kann mitreden<br />

oder sich ‚einmailen‘. Auch<br />

der Kontakt mit Kommilitonen<br />

wird so gefördert – es<br />

könnte sogar gemeinsam an<br />

Texten gearbeitet werden“.<br />

Die vierte Nachfolgekonferenz in London hat sich zum Ziel<br />

gesetzt, acht Jahre nach der Unterzeichnung der <strong>Bologna</strong>-<br />

Erklärung den Stand der Umsetzung des <strong>Bologna</strong>-Prozesses<br />

in allen Ländern und auf europäischer Ebene aufzuzeigen.<br />

Außerdem sollen weitere Schritte zur Umsetzung des Europäischen<br />

Hochschulraumes in Hinblick auf 2010 festgelegt<br />

sowie erste Weichen <strong>für</strong> die Zeit nach 2010 gestellt werden.<br />

Hauptthema der Konferenz ist die Diskussion und der<br />

Beschluss des London-Kommunikees. Insgesamt beteiligen<br />

sich an der Konferenz 46 Länder.<br />

E-Learning einsetzen<br />

Dasselbe gelte <strong>für</strong> Zeiten,<br />

in denen Praktika anstehen:<br />

„In Österreich gibt es wahrscheinlich<br />

viele Biologen, die einmal<br />

eine Zeitlang in den Alpen hängen.<br />

Für einen Lehrenden darf es kein<br />

Ding der Unmöglichkeit<br />

sein, alle<br />

zwei Wochen per<br />

Skype offene Fragen<br />

zu klären. In der<br />

Sozialpädagogik gehört<br />

das sogar zum<br />

System, dass Professoren<br />

die vorhandenenPraktikumsstellen<br />

anschauen<br />

gehen.“<br />

Eine Diskussion,<br />

die in den Jahren<br />

seit Umsetzungsbeginn<br />

der <strong>Bologna</strong>-Reform ständig<br />

präsent gewesen ist, war jene um den<br />

Vergleich unseres Hochschulsektors<br />

mit jenem in den Vereinigten Staaten<br />

von Amerika, von dem die Bachelor-<br />

Master-Unterteilung schließlich<br />

übernommen worden ist. Oft war in<br />

diesem Zusammenhang zu hören,<br />

dass diesseits des Ozeans nicht mit<br />

den Eliteschmieden in Harvard oder<br />

in Yale mitgehalten werden könne.<br />

Auf der anderen Seite gab es aber in<br />

der US-Gesellschaft Kritik, dass die<br />

europäischen Staaten sehr wohl aufholen<br />

würden und die bekannten Elite-Universitäten<br />

sich<br />

bemühen müssten,<br />

um auch langfristig<br />

die Nase vorn zu behalten.<br />

Clifford Adelman,<br />

27 Jahre <strong>für</strong> das US-<br />

Bildungsministerium<br />

tätig und nun Senior<br />

Associate des<br />

Institute for Higher<br />

Education Policy,<br />

meinte dazu im November<br />

2009 unter<br />

„<br />

In Hamburg liegt<br />

die studentische<br />

Belastung durch<br />

Erwerbstätigkeit<br />

unter zehn Stunden<br />

im Monat.<br />

„ Rolf Schulmeister<br />

2007 April 2009<br />

Im <strong>Bologna</strong> Stocktaking Report 2007 wird der<br />

Stand der Umsetzung der <strong>Bologna</strong>-Ziele auf<br />

europäischer Ebene und in den einzelnen<br />

Mitgliedsländern präsentiert. Vor allem die<br />

drei prioritären <strong>Bologna</strong>-Ziele Qualitätssicherung,<br />

die zweigliedrige Studienstruktur<br />

und Anerkennungsfragen werden bewertet.<br />

Im Bereich der Anerkennungs- und Akkreditierungsfragen<br />

liegt der Umsetzungsgrad in<br />

Österreich laut Report bereits bei 100 Prozent.<br />

dem Titel „The Spaces Between<br />

Numbers: Getting International<br />

Data on Higher Education Straight“,<br />

dass verschiedene Mahner der amerikanischen<br />

Öffentlichkeit kritisiert<br />

hätten, dass die USA international<br />

den ersten Rang in Sachen Hochschulbildung<br />

verloren hätten und, je<br />

nach Ansicht, im Ranking der 31<br />

OECD-Staaten auf<br />

Platz sieben, zehn<br />

odernochweiterabgefallen<br />

wären.<br />

Die Idee, Länder<br />

in Sachen höherer<br />

Bildung zu ranken,<br />

sei jedoch „äußerst<br />

fraglich“, so Adelman.<br />

Immerhin sei<br />

Deutschland, das<br />

eine deutlich geringereAkademikerquote<br />

als die USA<br />

aufweise, „eine doch sehr robuste<br />

Wirtschaftsmacht, auch in den anhaltend<br />

schweren Zeiten“.<br />

<strong>Bologna</strong> hat „Impulse gesetzt“<br />

Einesistklar:„Der<strong>Bologna</strong>-Prozess<br />

hat Bewegung in die Hochschulen gebracht“,<br />

formulierte anlässlich der<br />

Zehnjahresfeiern des <strong>Bologna</strong>-Prozesses<br />

2009 Diana Kargl vom Dezernat<br />

Hochschulplanung der Fern-Universität<br />

Hagen, die seit Jahren mit österreichischen<br />

Bildungsinstituten kooperiert.<br />

Die Reform habe „Impulse<br />

zur Weiterentwicklung der Studiengänge<br />

gesetzt und immer wieder zur<br />

Auseinandersetzung darüber geführt,<br />

was in Studium und Lehre passiert –<br />

oder eben nicht.“<br />

Webtipp:<br />

www.zhw.uni-hamburg.de<br />

www.ihep.org<br />

In Leuven und Louvain-la-Neuve findet die fünfte <strong>Bologna</strong>-Minister-Konferenz<br />

statt. Ihr Ziel, zehn Jahre nach Unterzeichnung der <strong>Bologna</strong>-Erklärung, ist, den Stand<br />

der Umsetzung des <strong>Bologna</strong>-Prozesses in allen 46 am <strong>Bologna</strong>-Prozess teilnehmenden<br />

europäischen Ländern und auf europäischer Ebene aufzuzeigen. Weiters seien die<br />

Schritte zur Vervollständigung des Europäischen Hochschulraumes nach 2010<br />

festzulegen sowie die Struktur an die Entwicklungen anzupassen. Diskutiert wird das<br />

Leuven-Kommunikee. Schwerpunkt <strong>für</strong> die nächsten zehn Jahre ist die vollständige<br />

Umsetzung aller <strong>Bologna</strong>-Ziele. Besonderes Augenmerk liegt auf der Förderung der<br />

Mobilität: Bis 2020 sollen mindestens 20 Prozent der Graduierten im Europäischen<br />

Hochschulraum einen studienrelevanten Auslandsaufenthalt absolviert haben.<br />

Fotos: AP, Andy Urban

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