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Kapitel 6 - Städtebauliche Lärmfibel

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1 "Schallschutz im Städtebau" festgelegt worden sind. Die Planung hat sich dabei mit der Frage<br />

auseinander zusetzen, mit welchen Mitteln die Einhaltung, im Sinne des Minimierungsgebotes besser<br />

die Unterschreitung dieser Schallpegelwerte zu erzielen ist. Da es sich um "Orientierungswerte"<br />

handelt, ist jedoch auch eine Überschreitung dieser anzustrebenden Werte denkbar. Je nach<br />

Ausmaß der vorhersehbaren Überschreitung werden jedoch zwingendere technische oder<br />

städtebauliche Begründungen dafür erwartet. Auch sollte zwischen Neuplanungen und<br />

Bestandsgebieten unterschieden werden, da im letzteren Fall der Handlungsspielraum für aktive<br />

Schallschutzmaßnahmen meist geringer ist.<br />

Durch eine Kennzeichnung gem. § 9 Abs. 5 Ziff.1 BauGB kann im Bebauungsplan die Notwendigkeit<br />

baulichen bzw. passiven Schallschutzes für die betroffenen Bereiche verankert werden. Da jedoch<br />

durch Maßnahmen dieser Art (Schallschutzfenster) nur in beschränktem Maße Wohnqualität<br />

geschaffen werden kann, darf die Kennzeichnung zum Lärmschutz keinesfalls zum Allheilmittel in all<br />

jenen Fällen avancieren, in denen man - aus verständlichen Gründen - auf oftmals sehr hohe<br />

Lärmschutzwände verzichten möchte oder aus Platzgründen im Bestandsgebiet verzichten muss. Zur<br />

sachgerechten Abwägung dieses Problems müsste man sich eingehend mit der Frage befassen, ob<br />

nicht durch ein anderes städtebauliches Konzept oder durch Maßnahmen im Bereich des<br />

Straßenverkehrs selbst Abhilfe geschaffen werden könnte.<br />

Mit der für den Neubau und die wesentliche Änderung von Verkehrswegen geltenden<br />

Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) ist ein neuer abwägungsrelevanter Gesichtspunkt für<br />

die städtebauliche Planung zu beachten. Die 16. BImSchV und die darin festgelegten<br />

Immissionsgrenzwerte gelten unabhängig von der für die Verkehrsplanung gewählten Verfahrensart<br />

und somit auch im Zusammenhang mit Bebauungsplänen, sofern diese Bau und Änderung eines<br />

Verkehrsweges beinhalten. Damit sind sowohl die Anforderungen an den bebauungsplanmäßigen<br />

Schallschutz als auch an das zu wählende Berechnungsverfahren etwa im Fall einer neuen Straße<br />

festgelegt.<br />

Im Zusammenhang mit der Bauleitplanung handelt es sich bei den Anforderungen der 16. BImSchV<br />

um Mindestanforderungen zum Schutz vor "schädlichen Umwelteinwirkungen", bei deren<br />

Nichteinhaltung Schallschutzmaßnahmen erforderlich werden können. Die Immissionsgrenzwerte der<br />

16. BImSchV sind daher als städtebauliches Prinzip im Sinne der Zielsetzung der DIN 18005-1<br />

(Vorsorgeprinzip) wenig geeignet. Wegen des Nebeneinanders der entsprechenden<br />

Berechnungsvorschriften ist jedoch im Hinblick auf die rechtliche Bedeutung der 16. BImSchV zu<br />

empfehlen, Verkehrslärmberechnungen auch im Bebauungsplanverfahren stets nach der 16.<br />

BImSchV bzw. dieser zugrunde liegenden RLS-90 vorzunehmen.<br />

Für die Abwägung von Lärmschutzmaßnahmen im Bebauungsplan ist die 16. BImSchV insofern von<br />

inhaltlicher Bedeutung, als bei Überschreitung von "Schalltechnischen Orientierungswerten" der DIN<br />

18005-1 Beiblatt 1 mit den Immissionsgrenzwerten der 16. BImSchV eine weitere Schwelle, nämlich<br />

die Zumutbarkeitsgrenze ohne weitergehende Vorkehrungen erreicht werden kann. In diesem<br />

Bereich zwischen dem in der Bauleitplanung nach dem Verursacherprinzip möglichst einzuhaltenden<br />

schalltechnischen Orientierungswert nach DIN 18005-1 Beiblatt 1 und dem entsprechenden<br />

Immissionsgrenzwert nach der 16. BImSchV besteht für die Gemeinden bei plausibler Begründung<br />

ein Planungsspielraum, um in den vielen Fällen, bei denen in Ermangelung anderer geeigneter<br />

Flächen geplante Wohnbebauung an bestehende Verkehrswege heranrückt, die erforderlichen<br />

Darstellungen und Festsetzungen treffen zu können.<br />

Auch eine Überschreitung der Grenzwerte ist grundsätzlich denkbar, da der sachliche<br />

Geltungsbereich der 16. BImSchV den Fall einer an eine bestehende Straße heranrückenden<br />

Bebauung nicht umfasst und die städtebauliche Planung erheblichen Spielraum zur Verfügung hat.<br />

Bei der Neuplanung eines Wohngebietes dürfte allerdings nur eine besondere Begründung die einer<br />

sachgerechten Abwägung standhaltenden Argumente für eine Lärmexposition jenseits der Grenze<br />

"schädlicher Umwelteinwirkung" liefern können.<br />

Bei der gebotenen Abwägung der Belange, die für oder gegen eine bebauungsplanmäßige<br />

Lärmschutzkonzeption stehen, sollte auch die Forderung des § 47a BImSchG nach<br />

Lärmminderungsplänen der Gemeinden beachtet werden. So wäre es problematisch,<br />

Lärmsituationen aufgrund einer Neuplanung zu akzeptieren, die wegen des Auftretens schädlicher<br />

Umwelteinwirkungen bereits im Planungsstadium dem Katalog der akustischen Sanierungsfälle im<br />

Gemeindegebiet zuzurechnen wären.<br />

Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass - im Unterschied zu Bestandsgebieten - bei Neu-<br />

planungen, nicht zuletzt durch entsprechende Festsetzungen bzw. Kennzeichnungen im<br />

Bebauungsplan die Gebäude von vornherein so orientiert und ausgeführt werden können, dass<br />

wichtige Freibereiche lärmgeschützt sind, zumindest jedoch die Innenräume einen vollwertigen<br />

Lärmschutz erhalten. Im Falle einer wohnnahen Straßenplanung wird bei Überschreitung der<br />

Grenzwerte nach der 16. BImSchV in die vorgefundene bauliche Nutzung derart eingegriffen, dass<br />

gem. § 42 BImSchG eine Entschädigung in Geld erfolgt.

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