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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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236 Martin Broszat<br />

Codreanu und die Mehrzahl der Unterführer wurden verhaftet, eine kleine Gruppe<br />

von Legionärsführern unter Horia Sima konnte nach Deutschland ins Exil flüchten,<br />

und knüpfte hier Beziehungen mit dem SD an, die sich 1940 politisch auszahlen<br />

sollten.<br />

Die erbitterte Auseinandersetzung zwischen Carol und der Eisernen Garde vollzog<br />

sich bemerkenswerterweise im Zusammenhang mit der gleichzeitigen, aus wirtschaftlichen<br />

Gründen <strong>für</strong> Rumänien kaum vermeidbaren engeren Annäherung an<br />

das nationalsozialistische Deutschland, das 1938 durch den Anschluß Österreichs<br />

und der Sudetengebiete seinen Einfluß und sein Potential gewaltig ausdehnte. Die<br />

Bekämpfung der Legionäre war gleichsam ein Teil des Balanceaktes, der darin bestand,<br />

daß Carol zwar bemüht war, die Freundschaft Hitler-Deutschlands zu erwerben,<br />

aber keinen faschistischen Putsch im Innern riskieren wollte. Das zeigte sich<br />

deutlich im November 1938: Während Carol bei Hitler in Berchtesgaden weilte<br />

und durch das Versprechen verstärkter Handelsbeziehungen die Gunst des Führers<br />

zu erlangen suchte, sorgte seine Geheimpolizei unter Oberst Moruzov <strong>für</strong> die Ermordung<br />

Codreanus und einer Reihe von Legionärsführern im Staatsgefängnis in<br />

Jilava. Obwohl Hitler nicht sonderlich viel von der Solidarität mit faschistischen<br />

Bewegungen im Ausland hielt, solange diese nicht an der Macht waren und wenig<br />

Aussicht hatten, sie zu erlangen und zu behaupten, trug die heimtückische Ermordung<br />

der Legionärsführer wesentlich dazu bei, daß Carol und sein „System" vor<br />

allem bei den nationalsozialistischen Parteistellen und der SS in Ungnade fielen.<br />

Die Reihe der autoritären Regierungsumbildungen und faschistischen Bestrebungen,<br />

die wir skizziert haben, erlaubt es, einige allgemeine Feststellungen zu<br />

treffen.<br />

Die Instabilität der parlamentarischen Demokratie in Ostmitteleuropa war nicht<br />

nur besonderen Zeiteinflüssen zuzuschreiben (wie vor allem in Deutschland), sondern<br />

in starkem Maße grundsätzlicher Art, stark soziologisch bedingt, teils auch auf den<br />

Mangel gefestigter rechtsstaatlicher Überlieferung und den fehlenden Apparat<br />

einer funktionierenden Staatsverwaltung zurückzuführen 6 . Das verdeutlichte das<br />

Ausnahme-Beispiel der Tschechoslowakei, in der allein das parlamentarische Regierungssystem<br />

intakt blieb: nur in der Tschechoslowakei gab es eine moderne industrielle<br />

Gesellschaft mit starkem Bürgertum und gut organisierter Arbeiterschaft;<br />

hier existierte auch aus der k. u. k. Zeit eine ungebrochene Tradition des Rechtsstaates<br />

und eine eingespielte, verläßliche Bürokratie.<br />

In allen anderen Staaten Ostmitteleuropas dominierte einseitig die Agrarwirtschaft,<br />

auf die bis zu 80% der Bevölkerung entfielen. Sie war weithin charakterisiert<br />

durch technisch rückständige, nicht genügend intensive Wirtschaftsweise, landwirtschaftliche<br />

Überbevölkerung, überwiegendes Kleinbauerntum und Landproletariat.<br />

Das Analphabetentum war auf dem Lande noch weit verbreitet. Agrarreformen<br />

und staatliche Schulpolitik (Einführung des Schulzwangs) führten nur in<br />

6 Vgl. zum Folgenden den Aufsatz von Werner Conze, Die Strukturkrise des östlichen<br />

Mitteleuropas vor und nach 1919, in dieser Zeitschrift 1 (1953), S. 319-338.

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