Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte
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Prälat Kaas, Franz von Popen und das Reichskonkordat von 1933 253<br />
überwiegenden Teil zuzuführen. Trotzdem galt das Zentrum als die katholische<br />
Partei. In allen Kabinetten der Weimarer Republik vertreten und von 1930 bis<br />
1932 die entscheidende Regierungspartei, war sie enger mit der Weimarer Republik<br />
verbunden, als den Bischöfen und insbesondere dem Vatikan lieb war. Das hat<br />
zu einer Politisierung der Anhänger im Sinne der Verteidigung der bestehenden<br />
Verhältnisse geführt, obwohl, in der Führung des Zentrums ebenso wie im Episkopat,<br />
die Weimarer Republik keineswegs als unantastbares Ideal galt.<br />
Von da her ist verständlich, weshalb die Tatsache der Ernennung Hitlers am<br />
30. Januar sehr verschiedene Reaktionen auslöste. In Rom war man offensichtlich<br />
besorgt. Bei dem von den Nationalsozialisten erstrebten Einheitsstaat wurde die<br />
Gültigkeit der zum Teil eben erst abgeschlossenen Länderkonkordate zweifelhaft.<br />
Die bisherige Haltung des deutschen Episkopats barg die Gefahr eines Kirchenkampfes<br />
in Deutschland in sich. Man war daher, wie wir sehen werden, in Rom<br />
bemüht, den deutschen Episkopat zur Zurückhaltung und zur Vorsicht zu ermahnen.<br />
Gründe, ein Konkordat in so kurzer Zeit abzuschließen, wie es geschehen ist,<br />
lagen nicht vor, und es gibt auch keine Anzeichen, daß man in Rom dies erwogen<br />
hätte 4 . Ähnlich war die Haltung des deutschen Episkopats. So eindeutig seine Kundgebungen<br />
gegen die Nationalsozialisten auch gewesen waren — nun da diese die<br />
Regierung übernommen hatten, wollte man abwarten, wie sich die Dinge weiter<br />
entwickeln würden. Von hier ist ebenfalls keine Initiative zur Aufnahme der Konkordatsverhandlungen<br />
ausgegangen 5 . Damit rücken jene beiden Persönlichkeiten<br />
in den Vordergrund, denen nach übereinstimmendem Urteil der rasche Abschluß<br />
des Konkordats zu danken war: Vizekanzler Franz von Papen und der Vorsitzende<br />
der Zentrumspartei Prälat Ludwig Kaas.<br />
Das Interesse Papens am Konkordatsabschluß gehört bereits zur engeren Vorgeschichte.<br />
Hingegen muß zu Ludwig Kaas einiges gesagt werden. Bereits 1919/1920,<br />
bei den ersten Erwägungen über ein Reichskonkordat, wie bei allen später darüber<br />
gepflogenen Verhandlungen, war Kaas ein enger Mitarbeiter des Nuntius Pacelli,<br />
und gleichzeitig Berater der Reichsregierung in Konkordatsfragen. Er war auch an<br />
den Abschlüssen des badischen und preußischen Konkordats beteiligt. Diese Tätigkeit<br />
steht jedoch mit seiner Wahl zum Vorsitzenden der Zentrumspartei im Dezember<br />
1928 in keinem Zusammenhang. Insbesondere ist es eine Konstruktion, wenn<br />
der jüngste Verteidiger des Prälaten, Josef Becker, dieser Wahl programmatische<br />
Bedeutung zumessen will. Becker schreibt 6 : „Die zweite mit der Entscheidung des<br />
4 Die von G. Lewy, Die katholische Kirche und das Dritte Reich, 1965, S. 82, geäußerte<br />
Vermutung, daß der Vatikan auf Abschluß eines Konkordats gedrängt habe, ist heute nicht<br />
mehr aufrechtzuerhalten. Die offiziellen Akten über die Konkordatsverhandlungen werden<br />
demnächst von A. Kupper in der Veröffentlichungsreihe der Kommission <strong>für</strong> <strong>Zeitgeschichte</strong><br />
bei der Katholischen Akademie in Bayern publiziert.<br />
5 In derselben Reihe wird in den nächsten Jahren eine von Ludwig Volk besorgte Ausgabe<br />
der Akten des deutschen Episkopats zum Konkordatsabschluß erscheinen.<br />
6 J. Becker, Das Ende der Zentrumspartei und die Problematik des politischen Katholizismus<br />
in Deutschland, Die Welt als Geschichte 23 (1963), S. 167 (künftig zit.: J. Becker,<br />
Das Ende).