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Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte - Institut für Zeitgeschichte

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Faschismus und Kollaboration in Ostmitteleuropa zwischen den Weltkriegen 243<br />

zu Berlin herzustellen. Hitler hatte es nach München in Osteuropa nicht mehr mit<br />

einem Block von Staaten und einer solidarischen Verteidigung des Status quo zu<br />

tun, sondern mit jeweils einzelnen Interessen machtpolitisch weit unterlegener<br />

Staaten, die sich wohl oder übel der neuen Konjunktur anzupassen suchten. Die<br />

Nationalitätenspannungen und Grenzstreitigkeiten, die jahrelang im Zaum gehalten<br />

worden waren, weil keiner der Beteiligten es riskieren wollte, brüsk gegen das<br />

System der kollektiven Sicherheit und bestehende Verträge zu verstoßen, begannen<br />

sich zu entladen und boten sich der nationalsozialistischen Führung als Hebel an.<br />

Das kleine Litauen entrichtete der deutschen Hegemonialmacht schon im November<br />

1938 seinen Tribut, indem es die nationalsozialistische Gleichschaltung des<br />

Memelgebietes geschehen ließ und machte damit den ersten Schritt zur förmlichen<br />

Abtretung (22. 3. 1939). Wenige Wochen nach München knüpften die Emissäre<br />

Ribbentrops und des SD vertrauliche Gespräche mit den Führern der slowakischen<br />

Hlinka-Bewegung (Tiso, Durcansky, Mach u. a.) an, die Mitte März 1939 den Vorwand<br />

zur Besetzung Böhmens und Mährens lieferten und zur Gründung des separatistischen<br />

„Schutzstaates" der Slowakei, des ersten deutschen Satellitenstaates, führten<br />

9 . Ungarn, das schon durch den Ersten Wiener Schiedsspruch der Achsenmächte<br />

(3. 11. 1938) einen Gebietsstreifen der Südslowakei zugesprochen bekommen hatte,<br />

erhielt die Gelegenheit, die Karpatho-Ukraine zu annektieren und gab sich unter<br />

dem Ministerpräsidenten Bela Imredy (1938/39) alle Mühe, auch durch innenpolitische<br />

Maßnahmen (Erlaß von antisemitischen Gesetzen) das Wohlgefallen Hitlers<br />

zu erlangen.<br />

Zur gleichen Zeit schloß Rumänien unter diplomatischem Druck ein Wirtschaftsabkommen<br />

mit Deutschland ab (23. 3. 1939), das diesem das Monopol des Warenhandels<br />

und darüber hinaus erheblichen Einfluß auf die Richtung der rumänischen<br />

Landwirtschafts- und Rohstoffproduktion sicherte. In Jugoslawien löste das Beispiel<br />

des slowakischen Separatismus wegen der ähnlich gelagerten kroatischen Frage besondere<br />

Besorgnisse aus. Um ein drohendes Zusammenspiel der Kroaten mit Italien<br />

oder Deutschland - nach dem Muster der Slowaken - zu verhindern, räumte die<br />

Regierung Cvetkovic dem Führer der kroatischen Bauernpartei (Vladko Macek)<br />

nach langwierigen Verhandlungen schließlich eine großzügige Landes-Autonomie<br />

ein (August 1939).<br />

Hitlers Sieges-Serie im ersten Kriegsjahr, vor allem die Ausschaltung Frankreichs,<br />

begrub <strong>für</strong> die Donaustaaten fast jede Chance künftiger wirksamer westlicher Unterstützung<br />

und machte deshalb eine Fortsetzung der bisherigen offiziellen Neutralitätspolitik<br />

kaum noch möglich. Sie waren nunmehr dem Druck Hitlers um so<br />

mehr ausgesetzt, als Deutschland und die Sowjetunion ihre Interessenzonen gegeneinander<br />

abgegrenzt hatten. Diese geheimgehaltene deutsch-sowjetische Verabredung<br />

ermöglichte es im Sommer 1940, auf besonders erpresserische Weise, Rumänien<br />

zum „freiwilligen Satelliten" Hitler-Deutschlands zu machen: Im Juni forderte<br />

die Sowjetunion ultimativ die Abtretung Bessarabiens und der Nordbukowina,<br />

9 Dazu jetzt: Jörg K. Hoensch, Die Slowakei und Hitlers Ostpolitik, Hlinkas Slowakische<br />

Volkspartei zwischen Autonomie und Separation 1938/39, Köln 1966.

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