S dwind_03 - Evangelische Kirchengemeinde Recklinghausen-Süd

Sprachtest in der Kritik
Kindergarten
Sprache und Spiel zu fördern, ist eine der wichtigsten Aufgaben im
Kindergarten, da zu einer gesunden kindlichen Entwicklung Sprache
unbedingt dazugehört und das Spiel bis zum Schulalter das wichtigste Ausdruckmittel
überhaupt ist.
Aufgeschreckt durch Deutschlands schlechtes Abschneiden bei der PISA-
Studie, wurde Frau Professorin Fried von der Universität Dortmund
beauftragt, ein so genanntes Sprachstandsfeststellungsverfahren zu
entwickeln. Heraus kam DELFIN 4!
Die Idee, die hinter DELFIN 4 steht, ist gut und einleuchtend. Das Testverfahren
soll überprüfen, ob die Kinder im sprachlichen Bereich sich
altersentsprechend entwickelt haben.
Haben sie deutliche Mängel, schließt sich für die Kinder eine Sprachförderung
über einen längeren Zeitpunkt an. Das Konzept dazu wird jeder
Kindergarten für sich entwickeln.
Rein organisatorisch können Sie sich das Procedere so vorstellen:
• In der 1. Testphase, die 25 Minuten dauert, spielen die Kinder mit einer Erzieherin
das Brettspiel „Besuch im Zoo“. Eine Lehrerin im Hintergrund fungiert als Protokollantin,
die das Verhalten der Kinder zu folgenden Fragen aufschreibt: Kann ein Kind
Handlungsweisen ausführen (z.B. „Stelle deine Spielfigur auf den gelben Punkt!“)?
Kann ein Kind Kunstwörter nachsprechen (z.B. „Sumapp“ oder „Wamurola“)?
Kann es Sätze nachsprechen? Ist es in der Lage, eine Geschichte zu erzählen?
• Die Kinder, die sprachlich auffällig wurden, kommen in die 2. Teststufe, die 40
Minuten dauert und in der Schule von dem Kind nicht vertrauten Personen
durchgeführt wird. Schneidet das Kind schlecht ab, wird es im Kindergarten
speziell gefördert.
Wie sagt man so schön: Die Absicht ist löblich, die Praxis ist kläglich! So gibt es eine
Reihe von Kritikern, die dieses groß angelegte Projekt zur Sprachstandserhebung unserer
4-jährigen Kinder als Schnellschuss bemängeln, der vielen Beteiligten viel Belastung
bringt. Wir haben erlebt, dass gut entwickelte Kinder aus Angst zu versagen, sich völlig
verweigern. Wir haben „Prüfungsstress“ und Angst vorm Ergebnis bei Kindern und
Eltern gesehen. Wir Erzieherinnen sollen „mal eben“, aber bitte kompetent und sorgfältig,
ca. 25 Kinder an 2 bis 3 Tagen testen. Wir machen die Weiterbildung mal eben
nebenbei zu allen anderen Aufgaben. Wir entwickeln – bisher ohne zusätzliche Gelder
für Fortbildung oder Personal – Sprachförderkonzepte. Wir müssen überlegen, welche
bewährten Angebote wir in Zukunft fallen lassen, damit Sprachförderung noch intensiver
vonstatten gehen kann.
DELFIN 4, ein Projekt, das im Grundsatz sicher viel Nutzen bringen kann, in der Praxis
aber laut nach Verbesserung schreit.
In der Hoffnung, in Zukunft möge es viel mehr Gesetze und Erlasse geben, die das
Wohl des Kindes nicht nur im Titel haben, sondern auch im lebendigen Miteinander,
verbleibe ich wie immer mit herzlichen Grüßen
Ihre Margit Pointke, Kindergartenleiterin Philipp Nicolai
7