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Juli 2008 - Fritz Kuhn MdB

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<strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>Ausgabe 1116. LegislaturSüdwest GrünRundbrief der baden-württembergischenGrünen im BundestagLiebe Freundinnen und Freunde,auch wenn "sitzungsfrei" nicht Urlaub bedeutet und viele Abgeordnetegerade den Sommer zu Präsenz vor Ort nutzen - der Bundestag hat mitseiner gerade beendeten letzten Sitzungswoche Kurs auf die Sommerpausegenommen. Bei der strauchelnden Koalition und vielen nervösenCDU- und SPD-Abgeordneten kann man sich auf ein munteres Sommertheatereinstellen.Als letzte Tat vor der Sommerpause hat die Koalition den Regierungsentwurfdes Bundeshaushaltes präsentiert, der uns dann im Herbst imBundestag intensiv beschäftigen wird. Auch da erleben wir: Die „Große“Koalition mogelt sich mehr schlecht als recht durch. Neue Impulse für dasLand und die Menschen: Weitestgehend Fehlanzeige!Um zu zeigen, dass es dennoch ernsthafte Politik und konstruktive Sacharbeitgibt, findet ihr in dieser Ausgabe von SÜDWESTGRÜN wieder einenEinblick in grüne Parlamentsarbeit und aktuelle Berichte aus den Fachausschüssendes Bundestages.Viel Spaß beim Lesen und euch allen einen erholsamen Sommer!Euer Alex BondeVorsitzender der Landesgruppe Baden-WürttembergIn dieser Ausgabe:Kerstin AndreaeSeite 2Biggi BenderSeite 4Alex BondeSeite 6Uschi EidSeite 8Winne HermannSeite 10Sylvia Kotting-UhlSeite 12<strong>Fritz</strong> <strong>Kuhn</strong>Seite 14Gerhard SchickSeite 16ImpressumSeite 18Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Kerstin AndreaeMitglied WirtschaftsauschussDie Gunst der Stunde nutzen – Gründung einerdeutschlandweiten Netz AGSeite 2Seit dem 28. Februar <strong>2008</strong>, dem Tag, an dem E.on bekanntgab, dass es sein Übertragungsnetz und Teileseiner Energieerzeugungskapazitäten verkaufen will, istBewegung in die deutsche Energielandschaft gekommen.Bis dahin hatten die Bundesregierung und die vier großenEnergiekonzerne (E.on, RWE, Vattenfall, EnBw) dieInitiative der EU-Kommission, den Wettbewerb im europäischenEnergiemarkt durch Entflechtung zu stärken, torpediert.Mittlerweile hat RWE angekündigt, sein Gasnetzzu verkaufen, und Vattenfall zeigt sich offen für die Aufgabeseines Stromnetzes.Wirtschaftsminister Glos lässt sich davon nicht weiterirritieren. Er kämpft nach wie vor konsequent insbesonderegegen das ownership unbundling, die eigentumsrechtlicheTrennung von Erzeugung und Übertragungsnetz.Die Begründung: Die eigentumsrechtliche Entflechtungbringe nicht mehr Wettbewerb, nicht mehr Effizienzund die Energiepreise würden für die Stromkunden auchnicht sinken. Deshalb entwickelte der deutsche Wirtschaftsministergemeinsam mit Frankreich den sogenanntendritten Weg, dem sich auch sechs weitere EU-Länder anschlossen. Jetzt nennt er sich leicht modifiziert„vierter Weg“.Dabei ist die Idee, innerhalb der Konzerne die Netzspartenstärker abzutrennen, ohne sie zu verkaufen, mit demzum Verkauf stehenden E.on - Übertragungsnetz längsthinfällig geworden. Im Gegenteil - man sollte die Gunstder Stunde nutzen und die anderen Energiekonzerne dazubewegen, ein deutschlandweites Übertragungsnetz ineiner Hand zu formen.Die Zusammenführung der vier Übertragungsnetze ineine Netz AG wird mit Sicherheit Synergie- und Effizienzgewinneerbringen. Sie ist für die Gesamtversorgung, denStromtransit über die Landesgrenzen sowie Drittkundenvon Vorteil.Die Trennung von Erzeugung und Übertragungsnetz wirdAnreize setzen, die Grenzkuppelstellen auszubauen undNetzengpässe zu vermeiden. Verblüffenderweise fordertdies nun auch der Vorsitzende des Vorstands der E.on AGWulf Bernotat.Wenn die Bundesregierung die Chance der Umstrukturierungdes deutschen Energiesektors aufgreift, dann sindjetzt für die Käufer und späteren Betreiber einer Netz AGKriterien zu entwickeln und Zielvorgaben für eine zukünftigeEnergiepolitik zu formulieren.Zu den Zielen gehören der Ausbau Erneuerbarer Energien,mehr Wettbewerb, die Versorgungssicherheit undein europäischer Energiebinnenmarkt. Diese Ziele erforderndie Sicherstellung transparenter, kosteneffizienterund fairer Zugangsbedingungen für alle Energieerzeuger,die Sicherstellung eines technisch einwandfreienZustands der Leitungen, Trassen, Masten, sowie der Regelungstechnikund Anschlussstellen, Investitionen inden Kapazitätsausbau der Netze sowie der Grenzkuppelstellen.Der Kapazitätsausbau ist dringend geboten, umdie Ziele 25% Kraft-Wärme-Kopplung und 30% ErneuerbareEnergien am Energiemix bis 2020 zu erreichen.Da Energienetze heute eine der Lebensadern modernerVolkswirtschaften und gleichzeitig ein natürliches Monopolsind, sind sie für alle Volkswirtschaften von strategischerBedeutung. Somit wird auch eine zukünftige NetzAG reguliert werden müssen, damit Anreize für die Instandhaltungder Netze gegeben sind. Gleichzeitig kannsie aber auch ein Hebel für den Umbau des Energiesystemssein— hin zu einer CO2-armen Ökonomie.Aus diesen strategischen Gründen ist ein ordnungspolitischstarker Staat nötig, der vernünftig mit potenziellenInvestoren in einer Netz AG zusammen arbeitet und dierichtigen Regeln setzt.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungKerstin Andreae: Die Gunst der Stunde nutzen – Gründung einer deutschlandweiten Netz AGSeite 3Dazu bedarf es Know-how, das derzeit bei den heutigenNetzeigentümern liegt, Kapital und Verantwortungsbewusstsein.Um jedoch den Widerspruch zwischen demnotwendigen kapitalintensiven Umbau des Energiesystemsund kurzfristiger Renditemaximierung zu lösen, istes sinnvoll, wenn der Staat sich an der Netz AG beteiligt.In dieser Mischform wird das öffentliche Interesse miteinem marktwirtschaftlichen Anreizsystem verbunden - ineiner privatwirtschaftlichen Rechtsform. Die öffentlicheHand bringt mit einer – durchaus denkbar ist eine knappe- Anteilsmehrheit in den Aufsichtsgremien der Gesellschaftlangfristige Ziele ein.Wenn sich der Staat private Partner sucht, halten sichdabei auch seine Kosten im Rahmen. Zudem werden sieüber die sichere Netzrendite langfristig refinanziert. DennMondpreise werden die Netzverkäufer nicht verlangenkönnen, wenn die Käufer die künftigen regulatorischenRahmenbedingungen ihrer Kalkulation zugrunde legen.Eine zweckbezogene Anleihe auf Zeit wäre daneben auchein attraktives Wertpapier für Bürgerinnen und Bürger, diedie Energiewende fördern wollen.Die Regulierung durch die Bundesnetzagentur reicht nichtaus, um die Netze und den Wettbewerb voran zu bringen.Der Informationsstand der Netzbetreiber ist immer größerals der der Regulierungsbehörde. Warum nicht gleich denHebel für öffentliche Kontrolle dort ansetzen, wo die Informationenaus erster Hand fließen?Bei der Bahn weisen Bündnis 90 /Die Grünen schon langedarauf hin, dass die Privatisierung des Schienennetzesauf Kosten des Wettbewerbs gehen würde.Das ist auch beim Strom richtig: Privatinteressen vonEnergieerzeugern dürfen nicht dominieren. Die öffentlichenInteressen müssen direkt im Unternehmen verankertwerden. Deshalb brauchen wir eine einheitliche Netzgesellschaftals Joint-Venture mit Investoren, die selbstbisher keine Erzeugerinteressen haben. Mit dieser Netzgesellschaftöffnen wir den Stromsektor endlich für einenechten Wettbewerb mit dem Ergebnis eines modernen,leistungsstarken, zukunftsfähigen und innovativen Marktes.Zur Stärkung des Wettbewerbs müssten die anderen Investorenkapitalstark, selbst nicht Energieerzeuger, aberbranchenerfahren und nicht renditehungrig, sondern aneiner konstanten, vergleichsweise moderaten Renditeinteressiert sein. Aus gesamtgesellschaftlicher Sichtdürfen die potenziellen privaten Investoren keinen strategischenEinfluss auf das zukünftige Unternehmen gewinnen.Die Weichen für den Umbau des Energiesystems könnenjetzt gestellt werden. Deshalb haben Bündnis 90/Die Grünenim Bundestag ein Konzept für die deutschlandweiteNetz AG entwickelt.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Biggi BenderMitglied Ausschuss für Gesundheit und SozialesGesundheitspolitische Konflikte in Deutschland undEuropaSeite 4Gesundheitspolitik der Großen KoalitionverunsichertDie Große Koalition ist mit dem Versprechen angetreten,die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitswesens durchstabile Finanzstrukturen zu sichern. Dabei war den Koalitionärenbereits 2005 klar, dass sich dieses Vorhabenals besonders schwierig herausstellen sollte.Die Grundkonzepte beruhten auf einem Bürgerversicherungsmodell(SPD) und der „solidarischen Gesundheitsprämie“(CDU und CSU). Herausgekommen ist der Gesundheitsfonds,das Kernstück des sogenannten GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes. Der Gesundheitsfondsist eine Fehlkonstruktion und trägt zu einer massivenVerunsicherung der Akteure des Gesundheitswesens bei.Er wird höhere Beiträge nach sich ziehen und das Gesundheitswesenlähmen. Privatversicherte werden in denGesundheitsfonds nicht einbezogen, die Bemessungsgrundlagefür die Krankenversicherungsbeiträge wirdnicht verbreitert. Der Solidarausgleich findet damit auchweiterhin nur zwischen Durchschnitts- und Geringverdienernstatt. Ausschließlich Erwerbseinkommen aus abhängigerBeschäftigung und Erwerbsersatzeinkommen werdenbelastet, Kapitaleinkünfte bleiben auch künftig weitgehendbeitragsfrei. Um den in Zukunft staatlich festgelegtenEinheitsbeitrag gibt es schon jetzt Konflikte in dergroßen Koalition. Die Union hat angekündigt, den Einheitsbeitragmöglichst gering zu halten. Sie will den Wettbewerbum die kassenindividuellen Zusatzbeiträge ankurbeln.Die SPD setzt auf niedrige Zusatzbeiträge, wasim Umkehrschluss bedeutet, den Einheitsbeitrag möglichsthoch anzusetzen. Beide Strategien laufen letztendlichins Leere. Sind die Beiträge zu hoch, werden Gelderverschwendet, sind sie zu niedrig, entsteht eine Finanzierungslücke.Dass der Gesundheitsfonds eine politische und handwerklicheFehlkonstruktion ist, bekommen jetzt auch dieLänder und Regionen zu spüren. Im Gesetzgebungsverfahrenhatten die unionsregierten Bundesländer durchgesetzt,dass sich die mit der Einführung des Gesundheitsfondsverbundenen finanziellen Be- und Entlastungen fürdie in einem Land tätigen Krankenkassen in jährlichenSchritten von höchstens 100 Millionen Euro aufbauen(Konvergenzklausel). Baden-Württemberg, so die Prognoseeines Gutachtens führender Gesundheitsökonomen,könnte zu den Bundesländern zählen, die Geld verlieren.Das Ausgabenniveau der Krankenkassen ist in Baden-Württemberg vergleichsweise hoch. Durch den in Zukunftstaatlich festgelegten Einheitsbeitrag könnten dieKassen weniger Einnahmen erzielen als bislang.Die Folge: Entweder sie nutzen das Instrument hoherZusatzbeiträge, oder sie sparen bei den Leistungserbringern(z.B. Ärztehonorare). Höhere Zusatzbeiträge würdendie Versicherten einseitig belasten, da sie vollständig vonden Versicherten (nicht von den Arbeitgebern) getragenwerden müssten. Im Fall der Absenkung von Ärztehonorarensind heftige Auseinandersetzungen vorprogrammiert.Mit dem Verwirrspiel muss endlich Schluss sein!Nicht nur in Deutschland, sondern auch auf EU-Ebenegibt es gesundheitspolitischen Zündstoff, wie das BeispielArzneimittelinformationen für PatientInnen zeigt.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungBiggi Bender: Gesundheitspolitische Konflikte in Deutschland und Europa Seite 5Keine Werbung für verschreibungspflichtigeArzneimittelAm 20. Dezember 2007 veröffentlichte die Kommissionder Europäischen Gemeinschaft eine Mitteilung über diegegenwärtige Praxis von Arzneimittelinformationen fürPatientInnen. Zur Vorbereitung einer Änderung derArzneimittelrichtlinie führte die EU-Kommission bis zum7. April <strong>2008</strong> ein öffentliches Anhörungsverfahren durch.Ein zentrales Element der dort vorgeschlagenen Eckpunktesieht als Neuerung vor, dass die Pharmaindustrie zukünftigInformationen über verschreibungspflichtige Medikamentein Internet, Fernsehen, Rundfunk und Printmediensowie auf durch ÄrztInnen verteiltem Materialweitergeben darf. Für Oktober <strong>2008</strong> wird ein konkreterFormulierungsvorschlag zur Änderung der EU-Arzneimittelrichtlinie erwartet, der, wenn er von den Gremiender EU angenommen wird, in deutsches Recht zuübernehmen ist.Die Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittel istverboten und sollte es auch bleiben. Da eine klare Trennungzwischen Information und Werbung kaum möglichsein dürfte, ist der Vorschlag der EU-Kommission eineAufweichung des Werbeverbots durch die Hintertür. Diessehen nicht nur wir Grünen so, sondern auch eine überwältigendeMehrheit der deutschen und europäischengesundheitspolitischen Akteure.Ich begrüße, dass die Bundesregierung sowohl in ihrerStellungnahme als auch in der Antwort auf unsere KleineAnfrage (Drs.-Nr. 16/9031) den Vorschlag der EU-Kommission, die Arzneimittelrichtlinie zu verändern undder Pharmaindustrie die Patienteninformation bei verschreibungspflichtigenArzneimitteln zu ermöglichen,kritisch beurteilt. Jetzt muss die Bundesregierung handelnund ihren Einfluss in der EU geltend machen, dassdie Vorschläge der EU-Kommission nicht umgesetzt werden.Ebenso notwendig ist der Ausbau einer qualitativ hochwertigenunabhängigen Patienteninformation in Deutschland.Die Regierung sollte für einen zügigen Ausbau desBundes-Portals PharmaNet sorgen, damit Informationen,wie z.B. Packungsbeilagen, einfach und für Jede undJeden zugänglich werden. Darüber hinaus bedarf es einerAufbereitung der Informationen, um die Verständlichkeitfür PatientInnen zu erhöhen. Bestehende, qualitativhochwertige und unabhängige Informationsangebotemüssen von der Bundesregierung unterstützt und bekanntgemacht werden.Im Vordergrund der Kritik steht die Annahme der Kommission,dass eine trennscharfe Unterscheidung zwischenergebnisoffener und neutraler Information sowiebeeinflussender Werbung möglich ist. Selbst wenn diestheoretisch gelingen sollte, dürfte in der Praxis das Interesseder Hersteller, den Absatz zu steigern, überwiegenund immer wieder zu Versuchen führen, die Grenzziehungzu testen, zu verschieben oder zu überschreiten.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Alex BondeMitglied HaushaltsausschussHaushalt 2009: Schwarz-Rot murkst weiter…Seite 6Die Verhandlungen über den Bundeshaushalt 2009 stehenauf der parlamentarischen Ebene kurz bevor. Am2. <strong>Juli</strong> beschließt das Bundeskabinett seinen Entwurf.Direkt im Anschluss wird BundesfinanzministerSteinbrück den Regierungsentwurf des Haushalts 2009dem Haushaltsausschuss erläutern und in einer SondersitzungRede und Antwort stehen. Im September wirddann mit der Einbringung und ersten Lesung im Bundestagdie parlamentarische Beratung beginnen. Aus demRegierungsentwurf wird aber bereits im <strong>Juli</strong> ablesbarsein, was das neue Haushaltsjahr bringen und welchefinanziellen Schwerpunkte die schwarz-rote Koalition legenwird. Wir sind darauf mehr als gespannt, denn aushaushaltspolitischer Sicht werden die kommenden Verhandlungennicht einfach.Erstens gibt es ein Missverhältnis zwischen Ausgabenwünschenund Konsolidierungsanspruch der Koalition.Mit Blick auf die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung,die brummende Konjunktur mit einem Wachstumvon rund drei Prozent in 2006 und 2007 und mit Blickauf die dadurch sprudelnden Steuereinnahmen und dersinkenden Arbeitslosigkeit kann es kaum günstigere Zeitenfür das Ziel eines Haushaltsausgleichs geben. Jetzt,da sich abzeichnet, dass sich die konjunkturelle Hochphaseabschwächt, ist es geradezu fahrlässig, nichtrechtzeitig Vorsorge für schlechtere Zeiten zu treffen.Gleichzeitig werden die Ausgaben hochgefahren. Nebendiversen Ausgabenprogrammen spürt Steinbrück denDruck seiner Kabinettskollegen, sie an den hohen Steuereinnahmenzu beteiligen. So, wie sich die die Lage derzeitdarstellt, erhalten die Fachminister zwar die gefordertenMittel für ihre Häuser nicht in voller Höhe, aber es isteine Summe von 450 Mio. Euro zusätzlich im Gespräch,die die Kompromisslinie zwischen BundesfinanzministerSteinbrück und seinen Ressortkollegen ausweist.Zweitens stecken auch im kommenden Regierungsentwurf- das können wir heute schon sagen - immenseFinanzrisiken. Für den Finanzplanungszeitraum bis 2011schlummern Risiken von bis zu 75 Milliarden Euro imHaushalt. Die wichtigsten Posten sind dabei die derzeitigeFinanzkrise, die sich künftig noch in Höhe von bis zu7,5 Milliarden auf den Bundeshaushalt auswirken kann,die Kindergelderhöhung bis zu 9 Milliarden Euro und dieAussetzung des Riester-Faktors in Höhe von bis zu 7 MilliardenEuro. Diese und weitere Posten finden bei den laufendenHaushaltsverhandlungen keine Berücksichtigungund werden zu einem späteren Zeitpunkt die Kalkulationendurcheinanderbringen. Da wird sich zeigen, wie solidedie Haushaltspolitik der schwarz-roten Koalition wirklichgestrickt ist, wenn es darum geht diese Löcher auchwieder zu stopfen. Es steht zu befürchten, dass die Haushaltslöchererst nach dem Oktober 2009 thematisiertwerden. Bis dahin wird die schwarz-rote Koalition allestun, um den Haushalt so zu frisieren, dass man in Zeitendes Wahlkampfes gut da steht. Erst im Anschluss an dieBundestagswahl wird die krude Haushaltsführung sichtbarwerden.Wir Grünen haben es mit dem Zukunftshaushalt <strong>2008</strong>und seiner Projektion bis 2011 vorgemacht, wie beideszu schaffen ist – ein ausgeglichener Haushalt und Investitionenin die Zukunft. Die Kombination dieser zwei Ansprüchean eine nachhaltige Haushaltspolitik ist möglich,weil unsere grünen vorgeschlagenen Prioritäten bislangallesamt gegenfinanziert sind. Trotz deutlicher und kostenträchtigerSchwerpunkte in den Bereichen Verbesserungder sozialen Grundsicherung, Klimaschutz, Bildungund Forschung, Kinderbetreuung sowie Entwicklungszusammenarbeitwird ein beschleunigter Konsolidierungspfadeingehalten. Auf diese Weise ist eine nachhaltigeHaushaltspolitik für alle Generationen machbar.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungAlex Bonde: Haushalt 2009: Schwarz-Rot murkst weiter… Seite 7Ländlicher Raum: von Milchbauern undBienenDie Industrialisierung der Landwirtschaft und das Setzenauf „groß, billig und mit viel Chemie“ führt in die Sackgasse.Das machte zuletzt die Debatte um faire Milchpreiseund das Bienensterben am Oberrhein deutlich.Vom angekündigten „Milchgipfel“ des BundeslandwirtschaftsministersSeehofer ist nicht mehr viel übrig geblieben.Seine vorhergesagte Unterstützung sich für eineErhöhung der Milchpreise auf 40 Cent je Liter einzusetzenist verpufft in kleine „Hügel“. Der Minister wird jetztzunächst Einzelgespräche mit Vertretern der Landwirtschaft,Milchindustrie und dem Einzelhandel führen, umoffenbar erst einmal die Lage zu sondieren. Er verschlepptdamit unnötigerweise die Bemühungen schnellzu einem Ergebnis zu gelangen. Wie er kurzfristig Abhilfeschaffen könnte geht aus dem Grünen Antrag"Rahmenbedingungen für Milchmarkt verbessern – faireErzeugerpreise für Milch unterstützen" hervor, der in dervergangenen Woche in den Bundestag eingebracht wurde.Der Antrag macht Vorschläge einer zukunftsorientiertenMilchpolitik, die geeignet ist, um die Überschüsse derMilchmenge vollständig vom Markt zu nehmen und einemoderne Milchpolitik mit stabilen und fairen Milchpreisenin der EU zu etablieren.Das massive Bienensterben entlang der Rheinschieneaufgrund der Anwendung des Pflanzschutzmittels Chlothianidinhat 7000 badische Imker und ihre Bienenvölker,aber auch Wildbienen und andere Insekten massiv betroffen.Das Pflanzenschutzmittel wird üblicherweise gegenden Schädling Maisbohrer eingesetzt. Wir erwartenjetzt vom Land, dass den Imkern eine ordentliche Entschädigungzukommt, damit wieder Leben in die Bienenstöckekommt.Darüber hinaus muss Minister Hauk die politische Verantwortungfür seine Anweisung zum Einsatz des Giftesübernehmen und das Scheitern seiner Chemiekeule eingestehen.Statt Gifteinsatz mit unübersehbaren kurz- undlangfristigen Folgen steht die Rückbesinnung auf einevernünftige Landwirtschaft mit Mehrfelderwirtschaft etc.an.AfghanistanDie Bundesregierung hat diese Woche angekündigt, dassim Herbst das ISAF-Mandat um 1.000 Personen aufgestocktwerden soll. Die Erhöhung der Obergrenze sei fürdie Absicherung der Präsidentschaftswahlen und der zusätzlichenAusbildung von Sicherheitskräften notwendig.Rein militärisch betrachtet ist die Heraussetzung derObergrenze für das deutsche ISAF-Kontingent nachvollziehbar.Eine rein militärische Betrachtung wird der Lagein Afghanistan aber nicht gerecht. Gerade vor dem Hintergrund,dass die Afghanistan-Konferenz im zivilen Bereichnur schwache Signale gesetzt hat, geht durch diese Plänedie Schere zwischen militärischer Friedenssicherungund zivilem Wiederaufbau weiter auf. Eine verantwortlicheAfghanistanpolitik braucht dringend eine ehrlicheBestandsaufnahme und realistische, überprüfbare Ziele.Nur auf ihrer Grundlage kann eine Wende zum Besserengeschafft werden und kann die deutsche AfghanistanpolitikGlaubwürdigkeit und Akzeptanz zurückgewinnen.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Uschi EidMitglied Auswärtiger AusschussDer Welternährungsgipfel in Rom: Außer Spesennichts gewesen?!Seite 8Anfang Juni fand in Rom der Welternährungsgipfel statt.Leider ohne konkrete Ergebnisse hinsichtlich der langfristigenBekämpfung von Unterernährung und Hunger.Selbstverständlich war dieser Gipfel notwendig, weil sichder Preisanstieg bei den Nahrungsmitteln dramatischzuspitzt und sich der Hunger in der Welt verschärft. Doches ist sehr ärgerlich, dass in Rom Entscheidungsträgerzusammenkamen, denen der politische Wille fehlte, dasumzusetzen, was sie auf Dutzenden von Gipfeln und besonderseindrucksvoll bei der Milleniumsversammlung inNew York im Jahr 2000 bereits beschlossen hatten.Geradezu aberwitzig war die Teilnahme des simbabwischenPräsidenten Robert Mugabe, der sein Land so ruinierthat, dass es sich nicht mehr selbst ernähren kann,obwohl es früher Lebensmittel in das ganze südlicheAfrika exportierte.Die Ergebnisse des Gipfels sind enttäuschend: Es wurdennur wenige Sofortmaßnahmen verabschiedet, dagegenviele in der Vergangenheit angekündigten Verpflichtungenlediglich bekräftigt. Seit Jahren habe ich mich fürlangfristige strukturbildende Maßnahmen eingesetzt:Stärkung der Agrarforschung, Verbesserung der ländlichenInfrastruktur (Ausbau der Transportwege und derMarktplätze), Verringerung von Verlusten durch verbesserteLagerhaltung, Züchtung von ertragreichen Sorten,wie es beispielsweise mit dem Nerika-Reis in Westafrikagelungen ist. Dringend müssen Anbauflächen ausgeweitetwerden – Tansania z.B. bewirtschaftet nur 6% seinerlandwirtschaftlichen Nutzfläche – und Eigentumsverhältnisseim Rahmen von Landreformen geklärt werden.Die Produktion von Biotreibstoffen führt trotzgegenteiliger Behauptungen nicht zwingend zur Verschlechterungder weltweiten Ernährungslage.Der Anbau entsprechender Pflanzen kann auch für Kleinbauerngroße Chancen bieten, wenn er nicht in Konkurrenzzur Nahrungsmittelproduktion tritt – dies zeigtenauch Referenten bei der Tagung des LAK Internationalsin Stuttgart. Die Jatrophapflanze z.B., und ihre Früchte –bei uns bekannt als „Purgiernuß“ – erfüllt dieses Kriterium,denn dieses Wolfsmilchgewächs gedeiht in Trockensavannen,wo sonst nichts wächst. Sie ist nicht nur einhochwertiger Grundstoff für die Energieproduktion, sondernträgt auch dazu bei, die Ausdehnung von Wüsten zubegrenzen.Besonders ärgerlich ist, dass die Entwicklungsministerinam lautesten die heutige Notlage beklagt, sie es aberwar, die – trotz heftigsten Widerstand meinerseits alsStaatssekretärin – die Mittel für die landwirtschaftlicheEntwicklung und Agrarforschung massiv gekürzt hat.Ungewöhnliche Koalition: Grüne und Liberaleschlagen Uschi Eid gemeinsam alsKandidatin der Opposition für den Rundfunkratder Deutschen Welle vorDie Deutsche Welle ist das Deutsche Auslandsradioschlechthin – alle, die ins Ausland reisen, kennen sie.Aber nicht nur Urlauber hören sie, sondern auch Menschen,die nur Amharisch, Kisuaheli, Arabisch oder Spanischsprechen. Sie ist sozusagen die Stimme Deutschlandsin der Welt. Deswegen ist es nicht unerheblich, werim Rundfunkrat sitzt, der aus 17 ehrenamtlichen Mitgliedernaus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft besteht undüber die Einhaltung der Programmgrundsätze wacht. Ausder Politik sind derzeit ausschließlich Mitglieder vonCDU/CSU und SPD vertreten.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungUschi Eid: Der Welternährungsgipfel in Rom: Außer Spesen nichts gewesen?! Seite 9Auch bei der Neuwahl von zwei Rundfunkräten aus demKreise des Bundestages schlug die Große Koalition lediglichMitglieder aus ihren eigenen Reihen vor. Dies wolltenwir GRÜNEN und die FDP nicht akzeptieren. AufVorschlag der FDP ging ich als gemeinsame Kandidatinder GRÜNEN und der FDP ins Rennen. Wie vorherzusehenwar, wurde ich trotz der leidenschaftlichen Plenarrededes Ausschuss-Vorsitzenden für Kultur und Medien,Hans-Joachim Otto, nicht gewählt. Dass ich mit 138 Stimmenmehr erhielt als GRÜNE und FDP zusammen aufbringen,hat mich sehr gefreut. Auch die Tatsache, dass sichmanche Kolleginnen und Kollegen aus der SPD und derCDU bei mir entschuldigten, mich wegen des Fraktionszwangesnicht gewählt zu haben, fand ich ganz sympathisch.Fraktionsreise nach Polen vom 9.-11. Juni<strong>2008</strong>Diese Reise hatte nicht – wie man vielleicht hätte annehmenkönnte – eine Nachbesprechung des EM-Fußballspiels zum Ziel, das einen Abend zuvor zwischender deutschen und polnischen Fußballnationalmannschaftstattgefunden hatte. Vielmehr war unser Anliegendie Pflege der deutsch-polnischen Beziehungen, die erfreulicherweiseseit dem Amtsantritt von MinisterpräsidentDonald Tusk im November 2007 wieder positiversind. Auf Anregung von Rainder Steenblock, unseremeuropapolitischen Sprecher und mir, als Sprecherin fürAuswärtige Kulturpolitik, hat die Fraktion beschlossen,dieses Jahr Polen zu einem Schwerpunkt unserer Europapolitikzu machen.präsidenten, Duda, (über die deutsch/polnischen Beziehungenund die Rolle Russlands), dem Chefredakteur dergrößten überregionalen polnischen Tageszeitung „GazetaWyborcza“, Adam Michnik und mit Vertretern der polnischenGrünen. Mit dem stellvertretenden Kulturminister,dem Leiter der Stiftung deutsch-polnische Zusammenarbeitund dem Goethe-Institut sprach ich über aktuellekultur- und bildungspolitische Themen, so z.B. über dasdeutsch-polnische Jugendwerk und über die Möglichkeiteneiner gemeinsamen EU-Außenkulturpolitik.Insgesamt ging es vor allem um Aspekte der europäischenIntegration und der Erinnerungskultur wie z.B. dievon Donald Tusk vorgeschlagene Gründung eines„Museums des Zweiten Weltkrieges“ in Danzig.Es ist unserer Fraktion ein großes Anliegen, die Beziehungenzu Polen zu intensivieren. Ich freue mich deshalb,dass der Unterausschuss des Deutschen Bundestagesfür „Auswärtige Kulturpolitik“ meinem Antrag gefolgt istund den Kulturausschuss des polnischen Parlamentsnach Berlin eingeladen hat. Dieser hat die Einladungbereits angenommen und wird im Herbst unseren Ausschussbesuchen. Auch der Gegenbesuch unseres Ausschussesnach Warschau im nächsten Jahr ist bereitsvereinbart.Renate Künast, Jürgen Trittin, Rainder Steenblock, JerzyMontag, Manuel Sarrazin und ich nahmen an der Reiseteil. Wir führten interessante Gespräche u.a. mit dempolnischen Umweltminister (über die Klimapolitik undEnergiesicherheit in der EU), dem Berater des MinisterSüdwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Winne HermannMitglied Sport– und VerkehrsausschussKlimaschutz im Verkehr: Verschoben und verwässertSeite 10Die Maßnahmen der Bundesregierung zum Klimaschutzim Verkehr bleiben weit hinter dem zurück, was notwendigist. Nach dem Motto "verschieben und verwässern"werden Konflikte mit der Branche vermieden:Die Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Bezug wird in dienächste Wahlperiode geschoben.- Auf europäischer Ebene werden von BundeskanzlerinMerkel persönlich die CO2-Grenzwerte für Pkw nach demWunsch des Verbands der Automobilindustrie de factoauf 2015 verschoben.- Die Lkw-Maut wird zwar leicht angehoben, die Bemautungvon Lkw ab 3,5 Tonnen und von Bundesstraßenwird aber nicht gemacht.- Die Erhöhung der Beimischquote für Biokraftstoffe warohnehin der falsche Weg und ist ebenfalls gescheitert.- Eine verbraucherfreundlichere CO2-Kennzeichnung vonPkw wird verschoben bis Brüssel einen Vorschlag vorgelegthat.So steigen die Klimaschäden durch den Verkehr fast ungebremstweiter an. Eine Wende Richtung klimafreundlicheMobilität ist nicht in Sicht. Nimmt man den starkwachsenden Luftverkehr und Schiffsverkehr mit in denBlick, ist sogar von einer Erhöhung der CO2-Emissionendes Verkehrs auszugehen.Dabei könnte auch der Verkehrsbereich viel zum Klimaschutzbeitragen, wenn die große Koalition den Willendazu hätte. Ein Tempolimit auf Autobahnen von 130 km/h würde sofort 2,5 – 3 Millionen Tonnen CO2 einsparen.Eine Beschränkung der steuerlichen Subventionierungvon Dienstwagen und ein CO2-Grenzwert von 120Gramm für Neufahrzeuge ab 2012 und 80 Gramm ab2020 ohne wenn und aber würde zu neuen, wesentlichverbrauchsärmeren Autos führen.Eine konsequente Politik der Verlagerung von Verkehr aufdie Schiene, der Ausbau des öffentlichen Verkehrs unddie Förderung des Rad- und Fußverkehrs in den Städtenwürden den Klimaschutz im Verkehr ebenfalls voran bringen.Chronik: Bahnprivatisierung als Farce++ Januar/ Februar <strong>2008</strong>: Streit in der Koalition - keineMehrheit für Privatisierungsgesetz - Koalition schafft Faktenfür Bahnprivatisierung am Bundestag vorbei - ZwischenRegierung und DB AG existieren schon Vertrag undZeitplan - Grüner Antrag „Kein Bahnprivatisierung amParlament vorbei“.++ März <strong>2008</strong>: Grüne Protestaktionen und Parteiratsbeschluss„Bahnprivatisierungspläne der Großen Koalitionstoppen“ - Teile des Holding-Modells werden öffentlich -Abgeordnete müssen Details den Medien entnehmen -tumultartige Szenen im Verkehrsausschuss - Regierungund Verkehrsministerium verweigern weiter Auskünfte.Bekannte Pläne: Neue Transport-Holding unter dem Dachdes DB -Mutterkonzerns, max. 49,9 Prozent können anPrivate verkauft werden, Schienennetz und Bahnhöfezwar nicht direkt betroffen, aber mittelbar unter Renditedruckder Privaten, Großteil der Privatisierungserlösenach Willen von Bundesregierung und Bahnvorstand anDB AG, Rest an den Bund.++ April <strong>2008</strong>: Große Koalition verhindert Expertenanhörungzum Holding-Modell im Bundestag - Anhörung inEigenregie durch Opposition, große Resonanz bei Fachverbänden,Ergebnis: Umwelt- und Verkehrsverbändeteilen unsere Kritik am Modell und befürchten wie wirAusdünnungen im Fernverkehr und Stilllegungen im regionalenSchienennetz, FDP und Wirtschaftsverbände fürHolding-Modell als Einstieg in Vollprivatisierung.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungWinne Hermann: Klimaschutz im Verkehr: Verschoben und verwässert Seite 1130. April: Bundeskabinett beschließt Bahnprivatisierungper Holding-Modell, Verkauf von max. 24,9 Prozent derTransporttöchter möglich.++ Mai <strong>2008</strong>: Parlamentarische Farce: Länder befürchtenEinschränkungen im Flächenverkehr - Tiefensee erklärtGesetzentwurf für „überflüssig" - Im„Schweinsgalopp“ wird stattdessen eine Resolutiondurchs Parlament gedrückt – Selbst eigene Experten äußernreichlich Kritik am Holding-Modell, die jedoch vonder Koalition ignoriert wird - Grüne beantragen namentlicheAbstimmung - 30. Mai: Große Koalition beschließtBahnprivatisierung per Holding-Modell, gegen Stimmender Opposition und einiger SPD-Abgeordneter.Besonders skandalös: Abgeordnete stimmen zu, ohneAusgestaltung der Verträge mit der DB AG zu kennen.Parlamentarier von CDU/CSU und SPD entmachten sichmit Privatisierungsbeschluss selbst und ebenso das gesamteParlament.Grünes Fazit: Nach jahrelangem Tauziehen ist eine Entscheidungzu Lasten der BahnkundInnen gefallen. Schieneals umweltverträglicher Verkehrsträger, mit flächendeckendemNetz auch im ländlichen Raum, die soziale Teilhabebreiter Bevölkerungsschichten ermöglicht, wirdeiner Renditebahn geopfert, die nur noch dort fährt, woes sich rechnet.Wir Grünen wollen statt Börsenplänen endlich ein Gesamtkonzeptzu Entwicklung des Schienenverkehrs, mitdem klaren Ziel: mehr Menschen und Güter umweltfreundlichzu bewegen. Dringend notwendig ist ein neuergesetzlicher Rahmen für den Schienenpersonenfernverkehr,vergleichbar dem Regionalisierungsgesetz für denNahverkehr.Olympia in Peking und die MenschenrechteIn meiner Funktion als sportpolitischer Sprecher werdeich im August die Olympischen Spiele in Peking besuchen.Ich fahre nach langem Zögern und Abwägen undmit gemischten Gefühlen mit dem Sportausschuss nachPeking. Letztendlich war für meine Reiseteilnahme ausschlaggebend,dass sich die grüne Kritik an der Menschenrechtssituationin China besser vor Ort in Pekingverdeutlichen lässt. Man muss der chinesischen Führungdeutlich machen, dass Menschenrechtsverletzungennicht hinnehmbar sind.Oft wird die Frage gestellt, welche Rechte denn nun dieSportlerinnen in Peking haben. Tatsache ist:: Die IOC-Charta untersagt politische Demonstration oder Propagandader Sportlerinnen an den Wettkampfstätten.Es zeichnet sich leider schon jetzt eine restriktive Auslegungdurch das IOC ab. Ich meine aber, dass beispielsweiseein Armband mit der Aufschrift „sports for humanrights“ nicht vom IOC verboten werden kann. Es wäregrotesk, wenn mündige Athleten kreativ ihre Meinungsagen und dann von den schweigenden IOC-Granden vonOlympia ausgeschlossen werden würden.Unsere grüne Forderung bleibt: Ein Bekenntnis der Athletinnenzu den Menschenrechten darf nicht sanktioniertwerden.Mehr dazu unter: www.winnehermann.deSüdwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Sylvia Kotting-UhlMitglied Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und ReaktorsicherheitDas grüne Gesetzbuch darf nicht grau werdenSeite 12oder: Wie die Große Koalition aus einemgroßen Projekt eine große EnttäuschungmachtDas deutsche Umweltrecht ist in viele Einzelgesetze zersplittert.Das macht es schwer überschaubar und seineUmsetzung aufwändig. Nicht selten ist das deutsche Umweltrechtzudem nicht auf der Höhe der Zeit. Das machtes ineffektiv beim Schutz von Natur und Umwelt.Ein einheitliches Umweltgesetzbuch (UGB) wollen fastalle. Vor vielen Jahren hat sich eine UmweltministerinMerkel daran versucht - und ist gescheitert. Auch JürgenTrittins Anlauf verlief im Sande, weil eine Bündelung desUmweltrechts sich nicht mit föderalen Rechten der Ländervereinbaren ließ.Seit der Änderung des Grundgesetzes im Rahmen derFöderalismusreform gibt es nun keine formalen Hemmnissemehr für ein UGB. So konnte die Große Koalitionversprechen, in dieser Legislaturperiode den ersten Teildes UGB in Kraft zu setzen.Der Regierung fehlt die Kraft zum UmweltschutzLeider deutet inzwischen einiges darauf hin, dass dieehemalige Umweltministerin und der jetzige Umweltministereines ihrer zentralen Projekte in den Sand setzen.Innerhalb der Regierung gibt es offenbar Kräfte, die dasUmweltgesetzbuch nutzen wollen, den Naturverbrauchund die Umweltzerstörung zu befördern statt zu vermindern.Spätestens ab April waren die Lobbys in Fahrt gekommen.Vor allem aus Landwirtschafts- und Wirtschaftsministeriumwill man über das UGB missliebige Umweltstandardsentsorgen. Würde der jetzt vorgelegte RegierungsentwurfGesetz, dann würde nicht nur der von denUmweltverbänden erhoffte „ökologische Mehrwert“ verschenkt,vieles würde sogar schlechter.Ein Umweltgesetzbuch ohne Klimaschutz?Das UGB lässt wichtige umweltpolitische Fragen ungeregelt.So kommt – mit Ausnahme des Emissionshandels,der aber bereits durch europäisches Recht vorgegebenist – die gesamte klimapolitische Herausforderung imUGB-Entwurf nicht vor. Die Chance, den Neubau klimazerstörenderKohlekraftwerken zu verhindern oder zubegrenzen wurde nicht genutzt. Während der Schutz vordem Ausstoß anderer Schadstoffe aus Industrieanlagenbis ins letzte Detail vorgeschrieben ist, gibt es ausgerechnetfür den Klimakiller CO2 keine Begrenzungen.Die Kohlelobby hat mächtige Fürsprecher. Der politischenLage wäre es angemessen gewesen, die Genehmigungsverfahrenfür neue Kraftwerke so zu gestalten, dass nurnoch hocheffiziente Anlagen mit mindestens 58 % elektrischerWirkungsgrad und Kraft-Wärme-Kopplung gebautwerden dürfen.Nicht nur den Klimaschutz klammert der UGB-Entwurfaus. Das Bergrecht, mit dessen Hilfe Umweltdesaster imKohletagebau oder beim Ausräumen oder Verfüllen unterirdischerFlöze rechtlich privilegiert und oft erst ermöglichtwerden, bleibt vollständig unberücksichtigt. DasAtomrecht mit seinen gigantischen Umweltgefährdungentaucht nicht auf. Selbst die Erneuerbaren Energien, dieeigentlich im UGB normiert werden sollten, wurden nachIntervention des Wirtschaftsministeriums wieder herausgenommen.Getilgt hat die Regierung auch die im ersten Referentenentwurfnoch enthaltenen Bekenntnisse zu Ressourcenschutzund Produktverantwortung. Kein Wort findet sichzum Schutz vor der Freisetzung gentechnisch veränderterOrganismen, der nach EU-Recht in ökologisch sensiblenGebieten restriktiver hätte geregelt werden können.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungSylvia Kotting-Uhl: Das grüne Gesetzbuch darf nicht grau werden Seite 13Der gesamte Verkehrsbereich fehlt. Im Regierungsvorschlagfindet sich nichts zur Planung von Straßenbau,nichts zu Tempobegrenzungen und nichts zur umweltfreundlichenRegulierung des Flugverkehrs. ÖkologischerMinderwert“ statt „ökologischer Mehrwert“? Kein Umweltgesetzbuch,das die Standards senktDie Regierung will im UGB aber nicht nur ökologisch relevanteBereiche ignorieren. In klassischen Umweltfelderndrohen zudem Rückschritte und Deregulierung bereitserreichter Schutznormen.Ausgerechnet bei Biodiversität, Natur- und Artenschutzklafft eine erstaunliche Lücke zwischen den hochtönendenVerlautbarungen der Regierung auf internationalemParkett und den die „Mühen der Ebenen“ gestaltendenRegelungen des UGB. Oben mimt das Öko-Dream-TeamMerkel/Gabriel die Engel aller Eisbären, unten wird dieAusrottung allen möglichen Getiers schulterzuckendbetrieben.In der bisherigen Naturschutzgesetzgebung gilt das Prinzip,dass umweltschädliche Eingriffe in Naturschutzflächen„real“ kompensiert werden müssen. Wer Schädenan Tier- und Pflanzenwelt oder deren Lebensräumen verursacht,muss bislang in regionaler Nähe zu dem Eingriffgleichwertigen Lebensraum für Flora und Fauna schaffen.Diese so genannte „Realkompensation“ wollen diebeiden bayrischen CSU-Minister Glos und Seehofer jetztüber das UGB kippen. Sie wollen, dass Naturverlustdurch Geld ausgeglichen werden kann. Dieser moderneAblasshandel würde Naturzerstörung und Artensterben inDeutschland beschleunigen.Auch beim Gewässerschutz war die Agrarlobby fleißig.Im ersten UGB-Entwurf vorgesehene geschützte Gewässerrandstreifensollen nicht mehr 10m sondern nur noch5m breit sein. Das Verbot von Pflanzenschutz- und Düngemittelnsoll dort aufgehoben werden.Auch der zunächst vorgesehene Vorrang natürlicher odernaturnaher Maßnahmen zum Hochwasserschutz vortechnischen Regelungen wurde von der Bundesregierungersatzlos gestrichen. Selbst der Bodenschutz soll im UGBaußen vor bleiben. Kein Wort von der immer beschworenenReduzierung des Flächenverbrauchs. Das im erstenEntwurf noch genannte Ziel, „Böden vor Versiegelung,Verdichtung, Humusverlust und Erosion zu bewahren“,fehlt im jetzigen Regierungsvorschlag.Die Öffentlichkeit raushalten?Bei solchen unambitionierten Vorstellungen über ökologischeNotwendigkeiten wundert es nicht, dass die im UGBvorgesehenen Rechte der Öffentlichkeit hinter europäischeVorschriften zurückfallen. So soll der Klageweg gegenÖkosünden weiter an die Verletzung subjektiverRechte gebunden sein. Eine bürgernahe Ausgestaltungder Öffentlichkeitsbeteiligung und des Verbandsklagerechtsvon Umweltverbänden soll es nicht geben. Würdensolche Regelungen im UGB festgezurrt, droht Deutschland– zu Recht - ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.Die Behäbigkeit der Großen Koalition bei der Ausgestaltungdes UGB ist vor dem Hintergrund der bei der Föderalismusreformbeschlossenen zeitlichen Vorgaben für bundeseinheitlichverbindliche Rechtsregelungen kaumverständlich. Wenn die Regierung kein UGB zustandebekommt, droht eine nur schwer rückholbare Zersplitterungdes deutschen Umweltrechts. Wir werden einemUGB nur dann zustimmen, wenn es die Verwässerungsversucheder Lobbyisten zurückweist, die bewährten Umweltstandardserhält und sich den aktuellen klimapolitischenund Umwelt-Herausforderungen auf der Höhe derZeit stellt. Nur dann hat es den Namen Umweltgesetzbuchauch wirklich verdient. Ein ausführliches Eckpunktepapierder Bundestagsfraktion zum UGB findet ihr unter:http://www.kottinguhl.de/themen/umweltgesetzb/0806_sku_positionspapier_umweltgesetzbuch.pdfSüdwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


<strong>Fritz</strong> <strong>Kuhn</strong>FraktionsvorsitzenderGroße Koalition ist handlungsunfähigSeite 14Das Klimapaket der Regierung ist tot!Klimakanzlerin adé! Merkels Klimapaket scheitert grandios.Vor einem Jahr verkündete die Regierung in Mesebergdas Ziel, die deutschen Treibhausgasemissionen bis2020 um 40% gegenüber 1990 zu senken. Dochzugleich unterstützt die Bundesregierung den Bau vonbundesweit bis zu 25 neuen Kohlekraftwerken, in dervagen Hoffnung auf eine CO2-AbscheidungstechnologieCCS, deren technischer Einsatz und wirtschaftlicher Betriebin den Sternen steht.Merkels großspurig verkündete Klimaschutzbeschlüssevon Meseberg sind inzwischen in der Regierung kleingehackselt,verschoben oder fallen gelassen worden. DieFörderung der Kraft-Wärme-Kopplung wird gedeckelt, dieNutzung erneuerbarer Wärmequellen im Wohnungsbauwird nur für Neubauten vorgeschrieben. Obwohl geradebeim Altbaubestand die größten Einsparmöglichkeitenbestehen. Die Regierung Merkel verpasst es, systematischüber die Breite der Felder Anreize zu schaffen Energieeinzusparen und CO2-Ausstoß zu vermeiden. Dabeiwäre gerade dies auch die richtige und tragfähige Antwortauf die Frage der sozialen Härten durch steigende Energiepreise.Kein Sozialtarif à la Gabriel kann dauerhaftdurch staatliche Subventionen die Weltmarktpreisentwicklungauffangen.Beim Klimaschutz im Verkehrssektor tritt Merkel auf dieBremse. Einfache und effektive Maßnahmen wie einTempolimit auf Autobahnen lehnt die große Koalition ab.Die Kfz-Steuerreform ist gescheitert. Auf der europäischenEbene versagt Merkel beim Klimaschutz, weil siesich von den deutschen Autoherstellern vor den Karrenspannen lässt und Grenzwerte und Fristen verwässert.Der ökologische Innovationsdruck wird erheblich abgeschwächt,für die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Autosist das auf längere Sicht ein Phyrrus-Sieg.Bei der Teilprivatisierung der Deutschen Bahn AG habenverkehrs- und klimapolitische Zielsetzungen erst rechtkeine Rolle gespielt. Herausgekommen ist ein schiefesKonstrukt, das Union und SPD zwar vor ihren Anhängernvertreten können - großer Gewinner ist jedoch alleinBahnchef Mehdorn. Er wird mit den Milliarden des Verkaufserlösesauf internationale Einkaufstour gehen, wofür Anleger die größte Rendite wartet. Immer mehr Menschenin Deutschland werden vom Schienenverkehr abgekoppelt.Statt einer Politik für mehr Wettbewerb undmehr Schienenverkehr hat die Regierung die Bahnpolitiknun im DB-Konzern monopolisiert.Die Diskrepanz zwischen schönen Worten und realemGehalt zeigt sich auch wieder beim neuesten Vorstandspapierder CDU zur „sozialen und ökologischen Marktwirtschaft“,mit dem sie sich grün anstreichen will. Aber klareRahmenbedingungen für einen ökologisch erfolgreichenMarkt sind darin nicht zu finden. An der Atomkraft wirdfestgehalten. Atom- und neue Kohlekraftwerke werdengar als Beitrag zum Klimaschutz angepriesen. Ein ökologischesUmlenken der Verkehrs- und vor allem der Kfz-Politik fehlt. Der grüne Anstrich blättert schon ab, weil dieGrundierung nicht stimmt.Die Föderalismusreform ist tot!Unter Nachhaltigkeit verstehe ich nicht nur eine Politik,die auf Umwelt und Soziales gerichtet ist. Auch dieStaatsfinanzen müssen in Ordnung sein. Ohne Not hatkeine Generation das Recht, sich zu Lasten künftigerGenerationen zu verschulden. Der jahrzehntelangeVerzicht auf Nachhaltigkeit in der Haushaltspolitik hatDeutschland in die Schuldenfalle geführt und den Schuldenbergder öffentlichen Haushalte von 1,5 BillionenSüdwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Fortsetzung<strong>Fritz</strong> <strong>Kuhn</strong>: Große Koalition ist handlungsunfähig Seite 13Euro aufgetürmt. Alle Parteien sind sich inzwischen darübereinig, dass ein wesentlicher Grund für diesen Schuldenbergdie seit 1969 geltenden Regeln des Haushaltsrechtssind. Hier Änderungen herbeizuführen wurde dieFöderalismuskommission II eingesetzt.Mit ihrer Mehrheit in Bundesrat und Bundestag verfügtdie große Koalition über die notwendigen Voraussetzungen,um politische Antworten auf die Vielschichtigkeit derVerschuldungsprobleme von Bund und Ländern geben zukönnen. Notwendig sind aber auch politischer Wille undDurchsetzungskraft. Doch die beiden Vorsitzenden derFöderalismuskommission, Ministerpräsident GüntherOettinger und der SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Struck,besitzen nicht die nötige Kraft. Und der politische Willefehlt offensichtlich bei der Kanzlerin und CDU-Vorsitzenden Angela Merkel und ihrem SPD-KollegenKurt Beck. Um vom Stillstand abzulenken, werden Heerscharenvon Verwaltungsbeamten durchs Land geschickt,die zahllose Papiere mit zumeist Altbekanntem verbreiten.Föderalismusreform in grünDas komplexe Zukunftsthema verlangt nach einer durchdachtenPaketlösung. Grüne aus Kommunen. Länder undBundestagsfraktion haben über mehrere Monate solchein Paket erarbeitet. Kernstück ist eine Verschuldungsregelfür Bund und Länder. Diese erlaubt die Kreditaufnahmewährend eines Konjunkturabschwungs und fordertHaushaltsüberschüsse im Aufschwung. Zusätzlich dürfenNettoinvestitionen durch Kredite finanziert werden.Deshalb schlagen wir vor, einen Teil der Einnahmen ausdem Solidaritätszuschlag, die nicht mehr für den AufbauOst benötigt werden, hierfür einzusetzen. Außerdem erhaltenalle Bundesländer das Recht, durch Hebesätzeauf geeignete Gemeinschaftssteuern ihre Steuereinnahmenzu verbessern. Abschläge sind verboten, um einenDumpingwettbewerb zu verhindern.Die Kommunen werden bei der Diskussion oft vergessen.In einigen Bundesländern werden die Kommunen durchzusätzliche Aufgaben immer mehr belastet, ohne dafürdie erforderlichen Finanzmittel zu bekommen. Wir fordern,dass die notwendige Finanzausstattung der Kommunenzur Erfüllung ihrer Aufgaben im Grundgesetz verankertwird.Die Zukunftsfähigkeit Deutschlands hängt neben einerLösung des Verschuldungsproblems auch von einerLösung der Bildungsfrage ab. Die Föderalismusreform Ihat die Zuständigkeit für Bildung den Ländern zugewiesen.Nun zeigt der Nationale Bildungsbericht erneut erheblicheSchwachstellen auf und es reden wieder allevon Bildung. Die Kanzlerin will zum Bildungsgipfel rufen.Aber sie reden nicht über die Finanzierung. Wir nutzendie Diskussion um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen und schlagen vor, die bildungspolitischeFinanzkraft der Länder über einen Bildungssoli zustärken. Der Bildungssoli wird aus dem verbleibendenTeil der überschüssigen Einnahmen des Solidaritätszuschlagsfinanziert.Stark verschuldete Länder können einer solchen Schuldenbremsenur zustimmen, wenn sie Unterstützung beiihren überdurchschnittlich hohen Zinslasten erhalten.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Gerhard SchickMitglied FinanzausschussCO2hle – Nein DankeSeite 16Klimaschutz aktuell: Was die Kampagnegegen ein neues Kohlekraftwerk in Mannheimmit den Bankern in Frankfurt zu hatIn Karlsruhe ist es, leider, beschlossene Sache. In Mannheimtun Konzernchefs und Stadtspitze so, als sei es beschlosseneSache. Ist es aber nicht: Der Neubau einesKohleblocks mit über 900 Megawatt Leistung beim GroßkraftwerkMannheim (GKM) ist noch lange nicht durch.Geräuschlos wollte sie den Kraftwerksneubau durchwinken:eine Allianz aus dem Oberbürgermeister und seinemAmtsvorgänger, dem mehrheitlich städtischen EnergiekonzernMVV, der wiederum zusammen mit RWE und Eondas GKM betreibt, sowie aus den Parteien CDU, SPD,FDP, Mannheimer Liste und Bürger-Union. Die Herrenwussten, warum sie kein Aufsehen wollten: Die Bevölkerungsteht nicht hinter ihnen. Obwohl die Gegenargumentein Mannheim lange unter den Teppich gekehrt wurden,sind 36 Prozent der Bevölkerung gegen den Neubau,gerade mal 39 Prozent sind dafür, während ein Viertel indieser Frage unentschieden ist. Das ist das Ergebnis einerUmfrage der Forschungsgruppe Wahlen.Eine Kampagne also, von den Grünen in Mannheim gemeinsamauf die Beine gestellt mit einer überparteilichenInitiative für Klima und Energie (ikema) und dem BUNDNordbaden, hat das Thema GKM-Neubau zum Stadtgesprächgemacht. Mit dem Slogan „CO2hle – Nein Danke“,einer Plakatkampagne, zahlreichen Veranstaltungen, unteranderem mit Bärbel Höhn, einer Demonstration, beider <strong>Fritz</strong> <strong>Kuhn</strong> und ich redeten, und nicht zuletzt mit derInitialzündung für eine Ärzteinitiative haben wir OberbürgermeisterPeter Kurz (SPD) förmlich zum Jagen getragen:Erstmals in der Geschichte der Stadt Mannheimwurde eine Bürgerversammlung einberufen. Das Interessewar enorm.Trotzdem verschließen CDU, SPD, FDP und bürgerlicheListen im Rat die Augen vor den negativen Folgen einesKraftwerksneubaus. Sie wollen unter allen Umständenverhindern, in die Entscheidung über den neuen Kohleblockinvolviert zu werden – und so verbreiten sie dieMär, der Gemeinderat habe keine Einflussmöglichkeit,der Bau sei quasi beschlossene Sache. Wir haben dannmit einem grünen Antrag im Gemeinderat, der für dasGelände des Kraftwerksneubaus einen qualifizierten Bebauungsplanfordert, einen Weg gewiesen, damit öffentlicheBelange wie Natur- und Umweltschutz am Kraftwerksstandort,aber auch die gesundheitlichen Auswirkungenberücksichtigt werden müssen. Der Gemeinderathat mit den Stimmen aller anderen Fraktionen mit Ausnahmeder Stadträtin der Linken Liste diesen Antrag derGrünen-Fraktion abgelehnt. Sonst können die Kommunalpolitikervon CDU und SPD in Mannheim nicht oft genugdas Wort „Metropolregion“ in den Mund nehmen. Ausgerechnetbei den Auswirkungen des Kraftwerksbaus weitüber die Stadtgrenzen Mannheims hinaus auf die Gemeindender ganzen Metropolregion ist von der MetropolregionRhein-Neckar aber nicht mehr die Rede. Das istdeshalb umso bemerkenswerter, als die Metropolregionin einer umfangreichen Studie vor kurzem erst ausgegebenhat: 100 Prozent erneuerbare Energien in der MetropolregionRhein-Neckar sind möglich! Deswegen organisierenwir auch weiterhin den Protest in Mannheim direktund in der Region und haben dabei – vielen Dank dafür!– bei unseren Aktionen die Unterstützung der Grünen ausHeidelberg, Schwetzingen, Viernheim, Ludwigshafen undanderen Orten in der Region. Beim Grünen-Landesausschuss am 14. Juni in Filderstadt hat sichauch die Landespartei hinter unsere Resolution gestellt.Die Medien haben das positiv vermerkt, den Kohlefreundenhat’s gestunken.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


FortsetzungGerhard Schick: CO2hle – Nein Danke Seite 13Während man in Mannheim auf eine klimaschädigendeDinosauriertechnologie setzt, macht man sich nur einehalbe ICE-Stunde entfernt intensive Gedanken über denKlimaschutz – und zwar dort, wo man es eher nicht vermutenwürde: In den Bankentürmen von Frankfurt.Denn spätestens seit dem Stern-Report aus 2006 istklar: Der Klimawandel wird zunehmend zu einer ökonomischenGröße. Akteure der Finanzmärkte sollten daher einureigenes Interesse haben, das Klima zu schützen – dassehen sie zunehmend selbst so.Das wurde deutlich bei der Tagung „Grün zahlt sich aus“,zu der der Grüne Bundesvorstand nach Frankfurt eingeladenhatte und an der ich als finanzpolitischer Sprecherder Grünen Bundestagsfraktion maßgeblich beteiligt war.Fast 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren gekommen.Doch bei aller Bereitschaft, sich auf die ökologischenThemen einzulassen, hat das Thema Nachhaltigkeit denKern des Finanzgeschäfts noch nicht erreicht. Mit meinemTeam in Berlin habe ich einen kleinen Feldversuchgemacht und mich bei Banken über Anlagemöglichkeitenberaten lassen. Nur in ganz wenigen Fällen (darunter Gesprächebei einer auf ökologische Fragen spezialisiertenBank) sprachen die Anlageberater die Möglichkeit einesnachhaltigen Investments an. Und selbst auf Nachfragehaben wir bei etlichen Banken keinerlei und häufig falscheInformationen dazu bekommen. Manchmal wurdeuns explizit davon abgeraten. Ich finde: Ethische, sozialeund ökologische Kriterien gehören in jedes Beratungsgesprächfür eine Fondsanlage. Nachhaltigkeit muss amBankschalter ankommen. Das muss auch gesetzlich geklärtwerden.Klaus-Peter Müller, Präsident des BundesverbandesDeutscher Banken und Aufsichtsratsvorsitzender derCommerzbank AG gestand ein, dass hier nochNachholbedarf besteht und lobte die Vorreiterrolle unsererPartei: „Die Finanzmärkte können helfen, Umweltproblemezu lösen. Danke, dass Sie uns wachgerüttelthaben.“ Damit gab er Reinhard Bütikofer recht, der dieBankenvertreter dazu aufgerufen hatte, „die Revolutionzu finanzieren“, die es für den ökologischen Umbau derWirtschaft brauche. Und darum genau geht es: Mit neuenRegeln für die Finanzmärkte einen wichtigen Beitrag zumKlimaschutz zu leisten. Denn Investoren, die eine langfristigePerspektive einnehmen und Nachhaltigkeitskriterienberücksichtigen, würden wahrscheinlich kein Geldfür ein wirtschaftlich unsinniges Kohlekraftwerk in Mannheimzur Verfügung stellen. Und genau diese Unterstützungbrauchen wir beim Klimaschutz dringend.Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


ImpressumSeite 18Kerstin AndreaeMitglied WirtschaftsausschussPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227—71480Fax 030/227—76481kerstin.andreae@bundestag.dewww.kerstin-andreae.deMitarbeit: Rita Maria Lienesch (Büroleitung)Michael Schröter, Holger Weber(wissenschaftliche Mitarbeit)WK: Per Klabundt, David VaulontHaslacher Str. 61, Freiburg,Tel. 0761/88867-13, Fax –8886714Biggi BenderMitglied Ausschuss für Gesundheitund SozialesPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227–71667Fax 030/227–76667birgitt.bender@bundestag.dewww.biggi-bender.deMitarbeit: Astrid Spiegel,Annette Rausch, Fabian Engelmann(wissenschaftliche Mitarbeit)WK: Sandra WeberHermannstr. 5a, Stuttgart,Tel. 0711/26346177, Fax -6151725Alexander BondeMitglied HaushaltsausschussPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227–71691Fax 030/227–76991alexander.bonde@bundestag.dewww.alexander-bonde.deMitarbeit: Thorsten Arzbach, SebastianSchäfer (wissenschaftliche Mitarbeit),Ulrike PaschedagWK: Marco Dieterle, Martin Kranz-Badri,Karl-Friedrich-Str. 40, Emmendingen,Tel. 07641/954545, Fax -954546Uschi EidMitglied Auswärtiger AusschussPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227–71575Fax 030/227–76233uschi.eid@bundestag.dewww.uschi-eid.deMitarbeit: Manuel Hublitz, Britta SchöffelBritta Müller (Auswärtige Kulturpolitik),Nina Odenwälder (Afrika, Wasserpolitik)WK: Astrid LinnemannPlochinger Str. 8, NürtingenTel. 07022/37234, Fax -37321<strong>Fritz</strong> <strong>Kuhn</strong>FraktionsvorsitzenderPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227—71897Fax 030/227—76896fritz.kuhn@bundestag.dewww.fritz-kuhn.deWinfried HermannMitglied Sport– und VerkehrsausschussPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227-71949Fax 030/227-–76399winfried.hermann@bundestag.dewww.winfriedhermann.deMitarbeit: Sabine Krüger (Umwelt & Verkehr),Michael Baumbach (Sport),Angela Kohls (Bahn & Verkehrspolitik)WK: Jenny van Heeswijk, Chris Kühn,Rümelinstr. 8, Tübingen,Tel. 07071/252757, Fax -252559Gerhard SchickMitglied FinanzausschussPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227–74535Fax 030/227–76656gerhard.schick@bundestag.dewww.gerhardschick.netSylvia Kotting-UhlMitglied Ausschuss für Umwelt,Naturschutz und Reaktorsicherheit,Mitglied VerkehrsausschussPlatz der Republik 111011BerlinTel. 030/227–74742Fax 030/227–76742sylvia.kotting-uhl@bundestag.dewww.kotting.uhl.deMitarbeit: Rolf Gramm, Jörg Kaschubowski,Nicoletta Salbach,WK 1: Inge BehnerHauptstr. 41, NeckargemündT: 06223 /866423 Fax -866813WK 2: Ulrike MaierSophienstr. 58, KarlsruheTel. 0721/1518687 Fax -1518690Mitarbeit: Marcus Becher (Büroleitung),Boris Dehler, Sebastian Draeger, AstridEvert, Kathrin Kummerow, Klaus Müller,(wissenschaftliche Mitarbeit), Maja Nikolovska,Ramona Schiller (Büro)WK: Irene GebauerRohrbacherstr. 39, Heidelberg,Tel. 06221/167611, Fax -24908Mitarbeit: Kirsten Schiller (Büroleitung)Philipp Bohle, Finn Gerlach, Claudia Tober(wissenschaftliche Mitarbeit)WK: Thomas Hornung, Damian WienchWaldhofstr. 4, MannheimTel. 0621/4017252 Fax -8469Südwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>


Ein Draht nach Berlin: SÜDWEST GRÜNSeite 19Foto: Deutscher Bundestag/Stephan ErfurtSÜDWEST GRÜN wird als pdf-Datei versandt und kannmit Acrobat Reader geöffnet werden. Wer den Rundbriefregelmäßig beziehen will, kann sich durch eine Email analexander.bonde@bundestag.de in den Verteiler aufnehmenlassen. Abbestellen könnt ihr auf dem gleichen Weg.Alle Ausgaben von SÜDWEST GRÜN und weitere Informationenüber die Landesgruppe Baden-Württemberg vonBündnis 90/Die Grünen im Bundestag sind auch nachzulesenunter: www.suedwestgruen.de oderwww.landesgruppe-bawue.de. Aufgrund der großenDistanz zwischen Baden-Württemberg und Berlin könnenwir selbst nicht so oft in den Wahlkreisen unterwegs sein,wie wir es gerne möchten.Daher seid Ihr unser wichtigstes Bindeglied nach Hauseund für uns ist es wichtig zu erfahren, was euch konkret„auf den Nägeln brennt“.Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Wahlkreisbürossind vor Ort für euch und eure Anliegen daund stehen in engem Kontakt mit uns Abgeordneten inBerlin. Eure Ideen, euer Engagement sind ein wichtigerBeitrag zu unserer parlamentarischen Arbeit.Mehr unterwww.gruene-fraktion.deRundbrief der baden-württembergischen Grünen im BundestagV. i. S. d. P.Alexander Bonde, <strong>MdB</strong>Redaktion: Ulrike PaschedagPlatz der Republik 111011 BerlinTel. 030/227-71691Fax 030/227 76991E-Mail: alexander.bonde@bundestag.dehttp://www.alexander-bonde.deSüdwest Grün | <strong>Juli</strong> <strong>2008</strong>

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