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Auswertung des Projektes - Schulbiologiezentrum Biedenkopf

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Von Schülern, die auszogen, dem Springkraut das Fürchten zu lehrenEine <strong>Auswertung</strong> von Gabriele Restau (<strong>Schulbiologiezentrum</strong> <strong>Biedenkopf</strong>)Am 30. Juni 2004 veranstaltete das <strong>Schulbiologiezentrum</strong> <strong>Biedenkopf</strong> zusammenmit den fünf Ökologie-Kursen der Jahrgangsstufe 12 der LTS einen Aktionstagrund um das am schulnahen Lahnufer reichlich bis flächendeckend vorkommendeDrüsige Springkraut (Impatiens glandulifera). Das hübsche, großblumig rosa blühende,aus dem Himalaja stammende Springkraut ist eine bei uns gebietsfremdeArt, ein so genannter Neophyt.Die Auswirkungen der starken Ausbreitung <strong>des</strong> bis zu 2 m hoch wachsenden Balsaminengewächseswerden unterschiedlich diskutiert. Die Einschätzungen reichenvon „sehr problematisch“ bis hin zu „ohne nennenswerten Effekt“. Vor diesem Hintergrundwaren die Ziele <strong>des</strong> Aktionstages, eine kritische und handelnde Auseinandersetzungmit Entwicklungen im natur- und schulnahen Lebensraum Lahnauezu suchen und eine Beobachtungsfläche zu schaffen, auf der die Entwicklungender Vegetation über einen längeren Zeitraum erfasst werden konnten und auchweiterhin ermittelt werden können. Neben einem Theorieteil zur Vermittlung vonKenntnissen über diesen und andere Neophyten lag der Schwerpunkt der Aktivitätenan diesem und an folgenden Projekttagen bei praktischen Arbeiten. Die Vegetationauf der Beobachtungsfläche, die in 20 Parzellen aufgeteilt war, wurde zunächstvon den Schülern mit Hilfe von Bestimmungskarten erfasst.Foto vom 30.06.04: Schüler und der 1. Kreisbeigeordnete bei der Erfassung der Vegetationsdaten. Vonlinks: Anne Schwarz, Anne Hercher, Laura Grebe, Nora Leven, Andreas Bach, Dr. Karsten McGovern.1


Der zweite Teil der praktischen Arbeit der Schüler im Juni bestand im Ausreißen<strong>des</strong> sich noch vor der Samenbildung befindenden Springkrauts. Diese Arbeit dienteder Vorbereitung einer weiteren Bestandsaufnahme der 20 Parzellen, die imSeptember 2004 durchgeführt werden konnte. Das Ziel war es zu vergleichen, wiesich die Pflanzengesellschaften bei verminderter Bestandsdichte <strong>des</strong> Springkrautesentwickeln würden.Foto vom 30.06.04: Schüler der Jahrgangsstufe 12 bei der Springkraut-Verminderung. Das Kraut wurdezum Vertrocknen auf dem Boden an der Stelle ausgebreitet, wo es entfernt wurde.Die Tabelle zeigt die Gesamtergebnisse der Pflanzenbestände aus den Erfassungsfeldernim Juni und September, aus denen sich sehr interessante Aspekteüber Impatiens glandulifera ableiten lassen, die im Folgenden erläutert werden.Etwa ein Drittel der Fläche war am 30.06.04 mit Drüsigem Springkraut überwachsen.Aber auch eine Fülle anderer Pflanzenarten konnte ermittelt werden.Durch den hohen Wuchs und die auffällige Blüte bedingt treten die Springkrautbestän<strong>des</strong>ehr in den Vordergrund, weshalb dem Neubürger häufig eine starkeBedrohung einheimischer Arten nachgesagt wird. Die genaue Untersuchungzeigt jedoch deutlich, dass zumin<strong>des</strong>t bis in den Frühsommer hinein andere Artenwachsen und zur Blüte kommen können. Den Effekt der Beschattung anderer Artenentwickelt das Springkraut erst im Hochsommer, wenn es seine volle Größe erreichthat. Es verdrängt auch dann die anderen Arten nicht vollständig, es ändernsich die Dominanz-Verhältnisse.Eine andere Annahme besagt, dass die einjährigen Springkraut-Bestände ausdau-2


ernde Uferpflanzen zurückdrängen und damit die Erosion der Uferzonen erhöhenwürden. Die <strong>Auswertung</strong> der Daten (siehe Tabelle) zeigt, dass diese Befürchtungfür das schulnahe Lahnufer nicht zutrifft. Die Brennnessel ist dort eine wichtige,dauerhafte Staude der Ufervegetation. Sie nahm im Frühsommer 2004 trotz derNeophyten 21 % <strong>des</strong> erfassten Uferbewuchses ein. Die 1,50 m hohen Brennnesselbeständewaren Ende Juni 2004 ebenso hoch gewachsen wie das Springkraut.Die Erfassungsdaten vom 17.09.04Pflanzen-Art% am30.6.04% am17.9.04Pestwurz 11,00 6,21Große Klette 2,26 8,79Beinwell 1,60 1,47Hain-Sternmiere 2,53 11,47Rote Lichtnelke 0,96 1,42Schlangenknöterich 0,39 0,05Wiesenkerbel 1,60 0Giersch 2,88 0Rohrglanzgras 5,23 5,89Klettenlabkraut 18,00 0,26Brennnessel 21,00 41,43Beifuß 0,30 0Hopfen 0,17 4,53Sumpfkresse 0,35 0,63Mä<strong>des</strong>üß 0,17 0Drüsiges Springkraut 28,30 17,37Gefleckter Schierling 0,33 0Gefleckte Taubnessel 0,00 0Bärenklau, gewöhnlicher 0,00 0Scharfer Hahnenfuss 0,17 0Sauerampfer 0,10 0Zaunwinde 0,89 0,2Kohldistel 0,80 0Echtes Springkraut 0,04 0Rainfarn 0,39 0Stumpfblättriger Ampfer 0,22 0Tabelle: Flächendeckung in %, StandortLahnufer rechts neben dem Holzsteg, näheLTS, Mittelwerte aus 20 Kleinfeldern, am30.6.04 - vor der Reduktion - und am 17.9.04- 2 ½ Monate nach der Reduktion <strong>des</strong>Springkrautes.zeigen deutlich, dass das Springkrautsich im Frühsommer in eineüppige, ausdauernde Vegetationeingefügt hatte und mit einer Pflanzenartum die ökologische Nischekonkurrierte, die ihrerseits schwächereArten überwuchert.Nach der Reduzierung der Springkrautbeständehaben sich die Dominanzverhältnissedeutlich zugunstender Brennnesseln verschoben, dieim September über 40 % der Vegetationauf der Untersuchungsflächeausmachten. Die Artenvielfalt istdurch die Verschiebung der Vorherrschaftauf die Brennnessel nicht begünstigtworden.Die Springkrautbestände konnten inder Summe nur mäßig vermindertwerden. Auch im September warnoch knapp ein Fünftel der Flächevon Springkraut bewachsen, allerdingsließen sich hier große Unterschiedezwischen den bearbeitetenFeldern feststellen. Besonders aufden leicht beschatteten Erfassungsfeldernwaren am Aktionstag vieleSpringkraut-Pflanzen noch sehrklein, wenige Zentimeter hoch, sodass sie beim Ausreißen übersehenwurden. Auf diesen Feldern konnteim September ein Springkrautbewuchsvon bis zu 40 % festgestelltwerden. Die Parzellen, die im Junibereits überwiegend hoch gewachsene,leicht zu identifizierende undproblemlos zu entfernende Pflanzenaufwiesen, ließen die Effekte derVerminderung <strong>des</strong> Springkrauts3


deutlicher erkennen. Auf solchen Feldern war nur noch ein Springkraut-Anteil von 2bis 8 % erkennbar, die Brennnessel dagegen dominierte in diesen Bereichen mitbis zu 70 % Flächendeckung.Larven <strong>des</strong> Tagpfauenauges und Kleinen Fuchses ernähren sich in den MonatenMai bis Juli ausschließlich von der Brennnessel. Da das Springkraut aber erst imJuli allmählich die Brennnessel zu überschatten beginnt, ist die Populationsentwicklungder Schmetterlinge nicht beeinträchtigt. Für Tiere, besonders für Hummelnund Bienen, hat Impatiens glandulifera mit seinem reichen Nektarangebotsogar eher vorteilhafte Wirkungen.Eine dritte Bestandsaufnahme ist im Juni 2005 geplant. Es soll überprüft werden,ob die Reduzierung <strong>des</strong> Springkrauts am Lahnufer im Sommer 2004 einen Effektauf die Bestandsdichte der verschiedenen Arten in 2005 hat. Wir erwarten, dasssich das Balsaminengewächs trotz der Verminderung in gleicher Stärke wie imVorjahr entwickeln wird, da jede Pflanze durchschnittlich 3000 Samen pro Jahrproduziert und da die Samen über die Lahn und besonders das Lahnhochwasserangespült werden.Als Fazit lässt sich feststellen, dass einerseits die Verdrängungskraft <strong>des</strong> DrüsigenSpringkrauts leicht überschätzt werden kann und andererseits in Gebieten, diestark von Impatiens glandulifera besiedelt sind, eine Ausrottung der Art kaum zuerreichen ist. Gerne besiedelt das Springkraut offene und durch Bauarbeiten entstandeneFlächen, wie es sich am neu angelegten Lahnarm, der Ausgleichsmaßnahmefür die Umgehungsstraße, beobachten lässt. Neophyten sind oftmals einHinweis auf Störungen in der Landschaft und nicht deren Ursache. Insgesamt giltMitteleuropa als Durchmischungsraum unterschiedlicher Pflanzen- und Tiergesellschaften,in dem ein von Neobioten ausgehen<strong>des</strong> Gefahrenpotential als geringeranzusehen ist, als auf isolierten Inseln mit zahlreichen endemischen Arten. Vieleheute gefährdete Arten der roten Liste waren ursprünglich, vor 1000 oder 2000Jahren, gebietsfremd. Heute gelten solche Archäophyten, Pflanzen die sich vor1492 neu angesiedelt haben, als besonders wertvoll und schützenswert. Ein alsbedroht eingestufter Archäophyt, das aus dem Vorderen Orient stammende A-ckerwildkraut Kornrade (Agrostemma githago), wurde 2003 von der Stiftung zumSchutze gefährdeter Pflanzen sogar zur Blume <strong>des</strong> Jahres erkoren.So könnte eines Tages vielleicht auch das Drüsige Springkraut als farbenprächtigeBereicherung der Ufervegetation angesehen werden.______________________________________________________________Quellen und Literatur:Bayerische Lan<strong>des</strong>anstalt für Wald und Forstwirtschaft: Neue Arten in Bayern, Bereicherung oder Bedrohungfür unsere Wälder. LWF Aktuell Nr. 45. 2004. S. 32Bayerische Lan<strong>des</strong>anstalt für Wald und Forstwirtschaft: Fremdländische Baumarten - (Un)beliebte Dauergäste.„Fremde Pflanzenarten: Gefährliche Immigranten oder bereichernde Neubürger“. LWF aktuellNr. 20. 1999Bun<strong>des</strong>amt für Naturschutz: http://www.floraweb.de/neoflora/handbuch/impatiensglandulifera.html.Abs. 3Bun<strong>des</strong>amt für Naturschutz: Gebietsfremde Arten. Positionspapier <strong>des</strong> Bun<strong>des</strong>amtes für Naturschutz.BfN-Skripten 128. Bonn, Bad Go<strong>des</strong>berg 2005. S. 14 u. 17Kowarik, Ingo: Biologische Invasionen: Neophyten und Neozoen in Mitteleuropa. Ulmer Verlag, 2003Stiftung zum Schutze gefährdeter Pflanzen: http://www.stiftung-naturschutz-hh.de/blume/2003.htm4

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