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Das internationale Jahr<br />
Der WälDer – ein ö1-WissenschaFtsschWerPunKt<br />
martin bernhoFer,<br />
WissenschaFtsreDaKtion<br />
Grüne Lunge, Jagdrevier, Holzfabrik,<br />
Wasserspeicher, Lawinenabwehr,<br />
Erholungsraum: Nicht<br />
über seine funktionen allein ist<br />
der Wald zu begreifen. forsthistoriker<br />
und Naturschützer, Volkskundler<br />
und Poeten, Komponisten<br />
und Landschaftsmaler haben<br />
unzählige Ansichten dieses Biotops<br />
entworfen: ein natürliches<br />
Phänomen, das vielfach bedroht<br />
erscheint, aber auch ein Mythos<br />
und »Wunderwerk«, in dem sich<br />
Natur und Kultur als Spiegel der<br />
Gesellschaft verbinden.<br />
Bewusstsein und Wissen über die<br />
Erhaltung und nachhaltige Entwicklung<br />
von Wäldern zu fördern war das Ziel des<br />
von den Vereinten Nationen ausgeru-<br />
fenen »Internationalen Jahres der Wälder<br />
2011«. Die Wissenschaftsredaktion<br />
von Ö1 gestaltete dazu einen Jahresschwerpunkt,<br />
der sich mit dem »Naturerlebnis<br />
Wald«, dem Wald als Reservat<br />
der Biodiversität, wirtschaftlichen und<br />
entwicklungspolitischen Konflikten um<br />
den Verlust von Waldflächen und der<br />
Rolle des Waldes für den Klimaschutz<br />
befasste.<br />
Der größte Urwald Europas ist der<br />
Rothwald in Niederösterreich – südlich<br />
des Dürrensteins. Eine 460 Hektar<br />
große Fläche, die in den vergangenen<br />
12.000 Jahren von menschlichen Ein-<br />
griffen unbehelligt blieb. Das unter<br />
strengem Naturschutz stehende Gebiet<br />
darf bis auf wenige Ausnahmen nicht<br />
betreten werden. Da es nur wenige<br />
dieser Urwälder gibt, sucht die Naturwaldforschung<br />
hier nach wertvollen<br />
Aufschlüssen, wie dieses ursprüngliche<br />
System funktioniert. Wie wirkt es sich<br />
auf die Dynamik des Waldes aus, wenn<br />
Bäume kleinräumig absterben? Welche<br />
Rolle spielen Kleinsäugetiere bei der<br />
ökologischen Verjüngung? Was unter-<br />
scheidet den Urwald als Lebensraum<br />
von anderen Wäldern? In einer »Dimen-<br />
sionen«-Dokumentation wurde der<br />
Rothwald als lebendiges Forschungslabor<br />
porträtiert, in dem auch die Wissenschaft<br />
Grenzen einhalten muss.<br />
Die Fläche des Waldes in Österreich<br />
nimmt heute wieder zu. Was wurde also<br />
aus dem viel beklagten Waldsterben der<br />
1980er Jahre? Eine Hauptursache dafür<br />
waren Schwefeldioxid-Emissionen, die<br />
seither drastisch reduziert werden<br />
konnten. Immerhin eines der Umweltprobleme<br />
der vergangenen Jahrzehnte,<br />
das inzwischen als bewältigt gilt.<br />
Weitgehend ungeklärt ist aber noch, wie<br />
gut sich auch der Waldboden von den<br />
Schwefeleinträgen bereits erholt hat.<br />
Eine neue Herausforderung sind die<br />
Folgen des Klimawandels. Viele Bäume<br />
leiden heute unter Schädlingen, die erst<br />
vor wenigen Jahren aufgetreten sind<br />
und sich seither massiv vermehren. An<br />
manchen Standorten sind ganze Waldflächen<br />
davon bedroht. Die Auswahl der<br />
richtigen Baumarten stellt den Waldbau<br />
in Österreich vor neue Herausforderungen.<br />
So leiden Fichten, die im Bestand<br />
dominieren, besonders unter Hitze und<br />
Trockenheit, die mit größerer Erwärmung<br />
einhergehen. Strukturelle Vielfalt<br />
an Baumarten wird für die Zukunft der<br />
Wälder immer wichtiger, wie die Beiträge<br />
zum Ö1-Wissenschaftsschwerpunkt<br />
gezeigt haben.<br />
»Verwaltete Ressource und geplante<br />
Wildnis« war das Thema eines »Radio-<br />
kollegs«, das die Geschichte des moder-<br />
nen Waldes nachzeichnete. Wälder sind<br />
für viele Menschen immer noch Sinnbild<br />
einer »ewigen«, unwandelbaren<br />
Natur. Manche Waldtypen entsprechen<br />
auch heute noch dem ursprünglichen<br />
Bewuchs. Die für einen Wald charakteristischen<br />
Lebensgemeinschaften<br />
von Pflanzen und Tieren waren aber<br />
permanenter Veränderung unterworfen.<br />
So kann der heutige Waldzustand in<br />
42<br />
Europa kaum noch als »natürlich« bezeichnet<br />
werden. Er ist Ergebnis eines<br />
langwierigen Prozesses, der immer<br />
von einem Widerstreit der Interessen<br />
bestimmt war. Die Methode der Forst-<br />
wirtschaft, nur so viel an Holz zu entnehmen,<br />
wie an diesem Rohstoff nachwachsen<br />
kann, liegt dem vorsorgenden<br />
Prinzip der Nachhaltigkeit zugrunde.<br />
Ein Modell des ressourcenschonenden<br />
Umgangs mit der Natur, das die Inter-<br />
essen künftiger Generationen berück-<br />
sichtigt. Heute kann man auf Land-<br />
wirtschaftsmessen Maschinen bestaunen,<br />
die einen in sechzig Jahren herangewachsenen<br />
Fichtenstamm in sechzig<br />
Sekunden zu Hackschnitzeln für Biogasanlagen<br />
zerkleinern.<br />
»Auf Holz geklopft« wurde in einem<br />
»Musikradiokolleg« über den Wert<br />
»klingender Jahresringe«. Klangholzsäger,<br />
Holzwissenschafter und Instrumentenbauer<br />
erzählten, welche Eigenschaften<br />
in Hölzern die besten Vibrationen und<br />
damit die gewünschten Klangqualitäten<br />
hervorbringen. Zu abwechslungsreichen<br />
akustischen Expeditionen in den »Kos-<br />
mos Wald« lud schließlich die Sende-<br />
reihe »Vom Leben der Natur« ein: Die<br />
»Speisekammer der Jahreszeiten«,<br />
essbare Pflanzen aus dem Auwald, der<br />
Besuch in einem Familienforstbetrieb<br />
im steirischen Eisenerz, Waldameisen<br />
als »Koloniebewohner mit auffälligen<br />
Hügelnestern« und die »Stockwerke des<br />
Waldes«, von der Wurzelschicht bis zum<br />
Kronendach, erschlossen Wälder als<br />
Orte einer Begegnung mit der Natur, die<br />
sinnliches Erleben mit neuem Wissen<br />
verbindet. Wo könnte Biodiversität auch<br />
besser erfahren und bewusster gemacht<br />
werden als in diesem Lebensraum, der<br />
immerhin zwei Drittel aller bekannten<br />
Tier- und Pflanzenarten beherbergt? •<br />
»Vielfalt an Baum-<br />
arten wird für die<br />
Zukunft der Wälder<br />
immer wichtiger, wie<br />
die Beiträge zum Ö1-<br />
Wissenschaftsschwerpunkt<br />
gezeigt haben.«<br />
VErtrauEn sErViCE untErhaltung WissEn VErantWOrtung<br />
indiViduEllEr WErt