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Booklet - Strunz! Enterprises

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Wenn du das Konzert von 1966 heute hörst – was löst das bei dir aus?Jedes Kunstwerk ist naturgemäß an seine Entstehungszeit gekoppelt und seineBedeutung ändert sich mit dem sich verschiebenden Rezeptionsblickwinkel spätererEpochen. In dem Maße wie es an zeitbezogener (Spreng)-Kraft verliert,erhöht sich sein Wert als Medium, das uns historische Einblicke eröffnet. Mirwürde eine öffentliche Piano-Zerstörung heutzutage als eine Art Abreaktions-Folklore erscheinen. Die Entscheidung, Destruktion als Medium in die Kunst einzuführen,war nur deshalb von so radikaler Schärfe, weil sie genau zu dem damaligenZeitpunkt der folgerichtige Schritt in der sich vollziehenden Moderne war.Einerseits suchte man nach adäquaten künstlerischen Ausdrucksformen, die denapokalyptischen Katastrophen der ersten Jahrhunderthälfte Rechnung tragen,andererseits befand man sich am Beginn eines Befreiungswahns auf allenEbenen. Der neue antiautoritäre Mensch, der Horizont einer von jeglichenZwängen befreiten Gesellschaft, schien zum Greifen nahe und dieseHalluzinationen setzten ungeheure Energien frei. Jedwede Struktur wurde alsautoritär empfunden und deren Zerstörung schien eine Wollust auszulösen, diewir heute nur noch erahnen können. Ich fühle mich an die nietzscheanischegroße Geste erinnert, an den Pathos von Zarathustras Ausruf: “Zerbrecht mir, ihrErkennenden, die alten Tafeln!”. Für uns, die wir einer Zeit angehören, in der nurnoch einige Possenreißer oder Nostalgiker in das utopische Horn blasen, hat sichhingegen die Gewissheit durchgesetzt, das jede Befreiungsbewegung zugleicheinen Schritt nach vorn und den Auftakt zu einem Niedergang darstellt, so dasswir von derartiger Euphorie radikal geheilt zu sein scheinen.Das Piano Destruction Concert würde wohl ins musikalische Kuriositätenkabinettgehören, wenn es sich allein in diesem Kontext erschöpfte. Für mich enthält dasKunstwerk aber Motive, die über die künstlerische Debatte der 1960er Jahre hinausweisen.Die Konfrontation mit dem Gewaltpotential des Menschen, die Ortizvorführt und intendiert, ist eine zeitübergreifende Konstante. Der brachialenIntensität der Töne, die Ortiz dem Piano abringt, indem er es vergewaltigt,

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