GrundsätzeFortsetzungWIRKUNG DER DROGENPOLITIK AUF DIEHIV-PRÄVALENZ BEI DROGENINJIZIERENDEN INDER LETZTEN ZEIT 9UKSchweizDeutschlandAustralienUSAPortugalMalaysiaFrankreichStichprobe von Län<strong>der</strong>n, die konsequent umfassendeSchadenmin<strong>der</strong>ungsstrategien umgesetzt haben:0 5 10 15 20 25 30 35 40 45% HIV-Prävalenz bei DrogeninjizierendenStichprobe von Län<strong>der</strong>n, die teilweise o<strong>der</strong> erstspät im Verlauf <strong>der</strong> Epidemie Schadenmin<strong>der</strong>ungsstrategieneingeführt haben:0 5 10 15 20 25 30 35 40 45% HIV-Prävalenz bei DrogeninjizierendenStichprobe von Län<strong>der</strong>n, die sich trotz dem Auftretenvon intravenösem Drogenkonsum und gemeinsamemSpritzengebrauch einer breitflächigen Umsetzungvon Schadenmin<strong>der</strong>ungsstrategien konsequent wi<strong>der</strong>setzthaben:In Län<strong>der</strong>n, die frühzeitig Strategien zur Schadenmin<strong>der</strong>ung undzum Schutz <strong>der</strong> öffentlichen Gesundheit eingeführt haben, werdenbei den Drogeninjizierenden anhaltend tiefe Raten <strong>der</strong> HIV-Übertragungverzeichnet. In ähnlicher Weise konnten die Län<strong>der</strong>, die<strong>der</strong> zunehmenden HIV-Prävalenz unter den Drogeninjizierendenmit <strong>der</strong> Einführung von Schadenmin<strong>der</strong>ungsprogrammen begegnetsind, die weitere Ausbreitung von HIV erfolgreich eindämmen undverringern. Umgekehrt verzeichnen viele Län<strong>der</strong>, die <strong>der</strong> zunehmendenHIV-Übertragung im Zusammenhang mit dem Drogenkonsummit Repression und Abschreckung begegneten, die höchsten HIV-10, 11, 12Raten unter den Drogenkonsumierenden.Ähnlich problematisch ist ein undifferenziertes Vorgehen gegenden «illegalen Drogenhandel». Viele Menschen, die am Drogenmarktbeteiligt sind, sind selbst drogenabhängig o<strong>der</strong> Opfer vonGewalt und Einschüchterung. Ein Beispiel für dieses Phänomensind die Drogenkuriere, die in <strong>der</strong> Versorgungs- und Lieferkette anvor<strong>der</strong>ster Front stehen und die gefährlichsten Aufgaben übernehmen.Im Gegensatz zu jenen, die die Drogenhandelsorganisationenleiten, haben diese Personen in <strong>der</strong> Regel kein lange und von Gewaltgeprägte kriminelle Vergangenheit. Einige betätigen sich inerster Linie im Drogenhandel, um ihre eigene Drogenabhängigkeitzu finanzieren. Wir sollten nicht alle, die wegen Drogenhandelsfestgenommen werden, als gleich schuldig behandeln. Viele werdenzu <strong>der</strong>artigen Handlungen gezwungen o<strong>der</strong> durch ihre eigeneAbhängigkeit o<strong>der</strong> ihre wirtschaftliche Situation zu verzweifeltenMassnahmen getrieben. Es ist nicht angemessen, diese Menschengleich zu bestrafen wie die Mitglie<strong>der</strong> gewalttätiger Gruppen desorganisierten Verbrechens, die den Markt kontrollieren.Schliesslich werden Drogenabhängige in vielen Län<strong>der</strong>n immernoch bestraft und stigmatisiert. In Wirklichkeit ist eine Drogenabhängigkeiteine komplexe gesundheitliche Störung, die verschiedeneUrsachen hat: soziale, psychische und körperliche (zum Beispielschwierige Lebensbedingungen, erlebte persönliche Traumen o<strong>der</strong>emotionale Probleme). Versuche, diese komplexe Störung durchBestrafung zu beseitigen, sind zum Scheitern verurteilt – viel erfolgversprechen<strong>der</strong>ist es, verschiedene evidenzbasierte Drogentherapienanzubieten. Län<strong>der</strong>, die ihre Drogenabhängigen nichtals Kriminelle behandeln, die bestraft werden müssen, son<strong>der</strong>nals behandlungsbedürftige Patientinnen und Patienten, haben inverschiedener Hinsicht sehr positive Ergebnisse erzielt: Verringerung<strong>der</strong> Kriminalität, Verbesserung des Gesundheitszustands undÜberwindung <strong>der</strong> Abhängigkeit.ThailandRussland0 5 10 15 20 25 30 35 40 45% HIV-Prävalenz bei Drogeninjizierenden6Weltkommission für Drogenpolitik
KEINE KRIMINELLEN, SONDERN KRANKE MENSCHEN:EIN MENSCHLICHERER UND ZUGLEICH WIRKSAMERER ANSATZFallstudie 1: Schweiz 13Fallstudie 2: Vereinigtes Königreich 15Als Reaktion auf die unübersehbaren gravierenden Drogenprobleme,die sich in den 1980er-Jahren im ganzen Land entwickelten,führte die Schweiz ein Bündel von neuen politischen Handlungskonzeptenund Programmen ein (einschliesslich von Programmenzur Heroinsubstitution), die statt auf Kriminalisierung auf denSchutz <strong>der</strong> öffentlichen Gesundheit ausgerichtet waren. Die konsequenteUmsetzung dieser Politik hatte zur Folge, dass die Zahl<strong>der</strong> Heroinabhängigen insgesamt abnahm, und hatte verschiedeneweitere positive Auswirkungen. In einer zentralen Studie 14 wurdendie folgenden Ergebnisse festgestellt:Im Vereinigten Königreich wurde eine Untersuchung zu den Auswirkungen<strong>der</strong> Politik durchgeführt, die auf eine Verlagerung von<strong>der</strong> Haft in Therapieprogramme ausgerichtet ist. Diese Forschungsarbeithat klar gezeigt, dass die Delinquenz im Anschluss an eineBehandlung abnahm. Zusätzlich zu Täterbefragungen wurden indiesem Fall auch Daten aus <strong>der</strong> Kriminalitätsstatistik <strong>der</strong> Polizeibeigezogen. Die Untersuchung zeigt, dass die Zahl <strong>der</strong> Anklagen,die gegen 1476 Drogenkonsumierende erhoben wurden, in den Jahrennach <strong>der</strong> Aufnahme <strong>der</strong> Behandlung gegenüber den vorangegangenenJahren um 48 Prozent abnahm.Die Heroinsubstitution war auf Personen mit einem beson<strong>der</strong>sproblematischen Konsum ausgerichtet (schwer Heroinabhängige).Dabei wurde davon ausgegangen, dass 3000 Abhängige jenen 10bis 15 Prozent <strong>der</strong> Heroinkonsumierenden in <strong>der</strong> Schweiz entsprechen,denen 30 bis 60 Prozent <strong>der</strong> Heroinnachfrage auf dem illegalenMarkt zuzuschreiben ist. Diese Personen, die stark am Drogenhandelund an an<strong>der</strong>en Formen <strong>der</strong> Kriminalität beteiligt waren,dienten auch als Bindeglied zwischen dem Grosshandel und denDrogenkonsumierenden. Da diese schwer Abhängigen eine stabile,legale Möglichkeit fanden, ihre Sucht zu befriedigen, ging <strong>der</strong> illegaleDrogengebrauch ebenso zurück wie ihr Bedarf, mit Heroin zudealen und an<strong>der</strong>en kriminellen Tätigkeiten nachzugehen.Das Heroinsubstitutionsprogramm wirkte sich in dreifacher Hinsichtauf den Drogenmarkt aus:• Es senkte den Konsum bei den Personen mit dem höchsten Konsumdeutlich, und diese Verringerung <strong>der</strong> Nachfrage wirkte sichauf die Lebensfähigkeit des Marktes aus. (Zum Beispiel wurden1990 in Zürich 850 neue Abhängige verzeichnet. Bis 2005 sankdie entsprechende Zahl auf 150.)• Das Programm verringerte das Ausmass <strong>der</strong> Beschaffungskriminalität.(Zum Beispiel nahmen die Vermögensdelikte, die vonTeilnehmerinnen und Teilnehmern des Programms begangenwurden, um 90 Prozent ab.)• Da die lokalen Drogenabhängigen und Dealer nicht mehr zur Verfügungstanden, wurde es für gelegentlich Konsumierende in <strong>der</strong>Schweiz schwierig, mit Verkäufern in Kontakt zu kommen.16, 17, 18Fallstudie 3: Nie<strong>der</strong>landeVon allen EU-15-Län<strong>der</strong>n weisen die Nie<strong>der</strong>lande den tiefsten Prozentsatzan Personen auf, die Heroin injizieren. Zudem verzeichnensie keinen neuen Zustrom von Personen mit problematischem Konsum.Heroin spricht die meisten Jugendlichen nicht mehr an undgilt als Droge, die in eine Sackgasse führt. Die Zahl <strong>der</strong> Personenmit problematischem Heroinkonsum ist deutlich zurückgegangenund das Durchschnittsalter <strong>der</strong> Konsumierenden hat sich erheblicherhöht. Die nie<strong>der</strong>schwelligen Therapie- und Schadenmin<strong>der</strong>ungsangebote,die in breitem Umfang verfügbar sind, umfassen dieSpritzenabgabe und die Verschreibung von Methadon und Heroinunter strengen Bedingungen.Es wurde festgestellt, dass die ärztliche Heroinverschreibung inden Nie<strong>der</strong>landen zu einem Rückgang <strong>der</strong> Kleinkriminalität und <strong>der</strong>Störung <strong>der</strong> Allgemeinheit geführt hat und positive Auswirkungenauf die Gesundheit <strong>der</strong> Menschen hat, die mit einer Abhängigkeitkämpfen. 2001 wurde die Zahl <strong>der</strong> Heroinabhängigen in den Nie<strong>der</strong>landenauf 28 000 bis 30 000 geschätzt. Bis 2008 sank diese Zahlauf 18 000. In <strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> Opiatkonsumierenden in den Nie<strong>der</strong>landenist ein Alterungsprozess festzustellen; auch <strong>der</strong> Anteil <strong>der</strong>jungen Opiatkonsumierenden (15- bis 29-Jährige), die wegen Drogenabhängigkeitin Behandlung sind, ist zurückgegangen.Weltkommission für Drogenpolitik 7