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Leseprobe: Theo Sommer 1945 - Rowohlt

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Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, räumte in seinem<br />

Neujahrsartikel in «Das Reich» zwar ein, der Führer gehe leicht<br />

gebeugt, was vom vielen Studium der Karte komme, auch sei sein<br />

Haar ergraut. Doch sei es eine Lüge, wenn die Feinde Gerüchte über<br />

sein Kranksein ausstreuten: Er sei gesund, sein Auge strahle jugendlich.<br />

Den Silvesterabend verbrachte Hitler in seinem Privatbunker.<br />

Wieder einmal zog er die feucht-fröhliche Runde seiner engsten<br />

Gefolgsleute stundenlang in seinen Bann, wie Speer berichtet. In<br />

zweiundzwanzigstündiger Autofahrt, immer wieder gezwungen, vor<br />

angreifenden Tieffliegern Deckung zu suchen, war der Rüstungsminister<br />

von Berlin hergeprescht. Zwei Stunden nach Mitternacht traf<br />

er im Führerbunker ein. Plastisch schildert er in seinen Erinnerungen<br />

die gespenstische Neujahrsszene im Taunus-Hauptquartier: «Ich kam<br />

nicht zu spät: Adjutanten, Ärzte, Sekretärinnen, Bormann – sie alle,<br />

außer der hohen Generalität des Führerhauptquartiers, waren bei<br />

Champagner um Hitler versammelt. In der vom Alkohol aufgelockerten,<br />

aber gleichwohl gedämpften Stimmung schien Hitler als der<br />

einzige, auch ohne stimulierendes Getränk, trunken und von einer<br />

chronischen Euphorie erfaßt. Obwohl der Beginn eines neuen Jahres<br />

die verzweiflungsvolle Lage des vergangenen nicht auslöschte, schien<br />

Erleichterung darüber zu herrschen, wenigstens auf dem Kalender<br />

neu beginnen zu können. Hitler machte für <strong>1945</strong> optimistische Prognosen:<br />

der gegenwärtige Tiefpunkt sei bald überwunden, am Ende<br />

würden wir siegreich sein. Die Runde nahm es schweigend auf. Nur<br />

Bormann stimmte Hitler begeistert zu. Nach über zwei Stunden ...<br />

sah sich seine Gemeinde, darunter auch ich, trotz aller Skepsis in eine<br />

zunehmende Sorglosigkeit versetzt: er verfügte nach wie vor über<br />

seine magischen Fähigkeiten.» 4<br />

Bei Joseph Goebbels gab es am Silvesterabend in Berlin Kartoffelsuppe<br />

und eine zähe Gans, gespendet von Schlesiens Gauleiter<br />

Hanke. Es wurden ernste Gespräche geführt: An Soldaten fehle es,<br />

argumentierte Goebbels, nicht an Waffen, wie Speer immer behaupte.<br />

«Weil wir nicht genug Soldaten haben, müssen wir immer<br />

neue Rückzüge antreten.» Fünf vor zwölf füllte der Kammerdiener<br />

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