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Der Blick über den Tellerrand – Foodbanks in Europa, Lebensmittelbanken in Deutschland Der Bundesvorstand der Tafeln Deutschlands hat aus gegebenem politischem Anlass und als Auftrag der Mitgliederversammlung 2004 den Kontakt zu den Europäischen Foodbanks aufgenommen und die Vorbereitungen zum Aufbau dieser Einrichtungen auch in Deutschland aufgenommen. Was verbirgt sich hinter diesem neuen Wort, was sind die Foodbanks? Eine Foodbank ist der Zusammenschluss von mehreren sozialen Wohltätigkeitsorganisationen in einer Region, die als Gründer und gleichberechtigte Partner eine Foodbank betreiben. Kostenlose Lebensmittelgroßspenden verschiedener Herkunft werden an soziale Einrichtungen weitergeben und dort an bedürftige Menschen verteilt. Die Wohltätigkeitsorganisationen sind gleichzeitig Mitglieder der jeweiligen Foodbank. Alle Mitglieder unterliegen den gleichen Regeln, die sich vor allem auf den Umgang und die Lagerung der Lebensmittel und das Dokumentationsverfahren beziehen. Soziale Einrichtungen können für die Personenkreise Lebensmittel erhalten, für die es keine Zuzahlungen (z. B. Pflegesätze oder Subventionen) gibt. Welcher Unterschied besteht zwischen den Tafeln und einer Lebensmittelbank? Die Tafeln in Deutschland arbeiten bereits in einem stabilen Netzwerk, das dem System der Foodbanks sehr ähnlich ist. Der wesentliche Unterschied zu den Tafeln besteht darin, dass die Lebensmittelbanken (Foodbanks) eine größere Menge an gespendeten Lebensmitteln ordern und verteilen können – sie fungieren sozusagen als „Großmarkt“ für karitative Einrichtungen. Sie haben keinen Kontakt zu bedürftigen Menschen. Verschiedene Tafeln haben sich in der Vergangenheit als wahre Logistik – Profis bewährt. Sie haben die Annahme und Verteilung von Großmengen übernommen und sind damit oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit gegangen. Die Lebensmittelbanken können diese Tafeln entlasten und trotzdem für die Bereitstellung von ausreichenden Lebensmitteln sorgen. Die Tafeln vor Ort sind gleichberechtigte Mitglieder in der Lebensmittelbank (zur Mitgliedschaft ist keine Tafel verpflichtet – wenn sie sich dafür entscheidet, dann ist sie ein Mitglied neben anderen Wohltätigkeitsorganisationen). Der Tätigkeitsbereich der Tafeln wird durch die Existenz der Lebensmittelbanken nicht behindert. Die Tafeln bleiben wichtige Einrichtungen, die die überschüssigen Lebensmittel vor Ort einsammeln und den direkten Kontakt zu den Bedürftigen pflegen. Geschichte der Europäischen Foodbanks Die Geschichte der Europäischen Foodbanks begann im Jahr 1984 in Paris. Die Bedürftigkeit vieler Menschen in Frankreich wird besonders deutlich und eine Gruppe von bereits bestehenden karitativen Organisationen greift eine Idee aus Amerika auf – sie gründen die erste Foodbank in Europa. 1967 wurden die Foodbanks in Amerika und 1981 in Kanada ins Leben gerufen. 1986 vereinigen sich die etablierten Foodbanks Europas zur „European Federation of Food Banks“. Wie sind die Foodbanks strukturiert? In 12 Ländern Europas gibt es 160 Foodbanks (Stand 2003). Frankreich hat mit 79 Einrichtungen den größten Anteil. In Frankreich (Paris) befindet sich der Sitz der Europäischen Förderation, der Präsident heißt Bernhard Dandrel. Jedes Land hat eine eigene Förderation (Dachverband), der wiederum Mitglied in der Europäischen Förderation ist. Die Foodbanks der einzelnen Länder erhalten ihre Namen in der Landessprache: „Banques Alimentaire“ (franz.), „Bancos de Alimentos“ (span.), „Bankow Zywnosci“ (pol.) oder in deutsch – „Lebensmittelbanken“. Die Spenden an die Foodbanks setzen sich wie folgt zusammen: 34 Prozent aus der Agrar- und Lebensmittelindustrie 30 Prozent aus Überschüssen der EU 17 Prozent von Einzelhändlern 11 Prozent aus jährlichen nationalen Sammlungen 8 Prozent aus Rücklaufprodukten der Industrie 8 Feedback 01 2005
Gemüse Grundsätze der Arbeit der Foodbanks Die Foodbanks haben sich folgende Charta (Grundsätze) gegeben: 1. Die Foodbanks kämpfen gegen die Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln. Alle Lebensmittel werden kostenlos abgegeben unter Beachtung der eigenen hohen Ansprüche an die Hygiene und der Vorgaben der Lebensmittelaufsicht. 2. Die Foodbanks verteilen die Lebensmittel nicht direkt an Bedürftige, sondern arbeiten im Netzwerk mit lokalen Wohltätigkeitseinrichtungen, die den Kontakt zu den Bedürftigen haben. 3. Die Tätigkeit der Foodbanks basiert auf dem Willen, aktive und verantwortliche Solidarität zu wecken und zu verbreiten. Der Vorrang des Geldes wird verneint. Durch das Akzeptieren der Abhängigkeit von anderen entscheiden sich die Foodbanks bewusst, Zeuge der Armut zu sein. Mit diesem Wissen im Hintergrund wird die Tätigkeit sichergestellt durch: – materielle Spenden für praktische Ausrüstung – Übernahme der laufenden Kosten durch Dritte – Teilnahme der Wohltätigkeitsorganisationen – Spenden und Zuschüsse 4. Die Foodbanks arbeiten auf ehrenamtlicher Basis und für Wohltätigkeitsorganisationen mit unterschiedlichem geistlichen und humanitären Hintergrund. Die Einhaltung der hygienischen Bestimmungen und Abrechnung in den Foodbanks ist straff organisiert und wird von verschiedenen Stellen (Zoll, Lebensmittelüberwachung, EU, Förderation der Europäischen Foodbanks) kontrolliert. Warum sind die Lebensmittelbanken in Deutschland notwendig? Die Lebensmittelbanken sind in der Lage, die Auswirkungen der zunehmenden Bedürftigkeit vieler Menschen (siehe auch Bericht zum Thema Armut in Deutschland bzw. Armutsbericht der Bundesregierung) abzumildern, in dem sie für noch mehr bedürftige Menschen noch größere Mengen an Lebensmitteln zur Verfügung stellen können. Die Förderation der Europäischen Foodbanks freut sich, dass mit dem Bundesverband Deutsche Tafel e.V. nun auch eine deutsche Institution ihre Absicht erklärt hat, in Deutschland als wirtschaftsstarkes Land – aber mit zunehmender Verarmung in der Bevölkerung – ein solches Foodbank-System mitaufzubauen. ■ Beate Weber-Kehr 01 2005 Feedback 9
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