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GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 1<strong>Grundrechte</strong>Def.: Subjektive Rechte <strong>de</strong>s Einzelnen mit Verfassungsrang, die die Ausübung von Staatsgewaltbegrenzen- <strong>Grundrechte</strong> im formellen und materiellen Sinn sind in Art. 1 - 19 GG enthalten. <strong>Grundrechte</strong>im nur materiellen Sinn (=grundrechtsgleiche Rechte) sind abschließend aufgezählt in Art. 93 INr. 4a GG: (Art. 20 IV, 33, 38, 101, 103, 104).- Freiheitsrechte garantieren, dass <strong>de</strong>r Staat einer bestimmten Person gegenüber eine bestimmteHandlung vornimmt o<strong>de</strong>r unterlässt. (1) Bürgerrechte = Deutschenrechte (ggf. Einfluss <strong>de</strong>s Europarechts);(2) Menschenrechte = Je<strong>de</strong>rmannsrechte- Gleichheitsrechte zielen darauf ab, dass <strong>de</strong>r Staat bestimmte gleichgeartete Fälle gleich behan<strong>de</strong>lt(o<strong>de</strong>r unterschiedliche Fälle ungleich).Funktionen <strong>de</strong>r <strong>Grundrechte</strong> sind:1) subjektive Abwehrrechte2) Objektive Wertentscheidungena) Verfahrensrechteb) Teilhaberechte 1c) Leistungsrechte (S/H Privatschule, Art. 7 IV GG)d) Schutzrechtee) Ausstrahlungswirkung → mittelbare DrittwirkungExkurs: Auswirkungen <strong>de</strong>r <strong>Grundrechte</strong> im Verhältnis zwischen Privaten1. Ansicht: BAG 2 (früher) + SCHWABE: <strong>Grundrechte</strong> wirken unmittelbar auch im zivil- bzw.arbeitsgerichtlichen Verfahren, arg.: Art. 1 III GG, für das Arbeitsrecht: Disziplinierunggesellschaftlicher Macht, die mit staatlicher Macht vergleichbar ist.2. Ansicht: Allg. Meinung: <strong>Grundrechte</strong> haben mittelbare Drittwirkung, Ausstrahlungswirkung,z.B. über die zivilrechtlichen Generalklauseln (§§ 242, 138), arg.: Art. 1 IIIGG „<strong>de</strong>r Staat han<strong>de</strong>lt“ ist kein Argument, siehe Innenrecht; Umkehrschluss ausArt 9 III 2 , 20 IV, 38 I 1 i.V.m. 48 II GG.BVerfG, Urteil v. 15.1.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 – 230, Lüth = BVerfGA 5BVerfG, Beschl. v. 26.2.69, 1 BvR 619/63, BVerfGE 25, 256 – 269, Blinkfüer = BVerfGA 21Vgl. auch die sog. SCHUMANN’sche Formel, nach <strong>de</strong>r ein zivilgerichtliches Urteil dann Verfassungsrechtverletzt, wenn <strong>de</strong>r Gesetzgeber durch eine Norm, die die gerichtliche Konkretisierungzur Norm transformieren wür<strong>de</strong> gegen das Grundgesetz verstoßen wür<strong>de</strong>. (Dagegen sprichtallerdings, dass <strong>de</strong>r Grundrechtsschutz von Zufälligkeiten <strong>de</strong>r gesetzgeberischen Formulierungabhängig wäre)12BVerfG, Urteil v. 18.07.1972, 1 BvL 32, 70 und 25/71, BVerfGE 33, 303 – 358, numerus clausus = BVerfGA 31.BAGE 1, 185 [193 ff.]; jetzt aber BAGE 48, 122 [138 ff.]


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 3Grundrechtsbindung: Fiskalgeltung <strong>de</strong>r <strong>Grundrechte</strong>:1. Privatrechtliche Hilfsgeschäfte2. Erwerbswirtschaftliche Betätigung1. Ansicht: BGH: keine Grundrechtsbindung 82. Ansicht: h.Lit 9 .: Art. 1 III, 20 III GG3. Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben in <strong>de</strong>r Form <strong>de</strong>s Privatrechts (=Verwaltungsprivatrecht)→ Nach allgemeiner Meinung ist die Verwaltung grundrechtsgebun<strong>de</strong>n. 10 Bei mittelbarer Wirkung <strong>de</strong>r <strong>Grundrechte</strong> gibt es logischerweise keinen Gesetzesvorbehalt:Rechtfertigung? → Zuordnung <strong>de</strong>r gegensätzlichen Rechtspositionen durch praktische Konkordanz→ Abwägung; Grundrechtsverletzung durch das Gericht, wenn keine Abwägung getroffen. Gesetzesvorbehalt bei verfassungsimmanenten Schranken? JARASS: [+]Nach a.A. Schutzbereichsbegrenzung: z.B. PIEROTH.Einzelne <strong>Grundrechte</strong>Art 1 I GG – Menschenwür<strong>de</strong>DÜRIG’sche Objektformel: Art I 1 GG verbietet es, <strong>de</strong>n Menschen zum bloßen Objekt <strong>de</strong>s Staates zumachen, o<strong>de</strong>r ihn einer Behandlung zu unterziehen, die seine Subjektsqualität prinzipiell in Fragestellt. 11 (negative Definition)BVerfGE 9, 98; E 57, 250BVerfG, Urteil v. 21.06.1977, 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 – 272, Lebenslange FreiheitsstrafeArt. 1 I GG wirkt auch über <strong>de</strong>n Tod hinaus:BVerfG, Beschluss v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 [194], Mephisto.Ansätze:- christlich-abendländischer Ansatz- Vernunft (Kant/Hegel)- Leistungstheorie (Krawietz)- LuhmannVgl. auch Zwergenweitwurf (VG Neustadt, NVwZ 1993, 98) und Laserdrome (BVerwGE 115, 189ff.; VGH Mannheim, NVwZ-RR 2005, 472 f.; OVG Münster, GewArch 2001, 71 ff.; zum Europarecht:EuGH v. 14.10.2004, Rs. C-36/02Fallbearbeitung bei DEGENHART, Klausurenkurs im Staatsrecht, 2. Aufl. 2003, Rn. 446 ff.;)891011BGHZ 36, 91 [95].Pieroth/Schlink, <strong>Grundrechte</strong>, Rn. 171.Vgl. BGHZ 52, 325; BGHZ 65, 284.BVerfGE 50, 166 [175].


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 4Art 2 I 1 GG – Freie Entfaltung <strong>de</strong>r PersönlichkeitJe<strong>de</strong>s menschliche Tun, „ohne Rücksicht darauf, welches Gewicht <strong>de</strong>r Betätigung für die Persönlichkeitsentfaltungzukommt“ (allgemeine Handlungsfreiheit)BVerfG, Urteil v. 16.01.1957, 1 BvR 253/56, BVerfGE 6, 32 – 45, Elfes = BVerfGA 3.a.A. 1 „Persönlichkeitskerntheorie“: Verhalten, das elementar ist für die geistige und sittliche Entfaltung<strong>de</strong>s Menschen. (HESSE)a.A. 2 Verhalten, das <strong>de</strong>r engeren persönlichen, nicht auf rein geistige und sittliche Entfaltung beschränktenLebenssphäre zuzurechnen ist. (GRIMM, Son<strong>de</strong>rvotum BVerfGE 80, 137 [164 - 170]BVerfG, Beschluss v. 06.06.1989, 1 BvR 921/85, BVerfGE 80, 137 – 164 (-170, abw. Meinung),Reiten im Wal<strong>de</strong> = BVerfGA 75.Art. 2 I i.V.m. 1 I GG – Allgemeines PersönlichkeitsrechtDas allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt „i.S.d. obersten Konstitutionsprinzips <strong>de</strong>r Wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>sMenschen die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen“ 12z.B. Recht am eigenen Bild, Wort; Ehre, informationelle Selbstbestimmung, Resozialisierung, nemo-tenetur-Grundsatz.Art. 2 II 1 GG – Recht auf LebenGeschützt ist die biologisch-physische Existenz einerseits und das geistig-seelische Wohlbefin<strong>de</strong>nan<strong>de</strong>rerseits; nicht geschützt ist das Recht auf Suizid (Selbstbeschädigung fällt in <strong>de</strong>n Schutzbereich<strong>de</strong>s Art. 2 I GG) 13Art. 2 II 1 GG – Recht auf körperliche UnversehrtheitGeschützt sind die menschliche Gesundheit im biologisch-physischen Sinne und das psychischeWohlbefin<strong>de</strong>n gegen Beeinträchtigungen, die zu körperlichen Schmerzen vergleichbaren Wirkungenführen.Art. 2 II 2 GG – Recht auf Freiheit <strong>de</strong>r PersonGeschützt ist die körperliche positive Fortbewegungsfreiheit (h.M. 14 )Nach a.A. ist auch die negative Bewegungsfreiheit erfasst. 1512131415BVerfGE 54, 148 [153].a.A.: P/S Rn. 392.BVerfGE 94, 166 [198]; E 96, 10 [21].P/S Rn. 413.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 5Art 3 I GG – Allgemeiner Gleichheitssatz• Rechtsanwendungsgleichheit (Gerichte / Verwaltung)• Rechtssetzungsgleichheit (Gesetzgeber) wg. Art. 1 III GG, aber Art. 1 III reicht nur soweit,wie die Schutzbereiche <strong>de</strong>r einzelnen <strong>Grundrechte</strong>, Art. 1 III erweitert diesen nicht; an<strong>de</strong>rerseitskann ein Gleichheitssatz überhaupt nur Wirkung entfalten, wenn er auch <strong>de</strong>n Gesetzgeberbin<strong>de</strong>t. → i.E. [+]a) Ungleichbehandlungaa) von wesentlich gleichem → gemeinsamer OberbegriffWesentlich Gleiches liegt vor, wenn zwischen zwei Personengruppen o<strong>de</strong>r Sachverhaltendie Bildung eines gemeinsamen „tertium comparationis“ möglich ist, und dieses Eigenschaftenaufweist, die im wesentlichen übereinstimmen. (gemeinsamer Nenner)bb) durch <strong>de</strong>nselben Träger von Staatsgewaltb) sachlicher Grundaa) Maßstabbb) strenge Prüfung / WillkürverbotGroßzügige Prüfung (Willkürverbot)‣ Ungleichbehandlung von Sachverhalten(z.B. Gebührenregelung von RA’en, keineRechtsbehelfsbelehrung in <strong>de</strong>r ZPO; E 83, 1[22f.]; E 93, 99 [100 ff.])‣ Staat gewährt Leistungen (E 51, 295 [300];BVerwGE 74, 260 [264])‣ Differenzierung bereits im GG angelegt(Beamte, Art. 33 IV, V GG, E 52, 303; Ehe,Art. 6 I GG, E 87, 1, BVerwGE 91, 130 [133f.])‣ komplexe Sachverhalte (Staatshaushalt,E 64, 158 [169], Wirtschaftslenkung, E 50,290 [338])Strenge Prüfung (=neue Formel)‣ Ungleichbehandlung von Personen o<strong>de</strong>rPersonengruppen (Arbeiter – Angestellte,E 90, 46 [56 f.]‣ Annäherung an spezielle Diskriminierungsverbotei.S.d. Art. 3 II und III GG(Beson<strong>de</strong>rs streng: E 92, 53 [69])‣ Spezielles Freiheitsrecht betroffen – in <strong>de</strong>rKlausur in aller Regel <strong>de</strong>r FallRefo: (=äußerste Grenzen gesetzgeberischerFreiheit eingehalten?, nur Verstoß, wenn Ungleichbehandlungoffensichtlich unsachlich ist→ „abwegig“, „hirnrissig“)Refo: (= die Unterschie<strong>de</strong> müssen nach Art undUmfang so sein, dass sie genau diese Ungleichbehandlung<strong>de</strong>cken, VHMK, Zweck, Geeignetheit,Erfor<strong>de</strong>rlichkeit, Angemessenheit) Einordnung <strong>de</strong>s Willkürkriteriums nach <strong>de</strong>r neuen Formel1. Ansicht: h.M.: Verhältnismäßigkeitsprüfung: Legitimer Zweck <strong>de</strong>r Ungleichbehandlung; geeignetund notwendig; angemessenes Verhältnis zw. Ungleichbehandlung und Wert<strong>de</strong>s Zwecks2. Ansicht: a.A.: 16 2 Fallgruppen sind zu unterschei<strong>de</strong>n: Wenn <strong>de</strong>r Gesetzgeber an vorhan<strong>de</strong>neUnterschie<strong>de</strong> anknüpft, liegt <strong>de</strong>r sachliche Grund in <strong>de</strong>n Unterschie<strong>de</strong>n, wie sie nachArt und Umfang bestehen. Schafft <strong>de</strong>r Gesetzgeber dagegen neue Unterschie<strong>de</strong>, somuss das Mittel gemessen an <strong>de</strong>m verfolgten legitimen Zweck geeignet, erfor<strong>de</strong>rlichund angemessen sein.16 Vgl. Huster JZ 1994, 541.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 6Spezielle Gleichheitssätze:, Art. 3 II, III, 6 V, 12 II, 12a II, 33 I, II, 38 I GG‣ ABSTAMMUNG: die natürliche Beziehung <strong>de</strong>s Menschen zu seinen Vorfahren‣ RASSE: Bezieht sich auf Gruppen mit bestimmten vererblichen Merkmalen‣ HEIMAT: örtlicher Bereich, durch <strong>de</strong>n man während <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r- und Jugendjahre geprägt wird‣ HERKUNFT: ständisch-soziale Abstammung und Verwurzelung‣ BEHINDERUNG: Die Auswirkung einer nicht nur vorübergehen<strong>de</strong>n Funktionsbeeinträchtigung, die aufeinem regelwidrigen körperlichen, geistigen o<strong>de</strong>r seelischen Zustand beruht. 17‣ BENACHTEILIGUNG ist eine Maßnahme, die die Situation eines Behin<strong>de</strong>rten wegen <strong>de</strong>ssen Behin<strong>de</strong>rungverschlechtert o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten ohne hinreichen<strong>de</strong>,auf die Behin<strong>de</strong>rung bezogene kompensatorische För<strong>de</strong>rungsmaßnahme. 18 Frauenquote in öffentlichen ÄmternVerfassungsrecht- Art. 33 II GG steht einer Auswahlentscheidung, die an das Geschlecht anknüpft nicht entgegen- Vor Inkrafttreten <strong>de</strong>s Art. 3 II 2 GG nach überwiegen<strong>de</strong>r Ansicht verfassungswidrig 19Art 3 II 2 GG1. Ansicht: Frauenquoten sind verfassungsmäßig- Art. 3 II 2 ist Gruppengrundrecht <strong>de</strong>r Frauen (kollektives Grundrecht auf Gruppenparität 20 ),(feministische Staatsrechtslehre)- Art. 3 II 2 ist gegenüber <strong>de</strong>m Abwehrgrundrecht aus Art. 3 II 1 GG ein spezielles Leistungsgrundrecht(OSTERLOH 21 )2. Ansicht: Frauenquoten sind verfassungswidrig- Kollektive <strong>Grundrechte</strong> sind nur nach Maßgabe <strong>de</strong>s Art. 19 III GG gegeben- Der verfassungsän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Gesetzgeber wollte 22 kein Gruppengrundrecht schaffen: Ein nicht miteiner konkreten Benachteiligung sachlich verbun<strong>de</strong>ner Vorteil ist nicht zulässig- Art. 3 II 2 GG ist nur ein Leistungsgrundrecht auf die Herstellung faktisch günstiger Bedingungenfür die Gleichberechtigung 23 → Leistungsgrundrecht und Abwehrgrundrecht können nichtgegeneinan<strong>de</strong>r ausgespielt wer<strong>de</strong>n.BSchiedsG B90/Grüne, Entscheidung v. 07.11.1998, 98-11, NVwZ-RR 1999, 545 – 546, Frauenquote17181920212223BVerfG NJW 1997, 1062 f.; OVG Lüneburg NJW 1997, 1087 ff.; BVerfG NJW 1998, 131 ff.BVerfG NJW 1998, 131 ff.OVG NW NVwZ 1991, 501.STUPIK, Die Entscheidung <strong>de</strong>s Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis, 1988, S. 67 ff.OSTERLOH, in Sachs, GG, Art. 3 Rn 283 ff.BT-Drucks. 12/6633, S. 6.OVG NW, NVwZ 1996, 495; BAG NJW 1996, 2529.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 7EG-Recht: Rl.: 76/207/EWG v. 9.2.1976 „Gleichbehandlungsrichtlinie“ EuGH NJW 1995, 3109 [3110] – Kalanke → absolute Frauenquote 24Zum „Bremer Gleichstellungsgesetz“ (Vorlage <strong>de</strong>s BAG NZA 1994, 77)- Eine Regelung, die – bei gleicher Qualifikation von Männern und Frauen – Frauen in Bereichen,in <strong>de</strong>nen sie unterrepräsentiert sind, automatisch und damit ausnahmslos <strong>de</strong>n Vorzug gibt, verstößtgegen die Art. 2 I, IV <strong>de</strong>r Richtlinie 76/207/EWG v. 9.2.1976 „Gleichbehandlungsrichtlinie“ EuGH NJW 1997, 3429 [3430] – Marschall → relative FrauenquoteZu § 25 V 2 LBG NW (Vorlage <strong>de</strong>s VG Gelsenkirchen NVwZ 1996, 511)- Eine Regelung, die – bei gleicher Qualifikation von Männern und Frauen – Frauen in Bereichen,in <strong>de</strong>nen sie unterrepräsentiert sind, nur grundsätzlich <strong>de</strong>n Vorzug gibt, Männer aber ausnahmsweisedann zum Zuge kommen lässt, wenn in ihrer Person liegen<strong>de</strong> Grün<strong>de</strong> überwiegen(„Öffnungsklausel“), ist mit Art. 2 IV <strong>de</strong>r Richtlinie 76/207/EWG v. 9.2.1976 „Gleichbehandlungsrichtlinie“vereinbar.Art 4 I GG – Glaubensfreiheit, GewissensfreiheitIm Zusammenhang mit <strong>de</strong>n Art. 136 ff. WRV: „Einheitliches Grundrecht“; „Organisches Ganzes“ 25Glauben umfasst Religion und Weltanschauung. Es geht um eine Gesamtsicht <strong>de</strong>r Welt. Gegenstand<strong>de</strong>r Betrachtung ist die Stellung <strong>de</strong>s Menschen in <strong>de</strong>r Welt, seine Herkunft, sein Ziel, seine Beziehungzu höheren Mächten und tieferen Seinsschichten. 26BVerfG, Beschluss v. 26.06.2002, 1 BvR 670/91, BVerfGE 105, 279 – OshoBVerwG, Urteil v. 27.03.1992, 7 C 21.90, BVerwGE 90, 112-127, Sektenurteil = DVBl. 1992,1038 = DÖV 1992, 877 ff.POSITIVE (INDIVIDUELLE) GLAUBENSFREIHEIT: Freiheit, Glauben zu bil<strong>de</strong>n (=forum internum), zuäußern und <strong>de</strong>mgemäß zu han<strong>de</strong>ln (=forum externum)NEGATIVE (INDIVIDUELLE) GLAUBENSFREIHEIT: Freiheit, nicht zu glauben, einen Glauben nicht zubekennen, sowie glaubensgeleitete Handlungen zu unterlassen. 27 ; Die Freiheit, einer „Demonstrationpositiver Glaubensfreiheit nicht unentrinnbar ausgesetzt zu sein; zwar kein Recht in einer pluralistischenGesellschaft generell von Glaubenssymbolen verschont zu wer<strong>de</strong>n, schon aber im staatlichenUmfeld, BVerfGE 93, 1 [15 f.] – KruzifixIn einer Gesellschaft, die unterschiedlichen Glaubensüberzeugungen Raum gibt, gibt es allerdingskein Recht darauf, von frem<strong>de</strong>n Glaubensbekundungen, kultischen Handlungen und religiösenSymbolen verschont zu bleiben. Allerdings hat <strong>de</strong>r Staat die religiös-weltanschauliche Neutralitätzu wahren und daher muss <strong>de</strong>r Lan<strong>de</strong>sgesetzgeber das Spannungsfeld zwischen <strong>de</strong>r positiven Glaubensfreiheit<strong>de</strong>s Lehrers einerseits und <strong>de</strong>m Erziehungsrecht <strong>de</strong>r Eltern und <strong>de</strong>r negativen Glaubensfreiheit<strong>de</strong>r Schüler an<strong>de</strong>rerseits zu regeln. BVerfGE 108, 282 - Kopftuch24252627Vgl. GIEGERICH, JuS 1997, 39 [40 f.]BVerfGE 70, 138 [167].BVerwG, Urteil v. 27.03.1992, 7 C 21.90, BVerwGE 90, 112 [115], Sektenurteil.BVerfGE 49, 375 [376].


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 8GLAUBENSGEMEINSCHAFT ist <strong>de</strong>r Zusammenschluß mehrerer Personen aufgrund gemeinsamer Anschauungenüber Sinn und Bewältigung menschlichen Lebens. Maßgebend: Selbstverständnis <strong>de</strong>rGemeinschaft, aber auch Objektivierung: Der geistige Gehalt und das äußere Erscheinungsbildmüssen für das Vorliegen einer Religionsgemeinschaft sprechen, BVerfGE 83, 341 [355]. ZahlenmäßigeStärke und soziale Relevanz sind unerheblich, unerheblich ist auch, ob sich <strong>de</strong>r Glaube aufgrundirgendwelcher sittlichen Grun<strong>de</strong>ntscheidungen gebil<strong>de</strong>t hat („Jugendsekten“)GEWISSENSENTSCHEIDUNG ist je<strong>de</strong> sittliche, d.h. an <strong>de</strong>n Kategorien „Gut“ und „Böse“ orientierteEntscheidung, die <strong>de</strong>r Einzelne in einer bestimmten Lage für sich bin<strong>de</strong>nd und unbedingt verpflichtendinnerlich erfährt. 28BVerfG, Beschluss v. 20.12.1960, 1 BvL 21/60, BVerfGE 12, 45 – 62, Kriegsdienstverweigerung,BVerfGA 11.Warnung vor Jugendsekten bzw. Subventionierung Privater gegen Jugendsekten→Der Gesetzesvorbehalt gilt nur für die Aspekte <strong>de</strong>r Glaubensfreiheit, auf die er sich bezieht (Art.136 III 2 , 137 III 1 WRV i.V.m. Art. 140 GG) im übrigen kann auf kollidieren<strong>de</strong>s Verfassungsrechtzurückgegriffen wer<strong>de</strong>n.1. Ansicht: Parlamentsgesetz erfor<strong>de</strong>rlich2. Ansicht: Aufgabe <strong>de</strong>r Bun<strong>de</strong>sregierung zur Vorsorge und politischer Lenkung (nur bei Warnungen,nicht bei Subventionen) Sekten, Zeugen Jehovas / Kirchenglocken / Innenrecht → vgl. VerwR ATVoraussetzung für die Verleihung <strong>de</strong>s KörperschaftsstatusReligionsgemeinschaft, Gewähr <strong>de</strong>r Dauer, Rechtstreue, LoyalitätArt. 5 I 1 GG – Meinungsfreiheit 29MEINUNG: Der Begriff <strong>de</strong>r Meinung wird geprägt durch das Element <strong>de</strong>r Stellungnahme, <strong>de</strong>s Dafürhaltens,Meinens im Rahmen einer geistigen Auseinan<strong>de</strong>rsetzung und ist grundsätzlich weit zuverstehen. 30 Tatsachenbehauptung: Abgrenzung zwischen Meinung und Tatsachenbehauptung ist schwierig,Tatsachen sind Voraussetzungen <strong>de</strong>r Meinungsbildung (=qualifizierter Meinungsbildungsprozeß);Demokratieprinzip. Weil und soweit die Tatsachenbehauptungen nicht zu trennen sind, sind sie vonArt. 5 I 1 GG (mit-)geschützt. → kurz: Meinungsäußerung, Meinungsbildung, Vorfeld von Meinungsbildungund -äußerung.Ausnahme 1): Statistiken, hier kann klar getrennt wer<strong>de</strong>n; 2): Ausschwitzlüge, erwiesen o<strong>de</strong>r wissentlichunwahre Tatsachenbehauptungen können nicht <strong>de</strong>r grundrechtlich geschützten Meinungsbildungdienen.BVerfG, Urteil v. 15.12.83, 1 BvR 209, 269, 362, 420, 440, 484/83, BVerfGE 65, 1 – 72, Volkszählung= BVerfGA 58.Zur Auslegung von Äußerungen im Hinblick auf die Meinungsfreiheit:282930BVerfG, Beschluss v. 20.12.1960, 1 BvL 21/60, BVerfGE 12, 45 [55], Kriegsdienstverweigerung, BVerfGA 11;BVerfGE 127, 173, Wehrpflichtnovelle.Vgl. GRIMM, NJW 1995, 1697; TETTINGER, JuS 1997,BVerfG, Beschluss v. 22.06.1982, 1 BvR 1376/79, BVerfGE 61, 1 – 13, CSU: NPD Europas = BVerfGA 55.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 9a) im Falle einer nachträglichen Sanktion die Deutungsvariante wählen, die von <strong>de</strong>r Meinungsfreiheitumfasst ist. „Vermutung <strong>de</strong>r Zulässigkeit <strong>de</strong>r freien Re<strong>de</strong>“(BVerfGE 93, 266 – Soldaten sind Mör<strong>de</strong>r)b) im Falle eines zukünftigen Unterlassensbegehrens ist die Deutungsvariante zu wählen, die <strong>de</strong>mVerständnis eines unvoreingenommen und verständigem Durchschnittspublikum entspricht.(BVerfG, NJW 2006, 207 – IM-Sekretär)Informationsquellen sind alle Träger von Informationen; allgemein zugänglich sind alle Informationsquellen,die technisch geeignet und bestimmt sind, <strong>de</strong>r Allgemeinheit, d.h. einem individuellnicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen. 31BVerfG, Beschluss v. 03.10.1969, 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71 – 88, Leipziger Volkszeitung =BVerfGA 23.Art. 5 I 2 GG – Pressefreiheit / Rundfunkfreiheit / FilmfreiheitPRESSE: Je<strong>de</strong>s Druckerzeugnis, das zur Veröffentlichung geeignet und zur Verbreitung in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit(an die Allgemeinheit) bestimmt ist, vgl. auch § 7 PresseG NW.BVerfG, Beschluss v. 14.05.1985, 1 BvR 223, 341/81, BVerfGE 69, 315 – 372, Brokdorf =BVerfGA 62. Verhältnis von Art. 5 I 1 und 5 I 2 GG (Meinungs- und Pressefreiheit)1. Ansicht: (Lit., P/S, RN. 571): Pressefreiheit, Art. 5 I 2 GG ist lex specialis → immer und umfassend2. Ansicht: (BVerfGE 85, 1 [11 f.]): Art. 5 I 2 GG schützt die Institution <strong>de</strong>r Presse, nicht einzelne,punktuelle Meinungsäußerungen in <strong>de</strong>r PresseRUNDFUNK: Je<strong>de</strong> an eine Vielzahl von Personen gerichtete Übermittlung von Gedankeninhaltendurch physikalische, insbeson<strong>de</strong>re elektromagnetische Wellen ohne Rücksicht darauf, ob diesedrahtlos o<strong>de</strong>r über Leitungen erfolgen.FILM: Unter Film versteht man eine Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bil<strong>de</strong>rreihen, diezur Projektierung bestimmt sind. Es han<strong>de</strong>lt sich um eine Massenmedium, bei <strong>de</strong>m ein chemischoptischerBildträger in <strong>de</strong>r Öffentlichkeit vorgeführt wird.Schranken <strong>de</strong>s Art. 5 II GGRECHT DER PERSÖNLICHEN EHRE: einfache Gesetze, die die persönliche Ehre schützen, §§ 185 ff.StGB, 12, 823 I BGB i.V.m. allg. PersönlichkeitsrechtALLGEMEINE GESETZE: reicht „generell abstrakt“ ausreichend? Beson<strong>de</strong>re Erwähnung wäre überflüssig,da dann <strong>de</strong>ckungsgleich mit Art. 19 I 1 GG → also: qualifizierter Gesetzesvorbehalt1. Ansicht: Son<strong>de</strong>rrechtslehre: Nicht gegen Meinung als solche, arg.: separate Nennung vonEhrschutz pp. Diese richten sich gera<strong>de</strong> gegen Meinung als solche!2. Ansicht: Abwägungstheorie: Meinungsfreiheit tritt zurück hinter Rechtnormen, die höhereGüter schützen31BVerfG, Beschluss v. 03.10.1969, 1 BvR 46/65, BVerfGE 27, 71 [83], Leipziger Volkszeitung = BVerfGA 23.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 103. Ansicht: BVerfG – gemischte, vermitteln<strong>de</strong> Ansicht: „Allgemeine Gesetze sind die Gesetze,die sich nicht gegen die Äußerung <strong>de</strong>r Meinung als solche richten, die vielmehr <strong>de</strong>mSchutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützen<strong>de</strong>nRechtsguts dienen, <strong>de</strong>m Schutze eines Gemeinschaftswerts, <strong>de</strong>r gegenüber<strong>de</strong>r Betätigung <strong>de</strong>r Meinungsfreiheit <strong>de</strong>n Vorrang hat. 32→ Wechselwirkungslehre (=Schaukeltheorie) → Gegenseitige Beziehung(BVerfG, Urteil v. 15.01.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 – 208 f., Lüth = BVerfGA 5.)Art. 5 III GG – WissenschaftWISSENSCHAFT ist die Gesamtheit „<strong>de</strong>r auf wissenschaftlicher Eigengesetzlichkeit beruhen<strong>de</strong>n Prozesse,Verhaltensweisen und Entscheidungen beim Auffin<strong>de</strong>n von Erkenntnissen, ihre Deutung undWeitergabe“ 33 . Konstitutiv ist die „Wahrheitssuche und die prinzipielle Unabgeschlossenheit <strong>de</strong>sErkenntnisprozesses“. 34 Wissenschaft ist weiterhin <strong>de</strong>r Oberbegriff von Forschung und Lehre. 35FORSCHUNG ist <strong>de</strong>r „ nach Inhalt und Form […] ernsthafte und planmäßige Versuch zur Ermittlung<strong>de</strong>r Wahrheit.“ 36 , abstrakte Wahrheit + systematisches VorgehenLEHRE: Weitergabe <strong>de</strong>r WahrheitBVerfG, Urteil v. 29.05.1973, 1 BvR 424/71 und 325/72, BVerfGE 35, 79 – 148, Hochschulurteil= BVerfGA 33.Exkurs: Rechtfertigung durch Tierschutz: Art. 1 I, 2 I, 20a [arg. 20b], 74 I Nr. 20 GGvor 2002: Kein Verfassungsrang 37 keine Rechtfertigung; nach a.A. Schutzbereichslösung.nach 2002 (G. v. 26.7.2002): Tierschutzprinzip, kein subj. Recht, aber Auswirkungen auf GrundReArt. 5 III GG - KunstMephisto-Entscheidung 38 : materiellen KunstbegriffMATERIELLER KUNSTBEGRIFF: „Das Wesentliche <strong>de</strong>r künstlerischen Betätigung ist die freie schöpferischeGestaltung, in <strong>de</strong>r Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse <strong>de</strong>s Künstlers durch das Mediumeiner bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht wer<strong>de</strong>n“.Anachronistischer Zug 39 : formaler und offener Kunstbegriff.FORMALER KUNSTBEGRIFF: Nach <strong>de</strong>m formalen, typologischen Kunstbegriff liegt das Wesentliche<strong>de</strong>s Kunstwerks darin, dass es an einen bestimmten Werktyp, etwa an die Tätigkeit und die Ergebnisseetwa <strong>de</strong>s Malens, Bildhauens, Dichtens anknüpft.32BVerfG, Urteil v. 15.01.1958, 1 BvR 400/51, BVerfGE 7, 198 [209 f.], Lüth = BVerfGA 5.33BVerfGE 47, 327 [367].34BVerfG NJW 1994, 1781 f.35JARASS/PIEROTH 8 Art. 5 GG Rz. 121 ff.36BVerfGE 35, 79 [113], Hochschulurteil = BVerfGA 33; BVerfGE 47, 327 [367].37BVerwG NVwZ 1998, 853 [855].38BVerfG, Beschluss v. 24.2.1971, 1 BvR 435/68, BVerfGE 30, 173 – 200 = BVerfGA 25.39BVerfG, Beschluss v. 17.7.1984, 1 BvR 816/82, BVerfGE 67, 213 – 231 = BVerfGA 60.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 11OFFENER KUNSTBEGRIFF: Nach <strong>de</strong>m offenen Kunstbegriff liegt das kennzeichnen<strong>de</strong> Merkmal einerkünstlerischen Äußerung darin, dass es wegen <strong>de</strong>r Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts möglichist, <strong>de</strong>r Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiterreichen<strong>de</strong> Be<strong>de</strong>utungenzu entnehmen, so dass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt.(Das BVerfG wen<strong>de</strong>t alle Kunstbegriffe nebeneinan<strong>de</strong>r an!!)Das subjektive Selbstverständnis <strong>de</strong>s Urhebers <strong>de</strong>s zu beurteilen<strong>de</strong>n Werkes kann zwar nicht allein,wohl aber hilfsweise als Kriterium herangezogen wer<strong>de</strong>n. In Zweifelsfällen kann auch auf das Urteileines sachverständigen Dritten zurückgegriffen wer<strong>de</strong>n. 40↝ Sowohl <strong>de</strong>r Werkbereich, als auch <strong>de</strong>r Wirkbereich <strong>de</strong>r Kunst ist von Art. 5 III geschützt 41Art. 6 GG – Ehe und FamilieEHE: ist die auf Dauer angelegte, in <strong>de</strong>r rechtlich vorgesehenen Form geschlossene, grundsätzlichunauflösliche Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau Lebenspartnerschaft:1) Schützt Art. 6 auch die LPart? h.M.: -, Schutz nur über Art. 2 I, da Ehe Verschie<strong>de</strong>ngeschlechtlichkeitvoraussetzt.2) Enthält Art. 6 I ein Abstandsgebot zugunsten <strong>de</strong>r Ehe? e.A.: +, arg. Institutsgarantie 42h.M.: -, Art. 6 I verbietet lediglich die Schlechterstellung 43FAMILIE: ist die Gemeinschaft zwischen Eltern und Kin<strong>de</strong>rn 44Art. 8 GG – VersammlungVERSAMMLUNG ist das Zusammenkommen mehrere Menschen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen,die erfor<strong>de</strong>rliche Zahl liegt irgendwo zwischen 2 (arg. Schutz vor Isolierung), 3 (natürlicherSprachgebrauch) und 7 (vgl. §§ 56, 73 BGB) Personen (str.)GEMEINSAMER ZWECK:1. Ansicht: Gemeinsame Meinungsbildung und –äußerung, Erörterung irgendwelcher Angelegenheitengenügt2. Ansicht: gemeinschaftliche Erörterung und Kundgebung mit <strong>de</strong>m Ziel <strong>de</strong>r Teilhabe an öffentlicherMeinungsbildung (ganz h.M.) 453. Ansicht: Kein bestimmter Inhalt <strong>de</strong>s Versammlungszwecks erfor<strong>de</strong>rlich.FRIEDLICHKEIT:1. Ansicht: Unfriedlich heißt Gewalt i.S.d. § 240 I StGB2. Ansicht: H.M. Unfriedlich verlangt danach, dass die Versammlung einen gewalttätigen undaufrührerischen Verlauf nimmt, vgl. § 5 Nr. 3 VersG.404142434445JARASS/PIEROTH 8 Art. 5 GG, Rz. 106; a.A. M/D-SCHOLZ Art. 5 GG, Rz. 38.BVerfGE 67, 213 [224] = BVerfGA 60; JARASS/PIEROTH 8 Art. 5 GG, Rz. 107.Abweichen<strong>de</strong> Meinung zu BVerfGE 105, 313 - LebenspartnerschaftsgesetzBVerfGE 105, 313 - LebenspartnerschaftsgesetzBVerfGE 10, 59 [66]BVerfG, NJW 2001, 2459 – „Lovepara<strong>de</strong>“


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 12WAFFE:Unter <strong>de</strong>m Begriff „Waffe“ versteht man einen Gegenstand, <strong>de</strong>r geeignet ist zur Verletzung vonPersonen und zur Beschädigung von Sachen und <strong>de</strong>r zu diesem Zweck mitgeführt wird.Art. 9 I GG – VereinigungUnter VEREINIGUNG als Oberbegriff für Vereine und Gesellschaften versteht man <strong>de</strong>n freiwilligen,auf bestimmte Dauer angelegten und ein Min<strong>de</strong>stmaß an Organisation aufweisen<strong>de</strong>n Zusammenschlussnatürlicher o<strong>de</strong>r juristische Personen, die einen gemeinsamen Zweck verfolgen.Persönlicher Schutzbereich str.:1. Ansicht: BVerfG: auf Kollektive anwendbar arg: gera<strong>de</strong> Schutz dieser jur. P. beabsichtigt2. Ansicht: P/S: auf Kollektive nur i.V.m. Art. 19 III GG anwendbar, arg: keine GruppenGR IHK Mitgliedschaft 46 : Positive Vereinigungsfreiheit: Der Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 9 umfasst die privatautonomeGruppenbildung, nicht jedoch die Schaffung öffentlich-rechtlicher Vereinigungen. Die negative Vereinigungsfreiheitist zwar nicht zwingend das negative Spiegelbild <strong>de</strong>s Schutzbereiches, sie könnte durchausweiter reichen, als die positive Vereinigungsfreiheit <strong>de</strong>s Art. 9 GG; <strong>de</strong>nnoch ergibt sich aus Art. 9 II GG,dass öffentlich-rechtliche Vereinigungen nicht von Art. 9 geregelt wer<strong>de</strong>n: Die dort normierten Schrankensind nur auf private Vereinigungen zugeschnitten.BVerfGE 84, 372: Lohnsteuerhilfeverein: „Kernbereichsrechtsprechung“ → z.T. normgeprägtesGrundrecht.Art. 10 I GG – Brief-, Post-, Fernmel<strong>de</strong>geheimnisBRIEF ist je<strong>de</strong> schriftliche Mitteilung zwischen Absen<strong>de</strong>r und einem individuellen EmpfängerPOST ist die Gesamtheit aller <strong>de</strong>r Post übergebenen Sendungen, z.B. Briefe, Pakete, PäckchenFERNMELDEGEHEIMNIS ist <strong>de</strong>r Schutz <strong>de</strong>r Vertraulichkeit von Kommunikation, mittels unkörperlicherSignale.Art. 11 GG – FreizügigkeitUnter FREIZÜGIGKEIT versteht man die Freiheit, an je<strong>de</strong>m beliebigen Ort <strong>de</strong>s Bun<strong>de</strong>sgebiets Aufenthalt(=vorübergehen<strong>de</strong>s Verweilen an einem Ort) und Wohnsitz (=ständiges Nie<strong>de</strong>rlassen aneinem Ort, § 7 I BGB) zu nehmen.Nicht geschützt ist jedoch die Freiheit auf Ausreise und Auswan<strong>de</strong>rung. (BVerfGE 6, 32 – „Elfes“)AUFENTHALT:1. Ansicht: Bestreben zu einem neuen dauerhaften Lebensmittelpunkt zu kommen2. Ansicht: Min<strong>de</strong>stens eine Übernachtung erfor<strong>de</strong>rlich3. Ansicht: Mehr als flüchtiger Aufenthalt4. Ansicht: Min<strong>de</strong>stmaß an Be<strong>de</strong>utung und Dauer (h.M.: arg: i<strong>de</strong>ntitätsbezogene Relevanz, daauch kurzfristiger Besuch elementare Be<strong>de</strong>utung haben kann)46BVerwG, Urteil v. 27.07.1998, 1 C 32.97, NJW 1998, 3510 ff.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 13Art. 12 GG – BerufBERUF ist je<strong>de</strong> auf Dauer angelegte, <strong>de</strong>r Schaffung und Erhaltung <strong>de</strong>r Lebensgrundlage dienen<strong>de</strong>Tätigkeit, die nicht schlechthin sozialschädlich o<strong>de</strong>r verboten ist (str.)Einheitlicher Schutzbereich → einheitliche SchrankenSpezieller Eingriffsbegriff: „objektiv bzw. subjektiv berufsregeln<strong>de</strong> Ten<strong>de</strong>nz“ →spezifischer Berufsbezug3-Stufen-Theorie: Berufsausübung / subjektive Berufswahlregelung / objektive BerufswahlregelungBVerfG, Urt. v. 11.6.1958, 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, 377 – 444, Apothekenurteil = BVerfGA 6.Art. 13 GG – WohnungUnter <strong>de</strong>m Begriff „Wohnung“ versteht man alle Räume, die <strong>de</strong>r allgemeinen Zugänglichkeit entzogenund zur Stätte <strong>de</strong>s privaten Lebens und Wirkens gemacht wird. Büro1. Ansicht: (Lit.) keine Wohnung2. Ansicht: (BVerfG) ja, wegen Art. 13 II GG (Entfaltung durch Arbeit)3. Ansicht: vermittelnd: nur, wenn die Räume abgeschirmt sein sollen (also [-] während <strong>de</strong>r allgemeinenÖffnungszeiten.BVerfG, Beschluss v. 13.10.1971, 1 BvR 280/66, BVerfGE 32, 54 – 77, Betriebsbetretungsrecht= BVerfGA 27Art. 14 GG - EigentumsfreiheitEigentum ist je<strong>de</strong>s vermögenswerte subjektive Recht; bei öffentlichen Rechten jedoch nur, soweites Äquivalent eigener Leistung 47 ist. (normgeprägtes Grundrecht, setzt eigentumsfähige Position imeinfachen Recht voraus)BVerfG, Beschluss v. 26.05.1993, 1 BvR 208/93, BVerfGE 89, 1 – 14, Besitzrecht <strong>de</strong>s Mieters.Eingerichteter und ausgeübter Gewerbebetrieb: Bestand / Das Erworbene Art. 12 I GG. Abgrenzung Enteignung / Inhalts- und Schrankenbestimmungfrüher: BGH, quantitative Abgrenzung im Einzelfall → „Son<strong>de</strong>ropfer“heute: qualitative Abgrenzung durch <strong>de</strong>n Gesetzgeber- Enteignung ist <strong>de</strong>r (vollständige o<strong>de</strong>r teilweise) Entzug einer Rechtsposition (konkretindividuell,Güterbeschaffung <strong>de</strong>s Staates)- Inhalts- und Schrankenbestimmung ist je<strong>de</strong> Festlegung von Rechten und Pflichten (abstraktgenerell)Rechtlich verselbstständigtes Segment, Eigentumszuständigkeit wechselt Eigentum als solchesbleibt erhalten, wird aber mit einer Rechtspflicht belegt.BVerfG, Beschluss v. 15.07.1981, 1 BvL 77/78, BVerfGE 58, 300 – 353, Nassauskiesung =BVerfGA 54.47BVerfGE 92, 365 [405].


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 14Ausnahmsweise ist die Inhalts- und Schrankenbestimmung ausgleichspflichtigBVerfGE 58, 137 - PflichtexemplarentscheidungSalvatorische Entschädigungsklauseln: BestimmtheitsgebotArt. 19 IV GG – RechtsweggarantieÖFFENTLICHE GEWALT – Hierunter fällt nach allgemeiner Ansicht die vollziehen<strong>de</strong> Gewalt (Regierung,Verwaltung) und zwar auch bei exekutiver Normsetzung (Satzung, RVO). Die Gesetzgebungfällt nach h.M. wegen Art. 93 I Nr. 2, Nr. 4a, 100 I GG nicht darunter. Ebenfalls nicht unter die „öffentlicheGewalt“ i.S.d. Art. 19 IV GG fällt die Gerichtsbarkeit, arg.: unendlicher Instanzenzug,„Rechtsschutz durch, nicht gegen <strong>de</strong>n Richter“.Art. 103 I GG – rechtliches Gehöra) Recht auf Information über <strong>de</strong>n Sach- und Streitstand, §§ 139, 278 ZPOb) Recht auf Äußerung in sachlicher und rechtlicher Hinsichtc) Recht auf Berücksichtigung <strong>de</strong>s Parteivortrags.BVerfGE 9, 89 - Gehör bei HaftbefehlEingriff:Klassischer Eingriffsbegriff:a) unmittelbar; b) Regelung; c) final; d) Befehl und Zwang (mit <strong>de</strong>n Mitteln <strong>de</strong>s staatlichen Vollstreckungsrechtsvollstreckbar)Weiter Eingriffsbegriff:a) Schwere und Intensität <strong>de</strong>r Beeinträchtigung → Bagatellgrenzeb) Schutzzweck <strong>de</strong>r Norm → gesetzgeberische Rechtfertigung?Übermaßverbot: Verhältnismäßigkeitsgrundsatz1) Geeignetheit: Geeignetheit ist bereits gegeben, wenn die Wahrscheinlichkeit erhöht wird, dass<strong>de</strong>r angestrebte Erfolg eintritt, ohne dass das bestmögliche Mittel gewählt wer<strong>de</strong>n müsste (kein„Optimierungsgebot“) Hinzu kommt ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum (kurz: Geeignetist ein Mittel, wenn es <strong>de</strong>n Zweck zumin<strong>de</strong>st för<strong>de</strong>rt. Dabei ist die „Einschätzungsprärogative“<strong>de</strong>s Gesetzgebers zu berücksichtigen.)2) Erfor<strong>de</strong>rlichkeit: Das Gebot <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichkeit be<strong>de</strong>utet, dass von mehreren gleich wirksamenMitteln das mil<strong>de</strong>ste gewählt wer<strong>de</strong>n muss; auch hier besteht ein gesetzgeberischer Gestaltungsspielraum(kurz: Erfor<strong>de</strong>rlich ist ein Mittel dann, wenn es kein mil<strong>de</strong>res, min<strong>de</strong>stens gleich geeignetesMittel gibt.)⇒ Proportionalität. Die Beeinträchtigung darf nicht außer Verhältnis zum angestrebtenZweck stehen.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 15Klagearten vor <strong>de</strong>m Bun<strong>de</strong>sverfassungsgerichtI. Die konkrete Normenkontrolle, Art. 93 II, 100 I GG, §§ 13 Nr. 11, 80 ff. , 31 II 1BVerfGG1) Vorlageberechtigung: Gericht, systematisch: Gewaltenteilung, Demokratieprinzipa) staatliches Gericht (=staatliche Spruchstelle, die unabhängig ist, Art. 97 I GG)b) nicht: Rechtspfleger, privates Schiedsgericht (auch nicht Beamter → Dienstweg → abstrakteNK)2) Vorlagegegenstand: Gesetza) Formelles Gesetz: Schutz <strong>de</strong>s parlamentarischen Gesetzgebers, (Bun<strong>de</strong>s-)Einheitlichkeit<strong>de</strong>r Rechtsprechung, Rechtsschutzgarantie, Demokratieprinzip (Legitimationskette)b) Gültiges Gesetz → Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen – Grundsatz: repressiverRechtsschutz.c) Nachkonstitutionelles Gesetz, (o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Willen <strong>de</strong>s nachkonstitutionellen Gesetzgebersübernommenes vorkonstitutionelles Gesetz 48 )3) Vorlagevoraussetzungen:a) Überzeugung <strong>de</strong>s vorlegen<strong>de</strong>n Gerichts von <strong>de</strong>r Verfassungswidrigkeit <strong>de</strong>r Normaa) Überzeugung: Zweifel reichen nicht → verfassungskonforme Auslegung als Unterfall<strong>de</strong>r systematischen Auslegung (Wortlautgrenze beachten)(1) Wortlaut(2) Systematik: Art. 93 I Nr. 2, 100 II GGbb) <strong>de</strong>s vorlegen<strong>de</strong>n Gerichtsb) Keine bereits ergangene Entscheidungc) Entscheidungserheblichkeit: Doppelhypothese → Tenor einschränken<strong>de</strong> Auslegung,Schnelligkeit <strong>de</strong>r Verfahren – keine Verzögerung, arg.: (allgemeiner Justizgewähranspruchaus Art. 2 I, 19 IV GG i.V.m. Rechtsstaatsprinzip.)aa) Entscheidung: En<strong>de</strong>ndscheidungen (= instanzabschließen<strong>de</strong> Entscheidungen), nichtsog. Zwischenentscheidungen, z.B. PKH-Entscheidungen, Beweisanträge nach§ 244 StPO. Beschlüsse im einstweiligen Rechtschutz 49 : Art. 100 GG 19 IVGG (praktische Konkordanz) // § 90 II BVerfGG; § 32 BVerfGG.bb) Erheblichkeit: [+], wenn Tenor <strong>de</strong>r Entscheidung an<strong>de</strong>rs ausfiele. → Bindungswirkung,Rechtskraft bei Klageabweisung durch Prozessurteil (=unzulässig) / Sachurteil(=unbegrün<strong>de</strong>t).Rechtsfolge: Nichtigkeit (Ausnahmen: Rechtsvakuum, Gewaltenteilung) → Pro-futuro-Wirkung,bloße Unvereinbarkeiterklärung(Normenkontrolle nach Lan<strong>de</strong>sverfassungsrecht: Art. 100 I 1 1. Alt. GG i.V.m. Art. 75 Nr. 4VerfNW, §§ 12 Nr. 7, 50 ff. VerfGHG.) parallel möglich bzw. Wahlrecht.BVerfG, Urteil v. 15.12.70, 2 BvF 1/69, 2 BvR 629/68, BVerfGE 30, 1 [24] – 33, Abhörurteil =BVerfGA 24.4849Zu § 828 II BGB vgl. LG Dessau, VersR 97, 242 und VersR 98, 1222.BVerfGE 46, 43 [51]; BVerfGE 63, 131 [141]; KEMM, NWVBl. 1997, 439 [444 f.]: (1) Überzeugung auch imRahmen <strong>de</strong>s § 80 V möglich; (2) Instanzabschließen<strong>de</strong> En<strong>de</strong>ntscheidung [+] (vgl. § 90 II 1 BVerfGG); (3) Entscheidungserheblichkeit:im einstweiligen Rechtsschutz kommt es auf die Rechtmäßigkeit nicht an →Abwägung;dies kann aber nicht überzeugen, weil im Falle <strong>de</strong>r offensichtlichen Begrün<strong>de</strong>theit o<strong>de</strong>r Unbegrün<strong>de</strong>theit ein Aussetzungsinteresseo<strong>de</strong>r Vollzugsinteresse nicht gegeben sein kann. → Lösung im Wege <strong>de</strong>r praktischen Konkordanz.


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 16II.Die Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>, Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. § 13 Nr. 8a BVerfGG1) Verfassungsrechtsweg, Art. 93 I Nr. 4a GG i.V.m. § 13 Nr. 8a BVerfGG2) Beteiligtenfähigkeit, Art. 93 I Nr. 4a i.V.m. § 90 I BVerfGG: „je<strong>de</strong>rmann“, je<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Trägervon <strong>Grundrechte</strong>n (=grundrechtsfähig) ist, über Art. 19 III GG auch GbR, OHG, nrV,BruchteilsG → org. Struktur. + Prozessfähigkeit: Grundrechtsmündigkeit3) Beschwer<strong>de</strong>gegenstand: Art. 93 I Nr. 4a GG, §§ 90 I, 93 I 2 , 95 II BVerfGG: „Akt <strong>de</strong>r öffentlichenGewalt“, Art. 1 III GG (Tun o<strong>de</strong>r Unterlassen [Nichtrauchen, Waldsterben, Aids])4) Beschwer<strong>de</strong>befugnis: Möglichkeit einer Grundrechtsverletzung: Beschwer 50a) unmittelbareb) gegenwärtigec) eigene 1 – Gesetze:Grds.: Unmittelbarkeit – Abwarten <strong>de</strong>s Vollzugsaktes nötigAusn.: Abwarten ist unzumutbar (Bsp.: strafbewehrte Normen) 2 – durch Zivilgerichte: prozessuales Rechtsverhältnis: Prozessgrundrechte gelten unmittelbar Grundrechtsbindung, bzw. Grundrechtsgeltung unter Privaten (aber Streit nicht auswalzen,die Möglichkeit besteht in je<strong>de</strong>m Fall)5) Rechtsschutzbedürfnisa) Rechtswegerschöpfung, § 90 II 1 BVerfGG → eng zu verstehen(1) Rechtsweg <strong>de</strong>s einstweiligen Rechtsschutzes(2) Rechtsweg <strong>de</strong>s Hauptsacherechtsschutzesb) Subsidiarität <strong>de</strong>r Verfassungsbeschwer<strong>de</strong>, § 90 II 2 BVerfGG: „keine Superrevisionsinstanz“[Ausnahme: aufbereiteter Fall, Sachverhalt geklärt; neue Beschwer durch einstweiligenRechtsschutz selbst, schwere Nachteile]6) Form / Frist etc.Begrün<strong>de</strong>theit1) Prüfungsmaßstab → nur spezifisches Verfassungsrecht (aber vgl. BVerfG, Urteil v.06.07.1999, 2 BvF 3/90, http://www.bverfg.<strong>de</strong>, Hennenhaltungsverordnung, NJW 1999,3253 – 3257, bei <strong>de</strong>r abstrakten NK)2) ÜberprüfungIII. Die abstrakte Normenkontrolle, Art. 93 I Nr. 2 GG § 76 I Nr. 1 und 2 und „Zweifel“ in Art. 93 Abs. 1 → teilnichtig? (so T.d.L., aber BVerfG 51 :„beson<strong>de</strong>res objektives Interesse an <strong>de</strong>r Klarstellung <strong>de</strong>r Gültigkeit <strong>de</strong>r Norm“Keine präventive Normenkontrolle (Gewaltenteilung, RechtsschutzbedürfnisAusnahme: völkerrechtliche ZustimmungsgesetzeIV. Der Organstreit, Art 93 I Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5 63 ff. BVerfGG1) Rechtsweg2) Parteifähigkeit3) Antragsbefugnis4) Form / FristV. Einstweilige Anordnung, § 32 BVerfGG5051bei Gesetzen [+], wenn (1) Vermögensdisposition nicht, o<strong>de</strong>r nur sehr schwer rückgängig zu machen o<strong>de</strong>r (2)Strafnormen o.ä.: „Sittlichkeitsta<strong>de</strong>l“.BVerfG, Beschluss v. 24.06.1997, NJW 1998, 589. → Konkretisierung <strong>de</strong>s Art. 93 I Nr. 1, 2 GG. Bei Nr. 2 „beson<strong>de</strong>resInteresse“


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 17Exkurs:→ Begrün<strong>de</strong>theit <strong>de</strong>s Antrags: „Doppelhypothese“ (vgl. Schleyer)Art. 79 III GGForm <strong>de</strong>r Art. 79 Abs. I und II GG→ keine Verfassungsdurchbrechung, einheitliche Verfassungsurkun<strong>de</strong> Zitiergebot: muss <strong>de</strong>r geän<strong>de</strong>rte Artikel ausdrücklich zitiert wer<strong>de</strong>n?1. Ansicht: Aus <strong>de</strong>m Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 79 I 1 GG „ausdrücklich“ folgt ein Zitiergebot → dannwäre z.B. Art. 16a II 3 wegen Verstoßes gegen Art. 79 GG verfassungswidrig!!!2. Ansicht: Aus <strong>de</strong>r systematischen Heranziehung <strong>de</strong>s Art. 19 I 2 GG folgt, dass eine Zitierung<strong>de</strong>s geän<strong>de</strong>rten Artikels nicht erfor<strong>de</strong>rlich ist. Nach Sinn und Zweck be<strong>de</strong>utet das2/3 quorum eine hinreichen<strong>de</strong> Sicherheit; das historische Argument „Weimar“ zeigt,dass es <strong>de</strong>m Verfassungsgesetzgeber (nur) darum ging, eine einheitliche Verfassungsurkun<strong>de</strong>zu schaffen und die Zersplitterung zu vermei<strong>de</strong>n. Einführung To<strong>de</strong>sstrafe, Aufhebung <strong>de</strong>s Art. 102 GG?Ausgangsproblem: Ist das Verbot <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe = Menschenwür<strong>de</strong>? Einstieg: → Menschenwür<strong>de</strong>unantastbar Recht auf Leben, Art. 2 II einschränkbar.1) Abschaffung <strong>de</strong>s Art. 102 GG verstößt gegen Art. 79 III?Art. 102 GG ist vom Wortlaut <strong>de</strong>s Art. 79 III GG nicht erfasst; die Vorschrift könnte nurdann in <strong>de</strong>n Schutzbereich <strong>de</strong>s Art. 79 III GG (Ewigkeitsgarantie) fallen, wenn sie einenschon in Art. 1 I GG enthaltenen Grundsatz wie<strong>de</strong>rholt. Dann hätte Art. 102 GG lediglich<strong>de</strong>klaratorischen Charakter und eine Abschaffung wäre unproblematisch.2) Abschaffung <strong>de</strong>s Art. 102 GG verstößt gegen Art. 19 II GG?Wesenskern = Menschenwür<strong>de</strong>kern? Wenn nicht, wäre die Abschaffung problemlos, da vonArt. 79 III erfasst; nach Abschaffung gibt es keinen Wesensgehalt mehr. – Wenn doch, dannentwe<strong>de</strong>r <strong>de</strong>klaratorische Funktion → kein Problem; o<strong>de</strong>r (Prozess-) Grundrecht (SCHOLZ),dann Verstoß gegen Art. 19 II. Nach h.M. aber kein Grundrecht (Art. 93 I Nr. 4a GG) son<strong>de</strong>rnnur objektive Schranke → dann kein Verstoß gegen Art. 19 II möglich.3) Einführung <strong>de</strong>r To<strong>de</strong>sstrafe verstößt gegen Art. 1 I GG i.V.m. Art. 79 III GGWert <strong>de</strong>s Menschen wird nicht genügend Rechnung getragen, wenn <strong>de</strong>r Mensch aus staatspolitischenZielen zum Objekt gemacht wird; To<strong>de</strong>sstrafe zum Zwecke <strong>de</strong>r a) Generalprävention→ Objekt [+]; b) Spezialprävention → Objekt [+]; c) ökonomische Grün<strong>de</strong> → Objekt[super +] (aber Auseinan<strong>de</strong>rsetzung mit KANT) aber (!) Schuldprinzip → daher Verstoßgegen Art. 1 I GG.BVerfG, Urteil v. 21.06.1977, 1 BvL 14/76, BVerfGE 45, 187 – 272, Lebenslange Freiheitsstrafe


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 18 Wesengehaltsgarantie, Art. 19 II GGAbsolut / relativ?1. Ansicht: Theorie <strong>de</strong>s relativen Wesensgehaltes: Der Wesensgehalt eines Grundrechts ist solangeunangetastet wie <strong>de</strong>r Eingriff gerechtfertigt ist (BGH DVBl. 1953, 371) → Art.19 II wäre sinnlos2. Ansicht: Theorie <strong>de</strong>s absoluten Wesensgehaltes:Konkret o<strong>de</strong>r Abstrakt?1. Ansicht: Allgemein bestimmbar [-]2. Ansicht: Für je<strong>de</strong>s einzelne Grundrecht einzeln zu bestimmenIndividuell o<strong>de</strong>r allgemein?1. Ansicht: Je<strong>de</strong>m einzelnen muss <strong>de</strong>r Grundrechtsschutz erhalten bleiben(STEIN), arg.: Konzeption <strong>de</strong>r <strong>Grundrechte</strong> als Abwehrrecht <strong>de</strong>s einzelnen2. Ansicht: Der Allgemeinheit (JARASS/PIEROTH), vgl. GV <strong>de</strong>s Art. 2 II 3 GG3. Ansicht: Lösung über <strong>de</strong>n Grundsatz <strong>de</strong>r Perplexität Finaler To<strong>de</strong>sschuss Art. 19 II → Perplexität (§§ 61, 63 II PolG)


GrundR AG(Kurz-)<strong>Skript</strong> <strong>Grundrechte</strong>Henning <strong>Tappe</strong> Wintersemester 2006/07 S. 19Auslegungsmetho<strong>de</strong>n im Verfassungsrecht„Klassische“ Auslegungsmetho<strong>de</strong>n- Grammatische AuslegungDer nach <strong>de</strong>m juristischen Sprachgebrauch noch mögliche Be<strong>de</strong>utungsgehalt eines Rechtsbegriffsist Grenze <strong>de</strong>r Auslegung. Dies gilt grds. auch im Verfassungsrecht.- Systematische AuslegungEine auszulegen<strong>de</strong> Rechtsnorm muss mit <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Vorschriften <strong>de</strong>s Gesetzes (uU auch mit<strong>de</strong>r übrigen Rechtsordnung) ein einem objektiv sinnvollen Be<strong>de</strong>utungszusammenhang stehen.- Historische AuslegungEine Norm ist auch anhand ihrer Entstehung und weiteren Entwicklung auszulegen.(Historische Auslegung spielt im Verfassungsrecht vor allem bei Kompetenzabgrenzungen eineRolle: Woran knüpfte Verfassungsgeber bzw. verfassungsän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>r Gesetzgeber an?)- Teleologische AuslegungSchließlich ist bei <strong>de</strong>r Auslegung einer Norm nach ihrem Sinn und Zweck zu fragen, da keineNorm um ihrer selbst willen erlassen wird.Beson<strong>de</strong>re Auslegungsmetho<strong>de</strong>n im Verfassungsrecht- Einheit <strong>de</strong>r VerfassungJe<strong>de</strong> Verfassungsbestimmung ist so auszulegen, dass Wi<strong>de</strong>rsprüche zwischen Verfassungsnormenvermie<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n, weil nur so die innere Einheit <strong>de</strong>r Verfassung gewahrt wer<strong>de</strong>n kann.→ Unterfall <strong>de</strong>r systematischen Auslegung- Praktische KonkordanzEin verfassungsrechtlich geschütztes Rechtsgut darf nicht einseitig bevorzugt und auf Kosten einesan<strong>de</strong>ren realisiert wer<strong>de</strong>n. Vielmehr sind die Rechtsgüter so gegeneinan<strong>de</strong>r abzuwägen, dassje<strong>de</strong>s Gut zu möglichst optimaler Wirksamkeit gelangt.→ Unterfall <strong>de</strong>r systematischen Auslegung- Funktionelle RichtigkeitDie verfassungsrechtliche Kompetenz- und Funktionsverteilung („Gewaltenteilung“) muss respektiertund darf nicht durch Interpretation verschoben wer<strong>de</strong>n.→ Unterfall <strong>de</strong>r systematischen Auslegung- IntegrationswirkungIm Zweifel sind diejenigen Gesichtspunkte zu bevorzugen, die einheitsstiftend und -erhaltendwirken (Bsp.: Bun<strong>de</strong>streue, Verfassungsorgantreue).→ Unterfall <strong>de</strong>r teleologischen Auslegung- Normative Kraft <strong>de</strong>r VerfassungIm Zweifel sind diejenigen Gesichtspunkte bei <strong>de</strong>r Auslegung zu bevorzugen, die unter <strong>de</strong>n jeweiligenVoraussetzungen <strong>de</strong>n Verfassungsbestimmungen eine möglichst optimale Wirkkraftverleihen.→ Unterfall <strong>de</strong>r teleologischen Auslegung

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