Bedeutung und Wirkweise viskoelastischer Matratzen in

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Viskoelastische Matratzen bestehen in der Regel aus einer viskoelastischen Liegefl äche und einer Stützschicht aus Polyäther-Kaltschaum. Gegenüber einer Standardmatratze aus Polyätherschaum bieten sie folgende Vorteile: —› verbesserte Komforteigenschaften – Komfortindex > 3 —› verbesserte Tragfähigkeit —› weniger dauerhafte Druckverformung —› verbesserte Elastizität. EIGENSCHAFTEN UND WIRKPRINZIPIEN Viskoelastischer Schaum wird auch als Memory-Schaum bezeichnet, da sich das Material an die Belastung erinnert und nach dem Aufstehen noch einige Sekunden lang die Körperabdrücke zu sehen sind. Der Viskoschaum einer Matratze passt sich je nach Körperwärme und Gewicht individuell der Körperkontur an. Der Aufl agedruck wird gleichmäßig verteilt und der Körper in jeder Lage ideal entlastet. Das ist das entscheidende Wirkprinzip in der Dekubitusprophylaxe. Wirkt eine bestimmte Kraft (z. B. die Gewichtskraft des Körpers) auf eine Oberfl äche ein, ergibt sich hieraus ein Druck auf das darunter liegende Gewebe. Der Druck verhält sich dabei umgekehrt proportional zur Fläche, das heißt kleine Flächen haben bei gleicher Kraft einen höheren Druck zur Folge als große Flächen. (Quelle: Konsusdokument Dekubitusprophylaxe der NPUAP & EPUAP) Durch die oben genannten Eigenschaften wird der Auflagedruck des Körpers bei einer vis ko elastischen Matratze maximal auf die Liege fl äche verteilt und der punktuelle Druck, der gerade bei Knochenvorsprüngen oft zum Dekubitus führt, aufgrund der umschließenden Eigenschaft des Visko-Schaumstoffes minimiert. Die Qualität einer viskoelastischen Matratze defi niert sich aus der perfekten Kombination der Komponenten Raumgewicht (RG in kg/m 3 ) und Stauchhärte (kPa). Je höher das Raumgewicht ist, umso größer sind die Spielräume hinsichtlich der Festigkeit einer Matratze, ohne dass ein Patient schnell durchliegt. Der Patientenkomfort steigt, die Matratze hält länger. 2 WULFF THEMEN. VISKOELASTISCHE MATRATZEN IN DER DEKUBITUSPROPHYLAXE BEDEUTUNG FÜR DIE VERSORGUNG Der aktuelle Stand der Wissenschaft im Bereich der Dekubitus prophylaxe wurde im überarbeiteten Expertenstandard des DNQP (Deutsches Netzwerk zur Qualitätsentwicklung in der P fl e g e) im Jahr 2010 beschrieben. Er ist seit 2008 ver bindliche Grundlage (§113a SGBXI) der pfl egefachlichen Arbeit. Unter dem Strukturkriterium 3b fi ndet sich die Aussage, dass Studien darauf verweisen, dass die Anwendung von großzelligen, dynamischen Matratzen, Aufl agesystemen oder viskoelastischen Schaumstoffmatratzen im Vergleich zu Standardmatratzen eine Abnahme von neu auftretenden Druckgeschwüren mit sich bringt. Nach Defl oor et al. (2005) resultierte die 4-stündliche 30 °-Wech sel lagerung auf einer viskoelastischen Matratze in einer geringeren Dekubitusinzidenz Grad 2, 3 oder 4 im Vergleich zur 2- oder 3-stündlichen 30 °-Wechsellagerung auf einer Standardmatratze. In meiner berufl ichen Praxis habe ich die Er fahrung gemacht, dass eine ausreichende Ausstattung mit viskoelastischen Matratzen in unserer Akutklinik zu einer Reduzierung des Einsatzes von Spezialmatratzensystemen führte. Zudem wurden die Einsatzkriterien der Praxis deutlich erweitert. Dies erfolgte aber ausschließlich auf dem Erfahrungswissen, das die Pfl egefachkräfte im Laufe der Zeit durch eine professionelle Hautbeobachtung erwerben konnten. Der Einsatz einer viskoelastischen Matratze ist besonders bei folgenden Patienten angezeigt: —› Patienten mit längerer Liegezeit —› Schmerz- und Traumapatienten —› neurologische Patienten —› querschnittsgelähmte und antriebsgestörte Patienten —› Adipositas. Bei schwergewichtigen Patienten sollte eine Matratze mit mindestens 14, besser 16 cm Höhe und einem hohen Raumgewicht eingesetzt werden. Denken Sie bei der Wahl Ihrer Matratze daran: Untersuchungen ergaben, dass bereits 51 % der Frauen und 66 % der Männer übergewichtig sind. Jeder fünfte Deutsche ist adipös.
QUALITÄTSMERKMALE GUTER VISKOELASTISCHER MATRATZEN Raumgewicht und Stauchhärte Nach DIN 13014 muss das Raumgewicht einer Matratze mindestens 40 kg/m 3 (RG 40) und eine Stauchhärte von 4,5 kPa betragen. Bei einer Größe von 200 x 90 x 12 cm wiegt die Matratze damit 8,64 kg. Diese Norm legt jedoch nur die Mindest anforderungen für eine Polyäther-Standardschaummatratze fest. Heute wird diese Ma trat ze als Referenzmatratze zur Prüfung von druckverteilenden bzw. Antidekubitusmatratzen herangezogen. Die Tabelle zeigt einen Gutachtenauszug der BerlinCert: Kombination 9: 9 cm Kaltsch RG 55 / 3,7 mit 7 cm Visko RG 85 / 2,7 Gesamtgewicht Kombination 9 Referenzmatratze Druckentlastung 80 kg 19,19 34,50 44 % 100 kg 22,85 39,03 41 % 120 kg 26,81 43,07 38 % 140 kg 31,27 45,73 31 % Tabelle 10: Maximaldruck [mmHg] in Abhängigkeit von der Belastung WULFF THEMEN. VISKOELASTISCHE MATRATZEN IN DER DEKUBITUSPROPHYLAXE Die oben geprüfte Matratze mit einer viskoelastischen Liegefl äche und einem Polyäther-Kaltschaum als Stützschicht wiegt 19,6 kg. Sie weist je nach Körper- bzw. Gesamtgewicht eine zwischen 31 und 44 % bessere Druckverteilung gegenüber der in der DIN 13014 beschriebenen Polyäther- Standardschaummatratze auf. Moderne Matratzen kombinieren ein natürliches Einsinkverhalten mit einer angepassten Stützwirkung. Das verbindet einen erholsamen Schlaf- und Liegekomfort mit einer effi zienten Dekubitusprophylaxe und -therapie. Zudem empfi nden Schmerzpatienten in der Regel eine deutliche Schmerzlinderung, da keine unangenehmen und schlafstörenden Druckspitzen an der Aufl age fl äche des Körpers als störend wahrgenommen werden. Der Schlaf wird weniger unterbrochen und eine länger andauernde Schlafphase gefördert, ohne dass die natürlichen Schlafbewegungen eingeschränkt werden. Praxis-Tipp: Prüfen Sie die Qualität viskoelastischer Matratzen! Bei der Auswahl der Matratze sollte man unbedingt auf das Raumgewicht achten. Die in der Norm für Polyäther- Standardschaum angeführten RG 40 sind, insbesondere für viskoelastische Schäume, nicht „up-to-date“. Je höher das Raumgewicht, umso effektiver ist die Druckverteilung und desto länger die Haltbarkeit, da die physikalischen Eigenschaften der Druckentlastung länger erhalten bleiben. Gute Hersteller bieten heute gar Matratzen mit einem RG 85 an. Diese Matratzen sind nicht nur hervorragend in Druckverteilung und Haltbarkeit, sondern bieten zudem auch etwas mehr Toleranz bei Übergewicht. Erhalten Sie eine Matratze mit einem Raumgewicht z. B. RG 85, so können Sie dies nur nachprüfen indem Sie die Matratze wiegen. Achten Sie auch auf die Stauchhärte des Schaumstoffs. Ist das Material zu weich, bietet es zu wenig Halt. Bei zu festem Material leidet das Komfortempfi nden. RANDZONENVERSTÄRKUNG Ganz entscheidend ist es, dass in die Matratze eine Randzonenverstärkung von etwa 10 cm eingearbeitet ist. Sie verhindert das Abrutschen des Patienten bei der Mobilisation an die Bettkante und beim Aufstehen. Sie gibt sowohl der zu unterstützenden Person, als auch der betreuenden Person Sicherheit und stellt eine wirksame Sturzprophylaxe dar. Wer schon einmal das Erlebnis hatte, eine abrutschende und in ihrer Position instabile Person davor zu bewahren auf den Boden zu fallen, weiß, wie entscheidend diese Weiterentwicklung für die Praxis ist. Dabei geht es nicht nur um den Schutz des Patienten/Betroffenen, sondern auch um den Schutz der Über- und Fehlbelastung der unterstützenden Personen, seien es Pfl egefachkräfte, Physio therapeuten, Angehörige oder andere Hilfspersonen im häuslichen Bereich. Wie Eingangs bereits geschildert, lagen hier in den Anfängen der Viskomatratzen die größten Anwendungsprobleme. Aus meiner Berufspraxis ergeben sich durch die Matratzen neuer Generation auch keine Störungen der Orientierung oder des Körpergefühls bei den Betroffenen mehr. SCHUTZBEZÜGE Die hygienische Aufbereitung von Patientenbetten und damit auch Matratzen gewinnt als Maßnahme der Infektionsprophylaxe immer stärker an Bedeutung: Das Bett wird bei pfl egerischen und therapeutischen Maßnahmen durch Detritus und Flüssigkeiten belastet. Intensive Nutzung bis zu 24 Stunden täglich und längere Verweildauer begünstigen die Keimvermehrung. 3
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