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WoO 28

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- 6 -Eine dritte Möglichkeit soll im folgenden erörtert werden. Sie bringt die Entstehung von Töne,lindernder Klang mit den Kontrapunktstudien in Verbindung, die die Freunde Brahms und JosephJoachim zur gegenseitigen Kontrolle austauschten - von Februar bis Juli 1856 regelmäßig- und in ihrem Briefwechsel diskutierten. <strong>28</strong> Am 24. April 1856 schickt Joachim einenzweistimmigen „Zirkel-Kanon“ mit der Bitte um Begutachtung an Brahms. 29 Er ist als Canonper tonos angelegt, der nach jedem Durchlauf, in großen Sekunden ansteigend, von einemneuen Ton aus beginnen soll. Brahms kritisiert in seinem Antwortbrief vom 27. April, daß eineentsprechende Modulation am Ende fehle und die neue Tonart zu abrupt eintrete: „Wie der‚Kreiskanon’, der im letzten Brief stand, zu seinem Namen kommt, sehe ich nicht ein. Er gehtvernünftig in A dur zu Ende und kann dann natürlich auch in F dur [richtig: H-dur] gespieltwerden. Nur der Schlußsatz erlaubt den Eintritt [in die neue Tonart], das ist zu wenig. Ich habedasselbe Thema Dir wieder hingeschrieben als Kreiskanon; ich finde so ist es erst einer,nicht wahr?“ 30 Brahms arbeitet die ersten vier Takte um und schreibt eine neue Melodie, dievon A-dur über E-dur, der Tonart des zweiten Stimmeneinsatzes, nach H-dur moduliert, sodaß nach fünfmaliger Wiederholung des Kanons der gesamte Quintenzirkel durchschrittenist. 31Gleichzeitig schickt er, offenbar angeregt von Joachims Beispiel und dem damit verbundenenkompositorischen Problem, einen eigenen Kreiskanon mit, auf den die Freunde mehrfach zurückkommen:„Über den vierstimmigen Kreiskanon möchte ich Dich insbesondere um DeineMeinung fragen. Langsam und gefühlvoll will ich’s gespielt.“ 32 Vor allem die im Briefwechselenthaltenen Äußerungen zum Charakter des Stückes legen nahe, dieses mit <strong>WoO</strong> <strong>28</strong> zu i-dentifizieren. 33 Am 4. Mai 1856 bedankt sich Joachim „für die Lektion über den Zirkel-<strong>28</strong> Die hohen Erwartungen, die Robert Schumann 1853 in seinem berühmten Brahms-Artikel „NeueBahnen“ zum Ausdruck brachte, setzten den jungen Komponisten unter Druck und veranlassten ihn,seine handwerklichen Fähigkeiten zu überprüfen und vermeintliche Schwächen abzubauen. Vor allemMitte der 50er Jahre widmete er sich dem Studium älterer Kompositionsformen (Satzpaar Präludiumund Fuge, Tanzsatztypen des frühen 18. Jahrhunderts, kontrapunktische Messe, Kanon), um das Repertoiremusikalischer Mittel für seine kompositorische Praxis zu erweitern.29 Vgl. Joseph Joachim an Johannes Brahms: Brief vom 24. April 1856 aus Hannover. In: JohannesBrahms. Briefwechsel. Bd. V. Hrsg. von Andreas Moser. Nachdruck der Ausgabe von 1905. Tutzing1974. Nr. 98. S. 132 f.30 Johannes Brahms an Joseph Joachim: Brief vom 27. April 1856 aus Düsseldorf. In: Ebd. Nr. 100, S.136 f.31 Die Brahmssche Korrektur hat sich im Joachim-Nachlaß der Staats- und Universitätsbibliothek Carlvon Ossietzky, Hamburg, erhalten (Signatur: 1974.6).32 Brahms (Anm. 30) S. 137.33 Vielleicht hat Brahms den Text gar nicht mitgeteilt, da es im Kontext der Notenkorrespondenz mitJoachim in erster Linie um die Darstellung und Lösung satztechnischer Probleme ging. Die Vier- bzw.Vielstimmigkeit deutet aber auf einen Vokalkanon, da es sich bei den Kanonübungen im Rahmen derKontrapunktstudien (vor allem bei Joachim) in der Regel nur um zweistimmige Exempel handelt. Ausnahmenbilden daher folgende kanonische Vokalsätze, die Brahms in einem Brief vom 24. März 1856

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