Willi-Villa - Ein Kiosk der Kulturen - Internationale Gartenschau ...
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<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> - <strong>Ein</strong> <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>
Inhaltsverzeichnis<br />
1. „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ - <strong>Ein</strong> <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong> im Wilhelmsburger Inselpark 5<br />
Interviews mit <strong>Kiosk</strong>betreibern 6<br />
Gesprächsrunden mit lokalen Initiativen 6<br />
Planungswerkstatt macht Ideen sichtbar 6<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung im Stadtteil 6<br />
2. <strong>Ein</strong> Park für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t 8<br />
Die Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong> 8<br />
3. Der <strong>Kiosk</strong> als prägende Stadtteilkomponente - Interwievs mit <strong>Kiosk</strong>betreibern 11<br />
Zwischen Traum und Notlösung, zwischen Unabhängigkeit und Selbstausbeutung: <strong>Kiosk</strong>alltag<br />
in Wilhelmsburg 13<br />
<strong>Kiosk</strong> als Schule des Lebens 14<br />
Angebotsvielfalt – zwischen Laster und Notkauf, Geselligkeit und Information 15<br />
Orientalische Herkunft 16<br />
Fazit: <strong>Kiosk</strong> als prägendes Element <strong>der</strong> Wilhelmsburger Stadtteilkultur 17<br />
Vom Orient in den Okzident, vom Lustpavillon zum Konsumtempel – Geschichte des <strong>Kiosk</strong>s 20<br />
„Jetzt am <strong>Kiosk</strong>“ – Bedeutung als Zeitungsverkaufsort 21<br />
4. Der <strong>Kiosk</strong> als Gesprächsthema - Gesprächsrunden mit lokalen Initiativen 23<br />
Wünsche für die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ 24<br />
Architektur 24<br />
Angebot 24<br />
Freiraumtraditionen 25<br />
5. Wenn Abstraktes konkret wird - Planungswerkstatt macht Ideen sichtbar 27<br />
6. Rein in die gute Bude! - Der Ausstellungskiosk lädt ein und informiert 31<br />
7. Der <strong>Kiosk</strong> als verbindendes Element - Fazit des Beteiligungsprozesses 34<br />
8. Quellen und Literatur 35<br />
9. Abbildungsverzeichnis 36<br />
10. Impressum 37
1<br />
4
1. „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“<br />
<strong>Ein</strong> <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong> im Wilhelmsburger Inselpark<br />
Parks sind interkulturelle Orte. In den wachsenden<br />
Metropolen des 21. Jahrhun<strong>der</strong>ts werden sie<br />
von Menschen unterschiedlicher Herkunft und<br />
Kultur genutzt.<br />
Am Beispiel <strong>der</strong> geplanten Parkanlage in Hamburg-Wilhelmsburg,<br />
einem <strong>der</strong> internationalsten<br />
Stadtteile <strong>der</strong> Hansestadt, konnte die internationale<br />
gartenschau hamburg (igs 2013) in Zusammenarbeit<br />
mit <strong>der</strong> Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg<br />
und Hafen zeigen, wie interkulturelle<br />
Beteiligung gelingen und ein Parkbereich mit dem<br />
<strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>, <strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>, kultursensibel<br />
gestaltet werden kann.<br />
Die Ufersäume und Rasenflächen rund um den<br />
Kuckucksteich im Wilhelmsburger Inselpark sind<br />
eine <strong>der</strong> beliebtesten Grill- und Liegewiesen <strong>der</strong><br />
Elbinsel. Was immer fehlte: <strong>Ein</strong> Pavillion mit sanitären<br />
Anlagen! Was macht man dagegen? Man<br />
baut einen und fragt zuvor die Menschen, wie er<br />
aussehen und was er anbieten soll.<br />
<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> – ein <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong> und ein Name<br />
als Programm. „<strong>Willi</strong>-town“, so nennen die Jugendlichen<br />
ihren Stadtteil; „<strong>Villa</strong>“ wie<strong>der</strong>um bezeichnet<br />
ein repräsentatives Haus im Grünen als<br />
Kontrast zur prägenden Bebauung in Wilhelmsburg.<br />
Des Weiteren prägen in Wilhelmsburg wie in<br />
kaum einem an<strong>der</strong>en Stadtteil Hamburgs <strong>Kiosk</strong>e<br />
das Siedlungsbild.<br />
In <strong>der</strong> Namensgebung spiegelt sich unmittelbar<br />
die angestrebte Funktion dieses Ortes wi<strong>der</strong>. In<br />
historischen Parkanlagen des Orients war <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong><br />
ein Ort, an dem Wasser zur Erfrischung an die<br />
Bevölkerung ausgegeben wurde. <strong>Ein</strong> <strong>Kiosk</strong> unterstrich<br />
einen beson<strong>der</strong>en Punkt, lag häufig am See<br />
und war schlicht ein „Ort mit Atmosphäre“. Mit<br />
<strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> – dem <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong> kehrt <strong>der</strong><br />
<strong>Kiosk</strong> nun zu seiner ursprünglichen Funktion als<br />
Parkgebäude zurück und besitzt als Kristallisationspunkt<br />
interkultureller Aktivitäten einen deutlichen<br />
Bezug zum Stadtteil.<br />
<strong>Ein</strong>e langfristige Nutzung und Management <strong>der</strong><br />
<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> und <strong>der</strong> sie umgebenden Angebote<br />
(Freilichtbühne, Grillfläche, Spielplatz) kann nur<br />
gelingen, wenn die ParknutzerInnen von Beginn<br />
an eingebunden werden. Indem die Menschen<br />
am Planungsprozess direkt beteiligt werden, besteht<br />
die Chance, dass sie sich mit dem Projekt<br />
identifizieren und langfristig Verantwortung für<br />
dieses übernehmen.<br />
Preisübergabe <strong>der</strong> Körberstiftung: v.l. Nicola Fricke (Karla Fricke<br />
Immobilien), Lena Leddin (Körber Stiftung), Hanna Bornholdt<br />
(Projektleitung, igs 2013)<br />
2009 ist das Projekt <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> im Rahmen <strong>der</strong><br />
Initiative „Anstiften - 50 Impulse für Hamburg“<br />
von <strong>der</strong> Körber-Stiftung mit einem Preisgeld über<br />
10.000 € ausgezeichnet worden. Dieses Preisgeld<br />
diente ausschließlich dem Beteiligungsverfahren<br />
<strong>der</strong> lokalen, multikulturellen Bevölkerung Wilhelmsburgs.<br />
Mit <strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>, dem <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong><br />
<strong>Kulturen</strong> soll ein Ort <strong>der</strong> Begegnung entstehen, in<br />
dem sich Menschen jeden Alters, je<strong>der</strong> Nationalität<br />
und Kultur wohl fühlen.<br />
Von Sommer 2009 bis zum Herbst 2010 wurde ein<br />
stadtteilbezogenens Beteiligungsverfahren umgesetzt,<br />
das die Wünsche und Bedürfnisse <strong>der</strong> internationalen<br />
Bewohnerschaft ermittelte.<br />
5
Es wurden vier Ebenen <strong>der</strong> Beteiligung realisiert,<br />
mit denen unterschiedliche Ziele verfolgt wurden.<br />
1. Interviews mit <strong>Kiosk</strong>betreibern<br />
2. Gesprächsrunden mit lokalen Initiativen<br />
3. Planungswerkstatt macht Ideen sichtbar<br />
4. Wan<strong>der</strong>ausstellung im Stadtteil<br />
Interviews mit <strong>Kiosk</strong>betreibern<br />
<strong>Kiosk</strong>e sind Orte <strong>der</strong> Nah- und Notversorgung,<br />
aber auch Orte <strong>der</strong> Nachbarschaft und Kommunikation.<br />
Um den <strong>Kiosk</strong>alltag in Wilhelmsburg und<br />
die damit einhergehende Bedeutung für die Bewohner,<br />
Betreiber und den Stadtteil zu erfassen,<br />
wurden Interviews mit acht <strong>Kiosk</strong>betreibern geführt.<br />
Aussagen wie „Das ist hier wie in einer Familie“<br />
o<strong>der</strong> „Wir sind eine <strong>Ein</strong>heit mit dem <strong>Kiosk</strong><br />
geworden“ bekräftigen die hohe soziale Bedeutung<br />
<strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>e. Die interviewten <strong>Kiosk</strong>betreiber<br />
bestätigten durchweg, dass das Bild vom <strong>Kiosk</strong><br />
als kommunikativem Treffpunkt kein Klischee ist,<br />
son<strong>der</strong>n an 365 Tagen im Jahr gelebt wird.<br />
Gesprächsrunden mit lokalen Initiativen<br />
Lokale Initiativen als Zusammenschluss <strong>der</strong> Bürgerinnen<br />
und Bürger stellen aufgrund ihres –<br />
wenn auch unterschiedlich hohen - Organisationsgrades<br />
eine relativ gut erreichbare Gruppe für<br />
Beteiligungsverfahren dar. In Wilhelmsburg sind<br />
Migranten insbeson<strong>der</strong>e in Initiativen organisiert,<br />
die sich mit Bildungs- und Erziehungsthemen<br />
beschäftigen. In Gesprächsrunden u.a. mit dem<br />
Landesverein <strong>der</strong> Sinti, <strong>der</strong> verikom (Verein für<br />
interkulturelle Kommunikation) und den Insel-<br />
Müttern (Elternschule) konnten konkrete Gestaltungswünsche<br />
für die <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> herausgearbeitet<br />
werden. Die Befragten waren sich darin einig,<br />
dass <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> we<strong>der</strong> „kalt“ noch „cool“, son<strong>der</strong>n<br />
„gemütlich sein muss“:„ein Ort zum Wohlfühlen<br />
eben“. Der Kontakt zu lokalen Initiativen diente<br />
über die Ermittlung <strong>der</strong> Wünsche hinaus dem<br />
Aufbau einer langfristigen Zusammenarbeit.<br />
6<br />
Planungswerkstatt macht Ideen sichtbar<br />
Im April 2010 fand als konsequente Fortführung<br />
des Beteiligungsverfahrens eine Planungswerkstatt<br />
statt. Ziel war die Zusammenführung <strong>der</strong><br />
unterschiedlichen Akteure, um gemeinsam Ideen<br />
für die Gestaltung und nachhaltige Nutzung<br />
<strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> zu finden. <strong>Kiosk</strong>betreiber, lokale<br />
Initiativen und Anwohner wurden zur Planungswerkstatt<br />
eingeladen. Mit rund dreißig Teilnehmern<br />
wurden in Gruppen konkrete Wünsche und<br />
Entwürfe erarbeitet. Die Gruppen wurden von<br />
Architekturstudierenden <strong>der</strong> TU Braunschweig in<br />
<strong>der</strong> konkreten Umsetzungsphase und Modellbau<br />
unterstützt.<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung im Stadtteil<br />
Die Ergebnisse dieses erfolgreichen und vielschichtigen<br />
Beteiligungsprozesses wurden schließlich in<br />
einem vierten Schritt in einem durch den Stadtteil<br />
wan<strong>der</strong>nden „Ausstellungskiosk“ präsentiert. Die<br />
Ausstellung informierte dabei sowohl über die<br />
Geschichte des <strong>Kiosk</strong>s im Allgemeinen als auch<br />
insbeson<strong>der</strong>e im Stadtteil, machte den Beteiligungsprozess<br />
sichtbar und zeigte die im Rahmen<br />
<strong>der</strong> Planungswerkstatt entstandenen Entwürfe /<br />
Modelle <strong>der</strong> Studierenden. Durch diese durch den<br />
Stadtteil wan<strong>der</strong>nde Ausstellung wurden weitere<br />
Bewohner Wilhelmsburgs angesprochen und erhielten<br />
dabei die Möglichkeit, sich an den Planungen<br />
zu beteiligen und sich über das Projekt<br />
„<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ zu informieren.<br />
Aufbauend auf den Wünschen <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
entwickelten Studierende <strong>der</strong> TU Braunschweig<br />
konkrete Planungsentwürfe für den <strong>Kiosk</strong>. Im<br />
Herbst 2010 wählte ein Gremium aus verschiedenen<br />
Stadtteilvertretern einen Entwurf <strong>der</strong> jungen<br />
Planer zur Umsetzung aus. Bereits im kommenden<br />
Jahr 2011 ist die gemeinsame Grundsteinlegung<br />
geplant und 2013 wird die <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> im<br />
Rahmen <strong>der</strong> internationalen <strong>Gartenschau</strong> eröffnet,<br />
gemäß dem Motto: Herein in die gute Bude!
2<br />
7
2. <strong>Ein</strong> Park für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t<br />
Auf <strong>der</strong> Hamburger Elbinsel Wilhelmsburg, einem<br />
Stadtteil voller Gegensätze und sozialer Spannungen,<br />
wird <strong>der</strong> Park für das 21. Jahrhun<strong>der</strong>t entstehen.<br />
Gerade im Spannungsfeld zwischen Welthafen<br />
und Naturschutzgebieten gibt es schöne,<br />
kraftvolle Orte: lebendige Altbauquartiere und<br />
Kopfstein gepflasterte Stichstraßen, Reetdachkaten<br />
neben hochmo<strong>der</strong>nen Niedrigenergiehäusern,<br />
weidende Deichschafe neben bunten Containerbergen.<br />
Wiesen, verwil<strong>der</strong>te Brachen, Kanäle ins<br />
nirgendwo. Wilhelmsburg, das ist Hamburgs Wasserstadt<br />
im Süden, eine Insel im Fluss, geprägt<br />
von Elbe, Kanälen und Wettern. Mittendrin liegt<br />
<strong>der</strong> Park: eine über hun<strong>der</strong>t Hektar große Grünfläche,<br />
mit weitläufigen Brachflächen und von<br />
einer Bundesstraße zerschnitten. Hier wird die<br />
internationale gartenschau hamburg (igs 2013)<br />
stattfinden.<br />
Rahmenplan igs 2013<br />
8<br />
Blick auf den Kuckucksteich<br />
In Anlehnung an den berühmten Fantasieroman<br />
von Jules Verne, <strong>der</strong> seine Helden in 80 Tagen um<br />
die Welt reisen ließ, entführt die igs 2013 ihre Besucher<br />
auf eine Reise durch die Klima- und Vegetationszonen,<br />
<strong>Kulturen</strong> und Län<strong>der</strong> dieser Erde.<br />
Sie werden in sieben Themenwelten 80 fantasievoll<br />
gestaltete Gärten erleben, die die kulturelle<br />
Vielfalt <strong>der</strong> über hun<strong>der</strong>t verschiedenen, auf<br />
<strong>der</strong> Elbinsel Wilhelmsburg beheimateten Nationen<br />
wi<strong>der</strong>spiegeln. Auf dem Rundweg durch das<br />
<strong>Gartenschau</strong>gelände finden Inszenierungen zu<br />
den sieben Themenwelten „Welt <strong>der</strong> Bewegung“,<br />
„Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>“, „Welt <strong>der</strong> Kontinente“,<br />
„Welt <strong>der</strong> Häfen“, „Welt <strong>der</strong> Religionen“, „Wasserwelten<br />
“ und „Naturwelten“ statt.<br />
Die Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong><br />
Die Themenwelt „Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>“ liegt im zentralen<br />
Bereich des Schaugeländes. Sie stellt zugleich<br />
die wichtige Verbindung zwischen den<br />
Ortsteilen „Wilhelmsburg“ und „Kirchdorf“ dar.<br />
Der Charme des Ortes wird entscheidend durch<br />
die große Wasserfläche des Kuckucksteiches mit<br />
seinen vielen Teichrosen und den alten Trauerweiden<br />
am Uferrand geprägt. Beson<strong>der</strong>s in den<br />
Sommermonaten wird hier gegrillt, gespielt<br />
und in verschiedenen Formen kommuniziert.<br />
Menschen mit unterschiedlichsten kulturellen
Hintergründen kommen an diesem Ort zusammen<br />
und gestalten eine beson<strong>der</strong>e Freiraumkultur.<br />
Die geplante „Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>“ spiegelt die kulturelle<br />
Vielfalt <strong>der</strong> <strong>Ein</strong>wohner Wilhelmsburgs wi<strong>der</strong>.<br />
Die hier beheimateten zehn Gärten geben<br />
den unterschiedlichen Bedürfnissen <strong>der</strong> Menschen<br />
unterschiedlicher Herkunft und Kultur Ausdruck.<br />
Sie for<strong>der</strong>n sie auf, den Park zu nutzen<br />
und miteinan<strong>der</strong> ins Gespräch zu kommen. Sie<br />
Die geplante „Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>“<br />
spiegelt die beson<strong>der</strong>e kulturelle<br />
Vielfalt <strong>der</strong> <strong>Ein</strong>wohner<br />
Wilhelmsburgs wi<strong>der</strong><br />
thematisieren die Vielfalt und Ausdruckformen<br />
<strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong> in Sprache, Literatur, Musik, Küche,<br />
Kleidung, Symbolik und Architektur. Als wichtiges<br />
und alle Gartenräume verbindendes Element<br />
wird die Pflanze thematisiert, als Metapher in<br />
Perspektive Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>am Kuckucksteich<br />
Literatur und Musik, als Bestandteil <strong>der</strong> verschiedenen<br />
Küchen, als Grund- und Farbstoff <strong>der</strong> Bekleidungen,<br />
in ihrer Symbolik o<strong>der</strong> als Baustoff<br />
<strong>der</strong> unterschiedlichen Baukünste.<br />
Die Gestaltung <strong>der</strong> „Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>“ richtet<br />
sich wesentlich auf den Zeitraum nach <strong>der</strong> <strong>Gartenschau</strong>.<br />
Der interkulturelle und interaktive Charakter<br />
dieses Ortes wird durch weitere Elemente<br />
geför<strong>der</strong>t. <strong>Ein</strong> Spielplatz lädt die Kleinen und Großen<br />
zum Spielen und Bewegen ein.<br />
<strong>Ein</strong>e Freilichtbühne ermöglicht Schu-<br />
len, Kin<strong>der</strong>tagesstätten, Vereinen und<br />
Initiativen des Stadtteils Auftritte mit<br />
nachbarschaftlicher Öffentlichkeit.<br />
<strong>Ein</strong> weiterer Mosaikstein <strong>der</strong> nachhaltigen<br />
Parkgestaltung wird mit dem<br />
Bau eines <strong>Kiosk</strong>s, <strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>, geschaffen.<br />
Die <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> ist dabei weit mehr als<br />
nur ein <strong>Kiosk</strong>. Mit dem Bau entsteht ein Treffpunkt<br />
im Herzen des Parks, <strong>der</strong> zur gemeinsamen<br />
Freizeitgestaltung einlädt. Hier wird geklönt, gespeist<br />
und gespielt.<br />
9
3<br />
10
3. Der <strong>Kiosk</strong> als prägende Stadt-<br />
teilkomponente Interviews mit <strong>Kiosk</strong>betreibern<br />
In kaum einem an<strong>der</strong>en Stadtteil Hamburgs prägen<br />
<strong>Kiosk</strong>e das Siedlungsbild wie in Wilhelmsburg,<br />
einem klassischen Arbeiterquartier ähnlich<br />
<strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>hochburg Ruhrgebiet.<br />
Insgesamt gibt es in Wilhelmsburg mindestens 25<br />
<strong>Kiosk</strong>e, die explizit „<strong>Kiosk</strong>“ im Namen führen.<br />
Als „<strong>Kiosk</strong>“ wird in allen Fällen ein Laden bezeichnet,<br />
<strong>der</strong> zwischen 20 und 80 qm groß ist. Was es<br />
in dem <strong>Kiosk</strong> zu kaufen gibt, ist bei den meisten<br />
<strong>Kiosk</strong>en bereits draußen auf einem Schild zu lesen,<br />
wie zum Beispiel im <strong>Kiosk</strong> 42: Tabakwaren,<br />
Zeitschriften, Lebensmittel, Brötchen, Fladenbrot,<br />
Süßigkeiten, Getränke, Telefonkarten, Stehcafe<br />
O<strong>der</strong> im <strong>Kiosk</strong> Groß-Sand: Tabakwaren, Zeitungen,<br />
Belegte Brötchen, Croissant, Süßigkeiten,<br />
Getränke, Spirituosen<br />
<strong>Kiosk</strong>e sind in Wilhelmsburg im Grunde genommen<br />
Tante-Emma-Läden, die diese in vielen Fällen<br />
tatsächlich abgelöst haben. So nachweislich<br />
im <strong>Kiosk</strong> 42, im <strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Georg-Wilhelm-Str.<br />
43 und in <strong>der</strong> Fährstraße 66. Alle drei <strong>Kiosk</strong>e gehören<br />
zu den ersten <strong>Kiosk</strong>en in Wilhelmsburg, die<br />
von dem Harburger Steuerberater Peter Krug 1976<br />
/1977 in Wilhelmsburg eröffnet wurden.<br />
Konzessioniert wurden die <strong>Kiosk</strong>e als Trinkhalle,<br />
die als Son<strong>der</strong>formen einer Gaststätte ganz an<strong>der</strong>e<br />
Öffnungszeiten haben konnten als die abgelösten<br />
Tante-Emma-Läden. Für Ellie Schulenberg,<br />
die in <strong>der</strong> Georg-Wilhelm-Str. 43 den Rewe-Fein-<br />
<strong>Kiosk</strong>e sind in Wilhelmsburg<br />
im Grunde genommen Tante-<br />
Emma-Läden<br />
kost-Laden führte, waren diese Öffnungszeiten<br />
kaum zu glauben, musste sie mit ihrem Laden<br />
immer ganz pünktlich schließen, da sie sonst<br />
Strafe bezahlen musste (Gespräch mit Ellie Schulenburg<br />
im September 2005).<br />
Aus dem Feinkostladen von Ellie Schulenburg in <strong>der</strong> Georg-<br />
Wilhelm-Straße 43<br />
wurde <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> von Ali Sütcü<br />
Die Konzession als Trinkhalle war aber nur im Bezirk<br />
Harburg üblich. Der Bezirk Mitte, zu dem Wilhelmsburg<br />
seit 2008 gehört, behandelt die <strong>Kiosk</strong>e<br />
als <strong>Ein</strong>zelhandelsgeschäfte mit<br />
Ausschank von Getränken. Die 2007<br />
erfolgte Än<strong>der</strong>ung des Ladenschluss-<br />
gesetzes in das Ladenöffnungsgesetz<br />
mit liberalisierten Öffnungszeiten<br />
ermöglicht den <strong>Kiosk</strong>en an Werktagen<br />
ihre „rund-um-die-Uhr“-Öffnungszeiten.<br />
Ob in Zukunft <strong>Kiosk</strong>e am<br />
Sonntag vermehrt schließen müssen, weil im Bezirk<br />
Mitte die <strong>Kiosk</strong>e an<strong>der</strong>s gehandhabt werden<br />
als im Bezirk Harburg, wird sich zeigen.<br />
11
Cordula Schreck in ihrem <strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Thielenstr.9<br />
Im Zeitraum von 4. 1. 2010 bis zum 30. 4. 2010<br />
wurden mit acht <strong>Kiosk</strong>besitzern Interviews geführt.<br />
Im Vor<strong>der</strong>grund des Interviewinteresses<br />
stand das persönliche Erlebnis des<br />
<strong>Kiosk</strong>betreibers, d.h. seine Sicht auf<br />
seinen <strong>Kiosk</strong>alltag.<br />
Bei <strong>der</strong> ersten Kontaktaufnahme mit<br />
den <strong>Kiosk</strong>betreibern fiel als erstes<br />
auf, dass <strong>der</strong> „eigentliche“ <strong>Kiosk</strong>betreiber<br />
oft sehr schwer zu fassen ist. „Der Chef<br />
kommt später“ o<strong>der</strong>: „Ich bin hier nur die Aushilfe“<br />
waren häufige Antworten auf das Interviewanliegen.<br />
Vertreten wird <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>chef durch<br />
Familienmitglie<strong>der</strong> o<strong>der</strong> nahe Freunde. Die Bereitschaft<br />
<strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>-“Chefs“, über den <strong>Kiosk</strong>alltag<br />
zu berichten, war durchaus vorhanden und war<br />
dabei zugleich Ausdruck <strong>der</strong> starken Verbundenheit<br />
<strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>betreiber zu „ihrem“ <strong>Kiosk</strong>.<br />
Solche Aussagen wie „Das ist hier wie in einer Familie“<br />
(Taser-<strong>Kiosk</strong>) o<strong>der</strong> „Wir sind eine <strong>Ein</strong>heit<br />
mit dem <strong>Kiosk</strong> geworden“ (<strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Thielenstraße<br />
31) bekräftigen die hohe soziale Bedeutung<br />
von <strong>Kiosk</strong>en, die in <strong>der</strong> Literatur immer wie<strong>der</strong><br />
hervorgehoben wird. So schreibt beispielsweise<br />
Dietmar Osses, Leiter des LWL-Industriemuseums<br />
Zeche Hannover, in dem 2009 vom Museum herausgegebenen<br />
Bildband „Die Bude“: „Vor allem<br />
12<br />
sind die Trinkhallen jedoch ein unverbindlicher<br />
Treffpunkt in <strong>der</strong> Öffentlichkeit und sozialer Mittelpunkt<br />
<strong>der</strong> Nachbarschaft“ (Osses 2009:125). Für<br />
die Kulturanthropologin Julia Franke erzeugt <strong>der</strong><br />
<strong>Kiosk</strong> „ein Gefühl von Heimat“ (Franke 2004:15).<br />
Und die Soziologin Elisabeth Naumann, die 2003<br />
über das Thema <strong>Kiosk</strong>e an <strong>der</strong> Freien Universität<br />
Berlin promoviert hat, bezeichnet den <strong>Kiosk</strong><br />
als „Anlaufstelle, Treffpunkt, Zufluchtsort“ (Naumann<br />
2003:155).<br />
Die interviewten <strong>Kiosk</strong>betreiber in Wilhelmsburg<br />
bestätigen durchweg, dass dieses Bild vom <strong>Kiosk</strong><br />
als kommunikativen Treffpunkt kein Klischee<br />
ist, son<strong>der</strong>n an 365 Tagen im Jahr, von früh morgens<br />
bis spät abends durchaus gelebt wird. Selkan<br />
Türkyilmaz vom <strong>Kiosk</strong> Groß-Sand sagt: „Es ist<br />
hier eine Freundschaft mit den Kunden entstanden,<br />
die oft hier her kommen, um zu frühstücken<br />
o<strong>der</strong> abends ihren Tee zu trinken.“ Cordula<br />
„Angestellte kann sich im <strong>Kiosk</strong><br />
keiner leisten“<br />
Schreck vom <strong>Kiosk</strong> Schreck in <strong>der</strong> Thielenstraße 9<br />
erzählt: „Wir gehören einfach hier her. Neulich,<br />
als wir mal verschlafen haben, kamen zig Leute<br />
und haben gesagt: ‚Boa, wir haben uns solche<br />
Sorgen gemacht‘.“ Das Ehepaar Mehmet und<br />
Melahat Zoroglu vergleicht seinen <strong>Kiosk</strong> mit „einem<br />
Arbeitsamt, Wohnungsamt, Sozialamt, Kin<strong>der</strong>garten,<br />
einem spirituellen Ort“. Und Hasan<br />
Kara vom <strong>Kiosk</strong> 42, berichtet: „Manchmal wollen<br />
die Leute einfach nur reden.“ Dass <strong>Kiosk</strong>e so beliebt<br />
sind, liegt für Kara erstens daran, dass die<br />
<strong>Kiosk</strong>e „persönlich und nicht als Kette“ geführt<br />
werden, und zweitens dass „<strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> auf hat,<br />
wenn sonst alles zu ist“.
Zwischen Traum und Notlösung, zwischen<br />
Unabhängigkeit und Selbstausbeutung:<br />
<strong>Kiosk</strong>alltag in Wilhelmsburg<br />
Diese sehr kundenfreundlichen Öffnungszeiten<br />
sind nur möglich, weil die <strong>Kiosk</strong>betreiber so erfolgsorientiert<br />
und mit ihrem <strong>Kiosk</strong> so verbunden<br />
sind und dabei mit <strong>der</strong> Unterstützung <strong>der</strong> Familie<br />
rechnen können. „Hier in Wilhelmsburg sind<br />
alle Überlebenskünstler“, sagt<br />
Muhammed Baydur vom <strong>Kiosk</strong><br />
42, „sonst könnten hier nicht<br />
so viele <strong>Kiosk</strong>e existieren.“ Baydur<br />
weist darauf hin, dass das<br />
eben nur geht, „wenn die Familien<br />
zusammen halten und sich<br />
gegenseitig helfen“. So könnte<br />
er seinen <strong>Kiosk</strong> nicht führen,<br />
wenn nicht seine Brü<strong>der</strong> und Cousins unkompliziert<br />
mithelfen würden. Denn, da sind sich alle<br />
<strong>Kiosk</strong>betreiber einig: „Angestellte kann sich im<br />
<strong>Kiosk</strong> keiner leisten.“<br />
Hüseyin Colak vor dem Taser-<strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> Familie Taser in <strong>der</strong><br />
Zieglerstraße / Ecke Georg-Wilhelm-Straße<br />
Dass die <strong>Kiosk</strong>betreiber sozusagen rund um die<br />
Uhr im <strong>Ein</strong>satz sind, ist für sie <strong>der</strong> Preis, den sie für<br />
ihren Traum <strong>der</strong> Selbständigkeit gerne bezahlen.<br />
Wie Nilufer Taser vom Taser-<strong>Kiosk</strong> zwar einerseits<br />
für einen kurzen Moment bedauert, dass sie den<br />
Sonnenschein am Sonntagnachmittag nicht ausgiebig<br />
genießen kann, sich aber sogleich wie<strong>der</strong><br />
bewusst wird, dass sie genau deswegen in <strong>der</strong><br />
Lage ist, „ihr eigener Chef“ zu sein. Der Wunsch<br />
nach Selbständigkeit scheint bei allen <strong>Kiosk</strong>be-<br />
„Lieber stehe ich jeden Tag um fünf<br />
Uhr auf und bin selbständig als arbeitslos<br />
zu Hause rumzusitzen“<br />
treibern sehr hoch ausgeprägt. Es mag einerseits<br />
ein großes Gefühl nach Unabhängigkeit ausdrücken,<br />
Stichwort „eigener Chef“, an<strong>der</strong>erseits ist<br />
die Selbständigkeit als <strong>Kiosk</strong>betreiber aber auch<br />
in vielen Fällen eine Notlösung, ein Ausweg vor<br />
Arbeitslosigkeit o<strong>der</strong> dem Gefühl <strong>der</strong> Ausbeutung,<br />
<strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> als eine Art Rettungsanker.<br />
So haben Muhammed Baydur (<strong>Kiosk</strong> 42) und Ali<br />
Sütcü beide darüber geklagt, dass sie in ihren<br />
gelernten Berufen – Baydur ist <strong>Ein</strong>zelhandelskaufmann<br />
und Sütcü Elektroinstallateur – nur für<br />
höchstens fünf Euro die Stunde arbeiten könnten.<br />
Das empfinden beide als Ausbeutung, die sie<br />
nicht mittragen wollen. „Da kam <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> grade<br />
zur rechten Zeit“, beschreibt Baydur seine persönliche<br />
<strong>Kiosk</strong>geschichte. Wie auch Sütcü seiner<br />
drohenden Arbeitslosigkeit mit seinem <strong>Kiosk</strong>, den<br />
er im Februar 2010 von den langjährigen Vorgängern<br />
übernommen hat, begegnete. „Lieber stehe<br />
ich jeden Tag um fünf Uhr auf und bin selbständig<br />
als arbeitslos zu Hause rumzusitzen“, sagt<br />
Ali Sütcü hinter seinem schwarzen Schreibtischstuhl<br />
in seinem neu eröffneten <strong>Kiosk</strong>. Nilufer<br />
Taser (Taser-<strong>Kiosk</strong>) und Selkan Türkyilmaz (<strong>Kiosk</strong><br />
Groß-Sand) betreiben einen <strong>Kiosk</strong>, weil sie keine<br />
Ausbildung haben. Damit an<strong>der</strong>e Jugendliche<br />
13
Mehmet und Melahat Zoroglu in ihrem <strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Thielenstraße<br />
9<br />
bessere Chancen haben als er selbst, bietet Türkyilmaz<br />
in seinem <strong>Kiosk</strong> seit drei Jahren sogar<br />
Ausbildungsplätze an. Während Türkyilmaz sehr<br />
stolz auf seinen <strong>Kiosk</strong> ist, tut es Nilufer Taser vom<br />
Taser-<strong>Kiosk</strong> hintergründig schon ein wenig leid,<br />
dass sie es „nur“ zu einem <strong>Kiosk</strong> gebracht<br />
hat. So erzählt die 28-Jährige<br />
mit großem Bedauern, dass sie in <strong>der</strong><br />
achten Klasse aus den <strong>Ein</strong>ser-Kursen<br />
an <strong>der</strong> Gesamtschule Wilhelmsburg<br />
abgerutscht ist. „Ich hätte vielleicht<br />
Abitur machen können“, erzählt Nilufer<br />
Taser ein wenig wehmütig, um<br />
dann aber gleich wie<strong>der</strong> festzustellen:<br />
„Ich möchte aber jetzt nichts an<strong>der</strong>es mehr<br />
machen als hier meinen <strong>Kiosk</strong>.“<br />
Ebenso an ihrem <strong>Kiosk</strong> hängt das Ehepaar Mehmet<br />
und Melahat Zoroglu, das den <strong>Kiosk</strong> seit 16 Jahren<br />
in <strong>der</strong> Thielenstraße 9 betreibt. Ähnlich wie bei<br />
14<br />
Baydur (<strong>Kiosk</strong> 42) und Sütcü (<strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Georg-<br />
Wilhelm-Str. 43) kam die Möglichkeit, den <strong>Kiosk</strong><br />
zu übernehmen, für die Familie Zoroglu „genau<br />
zur rechten Zeit“, zu einer Zeit, als Zoroglus Firma<br />
in <strong>der</strong> Türkei Pleite ging und er kurz davor stand,<br />
für sich und seine Familie Sozialhilfe beantragen<br />
zu müssen. Seit die Zoroglus den <strong>Kiosk</strong> übernommen<br />
haben, ging es in Mehmets Erwerbsleben<br />
weiter „auf und ab“, wie es Mehmet Zoroglu<br />
beschreibt und über seinen <strong>Kiosk</strong> sagt: „Halt hat<br />
mir immer unser <strong>Kiosk</strong> hier gegeben.“ Seine Frau<br />
Melahat fühlt sich dem <strong>Kiosk</strong> zwar auch sehr verbunden,<br />
verspürt doch aber immer mal wie<strong>der</strong><br />
ein schlechtes Gewissen, dass sie „niemals am<br />
Sonntag mit den Kin<strong>der</strong>n zu Hause gefrühstückt“<br />
haben. „Immer waren wir hier“, bedauert sie<br />
rückblickend, während sie ihr Mann aber tröstet<br />
und sagt: „Dadurch sind unsere Kin<strong>der</strong> aber auch<br />
so sozial und selbständig geworden, das haben<br />
sie hier im <strong>Kiosk</strong> gelernt.“<br />
<strong>Kiosk</strong> als Schule des Lebens<br />
Darin sind sich alle <strong>Kiosk</strong>betreiber einig: In ihrem<br />
<strong>Kiosk</strong> lernen sie fürs Leben. Wie es beispielsweise<br />
Hüseyin Çolak vom Taser-<strong>Kiosk</strong> beschreibt:<br />
„Der Umgang mit den Kunden ist eine Frage von<br />
‚Senden und Empfangen‘, was man an sich ranlässt<br />
und was nicht‘. Und das kann man im <strong>Kiosk</strong><br />
lernen.“ Auch Muhammed Baydur vom <strong>Kiosk</strong><br />
42 sieht den <strong>Kiosk</strong> als eine Art Weiterbildung an.<br />
Darin sind sich alle <strong>Kiosk</strong>betreiber<br />
einig: In ihrem <strong>Kiosk</strong> lernen<br />
sie fürs Leben<br />
Während er einerseits die „oft einfache Sprache“<br />
seiner Kunden bedauert, verschaffen ihm an<strong>der</strong>erseits<br />
seine Kunden auch unerwartete Bildungserlebnisse.<br />
So weiß Baydur seit neuestem,<br />
was „Sinologie“ bedeutet, weil eine seiner Kundinnen<br />
eben genau dies studiert.
Vor allem die Jugendlichen, die im <strong>Kiosk</strong> ihrer Eltern<br />
aushelfen, arbeiten sehr gerne im <strong>Kiosk</strong>, weil<br />
sie hier ganz an<strong>der</strong>e Dinge lernen als in <strong>der</strong> Schule.<br />
„Die Kunden zu bedienen ist eine sehr leichte<br />
Aufgabe“, sagt <strong>der</strong> 18-jährige Ismail vom <strong>Kiosk</strong> 13,<br />
<strong>der</strong> vormittags in die zehnte Klasse in <strong>der</strong> Handelsschule<br />
geht und später einmal Betriebswirtschaft<br />
studieren will. Auch sein 16-jähriger Bru<strong>der</strong><br />
Ercan kommt nach <strong>der</strong> Schule in den <strong>Kiosk</strong><br />
und freut sich, wenn Kunden von ihm Rat haben<br />
wollen, wenn etwas an ihrem Handy nicht funktioniert.<br />
Der 19-jährige Denniz, <strong>der</strong> gerade Abitur<br />
gemacht hat, fühlt sich durch die Mitarbeit im väterlichen<br />
<strong>Kiosk</strong> Dogu Getränke vorbereitet genug,<br />
um mal ein eigenes Geschäft zu führen. „Man<br />
lernt hier schon ganz schön viel, den Umgang<br />
mit Kunden“, sagt Denniz, <strong>der</strong> <strong>der</strong> einzige ist, <strong>der</strong><br />
das Problem des Alkoholkonsums <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>kunden<br />
anspricht. „Wenn bei manchen Kunden die<br />
Grenze überschritten ist, dann verkaufe ich ihnen<br />
nichts mehr.“ Anstatt Alkohol würde Denniz viel<br />
lieber Wasserpfeifen anbieten, die seiner Ansicht<br />
nach „viel harmloser“ wären.<br />
Denniz Akagündüz im <strong>Kiosk</strong> Dogu-Getränke seines Vaters Zeki<br />
Akagündüz im Vogelhüttendeich 35<br />
Angebotsvielfalt – zwischen Laster und<br />
Notkauf, Geselligkeit und Information<br />
Wenn die <strong>Kiosk</strong>betreiber von ihrem <strong>Kiosk</strong> sprechen,<br />
so legen sie hauptsächlich Wert auf die<br />
Produkte, die den Service-Charakter eines <strong>Kiosk</strong>es<br />
ausmachen: Dass es dort das vergessene<br />
Katzenfutter, die Zahnbürste o<strong>der</strong> eine Packung<br />
Spaghetti gibt. „Wir haben hier alles, was man<br />
zum Leben so braucht“, sagt Muhammed Baydur<br />
vom <strong>Kiosk</strong> 42, „hier kann man ohne weiteres<br />
seine Noteinkäufe machen“. Auch Cordula Schreck<br />
vom <strong>Kiosk</strong> Schreck in <strong>der</strong> Thielenstraße ist stolz<br />
darauf, dass sie „auf viele Sachen reagieren kann,<br />
die die Leute brauchen, wenn sonst kein Laden<br />
mehr auf hat“. Als Beispiele nennt sie: Katzenfutter,<br />
Brötchen, Eiere, Getränke aller Art, Waschpulver,<br />
Zahnpasta.“ Während Baydur sowohl<br />
deutsche als auch türkische Produkte in seinem<br />
Sortiment hat, legt Türkyilmaz vom <strong>Kiosk</strong> Groß-<br />
Sand Wert auf „ausgewählte Markenprodukte,<br />
die <strong>der</strong> Kunde aus <strong>der</strong> Werbung kennt“. Da diese<br />
15
Markenprodukte für Türkyilmaz ein deutliches<br />
Unterscheidungsmerkmal zu den an<strong>der</strong>en <strong>Kiosk</strong>en<br />
darstellen, sagt er ganz selbstbewusst: „Wir<br />
sind hier nicht irgendein <strong>Kiosk</strong>, wir sind hier <strong>Kiosk</strong><br />
Groß-Sand.“<br />
Abgesehen von den Produkten gibt es in vielen<br />
<strong>Kiosk</strong>en auch noch solche Service-Angebote wie<br />
Internet (<strong>Kiosk</strong> Groß-Sand und <strong>Kiosk</strong> 13) sowie die<br />
Möglichkeit zu kopieren o<strong>der</strong> faxen (<strong>Kiosk</strong> 13). Alle<br />
<strong>Kiosk</strong>e haben seit mindestens einem Jahr Coffeeto-go<br />
im Angebot, in den meisten Fällen durch<br />
ein blinkendes „Coffee to go“-Schild erkenntlich<br />
gemacht. Und es gibt im <strong>Kiosk</strong>, und da kehren<br />
wir wie<strong>der</strong> zum Anfang zurück, die persönlichen<br />
Gespräche zwischen Kunde und <strong>Kiosk</strong>betreiber.<br />
Die Gespräche mögen privater Natur sein, werden<br />
aber auch oft durch Schlagzeilen auf den Zeitungen<br />
und Zeitschriften in den <strong>Kiosk</strong>en angeregt.<br />
Wie auch das Thema Fußball ein sehr verbindendes<br />
Gesprächsthema darstellt und vor allem im<br />
<strong>Kiosk</strong> Groß-Sand beim Public Viewing gemeinsam<br />
erlebt wird.<br />
Orientalische Herkunft<br />
Bis auf den <strong>Kiosk</strong> Schreck in <strong>der</strong> Thielenstraße<br />
9, <strong>der</strong> von dem deutschen Ehepaar Cordula und<br />
Klaus Schreck geführt wird, sind alle an<strong>der</strong>en 24<br />
<strong>Kiosk</strong>e in Wilhelmsburg in türkischer Hand. Sechs<br />
<strong>der</strong> acht interviewten <strong>Kiosk</strong>betreiber<br />
sind in Wilhelmsburg geboren o<strong>der</strong><br />
als Kind mit den Eltern aus <strong>der</strong> Türkei<br />
nach Wilhelmsburg gekommen. Der<br />
53-jährige Zeki Akagündüz vom <strong>Kiosk</strong><br />
Dogu Getränke ist <strong>der</strong> einzige hier<br />
interviewte türkische <strong>Kiosk</strong>betreiber,<br />
<strong>der</strong> nicht in Wilhelmsburg aufgewachsen<br />
ist, aber seit 22 Jahren in<br />
Wilhelmsburg lebt. Alle <strong>Kiosk</strong>betreiber bekunden<br />
ihre hohe Verbundenheit zu Wilhelmsburg. Sie<br />
alle fühlen sich als Wilhelmsburger, nicht so sehr<br />
als Deutsche und auch nicht so sehr als Türke.<br />
Für sie ist die Türkei „ein schönes Urlaubsland“,<br />
wie das Selkan Türkyilmaz vom <strong>Kiosk</strong> Groß-Sand<br />
beschreibt, „aber spätestens nach sechs Wochen<br />
16<br />
Süleyman Sütcü im <strong>Kiosk</strong> 13 <strong>der</strong> Familie Sütcü in <strong>der</strong> Veringstraße<br />
91<br />
habe ich früher immer Heimweh nach Wilhelmsburg<br />
gekriegt“. Muhammed Baydur vom <strong>Kiosk</strong> 42<br />
führt das berühmte Beispiel an, dass sie in <strong>der</strong><br />
Türkei „als die Deutschen“ gelten und dass er<br />
selbst „nur Türkisch mit deutschem Akzent“ sprechen<br />
könnte. Zeki Akagündüz ist als Alevit auf die<br />
Türkei und Türken erst gar nicht gut zu sprechen,<br />
während er mit den Deutschen „1000 Jahre verbringen“<br />
könnte.<br />
Die interviewten <strong>Kiosk</strong>besitzer freuen sich, dass<br />
das häufig transportierte Schmuddelimage von<br />
Wilhelmsburg verschwindet, was sie oftmals als<br />
persönlichen Nachteil aufgefasst haben. Vor al-<br />
Bis auf den <strong>Kiosk</strong> Schreck sind<br />
alle 24 <strong>Kiosk</strong>e in Wilhelmsburg<br />
in türkischer Hand<br />
lem Ali Sütcü vom <strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Georg-Wilhelm-<br />
Straße ist sich sicher, dass er auf seine zahlreichen<br />
Bewerbungen „immer nur Absagen“ bekommen<br />
hat, weil er eben aus Wilhelmsburg kam. Süleyman<br />
Sütcü vom <strong>Kiosk</strong> 13 freut sich, dass nach<br />
Wilhelmsburg „immer mehr Studenten“ kommen<br />
und dass heute die verschiedenen Nationalitäten
Ali Sütcü in seinem <strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Georg-Wilhelm-STraße 43<br />
gemischter zusammen leben. Er erinnert aus seiner<br />
Kindheit in Wilhelmsburg, dass sie in <strong>der</strong> Ernastraße<br />
wohnten, „wo fast nur Türken wohnten,<br />
wie in einem so richtigen Türkenghetto“. Zeki<br />
Akagündüz, <strong>der</strong> in <strong>der</strong> Türkei einst als Lehrer gearbeitet<br />
hat, sieht den geplanten Projekten von<br />
IBA und igs2013 skeptisch entgegen und wünscht<br />
sich für Wilhelmsburg vor allem eines: „Was hier<br />
fehlt, sind Arbeitsplätze!“<br />
Niemand von den türkischen <strong>Kiosk</strong>betreibern<br />
weiß, dass „<strong>Kiosk</strong>“ ursprünglich ein türkisches<br />
Wort ist und seine Wurzeln im Orient hat. „<strong>Kiosk</strong>“<br />
ist „einfach ein schönes Wort für <strong>Ein</strong>-und<br />
Niemand von den türkischen<br />
<strong>Kiosk</strong>betreibern weiß, dass „<strong>Kiosk</strong>“<br />
seine Wurzeln im Orient hat<br />
Verkaufen“, wie das Zeki Akagündüz vom <strong>Kiosk</strong><br />
Dogu Getränke plastisch beschreibt. Für Baydur<br />
vom <strong>Kiosk</strong> 42 ist „<strong>Kiosk</strong>“ ein Synonym für „Noteinkauf“.<br />
Und für das Ehepaar Zoroglu vom <strong>Kiosk</strong><br />
in <strong>der</strong> Thielenstraße 31 ist <strong>Kiosk</strong> gleichbedeutend<br />
für alle Arten von sozialen <strong>Ein</strong>richtungen und<br />
Ämtern: „Arbeitsamt, Wohnungsamt, Sozialamt,<br />
Kin<strong>der</strong>garten, spiritueller Ort“ (siehe: „Soziale<br />
Bedeutung“).<br />
Erst wenn das Wort „<strong>Kiosk</strong>“ auf die türkische Weise<br />
„Kösk“ ausgesprochen wird, kennen sie das<br />
Wort und erklären, dass „Kösk“ „<strong>Villa</strong>“ bedeutet.<br />
Was schließlich einen sehr schönen Bogen zum<br />
geplanten <strong>Kiosk</strong> auf dem igs-Gelände schlägt, <strong>der</strong><br />
den Projektnamen „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ trägt.<br />
Fazit: <strong>Kiosk</strong> als prägendes Element <strong>der</strong><br />
Wilhelmsburger Stadtteilkultur<br />
Der <strong>Kiosk</strong> ist in vielerlei Hinsicht ein Symbol. Dass<br />
es in Wilhelmsburg auffällig mehr <strong>Kiosk</strong>e als in<br />
an<strong>der</strong>en Hamburger Stadtteilen gibt, lässt einige<br />
Schlüsse sowohl auf das „Typische in Wilhelmsburg“<br />
als auch auf allgemeine Entwicklungen zu.<br />
So ist <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> in Wilhelmsburg zum einen ein<br />
Symbol für den generellen Nie<strong>der</strong>gang des Inhaber<br />
geführten <strong>Ein</strong>zelhandels, des klassischen<br />
Tante-Emma-Ladens ab Mitte <strong>der</strong> 70er Jahre. In<br />
nachweislich drei Fällen wurden diese schließlich<br />
abgelöst durch einen <strong>Kiosk</strong>, <strong>der</strong> auf Grund seiner<br />
Konzession als Trinkhalle ganz an<strong>der</strong>e Öffnungszeiten<br />
haben konnte als ein Tante-Emma-Laden.<br />
Dass diese klassischen <strong>Ein</strong>zelhandelsgeschäfte<br />
für den täglichen Bedarf nun gerade durch <strong>Kiosk</strong>e<br />
abgelöst wurden, ist wie<strong>der</strong>um<br />
ein Symbol für die Bewohnerstruk-<br />
tur in Wilhelmsburg. Wo an an<strong>der</strong>en<br />
Orten Bio-Läden, Reformhäuser, Secondhand-Plattenläden,<br />
Trödelläden<br />
o<strong>der</strong> Cafés rein kamen, entstanden in<br />
Wilhelmsburg <strong>Kiosk</strong>e. Die <strong>Kiosk</strong>dichte<br />
ist dabei nicht allein typisch für<br />
Wilhelmsburg. Es gibt noch an<strong>der</strong>e Gegenden in<br />
Deutschland, die als wahre „<strong>Kiosk</strong>hochburg“ gelten,<br />
wie zum Beispiel das benachbarte Harburg,<br />
Flensburg, Delmenhorst, das Ruhrgebiet, <strong>der</strong> Kölner<br />
und <strong>der</strong> Frankfurter Raum. Allen Gegenden<br />
gemeinsam ist, dass sie einen hohen Arbeiteranteil<br />
aufweisen o<strong>der</strong> aufgewiesen haben.<br />
17
Muhammed Baydur in seinem <strong>Kiosk</strong> 42 in <strong>der</strong> Fährstr./ Ecke<br />
Dierksstr.<br />
Selkan Türkyilmaz vor seinem <strong>Kiosk</strong> Groß Sand in <strong>der</strong> Veringstraße<br />
151<br />
So ist eine hohe <strong>Kiosk</strong>dichte ist zum einen ein<br />
Zeichen für eine Bewohnerschaft , die auf die<br />
legendären Öffnungszeiten angewiesen ist, die<br />
morgens um fünf aus dem Haus<br />
muss und spät abends nach einer<br />
Spät- o<strong>der</strong> Nachtschicht noch<br />
etwas kaufen können soll. Und<br />
die <strong>Kiosk</strong>dichte ist ein Zeichen für<br />
eine Bewohnerschaft, die nicht<br />
das ganze Leben nach allen Regeln<br />
<strong>der</strong> Vernunft ausrichtet: die<br />
sowohl ungesunde Dinge wie Alkohol<br />
und Zigaretten in zum Teil<br />
nicht kleinen Mengen konsumiert, als auch Produkte<br />
am <strong>Kiosk</strong> kauft, die es im Supermarkt eventuell<br />
günstiger geben würde. Dazu kommt, dass<br />
viele Eltern ihren Kin<strong>der</strong>n einen häufigen Gang<br />
18<br />
zum <strong>Kiosk</strong> erlauben, sei es für den Kauf von asiatischen<br />
Trockennudeln o<strong>der</strong> eben den legendären<br />
weißen Mäusen, dem Crash-Eis o<strong>der</strong> den neuesten<br />
Sammelalbenbil<strong>der</strong>n.<br />
Schließlich ist die <strong>Kiosk</strong>dichte zum dritten ein<br />
Zeichen für eine Bewohnerschaft, die ziemlich<br />
sesshaft ist; die damit zufrieden ist, am Sonntagnachmittag<br />
zum <strong>Kiosk</strong> zu schlen<strong>der</strong>n und eine<br />
Weile mit den dortigen Menschen zu sprechen.<br />
Nicht umsonst wird die Furcht vor einem Bevölkerungswechsel<br />
in Wilhelmsburg am Thema <strong>Kiosk</strong><br />
festgemacht. So wurde in einem Zeitungsartikel<br />
im „Hamburger Abendblatt“ am 7.5.2010 beklagt,<br />
dass „da, wo einst <strong>Kiosk</strong>e waren, nun Coffee-togo-Shops“<br />
untergebracht sind. Dies war nachweislich<br />
nirgends <strong>der</strong> Fall. Diese Aussage dokumentiert<br />
in ihrer unrecherchierten Darstellung<br />
vielmehr die allgemeine Angst vor einer bevorstehenden<br />
Gentrifzierung Wilhelmsburgs, bei <strong>der</strong><br />
die ansässige Bevölkerung durch besser verdienende<br />
Schichten allmählich ausgetauscht wird.<br />
<strong>Ein</strong>e hohe <strong>Kiosk</strong>dichte transportiert nicht zuletzt<br />
das, was sich Stadtplaner gerne von einem Stadtteil<br />
wünschen: dass er lebendig und bunt ist und<br />
dass es ein Straßenleben gibt. Und genau das ist<br />
ein Aspekt, den viele Menschen an Wilhelmsburg<br />
so schätzen und unbedingt auch bei allen Entwicklungen<br />
und Verän<strong>der</strong>ungen erhalten möch-<br />
<strong>Ein</strong>e hohe <strong>Kiosk</strong>dichte transportiert<br />
nicht zuletzt das, was sich Stadtplaner<br />
gerne von einem Stadtteil<br />
wünschen<br />
ten. Diese Lebendigkeit ist ganz stark den <strong>Kiosk</strong>en<br />
zu verdanken, die wie<strong>der</strong>um – siehe oben – von<br />
<strong>der</strong> entsprechenden Bewohner- und Kundschaft<br />
abhängig sind.
Vering Getränke-<strong>Kiosk</strong> in <strong>der</strong> Veringstraße<br />
Der <strong>Kiosk</strong> genießt nicht zuletzt deswegen eine so<br />
große Beliebtheit, weil er in seiner Buntheit und<br />
in seiner Kleinteiligkeit so ungekünstelt, so natürlich<br />
und vor allem so ungestylt daher kommt.<br />
Er ist sozusagen das Gegenteil von einem durchdachten<br />
Lifestylekonzept, ein Ort, <strong>der</strong> ganz einfach<br />
eine normale Alltäglichkeit ausstrahlt, ein<br />
Ort, an dem man keine Angst vor sozialem Vergleich<br />
haben muss.<br />
<strong>Ein</strong>e hohe <strong>Kiosk</strong>dichte ist immer auch ein Hinweis<br />
auf einen hohen migrantischen Anteil in <strong>der</strong><br />
Bevölkerung. So sind die <strong>Kiosk</strong>e fast ausschließlich<br />
in türkischer Hand. Für Muhammed Baydur<br />
liegt diese Tatsache, dass die meisten <strong>Kiosk</strong>besitzer<br />
Türken sind, daran, dass sie alle „Überlebenskünstler“<br />
sind. Daran, dass die Türken sich<br />
auf den Zusammenhalt in <strong>der</strong> Familie verlassen<br />
können. Und dass sie lieber selbständig sind und<br />
sich dabei selbst ausbeuten als sich unter Wert zu<br />
verkaufen, während ihnen dabei noch „ein Chef<br />
über die Schulter guckt“ (Ali Sütcü aus dem <strong>Kiosk</strong><br />
in <strong>der</strong> Georg-Wilhelm-Str. 43).<br />
Es ist dabei fast ein wenig Ironie <strong>der</strong> Geschichte,<br />
dass sowohl das Wort „<strong>Kiosk</strong>“ als auch die <strong>Kiosk</strong>betreiber<br />
orientalische Wurzeln haben. Wurzeln,<br />
die im folgenden Kapitel zurück verfolgt<br />
werden.<br />
19
<strong>Kiosk</strong> / Kusk in einer Gartenanlage in Istanbul<br />
Vom Orient in den Okzident, vom Lustpavillon<br />
zum Konsumtempel – Geschichte<br />
des <strong>Kiosk</strong>s<br />
Was Heute gleichbedeutend mit Zeitungsverkaufsstelle<br />
und kleinem Laden, wo es die Süßigkeiten<br />
einzeln gibt, hat <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> seine ursprüngliche<br />
Bedeutung einer im Orient gebräuchlichen<br />
kleinarchitektonischen Form:<br />
So steht das persische Wort für <strong>Kiosk</strong> (Kusk) „ursprünglich<br />
für ein viereckiges, polygonales o<strong>der</strong><br />
rundes, frei stehendes Gartenzelt, bei dem die<br />
Ecksäulen aus Holz o<strong>der</strong> Stein bestehen. Die offenen<br />
Seiten, die Interkolumnen sind durch<br />
(Bogen)-Öffnungen zwischen den Ecksäulen gekennzeichnet,<br />
als Abwandlung werden die Seiten<br />
auch durch Gitterwerk bzw. Treilagen geschlossen“<br />
(zit. bei Rolka 2007:30). Die Grenzen zum Pavillon<br />
sind dabei sehr fließend.<br />
<strong>Kiosk</strong>e waren im Orient nicht nur wegen ihrer<br />
leichten Bauweise beliebt. Sie hatten auch einen<br />
hohen Stellenwert in den Gärten, die als Spiegel<br />
des Paradieses galten (Naumann 2003:19).<br />
Als die höfischen Parks in Europa mehr und mehr<br />
von <strong>der</strong> streng symmetrischen Barockanlage hin<br />
20<br />
Türkisches Wasserhäuschen<br />
zum englischen Landschaftsgarten abrückten,<br />
gewannen Kleinarchitekturen im Park immer größere<br />
Bedeutung. Darunter auch <strong>der</strong> orientalische<br />
Kusk, <strong>der</strong> in Frankreich zum „Kiosque“ wurde.<br />
Und <strong>der</strong> im Park dazu diente, sich zurückziehen<br />
und die Landschaft genießen zu können. Der einen<br />
beson<strong>der</strong>en Punkt im Park unterstrich, häufig<br />
an einem See, <strong>der</strong> schlicht ein „Ort mit Atmosphäre“<br />
war, ein „locus amoenus“ (Rolka 2007:14).
„Jetzt am <strong>Kiosk</strong>“ – Bedeutung als Zeitungsverkaufsort<br />
Während <strong>der</strong> Brockhaus 1870 noch ausschließlich<br />
die Architekturform beschreibt – „zeltartiger<br />
Gartenbau, rund o<strong>der</strong> viereckig, auf Säulen ruhend,<br />
vorn offen o<strong>der</strong> mit Gitterwerk geschlossen“<br />
– wird 1894 bereits die Funktion des <strong>Kiosk</strong>es<br />
als Zeitungsstand erwähnt:<br />
„Jetzt am <strong>Kiosk</strong>!“ „Neu am <strong>Kiosk</strong>!“<br />
„Jetzt versteht man meist unter <strong>Kiosk</strong>e leichte,<br />
aus Holz o<strong>der</strong> Eisen und Glas errichtete Bauten in<br />
den Straßen <strong>der</strong> Großstädte, die zum Verkauf von<br />
Zeitungen, Erfrischungen, Cigarren und <strong>der</strong>gleichen<br />
dienen.“<br />
Nachdem bis Ende des 19. Jahrhun<strong>der</strong>ts Zeitungen<br />
und Zeitschriften ausschließlich von so genannten<br />
„fliegenden Händlern“ auf <strong>der</strong> Straße<br />
verkauft wurden, sollte <strong>der</strong> immer mehr florierende<br />
Zeitungsmarkt in „ordentliche Bahnen“<br />
gelenkt werden. So richtete <strong>der</strong> Unternehmer Georg<br />
Stilke 1905 an den Hamburger Senat die <strong>Ein</strong>gabe,<br />
<strong>Kiosk</strong>e einrichten zu dürfen:<br />
„Die Erwägung, dass die <strong>der</strong>zeitige <strong>Ein</strong>richtung<br />
<strong>der</strong> so genannten fliegenden Buchhändler auf<br />
den Straßen und Plätzen <strong>der</strong> Stadt Hamburg mit<br />
ihren, namentlich bei ungünstigem Wetter übel<br />
zugerichteten Drucksachen, einer Weltstadt kaum<br />
mehr würdig genannt werden kann und an<strong>der</strong>erseits<br />
<strong>der</strong> zunehmende Straßen- und Fremdenverkehr<br />
ein steigendes Bedürfnis nach bequemer<br />
Erlangung von Tagesdruckschriften, Fahrplänen,<br />
Führern und <strong>der</strong>gl. gezeitigt hat, veranlasst mich,<br />
an die Finanzdeputation den ergebenen Antrag<br />
zu stellen, mir die Aufstellung von Zeitungskiosken<br />
aus Glas und Eisen an geeigneten Plätzen<br />
und Straßen innerhalb <strong>der</strong> Stadt Hamburg gegen<br />
entsprechenden Pachtzins, zu gestatten (Staatsarchiv<br />
Hamburg).<br />
Egal in welchem Stil – um die Jahrhun<strong>der</strong>twende<br />
waren die Zeitungskioske historistisch ausladend<br />
gestaltet, in den Nachkriegsjahren waren es eher<br />
kistenartige Buden und in den 50 er Jahren eine<br />
„Schnittmenge zwischen Bungalow und Nierentisch“<br />
(Niedenthal 2004:26) – die typischen Zeitungskioske<br />
sind sehr kompakt und rundherum<br />
zugänglich.<br />
Schon früh hat sich dabei <strong>der</strong><br />
Name „<strong>Kiosk</strong>“ mit dem Zeitungsverkauf<br />
an sich gleichgesetzt, sodass<br />
heute je<strong>der</strong> zu verstehen<br />
scheint, wenn er liest: „Jetzt am<br />
<strong>Kiosk</strong>!“, „Neu am <strong>Kiosk</strong>“ o<strong>der</strong>:<br />
„Der 3. Bildungsweg führt über den <strong>Kiosk</strong>“ (Slogan<br />
<strong>der</strong> „Süddeutschen Zeitung“).<br />
oben: Zeitungskiosk in Dortmund um 1900<br />
unten: Werbeslogan <strong>der</strong> Süddeutschen Zeitung<br />
21
4<br />
22
4. Der <strong>Kiosk</strong> als Gesprächsthema<br />
Gesprächsrunden mit lokalen Initiativen<br />
In Interviews und Gesprächsrunden mit Menschen<br />
verschiedener Nationalitäten und Generationen<br />
wurde erforscht, welche Bedeutung <strong>Kiosk</strong>e<br />
in Wilhelmsburg haben, welche Unterschiede<br />
bei den Nutzungen im Herkunftsland und in Wilhelmsburg<br />
bestehen und was ihnen bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
<strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ im neuen Wilhelmsburger<br />
Inselpark wichtig ist.<br />
Im Frühjahr 2010 wurden Gesprächsrunden mit<br />
folgenden Gruppen geführt:<br />
Landesverein <strong>der</strong> Sinti Hamburg e.V.<br />
am 25. 1. 10<br />
Verikom-Sprachkurs in <strong>der</strong> Thielenstr.<br />
am 2.2.10<br />
Elternrat <strong>der</strong> Schule an <strong>der</strong> Burgweide<br />
am 8.2.10<br />
„Insel-Mütter“, Elternschule Zeidlerstr.<br />
am 24. 2. 10<br />
Elternrat <strong>der</strong> Kita „Elbkin<strong>der</strong>“, Prassekstr.<br />
am 1. 3. 10<br />
Senioren-Kreis Honigfabrik Wilhelmsburg<br />
am 13. 4. 10<br />
Häufig bestand bei den Gruppen zunächst eine<br />
Skepsis, da sie irritiert schienen, warum gerade<br />
sie hinsichtlich eines geplanten <strong>Kiosk</strong>es befragt<br />
würden. Doch diese anfängliche Skepsis <strong>der</strong><br />
Gruppen verflog sehr schnell, sobald zuerst über<br />
ihre Assoziationen zum <strong>Kiosk</strong> gesprochen wurde.<br />
Da zum <strong>Kiosk</strong> in Wilhelmsburg einfach je<strong>der</strong> etwas<br />
sagen konnte, auch dann, wenn sie gerade<br />
erst Deutsch lernten (siehe Verikom-Sprachkurs)<br />
war das Eis sehr schnell getaut und die TeilnehmerInnen<br />
begannen, sich auch Gedanken zur<br />
„<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ zu machen.<br />
Für die meisten <strong>der</strong> TeilnehmerInnen <strong>der</strong> Gesprächsrunden<br />
ist <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> ein sehr positiver Ort,<br />
<strong>der</strong> aus ihrem Alltag nicht wegzudenken ist.<br />
Demnach ist <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong>:<br />
• vielfältig<br />
• überschaubar, klein und fein<br />
• ein Treffpunkt, ein Ort <strong>der</strong> Begegnung<br />
• ein Ort, wo sich viele Leute treffen, die<br />
nicht so viel Geld haben, sich in <strong>der</strong> Gaststätte<br />
zu treffen<br />
• ein Ort, wo Freundschaften geschlossen<br />
werden, aber „keine Heiratsvermittlung“…<br />
• zum Austausch da<br />
• etwas Sympathisches<br />
• ein Ort <strong>der</strong> Freundlichkeit, <strong>der</strong> guten Nachbarschaft<br />
(Gottfried Weiß erzählt, wie <strong>der</strong><br />
Besitzer des nächst gelegenen <strong>Kiosk</strong>es ihm<br />
auch spät abends noch die Dinge bringt, die<br />
er bei ihm telefonisch bestellt)<br />
• klein und hat viel drin<br />
• ein Ort, wo man Mensch ist, wo man als<br />
Persönlichkeit ernst genommen wird<br />
• eine Anlaufstelle: Wenn Sie sich nicht auskennen,<br />
dann können Sie zum <strong>Kiosk</strong>, dort<br />
werden Sie gut beraten<br />
• ein <strong>Kiosk</strong> gehört in jeden Stadtteil, denn<br />
überall, wo ein <strong>Kiosk</strong> ist, lebt ein Stadtteil<br />
• ein <strong>Kiosk</strong> soll zum Wohlfühlen sein<br />
• süße Tüten<br />
• Notfalleinkauf<br />
• <strong>Ein</strong>kaufen im Vorbeigehen<br />
Verikom-Sprachkurs Thielenstraße<br />
23
Wünsche für die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“<br />
Befragt, was sie gerne in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ machen<br />
wollen, antworteten alle GeprächsteilnehmerInnen<br />
einheitlich, dass sie sich dort „wohl fühlen“<br />
wollen. Das Wohlfühlen hängt dabei sowohl von<br />
<strong>der</strong> Gestaltung des <strong>Kiosk</strong>es als auch vom Angebot<br />
ab.<br />
Architektur<br />
Die Befragten waren sich alle darin einig, dass <strong>der</strong><br />
<strong>Kiosk</strong> we<strong>der</strong> „kalt“ noch „cool“ noch „zu wuchtig“<br />
sein darf.<br />
Zur Gestaltung fielen solch konkrete<br />
Vorschläge wie:<br />
• Verwendung von Naturmaterialien<br />
• <strong>Ein</strong>bau einer Heizung<br />
• Ganz wichtig: saubere und funktionierende<br />
sanitäre Anlagen<br />
• Der <strong>Kiosk</strong> sollte „verspielt“ sein, freundlich,<br />
einladend, vertraulich, ein bisschen wie<br />
eine „Ostsee-<strong>Villa</strong>“, er sollte hell sein, viele<br />
Fenster haben<br />
• Zweimal fiel <strong>der</strong> Vorschlag, <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> könnte<br />
die Form einer Erdbeere haben; eine Frau<br />
schlug die Form einer Erdnuss vor.<br />
• Häufig fiel das Adjektiv gemütlich. Umgesetzt<br />
durch „viele Kissen“, „individuell, von<br />
Stadtteilgruppen bemalte Wände“, „Lampen<br />
wie Sterne an <strong>der</strong> Decke“, „viele Tischdecken“<br />
• Das Element „überdachte Terrasse“ wurde<br />
in allen Gesprächsgruppen für sehr wichtig<br />
erachtet.<br />
• „Pflanzen“ nehmen einen sehr wichtigen<br />
Stellenwert ein.<br />
24<br />
Angebot<br />
Bei <strong>der</strong> Befragung und Diskussion zur und über<br />
die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ fiel sehr häufig <strong>der</strong> Vergleich zu<br />
„Planten & Blomen“, wo alle <strong>der</strong> Befragten regelmäßig<br />
hinfahren. Wenn sie an die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“<br />
denken, so scheint es fast automatisch, dass sie<br />
an einen sehr interessanten Spielplatz in direkter<br />
Nähe denken. <strong>Ein</strong> Ort, wo sie selbst sich bei einer<br />
Tasse Kaffee o<strong>der</strong> Tee einmal ausruhen können.<br />
Wie es eine Mutter ganz deutlich auf den Punkt<br />
brachte: Ich fühle mich dann wohl, wenn meine<br />
Kin<strong>der</strong> beschäftigt sind, dann kann ich relaxen,<br />
und nicht, dass da ein Kind ständig an meinem<br />
Rockzipfel hängt.<br />
Das Wohlfühlen hängt von <strong>der</strong><br />
Gestaltung des <strong>Kiosk</strong>es, als auch<br />
vom Angebot ab<br />
Und die Befragten legen Wert auf ein vernünftiges<br />
Angebot an Essen, das bezahlbar sein muss.<br />
Darüber hinaus finden sie es gut, wenn es kostenlose<br />
Trinkbrunnen gibt, damit sie nicht so viel<br />
und schwer schleppen müssen. Deswegen wird<br />
es auch begrüßt, wenn man in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“<br />
Spielsachen für die Kin<strong>der</strong> ausleihen kann.<br />
Weiterhin nimmt das Thema „Grillen“ einen sehr<br />
hohen Stellenwert ein, was zur Frage führte, ob<br />
man in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ auch Zubehör zum Grillen<br />
ausleihen / erwerben soll.<br />
Was den geplanten Aufenthaltsraum betrifft, so<br />
können sich alle Befragten vorstellen, diesen als<br />
Treffpunkt zu nutzen. Gottfried Weiss vom Landesverein<br />
<strong>der</strong> Sinti hat die Idee, dort mit den berühmten<br />
Musikern aus seiner Familie Konzerte zu<br />
veranstalten. Und Frau Trosien von <strong>der</strong> Elternschule<br />
findet es gut, wenn dort Kin<strong>der</strong>geburtstage<br />
gefeiert werden könnten. Dafür plädiert sie<br />
unbedingt für eine Teeküche.
• <strong>Ein</strong> interessanter Spielplatz für alle Altersgruppen<br />
in direkter Nähe zur „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“<br />
• Niedrige Preise – sonst kauft niemand<br />
• Vernünftiges und interessantes Angebot<br />
an Speisen und Getränken: keinen Alkohol,<br />
viele Früchte, Früchtebowle, „kleine<br />
Snacks“ (Pfannkuchen, Hot Dogs, Waffeln),<br />
türkische Spezialitäten (Sesamringe, Börek<br />
und türkischen Tee), Kaffee und Kuchen<br />
• Der Elternrat <strong>der</strong> Schule An <strong>der</strong> Burgweide<br />
überlegt, ob nicht auch Schüler aus <strong>der</strong><br />
nahe gelegenen Hauswirtschaftsschule an<br />
manchen Tagen Essen anbieten könnten.<br />
• Trinkbrunnen bzw. günstige Getränke<br />
• Spielzeugverleih für Kin<strong>der</strong>, Jugendliche<br />
und Erwachsene (eventuell auch Internetzugang)<br />
• Verleih von Grillzubehör, ev. auch Verkauf<br />
von Grillfleisch<br />
• Aufenthaltsraum mit eingebauter Teeküche<br />
im Uhrzeigersinn: Elternrat <strong>der</strong> Schule an <strong>der</strong> Burgweide, Seniorenkreis<br />
<strong>der</strong> Honigfabrik, „Insel-Mütter“ Elternschule, Elternrat<br />
<strong>der</strong> Kita Elbkin<strong>der</strong><br />
Freiraumtraditionen<br />
Für alle Gesprächsrunden-TeilnehmerInnen spielt<br />
das Draußen sein bei schönem Wetter eine sehr<br />
zentrale Rolle. Dabei machen sie am liebsten:<br />
• Spazierengehen<br />
• Grillen<br />
• Planten un Blomen hat als Ausflugsziel<br />
einen sehr hohen Stellenwert, auch <strong>der</strong><br />
Stadtpark wird ab und an erwähnt:<br />
• Relaxen, unterwegs sein, Musik machen<br />
(Sinti)<br />
• Den Unterschied zu ihren Heimatlän<strong>der</strong>n<br />
(Türkei und Albanien) sehen die Befragten<br />
darin, dass es in ihren Herkunftslän<strong>der</strong>n<br />
mehr Angebote und Anlagen gibt, wie z.B.<br />
Promenaden und Teegärten, und dass es<br />
mehr Öffentlichkeit gibt, wo die Menschen<br />
leichter miteinan<strong>der</strong> ins Gespräch kommen.<br />
Genau diese Öffentlichkeit ist es, die die herausragende<br />
Qualität des <strong>Kiosk</strong>es in Wilhelmsburg<br />
darstellt, ein Merkmal, das in den – im Folgenden<br />
dargestellten – Interviews mit den <strong>Kiosk</strong>betreibern<br />
deutlich hervorgehoben wurde.<br />
25
5<br />
26
5. Wenn Abstraktes konkret wird<br />
Planungswerkstatt macht Ideen sichtbar<br />
Planungswerkstatt<br />
Am 30. April 2010 war es so weit: Als konsequente<br />
Fortführung <strong>der</strong> Stadtteilinterviews fand eine<br />
Planungswerkstatt statt, bei <strong>der</strong> die in den Interviews<br />
geäußerten Wünsche und Ideen zur<br />
„<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ in ganz konkrete Modelle umgesetzt<br />
werden konnten. Wesentlicher Faktor für<br />
die Teilnahme war die im Vorfeld stattgefundene<br />
persönliche Ansprache in den Gesprächsrunden<br />
und Interviews. Darüber hinaus waren auch<br />
Vereine, Schulen, Kitas, Initiativen und zahlreiche<br />
Privatpersonen eingeladen, die zum<br />
Teil persönlich angesprochen, zum<br />
Teil postalisch informiert wurden.<br />
Zwölf Studierende des Master-Architekturstudienganges<br />
<strong>der</strong> TU Braunschweig<br />
standen schließlich über 30<br />
WilhelmsburgerInnen mit Rat und Tat<br />
zur Planungsseite. Aufgeteilt in drei<br />
Gruppen wurden zunächst die Eckdaten gesammelt:<br />
Angebote im Innenraum, Pflanzen und Materialien,<br />
Angebote draußen, Außengestaltung sowie<br />
Sortiment des <strong>Kiosk</strong>s.<br />
Unter lebhaften Diskussionen – soll das Holzgerüst<br />
ausklappbar sein?, sollen wir die Toiletten in<br />
den Osten legen?, das soll mal so ne Feuerstelle<br />
sein, wer hat noch Vorschläge zur Sitzecke?, ich<br />
finde, das sollte nicht „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ heißen – entstanden<br />
bereits während <strong>der</strong> Stichwortsammlung<br />
gestalterische Ideen, die von den Studenten<br />
mit den vielfältigen, bereit gestellten Materialien<br />
umgesetzt wurden.<br />
Es wurde geschnitten, gesägt, gebogen, geklebt,<br />
gehalten, gesteckt bis am Ende begrünte Sitzecken<br />
in organischen Formen, bemooste Aussichtstürme,<br />
verschiebbare Veranden, Hügellandschaften<br />
zum Bespielen o<strong>der</strong> eine bedachte Marktfläche<br />
mit Fotovoltaikanlage zu sehen waren.<br />
Die gefertigten Modelle gaben schließlich eine<br />
sichtbare Antwort auf die zentralen Fragestellungen<br />
<strong>der</strong> Planungswerkstatt:<br />
• Wie soll die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ gestaltet werden,<br />
damit diese den Bedürfnissen <strong>der</strong> WilhelmsburgerInnen<br />
entspricht?<br />
• Welche Gestaltungselemente wünschen sich<br />
die WilhelmsburgerInnen für den Innen-<br />
und Außenraum?<br />
• Was macht die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ zu einem einzigartigen<br />
Treffpunkt?<br />
Soll das Holzgerüst ausklappbar<br />
sein? Sollen wir die Toiletten in<br />
den Osten legen? Wer hat noch<br />
Vorschläge zur Sitzecke?<br />
So drückte das Modell <strong>der</strong> ersten Gruppe sofort die<br />
gewünschte Naturverbundenheit und Leichtigkeit<br />
aus. <strong>Ein</strong> umglaster Baukörper ist mit Holzlamellen<br />
versehen und so konstruiert, dass er sich im<br />
Sommer ausdehnen und im Winter zusammenziehen<br />
kann. Die weinumrankte Terrasse soll eine<br />
Hommage an den Süden darstellen, wobei darauf<br />
geachtet werden soll, dass es nicht zu dunkel<br />
wird. <strong>Ein</strong> Grußwort auf Holz in allen Sprachen soll<br />
die multikulturelle Bevölkerung Wilhelmsburgs<br />
willkommen heißen. Auf diese Multikulturalität<br />
soll in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ unter an<strong>der</strong>em durch<br />
27
Gemeinsames Entwickeln von Ideen zur Gestaltung und Nutzung<br />
<strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong><br />
Themenabende Bezug genommen werden. Damit<br />
sich die Besucher in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ wohl fühlen<br />
und immer wie<strong>der</strong> gerne dort hinkommen,<br />
soll es ganz viel zum Ausleihen geben, was zur<br />
Freizeitgestaltung gehört: Grillzubehör, Spiele,<br />
Skateboards usw. Ebenso um den Identifikationswert<br />
zu erhöhen, soll es die Möglichkeit geben,<br />
Samen aussähen zu können – als Symbol für die<br />
Verbundenheit mit dem Ort. Damit die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“<br />
schon von weitem zu sehen ist und damit ein<br />
Gefühl für den gesamten Ort entsteht, schlug die<br />
Gruppe einen Aussichtsturm vor, von dem man<br />
sich einen guten Überblick über den<br />
Park verschaffen könnte.<br />
Bei <strong>der</strong> zweiten Gruppe standen vor<br />
allem die Kin<strong>der</strong> im Vor<strong>der</strong>grund.<br />
<strong>Ein</strong>hellige Meinung war, dass das Zusammenspiel<br />
zwischen Alt und Jung<br />
sowie zwischen den verschiedenen<br />
<strong>Kulturen</strong> eine zentrale Rolle spielen<br />
soll. So soll es in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ ein<br />
Angebot zum betreuten Spielen geben, damit sich<br />
die Mütter erholen und Kaffee trinken können.<br />
Die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ ist als dreiteilige, begrünte Hügellandschaft<br />
bereits so gestaltet, dass sie den<br />
Kin<strong>der</strong>n Entdeckungslust und Spielanreize vermittelt.<br />
Denn die Hügel sind so gestaltet, dass die<br />
Kin<strong>der</strong> ohne Gefahr dort rauf und runter laufen<br />
können. Da die Gruppe Wert darauf legt, dass <strong>der</strong><br />
<strong>Kiosk</strong> ein Lernort sein soll, schlagen sie einen interkulturellen<br />
Garten vor, <strong>der</strong> nicht nur das Lernen<br />
ermöglicht, son<strong>der</strong>n auch vielfältige Erlebnismöglichkeiten<br />
bietet.<br />
28<br />
Die dritte Gruppe schließlich diskutierte vor allem<br />
die Waren, die es in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ geben<br />
soll und schlug vor, dass sie von einem Anbieter<br />
für ökologisch unbedenkliche Lebensmittel kommen<br />
sollen. Außerdem soll es dort aber auch immer<br />
wie<strong>der</strong> Markt geben, auf einer überdachten<br />
Fläche, die mit Fotovoltaik ausgestattet ist. Die<br />
Dachfläche ist dabei geschwungen, um die Nähe<br />
zum Wasser, des Kuckuckteichs, aufzugreifen.<br />
Was bei allen Gruppen als zentral erachtet wurde,<br />
kam bei <strong>der</strong> dritten Gruppe im Modell nochmals<br />
ganz explizit zur Sprache: dass es funktionierende,<br />
reine Toilettenanlagen gibt. Als Ausdruck <strong>der</strong><br />
Naturverbundenheit soll die Edelstahltoilettenanlage<br />
mit Ästen verkleidet werden. Ebenso in<br />
allen Gruppen für sehr wichtig erachtet, ist <strong>der</strong><br />
Vorschlag eines öffentlichen Grillplatzes.<br />
Damit die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ auch im Winter besucht<br />
wird, schlug die dritte Gruppe den Verleih von<br />
Schlitten vor, die auf den vielfältigen Hügeln im<br />
Park benutzt werden könnten.<br />
Bei <strong>der</strong> Präsentation <strong>der</strong> Modelle war allen Beteiligten<br />
eine deutliche Zufriedenheit anzusehen,<br />
„Ich fand das total beeindrukkend,<br />
wie so was Abstraktes auf<br />
einmal konkret wird“<br />
in so kurzer Zeit Abstraktes so konkret geworden<br />
sein lassen. Allen Beteiligten hat die produktive<br />
Planungswerkstatt großen Spaß gemacht. „Man<br />
musste die Leute richtig stoppen, so viele Ideen<br />
hatten sie“ o<strong>der</strong>: „Man musste nie Überzeugungsarbeit<br />
leisten, es war einfach so ein Lauf“,<br />
sagten die Studierenden über das gemeinsame,<br />
ganz direkte Planen.<br />
Auch Constanze Claus von <strong>der</strong> Körber-Stiftung war<br />
von den Ergebnissen begeistert: „Ich fand das<br />
total beeindruckend, wie so was Abstraktes auf
einmal konkret wird“. Claus, die von <strong>der</strong> Idee <strong>der</strong><br />
„<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ von Anfang an wegen des Aspektes<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit angetan war - indem Bewohner<br />
für Bewohner planen - fand es „richtig super“<br />
zu sehen, „was da entstehen kann“. Und sie<br />
war beeindruckt davon, wie von Seiten <strong>der</strong> Studierenden<br />
„auf die verschiedenen Bevölkerungsgruppen<br />
eingegangen wurde“.<br />
links oben: <strong>Kiosk</strong> RE-USE von S. Jose, Z.Katalas, C. Alesi<br />
links unten: <strong>Kiosk</strong> bNUTZbar von Christoph Peetz,Markus Willke<br />
rechts oben: Grill-Boulevard von Anna Allenstein<br />
rechts Mitte: Smooth Corner von Kathrin Meier, Marko Pampel<br />
rechts unten: Wohnzimmer in Berlin von Ulrike Knauer, Robert<br />
Uhl<br />
Über die Planungswerkstatt selbst als auch über<br />
<strong>der</strong>en Ergebnisse informierte <strong>der</strong> durch den<br />
Stadtteil wan<strong>der</strong>nde Ausstellungskiosk.<br />
29
6<br />
30
6. Rein in die gute Bude!<br />
Der Ausstellungskiosk lädt ein und informiert<br />
Wie kann die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ aussehen? Wo wird sie<br />
aufgebaut werden? Welche Wünsche hatten die<br />
Befragten? Was bedeutet ein <strong>Kiosk</strong> in Wilhelmsburg?<br />
Was bedeutet überhaupt „<strong>Kiosk</strong>“?<br />
Auf all die im Beteiligungsprozess aufgeworfenen<br />
und erörterten Fragen gab <strong>der</strong> durch den Stadtteil<br />
wan<strong>der</strong>nde Ausstellungskiosk Antwort. Untergebracht<br />
in <strong>der</strong> Ur-Form des <strong>Kiosk</strong>es – einem<br />
Zelt – zeigte die Ausstellung zum einen die fünf<br />
Modelle, die die Studierenden auf Grundlage <strong>der</strong><br />
Planungswerkstatt entwickelt haben.<br />
Die Modelle mit den Namen „BNUTZBAR“, „RE-<br />
USE“, „Wohnzimmer“, „Smooth Corner“ und<br />
„Grillboulevard“ machten jeweils verschiedene<br />
Aspekte aus <strong>der</strong> Planungswerkstatt sichtbar. So<br />
griff <strong>der</strong> „Grillboulevard“ die hohe Bedeutung<br />
des Grillens auf, <strong>der</strong> „Smooth Corner“ erinnerte<br />
mit seinem geschwungenen Dach an die Hügellandschaft<br />
aus <strong>der</strong> Planungswerkstatt, bei <strong>der</strong> die<br />
Dächer bespielt werden sollten, umgesetzt beim<br />
Wan<strong>der</strong>ausstellung im Stadtteil<br />
„Smooth Corner“ durch die Nutzung des Daches<br />
als Skaterbahn. Während „RE-USE“ auf den Aspekt<br />
<strong>der</strong> Nachhaltigkeit und Integration <strong>der</strong> Bevölkerung<br />
einging insofern, als dass dort alte<br />
Glasflaschen durch die Bewohner in die Wände<br />
eingesetzt würden, verarbeiteten sowohl das<br />
„Wohnzimmer“ als auch „BNUTZBAR“ den gewünschten<br />
Aspekt <strong>der</strong> Flexibilität und Verän<strong>der</strong>barkeit.<br />
Die Modelle, die zum Teil – zur Freude <strong>der</strong> Kin<strong>der</strong><br />
– verän<strong>der</strong>bar waren, wurden in eigenen Booklets<br />
erklärt. In einem weiteren Modell wurde die<br />
jeweilige Landschaftseinbettung gezeigt.<br />
Als offenes und ansprechend gestaltetes Zelt auf<br />
Stadtteilfesten (igs-Baustellenfest am 29. 8. 2010)<br />
sowie auf den Märkten in Kirchdorf-Süd (9. 9.<br />
2010) und Wilhelmsburg (17. 9. 2010) ermöglichte<br />
die Ausstellung ohne große Hemmschwellen<br />
einen kreativen Zugang zur lokalen Mitbestimmung.<br />
31
„Ausstellungskiosk wan<strong>der</strong>t im Stadtteil“<br />
Die Ausstellung gab darüber hinaus auch <strong>Ein</strong>blick<br />
in die Planungswerkstatt selbst und informierte<br />
über die Geschichte des <strong>Kiosk</strong>es, wie er vom Orient<br />
in den Okzident wan<strong>der</strong>te und in Wilhelmsburg<br />
zur Stadtteil prägenden Erscheinung wurde.<br />
Und vor allem wie er am Kuckucksteich zu seiner<br />
ursprünglichen Funktion als kontemplativer und<br />
kommunikativer Erfrischungsort in die Landschaft<br />
zurückkehrt.<br />
Die Ausstellung war dabei einerseits Ergebnis des<br />
Beteiligungsprozesses, den sie dabei an<strong>der</strong>erseits<br />
zusätzlich weiter för<strong>der</strong>te. So sollten die Ergebnisse<br />
des praktischen Beteiligungsprozesses wie<strong>der</strong><br />
zurück in den Stadtteil getragen werden und<br />
sichtbar werden, mit welcher Kompetenz und<br />
welch guten Ideen sich die Beteiligten dem Thema<br />
genähert haben.<br />
Mit großem Interesse haben die Menschen – Erwachsene<br />
und vor allem die Kin<strong>der</strong> – die Ausstellung<br />
betrachtet. Neugierig kamen sie näher und<br />
fragten: „Was ist das?“, „Was kann man hier kaufen?“<br />
„Wer hat das gemacht?“, „Warum heißt das<br />
<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>?“, „Steht schon fest, welches Modell<br />
es werden wird?“ Oftmals verließen die Leute die<br />
Ausstellung wie<strong>der</strong> mit den Worten: „Tolle Idee!“<br />
32<br />
Nachdem die Resonanz auf die <strong>Kiosk</strong>entwürfe im<br />
Stadtteil während <strong>der</strong> Ausstellungen eingefangen<br />
wurde, wählte im Herbst 2010 eine siebenköpfige<br />
Jury bestehend aus Vertretern <strong>der</strong> igs 2013,<br />
Teilnehmern <strong>der</strong> Planungswerkstatt, des IBA/igs<br />
2013 Beteiligungsgremiums, <strong>der</strong> Geschichtswerkstatt,<br />
<strong>der</strong> Stadtverwaltung und Architekten einen<br />
Siegerentwurf aus. Die Kriterien für die Auswahl<br />
bildeten die städtebauliche Ausrichtung, die Gestaltung<br />
räumlicher Qualitäten, die Möglichkeiten<br />
und Angebote, die Nachhaltigkeit und Umweltverträglichkeit,<br />
die Funktionalität sowie die Integration<br />
lokaler und sozialer Spezifika.<br />
Nach zwei Rundgängen fiel die einstimmige Wahl<br />
auf den <strong>Kiosk</strong>entwurf „BNUTZBAR“ von Christoph<br />
Peetz und Markus Wilke, weil, so die Jury, <strong>der</strong> Gebäudeentwurf<br />
„eine spannende Aufenthaltsqualität<br />
mit einer großen Vielfalt an Angeboten bietet,<br />
die in Varianten nutzbar sind“. Die Grundidee<br />
des Entwurfes basiert auf einem geschlossenen<br />
Körper mit hoher Flexibilität. Die Angebote reichen<br />
von <strong>der</strong> Kleinteiligkeit im Mobiliar bis hin<br />
zu großen Raumvolumina. <strong>Ein</strong> Schiebeprinzip<br />
und die Raumaufteilung führen zu unterschiedlichen<br />
Versammlungsorten mit spannenden Aufenthaltsqualitäten<br />
und variablen Nutzungsmöglichkeiten.<br />
Der Siegerentwurf bestach insgesamt durch eine<br />
funktional klare Form und Schlichtheit, die eine<br />
vielfältige Nutzung ermöglicht.<br />
Auswahlgremium <strong>Kiosk</strong>entwürfe
7<br />
33
7. Der <strong>Kiosk</strong> als verbindendes<br />
Element Fazit des Beteiligungsprozesses<br />
Wie bereits ausführlich zur Sprache kam, ist <strong>der</strong><br />
<strong>Kiosk</strong> ein äußerst komplexer und meist sehr positiv<br />
besetzter Ort. Als orientalische Erfindung und<br />
orientalisches Wort ist <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> ein Exportschlager,<br />
ein Beispiel <strong>der</strong> Migration und Integration.<br />
Im <strong>Kiosk</strong> verbindet sich Orient mit Okzident, Kultur<br />
und Natur, Besinnlichkeit und Handel.<br />
Der <strong>Kiosk</strong> als Wort und Gebäude ist eine Art Kulturbotschafter,<br />
<strong>der</strong> um die Welt gereist ist. <strong>Ein</strong><br />
passendes Thema für eine in einem multikultu-<br />
Mit diesem Projekt ist es gelungen,<br />
Neugierde und positives<br />
Interesse zu wecken und die<br />
Ideen <strong>der</strong> BewohnerInnen direkt<br />
in die Planung einzubeziehen<br />
rellen Stadtteil stattfindende <strong>Internationale</strong> <strong>Gartenschau</strong>,<br />
<strong>der</strong>en Thema „In 80 Gärten um die<br />
Welt“ lautet.<br />
Darüber hinaus ist <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> aber eben auch eine<br />
Stadtteil prägende Erscheinung in Wilhelmsburg,<br />
mit <strong>der</strong> die Menschen sehr verbunden sind.<br />
Genau diese Verbundenheit in Zusammenhang<br />
mit einem direkten Zugang auf die verschiedenen<br />
Stadtteilgruppen ermöglichte die effektive Ansprache<br />
und Integration von Bevölkerungsgruppen,<br />
die bislang wenig in Planungsprozesse eingebunden<br />
waren. Durch das Thema <strong>Kiosk</strong> wurden<br />
die unterschiedlichen Akteure <strong>der</strong> Sozialräume<br />
zusammen gebracht.<br />
Die Sinti und Roma waren sehr zufrieden, dass sie<br />
direkt befragt wurden und haben bereits konkrete<br />
Vorschläge für Veranstaltungen in <strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<br />
<strong>Villa</strong>“ gemacht, wie auch <strong>der</strong> Elternrat <strong>der</strong> Schule<br />
34<br />
an <strong>der</strong> Burgweide die „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ aktiv nutzen<br />
möchte und viele Ideen zum Betreiberkonzept<br />
hat. Die Frauen aus dem Verikom-Sprachkurs waren<br />
zwar einerseits verlegen, aber an<strong>der</strong>erseits<br />
doch sichtlich geschmeichelt, dass auch ihre Meinung<br />
zählte und auch die Seniorinnen aus dem<br />
Seniorenkreis <strong>der</strong> Honigfabrik brachten wichtige<br />
Gedanken aus ihrer Generation mit ein.<br />
Mit diesem Projekt ist es gelungen, Neugierde<br />
und positives Interesse zu wecken und die Ideen<br />
<strong>der</strong> BewohnerInnen direkt in die<br />
Planung einzubeziehen. So sollen die<br />
Anregungen aus dem Beteiligungs-<br />
und Planungsprozess auch tatsächlich<br />
Wirklichkeit werden, so dass die Beteiligten<br />
die <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> als „ihr Werk“<br />
ansehen und nachhaltig als Ort <strong>der</strong><br />
interkulturellen Begegnung nutzen<br />
können.<br />
Aktuell detailliert ein Hamburger Architekturbüro<br />
den studentischen Entwurf. Noch<br />
in diesem Jahr wird <strong>der</strong> Bauantrag gestellt, so<br />
dass bereits im kommenden Jahr <strong>der</strong> Spatenstich<br />
gemeinsam gefeiert werden kann.<br />
<strong>Ein</strong> wichtiger Mosaikstein fehlt noch: ein sozialverantwortlicher<br />
Betreiber, <strong>der</strong> es versteht, mit<br />
<strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> einen Ort <strong>der</strong> Begegnung mit attraktiver<br />
Aufenthaltsqualität zu schaffen.<br />
Planungswerkstatt April 2010
8. Quellen und Literatur<br />
Literatur<br />
Architekturzentrum Wien (Hg.) (2004), Texte rund<br />
um den <strong>Kiosk</strong>. Wien.<br />
Bogacz, Agathe u. Hanna Bornholdt (2010): Aktuelle<br />
Herausfor<strong>der</strong>ungen in Planung und Management<br />
von öffentlichen Räumen am Beispiel <strong>der</strong><br />
„Welt <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>“ - einer <strong>der</strong> sieben Themenwelten<br />
<strong>der</strong> internationalen gartenschau hamburg<br />
2013, In: Kulturmanagement konkret<br />
Claaßen, Klaus (1996), „Tante Esso“ und „Onkel<br />
<strong>Kiosk</strong>“. Nischen des <strong>Ein</strong>zelhandels nach Ladenschluss.<br />
In: Praxis Geographie 5 / 1996, S. 34 – 40.<br />
Dangschat, J., Witthöft, G., Breitfuss, A., Gruber,<br />
S., Gstöttner, S. (2006): Integration im öffentlichen<br />
Raum. Wien.<br />
Franke, Julia / Niedenthal, Clemens (2004), <strong>Kiosk</strong>Kultur<br />
– Der Ort. Die Dinge. Die Menschen.<br />
Delmenhorst.<br />
Heizmann, Bertold (1993), Trinkhallen im Ruhrgebiet.<br />
Versuch einer volkskundlich-historischen<br />
Annäherung an die Alltagskultur. Son<strong>der</strong>ausstellung<br />
des Kultur- und Stadthistorischen Museums<br />
Duisburg. Duisburg.<br />
Hofmann, Wilfried (1997), Triumpf <strong>der</strong> kleinen<br />
Form. Architektonische Gestalt. In: Fuhrmann /<br />
Hofmann, Ruprecht / Poth (1997), S. 19 – 25.<br />
IBA Hamburg GmbH und igs 2013 gmbh (2009)<br />
Stadt für alle. Interkulturelle öffentliche Räume.<br />
Dokumentation IBA-Labor. Hamburg<br />
Igs internationale gartenschau hamburg 2013<br />
gmbh (2009): In 80 Gärten um die Welt, Hamburg.<br />
Kaldewei, Gerhard (2004), <strong>Kiosk</strong> – Ort und Teil<br />
von Architektur und Alltagskultur. In: Franke /<br />
Niedenthal (2004), S. 5 – 11.<br />
Kirst, Oliver (2004): Gesellschaftliche Funktion<br />
von Trinkhallen. Frankfurt a. M. Siehe: http://<br />
www.fb4.fh-frankfurt.de/offline/diplomarbeiten/trinkhalle.pdf<br />
Körber-Stiftung (2009): Anstiften! 50 Impulse für<br />
Hamburg. Die Ergebnisse. Hamburg<br />
Ley, Astrid; Weitz, Ludwig (2003): Praxis Bürgerbeteiligung<br />
– ein Methodenhandbuch. Bonn.<br />
Naumann, Elisabeth (2003), <strong>Kiosk</strong>: Entdeckungen<br />
an einem alltäglichen Ort. Vom Lustpavillon zum<br />
kleinen Konsumtempel. Marburg.<br />
Niedenthal, Clemens (2004), <strong>Ein</strong>e Ästhetik des<br />
Alltags – Von gestalteten Orten und benutzten<br />
Räumen. In Franke / Niedenthal (2004), S. 40 – 51.<br />
Rolka, Caroline (2007), Historische Kleinarchitekturen<br />
in Sachsen. <strong>Ein</strong>e Untersuchung zur Baukonstruktion<br />
und <strong>der</strong> Materialverwendung im Garten-<br />
und Landschaftsbau. Berlin.<br />
Sturm, Hermann (1981), Alltagsarchitektur. Dargestellt<br />
am Beispiel Buden. In: Werk und Zeit. Hg.<br />
Vom Deutschen Werkbund, 1981, Bd.2, H.6, S. 1–3.<br />
Teuteberg, Hans-Jürgen (2003), Vom „Gesundbrunnen“<br />
in Kurbä<strong>der</strong>n zur mo<strong>der</strong>nen Mineralwasserproduktion.<br />
In: Walter (Hg.) (2003), S.123–157.<br />
Walter, Rolf (Hg.) (2003): Geschichte des Konsums.<br />
Erträge <strong>der</strong> 20. Arbeitstagung <strong>der</strong> Gesellschaft für<br />
Sozial- und Wirtschaftsgeschichte 23.-26. April<br />
2003 in Greifswald. (Vierteljahresschrift für Sozial-<br />
und Wirtschaftsgeschichte, Beiheft Nr. 175).<br />
Welz, Sabine (2000), <strong>Kiosk</strong>. Köln.<br />
35
9. Abbildungsverzeichnis<br />
Titelseite U.Kosin; S.4 S.Kröger; S.5 igs internationale<br />
gartenschau hamburg; S.7 RMP Landschaftsarchitekten;<br />
S.8 oben: N.Renninger; S.8 unten:<br />
RMP Landschaftsarchitekten; S.9 RMP Landschaftsarchitekten;<br />
S.10 J.Höfer; S.11 oben: Geschichtswerkstatt;<br />
S.11 unten: D.Hahn; S.12 D.Hahn; S.13<br />
J.Höfer; S.14 D.Hahn; S.15 J.Höfer; S.16 D.Hahn;<br />
S.17 D.Hahn; S.18 D.Hahn; S.19 A.Caspari; S.20 Geschichtswerkstatt;<br />
S.21 oben: LWL Industriemuseum;<br />
S.21 unten D.Hahn; S.22 D.Hahn; S.23 D.Hahn;<br />
S.25 D.Hahn; S.26 S.Kröger; S.27 S.Kröger; S.28<br />
S.Kröger; S.30 U.Kosin; S.31 U.Kosin; S.32 oben:<br />
D.Hahn; S.32 unten: H.Bornholdt; S.33 J.Höfer;<br />
S.34 S.Kröger<br />
36
10. Impressum<br />
igs internationale gartenschau hamburg<br />
2013 gmbh<br />
Die igs internationale gartenschau hamburg 2013<br />
gmbh ist <strong>der</strong> grüne Impulsgeber <strong>der</strong> Freien und<br />
Hansestadt Hamburg für die stadtentwicklungspolitische<br />
Erschließung des Hamburger Südens.<br />
Seit 2007 plant und gestaltet sie im Zentrum Wilhelmsburgs<br />
den Park <strong>der</strong> Zukunft: mit attraktiven<br />
Spiel-, Sport- und Freizeitmöglichkeiten, aufregen<strong>der</strong><br />
Gastronomie und überraschenden Wasser-<br />
und Gartenanlagen. Ziel ist es, im Frühjahr<br />
2013 eine <strong>Internationale</strong> <strong>Gartenschau</strong> zu eröffnen.<br />
Unter dem Motto „In 80 Gärten um die Welt“ entführt<br />
die Schau ihre Besucher auf eine Zeit- und<br />
Weltenreise durch die <strong>Kulturen</strong>, Klima- und Vegetationszonen<br />
dieser Erde – und feiert mit ihren<br />
Gästen zugleich die Vielfalt und Internationalität<br />
des ausstellenden Viertels Wilhelmsburg.<br />
Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg und<br />
Hafen (GW)<br />
Als Kooperationspartner <strong>der</strong> igs2013 in dem Projekt<br />
„<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“ bot sich die Geschichtswerkstatt<br />
Wilhelmsburg und Hafen (GW) aus mehreren<br />
Gründen hervorragend an. So ist sie seit über 20<br />
Jahren fest im Stadtteil verankert. Mit zahlreichen<br />
Aktionen – Ausstellungen, Theateraufführungen,<br />
Veröffentlichungen – hat sie es geschafft, Menschen<br />
verschiedener Herkunft und unterschiedlichen<br />
Bildungsgrades für die Geschichte ihrer Umgebung<br />
zu interessieren. Der Schwerpunkt <strong>der</strong> GW<br />
liegt auf <strong>der</strong> Charakteristik Wilhelmsburgs, auf <strong>der</strong><br />
Migrationsgeschichte. Genau diese unterschiedlichen<br />
<strong>Kulturen</strong> prägen die Elbinsel und spielen bei<br />
<strong>der</strong> „<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong>“, dem <strong>Kiosk</strong> <strong>der</strong> <strong>Kulturen</strong>, eine<br />
zentrale Rolle. <strong>Ein</strong>e Migrationsgeschichte <strong>der</strong> beson<strong>der</strong>en<br />
Art ist dabei <strong>der</strong> <strong>Kiosk</strong> selbst, <strong>der</strong> vom<br />
Orient aus sich in <strong>der</strong> ganzen Welt verbreitet hat.<br />
Genau dieser Geschichte hat die GW im Jahre<br />
2005 in Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Ganztagsschule<br />
Fährstraße und Wilhelmsburger Künstlern eine<br />
Ausstellung gewidmet.<br />
Mit <strong>der</strong> freien Mitarbeiterin <strong>der</strong> GW, <strong>der</strong> Kulturwissenschaftlerin<br />
und <strong>Kiosk</strong>expertin Darijana<br />
Hahn, die seit zehn Jahren in Wilhelmsburg lebt,<br />
war es leicht, den Kontakt zu den verschiedenen<br />
Initiativen und <strong>Kiosk</strong>betreibern herzustellen.<br />
Technische Universität Braunschweig<br />
Wichtiger Partner im Beteiligungsverfahren und<br />
bei <strong>der</strong> Entwicklung von Gestaltungsideen für den<br />
neuen <strong>Kiosk</strong> im Wilhelmsburger Inselpark war die<br />
Technische Universität Braunschweig. Frau Prof.<br />
Gabriele G. Kiefer, Dipl.-Ing. Inga Hahn, Henri<br />
Greil und Carolin Kleist boten am Institut für<br />
Städtebau und Landschaftsplanung ein Seminar<br />
zur Entwicklung eines <strong>Kiosk</strong>s an. Im Seminar wurden<br />
einzelne Typologien vom <strong>Kiosk</strong> über Baum-<br />
und Sommerhäuser hin zu Spacebustern untersucht.<br />
Mit <strong>der</strong> Untersuchung wurde ein Spektrum<br />
von unterschiedlichen Gestaltungsansätzen und<br />
Materialverwendungen für die <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> erarbeitet.<br />
Die erfrischenden und kreativen Gedanken<br />
inspirierten die Bewohner. 11 Studierende entwickelten<br />
die Ideen aus <strong>der</strong> Planungswerkstatt<br />
in ihrem Seminar an <strong>der</strong> TU-Braunschweig weiter<br />
und visualisierten sie in Form von Modellen.<br />
Kernthemen des Instituts sind entsprechend dieser<br />
Aufgabe die europäische und zeitgenössische<br />
Stadt, sowie städtische Freiräume und Landschaft<br />
als Gesamtheit. Dazu zählt insbeson<strong>der</strong>e die Erforschung<br />
urbaner Prozesse, Stadt- und Siedlungsentwicklung<br />
unter Betrachtung nachhaltiger<br />
Parameter und die Entwicklungen <strong>der</strong> zeitgenössischen<br />
Freiraumgestaltung.<br />
Körber-Stiftung<br />
2009 feiert die Körber-Stiftung den 100. Geburtstag<br />
ihres Stifters Kurt A. Körber und das 50-jährige<br />
Bestehen <strong>der</strong> Stiftung. Im Geiste des Hamburger<br />
Ehrenbürgers nutzte die Körber-Stiftung dieses<br />
Doppeljubiläum, um Engagement von Hamburgern<br />
für Hamburger zu unterstützen.<br />
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Mit <strong>der</strong> Initiative »Anstiften! 50 Impulse für Hamburg«<br />
lobte die Körber-Stiftung in einem großen<br />
Ideenwettbewerb 50 mal 5.000 Euro für innovative<br />
Projekte aus. Diesen <strong>Ein</strong>satz sollten 50 Partnerunternehmen<br />
aus <strong>der</strong> Hamburger Wirtschaft<br />
verdoppeln. Schließlich fanden sich nicht 50,<br />
son<strong>der</strong>n 66 Hamburger Unternehmen, die Anstifter<br />
werden wollten, und schafften damit ein Innovationskapital<br />
von 660.000 Euro.<br />
1.070 Projektideen wurden beim Wettbewerb<br />
eingereicht. 66 gemeinnützige Projekte mit zukunftsweisenden<br />
Ideen o<strong>der</strong> neuen Ansätzen<br />
wurden von einer unabhängigen Jury unter Vorsitz<br />
von Jörg Pilawa ausgewählt und prämiert.<br />
Das Projekt <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> im Grünen war eins <strong>der</strong> 66<br />
ausgewählten Projekte. Unternehmer und Unterstützer<br />
<strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> wurde die Karla Fricke Immobilien<br />
KG.<br />
Karla Fricke Immobilien KG<br />
Hochwertige Wohnimmobilien an Alster und Elbe.<br />
Für Karla Fricke Immobilien KG bedeutet das die<br />
professionelle Vermittlung von perfekten Objekten<br />
in besten Lagen – und das seit mehr als<br />
einem halben Jahrhun<strong>der</strong>t. »Schlüsselerlebnisse«,<br />
zugeschnitten auf die Ansprüche <strong>der</strong> Kunden,<br />
bieten sie an zwei ersten Adressen: Harvestehude<br />
an <strong>der</strong> Alster, Nienstedten an <strong>der</strong> Elbe.<br />
Kompetent und engagiert übernimmt Karla Fricke<br />
Immobilien KG den Verkauf und die Vermietung<br />
von Häusern und Wohnungen, die Bewertung von<br />
Objekten, die Verwaltung von Zinshäusern sowie<br />
die Projektentwicklung. 30 fachlich ausgebildete<br />
Mitarbeiter, ein mo<strong>der</strong>ner Softwaretool, und ein<br />
mo<strong>der</strong>ner Service mit einem Gefühl für hanseatische<br />
Wohnkultur.<br />
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Impressum<br />
Herausgeber:<br />
igs internationale gartenschau hamburg 2013 gmbh<br />
Pollhornbogen 18 · 21107 Hamburg<br />
www.igs-hamburg.de<br />
Hamburg, Dezember 2010<br />
Redaktion:<br />
Dr. Hanna Bornholdt, igs 2013<br />
Agathe Bogacz, igs 2013<br />
Texte:<br />
Darijana Hahn, Kulturwissenschaftlerin<br />
Margret Markert, Geschichtswerkstatt Wilhelmsburg und Hafen (GW)<br />
igs 2013<br />
Gestaltung:<br />
Lena Meyer<br />
Corporate Design:<br />
Kameko Design GbR<br />
Mit freundlicher Unterstützung von:<br />
Körber-Stiftung Hamburg<br />
Karla Fricke Immobilien KG
WILLI-VILLA – EIN KIOSK DER KULTUREN<br />
Die Ufersäume und Rasenflächen rund um den Kuckucksteich in Wilhelmsburg sind eine <strong>der</strong><br />
beliebtesten Grill- und Liegewiesen <strong>der</strong> Elbinsel. Was immer fehlte: <strong>Ein</strong> <strong>Kiosk</strong> mit sanitären<br />
Anlagen! Was macht man dagegen? Man baut einen und fragt zuvor die Menschen, wie er<br />
aussehen und was er anbieten soll.<br />
<strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> – ein Name als Programm. „<strong>Willi</strong>-Town“, so nennen die Jugendlichen ihren Stadtteil;<br />
„<strong>Villa</strong>“ wie<strong>der</strong>um bezeichnet ein repräsentatives Haus im Grünen als Kontrast zur prägenden<br />
Bebauung in Wilhelmsburg. In <strong>der</strong> Namensgebung spiegelt sich unmittelbar die angestrebte<br />
Funktion dieses Ortes wi<strong>der</strong>. Als Kristallisationspunkt interkultureller Aktivitäten<br />
besitzt die <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> einen deutlichen Sozialraumbezug.<br />
In Interviews und Gesprächsrunden mit Menschen verschiedener Nationalitäten und Generationen<br />
wird erforscht, welche Bedeutung <strong>Kiosk</strong>e in Wilhelmsburg haben, welche Unterschiede<br />
bei den Nutzungen im Herkunftsland und in Wilhelmsburg bestehen und was bei <strong>der</strong> Gestaltung<br />
<strong>der</strong> <strong>Willi</strong> <strong>Villa</strong> wichtig wäre. Denn ein <strong>Kiosk</strong> ist in vielerlei Hinsicht ein Schmelztiegel:<br />
so stellt er eine Verbindung zwischen Orient und Okzident her, zwischen Kultur und Natur,<br />
zwischen Besinnlichkeit und Handel. <strong>Kiosk</strong>artige Gebäude gibt es seit dem 13. Jahrhun<strong>der</strong>t,<br />
die ersten in Persien, Indien und im osmanischen Reich. Sie waren wichtige Elemente <strong>der</strong><br />
Gartenarchitektur. Der <strong>Kiosk</strong> als Gebäude ist also eine Art Kulturbotschafter, <strong>der</strong> um die Welt<br />
gereist ist. <strong>Ein</strong> passendes Thema für eine <strong>Internationale</strong> Gartenausstellung, <strong>der</strong>en Thema „In<br />
80 Gärten um die Welt“ lautet.<br />
2009 ist das Projekt <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Initiative „Anstiften - 50 Impulse für Hamburg“<br />
von <strong>der</strong> Körber-Stiftung ausgezeichnet worden. In Zusammenarbeit mit <strong>der</strong> Geschichtswerkstatt<br />
Wilhelmsburg und Hafen ist das Beteiligungsverfahren mit <strong>der</strong> lokalen, multikulturellen<br />
Bevölkerung Wilhelmsburgs durchgeführt worden. Mit <strong>der</strong> <strong>Willi</strong>-<strong>Villa</strong> soll ein Ort <strong>der</strong><br />
Begegnung entstehen, in dem sich Menschen jeden Alters, je<strong>der</strong> Nationalität und Kultur wohl<br />
fühlen.<br />
Wir danken den För<strong>der</strong>ern und Partnern für die Durchführung und Realisierung des Projektes.