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Der groß e Umbau - Roland Berger

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INSPIRATION: Gibt es den Genius Loci? ab Seite 12<br />

Jahrgang 2 Ausgabe 3<br />

November 2005<br />

Jahrgang 2 Ausgabe 3<br />

Oktober 2005 Das Executive-Magazin von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Cons<br />

<strong>Der</strong> <strong>Der</strong> <strong>groß</strong>e <strong>groß</strong>e<br />

Strukturieren Strukturieren Sie Sie<br />

um, um, bevor bevor die die<br />

Krise Krise ausbricht! ausbricht!<br />

WTO-Verteidiger<br />

Peter Sutherland<br />

1<br />

MBA-Skeptiker<br />

Henry Mintzberg<br />

Strukturieren Sie<br />

um, bevor die<br />

Krise Strukturieren ausbricht! Sie<br />

um, bevor die<br />

Krise ausbricht!<br />

2<br />

3<br />

Change-Lehrmeister<br />

Stuart C. Gilson<br />

<strong>Umbau</strong><br />

[k Dossier ab Seite 23 ]<br />

1 2 3<br />

<strong>Der</strong> <strong>groß</strong>e <strong>groß</strong> e<strong>Umbau</strong><br />

1<br />

2<br />

3<br />

WTO-Verteidiger<br />

Peter Sutherland<br />

MBA-Skeptiker<br />

Henry Mintzberg<br />

Change-Lehrmeister<br />

Stuart C. Gilson<br />

[k Dossier ab Seite 23 ]<br />

1<br />

2<br />

Das Executive-Magazin von <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

3


BÜRO SAO PAULO, ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS S/C LTDA.<br />

Av. Presidente Juscelino Kubitschek 510, 04543-906 São Paulo (Itaim Bibi), Brasilien, Telefon: +55 11 3046-7111<br />

Fax +55 11 3046-7222, E-Mail: office_sao-paulo@rolandberger.com


think: act das executive-magazin von roland berger strategy consultants jahrgang 2 november 2005 first views f<br />

Unsere Studien zeigen Erschreckendes: Zwei<br />

Drittel der Manager in kriselnden Unternehmen verdrängen<br />

alle Symptome des Niedergangs, bis es fast zu<br />

spät ist, anstatt diese Chance für eine strategische und<br />

nachhaltige Neuausrichtung zu nutzen. Dass es auch<br />

anders geht, zeigen wir Ihnen im Dossier „Restrukturierung“<br />

dieser Ausgabe. Unsere Beiträge demonstrieren,<br />

wie komplex, aber auch wie lohnend die strategische<br />

Restrukturierung ist.<br />

Unsere Restrukturierungsexperten haben für dieses<br />

Dossier gemeinsam mit der Financial Times Deutschland<br />

Erfolgsbeispiele recherchiert, Fallstudien erarbeitet<br />

und mit Praktikern, Investoren, Professoren und anderen<br />

Experten gesprochen. Diese Kooperation zwischen<br />

klassischem Journalismus und einem Unternehmensmagazin<br />

ist ein Novum.<br />

Welche Herausforderungen auch immer zu bewältigen<br />

sind, über den Erfolg entscheidet letztlich die Fähigkeit<br />

zu führen. Eine gute Schule für Charakter und Menschenführung<br />

war und ist der Sport. Wir haben deshalb<br />

Jesper Bank, Skipper der ersten deutschen America’s Cup<br />

Yacht, gebeten, uns einen Einblick in seine Führungsphilosophie<br />

zu geben. Das Ergebnis lesen Sie exklusiv in<br />

dieser Ausgabe.<br />

Eine anregende Lektüre wünscht Ihnen Ihr<br />

Dr. Burkhard Schwenker<br />

CEO <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

3


p inhalt<br />

4<br />

Sicherheit ist das <strong>groß</strong>e Thema dieses Jahrzehnts – und das Bedürfnis<br />

nach Sicherheit eine Chance für Unternehmen. Einblicke in einen unübersichtlichen<br />

Markt. Seite 6<br />

Old Europe kann von den EU-Beitrittsländern einiges lernen, argumentiert<br />

der polnische Wirtschaftsexperte Jacek Socha. Sein Land sieht er<br />

trotz hoher Arbeitslosigkeit auf dem richtigen Weg. Seite 8<br />

Die Gesundheitssysteme stehen vor riesigen Herausforderungen.<br />

Wie gewährleistet und finanziert man ein hohes Versorgungsniveau? Experte<br />

Thomas Aretz erläutert globale Best-Practice-Beispiele. Seite 44<br />

In Garagen oder Schuppen entstehen häufig bahnbrechende<br />

Innovationen. Warum sind wir an einigen Orten besonders kreativ? Und<br />

können wir die Inspiration durch unser Umfeld managen? Seite 12


food for thought<br />

6 Marktchancen<br />

In Zeiten globaler Bedrohungen ist<br />

Sicherheit ein gefragtes Gut. Einblicke<br />

in einen komplexen Markt.<br />

8 Best of European Business<br />

Polen greift an: „Wir sind ehrgeizig<br />

und hungrig“, sagt der Ökonom und<br />

Marktliberale Jacek Socha.<br />

12 Inspirationsmanagement<br />

Warum Sie auf der Suche nach<br />

einer guten Idee am besten in den<br />

Schuppen gehen sollten<br />

20 Messbares Glück<br />

Die Hirnforschung zeigt, was uns<br />

glücklich macht. Davon profitiert<br />

das Marketing.<br />

Dossier<br />

Restrukturierung: Warum Sie mit dem<br />

<strong>Umbau</strong> Ihrer Firma nicht zu lange warten<br />

sollten. Ab Seite 23<br />

dossier<br />

in Kooperation mit der Financial Times Deutschland<br />

24 „Wir waren zu nett zu uns“<br />

Konsequent aus der Krise – wie<br />

erfolgreiche Restrukturierer den<br />

Wandel vorleben<br />

27 Chance verpasst<br />

Neue Studie: Zwei von drei Unternehmen<br />

bauen zu spät um.<br />

30 Hart werden lernen?<br />

Was macht den Sanierer aus? Von<br />

Harvard-Professor Stuart C. Gilson.<br />

32 Reportage: VBH<br />

In letzter Sekunde –<br />

Restrukturierung beim Bau<br />

36 Hemmschuh Routinen<br />

Gewohnheit führt in den Ruin –<br />

wie man Routine durchbricht.<br />

38 Stakeholder forcieren den Wandel<br />

Investoren verlangen kontinuierliche<br />

Reformen – eine Chance für<br />

das Management.<br />

industry-report<br />

42 Stahl<br />

Eisenhart nach oben – Chinas Weg<br />

zum Stahlexporteur<br />

44 Gesundheit<br />

Die USA haben das teuerste<br />

Gesundheitssystem der Welt – aber<br />

ist es auch das beste?<br />

business-culture<br />

regulars<br />

3 First Views<br />

46 Zukunftsmärkte im Check<br />

62 Service | Impressum<br />

inhalt f<br />

48 Segelschule<br />

Topsegler fällen in Sekunden strategische<br />

Entscheidungen. Manager<br />

können viel von ihnen lernen.<br />

52 Quo vadis, MBA?<br />

<strong>Der</strong> MBA ist am Ende, sagt<br />

Managementguru Mintzberg. Sein<br />

Kollege Seán Meehan widerspricht.<br />

56 Reportage: Fokus: Hope<br />

Ein Unternehmen aus Detroit zeigt:<br />

Sozial ist, was junge Menschen<br />

wettbewerbsfähig macht.<br />

58 Ten years after<br />

Globalisierung am Ende? Nein, sagt<br />

WTO-Gründungschef Peter<br />

Sutherland. Die <strong>groß</strong>e Zeit des<br />

Freihandels kommt erst noch.<br />

5


p food for thought sicherheit<br />

6<br />

Weltmarkt für Sicherheitstechnik (Eingangskontrollen,<br />

Videoüberwachung et cetera) im Jahr 2004:<br />

100 Mrd. €<br />

Das Geschäft mit der Sicherheit<br />

Globale Risiken und Verunsicherung sind Gift für die Konjunktur. Doch das Bedürfnis nach Sicherheit<br />

schafft auch eigene Märkte. Die sind von Land zu Land unterschiedlich. So haben neun von zehn<br />

US-Einfamilienhäusern eigene Rauchmelder, in Deutschland hingegen nur neun Prozent.<br />

Nordamerika: Kriminalität ging zurück<br />

In den vergangenen Jahrzehnten ist die Kriminalität in Nordamerika deutlich zurückgegangen.<br />

Das zeigt die globale Kriminalitätsstatistik der Vereinten Nationen. In Europa<br />

hingegen war in den achtziger Jahren ein leichter Anstieg zu verzeichnen.<br />

10 000<br />

9000<br />

8000<br />

7000<br />

6000<br />

5000<br />

4000<br />

3000<br />

2000<br />

1000<br />

0<br />

Registrierte Verbrechen pro 100 000 Einwohner, Quelle: United Nations Office on Drugs and Crime<br />

Neuer Trend: physische Sicherheitskontrollen,<br />

mit IT-Services kombiniert<br />

So können etwa bei Grenzkontrollen erhobene Daten<br />

gespeichert und weltweit abgeglichen werden. Zahlen<br />

zum Weltmarkt für solche kombinierten Systeme:<br />

2005<br />

1,2<br />

Mrd. $<br />

1980<br />

Quelle: Forrester<br />

Nordamerika<br />

alle Länder der Welt<br />

1982<br />

2006<br />

2,7<br />

Mrd. $<br />

Europäische Union<br />

1984<br />

Lateinamerika und Karibik<br />

1986<br />

1988<br />

1990<br />

2007<br />

6<br />

Mrd. $<br />

1992<br />

1994<br />

1996<br />

1998<br />

2008<br />

11,3<br />

Mrd. $<br />

2000<br />

Alarmanlagen: US-Villen am besten geschützt<br />

))<br />

)))))))<br />

Quelle: Forrester<br />

Nirgendwo ist der Ausstattungsgrad von Privathaushalten mit Alarmanlagen<br />

höher als in den USA. In Deutschland ist gerade mal einer von 200 Haushalten<br />

elektronisch gesichert, in Frankreich immerhin knapp einer von 20.<br />

0,5 %<br />

Deutschland<br />

4,5 %<br />

Frankreich<br />

))))))))))))))))))<br />

))))))))))<br />

Quelle: Bundesverband der Hersteller- und Errichterfirmen von Sicherheitssystemen (BHE)<br />

ssss<br />

9%<br />

USA Großbritannien Schweden Deutschland<br />

Die größten Sicherheitsunternehmen der Welt<br />

Quelle: Unternehmensangaben, eigene Recherchen<br />

6,8 %<br />

Großbritannien<br />

Rauchmelder: Deutschland ganz hinten<br />

Quelle: BHE<br />

90 %<br />

74 % 70 %<br />

1. Securitas (Schweden) 6,4 Mrd. € Umsatz<br />

2. G4S (Großbritannien) 4,5 Mrd. €<br />

3. Brinks (USA) 3,8 Mrd. €<br />

4. Prosegur (Spanien) 1,4 Mrd. €<br />

15,5 %<br />

USA<br />

Auch in Sachen Feuerprävention sind US-Amerikaner kaufbereiter als Europäer. Neun von<br />

zehn US-Haushalten verfügen über einen eigenen Rauchmelder. Auch in Großbritannien<br />

und Schweden sind die Warnsysteme sehr gefragt.


IRLAND<br />

306 Unternehmen<br />

Land mit<br />

Anzahl der<br />

Sicherheitsunternehmen<br />

Mitarbeiter<br />

Umsatz in<br />

Mio. €<br />

DEUTSCHLAND<br />

3200 Unternehmen<br />

FRANKREICH<br />

1980 Unternehmen<br />

BELGIEN<br />

140 Unternehmen<br />

GROSSBRITANNIEN<br />

2000 Unternehmen<br />

SCHWEIZ<br />

340 Unternehmen<br />

154 Mio. € Umsatz<br />

11 000 Mitarbeiter<br />

ITALIEN<br />

1350 Unternehmen<br />

18 000 Mitarbeiter<br />

PORTUGAL<br />

81 Unternehmen<br />

26 000 Mitarbeiter<br />

580 Mio. € Umsatz<br />

125 000 Mitarbeiter<br />

410 Mio. € Umsatz<br />

10 000 Mitarbeiter<br />

FINNLAND<br />

550 Unternehmen<br />

Wach- und<br />

Sicherheitsgewerbe<br />

Jobmaschine in der Türkei und Polen<br />

In Spanien machen weniger Firmen mehr als<br />

doppelt so viel Umsatz wie in Italien; Frankreich<br />

liegt klar vor Großbritannien.<br />

570 Mio. € Umsatz<br />

171 000 Mitarbeiter<br />

510 Mio. € Umsatz<br />

6300 Mitarbeiter<br />

SPANIEN<br />

990 Unternehmen<br />

die türkei beschäftigt die meisten wachleute food for thought f<br />

121 370 Mitarbeiter<br />

25 380 Mitarbeiter<br />

1 Mrd. € Umsatz<br />

85 000<br />

Mitarbeiter<br />

POLEN<br />

3500 Unternehmen<br />

3,552<br />

Mrd. € Umsatz<br />

2<br />

Mrd. € Umsatz<br />

4<br />

Mrd. € Umsatz<br />

2,367 Mrd. € Umsatz<br />

150 000 Mitarbeiter<br />

TÜRKEI<br />

450 Unternehmen<br />

175 000 Mitarbeiter<br />

909<br />

Mio. € Umsatz<br />

110 Mio. € Umsatz<br />

302<br />

Mio. € Umsatz<br />

68 700<br />

Mitarbeiter<br />

UNGARN<br />

3514 Unternehmen<br />

Quelle: EU-Kommission 2005


p food for thought interview<br />

„Die Polen sind sehr ehrgeizig und hungrig. Unsere Produktivität wächst stetig.“<br />

Jacek Socha


europa muss zum magischen wort wettbewerb zurückfinden, fordert jacek socha food for thought f<br />

Lasst die Hedge-Fonds kommen!<br />

Wenige Menschen kennen die wirtschaftliche Lage in Osteuropa so gut wie der renommierte Ökonom<br />

Jacek Socha. Bis September war der überzeugte Marktliberale polnischer Schatzkanzler. Ein Gespräch<br />

über die Stärken des Ostens, die Ängste des Westens und Arbeitslosigkeit als Wettbewerbsvorteil.<br />

Herr Socha, im vergangenen Jahr hat Polen<br />

128 Euro Direktinvestitionen pro Kopf angezogen,<br />

Estland dagegen 550. Ist die polnische<br />

Wirtschaft nicht wettbewerbsfähig?<br />

Sie sollten diese Zahl nicht überbewerten.<br />

Unser Humankapital ist <strong>groß</strong>, und wir haben<br />

mehr Universitätsabsolventen als die meisten<br />

anderen europäischen Länder. Die Polen sind<br />

ehrgeizig und hungrig. Wir wissen, dass die<br />

EU-Mitgliedschaft für uns eine <strong>groß</strong>e Chance<br />

bedeutet.<br />

Warum ziehen dann aber andere Länder<br />

mehr Kapital aus dem Ausland an, insbesondere<br />

durch Dienstleistungsunternehmen?<br />

Dies war im vergangenen Jahr der Fall. Wenn<br />

Sie das Ganze aber auf längere Sicht betrachten,<br />

sind wir deutlich näher an der Spitze.<br />

Künftig wird die Infrastruktur darüber entscheiden,<br />

welches osteuropäische Land das<br />

meiste Kapital anzieht. Ich glaube, dass wir<br />

durch unser neues Investitionsprogramm zu<br />

einem bevorzugten Investitionsziel werden.<br />

Verstehen die Menschen in Osteuropa<br />

die Idee des Wettbewerbs zwischen ihren<br />

Ländern?<br />

Wir lernen noch. Am härtesten ist es zu akzeptieren,<br />

dass man manchmal eben der Verlierer<br />

ist. Vor einigen Tagen hat MAN angekündigt,<br />

Busse in Polen zu fertigen. Toyota dagegen<br />

haben wir an die Tschechische Republik verloren,<br />

Hyundai an die Slowakei. Das ist normal.<br />

Die Frage ist nur, wie schnell die politischen<br />

Entscheidungsträger dazulernen und begreifen,<br />

was zu tun ist, um das Land attraktiver für<br />

Investoren zu machen.<br />

Polen ist nicht gerade ein Musterland. Die<br />

Arbeitslosenquote liegt weit über dem EU-<br />

Durchschnitt ...<br />

Richtig, aber eine hohe Arbeitslosenquote kann<br />

man auch als Wettbewerbsvorteil sehen: Wir<br />

haben gut ausgebildete Leute, die bereit sind,<br />

für vergleichsweise wenig Geld zu arbeiten,<br />

Zusatzausbildungen zu machen und Jobs anzunehmen,<br />

die Hochschulabsolventen in anderen<br />

Ländern vielleicht niemals akzeptieren würden.<br />

Damit allein wird sich Polen im globalen<br />

Wettbewerb aber nicht behaupten.<br />

Die Produktivität unserer Wirtschaft wächst<br />

stetig. Heutzutage gilt der polnische Klempner<br />

beispielsweise in Frankreich als Symbol für die<br />

Aggressivität unserer Wirtschaft. Was die Qualifikationen<br />

angeht, gibt es zwischen Ost- und<br />

Westeuropa immer geringere Unterschiede.<br />

Und durch die Unterstützung, die wir von der<br />

EU erhalten – in den Jahren 2007 bis 2013 insgesamt<br />

60 Milliarden Euro netto –, wird unsere<br />

Wettbewerbsfähigkeit zusätzlich steigen.<br />

<strong>Der</strong> EU macht das polnische Staatsdefizit<br />

Sorge. Eine Kürzung der Sozialausgaben<br />

aber würde zu innerer Unruhe führen.<br />

Gleichzeitig würde dies aber neue Arbeitsplätze<br />

schaffen. Wir Polen sehen die Chancen von<br />

Veränderungen. Das motiviert uns, auch notwendige<br />

Einschnitte hinzunehmen.<br />

Aber wie lange? Laut Weltbank wird es<br />

41 Jahre dauern, bis Polen in Sachen Wohlstand<br />

den EU-Durchschnitt erreicht ...<br />

Auf diese Zahlen würde ich nicht wetten, es<br />

könnte auch wesentlich schneller gehen. Was<br />

zählt, ist ohnehin das Wissen, dass wir irgendwann<br />

aufschließen.<br />

Polnische Unternehmen haben heute auch<br />

für normale Arbeiter ein Lohnmodell mit<br />

niedrigem Grundlohn und hohen Prämien.<br />

Ein Modell für den Westen?<br />

Ja. Ergebnisorientierte Löhne sind immer besser,<br />

auch für westliche Firmen. Sie machen<br />

Angestellte aktiver. Europa muss zu dem magischen<br />

Wort Wettbewerb zurückfinden.<br />

JACEK SOCHA gilt als einer der profiliertesten<br />

Marktliberalen Mitteleuropas. Er<br />

war Schatzkanzler Polens und leitete zehn<br />

Jahre lang die polnische Wertpapier- und<br />

Börsenkommission. Studiert hat der Volkswirt<br />

an der Universität Warschau und am<br />

Capital Market Institute, das der US-Wertpapier-<br />

und Börsenkommission angegliedert<br />

ist. Er ist Mitglied der polnischen Jury<br />

des <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Wettbewerbs „Best of<br />

European Business“. Socha ist verheiratet<br />

und hat zwei Töchter.<br />

9


p food for thought wird die größte polnische bank privatisiert?<br />

10<br />

OSTEUROPA bildet auch einen Schwerpunkt<br />

des Wettbewerbs „Best of European<br />

Business“, den <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy<br />

Consultants gemeinsam mit der Financial<br />

Times in diesem Jahr erstmals veranstaltet<br />

(siehe think: act 2/2005). Jurys in sieben<br />

Ländern suchen unter anderem nach<br />

europäischen Unternehmen, deren Engagement<br />

in den EU-Beitrittsländern und in<br />

Russland strategisch richtungweisend ist.<br />

Neben dem Investitionsvolumen und dem<br />

osteuropäischen Anteil am Gesamtumsatz<br />

spielt für die Juroren auch die Frage eine<br />

Rolle, ob das Ostengagement das Kerngeschäft<br />

im Heimatland absichern hilft. Eine<br />

Grundannahme des gesamten Wettbewerbs<br />

ist nämlich, dass die transnationale<br />

Vernetzung der europäischen Standorte<br />

die wirtschaftliche Stärke des Kontinents<br />

insgesamt erhöht.<br />

Die Wettbewerbsfähigkeit Europas steht<br />

auch im Zentrum des gesamteuropäischen<br />

Abschlussevents am 1. Dezember in Brüssel.<br />

Dort prämiert „Best of European Business“<br />

vorbildliche Unternehmen aus ganz<br />

Europa in drei Kategorien: „Best of Industry“,<br />

„Best of Corporate Governance“ sowie<br />

als Krönung „Europe’s Best Performer“.<br />

think: act widmet dem Wettbewerb „Best of<br />

European Business“ eine Sonderausgabe.<br />

Die Durchschnittslöhne sind in Polen jedoch<br />

bereits heute wesentlich höher als in Rumänien<br />

oder Bulgarien. Fürchten Sie, dass<br />

westliche Firmen künftig nicht mehr in Polen<br />

investieren, sondern sich weiter Richtung<br />

Südosten orientieren?<br />

Nein. Die rumänischen Löhne mögen vielleicht<br />

niedriger sein, aber Produktivität und Effizienz<br />

sind bei uns deutlich höher, und zudem sind<br />

Investitionen in Polen sicherer. Trotzdem werden<br />

wir eine größere und stärkere Konkurrenz<br />

bekommen. Wir müssen einfach besser sein. In<br />

meinen Augen ist es eine gute Sache, wenn<br />

eines Tages auch polnische Unternehmer beispielsweise<br />

in der Ukraine investieren. Die<br />

meisten länderübergreifenden Investitionen<br />

sind für beide Seiten von Vorteil.<br />

Selbst wenn es sich bei den Investoren um<br />

Hedge-Fonds handelt?<br />

Auf jeden Fall. Es wäre falsch, ausländisches<br />

Kapital nicht ins eigene Land zu lassen. Während<br />

der Asienkrise wollten einige Leute in<br />

Polen den Investitionsfluss beschränken. Kürzlich<br />

hat mich in Berlin eine Gruppe deutscher<br />

Banker gefragt, was ich angesichts der Aktivitäten<br />

von Hedge-Fonds zu tun gedenke.<br />

Meine Antwort: nichts. Lasst sie doch investieren,<br />

wenn sie wollen. Wenn man erst einmal<br />

anfängt, eine Barriere aufzubauen, dann folgt<br />

schnell die nächste, und bald gibt es überhaupt<br />

keine Investitionen mehr. Fonds erhöhen die<br />

Effizienz der Unternehmen und der Wirtschaft<br />

als Ganzes.<br />

Politisch eine fortschrittliche Haltung. Wie<br />

aber steht es mit Unternehmen? Können<br />

westliche Firmen von Osteuropa lernen?<br />

Es gibt keine typisch polnische Art, Geschäfte<br />

zu machen. Wir haben immer noch viel zu lernen:<br />

Wir müssen die Strukturen der Unternehmensführung<br />

verbessern und die Mobilität der<br />

Leute erhöhen. Es gelingt unseren Firmen noch<br />

nicht immer, Produkte anzubieten, die der Konsument<br />

wirklich will. Wir sind die Prüflinge –<br />

und wir müssen die Prüfung bestehen.<br />

Eine ganze Ökonomie auf der Schulbank?<br />

Nein, da würde man unseren Entwicklungsstand<br />

unterschätzen. In vielen Unternehmen<br />

haben polnische Topmanager die Posten der<br />

CEOs übernommen, die von ausländischen<br />

Investoren geschickt worden waren. Hier hat<br />

sich viel verändert. Wir passen uns schnell an.<br />

Sie sprachen eingangs im übertragenen<br />

Sinn vom Hunger der Polen. Fehlt dem<br />

Westen dieser Hunger?<br />

Zweifelsohne. Jedes Land braucht ein klares<br />

Ziel, etwas, das es anstrebt. Wir Polen werden<br />

von dem Willen getrieben, mit Westeuropa<br />

Zwischen alter Schwerindustrie<br />

und neuem Markenkult: die Danziger Werft<br />

(rechts) und die Innenstadt Warschaus<br />

gleichzuziehen. Wir wollen größere Autos<br />

besitzen, in ferne Länder reisen und Kunst<br />

kaufen. Aber wovon wird der Westen geleitet?<br />

Zumindest einigen europäischen Ländern<br />

fehlt ein klares Modell, das sie anstreben. Dies<br />

schmälert ihre Wettbewerbsfähigkeit.<br />

Klare Kritik an Old Europe. Welchem Gesellschaftsmodell<br />

folgt Osteuropa – dem westeuropäischen<br />

oder dem amerikanischen?<br />

Ganz klar dem europäischen. Diese Lebensweise<br />

passt zu uns. Die Polen wollen ein gewisses<br />

Maß an Sicherheit, daher wäre das amerikanische<br />

Modell für uns zu individualistisch.<br />

Es gibt allerdings einen Unterschied: Wir sind<br />

weniger wohlhabend. Deswegen können wir<br />

den armen Bevölkerungsteilen nicht viel Absicherung<br />

bieten. Diese wissen, dass ihr Leben in<br />

ihren eigenen Händen liegt, und das lässt sie<br />

aktiv werden. Ich persönlich fände es gut, wenn<br />

dieses hohe Maß an Aktivität so lange wie<br />

möglich beibehalten würde.<br />

In vielen westeuropäischen Ländern wird<br />

über Kapitalismus und Globalisierung<br />

diskutiert. In Polen auch?<br />

Bei uns gibt es diese Diskussion nicht. Wir erinnern<br />

uns noch gut an die sozialistische Realität.<br />

Kapitalismus wird bei uns als Motor der<br />

Veränderung gesehen – und die Polen wollen<br />

diese Veränderung immer noch. Globalisierung<br />

und Kapitalismus werden als etwas Natürliches<br />

betrachtet.<br />

Beinhaltet das auch private Aktienanlagen –<br />

die viel zitierte Aktionärskultur?<br />

Die privaten Anlagen nehmen zu. 25 Prozent<br />

aller Investitionen an der Warschauer Börse<br />

werden von Privatleuten getätigt.<br />

Wie viele Polen besitzen Aktien?<br />

Wir haben 800 000 Depots privater Anleger,<br />

aber die Zahl steigt schnell.<br />

Viel ist das nicht. Vielleicht wäre eine<br />

raschere Privatisierung öffentlicher Unter-


nehmen hilfreich. <strong>Der</strong> Privatisierungsprozess<br />

scheint sich jedoch zu verlangsamen.<br />

Es kam tatsächlich kürzlich zu einer Verlangsamung,<br />

da die Kapitalmärkte schwach waren.<br />

Seit Mitte 2004 hat sich der Privatisierungsprozess<br />

jedoch wieder beschleunigt. Nun müssen<br />

wir festlegen, welche Unternehmen in staatlicher<br />

Hand bleiben sollen.<br />

Welche denn?<br />

Ich werde keine Namen nennen. Aber Unternehmen,<br />

die für die staatliche Sicherheit wichtig<br />

sind, sollten nicht am Aktienmarkt gehandelt<br />

werden.<br />

Die staatliche Eisenbahngesellschaft?<br />

Sie kann privatisiert werden, aber das Schienennetz<br />

muss staatlich bleiben, ebenso die<br />

Stromversorgung.<br />

Wie steht es mit Polens größter Bank, der<br />

kürzlich halb privatisierten PKO BP?<br />

Das hat mein Nachfolger zu entscheiden. Ich<br />

habe die Bank jedenfalls für den Kapitalmarkt<br />

attraktiv gemacht.<br />

Lassen Sie uns einen Blick in die Zukunft<br />

Europas werfen. Die EU befindet sich in der<br />

Krise. Können die neuen Mitgliedstaaten ihr<br />

zu neuem Schwung verhelfen?<br />

Das können wir ganz bestimmt. <strong>Der</strong>zeit scheinen<br />

die neuen Mitglieder im Bewusstsein der<br />

alten europäischen Staaten kaum vorzukommen.<br />

Vielleicht war das in der Vergangenheit<br />

gut so, sonst wären wir womöglich gar nicht<br />

aufgenommen worden. Die europäischen<br />

Referenden waren teilweise auch Voten gegen<br />

die Osterweiterung. Wir bringen eine neue<br />

Dynamik in die Europäische Union, das könnte<br />

einige Leute ängstigen. Das ist eine Lektion,<br />

die Europa lernen muss.<br />

Müssen nicht auch die neuen EU-Staaten<br />

noch dazulernen? Hätten sie sich in Old<br />

Europe vielleicht besser verständlich<br />

machen müssen?<br />

Wir haben es versucht. Aber manchmal ist es<br />

schwierig, sich Gehör zu verschaffen.<br />

LÄSST DIE DYNAMIK NACH?<br />

Zwar wuchsen die Volkswirtschaften Osteuropas<br />

in den letzten Jahren schneller<br />

als jene Westeuropas; zwar ist die Region<br />

für westliche Konzerne ein attraktives<br />

Investitionsziel: Toyota investiert gerade in<br />

Tschechien, MAN und Philips in Polen. Dennoch<br />

macht sich zunehmend Unsicherheit<br />

breit. Die Weltbank bemängelt das niedrige<br />

Reformtempo der neuen EU-Staaten. Auch<br />

das Wachstum hat sich verlangsamt. Das<br />

Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche<br />

beziffert den Rückgang der Wachstumsrate<br />

auf 2,5 Prozentpunkte. 3,3 Prozent<br />

betrug die Wachstumsrate zuletzt.<br />

11


Inspiration und Rückzug<br />

orte der entscheidung food for thought f<br />

Gibt es ihn wirklich, den „Genius Loci“, der uns beflügelt? Fest steht: Orte können uns inspirieren.<br />

Dafür aber braucht es die richtige Vorbereitung. Lesen Sie, wie Sie den Einfluss des Ortes für Ihre<br />

Entscheidungen nutzen – und wo Wirtschaftslenker in der Vergangenheit Eingebungen bekamen.<br />

:<br />

Als Hans Snook im April 1994 mit dem<br />

Mobilfunkanbieter Orange auf dem britischen<br />

Markt startete, galten Handys als<br />

teurer Unsinn für Technikverrückte. Wenige<br />

Monate später hatte Snook der Marke ein<br />

Gesicht gegeben – und sein Produkt begehrenswert<br />

für jedermann gemacht. Seine Botschaft:<br />

Wer sich für ein Orange-Handy entscheidet,<br />

ist optimistisch und lebensfroh. <strong>Der</strong><br />

dazu passende Werbeslogan: „The future’s<br />

bright, the future’s orange.“<br />

Das Image seiner Mobilfunkmarke hatte<br />

Snook selbst ersonnen. In der Londoner<br />

Orange-Zentrale schuf er sich die richtige<br />

Umgebung zum Denken: Regelmäßig ließ er<br />

Schreibtische und Regale von einem Feng-<br />

Shui-Experten ausrichten. Snook wusste,<br />

dass er nur im optimalen Ambiente kreativ<br />

sein würde. Das Ergebnis war für den<br />

Orange-Mutterkonzern höchst lukrativ:<br />

1999 verdiente Hutchison Whampoa mit<br />

dem Verkauf des britischen Mobilfunkunternehmens<br />

15 Milliarden Euro.<br />

Aller weltweiten Vernetzung zum Trotz:<br />

Wirtschaftliche Neuerungen sind oftmals<br />

eng mit einem konkreten Ort verbunden;<br />

geniale Ideen und bahnbrechende Innovationen<br />

entstehen nicht von allein, sondern<br />

in einer bestimmten Umgebung. Hasso<br />

Plattner, Gründer des Softwareunternehmens<br />

SAP, zieht sich mehrmals im Jahr auf<br />

eines seiner Regatta-Segelboote zurück –<br />

zum Nachdenken. Steve Jobs und Steve<br />

Wozniak haben den ersten Mac in einer<br />

Garage zusammengelötet. Die Geschichte ist<br />

voller Beispiele von Menschen, die wegweisende<br />

Entscheidungen an scheinbar absurden<br />

Orten getroffen haben – oder zumindest<br />

in einer Umgebung, die auf den ersten Blick<br />

nicht dazu angetan ist, zur Veränderung der<br />

Welt zu dienen. Schon in der Antike glaubte<br />

man, bestimmte Plätze besäßen einen<br />

„Genius Loci“, einen Geist des Ortes. Die Frage<br />

lautet aber: Wovon hängt es ab, ob ein<br />

konkreter Ort einen Entscheider beflügelt?<br />

Kann man die Eingebung managen?<br />

Man kann, sagt der Psychiater und Buchautor<br />

John Kao, der in San Francisco die „Idea-<br />

Factory“ leitet, eine Agentur für Kreativitätsworkshops.<br />

Sein Credo: Innovationen entstehen<br />

nicht allein aus einem plötzlichen Geistesblitz,<br />

sondern sind das Ergebnis einer<br />

langen Vorbereitung. Innovation kann gesteuert<br />

werden. „Um kreativ zu sein, benötigt<br />

man eine Menge Input“, sagt auch Terry<br />

Connolly, Verhaltenswissenschaftler an der<br />

Universität von Arizona in Tucson. Diesen<br />

Input holt man sich am besten von anderen.<br />

Wo sich viele Menschen unterschiedlicher<br />

Herkunft antreiben, entstehe am ehesten ein<br />

Nährboden für innovative Ideen, so Connolly.<br />

Beispiele sind das Berlin der zwanziger Jahre<br />

oder heute das Silicon Valley.<br />

DIE NÄHE ZUR NATUR, DIE AURA DES<br />

SCHUPPENS UND EIN UNGEWOHNTER<br />

KULTURELLER INPUT BEFLÜGELN<br />

Für die entscheidende Idee selbst, die den<br />

Input zu einem Ergebnis führt, benötigt<br />

man dann aber den Ortswechsel, hin zu<br />

einem „Raum, der Platz für Ideen lässt“, sagt<br />

Connolly. „Für eine sinnvolle Innovation ist<br />

eine andere Umgebung notwendig, abseits<br />

der üblichen, ausgetretenen Pfade“, ergänzt<br />

Kao. Störeinflüsse müssen jetzt vermieden,<br />

die Informationsflut heruntergefahren wer-<br />

den. Dann kann es tatsächlich geschehen,<br />

dass die örtliche Umgebung und die Eindrücke,<br />

die sie beim Einzelnen hinterlässt, den<br />

einen, grandiosen Gedanken provozieren.<br />

Grundsätzlich reagiert jeder Mensch auf ein<br />

anderes Umfeld besonders empfindlich.<br />

Dennoch lassen sich bestimmte Regelmäßigkeiten<br />

beobachten. Viele Innovatoren<br />

suchen die Nähe zur Natur, „ziehen sich auf<br />

Berggipfel zurück“, wie Connolly es ausdrückt.<br />

Ein weiterer Hort der Innovation:<br />

einfache Garagen oder Schuppen, Orte ohne<br />

Eleganz, dafür mit der Macher-Atmosphäre<br />

des Handwerks. Sie ziehen nicht nur Unternehmer<br />

an. <strong>Der</strong> Saxofonist Charlie Parker<br />

übte ein Jahr lang im Holzschuppen hinter<br />

seinem Haus – und erfand dabei den<br />

Beebop, eine neue Richtung des Jazz. Ideenforscher<br />

John Kao nennt diese Art des Rückzuges<br />

denn auch „Going to the woodshed“:<br />

Man sucht einen Ort auf, an dem die zuvor<br />

gesammelten Informationen in die hinteren<br />

Kammern des Bewusstseins zurückgedrängt<br />

werden, abrufbar, aber nicht das gesamte<br />

Denken beeinflussend. „Man braucht die<br />

Ruhe, um alles auszublenden“, so Kao.<br />

Ruhe und Nähe zur Natur sind Elemente,<br />

die das Denken schärfen. Ebenso wichtig<br />

kann aber die Konfrontation mit einer anderen<br />

Kultur sein: Neue Sinneseindrücke helfen,<br />

abseits der eigenen Muster zu denken.<br />

So begann eine der Erfolgsstorys der Neunziger<br />

mit einer Reise und einem Geruch. <strong>Der</strong><br />

US-Amerikaner Howard Schultz bereiste<br />

1983 Europa und geriet in Mailand in eine<br />

Kaffeebar. Als er die gemahlenen Bohnen<br />

roch, dachte er: So etwas brauchen die USA<br />

auch. Starbucks war geboren.<br />

13


p food for thought orte der entscheidung<br />

[Sony-Walkman]<br />

1979<br />

LAUNE DES MUSIKFANS<br />

sitzt Sony-Mitgründer Masaru Ibuka in einem<br />

Langstreckenflugzeug und vermisst Bach<br />

und Beethoven. Also verlangt er von seinen<br />

Ingenieuren ein tragbares Kassettengerät.<br />

Sie bauen, Sony lässt den „Walkman“ in Serie<br />

gehen. 335 Millionen Geräte verkauft das<br />

Unternehmen – und prägt damit das Lebensgefühl<br />

einer ganzen Dekade.<br />

Quelle: Sony Corporation<br />

Gesamtumsatz Sony<br />

8<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

80<br />

in Billionen Yen<br />

85 90 95 00 05


1938<br />

DER BEGINN DES SILICON VALLEY<br />

machen David Packard und William Hewlett<br />

ihren Elektroingenieur-Abschluss an der<br />

Universität Stanford. Sie gehen nicht wie<br />

damals üblich zu einem Konzern an die Ostküste.<br />

Stattdessen starten die beiden in<br />

dieser Garage in Palo Alto ein eigenes Unternehmen<br />

– und begründen so den Wirtschaftsmythos<br />

Silicon Valley.<br />

orte der entscheidung food for thought f<br />

[Hewlett-Packard]<br />

Die größten Unternehmen im Silicon Valley<br />

Unternehmen Umsatz<br />

in Mio. $ Wachstum in %<br />

Hewlett-Packard 81 845 10<br />

Intel 34 209 13<br />

Cisco Systems 23 579 19<br />

Sanmina-SCI 12 487 16<br />

Solectron 11 500 11<br />

Quelle: www.siliconvalley.com


p food for thought orte der entscheidung<br />

[US-Leitzinsen]<br />

2005<br />

HERR DER WÄHRUNG<br />

Quelle: Federal Reserve System<br />

badet US-Notenbankchef Alan Greenspan,<br />

wie schon seit jeher, jeden Morgen zwischen<br />

halb sechs und halb sieben eine Stunde<br />

lang. In der Badewanne trifft der Herr über<br />

die Leitzinsen wichtige Entscheidungen,<br />

weil – wie er sagt – sein Intelligenzquotient<br />

dann um 20 Prozent höher ist.<br />

US-Leitzinsen<br />

7<br />

6<br />

5<br />

4<br />

3<br />

2<br />

1<br />

Angaben in Prozent<br />

0<br />

1997 98 99 00 01 02 03 04 05


1974<br />

KULTUR DER ERFINDUNG<br />

ärgert sich der presbyterianische Chemieingenieur<br />

Arthur „Art“ Fry, dass ihm bei<br />

einer Probe seines Kirchenchores die<br />

Papierschnipsel, mit denen er seine Einsätze<br />

markiert, dauernd aus dem Notenheft<br />

fallen. Er ersinnt das „Post-it“. Bis<br />

heute sind die Klebezettel Sinnbild der<br />

Innovationskultur des Unternehmens 3M.<br />

orte der entscheidung food for thought f<br />

[3M Post-its]<br />

Geschäftsergebnis Umsatz/Ergebnis in Mio. $<br />

20 000<br />

15 000<br />

10 000<br />

5000<br />

0<br />

1994 95 96 97 98 99 01 02 03 04<br />

Quelle: 3M


p food for thought orte der entscheidung<br />

[McDonald’s]<br />

1954<br />

IM ZEICHEN DER „GOLDEN ARCHES“<br />

Quelle: McDonald’s Corporation<br />

übernimmt der Eismaschinenvertreter Ray<br />

Kroc das Franchising für das Restaurantkonzept<br />

der Brüder Richard und Maurice<br />

McDonald: Burger zum Schnellessen. Seine<br />

erste eigene Filiale eröffnet Kroc im kalifornischen<br />

San Bernardino – die Keimzelle<br />

eines Weltkonzerns, die goldenen Bögen<br />

schreiben Wirtschaftsgeschichte.<br />

McDonald’s-Restaurants weltweit<br />

35 000<br />

30 000<br />

25 000<br />

20 000<br />

15 000<br />

10 000<br />

5000<br />

0<br />

1950 60 70 80 90 00 10


1993<br />

EIN NEUES MARKTMODELL<br />

beißt ein Pinguin aus dem abgebildeten<br />

Gehege im Zoo von Canberra Linus Torvalds in<br />

den Finger. Mit dem Schmerz beginnt die<br />

globale Innovationsgeschichte von Linux: Drei<br />

Jahre später macht Torvalds das Tier zum<br />

Logo des heute erfolgreichsten Open-Source-<br />

Betriebssystems der Welt.<br />

Quelle:<br />

orte der entscheidung food for thought f<br />

[Open Source]<br />

Linux<br />

35<br />

30<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Umsatz/Mrd. Dollar<br />

0<br />

2002 03 04 05 06 07 08 09<br />

IDC Prognose (2004)


Ökonomie des Glücks<br />

: Die Suche nach dem Glück ist nichts für<br />

Klaustrophobiker. <strong>Der</strong> Weg zum Wohlgefühl<br />

führt in eine Röhre, die kaum breiter ist<br />

der menschliche Körper. In der Enge riecht<br />

es steril, ein Brummen vibriert durch den<br />

Schädel, ein Magnetfeld, viele zehntausend<br />

mal stärker als das der Erde, baut sich auf.<br />

Markenlogos, Fotos von Sportwagen, hübsche<br />

und weniger hübsche Gesichter werden<br />

vor die Augen der Testperson projeziert.<br />

Das Hirn arbeitet und sendet Signale wie<br />

„Oh ja, gefällt mir“. <strong>Der</strong> 3-Tesla-Kernspintomograf,<br />

mit dem das Bonner Unternehmen<br />

Life & Brain in Konsumentenköpfe guckt,<br />

durchleuchtet millimetergenau Hirnareale<br />

auf der Suche nach kleinsten Glücksregungen.<br />

Sie werden farblich in 3-D dargestellt.<br />

Es entsteht die Biochemie des Glücks.<br />

Die Magnetresonanz- oder Kernspintomografie,<br />

wie sie auch heißt, ist ein Verfahren<br />

zur Durchleuchtung des menschlichen Körpers,<br />

das ohne Röntgenstrahlen auskommt.<br />

Es arbeitet mit starken Magnetfeldern, nach<br />

denen sich Wasserstoffatome in der Materie<br />

ausrichten (daher der Name Kernspin). Neuronale<br />

Aktivitäten im Gehirn lassen sich so<br />

exakt lokalisieren. Bei positiven Gefühlen<br />

reagiert die linke vordere Gehirnhälfte stärker,<br />

bei negativen die rechte. <strong>Der</strong> Unterschied<br />

in der Aktivität beider Hirnhälften<br />

wird zum Maß für das Glücksempfinden.<br />

Neuerdings elektrisiert diese Untersuchungsmethode<br />

auch die Wirtschaftswissenschaften.<br />

Interdisziplinäre Forschungsteams an<br />

den Universitäten Berkeley, Columbia, Harvard<br />

und Princeton haben als erste die<br />

neuen Chancen begriffen. „Neuro-Ökonomie“<br />

nennt sich der junge Forschungszweig,<br />

der alte Gewissheiten auf den Kopf stellen<br />

könnte. Das Ziel: Ökonomisches Handeln<br />

naturwissenschaftlich exakt zu erklären. Die<br />

Ahnung: Emotionen bestimmen unser wirtschaftliches<br />

Verhalten weitaus stärker als<br />

der Verstand. Die wichtigste Emotion: Glück.<br />

Das verlockend stringente Bild vom Homo<br />

oeconomicus, der Kaufentscheidungen nach<br />

streng rationalen Kriterien trifft, bekommt<br />

damit noch mehr Risse, als es ohnehin schon<br />

hat. Empirische Wirtschaftsforscher wie<br />

Colin Camerer vom California Institute of<br />

Technology in Pasadena monieren schon<br />

seit längerem, dass sich die traditionelle<br />

Ökonomie zu wenig um die Emotionen des<br />

Verbrauchers geschert hat.<br />

STARKE MARKEN SCHALTEN DEN<br />

VERSTAND AUS. DAS KANN DIE FORSCHUNG<br />

NUN PER HIRNSCAN BELEGEN.<br />

Die Neuro-Ökonomie widerlegt das Bild<br />

vom verstandgesteuerten Entscheider auf<br />

einer naturwissenschaftlich validen Datenbasis,<br />

was die klassische Marktforschung in<br />

dieser Konsequenz nicht leisten konnte.<br />

„Hirnscans sind objektiver als herkömmliche<br />

Befragungen von Testpersonen, weil<br />

nicht über die Absicht der Frage nachgedacht<br />

wird“, sagt Neuroökonom Christian<br />

Poppe von Life & Brain.<br />

Vor allem Marketingpraktiker horchen<br />

angesichts der neuen Mafo-Methoden auf:<br />

Denn starke Marken – so ein erstes Postulat<br />

der Neuro-Ökonomie – schalten offenbar<br />

den Verstand regelrecht aus. Tests zur Werbewirkungsforschung<br />

per Hirnscan haben<br />

ergeben, dass die für Kognition zuständigen<br />

Hirnregionen bei der Präsentation starker<br />

hirnforschung: glück ist messbar food for thought f<br />

Marktforscher schieben Verbraucher in den Kernspintomografen, um deren Gehirne zu<br />

untersuchen. <strong>Der</strong> Blick in den Kopf zeigt, was Konsumenten wirklich glücklich macht. Ein Gefühl<br />

wird vermessen – mit weit reichenden Folgen für Wirtschaft und Wissenschaft.<br />

Marken pausieren, während die emotionalen<br />

Regionen stimuliert werden. Das wohl<br />

bekannteste Beispiel ist der Pepsi-Test.<br />

Warum, fragte sich der texanische Ökonom<br />

Read Montague, schmeckt Blindtestern<br />

Pepsi besser, obwohl sie sonst auf Coke<br />

schwören? Also schob er seine Probanden in<br />

den Kernspintomografen. Bei Pepsi leuchtete<br />

das Belohnungszentrum wie erwartet<br />

stärker auf. Als der Forscher die Marke enthüllte,<br />

änderte sich blitzartig die Hirnaktivität<br />

zugunsten der Coke. Montagues Schlussfolgerung:<br />

„Offenbar werden mit dem Namen<br />

Coca-Cola positive Assoziationen und<br />

Selbstwertgefühle verbunden. Sie machen<br />

den Wert der Marke aus und nicht der<br />

Geschmack.“ Markenstärke als messbare<br />

Emotion – das hilft beim Verkauf. Operative<br />

Marketingpläne erhalten so eine ganz neue<br />

wissenschaftliche Datenbasis.<br />

DAIMLERCHRYSLER WILL DIE<br />

HIRNSCANS KÜNFTIG DIREKT IN<br />

PRODUKTDESIGNS EINFLIEßEN LASSEN.<br />

An diesem Unterbau arbeitet auch Clint Kilts.<br />

<strong>Der</strong> wissenschaftliche Direktor des Bright-<br />

House Institute for Thought Sciences in Atlanta<br />

untersucht neurowissenschaftlich die<br />

Wirkung von Produkten und Marken. Treffsicher<br />

kann er belegen, ob ein Ferrari oder<br />

Porsche stärkere Glücksgefühle durch den<br />

Körper einer Testperson fluten lässt. Kilts ist<br />

sich sicher, dass Hirnscans bald ganz selbstverständlich<br />

den Entscheidungsprozesses in<br />

Unternehmen begleiten werden.<br />

Einige <strong>groß</strong>e Konzerne wie Ford, General<br />

Motors oder der britische Lotterieanbieter<br />

Camelot setzen schon jetzt auf die Neuro- ,<br />

21


p food for thought hat der homo oeconomicus ausgedient?<br />

22<br />

JEREMY BENTHAM wurde 1784 im Londoner<br />

Stadtteil Spitalfields geboren. <strong>Der</strong> Sohn reicher Tories<br />

gründete die Philosophie des Utilitarismus. Zu Lebzeiten<br />

galt er als sozialer Reformer; im 20. Jahrhundert<br />

wurde die Ethik des studierten Juristen häufig kritisiert.<br />

Die Ökonomie des Glücks bedeutet nun auch eine<br />

Wiedergeburt des utilitaristischen Denkens.<br />

Ökonomie. Auch DaimlerChrysler ließ<br />

untersuchen, welche Regionen des männlichen<br />

Gehirns durch Fotos von rassigen<br />

Sportwagen angeregt werden und welche<br />

eher auf seriöse Viertürer reagieren.<br />

Weiteres Ergebnis der DaimlerChrysler-Forschung:<br />

<strong>Der</strong> Anblick von Autos aktiviert dieselbe<br />

Gehirngegend, die sonst auf menschliche<br />

Gesichter reagiert. Für Autobauer könnte<br />

es sich also empfehlen, ihre Frontpartien<br />

nach dem Vorbild hübscher Models zu stylen,<br />

quasi einen „Heidi-Klum-Kühler“ zu entwerfen.<br />

Anhand der Betrachtung von CAD-<br />

Entwürfen würden Regungen der linken<br />

Gehirnhälfte darüber entscheiden, ob die<br />

Dachform eher coupéähnlich geschwungen<br />

sein wird, der Scheinwerfer aggressiv geschnitten<br />

oder der Stern im Kühlgrill größer<br />

ausfallen soll. Dieses „Verfahren zur Optimierung<br />

und Erfassung von Produktattraktivität<br />

oder Produktakzeptanz“ will sich<br />

DaimlerChrysler jetzt patentieren lassen.<br />

Spätestens mit dieser Anwendung hat die<br />

Glücksforschung den Bereich des reinen<br />

Marketings hinter sich gelassen. Neben den<br />

Neuro-Signalen, die von Marken und Kühlerhauben<br />

ausgehen, widmen sich die DaimlerChrysler-Forscher<br />

auch der Hirnaktivität<br />

von Autobesitzern beim Fahren. Das Ziel<br />

dabei: sicherere Autos zu bauen. Erste Banken<br />

beschäftigen in ihren Researchabteilungen<br />

Experten, die sich mit der Neuropsychologie<br />

des Anlegerverhaltens beschäftigen.<br />

Die Neuro-Ökonomie findet nicht nur<br />

immer mehr praktische Anwendungen in<br />

der Wirtschaft, sie gibt auch den Sozialwissenschaften<br />

neue Impulse. So macht der britische<br />

Autor Richard Layard in seinem Buch<br />

„Happiness“ das Glück sogar zur zentralen<br />

Kategorie menschlichen Entscheidens und<br />

Verhaltens. <strong>Der</strong> Direktor des Center for Economic<br />

Performance an der London School of<br />

Economics fordert darin Politik und Wirtschaft<br />

auf, für eine „glückliche Gesellschaft“<br />

(so der deutsche Titel des Buches) zu sorgen.<br />

GLÜCK MUSS ZUR ZIELGRÖSSE IN<br />

POLITIK UND WIRTSCHAFT WERDEN,<br />

FORDERT DER ÖKONOM RICHARD LAYARD.<br />

Layards Forderung, den Faktor Glück zur bestimmenden<br />

Größe zu erheben, geht von<br />

einem utlitaristischen Weltbild aus, wie es<br />

von dem englischen Philosophen Jeremy<br />

Bentham (1748–1832) entwickelt wurde.<br />

Gemäß dieser reinen Nützlichkeitsphilosophie<br />

ist alles Handeln dann sinnvoll, wenn<br />

es für das größtmögliche Glück der größtmöglichen<br />

Zahl von Menschen sorgt.<br />

Genau davon aber könne in Wirtschaft und<br />

Politik heute nicht die Rede sein, meint Layard.<br />

Im Gegenteil: Zunehmend fühlten sich<br />

die Menschen in den Industriestaaten<br />

unwohl. Übersteigerter Individualismus,<br />

aggressive Konkurrenz, zweifelhafte<br />

Geschäftspraktiken und zunehmender Leis-<br />

tungsdruck führten zu einem umfassenden<br />

Vertrauens- und Zufriedenheitsverlust.<br />

Auf Unternehmensebene kritistert Layard<br />

folgerichtig Motivationsstrategien, die gezielt<br />

Rivalitäten unter Kollegen aufbauen, um die<br />

Mitarbeiter zu Höchstleistung anzustacheln.<br />

Auch die Politik ignoriere die vermeintlich<br />

weichen Faktoren wie Glück, Vertrauen und<br />

Fairness, mokiert der Brite.<br />

Seine radikale Forderung: „Wir brauchen<br />

eine Revolution in den Regierungen. Glück<br />

sollte das Hauptziel der Politik werden und<br />

der Fortschritt der nationalen Lebenszufriedenheit<br />

so genau gemessen werden wie das<br />

Wachstum des Bruttosozialprodukts.“ Zwar<br />

wenden Layards Kritiker ein, dass Entscheidungen<br />

über zentrale gesellschaftliche Fragen<br />

– wie die Stammzellenforschung oder<br />

die Sterbehilfe – wohl kaum gelöst werden<br />

können, indem ausgesuchte Testpersonen in<br />

den Kernspintomografen geschoben werden.<br />

Doch der britische Ökonom verweist<br />

durchaus auf die Hirnforschung als Hilfsmittel.<br />

„Glück“, sagt Layard, „ist eine objektive<br />

Dimension unserer Erfahrung.“


Dossier #04<br />

RESTRUKTURIERUNG<br />

ERFOLGREICHE UNTERNEHMEN ERFINDEN SICH IMMER WIEDER<br />

NEU. SIE WISSEN: RESTRUKTURIERUNG IST KEIN REPARATUR-<br />

BETRIEB, SONDERN BEGINNT VOR DER KRISE. ALLES GEHÖRT<br />

AUF DEN PRÜFSTAND – UND ALLE MÜSSEN BETEILIGT WERDEN.<br />

Für jedes komplexe Problem<br />

gibt es eine Lösung, die einfach<br />

ist, adrett - und<br />

falsch.<br />

Henry L. Mencken<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

8<br />

9<br />

0


DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

24<br />

nKARSTADTQUELLE<br />

<strong>Der</strong> Kapitalmarkt honoriert, dass sich<br />

KarstadtQuelle heute auf seine Kernaktivitäten<br />

konzentriert. Seit Mitte Mai,<br />

als die Restrukturierung voll einsetzte,<br />

ist der Aktienkurs kräftig gestiegen. Die<br />

Zahl der Mitarbeiter ist seit Beginn des<br />

<strong>Umbau</strong>s um 25 000 gesunken.<br />

309 Geschäfte<br />

hat die Karstadt-<br />

Quelle AG innerhalb<br />

weniger Wochen verkauft<br />

und damit<br />

Phase eins ihrer Restrukturierungabgeschlossen.<br />

»Wir haben es<br />

geschafft, dieses<br />

Geschäft nach Jahren<br />

wieder planbar<br />

zu machen.«<br />

THOMAS MIDDELHOFF, VORSTANDSVORSITZENDER<br />

ENTWICKLUNG DER AKTIE<br />

Schlusskurs<br />

12<br />

11<br />

10<br />

9<br />

8<br />

7<br />

6<br />

Mai Juni Juli August Sept.<br />

2005<br />

Um fast ein Drittel legte der Kurs des<br />

Unternehmens seit Mitte Mai zu.<br />

Quelle: Onvista-Website<br />

Fünfkampf im Kochtopf<br />

RESTRUKTURIERUNGEN SIND DAS MEGATHEMA IN DER GLOBALISIERTEN WIRTSCHAFT. DABEI GEHT ES UM<br />

MEHR ALS DAS SANIEREN MARODER GESCHÄFTSBEREICHE: NUR WENN UNTERNEHMEN AUF WACHSTUM<br />

GETRIMMT WERDEN, HABEN SIE ÜBERLEBENSCHANCEN.<br />

s<br />

SCHON AN NORMALEN TAGEN ist die Arbeit von<br />

Martin George nicht eben einfach. Anfang August aber<br />

hatte er den härtesten Managementjob im britischen<br />

Empire. George, erst kurz zuvor in den Vorstand der<br />

Fluggesellschaft British Airways aufgestiegen, musste<br />

am Flughafen London-Heathrow vor laufenden<br />

Kameras Sätze sagen wie: „Ich habe viele herzzerreißende<br />

Geschichten gehört von Menschen, deren<br />

Reisepläne wir heute ruiniert haben.“ Weil ein Zulieferer<br />

von British Airways, der Caterer Gate Gourmet,<br />

350 Mitarbeiter entlässt, um die Firma aus einer Dauerkrise<br />

zu befreien, legen 1000 BA-Mitarbeiter ebenfalls<br />

ihre Arbeit nieder. Mehr als 500 Flüge müssen<br />

storniert werden. Die ganze Welt sieht zu, wie Europas<br />

verkehrsreichster Flughafen im Chaos versinkt. Mitten<br />

in der Ferienreisezeit.<br />

RESTRUKTURIERUNGEN KÖNNEN wehtun, sehr<br />

weh sogar, und die Schmerzen können weit strahlen.<br />

Das ist eine der Lehren aus dem Heathrow-Debakel.<br />

Vor allem aber macht der Fall Gate Gourmet deutlich:<br />

Die Zeiten, in denen Unternehmen in aller Stille umgebaut<br />

werden konnten, sind endgültig vorbei. Inzwischen<br />

können bereits vergleichsweise kleine Projekte<br />

mittlere Erdbeben auslösen. Nach mehreren Jahren<br />

Hyperwettbewerb und Globalisierung liegen bei vielen<br />

Belegschaften und ihren Gewerkschaftsvertretern<br />

die Nerven blank. Und die Medien greifen jeden Unruheherd<br />

dankbar auf.<br />

ALLER VERUNSICHERUNG zum Trotz: Restrukturierung<br />

ist das Megathema der globalisierten Wirtschaft.<br />

IBM verkauft die gesamte PC-Sparte an Lenovo.<br />

<strong>Der</strong> Kaufhausriese KarstadtQuelle trennt sich von<br />

mehr als 300 Geschäften, über einer Milliarde Euro<br />

Jahresumsatz und insgesamt 25 000 Mitarbeitern.<br />

Kodak schließt Werke in den USA und China. Siemens<br />

gibt die gesamte Handysparte nach Taiwan ab. In wel-<br />

che Branche man auch schaut: Überall werden Unternehmen<br />

umgebaut, ganz oder in Teilen verkauft,<br />

gekauft, filetiert und wieder neu zusammengesetzt.<br />

Dem Ausmaß der Restrukturierungen sind dabei keine<br />

Grenzen gesetzt. Denkverbote gibt es nicht mehr,<br />

dafür ist der Wettbewerb heute zu unerbittlich. Zu seiner<br />

Zerlegung des Chemiekonzerns Hoechst gefragt,<br />

sagte der frühere Hoechst-Vorstand und spätere ABB-<br />

Sanierer Jürgen Dormann lediglich: „Ich hätte radikaler<br />

sein müssen.“<br />

UNTERNEHMEN AUSEINANDER zu nehmen, neu<br />

zu sortieren, dabei eingefahrene Geschäftsprozesse<br />

kreativ zu zerstören und neu zu erfinden ist heute so<br />

einfach wie nie zuvor – jedenfalls im Prinzip. Viele<br />

Unternehmensteile werden als eigenständige Profit-<br />

Center geführt. Neue Informationstechnologien erlauben<br />

es, komplette Fertigungsprozesse vollkommen<br />

neu aufzuteilen. Selbst global aufgestellte Konzerne<br />

lassen sich vergleichsweise schnell und unkompliziert<br />

reorganisieren. Das eröffnet ungeahnte Spielräume<br />

für kreative Lösungen. So wäre es vor einigen<br />

Jahren noch undenkbar gewesen, dass ausgerechnet<br />

Computerveteran IBM sich vom PC-Bau verabschiedet.<br />

Den Weltrekord in Sachen Outsourcing hält<br />

momentan der Autobauer Porsche. <strong>Der</strong> nach einer<br />

existenzbedrohenden Krise heute profitabelste Autokonzern<br />

der Welt hat bei seinem Modell Cayenne<br />

einen Eigenanteil an der Fertigung von nur noch rund<br />

zehn Prozent.<br />

RESTRUKTURIERUNG IST zu einer eigenen Spezialdisziplin<br />

geworden, die erhebliches Know-how an<br />

der Schnittstelle zwischen Strategieentwicklung, operativem<br />

Geschäft und Corporate Finance erfordert.<br />

Darüber hinaus sind <strong>groß</strong>e Projekte ohne einen Kranz<br />

von Experten aus Disziplinen wie Unternehmensberatung<br />

und Strategieentwicklung, Wirtschaftsprüfung,


Steuer- und Gesellschaftsrecht sowie Finanzierung<br />

selbst von erfahrenen Vorständen kaum zu stemmen.<br />

<strong>Der</strong> Chef wird daher zum Moderator.<br />

ZUNEHMEND AN BEDEUTUNG gewinnt das Timing.<br />

Die meisten Firmen verordnen sich Restrukturierungsprogramme<br />

erst, wenn die Alarmlampen längst<br />

leuchten – und finden sich dann in einem Wettlauf<br />

gegen die Zeit wieder. Ziemlich spät begonnen hat<br />

beispielsweise der <strong>Umbau</strong> des Fotokonzerns Kodak.<br />

Inzwischen versucht das US-Unternehmen aber seit<br />

einigen Jahren, den Niedergang des klassischen<br />

Geschäfts mit Filmen und Fotopapieren durch<br />

Wachstum in der digitalen Fotografie und Bildverarbeitung<br />

zu kompensieren. Daniel A. Carp, bis Mai CEO<br />

des Fotokonzerns: „Viele meinten, wir sollten unser<br />

traditionelles Geschäft einfach so lange melken, wie<br />

es nur geht. Ein sicheres Todesurteil.“ Stimmt. Kein<br />

Investor schaut heute noch lange zu, wenn die<br />

Umsätze schrumpfen. Neue Wachstumsideen müssen<br />

her. Das erfordert den <strong>Umbau</strong> der inneren Strukturen.<br />

Damit unterscheidet sich modernes Restrukturierungsmanagement<br />

erheblich von reinem Sanierungsbusiness.<br />

IHRE SCHLEIFSPUREN hinterlässt die neue Restrukturierungsökonomie<br />

auch auf den Arbeitsmärkten.<br />

Bei fast 870 im ersten Halbjahr 2005 bekannt gewordenen<br />

europäischen Restrukturierungsvorhaben<br />

sollen rund 360 000 Jobs gestrichen werden. Nur<br />

183 000 Arbeitsplätze sollen nach Auskunft der erfassten<br />

Unternehmen neu entstehen. Personalabbau,<br />

zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle <strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Studie,<br />

ist in 90 Prozent aller Fälle der wichtigste<br />

Baustein bei Restrukturierungsprojekten (siehe auch<br />

Seite 27). Allerdings erfasst keine Statistik, wie viele<br />

Arbeitsplätze erhalten bleiben, die sonst verschwunden<br />

wären. Denn klar ist: Eine Restrukturierung ist<br />

kein Hobby des Managements, sondern folgt den Erfordernissen<br />

des globalen Wettbewerbs.<br />

WICHTIGSTER TREIBER hinter der Optimierungswelle<br />

ist der Kapitalmarkt, in den vergangenen Jahren<br />

selbst Schauplatz spektakulärer Restrukturierungen.<br />

Geriet früher eines der <strong>groß</strong>en Unternehmen in eine<br />

Schieflage, suchte es gemeinsam mit seinen Haus-<br />

banken nach einer Lösung. Oberstes Ziel: Möglichst<br />

wenig Porzellan zerschlagen, wenig Aufhebens machen<br />

und <strong>groß</strong>e Teile der gewährten Kredite in Sicherheit<br />

bringen. Tempi passati; Banken und Versicherungen<br />

können es sich heute nicht mehr leisten, fernab<br />

vom Kerngeschäft Unternehmensbeteiligungen zu<br />

verwalten. Muss eine Bank zudem faule Unternehmenskredite<br />

durch die Bilanzen schleppen, riskiert<br />

sie neben hohem Wertberichtigungsbedarf schlechte<br />

Ratings und höhere Refinanzierungssätze. Lange hält<br />

das kein Institut durch.<br />

HEUTE MISCHEN NEUE Player den europäischen<br />

Markt für Unternehmenskäufe und -verkäufe auf.<br />

„Distressed Debt-Investoren“ kaufen Banken Not leidende<br />

Unternehmenskredite ab, um über die Sanierung,<br />

Restrukturierung und die anschließende Krediteinlösung<br />

Geld zu verdienen. Japan und Deutschland<br />

gelten unter diesen als derzeit heißeste Märkte. Private-Equity-Gesellschaften<br />

wie die britischstämmigen<br />

Montague oder Permira kaufen, ausgestattet mit<br />

Milliardenfonds, Unternehmensteile oder ganze Unternehmen.<br />

Die Restrukturierung ist auch hier Teil<br />

des Geschäftsmodells. Hedge-Fonds und klassische<br />

Investmentfonds üben zunehmend Druck auf Unternehmen<br />

aus, wenn diese keine Leistung bringen. Die<br />

Treibenden sind dabei selbst Getriebene – auch ihre<br />

Geldgeber verlangen Rendite. „Have Lunch or be<br />

Lunch“ – der markige Spruch aus dem Investmentbanking<br />

war nie zutreffender als heute.<br />

WAS ALSO TUN, wenn man selbst ein Unternehmen<br />

lenkt? Naseweis, aber wahr: Am besten gerät<br />

man gar nicht erst in eine Krise. Die Früherkennung<br />

von Risiken ist in vielen Unternehmen verbessert worden,<br />

trotzdem ist es die Ausnahme, dass schon bei<br />

den ersten Krisenzeichen ein Restrukturierungsprogramm<br />

aufgelegt wird. <strong>Der</strong> frühere Siemens-Chef<br />

Heinrich von Pierer, der den Industrieriesen in den vergangenen<br />

Jahren auf Trab gebracht hat, erzählt gern,<br />

wie ihn ein Freund einmal darauf hingewiesen habe,<br />

dass im Siemens-Geschäftsbericht 13-mal der Begriff<br />

„Preiserosion“ aufgetaucht sei. Ob das eine Entschuldigung<br />

sein solle, fragte der Freund. <strong>Der</strong> Kommentar<br />

war für ihn ein Weckruf, so von Pierer heute: „Ich wusste,<br />

dass sich unser Unternehmen ändern musste.“<br />

Oft beginnt der <strong>Umbau</strong> zu spät DOSSIER #04<br />

»Wir waren in<br />

der ersten Runde<br />

zu nett zu uns<br />

selbst.«<br />

CARL-PETER FORSTER, Chef von General<br />

Motors Europe, zum <strong>Umbau</strong> der lange schwächelnden<br />

deutschen GM-Tochter Opel. Forster<br />

war vorher Opel-Chef.<br />

»Alle mussten begreifen,<br />

wie ernst<br />

die Lage war.«<br />

JÜRGEN DORMANN, Hoechst-Restrukturierer,<br />

zum <strong>Umbau</strong> des Pharmakonzerns. Das Unternehmen<br />

ging später im deutsch-französischen Konzern<br />

Aventis auf. Dormann konnte seine Hoechst-<br />

Erfahrungen danach beim <strong>Umbau</strong> von ABB nutzen.<br />

25


DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

26<br />

nEASTMAN KODAK<br />

<strong>Der</strong> Aufstieg der Digitalfotografie setzte<br />

Eastman Kodak hart zu. Seit einigen<br />

Jahren hat der Konzern seine <strong>Umbau</strong>bemühungen<br />

intensiviert.<br />

1,7 Mrd. Dollar<br />

kostet die Restrukturierung<br />

bis Ende<br />

2006. Künftig setzt<br />

Kodak auf die digitale<br />

Bildverarbeitung.<br />

»Alle denken, wir<br />

müssten erst die<br />

digitale Technologie<br />

verstehen. Total<br />

falsch. Wir stecken<br />

bis zum Hals in<br />

Technologie.«<br />

ANTONIO PEREZ, CEO<br />

UMSATZENTWICKLUNG<br />

14 000<br />

12 000<br />

10 000<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

Digitale Produkte Traditionelle Produkte<br />

9564<br />

2963<br />

9156<br />

3736<br />

8191<br />

5303<br />

2002 2003 2004<br />

<strong>Der</strong> Gesamtumsatz ist in den vergangenen<br />

Jahren um drei beziehungsweise<br />

fünf Prozent auf zuletzt 13,5 Milliarden<br />

US-Dollar gewachsen. Dies liegt vor allem<br />

an digitalen Produkten. Hier beträgt das<br />

Umsatzwachstum 42 Prozent.<br />

Quelle: Eastman Kodak, Zahlen in Mio. Dollar<br />

DOCH WIE MÜSSEN SICH Unternehmen ändern?<br />

Wer die Restrukturierung angeht, sollte die Erfolgsfaktoren<br />

beachten, über die sich die Experten trotz<br />

aller Unterschiede im Detail einig sind.<br />

ERSTENS: Restrukturierung ist eine Führungsaufgabe.<br />

Natürlich ist der CEO auf eine schlagkräftige<br />

Crew angewiesen, aber Richtung, Ausmaß und Tempo<br />

müssen vom Chef vorgegeben werden. <strong>Der</strong> Chef muss<br />

Begeisterung ausstrahlen, Perspektiven vermitteln<br />

und voll hinter den Neuerungen stehen. Es verwundert<br />

daher kaum, dass in vielen Unternehmen der<br />

erste Sanierungsschritt darin besteht, den CEO auszutauschen.<br />

ZWEITENS: Wer ein Unternehmen umkrempelt,<br />

sollte dies gründlich tun. Strategie, Finanzierung, das<br />

operative Geschäft, Kosten – alles gehört auf den<br />

Prüfstand. Für alle Bereiche muss simultan ein tragfähiges<br />

Konzept erarbeitet werden. Carl-Peter Forster,<br />

Präsident von General Motors Europe und vorher Chef<br />

der deutschen GM-Tochter Opel, gibt freimütig zu,<br />

dass man bei dem viele Jahre lang schwächelnden<br />

Autobauer Opel zunächst nicht radikal genug war. „Wir<br />

waren in der ersten Runde zu nett zu uns selbst.“<br />

DRITTENS: Tempo, bitte. Je früher eine Restrukturierung<br />

beginnt, desto besser. Und spätestens,<br />

wenn die Liquidität zur Neige geht, zählt jeder Tag.<br />

Binnen vier bis zwölf Wochen sollte Klarheit über die<br />

Ursachen der Krise herrschen, das grobe Sanierungsund<br />

Restrukturierungskonzept stehen. Damit sie mitziehen,<br />

müssen Gläubiger wie Mitarbeiter erkennen,<br />

dass die Restrukturierung Erfolg versprechend ist.<br />

VIERTENS: In die Tiefe gehen. Mitarbeiter aller<br />

Organisationseinheiten und gegebenenfalls -ebenen<br />

sollten beteiligt werden. Je nach Aufgabenstellung<br />

bietet es sich an, wichtige Personen in interdisziplinäre<br />

Projektteams einzubinden. Unerlässlich: strenges<br />

Projektmanagement und objektives Projektcontrolling.<br />

Denn in jeder Veränderungsphase gibt es<br />

widerstreitende Interessen: Nicht jedem passt Richtung<br />

und Ausmaß des Wandelprozesses.<br />

Zentraler Erfolgsfaktor in westeuropäischen<br />

Unternehmen ist darüber hinaus die enge Zu-<br />

sammenarbeit mit dem Betriebsrat. Schnell und ohne<br />

<strong>groß</strong>e Verwerfungen sind Personalmaßnahmen nur<br />

mit den Mitbestimmungsgremien möglich.<br />

FÜNFTENS SCHLIESSLICH: Sales up! Ein Unternehmen,<br />

das nur noch in der Defensive ist, wird auf<br />

lange Sicht keine Zukunft haben. Trotz tiefer Einschnitte<br />

in die Gesamtorganisation und einer Fokussierung<br />

auf Kostensenkung sollten frühzeitig Vorstellungen<br />

entwickelt werden, woher künftiges Wachstum<br />

kommt und wie sich das Potenzial bergen lässt – und<br />

zwar mit möglichst einfachen, klaren, gut kommunizierbaren<br />

Strategien. Nortel-Networks-Chef Bill Owens,<br />

ehemals ranghoher Offizier der US-Streitkräfte, bringt<br />

sein Programm für die Restrukturierung des Unternehmens<br />

auf die denkbar kürzeste Formel: „Cash,<br />

Kosten und Erträge – das sind die Prioritäten.“ Jeder<br />

der drei Faktoren sei dabei gleich wichtig bei der Runderneuerung<br />

des Unternehmens.<br />

HINTER DEM HARMLOSEN WORT Restrukturierung<br />

verbirgt sich heute ein beträchtliches Maß an Komplexität:<br />

Verhandlungen mit Banken, Lieferanten,<br />

Aktionären. Unternehmens-, Markt- und Wettbewerbsanalysen.<br />

Klären von rechtlichen, börsenrechtlichen,<br />

bilanziellen, steuerlichen und bewertungstechnischen<br />

Details. Betriebsversammlungen, Investorenkonferenzen,<br />

Pressetermine. Und das alles unter<br />

Zeitdruck und den Blicken besorgter Investoren, aufgebrachter<br />

Belegschaften und einer immer kritischeren<br />

Öffentlichkeit. In ihren heißen Phasen sind Restrukturierungsprojekte<br />

moderner Fünfkampf unter<br />

den klimatischen Bedingungen eines Dampfkochtopfs.<br />

Erstaunlich daher, dass Restrukturierungsmanagement<br />

nur an wenigen Universitäten und<br />

Business-Schools als eigenständiges Fach gelehrt<br />

wird. Ein Defizit, das nach dem Urteil vieler Praktiker<br />

schnellstens behoben werden sollte, denn für Schönwetter-Kapitäne<br />

wird es in Zukunft schwierig, sich an<br />

der Spitze von Unternehmen zu halten.<br />

Erfolgreiches Turnaround-Management hingegen<br />

ist die beste Empfehlung für die weitere Karriere.<br />

Wer einen kriselnden Geschäftsbereich auf Kurs<br />

gebracht hat und dabei selbst glaubwürdig geblieben<br />

ist, bringt sich quasi automatisch für absolute Topjobs<br />

ins Gespräch. Fragen Sie nur Dieter Zetsche.


Wer zaudert, wird bestraft<br />

Jede zweite Firma restrukturiert nach zwölf Monaten Krise DOSSIER #04<br />

EINE EUROPAWEITE STUDIE VON ROLAND BERGER STRATEGY CONSULTANTS BELEGT: WER SCHNELL AUF KRISENANZEICHEN REAGIERT,<br />

BEWÄLTIGT DIE RESTRUKTURIERUNG BESSER. BISHER ABER LASSEN SICH UNTERNEHMEN OFT NOCH ZU VIEL ZEIT.<br />

16 MONATE SIND EINE lange Zeit. So lange<br />

brauchen europäische Unternehmen im Durchschnitt,<br />

um auf eine akute Krise zu reagieren<br />

und die nötige Restrukturierung einzuleiten.<br />

52 Prozent der kriselnden Firmen in Europa<br />

schaffen es, mit der Restrukturierung nach<br />

spätestens zwölf Monaten zu beginnen; in<br />

Deutschland gelingt das sogar 64 Prozent der<br />

Unternehmen. Zu diesen Ergebnissen kommt<br />

die Studie „Restrukturierung in Europa“, die<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants jetzt vorgelegt<br />

hat. Zwischen 2003 und 2005 hatte die<br />

Managementberatung die Chefs von 2600 Unternehmen<br />

diverser Branchen in 13 europäischen<br />

Ländern befragt. In die Auswertung einbezogen<br />

wurden nur Unternehmen, die sich in<br />

den vergangenen drei Jahren mindestens einmal<br />

restrukturiert haben.<br />

WIE WICHTIG zügiges Handeln ist, zeigt<br />

ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Drei<br />

Viertel der Unternehmen, die höchstens ein<br />

Jahr Reaktionszeit benötigten, waren mit der<br />

anschließenden Restrukturierung zufrieden.<br />

„Wer schnell auf eine Krise reagiert, hat oft<br />

noch genügend Zeit, um wirklich kreative<br />

Lösungen durchzusetzen“, sagt Michael Blatz,<br />

Partner bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> in Berlin.<br />

GENERELL REAGIEREN westeuropäische<br />

Unternehmen deutlich schneller auf Krisen als<br />

osteuropäische, <strong>groß</strong>e Unternehmen schneller<br />

als kleine. Im Branchenvergleich sind der Einzelhandel<br />

(durchschnittliche Reaktionszeit:<br />

5,3 Monate) und die Konsumgüterindustrie<br />

(6,7 Monate) Spitze, während Energie- und Ver-<br />

sorgungsunternehmen mit 15,1 Monaten das<br />

Schlusslicht bilden. Auch Pharma-, Chemieund<br />

Mineralölwirtschaft zeigen sich eher träge.<br />

Unter den Firmen mit Frühwarnsystemen reagieren<br />

diejenigen am schnellsten, die mit der<br />

Balanced Scorecard arbeiten (durchschnittliche<br />

Reaktionszeit: 11,2 Monate).<br />

AUSSCHLAGGEBEND IST, in welcher Krisenphase<br />

Unternehmen das Ruder herumreißen.<br />

29 Prozent der europäischen Unternehmen<br />

(Deutschland: 32 Prozent) reagieren bereits<br />

bei strategischen Problemen, also in einer sehr<br />

frühen Phase. 54 Prozent (Deutschland: 51<br />

Prozent) schrecken dagegen erst bei einer<br />

Ergebniskrise auf, und immerhin 17 Prozent<br />

lassen es auf eine handfeste Liquiditätskrise<br />

ankommen. In Osteuropa warten sogar 26 Prozent<br />

der Unternehmen ab, bis sie zu einem<br />

akuten Notfall werden – und verschenken so<br />

ihren Handlungsspielraum. Offenbar fehlt es<br />

hier vielfach noch an Know-how in Sachen<br />

Krisenerkennung.<br />

ALS WICHTIGSTEN FAKTOR für eine erfolgreiche<br />

Restrukturierung nennen die Unternehmen<br />

europaweit das Commitment des<br />

Managements (61 Prozent der Befragten).<br />

Allerdings ist es mit der Umsetzung nicht sehr<br />

weit her: Lediglich 38 Prozent bewerten die<br />

Realisierung dieses Punktes als „sehr erfolgreich“.<br />

Ebenfalls von hoher Bedeutung sind die<br />

schnelle Implementierung und ein ganzheitliches<br />

Konzept. Signifikante Unterschiede zwischen<br />

West- und Osteuropa zeigen sich bei den<br />

bevorzugten Restrukturierungsmaßnahmen:<br />

Während im Westen Personalabbau und Reduzierung<br />

der Personalkosten ganz oben stehen,<br />

genießt im Osten die Umsatzsteigerung höchste<br />

Priorität.<br />

DIE FRAGE, wie Personal am besten<br />

abgebaut werden kann, beantworten verschiedene<br />

Länder unterschiedlich. In den meisten<br />

europäischen Ländern sehen die Unternehmen<br />

betriebsbedingte Kündigungen als wichtigstes<br />

Instrument an. In der deutschen Konsensgesellschaft<br />

dagegen landen Aufhebungsvertrag<br />

und Fluktuation mit Abstand auf<br />

den beiden ersten Plätzen; betriebsbedingte<br />

Kündigungen folgen nach der Altersteilzeit erst<br />

auf Rang vier.<br />

BEI UNTERNEHMEN, die für ihre Restrukturierung<br />

zusätzliche Mittel benötigen, ist fast<br />

über den gesamten Kontinent hinweg die konzerninterne<br />

Finanzierung die wichtigste Quelle<br />

für frisches Geld, gefolgt von Bankkrediten.<br />

Beide Instrumente spielen wiederum für deutsche<br />

Unternehmen keine nennenswerte Rolle:<br />

Hier nennen 80 Prozent der Firmen Desinvestitionen<br />

als besten Weg, den Finanzierungsbedarf<br />

zu decken.<br />

EUROPAWEIT EINHEITLICH gehen dagegen<br />

zwei Drittel der befragten Unternehmen davon<br />

aus, dass in den nächsten zwei Jahren weitere<br />

Maßnahmen anstehen; nur neun Prozent betrachten<br />

ihren Wandel als abgeschlossen.<br />

Fazit: Restrukturierung wandelt sich mehr und<br />

mehr vom Turnaround-Management zu einer<br />

kreativen Daueraufgabe.<br />

27


DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

28<br />

ABB: Kulturwandel<br />

VIEL HÄTTE NICHT GEFEHLT, UND DER SCHWEDISCH-SCHWEIZERISCHE KONZERN WÄRE GESCHICHTE GEWESEN, ZU GRUNDE<br />

GEGANGEN AN ZU SCHNELLER EXPANSION UND INEFFIZIENZ. DOCH DER DAMALIGE CEO VERPASSTE DEM KONZERN EINE RADIKALKUR.<br />

GEFANGEN IN DER MATRIX – so lässt sich der Zustand des Konzerns<br />

beschreiben, als Ex-Hoechst-Vorstand Jürgen Dormann, bis dahin im<br />

Aufsichtsrat, im Sommer 2002 das Ruder übernimmt. Dormanns Vorgänger<br />

Percy Barnevik und Göran Lindahl hatten den Anlagenbauund<br />

Technologiekonzern auf Expansion getrimmt – und sich dabei<br />

verhoben. <strong>Der</strong> Umsatz schrumpfte, der Schuldenberg wuchs, Rückstellungen<br />

für teure Klagen vor Gericht verhagelten das Ergebnis.<br />

2002 stand unter dem Strich ein Verlust von fast 800 Millionen Dollar.<br />

Zu allem Übel schien der Konzern bewegungsunfähig und unregierbar:<br />

Mehr als 5000 Profit-Center in 100 Ländern waren eingebunden<br />

in eine riesige Matrixorganisation – und drohten zu ersticken.<br />

DORMANN RÄUMTE RADIKAL AUF – im Vorstand, unter den Führungskräften,<br />

vor allem im operativen Geschäft. Aus sechs Geschäftsfeldern<br />

machte er zwei. Was Zukunft verspricht, wurde in den Bereichen<br />

Energietechnik und Automationstechnik gebündelt, alles andere verkauft.<br />

Ende 2002 hatte der neue ABB-Vorstand Unternehmensteile<br />

für 2,5 Milliarden Dollar veräußert und die Schulden deutlich zurückgeführt.<br />

Inzwischen, drei Jahre nach dem Turnaround in letzter Minu-<br />

te, wächst ABB wieder kräftig und weist, trotz Altlasten, für 2004<br />

einen Reingewinn von mehr als 200 Millionen Dollar aus.<br />

ENTSCHEIDEND FÜR DEN Restrukturierungserfolg, so Dormann im<br />

Rückblick, sei vor allem ein tief greifender Kulturwandel gewesen.<br />

„Alle mussten begreifen, wie ernst die Lage war, und gleichzeitig aus<br />

der Strategie, die auf die Stärken des Unternehmens setzte, neues<br />

Selbstbewusstsein und Energie gewinnen.“ Er selbst hat sich zwar<br />

Anfang 2005 aus dem operativen Geschäft wieder in den Aufsichtsrat<br />

zurückgezogen, aber neues Selbstbewusstsein und Energie sind<br />

geblieben. Nachfolger Fred Kindle peilt für die kommenden Jahre ein<br />

Umsatzplus von jeweils mehr als fünf Prozent an – und zwar ohne<br />

Zukäufe. Die Ebit-Marge soll bei zehn, die Rendite auf das eingesetzte<br />

Kapital bei 15 Prozent landen. Kurzum: <strong>Der</strong> Konzern hat von Sanierung<br />

wieder auf Wachstum umgeschaltet und sich ehrgeizige Ziele<br />

verordnet. Das aber heißt auch: Die nächste Restrukturierung könnte<br />

bevorstehen. Chef Kindle hat jüngst verkündet, aus den beiden Kerndivisionen<br />

wieder fünf Geschäftsbereiche zu machen – und damit<br />

kurzerhand eine Organisationsebene zu sparen.


General Electric: Kraftprotz<br />

GE GEHT ES GUT. DENNOCH HAT CEO IMMELT DEM KON-<br />

ZERN EINE NEUE, SCHLANKERE STRUKTUR VERORDNET.<br />

RESTRUKTURIERT WIRD in der Krise – und die Erde ist eine<br />

Scheibe. General Electric war schon immer gut dafür, hergebrachte<br />

Lehren auf den Kopf zu stellen. Während in der Theorie<br />

alle vor Mischkonzernen warnten, hatte Managementlegende<br />

Jack Welch in der Praxis unbeirrbar weitergebaut am <strong>groß</strong>en<br />

GE-Universum – und mit Rekordergebnissen alle Kritiker Lügen<br />

gestraft. Ähnlich unkonventionell geht jetzt sein Nachfolger<br />

Jeffrey R. Immelt vor. Obwohl der Konzern gerade seinen Umsatz<br />

um 20 Prozent steigern konnte (2. Quartal 2005) und von<br />

Krise keine Rede sein kann, baut Immelt um. Vormals elf Geschäftsfelder<br />

werden zu sechs zusammengefasst. Gleichzeitig<br />

setzt GE verstärkt auf das Thema Umwelttechnologie. Ob Brennstoffzellen,<br />

Solarenergie oder Hybrid-Lokomotiven – Immelt will<br />

in erster Linie eins: Geld verdienen. Sein Kommentar: „Man<br />

macht doch nicht irgendetwas, weil man nachts im Bett eine<br />

Vision hatte und eine innere Stimme sagt: ‚Werde grün.‘“<br />

GE verändert sich – trotz guter Zahlen DOSSIER #04<br />

Biotest: Pharmaphönix<br />

VOM KRISENHERD ZUM INNOVATOR: BIOTEST STEHT<br />

FÜR RESTRUKTURIERUNG AUF DIE OFFENSIVE ART.<br />

PHÖNIX LIESS SICH 500 Jahre Zeit bis zu seiner Wiedergeburt<br />

aus der Asche. Verglichen damit war das Frankfurter Pharmaund<br />

Diagnostikunternehmen Biotest ein Phönix mit Schallgeschwindigkeit:<br />

2001 solide Dividende, 2002 plötzliche Krise,<br />

2003 Restrukturierung, 2004 Turnaround. Biotest hatte sich<br />

strategisch verzettelt, verlor Marktanteile, schrieb tiefrot. Doch<br />

dem neuen Vorstandschef Gregor Schulz gelingt das Doppelpassspiel<br />

aus tiefem Einschnitt und Wachstumsstrategie.<br />

Kosten runter, aber Forschungsausgaben rauf. Personalabbau,<br />

aber Verstärkung von Marketing und Arzneizulassung. Verkauf<br />

der defizitären Tochter Diaclone, aber erst nach Herauslösung<br />

der aussichtsreichsten Forschungsprojekte. Die drei Antikörper<br />

gegen Rheuma oder Knochenmarkkrebs haben Blockbuster-Potenzial<br />

und machen den einst biederen Mittelständler<br />

zum Biotherapeutics-Wert mit Kursfantasie.<br />

29


DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

Teamgeist statt Kettensäge<br />

KANN MAN RESTRUKTURIERUNG LERNEN? NUR BEDINGT, SAGT HARVARD-PROFESSOR STUART C. GILSON. TECHNIKEN KÖNNE MAN<br />

LERNEN – ABER NICHT, WIE MAN AUF GLÄUBIGERVERSAMMLUNGEN MIT VERÄRGERTEN BANKEN UMGEHT. GEFRAGT SIND CHARAKTERLICHE<br />

QUALITÄTEN: TEAMGEIST UND DIE FÄHIGKEIT, ANDERE MITZUREISSEN.<br />

THINK: ACT Professor Gilson, das öffentliche Bild<br />

erfolgreicher Sanierer sieht ungefähr so aus: Sie<br />

sind herrschsüchtig, skrupellos bis menschenverachtend<br />

und tragen Spitznamen wie „Kettensäge“.<br />

Muss man ein Monster sein, um Unternehmen<br />

aus der Krise zu führen?<br />

STUART C. GILSON Oh, es ist sicherlich hilfreich.<br />

Nein, im Ernst, Sie spielen auf Personen an wie<br />

Albert „die Kettensäge“ Dunlap oder vielleicht<br />

Kajo Neukirchen, dem ja auch der Ruf vorauseilt,<br />

recht direkt zu sein. Wenn man genau hinsieht,<br />

30<br />

wird man meistens feststellen, dass die Wirklichkeit<br />

differenzierter ist als das kolportierte Bild.<br />

Nehmen Sie Herrn Dunlap: Auf der einen Seite hat<br />

er natürlich viele Leute entlassen, sonst wären<br />

die Unternehmen wohl meist nicht zu retten<br />

gewesen. Auf der anderen Seite hat er bereits vor<br />

vielen Jahren etwas getan, was heute als<br />

mustergültig gilt, damals aber ungewöhnlich<br />

war: Er ist ein Risiko eingegangen und hat sich an<br />

den Unternehmen, die er aus der Krise führen<br />

sollte, beteiligt.<br />

Trotzdem: Gibt es typische Charaktermerkmale,<br />

die erfolgreiche Sanierer auszeichnen?<br />

Von Charaktermerkmalen würde ich nicht sprechen.<br />

Dafür findet man zu unterschiedliche Typen.<br />

Aber ich bilde mir ein, inzwischen einschätzen zu<br />

können, was man braucht, um ein guter Sanierer<br />

und Restrukturierer zu sein.<br />

Nämlich?<br />

Allgemein ausgedrückt: Nötig ist ein sehr breites<br />

Spektrum von Fähigkeiten und Erfahrungen in


verschiedenen Disziplinen. Er oder sie muss eine<br />

sehr starke Zielorientierung mitbringen, ein Team<br />

begeistern und andere von seinen Plänen und<br />

Maßnahmen überzeugen können. Er muss sein<br />

Restrukturierungsprogramm verkaufen können,<br />

nach innen wie nach außen.<br />

Welche ökonomischen Fähigkeiten sind nötig?<br />

Restrukturierungen sind in den vergangenen<br />

Jahren noch viel komplexer geworden als früher<br />

schon, weil der Wettbewerb härter geworden ist.<br />

Nehmen Sie nur die juristischen Themen. Gerade<br />

Produkthaftungsfragen sind in den USA unglaublich<br />

eskaliert. Aber wenn Sie ein Unternehmen<br />

sanieren, müssen Sie innerhalb einer kurzen<br />

Zeitspanne sehr viele solcher komplexen,<br />

dabei korrelierenden Themen bearbeiten: Unternehmensbewertung,<br />

Finanzierung, das operative<br />

Geschäft und die strategische Ausrichtung.<br />

Solche Szenarien fordern eine gehörige Portion<br />

Umsicht und Erfahrung.<br />

Keine Universität macht aus einem guten Studenten<br />

einen exzellenten Restrukturierer?<br />

Genau. Wir bringen unseren Studenten Techniken<br />

bei und geben ihnen Werkzeuge an die Hand. Sie<br />

lernen, wie man ein Unternehmen bewertet,<br />

Risiken einschätzt, Cashflows prognostiziert,<br />

Steuerthemen bearbeitet, Strategien entwickelt<br />

und hinterfragt. Darüber hinaus sehen wir unsere<br />

Aufgabe darin, unsere Studenten umfassend auf<br />

ihre Rolle als Führungskraft und Manager vorzubereiten.<br />

Aber natürlich kann ich hier im Seminar<br />

einem Studenten nicht beibringen, wie er in Gläubigerversammlungen<br />

mit nervösen und verärgerten<br />

Bankern umgeht. Oder wie man mit<br />

Arbeitnehmervertretern über Lohnkürzungen<br />

verhandelt. Oder wie es sich anfühlt, wenn man<br />

1000 Leute auf die Straße setzen muss. Dass<br />

muss man einfach selbst erlebt haben.<br />

Da wird ihm im Ernstfall wenig Begeisterung entgegenschlagen.<br />

Was genau verstehen Sie also<br />

unter „begeistern“ und „verkaufen“?<br />

Gerade weil man nicht davon ausgehen kann, mit<br />

meistens ja schmerzhaften Einschnitten <strong>groß</strong>en<br />

Jubel auszulösen, ist es wichtig, sein Programm<br />

gut zu vermarkten. Vereinfacht gesagt, hat jedes<br />

Restrukturierungsprojekt drei Ebenen. Erstens<br />

geht es um die Diagnose. Man muss das Problem<br />

identifizieren und die richtige Therapie wählen.<br />

Zweitens muss die Therapie umgesetzt werden –<br />

schnell und konsequent. Drittens, und das ist in<br />

den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden,<br />

gehört das richtige Marketing dazu. Was<br />

nützt der schönste Sanierungsplan, wenn die<br />

Investoren nicht mitziehen? Wie will man ein<br />

Unternehmen zurück auf die Erfolgsspur bringen,<br />

wenn man nicht einmal die wichtigsten Manager<br />

überzeugen kann?<br />

<strong>Der</strong> Sanierer als Showmaster?<br />

Warum nicht? Es spricht nichts dagegen, gute<br />

Turnaround-Strategien auch so überzeugend zu<br />

präsentieren, dass einem das Publikum folgt. Die<br />

Show sollte nur nicht unseriös sein. Auch der professionelle<br />

Umgang mit Medien ist heute viel<br />

wichtiger als früher. Also gehört auch das auf den<br />

Ausbildungsplan.<br />

Sie beobachten Restrukturierungen seit langem.<br />

Wo passieren die häufigsten Fehler?<br />

Wenn ich mir gescheiterte Projekte ansehe,<br />

komme ich oft zu dem Ergebnis, dass schon die<br />

Diagnose falsch war. Etliche Manager dringen<br />

gar nicht erst bis zum echten Kern des Problems<br />

vor, oder sie trauen sich einfach nicht, auch fundamentale<br />

Dinge in Frage zu stellen. Aber genau<br />

auf diesen Mut kommt es letztlich an.<br />

Um es an einem, übrigens realen, Fall zu verdeutlichen,<br />

den ich meinen Studenten immer vorlege:<br />

Es gab einmal ein Unternehmen, das einerseits<br />

als Krankenversicherung agierte und andererseits<br />

Krankenhäuser betrieb. Klingt erst mal<br />

plausibel. Als es in die Krise geriet, wunderten<br />

sich viele. Wenn ich meine Studenten frage, was<br />

das Problem sein könnte und wie sie vorgehen<br />

würden, bekomme ich in zehn von zwölf Fällen<br />

absolut ausgefeilte Lösungen – die alle am Kern<br />

vorbeigehen. Kaum jemand erkennt, dass die<br />

beiden Geschäftsfelder absolut nicht in einem<br />

Unternehmen gebündelt sein sollten, weil natür-<br />

Auch fundamentale Dinge in Frage stellen! DOSSIER #04<br />

lich andere Krankenkassen ihre Patienten nicht<br />

in ein Krankenhaus schicken, das der Konkurrenz<br />

hilft.<br />

Sollte „Restrukturierung“ Pflichtfach an Business-Schools<br />

werden?<br />

Das Thema ist extrem relevant, insofern spricht<br />

einiges dafür. Ich garantiere meinen Studenten,<br />

dass sie innerhalb von fünf Jahren nach ihrem<br />

Studium direkt mit Restrukturierung zu tun<br />

haben werden, die meisten sogar früher.<br />

STUART C. GILSON, Jahrgang 1958, ist<br />

seit 1991 Professor an der Harvard Business<br />

School. <strong>Der</strong> Experte für Unternehmensbewertung,<br />

Corporate Finance und Restrukturierung<br />

ist vor allem durch sein Buch<br />

„Creating Value through Corporate Restructuring“<br />

bekannt geworden. Gilson hat als<br />

Berater für eine Reihe von Unternehmen<br />

gearbeitet, ist in Gläubigerausschüssen<br />

aufgetreten und regelmäßig als Gutachter<br />

bei Insolvenzen und Unternehmensrestrukturierungen<br />

tätig. Er gehört dem Beratergremium<br />

der angesehenen „Turnaround<br />

Management Association“ an.<br />

An einigen Business-Schools ist „Corporate<br />

Restructuring“ inzwischen im Curriculum.<br />

Hier eine Auswahl:<br />

• Harvard Business School (Prof. Stuart C.<br />

Gilson), www.hbs.edu/<br />

• New York University, Stern School of Business<br />

(Prof. Edward Altman),<br />

www.stern.nyu.edu<br />

• University of Pittsburgh, Katz Graduate<br />

School of Business (Prof. Kenneth M.<br />

Lehn), www.katz.pitt.edu<br />

• London Business School, Finance Faculty<br />

(Prof. Julian Franks), www.london.edu<br />

• ESCP-EAP, European School of Management<br />

(Prof. Patrick Besson), www.escp.fr<br />

31


Prozessoptimierung ist nur ein Teil einer erfolgreichen Restrukturierung. Ebenso wichtig ist die Einbindung aller Mitarbeiter – und die Vorbildfunktion<br />

des Managements. Die VBH-Chefs Rainer Hribar und Jürgen Kassel (von links) fuhren in der harten Zeit mit der S-Bahn zu Außenterminen.


DIE INSOLVENZ war nur noch ein paar Stunden<br />

entfernt an jenem Morgen vor vier Jahren.<br />

Jürgen Kassel schüttelt sich, wenn er heute daran<br />

denkt. Es hätte auch schief gehen können. Aber<br />

Kassel ist immer noch einer der beiden Geschäftsführer<br />

von VBH. Doch die Firma, deren<br />

Geschäfte er führt, hat sich komplett gewandelt.<br />

Das Unternehmen wurde zerlegt und neu zusammengesetzt.<br />

Unrentable Aktivitäten wurden<br />

eingestellt. Jene Bereiche hingegen, die am Markt<br />

wettbewerbsfähig sind, bekamen entsprechend<br />

mehr Gewicht.<br />

VBH IST EIN GROSSHANDELSUNTERNEHMEN<br />

für Baubeschläge, agiert als Mittler zwischen Baubeschlaglieferanten<br />

und Abnehmern, welche<br />

Diese Reportage hat die Financial Times<br />

Deutschland für think: act verfasst. <strong>Der</strong> Text ist Teil<br />

einer umfassenden Kooperation beider Medien.<br />

Reportage DOSSIER #04<br />

Von Messers Schneide gesprungen<br />

DER BAUZULIEFERER VBH WAR SO GUT WIE PLEITE; DIE BANKEN WOLLTEN AUSSTEIGEN. IN LETZTER SEKUNDE BRACHTE EIN KONSEQUENTER UMBAU<br />

DIE RETTUNG. LEBENSWICHTIG DABEI: DIE KONZENTRATION AUF LUKRATIVE KUNDEN UND EIN MANAGEMENT, DAS SPARSAMKEIT VORLEBT. EIN EIN-<br />

BLICK IN DAS INNENLEBEN EINER RESTRUKTURIERUNG.<br />

s MORGENS UM FÜNF ist Schichtwechsel bei diese Produkte industriell und handwerklich ver-<br />

Firmenrettern. Männer in Jackett und mit Kraarbeiten. Vor allem vertreibt das Handelshaus Türwatte<br />

treten aus dem Morgengrauen in die griffe und Schließsysteme für Fenster. Doch die<br />

Zentrale des schwäbischen Bauzulieferers VBH. waren zuletzt nicht mehr so gefragt. 1998 wur-<br />

Drinnen sitzen Manager, Finanzexperten und den in Deutschland 26 Millionen Fenster verkauft,<br />

Unternehmensberater. Sie haben die ganze Nacht in diesem Jahr vielleicht noch elf Millionen. Das<br />

hindurch über Akten, Bilanzen und Geschäftsbe- nach der Maueröffnung im Inland aufgeblähte<br />

richten gebrütet. Sie kämpfen gegen die Uhr, für Unternehmen hatte die Warnsignale zu spät<br />

das Überleben von VBH. Die Banken wollen den erkannt. „VBH war plötzlich viel zu <strong>groß</strong> für den<br />

Geldhahn zudrehen. Nur ein überzeugendes Sa- Markt“, sagt Kassel. „Ab dem zweiten Quartal<br />

nierungskonzept könnte sie noch hinhalten, ein 2001 war zu erkennen, dass dies zu Problemen<br />

paar Tage oder Wochen, vielleicht ein paar Monate. führen kann.“ Eine Fusion mit dem Rivalen Geniatech<br />

sollte helfen. Die Banken fuhren im letzten<br />

ES WAR EIN SPIEL AUF ZEIT in diesem Spät- Moment dazwischen. Zu Recht, sagt <strong>Roland</strong>-Bersommer<br />

des Jahres 2001. Die damalige Skepsis ger-Berater Sascha Haghani. „Es bringt nichts,<br />

der Banken ist verständlich, stand es bei VBH wenn sich zwei kranke Firmen zusammen ins<br />

doch wirklich nicht zum Besten. Außen pfui, innen Bett legen.“ Haghani war ursprünglich in die VBHpfui.<br />

Die Baubranche trudelte in die Rezession, Zentrale nach Korntal-Münchingen bei Stuttgart<br />

und die VBH wurde einfach mitgerissen.<br />

gekommen, um den Sinn der Fusion zu prüfen.<br />

Aber schon bald musste er nach Wegen suchen,<br />

die Insolvenz zu verhindern.<br />

BEI DER BUCHPRÜFUNG IM VORFELD der<br />

gescheiterten Fusion offenbarte sich den Beratern<br />

eine dramatische Lage. VBH hatte auf dem Heimatmarkt<br />

viel zu hohe Kosten. Das Geschäft mit<br />

unzähligen Kleinstkunden und Lieferanten kostete<br />

mehr, als es einbrachte. Rechnungen wurden<br />

nur zögerlich eingefordert, so dass ein Drittel der<br />

Außenstände, immerhin 24,3 Millionen Euro, seit<br />

über 150 Tagen fällig waren. In den Boomjahren<br />

zugekaufte Kleinunternehmen hatten an ihrem<br />

jeweiligen Standort ein Eigenleben mit überflüssigen<br />

Warenbeständen, eigener Logistik und Disposition<br />

entwickelt. In den 32 VBH-Lagern stapelten<br />

sich selten verkaufte „Langsamdreher“. Die Bera-<br />

ter fanden sogar „Nulldreher“ – Fensterbeschläge<br />

oder Türgriffe, für die sich seit Jahren niemand<br />

mehr interessiert hatte.<br />

DOCH ERST ALS VBH in eine Liquiditätskrise<br />

schlitterte und die Kreditgeber nervös wurden,<br />

packte man die Restrukturierung an – ohne dass<br />

sich alle bewusst waren, worauf sie sich einließen.<br />

„Quick and dirty“ hätte es vor allem am Anfang<br />

gehen müssen, sagt VBH-Vorstand Rainer Hribar.<br />

„Wir kämpften ums Überleben. Da können Sie nicht<br />

lange rumdiskutieren“, ergänzt sein Kollege Kassel.<br />

Ob eine Entscheidung richtig oder falsch ausfiel,<br />

war weniger wichtig. Hauptsache, es wurde<br />

überhaupt entschieden. „Schnell musste es gehen.<br />

Das war wichtig“, sagt Hribar heute. Er macht dabei<br />

nicht den Eindruck, als ob er stolz auf die knochenharte<br />

Tour von damals ist. Es war halt so.<br />

WENN DER 48-JÄHRIGE Hribar und sein<br />

51-jähriger Kollege Kassel versuchen, das Erfolgsgeheimnis<br />

der Sanierung zu erklären, dann ist viel<br />

von Einschnitten und Zentralisierung die Rede,<br />

von Forderungsmanagement, Geschäftsmodellen,<br />

Beratern und den Mitarbeitern. Ihr eigener Anteil<br />

scheint da eher unbedeutend. Das aber sieht man<br />

bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> ganz anders. Die Beratung war<br />

mit bis zu sieben Mann im Einsatz. Die wissen,<br />

wie man das Problem technisch angeht – und<br />

dass dieses Wissen nicht ausreicht: „Die Vorstände<br />

sind entscheidend. Sie müssen schnell sein<br />

und haben Vorbildfunktion und Signalwirkung“,<br />

sagt Karl Kraus, Partner bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>.<br />

KRAUS ERKLÄRT die Signalwirkung der Topmanager<br />

auf Belegschaft, Banken und Kunden am<br />

33


DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

Beispiel Dienstwagen: „Autos haben Symbolwirkung.<br />

Daran sieht jeder Mitarbeiter, ob Manager die<br />

Sache ernst meinen oder nicht. Das ist der psychologische<br />

Knackpunkt bei jedem Sanierungsfall.“<br />

Hribar und Kassel wechselten nicht nur vom<br />

Luxusauto zur gehobenen Mittelklasse, sondern<br />

fuhren bei Geschäftsreisen mit der S-Bahn. Das<br />

sprach sich rum. So entstand jenes Kostenbewusstsein<br />

in der Belegschaft, das über Erfolg oder<br />

Misserfolg einer Restrukturierung mitentscheidet.<br />

ALS ERSTES SPARPAKET mit „Quick Wins“<br />

wurden Reisekosten, Zeitungsabonnements und<br />

Büroartikel beschnitten. <strong>Der</strong> Vertrieb bediente nur<br />

noch profitable Kunden. Unbrauchbare Lagerbestände<br />

wurden zurückgegeben oder billig abverkauft.<br />

<strong>Der</strong> Lagerbestand im Wert von 70 Millionen<br />

Nicht zuletzt eine effizientere Lagerhaltung führte VBH zu neuem Erfolg<br />

Euro ist bis heute auf 35 Millionen Euro abgeschmolzen<br />

worden. „Das bringt uns jedes Jahr 35<br />

Millionen Euro mehr Liquidität“, freut sich Kassel.<br />

Statt 27 verschiedener Lieferanten für Türstopper<br />

gebe es jetzt eben nur noch eine Hand voll. Vor vier<br />

Jahren arbeitete VBH mit mehr als 1700 Lieferanten<br />

zusammen. „Heute machen wir 99 Prozent<br />

unseres Umsatzes mit 260 Lieferanten“, sagt Kassel.<br />

Ausstehende Rechnungen werden jetzt deutlich<br />

schneller eingetrieben und riskante Lieferungen<br />

an Pleitekandidaten komplett vermieden.<br />

Kassel: „Früher sind 4,5 Prozent unseres Umsatzes<br />

ausgefallen, weil Rechnungen nicht bezahlt<br />

wurden. Heute liegen wir noch bei 0,6 Prozent.“<br />

34<br />

DER BÜROKRATISCHE WASSERKOPF mit<br />

sechs Vorständen und sieben Geschäftsführern<br />

wurde trockengelegt. Einzig Auslandschef Hribar<br />

und der erst kurz zuvor zu VBH gewechselte Kassel<br />

blieben als Vorstände übrig. Dass beide keine<br />

Rücksicht auf Seilschaften nehmen mussten, war<br />

laut Hribar „vor allem in der Phase der harten Einschnitte<br />

ein Riesenvorteil für uns“. 400 Stellen<br />

fielen weg. Aus 32 eigenständigen Einzellagern<br />

wurden acht, Firmenbereiche wie Logistik und<br />

Disposition hat das Management zentralisiert.<br />

„Wir haben klipp und klar gesagt: Entweder die<br />

Sanierung klappt, oder wir sind am Ende“, sagt<br />

Hribar. Das half, zumindest ein wenig. „Es gibt<br />

immer Leute, die erklären, warum etwas nicht<br />

geht. Von solchen Kollegen haben wir uns dann<br />

schnell getrennt.“<br />

TROTZ DES RASANTEN TEMPOS ging es den<br />

Kreditgebern nicht rasch genug. Einige der acht<br />

Gläubigerbanken wollten sich von VBH trennen.<br />

Schon zuvor hatten sie Kassel „freundlich, aber<br />

bestimmt klar gemacht“, dass sie kein frisches<br />

Geld in das Unternehmen stecken würden.<br />

Vergeblich war der neue Chef in den ersten<br />

Wochen in der Stuttgarter Innenstadt unterwegs,<br />

um Kapital aufzutreiben. Sein größter Erfolg<br />

bestand darin, dass die Banken versprachen,<br />

zumindest die Kreditlinien nicht zu kündigen.<br />

WENIG SPÄTER jedoch wurde die Geldnot so<br />

drückend, dass die Banken sich zu einem Pool<br />

zusammenschlossen, um zu verhindern, dass ein<br />

Institut ausscherte und mit einer gekündigten<br />

Kreditlinie das Kartenhaus VBH zum Einsturz<br />

brachte. Dann hätten alle Banken ihr Geld verloren.<br />

Drei Jahre hielt das Bündnis. 2004 schleppte<br />

VBH zwar noch immer eine hochverzinste Schuldenlast<br />

von 200 Millionen Euro mit sich herum,<br />

aber das operative Geschäft lief. Doch die Allianz<br />

der Banken bröckelte jetzt. Drei Institute wollten<br />

aussteigen. Sie hatten ihre Darlehen abgeschrieben,<br />

sahen Geld von VBH als unerwarteten Bonus.<br />

Unter den Gläubigern kam es zu Reibereien. „Das<br />

war eine sehr gefährliche Situation. VBH war es<br />

unmöglich, die Schulden zu bedienen, und andere<br />

Geldgeber gab es nicht“, sagt Kraus.<br />

FÜR DIE RETTUNG sorgten die Nachkommen<br />

der VBH-Gründer, die ehemaligen Vorstände Günter<br />

Ade und Andreas Schill. Sie brachten mit<br />

Freunden und VBH-Managern innerhalb weniger<br />

Wochen 20 Millionen Euro ein. In einem komplizierten<br />

Umschuldungsprozess wurden die ausstiegswilligen<br />

Banken ausbezahlt. Die übrigen<br />

Institute erhielten Anteile an VBH. Am Ende der<br />

Transaktion stand VBH nicht nur operativ, sondern<br />

auch finanziell auf sicherem Grund. Die hochverzinsten<br />

Darlehen konnten gegen Kreditlinien mit<br />

günstigeren Konditionen abgelöst werden. „Damit<br />

war VBH auf eine völlig neue Basis gestellt“, sagt<br />

Kraus. Er war sich mit dem Zwei-Mann-Vorstand<br />

einig, dass der Schlüssel für eine erfolgreiche<br />

Zukunft im Ausland liegt. Man beschloss, am Auslandsgeschäft<br />

festzuhalten und die Expansion so<br />

konsequent wie möglich voranzutreiben.<br />

EINIGE WETTBEWERBER gingen den anderen<br />

Weg und verkauften ihre Auslandstöchter, um das<br />

Stammgeschäft zu stabilisieren. Die meisten von<br />

ihnen sind heute vom Markt verschwunden. VBH<br />

kann sich dagegen auf seine mittlerweile 28 Ländergesellschaften<br />

von Polen über Dubai bis nach<br />

Australien oder Argentinien verlassen.<br />

IM VERGANGENEN JAHR MACHTE das Unternehmen<br />

mit mittlerweile wieder knapp über 2000<br />

Mitarbeitern erstmals seit fünf Jahren Gewinn.


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DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

Die Routinefalle<br />

ERST EINGESPIELTE ABLÄUFE MACHEN EIN UNTERNEHMEN EFFIZIENT. DOCH GENAU DIESE ROUTINEN BEGÜNSTIGEN OFT SCHIEFLAGEN<br />

UND ERSCHWEREN RESTRUKTURIERUNGEN. ENTSCHEIDER, DIE EINE ORGANISATION VERÄNDERN WOLLEN, MÜSSEN SICH MIT DEREN STANDARD-<br />

ABLÄUFEN BEFASSEN. DENN NUR WER DIE INTERNEN ROUTINEN WIRKLICH VERSTEHT, KANN SIE SCHLIESSLICH ÜBERWINDEN.<br />

s<br />

ENDE APRIL 1992 ging eine traurige Gestalt<br />

vom Platz. Beim Tennisturnier in Monaco verlor<br />

der 35-jährige Björn Borg sein Erstrundenmatch<br />

gegen den gerade 20-jährigen Südafrikaner<br />

Wayne Ferreira in zwei Sätzen. Doch es war nicht<br />

der Altersunterschied, der den Comebackversuch<br />

der schwedischen Legende scheitern ließ.<br />

Es war das neue Powertennis. Die hoch belastbaren<br />

Karbonschläger hatten das Spiel für Borg<br />

zu schnell gemacht. 1976 hatte er zum ersten<br />

Mal Wimbledon gewonnen, mit Frotteestirnband<br />

und Holzschläger. Für das Turnier in Monaco<br />

hatte er sich schweren Herzens von seinem<br />

Holz-Rack getrennt. Doch Borg konnte sich mit<br />

den neuen Schlägern nie wirklich anfreunden. Er<br />

hatte den Wandel verpasst.<br />

36<br />

AM BJÖRN-BORG-SYNDROM kranken zurzeit<br />

viele Unternehmen, etwa im deutschen Textileinzelhandel.<br />

Während sich trotz sinkenden Marktvolumens<br />

Neulinge wie Mango oder Zara am<br />

Markt etablieren, gelingen den Altstars nur<br />

schwache Returns. Größen wie KarstadtQuelle<br />

und SinnLeffers müssen restrukturiert werden,<br />

ein Traditionshaus wie Mey & Edlich rutscht<br />

sogar in die Insolvenz. Dabei beherrschten die<br />

<strong>groß</strong>en Player doch ihr Spiel, dabei hatten sie<br />

doch eigentlich alles so gemacht wie immer.<br />

Stirnband und Holzschläger. Business as usual.<br />

Genau hier lauert die Gefahr. Nicht selten geraten<br />

etablierte Unternehmen auch deshalb in<br />

Schieflage, weil sie so routiniert sind. Oder besser:<br />

weil sie es nicht schaffen, die unbedingt not-<br />

wendige Routine zum richtigen Zeitpunkt zu<br />

durchbrechen, quer zu denken, andere Handlungsmuster<br />

zu erkennen und zur neuen Routine<br />

zu erheben. Warum aber ist das so – und vor<br />

allem: Muss das so sein? Hier setzt die junge<br />

Disziplin der Routineforschung an. Um es deutlich<br />

zu sagen: Routine ist unerlässlich für den<br />

Erfolg. Erst Routine macht ein Unternehmen effizient,<br />

erst Routine ermöglicht viele komplexe<br />

Prozesse. Für Richard Nelson und Sydney Winter,<br />

die wohl bedeutendsten Pioniere der Routineforschung,<br />

ist ein Unternehmen – auf die Spitze<br />

getrieben – nichts anderes als eine Ansammlung<br />

von Routinen. Selbst hoch innovative Unternehmen<br />

müssen Routinen entwickeln, um kreativ<br />

zu sein und Ideen effizient umzusetzen.


DIE HÖCHSTE VOLLENDUNG der Routine hört<br />

auf den einschlägigen Namen „Best Practice“<br />

und ist nichts weniger als ein umfassend eingespielter,<br />

automatisierter und damit weit gehend<br />

feststehender Ablauf. Es gibt viele Good und Best<br />

Practices. <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong> Strategy Consultants<br />

hat kürzlich die Funktionen im Overhead von<br />

Großkonzernen aus Bau-, Immobilien- und Energiewirtschaft<br />

analysiert. Das Ergebnis: 90 bis<br />

95 Prozent der Tätigkeiten sind wiederkehrend.<br />

Auch in kreativen Abteilungen wie Presse- oder<br />

Öffentlichkeitsarbeit ist der Anteil an Routinearbeiten<br />

sehr hoch (70 Prozent und mehr). Die<br />

Vermutung liegt nahe, dass dies auch auf Managemententscheidungen<br />

zutrifft; hier ist die<br />

Routineforschung empirisch fundierte Antworten<br />

noch schuldig.<br />

NEU IST DIE Erkenntnis, dass Routine zu<br />

einer selbstgestellten Falle werden kann – und<br />

zwar immer dann, wenn sich die Umwelt eines<br />

Unternehmens wandelt. Das ist heute Normalität<br />

und geschieht in immer kürzeren Zyklen. So<br />

kommt es, dass auch bisher erfolgreiche Routinen<br />

– entstanden in einem bestimmten Umfeld<br />

und genau für dieses passend – plötzlich<br />

schlechte Ergebnisse liefern. Das betroffene<br />

Unternehmen muss sein Repertoire an Routinen<br />

auffrischen. Auch hier liefert der Textileinzelhandel<br />

gutes Anschauungsmaterial: Gestern noch<br />

schwappte bauchfrei die Jugendwelle durch die<br />

Konfektionen, heute umgarnt die Branche kaufkräftige<br />

ältere Menschen. Da entsteht mit einem<br />

Schlag eine riesige Sortimentslücke. Wer sie am<br />

schnellsten schließt, gewinnt. Wer hinterherhinkt,<br />

hat ein doppeltes Routineproblem: Er versäumt<br />

es, eingespielte Abläufe zu durchbrechen,<br />

um mit den Windhunden mitzuhalten. Dann<br />

gerät er in Probleme und ist spätestens jetzt<br />

gezwungen, Routinen über Bord zu werfen. Denn<br />

Restrukturierung heißt, Routinen zu verändern.<br />

WARUM ABER TUN sich die Verantwortlichen<br />

so schwer damit, ihr Handeln zu verändern?<br />

Zwei Hypothesen erklären, warum sich Routinen<br />

wie zäher Klebstoff über ein Unternehmen legen:<br />

Routinen sind nötig, können aber die Veränderung behindern DOSSIER #04<br />

1. Es ist schwierig zu erkennen, wann<br />

genau eine eingespielte Routine zu hinterfragen<br />

ist. Das Fatale an Routinen ist: Sie entfalten ihre<br />

Wirkung erst dadurch, dass sie das Management<br />

vom Planungsaufwand befreien. Diese Entlastung<br />

wird durch fehlende Reflexion erkauft; Routineforscher<br />

sprechen von einer Bewusstseinssenkung.<br />

So werden Anzeichen für Probleme<br />

schlicht übersehen – oder bewusst ignoriert.<br />

Denn viele im Unternehmen scheuen die Änderung<br />

von Routinen, weil sie um die Schwierigkeiten<br />

wissen, die damit verbunden sind.<br />

2. Es fällt schwer, einmal eingespielte<br />

Routinen aufzugeben. Aus der etablierten Routine<br />

auszubrechen bedeutet, den bisher effizienten<br />

und weit gehend risikolosen Ablauf zu stören.<br />

Plötzlich muss eine neue Vision her und eine<br />

Strategie, die festlegt, wodurch die alten Routinen<br />

ersetzt werden sollen. Keine triviale Aufgabe:<br />

In welche Richtung hätten sich denn Rover,<br />

Swiss Air oder auch KarstadtQuelle bewegen sollen,<br />

um eine Krise zu verhindern?<br />

Hinzu kommt: Ein erfolgreicher Ausbruch<br />

aus der Routine erfordert viel Zeit und Engagement.<br />

Auch regt sich gegen Änderungen immer<br />

Kritik: Neue Abläufe entwerten altes Wissen und<br />

schaffen Verlierer. Häufig sind die ersten Resultate<br />

nach der Flucht aus der alten Routine unbefriedigend,<br />

weil die Vorteile einer etablierten<br />

Routine fehlen. Kritiker sehen sich bestätigt.<br />

Schließlich fallen viele Menschen unbewusst in<br />

alte Automatismen zurück. So verkehrt sich die<br />

eigentliche Stärke von Routinen zunächst ins<br />

Gegenteil, sobald man neue Wege beschreitet.<br />

Wer etwas verändern will, muss deshalb verstehen,<br />

warum andere diese Veränderung ablehnen.<br />

Sprich: Wer ein tieferes Verständnis für Routinen<br />

entwickelt, wird leichter restrukturieren –<br />

oder gar nicht in eine Situation geraten, die eine<br />

Restrukturierung erfordert. Dafür gilt es, ein<br />

Bewusstsein auf allen Ebenen zu wecken –<br />

selbst im Management. Auch Manager müssen<br />

in Routinen denken. Aber gerade sie sollten darüber<br />

hinaus genügend Kapazitäten freihalten,<br />

um aus den bestehenden Routinen auszubrechen<br />

und ständig nach neuen Optionen zu<br />

suchen. Entstehen dadurch Ineffizienzen und<br />

Risiken, sollten diese erkannt und bewusst in<br />

Kauf genommen werden. Entscheidend ist die<br />

Balance zwischen Veränderung und Verharrung.<br />

So sollte das Unternehmen Mitarbeiter nicht<br />

dafür bestrafen, dass sie Veränderungen anstoßen,<br />

sondern bestenfalls sogar belohnen – auch,<br />

wenn diese damit scheitern. Gleichzeitig darf das<br />

Management die Bodenhaftung nicht verlieren<br />

und muss Initiativen für Neues sorgfältig prüfen.<br />

Um zu erkennen, wann der Ausbruch aus<br />

der Routine opportun ist, sind spezifisch zugeschnittene<br />

Frühwarnsysteme in Controlling oder<br />

interner Revision nötig. Auch die Unternehmenskultur<br />

bedarf einer Auffrischung: Stetes Hinterfragen,<br />

das Erlernen von neuen und das Entlernen<br />

von alten Routinen verdienen es, ständig<br />

gefördert zu werden. Mitarbeiterbeteiligung inklusive.<br />

Wenn die Frühwarnung dann funktioniert<br />

und das Unternehmen rechtzeitig neue<br />

Markttrends erkennt, ist es Zeit für eine Tasse<br />

Kaffee. Denn der Umgang mit Routinen erfordert<br />

vor allem eines: Augenmaß. Nicht jedes Softwareupdate<br />

macht ein Unternehmen effizienter. Und<br />

nicht jeder Technologiesprung ist so <strong>groß</strong> wie der<br />

vom Holz- zum Karbonschläger.<br />

RICHARD FEDEROWSKI<br />

ist Senior Consultant im Geschäftsbereich<br />

Restrukturierung<br />

und Corporate Finance bei<br />

<strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong>. Zuvor studierte er<br />

Betriebswirtschaftslehre an der<br />

Handelshochschule Leipzig.<br />

PETER KESTING promovierte<br />

an der Universität Hamburg in<br />

BWL und habilitierte sich an der<br />

Handelshochschule Leipzig, an<br />

der er lehrt. Schwerpunkte sind<br />

Schumpeters Innovationstheorie<br />

und die Routineforschung.<br />

37


DOSSIER #04 Restrukturierung<br />

Mit dem Geld reden<br />

RESTRUKTURIERUNGEN WERDEN ZUNEHMEND VOM KAPITALMARKT GETRIEBEN. DAS BEDEUTET FÜR SPITZENMANAGER EINEN HÖHEREN ERFOLGS-<br />

DRUCK, FÜR DIE UNTERNEHMEN AUF UMBAUKURS ABER AUCH GROSSE CHANCEN. IHNEN ERÖFFNEN SICH SO NEUE SPIELRÄUME IN DER FINANZIE-<br />

RUNG – VORAUSGESETZT, SIE INTENSIVIEREN DEN DIALOG MIT ALTEN UND NEUEN AKTEUREN AM KAPITAL- UND KREDITMARKT.<br />

s<br />

EIGENTLICH KÖNNTE Richard D. Parsons<br />

zufrieden sein. Seit er 2002 auf den Chefsessel<br />

bei Time Warner rückte, hat er die Schuldenlast<br />

des angeschlagenen Medienkonzerns um 13<br />

Milliarden US-Dollar reduziert. Er verkaufte die<br />

Musiksparte. Er räumte im Management auf. Er<br />

präsentierte 2004 einen Rekordgewinn. Er sorgte<br />

dafür, dass Time Warner seinen Aktionären<br />

wieder Dividende zahlt. Nur zwei Dinge hat Parsons<br />

nicht geschafft: den dümpelnden Kurs der<br />

Time-Warner-Aktie zu beflügeln. Und die Aktionä-<br />

re davon zu überzeugen, dass dies mit Hilfe seines<br />

langfristig angelegten Restrukturierungskurses<br />

gelingen werde.<br />

DESHALB SITZT IHM nun Carl Icahn im Nacken,<br />

ein blitzgescheiter Investor, den die US-<br />

Presse gerne als „Unternehmensräuber“ bezeichnet.<br />

<strong>Der</strong> 69-jährige Hedge-Fonds-Manager,<br />

dessen Vermögen Forbes auf 7,6 Milliarden Dollar<br />

taxiert, ist durch Investments in verschiedene<br />

Großkonzerne bekannt geworden, etwa U. S. Steel,<br />

Texaco, Nabisco und Pan Am. Zusammen mit Verbündeten<br />

hat Icahn für zunächst 2,2 Milliarden<br />

US-Dollar Time-Warner-Aktien gekauft. Das entspricht<br />

einem Anteil von gerade mal 2,6 Prozent.<br />

Und doch verlangt der Icahn-Club der Minderheitsaktionäre,<br />

der Konzern solle seine begehrte<br />

Kabelsparte abstoßen und aus dem Erlös für<br />

20 Milliarden US-Dollar eigene Aktien zurückkaufen.<br />

Das Drohpotenzial: Icahn & Co. könnten<br />

ihre Anteile erhöhen. Oder weitere unzufriedene<br />

Aktionäre um sich scharen. Oder beides.


ANDERS ALS IN Kontinentaleuropa, wo<br />

unzufriedene Investoren ihre Aktien bisher lieber<br />

verkaufen, ist die Einflussnahme von Aktionären<br />

auf das Management im angelsächsischen<br />

Raum längst Alltag. Vor allem in den USA hat sich<br />

seit den 70er-Jahren eine regelrechte Shareholder-Value-<br />

und Corporate-Governance-Industrie<br />

entwickelt. Ihr Geschäftsfeld: Sie setzt Unternehmen<br />

mit schwacher Börsen-Performance und<br />

umstrittener Ausrichtung, mithin also Fälle mindestens<br />

für eine strategische Restrukturierung,<br />

massiv unter Druck. Soeben musste Michael Eisner<br />

seinen Stuhl bei Walt Disney genau deshalb<br />

räumen; der Pensionsfonds CalPers hatte fast<br />

die Hälfte der Aktionäre auf Kurs gegen Eisner<br />

gebracht.<br />

DAS MAG NICHT nett wirken. Doch Jammern<br />

hilft nicht. Entscheidend: Unternehmen in der<br />

Restrukturierung müssen ihre Geldgeber verstehen<br />

und mit ihnen reden – nur dann können sie<br />

die Vorteile, die ihnen neue Akteure am Kapitalund<br />

Kreditmarkt bieten, wirklich nutzen. Für<br />

Stephan Howaldt, Leiter des europäischen Focus<br />

Funds der renommierten Hermes Pensions<br />

Management in London, folgt daraus: „Unternehmen<br />

können die Interessen der Investoren nicht<br />

ignorieren und müssen sie viel stärker in ihrer<br />

Strategie berücksichtigen.“ Wichtig sei auch, die<br />

Manager etwa von Hedge-Fonds ohne Vorurteile<br />

und als rationale Investoren zu betrachten.<br />

WER DEN DIALOG nicht hinbekommt, dem<br />

wird es kaum gelingen, die langfristigen Unternehmensziele<br />

mit den kurzfristigen Interessen<br />

der Investoren abzugleichen – nicht nur unter<br />

den erschwerten Bedingungen einer Restrukturierung.<br />

Werner Seifert, bis vor kurzem Vorstandschef<br />

der Deutschen Börse, hat genau das<br />

den Job gekostet. Weitsichtig wollte er die London<br />

Stock Exchange übernehmen, und im zweiten<br />

Anlauf schienen die Londoner sogar kooperationsbereit.<br />

Doch Seifert hatte die Aktionäre<br />

nicht nach ihrer Meinung gefragt. Und die wollten<br />

nun mal, angetrieben vom britischen Hedge-<br />

Fonds TCI, die Kriegskasse lieber selbst verfrüh-<br />

Banken kaufen Not leidende Kredite auf DOSSIER #04<br />

Höchster Nutzen<br />

statt geringstes Risiko<br />

DER HANDEL MIT NOT LEIDENDEN FORDERUNGEN WIRD FÜR BANKEN ZUM GESCHÄFTS-<br />

FELD, SO EINE AKTUELLE STUDIE. DAS VERÄNDERT DIE RESTRUKTURIERUNGSLANDSCHAFT.<br />

UNTERNEHMEN, deren Not leidende<br />

Schulden auf dem so genannten Distressed-<br />

Debt-Markt gehandelt werden, drohen ungemütlichere<br />

Zeiten: Beim Handel mit Anleihen,<br />

Krediten oder Darlehen treten Banken zunehmend<br />

als Käufer auf. Bereits ein Drittel will<br />

damit auch direkt am Distressed-Debt-<br />

Geschäft verdienen, wie die aktuelle <strong>Roland</strong>-<br />

<strong>Berger</strong>-Untersuchung „Distressed Debt in<br />

Deutschland aus Sicht der Banken“ zeigt. Das<br />

Engagement der Banken erhöht den Erfolgsdruck<br />

auf die Unternehmen.<br />

BISLANG PROFITIEREN Banken vor allem<br />

indirekt vom aufblühenden Distressed-Debt-<br />

Markt: Sie trennen sich von problematischen<br />

Krediten und betreiben damit Schadensbegrenzung.<br />

Intern vermeiden sie weitere Wertberichtigungen,<br />

die umfassend sanierten<br />

Unternehmen behalten sie als Kunden. Dafür<br />

nehmen die Geldhäuser beträchtliche<br />

Abschläge in Kauf.<br />

MIT DER PUREN Risikominimierung dürfte<br />

es allerdings bald vorbei sein. Denn der<br />

Distressed-Debt-Markt wird für Kreditaufkäufer<br />

immer attraktiver – auch für Geschäftsbanken.<br />

Unternehmens- und Hypothekenkredite<br />

von je über 100 Milliarden Euro sind im<br />

Umlauf, das jährliche Transaktionsvolumen<br />

dürfte sich bei 15 bis 20 Milliarden Euro einpendeln.<br />

Warum sollten die Banken dieses<br />

Geschäft den Spezialisten überlassen? „<strong>Der</strong><br />

Markt für Distressed Capital wird sich als stabile<br />

Säule der Unternehmensfinanzierung etablieren<br />

und das Restrukturierungsgeschäft<br />

langfristig massiv verändern“, prognostiziert<br />

Nils von Kuhlwein, Partner bei <strong>Roland</strong> <strong>Berger</strong><br />

in Düsseldorf. Die Autoren der Studie rechnen<br />

damit, dass sich die Geschäftsbanken bei<br />

Restrukturierungen dem Verhalten reiner<br />

Distressed-Debt-Investoren annähern: von<br />

der Schadensbegrenzung hin zum optimalen<br />

Nutzen, von der nachhaltigen Gesundung der<br />

Unternehmen zur eigenen Cash-Maximierung.<br />

DAMIT EINHER GEHT eine stärkere Konvergenz<br />

der Marktplayer. Von Kuhlwein ist<br />

überzeugt: „Man wird in wenigen Jahren nicht<br />

mehr zwischen Distressed-Debt-Investor und<br />

Geschäftsbank unterscheiden.“ Zugleich wird<br />

es weniger Einzeldeals, dafür mehr Branchengesamtlösungen<br />

geben. Die Idee: Ein Investor<br />

kauft Kredite verschiedener Player einer Branche<br />

– und entwickelt dann eine Lösung, von<br />

der alle Unternehmen profitieren. Das nutzt<br />

auch ihm selbst: Je mehr komplementäre<br />

Investments sich bündeln lassen, umso höher<br />

sind die Renditechancen durch Platzierung<br />

am Kapitalmarkt.<br />

FÜR DEN Restrukturierungsprozess<br />

bedeutet das: Schlimmstenfalls kämpfen viele<br />

Finanziers um die aus ihrer Sicht beste<br />

Lösung. Schadensbegrenzung wäre dann nur<br />

eine Option, bei einigen Investoren dürfte die<br />

kurzfristige Cash-Maximierung im Vordergrund<br />

stehen. Folglich droht die Zerschlagung<br />

des Unternehmens. Besser für das Unternehmen<br />

wäre es, wenn sich wenige Geldgeber mit<br />

gleicher Interessenlage zusammentun. Hier<br />

gilt: Das Glück lässt sich zwingen, wenn das<br />

Unternehmen frühzeitig den verlässlichsten<br />

Partner anspricht und auf Kooperation setzt.<br />

AUS UNTERNEHMENSSICHT besteht Grund<br />

zu Optimismus. Die Banken haben unter den<br />

möglichen Exit-Szenarien eine klare Präferenz:<br />

Während 59 Prozent einen Weiterverkauf<br />

der Forderung für sehr geeignet halten,<br />

bevorzugen 77 Prozent die Restrukturierung<br />

und spätere Rückzahlung des Kredits.<br />

39


DOSSIER #04 Stakeholder<br />

stücken. Im Mai 2005 warf Seifert das Handtuch<br />

und kam damit der drohenden Entmachtung<br />

durch die Hauptversammlung zuvor.<br />

DOCH NICHT NUR BEI DEN Aktionären, also<br />

dem Eigenkapital, sondern auch in der Fremdfinanzierung<br />

haben sich die Spielregeln grundlegend<br />

geändert. Unternehmen auf Sanierungskurs<br />

stehen daher vor neuartigen Szenarien,<br />

haben es mit anderen Interessenlagen zu tun –<br />

und teilweise mit komplett neuen Playern: Seit<br />

Kredite handelbar sind, beschäftigen sich<br />

Hedge-Fonds nämlich ebenso mit dem Ankauf<br />

von Krediten wie Investment- und Geschäfts-<br />

40<br />

CARL ICAHN hat am Kapitalmarkt<br />

Milliarden verdient. Jetzt hat<br />

er in den Medienkonzern Time Warner<br />

investiert. Ein harter Brocken<br />

für das Management: Icahn fordert,<br />

das Unternehmen solle seine Kabelsparte<br />

abstoßen. Sein Drohpotenzial:<br />

Andernfalls werde er seine Anteile<br />

erhöhen.<br />

banken, Mezzanine-Geber oder Distressed-Debt-<br />

Spezialisten.<br />

ZUSAMMEN VERLEIHEN SIE DEM Kreditmarkt<br />

eine bislang beispiellose Dynamik: 2004 wechselten<br />

allein in Europa Konsortialkredite im Wert<br />

von geschätzten 42 Milliarden Euro den Besitzer.<br />

Die Selbstverständlichkeit, mit der einige Banken<br />

nach der Refinanzierung von KarstadtQuelle<br />

ihre Titel weiterreichten, wäre vor Jahren fast<br />

undenkbar gewesen. Und einige Aufkäufer von<br />

Krediten werden durch die kalte Küche zu Eignern,<br />

indem sie Forderungen per Debt to Equity<br />

Swap in Anteile umwandeln. Goldman Sachs hat<br />

das jüngst beim Folienhersteller Treofan praktiziert,<br />

die Deutsche Bank beim Filmproduzenten<br />

Senator Entertainment.<br />

AUCH SONST IST DER Kreditmarkt für Investoren<br />

wie Hedge-Fonds attraktiv. James Sprayregen,<br />

Partner bei der auf Restrukturierung spezialisierten<br />

Anwaltskanzlei Kirkland & Ellis LLP in<br />

Chicago: „Hedge-Fonds tun, was andere nicht<br />

tun wollen: Sie sind bereit, mehr Risiko für eine<br />

höhere Rendite einzugehen.“ Dabei sind sie<br />

gegenüber Hausbanken im Vorteil: Während<br />

diese unsichere Darlehen nach aufwendigen<br />

Prüfungsverfahren gemäß Basel II mit hohen<br />

Sicherheiten hinterlegen müssen, kennen<br />

Hedge-Fonds diese Einschränkungen nicht –<br />

derselbe Kredit ist für sie daher billiger.<br />

UNTERNEHMEN IN DER Restrukturierung<br />

eröffnen sich dadurch ganz neue Spielräume in<br />

der Fremdfinanzierung. Denn sie treffen auf<br />

wesentlich flexiblere und schnellere Partner als<br />

ihre Hausbank. Gerd Bieding, Geschäftsführer<br />

der Corporate-Finance-Beratung Close Brothers:<br />

„Wenn es darauf ankommt, erhalten wir für<br />

unsere Mandanten in Stundenfrist verbindliche<br />

Finanzierungszusagen.“ Klingt luxuriös, doch<br />

die neue Vielfalt bringt für Kreditnehmer auch<br />

Nachteile: Sie wissen nicht immer, wer den Kredit<br />

finanziert; Forderungsverkäufe sind schwer<br />

nachvollziehbar. Schon heute erwerben schwarze<br />

Schafe unter den Hedge-Fonds Kredite nur,<br />

um sich ihre Sperrminorität bei einer Restrukturierung<br />

abkaufen zu lassen. „Watch your creditors!“,<br />

raten deshalb Finanzierungsexperten.<br />

DOCH DERARTIGE NEGATIVEN Auswüchse<br />

sind bislang die Ausnahme. „Watch your creditors“<br />

ist deshalb auch nur die halbe Lehre. Entscheidender<br />

ist der Zusatz „and talk to them“. Die<br />

meisten Hedge-Fonds suchen von sich aus den<br />

Kontakt zum Unternehmen, das sie mitfinanzieren,<br />

beobachtet Robert Weidinger, Corporate-<br />

Finance-Berater für Mittelständler. „Aber manche<br />

Manager haben Berührungsängste und konzentrieren<br />

sich ganz auf den Kontakt zur Hausbank,<br />

die den ursprünglichen Kredit gegeben<br />

hat.“ Anderen Geldgebern gegenüber herrscht<br />

das <strong>groß</strong>e Schweigen. Ein fataler Fehler, gerade<br />

wenn die so genannten Distressed Debts ins<br />

Spiel kommen. „In oder vor Krisensituationen<br />

muss das Unternehmen seine Restrukturierung<br />

gerade den Gläubigern nachvollziehbar machen“,<br />

betont Joachim Koolmann, der bei der Deutschen<br />

Bank das Distressed-Debt-Geschäft für<br />

Deutschland leitet. Bei der Beteiligungsgesellschaft<br />

Augusta, einem der verglühten Stars des<br />

Neuen Marktes, hat sein Haus zusammen mit<br />

anderen Investoren Kredite gepoolt und eine<br />

grundlegende Restrukturierung umgesetzt.


Die typische Eskalation einer unternehmerischen<br />

Schieflage beginnt mit der strategischen<br />

Krise: Die Wettbewerbsposition verschlechtert<br />

sich, ohne dass gleich das Ergebnis einbricht.<br />

Weil kein akuter Handlungsdruck besteht, wird<br />

die Krise oft verdrängt. Daher ist das Abdriften<br />

in die Ergebniskrise oft nur eine Frage der Zeit:<br />

Das Unternehmen verfehlt Rentabilitätsziele,<br />

am Ende steht ein negatives Ergebnis. Die<br />

Stakeholder verlieren das Vertrauen in Unternehmen<br />

und Management. Spätestens jetzt<br />

besteht Restrukturierungsbedarf. Dabei kommt<br />

es darauf an, systematisch vorzugehen. <strong>Roland</strong><br />

<strong>Berger</strong> Strategy Consultants hat dafür das<br />

Restrukturierungsdreieck entwickelt:<br />

1 STRATEGISCHE RESTRUKTURIERUNG<br />

Ziel des strategischen Konzepts ist die exakte<br />

Positionierung des Unternehmens im Wettbewerb.<br />

Dabei stehen auf dem Prüfstand: das<br />

Businessmodell an sich, die strategische Ausrichtung<br />

(Kostenführerschaft vs. Diversifikation),<br />

Produkte und Märkte sowie die Ressourcen.<br />

Gemäß der Maxime „structure follows<br />

3<br />

Finanzielle<br />

Restrukturierung<br />

1<br />

Strategische<br />

Restrukturierung<br />

1 + 2 + 3 =<br />

4<br />

integrierte<br />

Businessplanung<br />

<strong>Der</strong> Weg zum Turnaround<br />

strategy“ müssen danach die Strukturen<br />

(Funktionen, Organisation, Wertschöpfungstiefe)<br />

auf die Zielvorgaben ausgerichtet werden.<br />

Schließlich folgt die Prozessoptimierung.<br />

2 OPERATIVE RESTRUKTURIERUNG<br />

Bei der operativen Restrukturierung genügt es<br />

nicht, die Kosten für Material, Personal und<br />

betrieblichen Aufwand zu senken. Erfolg hat,<br />

wer parallel einen kurzfristig steigenden<br />

Umsatz anstrebt („sales up!“). Diese ergebniswirksamen<br />

Maßnahmen können die Überschuldung<br />

abwenden.<br />

3 FINANZIELLE RESTRUKTURIERUNG<br />

Am Anfang steht, wie bei den anderen Elementen<br />

im Dreieck, die Bestandsaufnahme: Liegt<br />

eine Überschuldung vor, ist ein Insolvenzantrag<br />

nötig, wie hoch ist das Eigenkapital?<br />

Erstes Kernziel ist es nun häufig, die drohende<br />

Illiquidität zu vermeiden. Dazu ist der Bestand<br />

an liquiden Mitteln zu verbessern, müssen<br />

Forderungen abgebaut und Zahlungsziele optimiert<br />

werden. Je nach Lage sind auch die In-<br />

Restrukturierung als ganzheitlicher Prozess DOSSIER #04<br />

2<br />

Operative<br />

Restrukturierung<br />

IM AKUTEN KRISENFALL ZÄHLEN SCHNELLIGKEIT, ÜBERSICHT UND DIE ERKENNTNIS, DASS DIE REINE KOSTENSENKUNG NICHT ZUM ZIEL<br />

FÜHRT. AUCH WENN ES BRENNT, MÜSSEN UNTERNEHMEN JEDOCH SYSTEMATISCH VORGEHEN, ANSTATT IN PLANLOSEN AKTIVISMUS ZU<br />

VERFALLEN. GANZHEITLICHE RESTRUKTURIERUNG KULMINIERT DAHER IN EINER INTEGRIERTEN BUSINESSPLANUNG.<br />

vestitionen zu reduzieren. Um die Bilanzstruktur<br />

zu bereinigen, sind Stundungen, Umschuldungen<br />

oder ein Forderungsverzicht denkbar.<br />

Parallel greifen im Idealfall liquiditätswirksame<br />

Maßnahmen: Das Eigenkapital wird erhöht.<br />

Bankkredite, Gesellschafterdarlehen oder die<br />

Finanzierung etwa am Distressed-Debt-Markt<br />

verbessern die Fremdkapitalzufuhr. Auch Desinvestments<br />

sind nicht ausgeschlossen.<br />

4 INTEGRIERTE BUSINESSPLANUNG<br />

Alle drei Ebenen laufen in einer integrierten Businessplanung<br />

zusammen. Dazu gehört, eine klare<br />

Planungssystematik festzulegen (Zeitraum, Planungseinheiten,<br />

Konsolidierung, Rechnungslegung)<br />

und Prioritäten zu setzen. Unerlässlich ist<br />

eine detaillierte Planung für GuV, Bilanz, Liquidität<br />

und Cashflow; alle Kennzahlen müssen auf<br />

dem Tisch liegen. Auf diese Planung ist ein Controllingsystem<br />

aufzusetzen, das striktes Maßnahmenmanagement<br />

sowie laufendes Monitoring<br />

und Reporting umfasst. Über alldem steht die<br />

offene Kommunikation mit allen Beteiligten nach<br />

der Devise „Motivation statt Frustration“.<br />

41


p industry-report china betreibt stahlharte wirtschaftspolitik<br />

Mit stählernem Willen<br />

China wächst und baut. Zentraler Rohstofflieferant ist die Stahlbranche. Jetzt übernimmt die<br />

Regierung die Kontrolle über die zersplitterte Industrie. Das Ziel: einheimische Stahlkonzerne,<br />

die im Konzert der ganz Großen mitspielen.<br />

:<br />

Ein neuer Riese betritt die Bühne. Mitte<br />

August verkündeten die chinesischen<br />

Stahlfirmen Anshan Iron and Steel Group<br />

und Benxi Steel ihre Fusion. <strong>Der</strong> neue Koloss,<br />

die Anben Iron and Steel Group, vereint<br />

den zweit- und den zwölftgrößten nationalen<br />

Hersteller. Mit einer Produktionsmenge<br />

von 20 Millionen Tonnen bildet Anben<br />

einen Gegenpart zum bisher unangefochtenen<br />

Marktführer Baosteel. <strong>Der</strong> neue Zweikampf<br />

– auch das Rennen zweier ehrgeiziger<br />

Industriemanager: Liu Jie, der neue Vorsitzende<br />

von Anben, konkurriert künftig auf<br />

Augenhöhe mit der mächtigsten Frau in Chinas<br />

Industrie, Baosteel-Chefin Xie Qihua.<br />

Die Fusion könnte der Auftakt einer breiten<br />

Konsolidierungswelle gewesen sein. Die<br />

XIE QIHUA ist die Stahlbaronin<br />

Chinas. Ihr Unternehmen<br />

Baosteel produziert<br />

21 Millionen Tonnen Stahl pro<br />

Jahr, Tendenz steigend. Im<br />

Forbes-Ranking der mächtigsten<br />

Frauen der Welt belegte<br />

die 62-Jährige Rang 14.<br />

Regierung fordert und fördert weitere<br />

Zusammenschlüsse. Das ehrgeizige Ziel:<br />

China will bis 2010 drei Stahlunternehmen<br />

in den globalen Top Ten etabliert haben.<br />

Das Drängen auf Größe ist nicht zuletzt aus<br />

Profitabilitätsgründen sinnvoll, erklärt Frank<br />

Giarratani, Direktor des Center for Industry<br />

Studies an der Universität Pittsburgh: „Überkapazitäten<br />

sind das Haupthindernis auf<br />

dem Weg zu mehr Profitabilität.“ Größeren<br />

Firmen winken Rationalisierungserfolge.<br />

Außerdem „können sie flexibler auf Nachfrageschwankungen<br />

reagieren“.<br />

Das gilt nicht nur für Anben. Experten erwarten<br />

daher weitere Zusammenschlüsse.<br />

Die neuen, konsolidierten Stahlriesen dürften<br />

dabei effizienter sein als die bisherige<br />

Vielzahl kleiner Anbieter. China könnte damit<br />

einer Vision näher kommen, die schon<br />

vor einem Jahr erstmals die Branche elektrisierte:<br />

einer Dominanz auf den globalen<br />

Stahlmärkten. Als Chinas Stahlausfuhren im<br />

Dezember 2004 erstmals die Importe übertrafen,<br />

sahen Beobachter bereits einen<br />

neuen Exportweltmeister entstehen. Die<br />

Kapazitäten schienen unbegrenzt, vorangetrieben<br />

von mehr als 800 Herstellern. Weil<br />

die inländischen Stahlpreise niedriger<br />

waren als im Ausland, stiegen die Exporte<br />

innerhalb eines Jahres um mehr als 300 Prozent.<br />

Doch auch die Rohstoffpreise im<br />

Inland verdoppelten sich fast; der chinesische<br />

Verbraucher konnte sich langlebige<br />

Güter kaum noch leisten.<br />

Daher gibt der Staat nun vorerst die Losung<br />

aus: Das Inland kommt zuerst. Die Nachfrage<br />

dort ist riesig. Ein Wirtschaftswachstum<br />

von über neun Prozent hat Appetit auf Bau-,<br />

Produktions- und Infrastrukturprojekte geweckt.<br />

Die meisten brauchen Stahl. 320 Millionen<br />

Tonnen Flachstahl verbaut China pro<br />

Jahr – mehr als jedes andere Land. Und die<br />

Nachfrage dürfte weiter steigen. Das Brüsseler<br />

International Iron and Steel Institute<br />

(IISI) schätzt, Chinas Hunger auf Walzstahl<br />

werde bis Ende dieses Jahrzehnts auf 360<br />

bis 400 Millionen Tonnen steigen.<br />

Als Land ist China schon seit 1996 größter<br />

Stahlproduzent. Damals erreichte die Gesamtproduktion<br />

zum ersten Mal 100 Millionen<br />

Tonnen. Die Branche im Land veränderte<br />

sich, aus <strong>groß</strong>en Staatswerken wurden<br />

kleine Einheiten. Fast 900 Hersteller produzieren<br />

heute Stahl. Allerdings ist deren Effizienz<br />

gering und die Umweltbelastung hoch.


LIU JIE ist der Angreifer.<br />

Als Chef des neuen<br />

Stahlriesen Anben schließt<br />

er zu Baosteel auf. Angeblich<br />

will er sogar die acht<br />

größten Stahlproduzenten<br />

in Chinas Nordosten mergen.<br />

Den globalen Wettbewerbern<br />

dürften solche<br />

Pläne Respekt einflößen.<br />

Außerdem fiel der Stahlpreis auf Grund globaler<br />

Überkapazitäten in den vergangenen<br />

Monaten. Nicht zuletzt daher setzt die Regierung<br />

nun auf Zentralisierung. Und auf<br />

die Kraft einer zielgerichteten Währungspolitik.<br />

Den explodierenden Preisen für Eisenerz<br />

und Stahlfertigprodukte begegnete Peking<br />

mit einer zweiprozentigen Aufwertung.<br />

Im Inneren unterstützt die Regierung die<br />

Konsolidierung mit Staatsgeldern. Die oft<br />

veralteten Produktionsanlagen werden ersetzt,<br />

was auch hilft, die katastrophalen<br />

Umweltschäden einzudämmen. Außerdem<br />

arbeiten die Wirtschaftspolitiker mit Macht<br />

daran, die Produktion in den Küstenregionen<br />

des Nordostens zu konzentrieren.<br />

Aus offiziellen Statements zum jüngsten<br />

Zusammenschluss unter Chinas Stahlproduzenten<br />

spricht Selbstbewusstsein und der<br />

Hintergedanke, die eigenen Firmen für den<br />

Weltmarkt fit zu machen. „Die Fusion wird<br />

ihre Wettbewerbsfähigkeit und ihre Position<br />

auf dem internationalen Markt erheblich<br />

verbessern“, sagt Zhang Guobao, stellvertretender<br />

Minister in der National Development<br />

and Reform Commission (NDRC). Einen<br />

„besseren internationalen Stand“ verspricht<br />

sich auch Leo Bingsheng, stellvertretender<br />

Vorsitzender des chinesischen Eisen- und<br />

Stahlverbandes (CISA).<br />

Verlierer der neuen Stahlpolitik Pekings<br />

sind internationale Unternehmen mit<br />

Investmentblick nach China. Nur noch die<br />

ganz Großen dürfen – nach der neuen Richtlinie<br />

müssen Investoren mindestens zehn<br />

Millionen Tonnen pro Jahr produzieren.<br />

Erlaubt sind offiziell nur noch Minderheitsbeteiligungen.<br />

„Uns fehlt es weder an Marktpotenzial<br />

noch an Kapital oder Fachleuten“,<br />

sagt Liu Tienan, Direktor der Industrieabteilung<br />

der NDRC. „Wir sollten ausländische<br />

Investitionen also nicht blindlings aufsaugen.“<br />

Die weltgrößten Stahlfirmen rütteln<br />

aber weiter an den Toren chinesischer<br />

Unternehmen. Die indische Mittal Steel<br />

erhielt vor kurzem die Genehmigung, einen<br />

Anteil von 36,67 Prozent an der Hunan Valin<br />

Iron & Steel Group zu erwerben – kaum<br />

weniger als ursprünglich gewünscht.<br />

Gespräche mit der südchinesischen Kunming<br />

Steel laufen. Die globale Nummer<br />

zwei, Arcelor, verhandelt über den Kauf<br />

eines Anteils an der Laiwu Iron & Steel Co.<br />

Am liebsten hätte Arcelor-Chef Guy Dollé<br />

die Mehrheit. Eine Einigung erwartet er bis<br />

Jahresende. „Trotz der neuen Politik, Ausländern<br />

nur Minderheitsbeteiligungen<br />

zuzugestehen, denken wir, dass die Regierung<br />

im Fall von Arcelor eine Ausnahme<br />

machen könnte.“ Seine Hoffnung könnte<br />

„Die Fusionswelle verschafft<br />

Chinas Stahlbranche einen besseren<br />

internationalen Stand.“<br />

Leo Bingsheng, chinesischer Stahlverband<br />

begründet sein. Denn China will an das führende<br />

technologische Wissen heran, das der<br />

luxemburgische Stahlriese auf den Verhandlungstisch<br />

gelegt hat.<br />

Ein Spaziergang wird der Gang nach China<br />

für die westlichen Stahlkolosse aber nicht.<br />

Manager wie Xie Qihua sehen in ausländischen<br />

Investitionen primär eine Stärkung<br />

ihrer Unternehmen selbst. „Wir sind darauf<br />

vorbereitet“, sagt sie. Und von dem gerade<br />

„Wir sollten ausländische Investitionen<br />

nicht blindlings aufsaugen.“<br />

Liu Tienan, National Development and Reform<br />

Commission<br />

aufgestiegenen Liu Jie munkelt man, er<br />

habe den Plan, alle acht <strong>groß</strong>en Stahlwerke<br />

in Nordostchina zu vereinen.<br />

Gerade diese regionale Ballung könnte auch<br />

den Weg chinesischer Firmen auf die Weltmärkte<br />

beschleunigen. Denn ein solcher<br />

Cluster stärkt die nationale Branche – auch<br />

jenseits der höheren inneren Effizienz der<br />

Unternehmen. Frank Giarratani: „<strong>Der</strong> größte<br />

Vorteil liegt in der Nähe zu den Ausrüstungszulieferern.“<br />

Die Stahlproduzenten<br />

kommen so schneller und unkomplizierter<br />

an Ersatzteile und Maschinen. Dies gilt<br />

umso eher, je wettbewerbsfähiger die Zulieferindustrie<br />

wird. Giarratani sieht für sie das<br />

Potenzial, „zu einem eigenen exportorientierten<br />

Wirtschaftszweig anzuwachsen“.<br />

Noch ist die Entstehung eines Stahl-Clusters<br />

im Nordosten Zukunftsmusik. Klar ist<br />

jedoch: Wenn Liu Jie die Vision eines vereinten<br />

Großkonzerns hat, wird er alles<br />

daran setzen, sie auch umzusetzen. <strong>Der</strong><br />

stahlharte Wille jedenfalls ist da.<br />

43


pindustry-report healthcare<br />

44<br />

Von Singapur lernen<br />

Die Zukunft der Gesundheitsversorgung beschäftigt Politiker und Healthcare-Experten weltweit.<br />

Gefragt sind innovative Ansätze und Modelle mit Vorbildfunktion, wie der US-Experte<br />

Professor Thomas Aretz von Harvard Medical International im Gespräch mit think:act erläutert.<br />

THINK: ACT Professor Aretz, wenn man die<br />

Gesundheitssysteme weltweit vergleicht:<br />

Welches schneidet in puncto Qualität und<br />

Effizienz am besten ab?<br />

THOMAS ARETZ Die meisten Gesundheitssysteme<br />

bestehen aus einem Public-Private-Mix, einer<br />

Mischung aus „öffentlich“ und „privat“, „obligatorisch“<br />

und „freiwillig“. In den europäischen<br />

Staaten dominiert das Sozialversicherungsmodell,<br />

bei dem die Gesundheitsleistungen weit<br />

gehend durch einkommensabhängige Pflichtbeiträge<br />

von Arbeitnehmern und/oder Arbeitgebern<br />

finanziert werden. In den USA dagegen<br />

basiert das Healthcare-System in erster Linie<br />

auf Freiwilligkeit. Asien wiederum hat eine<br />

<strong>groß</strong>e Bandbreite von Modellen, die sich zum<br />

Teil sehr stark unterscheiden. Will man die<br />

Qualität der verschiedenen Healthcare-Systeme<br />

bewerten, muss man die unterschiedlichen<br />

Ebenen der Gesundheitsversorgung auseinander<br />

halten. Da gibt es die Qualität der öffentlichen<br />

Gesundheitsvorsorge, bei der das europäische<br />

und einige asiatische Systeme den<br />

USA überlegen sind. Wenn es jedoch um die<br />

individuelle Behandlung im Krankheitsfall<br />

geht, entscheidet die Qualität der einzelnen<br />

HARVARD MEDICAL International ist<br />

ein Ableger der Harvard Medical School mit<br />

Sitz in Boston, Massachusetts. Die 1994<br />

gegründete Organisation betreibt Ausbildungs-,<br />

Beratungs- und Forschungsprogramme<br />

in mehr als 30 Ländern. Zu den<br />

weltweiten Partnern im Healthcare-Bereich<br />

gehört auch die LMU Munich Medical International<br />

GmbH, eine Tochter der Ludwig-<br />

Maximilians-Universität München (LMU).<br />

Institutionen und Klinikbetreiber. Zieht<br />

man die Überlebensraten nach einer gestellten<br />

Diagnose heran, so dürfte hier das US-System<br />

überlegen sein. Außerdem muss man<br />

sehen, dass die Wirtschaftlichkeit oder Effektivität<br />

der Gesundheitssysteme sehr stark<br />

von den jeweiligen Erwartungen der Verbraucher<br />

abhängt. Blickt man allein auf<br />

die Ausgaben pro Kopf, zieht man leicht falsche<br />

Schlüsse.<br />

Es stimmt also nicht: Je höher die Ausgaben,<br />

desto gesünder die Bevölkerung?<br />

Man muss wissen, dass Gesundheitssysteme<br />

nur mit einem Anteil von zehn bis 15 Prozent<br />

zur Gesundheit einer Bevölkerung beitragen.<br />

Die wirtschaftliche Situation, das Niveau der<br />

Ausbildung, genetische Faktoren und die<br />

Umwelt sind oft viel wichtiger. Viele Studien<br />

haben gezeigt, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse<br />

und das Ausbildungsniveau schon<br />

für sich genommen Überleben und Gesundheit<br />

stark beeinflussen.<br />

Obwohl das amerikanische System die<br />

stärksten marktwirtschaftlichen Elemente<br />

hat, ist es keineswegs preiswerter: Bei den<br />

Gesundheitsausgaben liegen die USA eindeutig<br />

vorn.<br />

Das stimmt. <strong>Der</strong> letzten OECD-Statistik<br />

zufolge wurden in den USA im Jahr 2002 rund<br />

5300 US-Dollar pro Kopf für die Gesundheit<br />

aufgewendet, das sind fast 140 Prozent mehr<br />

als der OECD-Durchschnitt. Die Gesundheitsausgaben<br />

machen heute über 14 Prozent des<br />

amerikanischen Bruttoinlandsprodukts aus. In<br />

der Rangliste folgen die Schweiz und Deutschland<br />

mit jeweils rund elf Prozent. Nicht nur sie,<br />

sondern fast alle Industriestaaten stehen heute<br />

unter einem enormen Kostendruck. Das Problem:<br />

In den meisten Ländern steigen die Ausgaben<br />

für die Gesundheitsversorgung schneller<br />

als die Wirtschaftsleistung.<br />

Was sind die wichtigsten Gründe für die<br />

Kostenexplosion?<br />

Hauptverantwortlich ist der rasche Fortschritt<br />

der Medizin und der medizinischen Technik,<br />

verbunden mit stark gestiegenen Erwartungen<br />

der Öffentlichkeit an das Gesundheitssystem.<br />

Die Verbraucher stellen höhere Ansprüche an<br />

die Qualität der Versorgung und die medizinischen<br />

Standards. So gibt es seit einigen Jahren<br />

einen deutlichen Schub zur breiteren Verfügbarkeit<br />

aufwendiger diagnostischer Technologien<br />

wie der Computertomografie. Weitere<br />

Faktoren sind die immer älter werdende Bevölkerung<br />

und die wachsende Zahl chronisch<br />

Kranker. Alles das erhöht den Druck auf die<br />

Gesundheitsversorger. Angesichts solcher<br />

Herausforderungen und Probleme sind innovative<br />

Ansätze gefragter denn je.<br />

Welches Land könnte eine Vorbildfunktion<br />

haben?<br />

Eines der besten Systeme hat sicher Singapur.<br />

Auf der Suche nach dem optimalen Gesundheitssystem<br />

hat man dort zunächst alle bestehenden<br />

Modelle analysiert. Herausgekommen<br />

ist etwas ganz Neues: ein medizinisches Sparkonto<br />

für jeden Bürger. Dieses System, das derzeit<br />

auch in den USA und anderen Ländern<br />

ausprobiert wird, bietet den <strong>groß</strong>en Vorteil,<br />

dass es sehr transparent und für jeden leicht<br />

verständlich ist. Es beruht darauf, dass die<br />

Bürger sechs bis acht Prozent ihres Einkom-


mens auf ein Individualkonto des so genannten<br />

„Medi-Save“-Programms einzahlen. Von diesem<br />

Konto aus werden die anfallenden Arzt- und<br />

Krankenhauskosten beglichen. Darüber hinaus<br />

besteht die Möglichkeit, dieses Konto zu vererben<br />

und ab einer bestimmten Summe und<br />

einem gewissen Alter auch Auszahlungen zu<br />

tätigen, was nachweislich einen starken Anreiz<br />

zum verantwortlichen Umgang mit der Ressource<br />

Gesundheit darstellt. Bei Chronikern<br />

und Langzeitkranken sorgt der Staat für die<br />

Mindestdeckung des Gesundheitskontos.<br />

Gibt es ähnlich innovative Modelle auch<br />

in Europa?<br />

Sehr interessant ist das Reformmodell der<br />

Schweiz. Es wurde bereits in den neunziger<br />

Jahren entwickelt. In der Schweiz stehen heute<br />

mehr als 100 private, unabhängige Versicherungsunternehmen<br />

in regulierter Konkurrenz.<br />

Die Bürger haben freie Auswahl. Ein Solidarsystem<br />

sorgt dafür, dass es für alle Schweizer<br />

eine geregelte Basisversorgung gibt. Wer darüber<br />

hinaus Leistungen in Anspruch nehmen<br />

will, kann sich zusätzlich versichern. <strong>Der</strong> Staat<br />

beaufsichtigt nur noch, ob die Wettbewerber<br />

auf dem Gesundheitsmarkt die Qualität erbringen,<br />

um die gewünschten und notwendigen<br />

Leistungen auch zu erreichen.<br />

Am US-Modell wird kritisiert, es sei nicht<br />

besonders effizient und benachteilige die<br />

ärmeren Schichten ...<br />

Die USA besitzen mit Medicare das größte<br />

öffentliche Gesundheitssystem in der entwickelten<br />

Welt; es ist öffentlich, aber die Leistungen<br />

erfolgen privat, da es in den Staaten nur sehr<br />

wenige öffentliche Krankenhäuser gibt. Ent-<br />

vieles läuft falsch, in anderen bereichen ist das us-system unübertroffen industry-report f<br />

scheidend ist, dass sich das amerikanische System<br />

aus vielen, sehr unterschiedlichen Modellen<br />

zusammensetzt. Das macht die Sache so<br />

interessant für Studien. Neben den öffentlichen<br />

Systemen wie Medicare und Medicaid<br />

gibt es eine Vielzahl privater Versicherungen,<br />

außerdem <strong>groß</strong>e Gesundheitsorganisationen<br />

wie Kaiser Permanente oder Harvard Pilgrim<br />

Health mit mehreren Millionen Mitgliedern.<br />

Einige dieser Systeme funktionieren sehr gut.<br />

Natürlich ist nicht zu übersehen, dass es eine<br />

<strong>groß</strong>e Diskrepanz zwischen der Gesundheits-<br />

„In vielerlei Hinsicht kann man aus dem amerikanischen Healthcare-System<br />

gute und schlechte Lehren ziehen, man darf es nur<br />

nicht als ein in sich kohärentes System verstehen.“<br />

versorgung für Arme und Reiche, für Gebildete<br />

und Ungebildete gibt. In vielerlei Hinsicht<br />

kann man daher aus dem amerikanischen<br />

Healthcare-System gute und schlechte Lehren<br />

ziehen, man darf es nur nicht als ein in sich<br />

kohärentes System verstehen.<br />

Ist das amerikanische Modell effizienter als<br />

manches europäische System?<br />

Interessant ist hier eine Studie, die den National<br />

Health Service in Großbritannien mit dem kalifornischen<br />

„Kaiser Permanente“ verglichen hat.<br />

Heraus kam, dass die Gesundheitskosten pro<br />

Kopf und Jahr bei beiden Systemen in etwa dieselben<br />

waren, wobei die kalifornischen Patienten<br />

wesentlich kürzer im Krankenhaus blieben<br />

und schneller wieder ihre Arbeit aufnehmen<br />

konnten. Dies ist ein Beispiel für ein sehr gut<br />

funktionierendes System in den USA. Niemand<br />

würde verlangen, das amerikanische Modell in<br />

anderen Ländern einzuführen, aber einzelne<br />

Teile funktionieren sehr gut. Andere dagegen<br />

nicht. Es ist wie mit dem amerikanischen Bildungswesen:<br />

Vieles ist zwar falsch, aber gleichzeitig<br />

ist es in manchen Aspekten unübertroffen.<br />

H. THOMAS ARETZ, MD, ist Vice President<br />

for Education bei Harvard Medical International<br />

(HMI) und Associate Professor of Pathology an der<br />

Harvard Medical School. <strong>Der</strong> 58-jährige Mediziner<br />

verantwortet die internationalen Weiterbildungsprogramme<br />

von HMI und leitet zahlreiche Projekte<br />

vor allem in Asien und dem Mittleren Osten. Als<br />

Mitbegründer von drei Medizintechnikfirmen in<br />

den USA ist Aretz auch unternehmerisch aktiv.<br />

45


p industry-report trends und branchen<br />

46<br />

Zukunftsmärkte im Check<br />

Die Chemieindustrie setzt auf Biotechnologie, Brennstoffzellen versprechen mobiles Telefonieren<br />

ohne Ende, Spione haben bald schlechte Karten, und Drucker produzieren künftig reale Produkte.<br />

WEISSE BIOTECHNOLOGIE<br />

Erdöl ist ein wichtiger Rohstoff für die chemische<br />

Industrie. Da dessen Preise aber steigen, sind Alternativen<br />

gefragt. Größter Hoffnungsträger: die Biotechnologie. In den<br />

USA etwa will die chemische Industrie bis 2030 ein Viertel<br />

der organischen Grundstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen<br />

erzeugen.<br />

Um Lösungsmittel, Lacke, Kleber und Kunststoffe erdölfrei<br />

herzustellen, muss die Industrie neue Prozesse entwickeln.<br />

Wichtig dabei: Enzyme, die mit Pilzen, Hefen oder<br />

Bakterien erzeugt werden. Schon heute machen die Bio-<br />

katalysatoren etwa Waschmittel leistungsfähiger. <strong>Der</strong> industrielle<br />

Einsatz von Enzymen firmiert daher auch unter<br />

„Weißer Biotechnologie“.<br />

Von deren Erfolg sind Experten überzeugt. So glaubt<br />

Steen Riisgaard, Vorsitzender des EuropaBio’s Industrial<br />

Biotechnology Council, die Weiße Biotechnologie werde für<br />

die Chemieindustrie zu einem wichtigen Rohstofflieferanten<br />

werden. Insgesamt, so schätzen Experten, dürften mit biotechnologisch<br />

erzeugten industriellen Produkten bis 2010<br />

jährlich 310 Milliarden Dollar Umsatz erzielt werden.<br />

umsätze der weltweiten chemieindustrie und anteil biotechnologischer verfahren (in mrd. euro)<br />

Segment Umsatz 2004 1) Umsatz 2015 1)<br />

Chemieprod. Biotechnolog. Anteil (%) Chemieprod. Biotechnolog. Anteil (%)<br />

insgesamt Verfahren insgesamt Verfahren<br />

Feinchemie 55 11 20 100 50 50<br />

Polymere 275 4 2 400 40 10<br />

Spezialitätenchemie 440 10 2 630 95 15<br />

Basischemie/Zwischenprod. 550 15 3 800 120 15<br />

Gesamt 1320 40 3 1930 2) 305 15<br />

QUANTENKRYPTOGRAFIE<br />

Die Quantenkryptografie verspricht eine absolut sichere<br />

Datenübertragung. Anders als klassische Verschlüsselungsverfahren<br />

beruht sie auf der Quantenphysik: Zur Vereinbarung<br />

eines Datenschlüssels dienen Lichtteilchen, so genannte<br />

Photonen. <strong>Der</strong> Sender versetzt mehrere Photonen<br />

nach dem Zufallsprinzip in die Zustände „0“ oder „1“ und<br />

schickt sie zum Empfänger, der den Zustand der Photonen<br />

misst. Anschließend vergleichen beide ihre Bitfolgen.<br />

Hacker oder Spione müssen zwangsläufig scheitern: Durch<br />

den Versuch des Abhören wird gemäß den Gesetzen der<br />

Quantenphysik die quantenmechanische Kopplung der Photonen<br />

zerstört. Erste Firmen vertreiben bereits kommerzielle<br />

Systeme auf dieser Basis. Die Grenze solcher glasfaserbasierten<br />

Konzepte liegt derzeit bei 150 Kilometern. Ein glo-<br />

1) Welt-Chemieumsatz<br />

ohne Pharmaumsatz,<br />

aber inklusive<br />

Vorprodukte, die bei<br />

Chemieunternehmen<br />

hergestellt werden<br />

2) Hochrechnung bei<br />

einem durchschnittlichen<br />

Wachstum von<br />

3,5 % p.a.<br />

Quelle: Festel Capital,<br />

April 2005<br />

bales System ist daher auf drahtlose Übertragung angewiesen.<br />

Die Forscher Christian Kurtsiefer und Harald Weinfurter<br />

tauschten schon 2002 einen Schlüssel per Satellit über<br />

23 Kilometer zwischen zwei Alpengipfeln aus. <strong>Der</strong>zeit leiden<br />

Satellitensysteme aber noch unter hohen Fehlerraten.<br />

Verschlüsselungsforschung in den Alpen: Mit dieser<br />

Versuchsanordnung erzielten Wissenschaftler einen<br />

Durchbruch in der Quantenkryptografie.<br />

ALICE<br />

Zugspitze (2950 m)<br />

BOB<br />

Westliche Karwendelspitze<br />

(2244 m)


3-D-DRUCK<br />

Ein per 3-D-Druck hergestellter<br />

Musterbau<br />

Drucken im 3-D-Format: Eine neue Technologie erlaubt es, in<br />

kurzer Zeit reale dreidimensionale Objekte zu erstellen („fabbing“,<br />

als Kurzform von „fabricating“). Die entsprechenden Drucker werden<br />

immer kostengünstiger und dürften bald das normale Büro<br />

erreichen. Die Technologie könnte die Welt des Designs und des<br />

Modellbaus revolutionieren: Designer und Architekten können in<br />

sehr kurzer Zeit eigene Modelle bauen („rapid prototyping“). Noch<br />

besser: Künftig werden nicht mehr nur Modelle gedruckt werden<br />

können, sondern sogar reale Produkte.<br />

Das Verfahren des dreidimensionalen Druckens ist einfach:<br />

Eine Walze rollt eine Schicht Pulver zehntelmillimeterdick über<br />

den Maschinentisch aus. Dann beginnt der Tintenstrahlkopf seine<br />

Fahrt, um flüssigen Binder zielgenau auf die angestaubte Oberfläche<br />

zu tropfen. Wo der Binder landet, verklebt er die mehlige<br />

Masse und zeichnet so eine gehärtete, zweidimensionale Kontur.<br />

Danach senkt sich der Maschinentisch um exakt eine Schichtdicke –<br />

der Vorgang beginnt von vorn. Schicht für Schicht gewinnt die<br />

Kontur an Höhe. Mit jedem Umlauf verfolgt der Druckkopf eine<br />

leicht abweichende Bahn, um die Schichten zu einem dreidimensionalen<br />

Gebilde zu stapeln. Löcher oder Hohlräume bleiben dort,<br />

wo er keinen Binder verteilt. Das dort unverklebte Pulver wird<br />

später mit Pressluft weggeblasen. Übrig bleibt das fertige Modell.<br />

<strong>Der</strong> Markt für 3-D-Drucker nimmt bereits langsam Fahrt auf.<br />

„Im Jahr 2004 wurden schätzungsweise 1970 3-D-Printer weltweit<br />

verkauft“, sagt Branchenexperte Terry Wohlers. „Die Umsätze<br />

verdoppelten sich jährlich, ebenso wie die Stückzahlen.“ Verändern<br />

dürfte die Technologie aber nicht nur den Druckermarkt,<br />

sondern die Welt der Produktion insgesamt. Die Einspareffekte<br />

der Technologie sind <strong>groß</strong>: Motorola etwa konnte die Entwicklungszeit<br />

für sein Modell V70 um ein Drittel reduzieren. Und die<br />

Möglichkeiten der Herstellung realer Produkte sind bisher noch<br />

gar nicht voll absehbar. Quelle: WinterGreen Research<br />

trends und branchen industry-report f<br />

MIKRO- BRENNSTOFFZELLEN<br />

Notebooks, PDAs und Mobiltelefone bieten<br />

immer komplexere Funktionalitäten. Größere<br />

Displays und „always on“-Mobilfunkstandards<br />

wie UMTS werden zur Norm. Damit sinkt<br />

trotz zunehmender Energieeffizienz die Nutzungsdauer.<br />

Mikro-Brennstoffzellen können<br />

diese verlängern.<br />

Das Prinzip: Zwei Elektroden werden durch<br />

eine Membran getrennt. Am Minuspol wird<br />

Methanol in freie Wasserstoffionen und<br />

Elektronen gespalten. Die Ionen wandern durch<br />

die Membran zum Pluspol, die Elektronen nehmen<br />

den Weg über eine externe Leitung. Hier<br />

fließt Strom. Ist das Methanol verbraucht, kann<br />

der Tank ausgewechselt werden.<br />

Erste Prototypen können ein Notebook zehn<br />

Stunden lang mit Energie versorgen – sechs<br />

Stunden länger als handelsübliche Akkus.<br />

Künftige Produkte liefern genug Energie für<br />

mehrere Tage Nutzung und viele Wochen<br />

Standby-Betrieb. In rund zwei Jahren sollen die<br />

ersten Zellen marktfähig sein. Vor allem japanische<br />

Unternehmen wie Toshiba arbeiten mit<br />

Hochdruck an der Markteinführung.<br />

der weltmarkt für mikro-brennstoffzellen<br />

Zellen<br />

(in 1.000)<br />

Preis pro<br />

Stück (in $)<br />

Weltmarkt<br />

(in Mrd. $)<br />

Wachstum<br />

(in %)<br />

2005 2006 2007 2008 2009<br />

1 32 1003 22 432 71453<br />

400 250 74,8 22,4 17,9<br />

0,4 8,0 75,0 501,4 1276,0<br />

n.a. 2566,7 837,5 568,5 154,5<br />

47


zu schnelle personalwechsel schaden der stabilität – in unternehmen und auf yachten business-culture f<br />

: Segeln und Management pflegen eine<br />

enge Beziehung. Viele Unternehmer<br />

segeln selbst; der globale Segelsport ist ein<br />

handfestes Geschäft. Die wichtigste Verbindung<br />

jedoch: Das Führen und Lenken eines<br />

Bootes ist eine komplexe Managementaufgabe.<br />

Entscheider in Unternehmen können<br />

von erfolgreichen Skippern einiges lernen.<br />

LEADERSHIP MACHT DEN UNTERSCHIED.<br />

JEDES TEAM FUNKTIONIERT NUR MIT EINEM<br />

KAPITÄN, DER DIE FÄDEN IN DER HAND HÄLT.<br />

Die Erfolgsfaktoren des Mikrokosmos Boot:<br />

Führung, Strategie und die Arbeit im Team.<br />

Die zwölf Mannschaften beim bekanntesten<br />

Segelturnier der Welt, dem America’s Cup,<br />

starten unter nahezu identischen Voraussetzungen.<br />

Erfolg haben da nur Teams,<br />

deren Kapitäne alle Fäden fest in der Hand<br />

halten und so einen reibungslosen Ablauf<br />

garantieren.<br />

Die Kapitäne treffen auf See permanent Entscheidungen,<br />

die sich sofort und direkt auf<br />

den Kurs des Bootes und den Abstand zu<br />

den Wettbewerbern auswirken – eine<br />

besondere Verantwortung. Einer der weltweit<br />

renommiertesten Skipper ist Jesper<br />

Bank, Steuermann des United Internet Team<br />

„Wer sein Ziel ständig ändert, kann nicht mehr richtig führen.“<br />

Jesper Bank<br />

Gut ist, wenn der Skipper schweigt<br />

Das Umfeld ist rau, die Konkurrenz hart, Entscheidungen müssen binnen Sekunden fallen. Das<br />

kennen Sie. Die Rede ist hier jedoch nicht vom Management, sondern vom Segeln. Erfolgssegler<br />

wie Jesper Bank haben mit erfolgreichen Managern einiges gemein. Ein Lehrstück auf hoher See.<br />

Germany (UITG). Bank führt das jüngste<br />

Team im America’s Cup. Im Juli fuhr die<br />

Crew ihre erste Qualifikationsregatta. Komplett<br />

fertig gestellt ist das Boot erst im April<br />

2006. Die UITG-Crew ist eine Mischung<br />

erfahrener Segelprofis und Newcomer aus<br />

sechs Nationen. Banks Job: aus der heterogenen<br />

Crew schnell eine Einheit formen,<br />

die 2007 beim nächsten America’s Cup möglichst<br />

weit nach vorn segelt.<br />

Dafür braucht Bank ein hoch motiviertes<br />

Team. Wichtig sind dafür nicht zuletzt<br />

„klare Ziele“. Ohne Ziele schaffen es auch<br />

Weltklassesegler nicht, sich komplett auf die<br />

Aufgabe zu konzentrieren und die letzten<br />

Leistungsreserven abzurufen. Bank setzt<br />

diese Ziele. In <strong>groß</strong>en Unternehmen vermisst<br />

der Skipper ähnlich klare Vorgaben<br />

gelegentlich. Ein von der Geschäftsführung<br />

angestrebter Bilanzgewinn beispielsweise<br />

habe für die Arbeit des Mitarbeiters keine<br />

direkte Relevanz. Jedoch müssen Ziele konkret<br />

und für jeden verständlich sein, um zu<br />

Höchstleistungen anzustacheln.<br />

Außerdem, so Bank, funktionieren sie nur<br />

dann als Motivator, wenn sie nicht permanent<br />

geändert werden. „An einem Ziel muss<br />

man so lange festhalten, wie es überhaupt<br />

geht.“ Wenn sich die Voraussetzungen geändert<br />

haben, könne man bis zu einem gewissen<br />

Grad reagieren, sollte aber trotzdem das<br />

Ziel beibehalten. „Wer sein Ziel ständig<br />

ändert, kann nicht mehr richtig führen.<br />

Wenn sich externe oder interne Parameter<br />

anders darstellen, dann geht es darum, die<br />

neuen Voraussetzungen zu kommunizieren,<br />

aber auch klar zu sagen, dass sich die Ziele<br />

nicht geändert haben.“<br />

Die Bedeutung von Kontinuität rührt nicht<br />

zuletzt daher, dass erfolgreiche Crews von<br />

langfristigen Universalwerten geleitet werden.<br />

Die wichtigsten Werte für Bank: Loyalität<br />

und Vertrauen. Ein Skipper muss darauf<br />

bauen können, dass jeder im Team den anderen<br />

absolut vertraut und loyal ist – und aktiv<br />

darauf hinarbeiten. Dabei reiche es nicht, die<br />

Werte „einfach auf eine Tafel zu schreiben“.<br />

Sie müssen tief in jedem Einzelnen verankert<br />

werden. Das dauert. Ein einmal aufgebautes,<br />

von allen geteiltes Wertesystem aber stellt<br />

einen echten Wettbewerbsvorteil dar.<br />

Ein weiterer zentraler Faktor ist die Stabilität<br />

im Team. Bank hält nichts von schnellen<br />

Personalentscheidungen. „Wenn einer<br />

seine Leistung momentan nicht bringt, sollte<br />

man sehr genau abwägen, ob man ihn<br />

49


p business-culture in segelteams muss jeder multitaskingfähig sein<br />

50<br />

auswechselt oder ihm hilft, auf das geforderte<br />

Niveau zu kommen oder sich besser<br />

zu integrieren.“ Im Unternehmen würden<br />

Mitarbeiter, die ihre Leistung nicht bringen<br />

oder nicht ins Team passen, oft zu schnell<br />

hinausgeworfen. „Dadurch verliert man das<br />

Vertrauen im Team und zerstört das notwendige<br />

Zugehörigkeitsgefühl.“<br />

Stabilität erfordert auch eine reibungslose<br />

Arbeitsteilung. Doch trotz Spezialisierung<br />

müssen die Crewmitglieder auch Eigenschaften<br />

mitbringen, die sie unabhängig von<br />

ihrer Profession einsetzen können. Natürlich<br />

muss jeder an Bord ein herausragender<br />

Segler sein. Zusätzlich aber müssen Experten<br />

wie Hydrauliktechniker oder Designer<br />

auch an Land handwerkliche Tätigkeiten<br />

leisten. „Bei uns hat man immer zwei Jobs.“<br />

VERBALER AUSTAUSCH FINDET FAST AUS-<br />

SCHLIESSLICH AN LAND STATT. AN BORD<br />

HERRSCHT, WENN ALLES GUT GEHT, SCHWEIGEN.<br />

Sehr spezifisch gestaltet sich im Segeln die<br />

Kommunikation. Verbaler Austausch findet<br />

fast ausschließlich an Land oder auf den<br />

Trainingsfahrten statt. Dort spielen Taktik<br />

und Strategie eine <strong>groß</strong>e Rolle, werden Prozesse<br />

durchgesprochen und eingeübt. Vor<br />

allem das Trimmen, also die permanente<br />

Justierung der Segelstellung, ist ein ständiger<br />

Lernprozess, der durch Briefings und<br />

Rebriefings optimiert werden muss. In so<br />

genannten „Kommunikationsloops“ tauschen<br />

sich die an bestimmten Handlungen<br />

beteiligten Mitglieder der Crew unter Beteiligung<br />

von Steuermann oder Taktiker aus.<br />

Bei der Regatta selbst benötigt die Mannschaft<br />

für geplante Abläufe dann nicht viel<br />

Verständigung. Kommuniziert wird meist<br />

nur zwischen Taktikern und Strategen, zentralen<br />

Leuten im Cockpit und auf dem Vordeck.<br />

Ansonsten herrscht Schweigen – zu-<br />

TEAM MIT FESTEN ROLLEN<br />

AN BORD EINER YACHT hat jeder klare<br />

Verantwortungen. Hier einige Akteure und<br />

ihre Aufgaben.<br />

DER VORDECKMANN, auch Schiffsaffe<br />

genannt, kümmert sich um das Setzen und<br />

Bergen der Segel und hilft am Mast aus.<br />

DER SEGELPACKER verbringt die meiste<br />

Zeit unter Deck, packt Segelsäcke und<br />

bereitet die Segel auf ihren Einsatz vor.<br />

DER MASTMANN setzt den Baum des Spinnakers<br />

(Vorsegel) und unterstützt beim<br />

Segelwechsel den Pitman sowie das Grinder-Team<br />

beim Wenden und Halsen.<br />

DER PITMAN reißt die Segeltaue (Fallen)<br />

und koordiniert die Kommunikation auf<br />

dem Vorschiff beim Segelwechsel.<br />

DIE GRINDER sind die kräftigsten Männer<br />

an Bord. Durch kräftiges Kurbeln setzen<br />

oder trimmen sie die Segel.<br />

DIE TRIMMER sind dafür verantwortlich,<br />

die Segel in die optimale Stellung zum Wind<br />

zu bringen und ihnen das bestmögliche<br />

Profil zu verleihen, um eine maximale<br />

Geschwindigkeit zu gewährleisten.<br />

DER TAKTIKER empfiehlt Kursänderungen<br />

und beobachtet zusammen mit dem<br />

STRATEGEN das gegnerische Boot.<br />

DER NAVIGATOR bestimmt die genaue<br />

Position des Bootes auf dem Kurs und im<br />

Verhältnis zum Gegner.<br />

DER RUNNER stellt die hinteren Stahlseile<br />

(Backstage) ein und stimmt sich mit<br />

Steuermann und Trimmern ab, um den<br />

Mast so zu trimmen, dass dieser die richtige<br />

Krümmung erhält und die Segel das<br />

gewünschte Profil bekommen. Ein Fehler<br />

kann den Mast kosten.<br />

mal gegnerische Boote jeden Austausch an<br />

Bord mithören.<br />

Auch den Skipper hört man im Idealfall<br />

kaum. Bank: „Wenn der Skipper schweigt, ist<br />

alles unter Kontrolle.“ Ist eine Regatta aber<br />

sehr eng, steht ein Manöver an oder muss<br />

ein Fehler korrigiert werden, übernimmt er<br />

die ganze Führung und gibt dann auch<br />

schon mal schnelle und präzise Anweisungen.<br />

Die Autorität des Skippers untergräbt<br />

seine oft zurückgenommene Haltung nicht.<br />

Nur der Mann am Steuer weiß in jeder<br />

Situation, wie sich das Boot tatsächlich bewegt.<br />

Nur er hat daher das Sagen. Zwar beschreibt<br />

Ernesto Bertarelli, Teamchef der in<br />

diesem Jahr siegreichen Schweizer Yacht<br />

Alinghi, sein Team als „Familie“. Für Bank ist<br />

das jedoch kein Widerspruch zum Skipper<br />

als Autorität: Auch in einer Familie wisse man,<br />

„wer letztendlich die Entscheidungen trifft“.<br />

Genau das sei der <strong>groß</strong>e Vorteil der Alinghi<br />

gewesen: „Jeder wusste, dass am Ende Skipper<br />

Russel Coutts die Entscheidung traf.“<br />

Doch wo entschieden wird, machen Menschen<br />

Fehler. <strong>Der</strong> Skipper des UITG hat dazu<br />

seine eigene Philosophie: „Ich fühle mich als<br />

Sparringspartner in einem konstruktiven Prozess.<br />

Wenn man auf diesem sehr hohen<br />

Niveau segelt, sind Fehler notwendig, sonst<br />

verbessert man sich nicht.“<br />

Was nicht heißt, dass keinesfalls ein Teammitglied<br />

ausgewechselt werden muss. Erst kürzlich<br />

wurde der Taktiker der Oracle, John<br />

Kostecki, entlassen. „Wichtig ist in einem solchen<br />

Fall, dass jeder versteht, wie es ab sofort<br />

weiterlaufen soll. Nach einer solchen Entscheidung<br />

muss sofort für Transparenz<br />

gesorgt werden, um das Vertrauen der Mannschaft<br />

nicht zu verlieren.“<br />

Kosteckis Entlassung war das Resultat einer<br />

seglerischen Schlappe. Larry Elison, CEO des<br />

Softwarehauses Oracle und Teamchef von<br />

BMW Oracle, hatte 2003 die Besten der Besten<br />

versammelt – und wurde nur Zweiter. Für<br />

Bank ein Beleg dafür, dass die seglerischen<br />

Fähigkeiten der Crewmitglieder nicht allein<br />

den Ausschlag geben: „Es ist wichtiger, dass<br />

wir das Team stabilisieren, als dass wir<br />

17 Weltklassesegler an 17 Positionen haben.“<br />

Die Stabilität im Team ist vor allem auch<br />

daher entscheidend, da sich der America’s Cup<br />

über mehrere Wochen hinzieht. Erfolgreiche<br />

Leader wissen, wie sie im Team Spannung und<br />

gute Stimmung aufrechterhalten. Eine zentrale<br />

Rolle spielt dabei die Öffentlichkeit: „Man<br />

sollte wissen, wie man mit der Öffentlichkeit,<br />

der Presse und Sponsoren kommuniziert.“ Nur<br />

wer sich nach außen geschlossen präsentiert,<br />

hält innen Ordnung und Dynamik hoch. Auch<br />

das gilt für Skipper wie für Vorstände.


DT_2_20_05_110_Wachstum_02.qxd 05.10.2005 15:31 Uhr Page 1<br />

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p business-culture mba<br />

52<br />

Ist der<br />

MBA ein<br />

Auslaufmodell?<br />

Alle kennen ihn, viele<br />

Manager haben ihn: den<br />

Master of Business Administration<br />

(MBA). Jetzt<br />

aber spricht sich mit<br />

Henry Mintzberg erstmals<br />

ein bekannter Managementdenker<br />

gegen den<br />

MBA aus. Lesen Sie Mintzbergs<br />

Kritikpunkte – und<br />

was Seán Meehan, Leiter<br />

eines der erfolgreichsten<br />

MBA-Programme, ihm<br />

erwidert.<br />

�<br />

Herkömmliche MBA-Programme, die<br />

als Ausbildungsgänge für angehende<br />

Manager konzipiert sind, richten sich an die<br />

falschen Leute und verwenden die falschen<br />

Methoden, mit schädlichen Folgen. <strong>Der</strong><br />

Versuch, jemandem die Kunst des Managements<br />

beizubringen, der noch nie eine Führungsposition<br />

innehatte, ist vergleichbar<br />

damit, jemanden in Psychologie zu unterrichten,<br />

der noch nie einen anderen Menschen<br />

getroffen hat. Unternehmen sind<br />

komplizierte Gebilde. Sie zu lenken ist ein<br />

schwieriges Unterfangen, das mit vielen<br />

Grautönen durchsetzt ist und auf einer Menge<br />

versteckter Einsichten beruht, die sich<br />

nur aus dem Kontext erschließen. Wer Menschen,<br />

die selbst nie geführt haben, Manage-<br />

� Hört auf den Markt! Auf der ganzen<br />

Welt fallen die Bewerberzahlen für Studienplätze<br />

in MBA-Programmen, und zwar<br />

bereits seit drei oder vier Jahren. Dies könnte,<br />

zusammen mit der vehementen Kritik<br />

von Henry Mintzberg, zu einer Vertrauenskrise<br />

in dem bereits unsicheren Markt führen.<br />

Aber ist die Lage so schlimm, wie sie auf<br />

den ersten Blick aussieht?<br />

Den altehrwürdigen Abschluss des „Master<br />

of Business Administration“, den nach wie<br />

vor Hunderttausende hoch begabter Kandidaten<br />

Jahr für Jahr anstreben, gibt es seit Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts. Er hat auch früher<br />

heftige Angriffe überstanden und wird<br />

sie auch jetzt überstehen. Vehemente Zweifel<br />

an Wert und Anwendbarkeit von MBA-<br />

Programmen sind nichts Neues. Schon 1959<br />

erschienen erste MBA-kritische Artikel.<br />

ment beibringen möchte, verschwendet<br />

nicht nur seine Zeit, sondern würdigt die<br />

Kunst des Managements herab.<br />

Die festgelegten Aufgaben in einem Unternehmen<br />

können zumeist Spezialisten übertragen<br />

werden; die Manager müssen sich<br />

nicht unmittelbar mit ihnen befassen. Ihnen<br />

bleibt es weit gehend überlassen, sich mit<br />

dem Unübersichtlichen zu beschäftigen –<br />

mit heiklen Problemen und komplizierten<br />

Zusammenhängen. Das ist der Grund dafür,<br />

dass die Managementpraxis so oft mit<br />

Etiketten wie Erfahrung, Intuition, Urteilsfähigkeit<br />

und Weisheit in Verbindung<br />

gebracht wird. Eine erfolgreiche Managerin<br />

beschrieb mir ihren Mann, einen MBA-Absolventen,<br />

mit den Worten: „Er beherrscht<br />

ANSATZ WIRKLICH FALSCH?<br />

Die kritischen Stimmen von heute implizieren<br />

zwei Dinge: a) Die gesamte MBA-Ausbildung<br />

und insofern auch die vorherrschende<br />

Gestaltung des Studiengangs beruhe auf einem<br />

falschen Ansatz. b) Die Lage sei deshalb<br />

so beklagenswert, weil die Professoren<br />

– wie sollte es auch anders sein – sich auf<br />

das konzentrierten, was am stärksten belohnt<br />

werde: nämlich die wissenschaftliche<br />

Erforschung von Themen, die zu theoretisch<br />

und von der wirtschaftlichen Praxis zu weit<br />

entfernt sind, um für die Studierenden von<br />

Nutzen zu sein. Am angeblich so schlecht<br />

funktionierenden Modell werde sich auch<br />

nichts ändern, weil die Lehrkräfte an den<br />

Business-Schools keinen Grund hätten, auf<br />

die veränderte Marktsituation zu reagieren.<br />

Zugegeben: Faktisch ist der MBA heute


die Techniken, glaubt, alles besser zu wissen.<br />

Dennoch ist er frustriert, denn er versteht<br />

die Vielschichtigkeiten und widerstreitenden<br />

Interessen nicht. Er meint, die richtigen<br />

Antworten zu kennen, ist aber unzufrieden,<br />

weil ihm dieses Wissen nichts nützt.“ Er hat<br />

auf der Business-School eben kein Management<br />

gelernt.<br />

WIR ANALYSIEREN UNS ZU TODE<br />

<strong>Der</strong> alte Witz, wonach MBA die Abkürzung<br />

für „Management by Analysis“ sei, ist in<br />

Wirklichkeit gar keiner. Dem New Oxford<br />

Dictionary of English zufolge ist Analyse<br />

„der Vorgang des Zerlegens einer Sache in<br />

ihre Bestandteile“. MBA-Programme beschäftigen<br />

sich mit dem Zerlegen von Ideen<br />

nicht perfekt. Aber er ist auch bei weitem<br />

nicht so problembelastet, wie Mintzberg<br />

behauptet. Und der vermeintlich akute<br />

Mangel an Reaktionsfähigkeit ist längst<br />

nicht so allgemein verbreitet, wie man gelegentlich<br />

liest.<br />

JA!<br />

ANALYSE IST WICHTIG!<br />

Mintzberg treibt die Sorge um, dass die falschen<br />

Leute falsch ausgebildet werden<br />

könnten – mit entsprechend negativen Folgen.<br />

Mit den falschen Leuten meint er Studierende<br />

ohne jede Praxiserfahrung. An der<br />

IMD bevorzugen wir zwar erfahrene MBA-<br />

Kandidaten, doch halten wir die alternativen<br />

Entscheidungen anderer Universitäten<br />

nicht für weniger sinnvoll. Einige der größten<br />

und bekanntesten MBA-Studiengänge<br />

der Welt fahren sehr gut damit, den Schwer-<br />

HENRY MINTZBERG ist Cleghorn Professor<br />

of Management Studies an der McGill<br />

University in Montreal, Kanada. Er wurde von<br />

der Academy of Management im Jahr 2000<br />

zum „Distinguished Scholar“ ernannt und<br />

1995 mit dem George R. Terry Award für das<br />

beste Buch des Jahres ausgezeichnet<br />

(„The Rise and Fall of Strategic Planning“).<br />

SEÁN MEEHAN ist Martin Hilti Professor<br />

of Marketing and Change Management an<br />

der Managementschmiede IMD in Lausanne.<br />

Er leitet das MBA-Programm der IMD, das<br />

von internationalen Personalagenturen im<br />

Wall Street Journal weltweit an Nummer eins<br />

gesetzt wurde.<br />

mba business-culture f<br />

�<br />

in Einzelteile, also mit dem Lösen dieser<br />

Teile von einer Gesamtheit. Die Betriebswirtschaftslehre<br />

wird dadurch zu einer Ansammlung<br />

von Funktionsbereichen,<br />

Strategie zu einem Bündel von Strategiegattungen;<br />

selbst Menschen verwandeln sich in<br />

Analysegegenstände. <strong>Der</strong> Kern des Managements<br />

liegt aber in der Synthese. Manager<br />

müssen innerhalb ihres eigenen Kontexts<br />

Dinge zusammenfügen und daraus schlüssig<br />

Visionen, in sich geschlossene Unternehmen<br />

und integrierte Systeme entwickeln. Darin<br />

liegt die Schwierigkeit, aber auch die Faszination<br />

des Managements. Natürlich müssen<br />

Manager auf Analyse zurückgreifen, doch sie<br />

benötigen diese als Rohstoff, um auf dieser<br />

Grundlage zu einer Synthese zu gelangen –<br />

�<br />

punkt auf analytische Kenntnisse zu legen.<br />

Sie haben die Finanz- und Beratungsbranchen<br />

mit jungen, hoch qualifizierten,<br />

äußerst produktiven Absolventen<br />

versorgt. Aus denen wurden dann<br />

hervorragende Manager und<br />

Führungskräfte von Unternehmen,<br />

die nicht nur in ihrer<br />

jeweiligen Sparte, sondern<br />

für Wirtschaft und Gesellschaft<br />

als Ganzes eine wichtige<br />

Rolle spielen; manche<br />

über den Einstieg als Berater und<br />

Finanzdienstleister, die meisten jedoch<br />

in der Industrie.<br />

Wirklich erfolgreiche MBA-Programme haben<br />

alle eines gemeinsam: Sie kennen ihre<br />

Kunden gut und bieten ihnen einen realen<br />

Mehrwert. Es geht überhaupt nicht darum,<br />

NEIN!<br />

53


p business-culture henry mintzberg meint, mbas überschätzten die analyse<br />

54<br />

� hier liegt der wirklich schwierige<br />

Teil ihrer Aufgabe. Wer Analyse<br />

ohne Synthese lehrt, reduziert Management<br />

auf ein fleischloses Gerippe, so, als würde<br />

man den menschlichen Körper als Ansammlung<br />

von Knochen betrachten: ohne<br />

Sehnen und Muskeln, Fleisch und Blut,<br />

Seele und Geist.<br />

Die Frage bleibt offen, wo die Synthese herkommen<br />

sollte. Die übliche herablassende<br />

Antwort lautet: von den Studenten. Die würden<br />

alles schon zusammenfügen. Man kann<br />

das als IKEA-Modell der betriebswirtschaftlichen<br />

Ausbildung betrachten: Die Universität<br />

liefert die Bausteine im handlichen Format,<br />

und die Studenten übernehmen die<br />

Montage. Leider vergessen die Schulen, die<br />

�<br />

die wirtschaftswissenschaftliche<br />

Ausbildung oder die Managemententwicklung<br />

im Unternehmen einer bestimmten<br />

Elite vorzubehalten, sei jene nun jung<br />

oder alt, auf dem Arbeitsmarkt erfahren<br />

oder nicht. Aber: Die Ausbilder müssen ihr<br />

MBA-Programm konsequent am Bedarf der<br />

Zielstudenten orientieren. Meine Meinung<br />

zu Mintzbergs These von den „falschen Methoden“<br />

ist: Warum muss man so dogmatisch<br />

sein? Man sollte das einhalten, was man versprochen<br />

hat. So stützt sich die Value-Proposition<br />

des IMD, „Leadership-Development“,<br />

auf eingehende Marktforschung und klare<br />

Bedarfsanalyse unserer Partnerunternehmen.<br />

Wir liefern unseren Studenten eine Erfahrung,<br />

nicht nur analytisches Wissen oder<br />

Aktenordner voller Faustregeln, Checklisten<br />

oder einfacher Patentlösungen.<br />

Montageanleitung mitzuliefern. Schlimmer<br />

noch: Die Bausteine passen überhaupt nicht<br />

zusammen. Sie mögen hübsch aussehen,<br />

doch sie lassen jegliche Ordnung vermissen.<br />

Und die Studenten wissen nicht, was sie<br />

überhaupt bauen sollen, denn das hängt von<br />

der jeweiligen Situation ab, und Situationen<br />

gibt es im Hörsaal nicht – und wenn, dann<br />

mehrere täglich in Fallstudien. Wirkliches<br />

Management gleicht eher einem Lego-Spiel –<br />

es gibt unzählige Möglichkeiten, die Bausteine<br />

zusammenzufügen, und für die wirklich<br />

interessanten Bauten benötigt man Zeit.<br />

AUSGEWOGEN AUSBILDEN!<br />

Um beurteilen zu können, welchem Managementstil<br />

die Absolventen von MBA-Pro-<br />

Welche Erfahrung man mit dem MBA-Studium<br />

macht, hängt auch nicht nur von den<br />

Lehrmethoden ab. Genauso entscheidend ist<br />

die Zusammensetzung des Jahrgangs. Diese<br />

ist wichtig, weil die Teilnehmer in Seminargesprächen<br />

und Teamprojekten genauso<br />

viel voneinander lernen sollen wie von den<br />

Lehrkräften. Unsere Aufgabe ist es, aus<br />

90 jungen Führungskräften die bestmögliche<br />

Gruppe zu bilden. Unsere momentanen<br />

Studenten stammen aus 36 Ländern, können<br />

jeweils auf sieben Jahre internationale Praxiserfahrung<br />

zurückblicken und sind vor<br />

allem vom Hunger getrieben, wirklich etwas<br />

zu bewegen. Nebenbei entwickeln sie ein<br />

starkes Netzwerk an Verbindungen zu Menschen,<br />

die sie eine ganze Karriere lang um<br />

Rat fragen können. Deswegen würde ich<br />

jedem MBA-Studenten raten, sein Studium<br />

„MBA-Programme<br />

beschäftigen sich mit<br />

dem Zerlegen der<br />

Probleme in Einzelteile.<br />

<strong>Der</strong> Kern des<br />

Managements liegt<br />

aber in der Synthese.“<br />

Henry Mintzberg<br />

„Erfolgreiche MBA-<br />

Programme haben<br />

eines gemeinsam: Sie<br />

kennen ihre Kunden<br />

und stellen ihnen<br />

einen realen Mehrwert<br />

zur Verfügung.“<br />

Seán Meehan


grammen zuneigen, ist es hilfreich, Managementpraxis<br />

als Verbindung aus Kunst,<br />

Handwerk und Wissenschaft zu betrachten.<br />

Meine These lautet, dass erfolgreiches Management<br />

eine ausgewogene Kombination<br />

aller drei Dimensionen erfordert, die MBA-<br />

Ausbildung sich jedoch nur auf eine Dimension<br />

konzentriert und dadurch die Managementpraxis<br />

verzerrt. Kunst fördert die<br />

Kreativität, woraus Einsichten und Visionen<br />

entstehen. Wissenschaft wirkt durch ihre<br />

systematischen Analysen und Bewertungen<br />

ordnend. Handwerk wiederum schafft<br />

Verbindungen, die sich auf konkrete Erfahrungen<br />

gründen.<br />

Die drei Dimensionen müssen nicht in<br />

einem vollständigen Gleichgewicht zuein-<br />

rund um die eigenen Ziele zu konzipieren.<br />

Möglicherweise ist die von mir bereits angesprochene<br />

Marktforschung der Schlüssel zu<br />

allem. Die mangelnde Fähigkeit, auf veränderte<br />

Nachfragebedingungen einzugehen,<br />

ist wirklich ein Problem. Doch das müsste<br />

nicht so sein. An dieser Stelle möchte ich<br />

nun doch einmal dogmatisch werden: Man<br />

muss seine Märkte kennen! Erhebungen im<br />

MBA-Programm der IMD kommen zu einem<br />

eindeutigen Ergebnis: Unsere Partnerunternehmen<br />

wünschen sich Absolventen, die<br />

es bereits als Führungskräfte zu etwas gebracht<br />

haben und über ein hohes Potenzial<br />

verfügen. In der Praxis bekommen wir zu<br />

hören: „Verwalter haben wir genug! Was wir<br />

brauchen, ist eine Verjüngung durch talentierte,<br />

viel versprechende Führungskräfte,<br />

und wir wollen nicht, dass sie zwei Jahre in<br />

seán meehan glaubt, ein mba müsse keine zwei jahre dauern business-culture f<br />

ander stehen, sollten sich aber gegenseitig<br />

unterstützen. Entsprechend negativ zu<br />

sehen sind Managementstile, die an den<br />

Polen dieses gedanklichen Dreiecks angesiedelt<br />

sind: narzisstisch am Kunstpol, weitschweifig<br />

am Handwerkspol, buchhalterisch<br />

am Wissenschaftspol.<br />

In diesem Sinn ist die MBA-Ausbildung<br />

unausgewogen. Sie hat nichts Handwerkliches<br />

an sich und wertet sogar Erfahrungen<br />

zu Gunsten der Analyse ab. Die Studenten<br />

selbst verfügen zumeist nur über geringe<br />

Erfahrungen, und im anderen Fall können<br />

sie diese angesichts eines mangelnden Praxisbezugs<br />

im Hörsaal nicht einsetzen.<br />

Die MBA-Ausbildung hat aber auch im künstlerischen<br />

Bereich wenig zu bieten. Sie ver-<br />

der Uni festhängen.“ Eine wichtige Folgerung<br />

aus der Marktforschung ist daher: Arbeitgeber<br />

glauben nicht, dass ein typischer<br />

MBA zwei Jahre dauern muss. Wir sollten<br />

auf diese Art Marktsignale hören. Es ist tatsächlich<br />

wahr, dass der MBA in der Krise<br />

steckt. Er benötigt einen stärker marktorientierten<br />

Ansatz. Business-Schools müssen ein<br />

paar grundlegende Lektionen aus der Wirtschaft<br />

auf sich selbst anwenden: Strategie ist<br />

eine Entscheidung; die richtige Art der Differenzierung<br />

zahlt sich aus; die Rendite<br />

muss im Auge behalten werden. Und, am<br />

wichtigsten: hört auf den Markt! Marktorientierung<br />

wird schließlich in jedem<br />

MBA-Programm gelehrt. Es wird Zeit,<br />

dass Business-Schools die Medizin,<br />

die sie verschreiben, auch<br />

selbst schlucken.<br />

NEIN!<br />

JA!<br />

leugnet die Kunst<br />

zwar nicht – viele<br />

Fallstudien verklären<br />

visionäre Führung<br />

sogar. Doch sie kann recht<br />

wenig mit ihr anfangen. Einsichten,<br />

Visionen und auch Kreativität entspringen<br />

dem konkreten Handeln, nicht der<br />

passiven Bewunderung. Kunst und Handwerk<br />

gründen weit gehend im Stillschweigenden,<br />

während sich MBA-Seminare auf<br />

das Explizite konzentrieren, das als Analyse<br />

und Technik sowie als formale Theorie<br />

daherkommt.<br />

Mintzbergs ausführliche Argumentation ist nachzulesen<br />

in seinem aktuellen Buch „Manager statt<br />

MBAs“, Campus Verlag, 2005.<br />

Sieht aber die Lage nun wirklich so schlimm<br />

aus, wie es die Kassandras uns glauben<br />

machen wollen? Hierzu ein klares Nein.<br />

Zukünftigen Bewerbern sei gesagt: Die Lage<br />

des MBA ist zwar nicht rosig, aber auch<br />

längst nicht so schlecht, wie sie scheint.<br />

NICHT JEDER MBA TAUGT FÜR JEDEN STUDENTEN<br />

Ein MBA bedeutet eine enorme Investition<br />

an Zeit und Geld. Nicht alle Angebote sind<br />

für jeden gleich Gewinn bringend. Jeder<br />

potenzielle Student sollte sich gut überlegen,<br />

was er wirklich mit dem MBA erreichen<br />

möchte. Und er sollte dann aus den<br />

zahllosen Alternativen diejenigen auswählen,<br />

mit denen er seine ganz persönlichen<br />

Ziele am ehesten verwirklichen kann.<br />

So verstanden, hat der MBA durchaus<br />

eine Zukunft.<br />

55


p business-culture früher suppenküche, heute ein 72-millionen-etat<br />

Talentpool im Ghetto<br />

Detroit, einst boomende Autometropole, gehört heute zu den ärmsten Städten der USA. Die Non-<br />

Profit-Organisation „Focus: Hope“ durchbricht den Teufelskreis aus Arbeitslosigkeit, Diskriminierung<br />

und Drogen – durch ein marktwirtschaftliches Konzept mit Best-Practice-Charakter.<br />

: Die Hoffnung liegt im Ghetto. Mitten in<br />

einem Problemviertel Detroits sitzt eine<br />

Non-Profit-Organisation, die mit den gängigen<br />

Vorurteilen gegenüber Sozialprojekten<br />

wenig zu tun hat. Statt Betroffenheitsrhetorik<br />

herrscht hier Aufbruchstimmung, statt<br />

Schicksale zu verwalten bilden die Initiatoren<br />

junge Menschen in Zukunftsberufen aus<br />

und stellen nebenbei Hightechprodukte<br />

her. <strong>Der</strong> Name des Projektes ist, in all seiner<br />

Emotionalität, Programm: „Focus: Hope“.<br />

Hoffnung hat die frühere Industriemetropole<br />

Detroit bitter nötig. Die Stadt stagniert,<br />

über 20 Prozent Arbeitslosigkeit und eine<br />

kriselnde Automobilindustrie strangulieren<br />

die urbane Erneuerung. Eine desolate Situation<br />

– seit Jahrzehnten. Gegen diese Misere<br />

wollte die Detroiterin Eleanor Josaitis etwas<br />

tun. So gründete die heute 72-Jährige vor<br />

über 30 Jahren Focus: Hope. Die Hoffnung<br />

begann mit einer Suppenküche, doch das<br />

Projekt wuchs schnell. Heute beinhaltet<br />

Focus: Hope ein Ausbildungszentrum für<br />

Maschinenbauer, das von pensionierten<br />

Fachleuten aus der Automobilindustrie<br />

geleitet wird. Die Organisation fungiert als<br />

Kaderschmiede für eine neue Generation<br />

praxisorientierter Informatiker. Diese erhalten<br />

sogar einen Uniabschluss. Und der Erfolg<br />

spricht sich herum. Die Bildergalerie<br />

im Hauptgebäude zeigt Gründerin Josaitis<br />

Arm in Arm mit Microsoft-Chef Bill Gates,<br />

UN-Generalsekretär Kofi Annan und Ex-<br />

Präsident Bill Clinton.<br />

Die Gründung von Focus: Hope ist auch eine<br />

Reaktion auf die Umwälzungen der Globalisierung,<br />

die Detroit konsequenter erfuhr als<br />

andere US-Städte. Bis in die sechziger Jahre<br />

herrschte dank Ford, GM und Co. fast Vollbeschäftigung,<br />

„Motown“ war Boomtown. Es<br />

folgte die Verlagerung von Arbeitsplätzen<br />

und damit die Krise. Irgendwann explodierte<br />

der soziale Sprengstoff, so Tim Duperron<br />

von Focus: Hope. Im Sommer 1968 setzten<br />

schwarze Jugendliche ganze Straßenzüge


in Brand. „Nach den Ausschreitungen ging<br />

Eleanor durch das Viertel und sagte: ‚Wir<br />

müssen etwas tun.‘“ Gemeinsam mit einem<br />

inzwischen verstorbenen Pater gründete die<br />

Mutter von fünf Kindern die gemeinnützige<br />

Organisation. Diese beschäftigt heute über<br />

500 fest angestellte Mitarbeiter. Die 72 Millionen<br />

Dollar Jahresetat kommen zum größeren<br />

Teil als Zuwendung von den Detroiter<br />

Automobilunternehmen. Ein Stück Corporate<br />

Social Responsibility, aber auch eine<br />

Investition – schließlich bedienen sich die<br />

Global Player gern in dem Talentpool.<br />

Mittlerweile erwirtschaftet Focus: Hope darüber<br />

hinaus beträchtliche Einnahmen –<br />

durch die Auftragsfertigung von Produkten<br />

wie Bremsen oder Wasserpumpen, aber<br />

auch durch kleinere Forschungsprojekte.<br />

Unternehmen wie General Motors und Cincinnati<br />

Machines gehören zu den Kunden.<br />

Rund 30 Millionen Dollar Umsatz generierte<br />

der kommerzielle Zweig im vergangenen<br />

Geschäftsjahr. Und die Umsätze dürften<br />

weiter steigen: 2004 meldeten die Detroiter<br />

ein Patent für die Herstellung effizienterer<br />

Motorenkolben an. Tim Duperron: „In<br />

bestimmten technologischen Nischen sind<br />

wir inzwischen führend.“<br />

Wenn an den Werkbänken gefräst und gestanzt<br />

wird, rückt der soziale Nutzen in den<br />

Hintergrund. Es geht eher darum, ob die<br />

neu entwickelten Zylinderköpfe tatsächlich<br />

mehr Leistung aus den stählernen Kolben<br />

pressen. „Effizienz“ und „Kostendruck“<br />

gehören zum Stammvokabular – ebenso wie<br />

„Disziplin“. In den Centers of Opportunity,<br />

den Ausbildungszentren, herrscht straffe<br />

Ordnung, Rapper-Look und -Habitus sind<br />

„Wir haben eine dem sozialen Gedanken<br />

verpflichtete Institution aufgebaut, die funktioniert.<br />

Was will man mehr?“<br />

Eleanor Josaitis<br />

unerwünscht. Thomas Murphy, ein ehemaliger<br />

Army-Offizier, bringt den angehenden<br />

Maschinenbauern, Schlossern und Informatikern<br />

nicht nur Grundlagen der Mathematik<br />

bei, sondern auch, mit durchgedrücktem<br />

Kreuz zu gehen. „Wer bei uns einen Ausbildungsplatz<br />

will, muss auf dem Level eines<br />

Neuntklässlers stehen. Alles andere erledigen<br />

wir nachher mit Disziplin und Überzeugungskraft.“<br />

Notorische Zuspätkommer fliegen<br />

aus dem Programm.<br />

Harte Grundsätze, die deutlich machen: Bei<br />

Focus: Hope geht es anders zu als bei herkömmlichen<br />

Sozialprojekten. Zwei Kulturen<br />

treffen aufeinander, unternehmerisches<br />

Denken kollidiert mit den Normen des Non-<br />

Profit-Bereichs. Dies zusammenzuführen<br />

sei eine Frage intelligenter Organisation, so<br />

<strong>Roland</strong>-<strong>Berger</strong>-Berater Mahesch Luhani, der<br />

Focus: Hope auf Goodwill-Basis berät. Man<br />

brauche eine Arbeitsaufteilung, durch die<br />

erfahrene Mitarbeiter und Auszubildende<br />

eng zusammenarbeiten. „So erreichen wir<br />

eine hohe Wettbewerbsfähigkeit und verwirklichen<br />

zugleich die Ausbildungsziele.“<br />

Zusätzlich zur Arbeit in der Werkshalle<br />

steht Theorie auf dem Lehrplan – unterrichtet<br />

von Professoren der örtlichen Universitäten.<br />

„Ich kenne kein anderes Projekt, das<br />

vor allem afroamerikanischen Jugendlichen<br />

den Aufstieg in die Mittelklasse so ermöglicht<br />

wie dieses“, sagt Jack Litzenberg von<br />

der Charles Stewart Mott Foundation, die<br />

Focus: Hope seit fünf Jahren finanziell<br />

unterstützt und berät. Über 3000 Maschinenschlosser<br />

haben das zehn Monate dauernde<br />

Programm bislang absolviert, staatlich<br />

anerkannte Abschlüsse inklusive. Wer<br />

gut ist, kann anschließend ein zwei- oder<br />

vierjähriges Studium in Manufacturing-<br />

Engineering aufnehmen.<br />

Seit einiger Zeit zählt sogar das Pentagon zu<br />

den Kunden. Das Verteidigungsministerium<br />

bestellte ein mobiles Reparatursystem für<br />

Militärfahrzeuge und Waffen. Eine bemerkenswerte<br />

Wandlung: Früher war die Organisation<br />

Teil der Bürgerrechtsbewegung, heute<br />

beliefert man die US-Streitkräfte.<br />

Momentan arbeitet Focus: Hope daran, die<br />

eigene Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern<br />

und das Marktprofil zu schärfen. Für eine<br />

marktorientierte Produktpalette dürfte nicht<br />

zuletzt der prominent besetzte Verwaltungsrat<br />

sorgen. Dem gehören ein Präsident von<br />

Ford, eine Direktorin von DaimlerChrysler<br />

und ein Global Vice President von General<br />

Motors an. Schon heute sind die Hightechprodukte<br />

immer häufiger wettbewerbsfähig –<br />

auf einem der am härtesten umkämpften<br />

Zuliefermärkte der Welt. So zeigt sich Eleanor<br />

Josaitis zufrieden. „Wir haben eine dem sozialen<br />

Gedanken verpflichtete Institution aufgebaut,<br />

die funktioniert. Was will man mehr?“<br />

FOCUS: HOPE wurde 1968 von Eleanor<br />

Josaitis und Pater William Cunningham in<br />

Detroit gegründet. Die gemeinnützige<br />

Organisation, die 2004 über einen operativen<br />

Etat von 72,9 Millionen Dollar verfügte,<br />

hat sich der Ausbildung und beruflichen<br />

Eingliederung von Jugendlichen aus sozialen<br />

Randgruppen verschrieben. Ihr kommerzieller<br />

Zweig konzentriert sich auf Hightechprodukte<br />

für die Automobilbranche.<br />

57


p business-culture ten homa years bahrami after<br />

58<br />

Gegen das Faustrecht<br />

Seit der Gründung vor zehn Jahren ist die Welthandelsorganisation (WTO) ein Motor der Globalisierung.<br />

Ihr erster Direktor war der Ire Peter Sutherland. Im Interview zieht er ein Resümee des vergangenen<br />

Jahrzehnts. Er ist sicher: Die Welt braucht die WTO – und Globalisierung ist gut für alle.<br />

THINK: ACT Herr Sutherland, zehn Jahre<br />

WTO – haben Sie gefeiert?<br />

PETER SUTHERLAND Selbstverständlich. Seit<br />

ihrer Gründung konnte die WTO viele Erfolge<br />

verbuchen. Nach Errichtung von IWF und<br />

Weltbank hat keine Einrichtung den Multilateralismus<br />

so vorangetrieben. <strong>Der</strong> Welt steht<br />

erstmals ein wirksames System zur Beilegung<br />

internationaler Handelsstreitigkeiten zur<br />

Verfügung. Mittlerweile ist die WTO einer<br />

der Grundpfeiler der Globalisierung.<br />

Beobachter sehen die WTO in der Krise.<br />

Auch die Europäische Union hat seit dem<br />

ersten Tag ihres Bestehens mit solchen Behauptungen<br />

zu kämpfen. Glauben Sie mir, die<br />

WTO liegt keinesfalls in den letzten Zügen.<br />

Die Verhandlung über globale Handelsreformen,<br />

die Doha-Runde, droht zu scheitern.<br />

Die Doha-Runde darf nicht mit der WTO als<br />

solcher verwechselt werden. Allerdings bin ich<br />

davon überzeugt, dass ein Scheitern der Doha-<br />

Verhandlungen erhebliche Auswirkungen<br />

auf die WTO hätte. Aber: Auch die Uruguay-<br />

Runde schien jahrelang kurz vor dem Aus zu<br />

stehen und hat letztlich doch zu einem positiven<br />

Ergebnis gefunden. Vor wichtigen Terminen<br />

wie der Ministerkonferenz im Dezember in<br />

Hongkong verstärkt sich der Druck deutlich.<br />

Was muss geschehen, damit die Ministerkonferenz<br />

doch noch Erfolg hat?<br />

Am wichtigsten ist die Agrarpolitik. Die EU hat<br />

grundsätzlich zugegeben, dass ihre Subventionen<br />

für landwirtschaftliche Exporte ein Ende<br />

haben müssen. Aber auch andere Länder wie<br />

die USA müssen ihre Subventionen verringern.<br />

Trägt eine eigene Agrarproduktion nicht zur<br />

nationalen Identität eines Landes bei? Das<br />

würde die Bedeutung der reinen Freihandelslehre<br />

relativieren.<br />

Darin steckt durchaus ein Körnchen Wahrheit.<br />

Die WTO will auch nicht sofort einen weltweit<br />

komplett freien Handel verwirklichen, arbeitet<br />

aber natürlich darauf hin. Ich bin mir bewusst,<br />

dass die gemeinsame Agrarpolitik der EU nicht<br />

vollständig gestoppt werden kann, aber sie entwickelt<br />

sich immerhin in diese Richtung, nicht<br />

zuletzt wegen der begrenzten Haushalte der<br />

Mitgliedstaaten. Wer jedoch ernsthaft der<br />

Meinung ist, dass in absehbarer Zeit weltweit<br />

Agrarmärkte entstehen, die sich selbst unabhängig<br />

organisieren können, sollte aus seinen<br />

rosaroten Träumen aufwachen.<br />

Würden Sie sagen, dass die Vision eines<br />

weltweiten freien Handels dieser Tage in<br />

die Defensive geraten ist?<br />

Ja, derzeit ist der Protektionismus auf dem<br />

Vormarsch. Eine Reihe Handelsgesetze in den<br />

USA nähren diese Befürchtung. In Westeuropa<br />

und Amerika löst die voranschreitende Globalisierung<br />

Ängste aus.<br />

Viele Menschen stehen insbesondere den stärker<br />

werdenden Wettbewerbern China und<br />

Indien kritisch gegenüber. Diese Ängste sind<br />

ein fruchtbarer Nährboden für Protektionismus.<br />

Sie können der Vision eines freien Handels<br />

gefährlicher werden als alle Globalisierungsgegner<br />

zusammen. Soweit ich das beobachtet<br />

habe, konnten die Argumente der Globalisierungsgegner<br />

von den Befürwortern entkräftet<br />

werden. Inzwischen sind sogar viele ehemalige<br />

Gegner überzeugt, dass die WTO ein Segen für<br />

die Schwachen in unserer Welt ist.<br />

Attac als Verteidiger der WTO?<br />

Eigentlich ist das ganz logisch: Inzwischen<br />

sehen viele NGOs ein, dass es den armen Ländern<br />

ohne die WTO noch wesentlich schlechter<br />

ginge. Immerhin haben wir ein System, das<br />

mit Hilfe eindeutiger Regeln funktioniert. Die<br />

Alternative wäre eine Welt, in der jeder gegen<br />

jeden kämpft. Wenn ein solches Faustrecht<br />

Wirklichkeit würde, könnten die Starken die<br />

Schwachen weit stärker unter Druck setzen.<br />

Auch die WTO selbst wirkt oft schwach.<br />

Wenn sich Boeing und Airbus verklagen,<br />

scheint sie in den Händen der politischen<br />

Giganten EU und USA zu sein.<br />

Ich bin überzeugt, dass die WTO in der Lage<br />

sein wird, unabhängig und objektiv über die<br />

Ansprüche von Boeing und Airbus zu entscheiden<br />

– sofern diese ihre Streitigkeiten nicht<br />

allein beilegen können.<br />

PETER SUTHERLAND war als<br />

Gründungsdirektor der WTO maßgeblich an<br />

der weltpolitischen Etablierung der Organisation<br />

beteiligt. Heute ist der Ire Chairman<br />

von BP und Goldman Sachs. Vor Gründung<br />

der WTO hatte er das Amt des Generaldirektors<br />

von GATT inne. Als solcher trug er entscheidend<br />

zum Abschluss der GATT-Verhandlungen<br />

in Uruguay bei. Vorher war er<br />

Vorsitzender der Allied Irish Banks.<br />

Von 1969 bis 1971 studierte Sutherland<br />

am Gonzaga College, am University College<br />

Dublin und der Honorable Society of the<br />

King’s Inns und war im Anschluss als Juradozent<br />

am University College Dublin tätig.


peter sutherland sieht den protekti0nismus auf ten dem years vormarsch after business-culture f


p business-culture ten years after<br />

Trotzdem kämpfen EU und USA um nationale<br />

Champions. Dies widerspricht dem<br />

freien Wettbewerb.<br />

Es ist auf jeden Fall kontraproduktiv für die<br />

Vision des freien Handels, wenn jedes Land um<br />

jeden Preis auf nationale Champions setzt.<br />

Selbstverständlich spielt auf nationaler Ebene<br />

auch der Nationalismus eine entscheidende<br />

Rolle. Wenn man unnachgiebig an seinen landeseigenen<br />

Unternehmen festhält, führt das<br />

unweigerlich dazu, dass kostbare Ressourcen<br />

vergeudet werden. Bis Ende der achtziger Jahre<br />

hatten viele Dienstleister in den meisten europäischen<br />

Ländern Monopolstellungen. Die<br />

Regierungen setzten sich vehement gegen die<br />

von Brüssel vorangetriebene Liberalisierung<br />

ein. Die nationalen Fluglinien sollten die Aushängeschilder<br />

der jeweiligen Staaten sein, da<br />

störte es die Staaten nicht, dass die Kunden den<br />

Preis dafür zu zahlen hatten. Aber letztendlich<br />

hat der gesunde Menschenverstand gesiegt.<br />

Protektionismus gleich Nationalismus, und<br />

Globalisierungsgegner sind Nationalisten?<br />

Das ist zumindest der Effekt, den sie mit ihrer<br />

Haltung des Öfteren erzielen. Einige NGOs<br />

glauben offenbar immer noch an ein Maß an<br />

Protektionismus, das den Interessen der Menschen<br />

in den Entwicklungsländern entgegen-<br />

„Es ist kontraproduktiv für die Vision des freien Handels, wenn jedes Land<br />

um jeden Preis auf nationale Champions setzt.“<br />

Peter Sutherland<br />

steht. Die Menschheit hat Fortschritt immer<br />

durch Leistungsfähigkeit und Innovation<br />

erzielt. Dies wird durch einen gesunden Wettbewerb<br />

gefördert. Aus diesem Grund ist Protektionismus<br />

der falsche Weg.<br />

Sie sitzen im Aufsichtsrat globaler Unternehmen.<br />

Viele Firmen scheinen auf Wettbewerb<br />

gut verzichten zu können …<br />

Absolut nicht, die meisten Unternehmen stehen<br />

dem Wettbewerb positiv gegenüber. Normalerweise<br />

messen Unternehmen sich gern mit ihren<br />

Konkurrenten und halten es für wichtig, ihren<br />

Marktwert zu testen. Aber: Einige wollen ihre<br />

Schäfchen mit Beschränkungen und Protektionismus<br />

ins Trockene bringen.<br />

Sie sind Chairman von BP. Finden Sie es<br />

nicht seltsam, dass die nationalen Benzinpreise<br />

kaum voneinander abweichen?<br />

Im Allgemeinen ist der Wettbewerb in unserer<br />

Branche sehr stark. Wenn Sie andeuten möchten,<br />

dass die Preise durch Absprachen zwischen<br />

den Ölfirmen festgelegt werden, dann muss ich<br />

Ihnen vehement widersprechen. Die meisten<br />

Gewinne erzielt unsere Branche nicht auf<br />

nachgelagerten Märkten, sondern mit dem vorgeschalteten<br />

Sektor, also der Erforschung von<br />

Quellen und der Produktion. Außerdem tragen<br />

die <strong>groß</strong>en Ölfirmen nur einen geringen Anteil<br />

zur weltweiten Ölproduktion bei. <strong>Der</strong> Großteil<br />

liegt bei den staatlichen Unternehmen in den<br />

Öl fördernden Ländern.<br />

Kritiker des freien Handels argumentieren,<br />

dieser verstärke die Armut vieler Länder.<br />

Alles Unsinn?<br />

Es gibt ausreichend Nachweise dafür, dass<br />

genau das Gegenteil der Fall ist. <strong>Der</strong> Anteil der<br />

Entwicklungsländer am weltweiten Export im<br />

letzten Jahr ist von 25 auf 34 Prozent gestiegen.<br />

Auch den Industrieländern hat der freie Handel<br />

keinesfalls geschadet.<br />

Im Großen und Ganzen können alle Beteiligten<br />

hierdurch nur gewinnen. Lediglich für einige<br />

nationale Branchen hat sich der freie Handel<br />

kurzfristig negativ ausgewirkt, weil diese an<br />

anderen Standorten bessere Bedingungen vorgefunden<br />

hätten.<br />

Peter Sutherland verteidigt Freihandel und<br />

Globalisierung. Seine Heimat Irland sieht er<br />

als bestes Beispiel dafür, wie Länder durch<br />

eine konsequente Liberalisierung schnell<br />

Wohlstandsgewinne erzielen können.


In der Argentinien-Krise hat die Globalisierung<br />

zu wenig Positivem geführt. Wurden<br />

die Märkte zu schnell geöffnet?<br />

Nein, die Probleme Argentiniens lagen primär<br />

im Inneren. Das dortige Steuersystem funktionierte<br />

nicht reibungslos, die Wirtschaft wurde<br />

nicht wirkungsvoll geregelt.<br />

Ich komme aus Irland. Dieses ehemals arme<br />

Land hat es geschafft, im Bezug auf den Anteil<br />

unseres Bruttoinlandsprodukts, der mit externem<br />

Handel erzielt wurde, an die Spitze zu<br />

kommen. Das haben wir der Tatsache zu verdanken,<br />

dass wir die Grenzen geöffnet und uns<br />

am Handel beteiligt haben.<br />

Und erheblichen EU-Subventionen …<br />

Nein, diese hatten keine nennenswerten Auswirkungen,<br />

auch wenn sie natürlich hilfreich<br />

waren. Irland hat niemals auch nur annähernd<br />

so viel von direkten Unterstützungsmaßnahmen<br />

profitiert wie von dem Handel auf<br />

Grund seiner EU-Mitgliedschaft. Langfristig<br />

wird Irland ein Nettozahler in der EU, und das<br />

ist auch in Ordnung so.<br />

Was sagen Sie zu dem Vorwurf, die WTO sei<br />

nicht demokratisch aufgebaut?<br />

Das ist Unsinn. Die wichtigste Aufgabe der<br />

WTO ist es, Staaten beim Abschluss gemeinsamer<br />

Vereinbarungen zu unterstützen. Primär<br />

die Mitgliedstaaten also müssen für ausreichend<br />

Transparenz sorgen. Aber auch die WTO<br />

selbst kann ihre Transparenz noch verbessern.<br />

Schlichtungsgespräche könnten, abgesehen<br />

von genau festgelegten Ausnahmefällen, grundsätzlich<br />

öffentlich abgehalten werden.<br />

Was ist mit dem „Green Room“, in dem die<br />

USA und die EU sich absprechen, bevor sie<br />

in Großverhandlungen eintreten? Nicht<br />

gerade ein Musterbeispiel an Transparenz …<br />

Unter Umständen ist es ja auch sinnvoll, sich<br />

zunächst in kleineren Gruppen abzusprechen<br />

und bestimmte Dinge vorab zu klären,<br />

da die WTO heute insgesamt immerhin aus<br />

150 Mitgliedern besteht. Soweit ich weiß, sind<br />

bei diesen Konferenzen im Green Room üblicherweise<br />

auch Entwicklungsländer wie Brasilien<br />

oder Indien vertreten. Man kann wirklich<br />

nicht sagen, dass die WTO eine elitäre Veranstaltung<br />

wäre.<br />

<strong>Der</strong>zeit geht der Trend insgesamt hin zu<br />

bilateralen Handelsabkommen.<br />

Das stimmt und ist äußerst bedenklich. Nur<br />

mit neun von 149 Ländern hat etwa die EU<br />

keine besonderen Absprachen getroffen. Das<br />

ist für das gesamte multinationale System und<br />

insbesondere für die Entwicklungsländer<br />

äußerst problematisch.<br />

Weshalb?<br />

Sonderabsprachen zwingen die Entwicklungsländer<br />

(vor allem ehemalige Kolonien) häufig<br />

dazu, ihre wirtschaftlichen Systeme in eine<br />

Richtung zu lenken, die für sie langfristig nicht<br />

vorteilhaft ist. Außerdem kann dies dazu führen,<br />

dass diese Länder sich gegen eine weitere<br />

Liberalisierung sträuben, um ihre jeweiligen<br />

Besonderheiten zu schützen.<br />

Dagegen scheint die WTO machtlos.<br />

Eigentlich hatten wir uns mit unseren Mitgliedern<br />

darauf geeinigt, dass bilaterale und regionale<br />

Vereinbarungen der WTO vorher vorgelegt<br />

werden müssen. Diese Vorschrift wird<br />

jedoch üblicherweise missachtet. Solange die<br />

Mitgliedstaaten sich nicht konsequent an die<br />

LIEBLINGSBUHMANN WTO: Die World<br />

Trade Organization (WTO) steht seit ihrer Gründung<br />

1995 in der Kritik von Globalisierungsgegnern.<br />

Hauptaufgabe der Organisation mit Sitz in<br />

Genf ist es, den weltweiten Handel zu regeln. <strong>Der</strong><br />

Kern dieses Handelssystems besteht aus multilateralen<br />

Vereinbarungen. Wenn die Staaten zu<br />

keiner Einigung kommen, tritt die WTO als Schlichter<br />

auf. Die Doha-Verhandlungen haben zum Ziel,<br />

globale Handelshindernisse zu beseitigen. Von<br />

ihnen wird auch erwartet, den Welthandel zu Gunsten<br />

der Entwicklungsländer fairer zu gestalten.<br />

Vorschrift halten, kann die WTO wirklich<br />

nicht viel unternehmen.<br />

Im September hat der Franzose Pascal Lamy<br />

den WTO-Vorsitz übernommen. Lamy war<br />

vorher EU-Kommissar – das wird die Glaubwürdigkeit<br />

der WTO kaum steigern.<br />

Ich beurteile Menschen nicht nach ihrer Herkunft.<br />

Ich kenne Pascal Lamy sehr gut, und ich<br />

bin überzeugt, dass er ein hervorragender und<br />

unabhängiger Generaldirektor sein wird.<br />

Welche Fähigkeiten braucht der perfekte<br />

WTO-Chef?<br />

Zwischenmenschliches Gespür, Verhandlungsgeschick<br />

und persönliches Ansehen –<br />

ohne Letzteres wird er nur schwerlich mit den<br />

politischen Entscheidungsträgern in Kontakt<br />

treten können.<br />

Werden die WTO und die Idee des Freihandels<br />

aus der Defensive herausfinden?<br />

Man muss immer optimistisch bleiben. Ein<br />

Philosoph hat einmal gesagt: „Wenn man Prophet<br />

sein will, muss man vor allem Pessimist<br />

sein.“ Das stimmt meiner Meinung nach nicht.<br />

Ich bin im Gegenteil fest davon überzeugt, dass<br />

die Globalisierung für alle Beteiligten Vorteile<br />

bringen wird, auch wenn es auf dem Weg dorthin<br />

natürlich noch einige Hindernisse zu überwinden<br />

gilt.<br />

Wie den Terrorismus …<br />

In den meisten Fällen entsteht Terrorismus in<br />

Ländern, die sich nicht ernsthaft an Globalisierung<br />

oder freiem Handel beteiligen. Früher<br />

hatte Ägypten das gleiche Bruttoinlandsprodukt<br />

pro Kopf wie Korea. Inzwischen ist das<br />

BIP Koreas siebenmal so hoch.<br />

61


p service impressum<br />

62<br />

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Wachstum führen“ argumentiert, dass sich<br />

heute kein Unternehmen mehr auf vergangenen<br />

Erfolgen ausruhen kann. „Service-<br />

Offshoring im Trend“ zeigt, wie Europas<br />

Großunternehmen zunehmend Servicefunktionen<br />

ins Ausland verlagern.<br />

service@think-act.info<br />

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„Die glückliche<br />

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Elmar zur Bonsen, Michael Kuhli<br />

AUTOREN<br />

Richard Federowski, Frank Grünberg,<br />

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(Ltg.), Agnes Schmid, Jutta Schreiner<br />

GRAFIK/GESTALTUNG<br />

Heike Nachbaur, Kathrin Seiffert,<br />

Sabine Skrobek<br />

BURKHARD SCHWENKER,<br />

STEFAN BÖTZEL:<br />

„Auf Wachstumskurs –<br />

Erfolg durch Expansion und<br />

Effizienzsteigerung“<br />

STUART C. GILSON:<br />

„Creating Value<br />

through corporate<br />

restructuring“<br />

STUDIE:<br />

„Zum Wachstum führen“<br />

PRODUKTION<br />

Wolfram Götz (Ltg.), Rüdiger Hergerdt, Franz<br />

Kantner, Silvana Mayrthaler, Cornelia Sauer<br />

BILDREDAKTION<br />

Beate Blank (Ltg.), Silvia Erhard, Mitra Nadjafi<br />

BILDNACHWEISE<br />

Titelbilder: Linda Brownlee, Owen Egan, HBS;<br />

S. 2 Jun Takagi; S. 3 Hans-Bernhard Huber/<br />

laif; S. 4–5 Sylvia Neuner, HMS, Robert Laska/<br />

Forum, Courtesy Hewlett-Packard Development<br />

Company, L.P.; S. 6–7 Sebastian Ibler,<br />

Sylvia Neuner; S. 8 Arnulf Hettrich/FNOXX,<br />

Detlef Westerkamp/Ostkreuz; S. 9 Robert<br />

Laska/Forum; S. 11 Arnulf Hettrich/FNOXX,<br />

Detlef Westerkamp/Ostkreuz; S. 12 Patrick<br />

Enge/Medicalpicture; S. 14 Boeing Images;<br />

S. 15 Courtesy Hewlett-Packard Development<br />

Company, L.P.; S. 16 Brand X Pictures; S. 17<br />

Henning Maier-Jantzen; S. 18 Robert Landau/<br />

Corbis; S. 19 Courtesy of Australian Capital<br />

Tourism; S. 20 Alex Majoli/Magnum Photos/<br />

Focus; S. 22 Bettmann/Corbis; S. 24 Karstadt-<br />

Quelle AG; S. 25 Gaby Gerster/laif, Michael<br />

Dannenmann; S. 26 picture-alliance/dpa;<br />

HENRY MINTZBERG:<br />

„Manager statt MBAs“<br />

STUDIE:<br />

„Service-Offshoring im<br />

Trend“<br />

<strong>Der</strong> think: act-Autor Constantinos Markides, Professor an der London Business School, wurde jetzt für den renommierten „Business Book of<br />

the Year“-Preis von Financial Times und Goldman Sachs nominiert. Titel des geehrten Buches, das Managementdenker Markides zusammen<br />

mit Paul A. Geroski verfasst hat: „Fast Second. How Smart Companies Bypass Radical Innovation to Enter and Dominate New Markets“.<br />

<strong>Der</strong> Gewinner wird Ende November gekürt.<br />

S. 28 ABB; S. 29 Biotest, General Electric;<br />

S. 30 HBS; S. 32–34 Joachim E. Röttgers/Graffiti;<br />

S. 36 Max von Eicken; S. 38 Sylvia Neuner;<br />

S. 40 Sylvia Neuner, James Leynse/Corbis;<br />

S. 42 Li Jiangsong/Imagine-china, Fritz Hoffmann/documentChina;<br />

S. 43 Fritz Hoffmann/<br />

documentChina; S. 45 HMS; S. 46 Antony<br />

Edwards/Getty Images, LMU München/<br />

Department für Physik; S. 47 Z Corporation;<br />

S. 49 Owen Egan, IMD; S. 52–54 PR; S. 56–57<br />

Bill Jackson; S. 59–60 Linda Brownlee; S. 61<br />

picture-alliance/dpa; S. 63 Claus Lehmann<br />

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Pinsker Druck und Medien GmbH,<br />

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