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Impressum<br />
sTADT <strong>EsslingEn</strong> <strong>AM</strong> <strong>nECKAR</strong> © 2009<br />
stadtplanungs- und stadtmessungsamt<br />
www.esslingen.de<br />
Texte: Dr. P. Hövelborn, C. Keinath,<br />
s. schwarzenbek<br />
Redaktion: Barbara landwehr<br />
gestaltung: design4eyes<br />
Foto Rückseite: Krishna lahoti<br />
Mit finanzieller Unterstützung durch:<br />
Wolher ins bad reich unde arm,<br />
das ist jetzund geheizet warm<br />
Gemeinsamer Badegenuss<br />
Die mittelalterliche Badestube diente nicht nur der Reinigung,<br />
der Körperpflege und der medizinischen Versorgung, sie war<br />
auch ein Ort der Entspannung und geselligkeit. gebadet wurde<br />
zuerst in öffentlichen schwitzstuben, erst später gab es<br />
Wannenbäder.<br />
Die stolze Zahl von 26 Badern<br />
im Jahre 1384 und die nennung<br />
von 10-12 Badestuben (seit<br />
1297) zeigt die Wichtigkeit, die<br />
das Baden im Alltagsleben hatte.<br />
stadtbedienstete bekamen in vielen<br />
städten „von amptz wegen<br />
battgelt“. Handwerker machten<br />
am samstagabend „Badschicht“.<br />
Man gab ihnen auch ein Badegeld<br />
so wie man heute Trinkgeld<br />
gibt. Maienbäder und Hochzeitsbäder<br />
zeigten, dass das<br />
Baden seinen Platz in verschiedensten<br />
Ritualen hatte.<br />
Den Armen wurden „seelbäder“<br />
gestiftet, um auch ihnen das<br />
Baden zu ermöglichen.<br />
1547 mussten die Badepreise<br />
aufgrund des Holzmangels stark<br />
erhöht werden. Aufkommende<br />
Krankheiten (syphilis) und eine<br />
zunehmende Angst vor den gesundheitsgefahren<br />
des Wassers<br />
führten zum allmählichen Ende<br />
des öffentlichen Badewesens.<br />
1562 wurde von einem Esslinger Bürger am Ottilienplatz<br />
schwefelhaltiges Wasser entdeckt, das zur Einrichtung eines<br />
Heilbades, des ilgenbads, führte. Der große Zustrom an Besuchern<br />
führte dazu, es 1595 ins Zunfthaus der Tucher zu verlegen.<br />
Das ilgenbad bestand bis ins 18. Jahrhundert, auch wenn<br />
die Besucherzahl über die Jahre deutlich abnahm.<br />
Zu allen Zeiten wurde aber zum reinen Vergnügen im neckar<br />
geschwommen, zum Teil auch in offiziellen Badeanstalten. im<br />
19. Jhd. standen mit der Ära des Volksbades die Körperhygiene<br />
und die „leibesertüchtigung“ im Vordergrund. Beim<br />
Merkel’schen schwimmbads - 1907 von Oskar Merkel den<br />
Bürgern gestiftet - zeigte sich, dass auch dies mit großem Badegenuss<br />
zu verbinden war. Das schwimmbad ist heute eines<br />
der letzten Jugendstilbäder und wurde erst jüngst erfolgreich<br />
saniert.<br />
EsslingE n <strong>AM</strong> n ECKAR<br />
Aspekte des Stadtlebens<br />
Historisches Genießen
Historische Orte des Genusses<br />
gasthäuser und Badestuben, Feste und Märkte prägten deutlich<br />
das leben in der stadt Esslingen und werfen heute Fragen<br />
an die geschichte auf: wer hatte Zugang zu Festen, welche<br />
Verhaltensregeln gab es, wurde genuss und „allzu große Üppigkeit“<br />
reguliert? Feierte sich eine Bürgerstadt oder wurden<br />
von einem Herrscher elitäre Feste veranstaltet und wie grenzte<br />
sich die stadt mit ihren Festen vom Dorf ab? Wie wurde vor<br />
und nach der Reformation mit genuss umgegangen, wie viel<br />
war erlaubt, wie viel gewünscht? Das Beobachten dieser Traditionen<br />
gibt über die Jahrhunderte hinweg Aufschlüsse über<br />
die stadt und ihre Bewohner.<br />
Feste und Märkte<br />
Erlebniswelten damals und heute<br />
in der Reichsstadt Esslingen gestalteten sich die festlichen<br />
Ereignisse umfangreicher als in einem Dorf. Es waren nicht<br />
die Kirchweihen am Dorfplatz unter der linde sondern die<br />
Jahrmärkte mit ständen zahlreicher fremder Kaufleute, mit<br />
schaustellern, gauklern und auch mit fahrenden Ärzten, die<br />
das leben in der stadt ausmachten. so manches unehrliches<br />
Volk wurde aber auch von den stadtknechten rasch wieder vor<br />
die Tore befördert.<br />
Die Vielfalt der Wochenmärkte, des Kornmarktes am Korn- und<br />
steuerhaus, des Krautmarktes oder des Fischmarktes mit dem<br />
Brunnen brachten attraktive Abwechslung im Alltag des Mittelalters,<br />
hier war die Welt des Handels und der verlockenden<br />
Waren. Diese Welten schafften für die Bürger einen Ausgleich<br />
zum leben mit strengen Regeln der Arbeit, der Zünfte oder<br />
dem Regiment der Kirche<br />
Dr. Karl Pfaff, aus: Geschichte der Reichsstadt Esslingen, 1841<br />
Zur Fassnacht wurden auch die Reichsstädter mobil. Der Wunsch,<br />
sich aus den täglichen Bindungen zu lösen wurde mit mahnenden<br />
Verweisen auf die Ordnung begleitet .<br />
Mit der Reformation wurde manches an traditioneller Festlichkeit<br />
bei Hochzeiten, auf der Bürgerstube oder in den sälen der stadt<br />
reglementiert, um dem Übermaß an Festen und Feiern Einhalt zu<br />
gebieten.<br />
Der schwörtag jedoch war von 1392-1801- dem Ende der reichsstädtischen<br />
Zeit - die wichtigste öffentliche Feier der stadt. Dies war<br />
der Tag der Versammlung der Bürger als schwurgemeinde, welche<br />
die Regeln des Zusammenlebens und die Autoritäten für das kommende<br />
Jahr beschwörte und danach feierte. Der heutige schwörtag<br />
wird in Erinnerung hieran wieder begangen.<br />
Die Schwörtagsfeier im Schwörhof 1789<br />
Palle-Maille Spiel auf dem Brückenwasen, heute Maille<br />
in Esslingen feierte die bürgerliche stadtbevölkerung tadtbevölkerung und nicht eine<br />
höfische gesellschaft. so o wurde auch die Maille, der zentrale Wasen,<br />
zum Raum für spiele piele in der späten reichsstädtischen Zeit. Auch in<br />
den nach-reichsstädtischen Festen der sänger änger und Turner auf der<br />
Burg und der Maille zeigt sich Esslingen als die stadt der Bürgerschaft.<br />
Gasthäuser in Esslingen im späten Mittelalter<br />
in Esslingen gab es zweierlei Ausschankformen, der zeitlich begrenzte<br />
Weinausschank der gassenwirte und die ganzjährig geöffneten<br />
gasthäuser. Daneben gab es noch nicht-öffentliche Einrichtungen<br />
wie die Bürgerstube und die Zunfthäuser.<br />
grundsätzlich war es jedem Bürger erlaubt, Wein aus eigener Herstellung<br />
zum Mitnehmen auf die gasse zu verkaufen, bewirten<br />
durften sie aber nicht. Die große Anzahl an gassenwirtschaften veranlasste<br />
die Wirte der gasthäuser zu häufigen Klagen beim Rat, da<br />
sie eine starke Konkurrenz darstellten.<br />
Der Fabrik-Kaffee um 1860<br />
Die Zahl der gasthäuser schwankte in Esslingen des späten<br />
Mittelalters zwischen 5 und 13. nur gasthäuser durften warmes<br />
Essen, sitzgelegenheiten und Zimmer anbieten. Zu Trinken<br />
schenkten die Wirte jeweils zwei verschiedene Weinsorten<br />
und Qualitätsstufen aus: roten und weißen, alten und neuen<br />
Wein.<br />
Als fester Bestandteil des öffentlichen lebens vermittelte das<br />
Trinken im gasthaus - neben der notwendigen Flüssigkeitsaufnahme<br />
- soziale Zusammengehörigkeit und manifestierte<br />
die männliche Ehre. Für die Menschen bedeutete ein Aufenthalt<br />
mehr als nur Freizeitaktivität. Alle wichtigen sozialen<br />
Ereignisse wie Hochzeiten, Vertragsabschlüsse oder Arbeitsvermittlungen<br />
fanden im gasthaus statt und es war für die<br />
stark analphabetisch geprägte gesellschaft oft die einzige<br />
Möglichkeit zum Austausch von informationen. Für Männer<br />
war das Trinken meist mehr als nur Konsum. sie testeten und<br />
bekräftigten durch Trinkbräuche Ehre, stolz und ihre soziale<br />
stellung. Darüber hinaus erfüllten die gasthäuser auch wichtige<br />
öffentliche Ordnungsfunktionen, indem sie eine Kontrolle<br />
über die Fremden in der stadt ausübten.