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April 2009 Liebes Land Selbst gemacht Leben und Wohnen Im ...

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Titelfoto: imago<br />

Foto: Schahl<br />

Deutschlands kleinste Dörfer<br />

Zwischen Idylle <strong>und</strong> Internet: In Deutschlands kleinsten Dörfern gehen die<br />

Uhren anders. Wie lebt es sich in einem Ort mit gerade mal zehn Einwohnern?<br />

Ohne Arzt <strong>und</strong> Supermarkt? <strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong> war vor Ort.<br />

6<br />

Foto: Lechner<br />

Betschnur aus Bohnen<br />

Schwelgen<br />

in Glanzbildern<br />

Hannelore Spanrunfts Rosenkränze bestehen aus harten<br />

Bohnenkernen. Wie die kleinen Kunstwerke aussehen <strong>und</strong><br />

wie sie geknüpft werden, steht auf Seite 118.<br />

130<br />

Alle Wetter!<br />

14<br />

Poesie-Alben sind<br />

Schatzkisten der Kindheit.<br />

Jeder erinnert sich an die<br />

Sprüche vom frohen Mops<br />

im Haferstroh. Wir haben<br />

in alten Alben geblättert<br />

<strong>und</strong> viele verrückte Verse<br />

gef<strong>und</strong>en. Lachen Sie mit<br />

auf Seite 14.<br />

Zwölf Nächte reichen dem Wetterpropheten Peter Scheidl,<br />

um das Wetter des kommenden Jahres vorherzusagen.<br />

Meistens liegt er dabei richtig. Auch für den <strong>April</strong>?<br />

Foto: imago<br />

Foto: Schahl<br />

Inhalt <strong>April</strong> <strong>2009</strong><br />

<strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

Geschlossene Gesellschaft<br />

Das <strong>Leben</strong> in Deutschlands kleinsten Dörfern . . . . 6<br />

Voller Poesie<br />

Die schönsten Sprüche aus Poesiealben . . . . . . . 14<br />

Mit Biereifer<br />

Fünf Fre<strong>und</strong>e retten eine alte Brauerei . . . . . . . . 22<br />

Alles Gegacker<br />

Teil I: Alte Hühnerrassen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

In Schale geworfen<br />

Warum bringt der Hase die Ostereier? . . . . . . . . 38<br />

Mozzarella made in Germany<br />

Wie Brandenburger das Geheimnis<br />

des Büffelkäses fanden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42<br />

<strong>Selbst</strong> <strong>gemacht</strong><br />

Seiten verkehrt<br />

Alte Bücher: Wie verschwindet<br />

der Modergeruch? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46<br />

Gut Holz<br />

Ein Regal für Flohmarkt-Schütten . . . . . . . . . . . . 50<br />

<strong>Leben</strong> <strong>und</strong> <strong>Wohnen</strong><br />

Hollands Schönste<br />

Tulpen bringen Frühlingsstimmung ins Haus . . . . 54<br />

Haustür-Geschäfte<br />

Bunte Traditions-Türen von der Ostsee . . . . . . . . 60<br />

<strong>Im</strong> grünen Bereich<br />

Vom Winde verweht<br />

W<strong>und</strong>erwerke der Natur:<br />

Pollen unterm Mikroskop . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66<br />

Fit für den Frühling<br />

Die wichtigsten Garten-Arbeiten im <strong>April</strong> . . . . . . 70<br />

Blüte aus der Tüte<br />

Wie Sie auf der Fensterbank<br />

eigene Sommerblüher ziehen . . . . . . . . . . . . . . . . 76<br />

Küche <strong>und</strong> Kochen<br />

Leicht-fertig<br />

Buntes Oster-Menü für die Feiertage . . . . . . . . . . 90<br />

Großmutters Rezepte<br />

Senfeier, Rettichmus <strong>und</strong> Eierlikör<br />

aus Omas Kochbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94<br />

Auf Sand gebaut<br />

Märkische Küche – futtern wie Fontane . . . . . . . 96<br />

Kinderleichte Küche<br />

Soßen mit Nuss- <strong>und</strong> Macadamiaöl . . . . . . . . . . 100<br />

Wild auf Wild<br />

<strong>Im</strong> Jagdhaus Rech kommt nur Frisches<br />

auf den Tisch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102<br />

Eine ausgesuchte Delikatesse<br />

Lammrücken-Filet für Feinschmecker . . . . . . . . . 106<br />

Altes Wissen<br />

Heilige Nachbarin<br />

Die W<strong>und</strong>er des schwarzen Hol<strong>und</strong>ers . . . . . . . . 114<br />

Beten mit Bohnen<br />

Hannelore Spanrunft knüpft<br />

Rosenkränze aus Bohnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118<br />

Du lieber Himmel!<br />

Die Sterne im <strong>April</strong>: Auftritt einer<br />

heißen Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122<br />

Das Fell gegerbt<br />

Warum Schaffelle eine eingebaute<br />

Klimaanlage haben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124<br />

Durch Hochs <strong>und</strong> Tiefs<br />

Was Wetterpropheten für <strong>April</strong> vorhersagen . . . 130<br />

Mutter Natur<br />

Schwarz gesehen<br />

Warum der Schwarzstorch<br />

als Pechvogel galt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Ständige Rubriken<br />

Willkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3<br />

Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

<strong>Im</strong>pressum/Leserbriefe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20<br />

Über <strong>Land</strong> – Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36<br />

Marktplatz mit Kleinanzeigen . . . . . . . . . . . . . . . 80<br />

Über <strong>Land</strong> – Neues & Nützliches . . . . . . . . . . . . . 88<br />

Dorf-Geschichten: Bauer sucht Frau . . . . . . . . . . 128<br />

Vorschau auf das nächste Heft . . . . . . . . . . . . . 144<br />

<strong>Land</strong> unter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146<br />

Hühner mit Vergangenheit<br />

Alte Hühnerrassen waren fleißige Leger statt laute Kräher. Es gibt sie noch. Wir sagen Ihnen,<br />

welche Rassen Sie hinterm Haus halten können. Und warum manche Hühner schlauer als Kinder sind.<br />

Die Oster-Geheimnisse<br />

Was hat Abraham Lincoln mit Ostereiern<br />

zu tun? Warum legt der Hase <strong>und</strong> nicht<br />

das Huhn die Eier? Kuriose Osterbräuche<br />

<strong>und</strong> ihre Hintergründe.<br />

Der Tür-Hüter<br />

Füür<br />

klleeiinne FFrröösschee<br />

Schlau <strong>gemacht</strong> mit Fröschli<br />

Seite 108<br />

Gute-Nacht-Geschichte<br />

Seite 112<br />

Tischlermeister Hans-Jürgen Roloff hat ein<br />

Händchen für Kleinode. Auf der Ostsee-Halbinsel<br />

Darß restauriert er bunt bemalte Fischertüren<br />

<strong>und</strong> bewahrt die alten Schätze.<br />

4 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong> 4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 5<br />

Foto: IZB<br />

54<br />

28<br />

38<br />

Foto: imago<br />

Foto: K.Hauptmann<br />

Fröhliche Farbtupfer<br />

Zaubern Sie mit rosaroten <strong>und</strong> pfirsichfarbenen<br />

Tulpen besondere Farbkombinationen ins<br />

Haus. Frühlingsgestecke als Anregung finden<br />

Sie auf Seite 54.<br />

60<br />

Foto: Zelt<br />

Foto: Lampert


<strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

In Deutschlands kleinsten Dörfern gibt es ein <strong>Leben</strong><br />

jenseits von Hektik <strong>und</strong> Komfort. Ohne eigenen Arzt <strong>und</strong><br />

<strong>Leben</strong>smittel-Laden besinnen sich die Einwohner auf<br />

das Wesentliche.<br />

Geschlossene<br />

Gesellschaft<br />

6 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

Zwischen den Flüsschen Our <strong>und</strong><br />

Kyll, hinter den Hügeln der Eifel,<br />

liegen die rheinland-pfälzischen<br />

Zwerge: Minidörfer mit ein paar Einwohnern,<br />

einer Handvoll Häuser <strong>und</strong> einer<br />

Straße. Ein <strong>Leben</strong> wie vor h<strong>und</strong>ert Jahren.<br />

Aber nur auf den ersten Blick. Die we-<br />

nigsten Zwergdörfer leben noch von der<br />

<strong>Land</strong>wirtschaft, viele haben nicht mal<br />

mehr einen Bauernhof. Als das Gemeindereform-Gesetz<br />

in den 1970er Jahren<br />

die Zwerg-Siedlungen weitgehend abschaffte,<br />

bewahrten Schleswig-Holstein<br />

<strong>und</strong> Rheinland-Pfalz die Eigenständigkeit<br />

Fotos: imago (2); Schahl: © M.W., © Antje Lindert-Rottke/Fotolia.com<br />

ihrer Kleinsten. Deshalb hat selbst das<br />

fünf Einwohner kleine Dorf Wiedenborstel<br />

bis heute einen eigenen Bürgermeister.<br />

Der kümmert sich um die Steuern,<br />

stellt den Haushaltsplan auf <strong>und</strong> diskutiert<br />

mit der Gemeinde, ob die neue Parkbank<br />

braun oder grün werden soll.<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 7


<strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

Mit Poesiealben ist es wie mit<br />

Schokolade: Zu viel davon ist<br />

unverdaulich, aber kleine Häppchen<br />

zaubern einen süßen Nachgeschmack.<br />

Deshalb bringt es niemand übers<br />

Herz, den leicht kitschigen Schatz aus der<br />

Kindheit zu entsorgen. Zum Glück für Elisabeth<br />

Schreyl. Vor Jahren reiste die<br />

heute 75jährige Rentnerin nach Ungarn,<br />

weil sie das Haus noch einmal sehen<br />

wollte, in dem sie vor dem Krieg aufwuchs.<br />

Die jetzigen Bewohner zogen ein<br />

vergilbtes Gebilde hervor – ihr altes Poesiealbum.<br />

„Die Leute sprachen kein<br />

Deutsch, aber ein Gefühl sagte ihnen, den<br />

verfleckten Leinenband mit den lustigen<br />

Zeichnungen <strong>und</strong> Scherenschnitten nicht<br />

wegzuwerfen“, erzählt Elisabeth Schreyl.<br />

In dem Album, das einst von der Kusine<br />

zur Klassenkameradin <strong>und</strong> zur Taufpatin<br />

wanderte, reihen sich pädagogisch<br />

kluge Eltern-Tipps („Wandle stets auf<br />

guten Wegen, bleibe sittsam, fromm <strong>und</strong><br />

rein, dann wird Gottes reicher Segen<br />

überall auch bei Dir sein“) an bleischwere<br />

Ideale, die der Klassenlehrer von<br />

Goethe übernahm: „Edel<br />

sei der Mensch, hilfreich<br />

<strong>und</strong> gut.“ Rotbackige<br />

Clowns <strong>und</strong> lebensgroße<br />

Schmetterlinge flankieren<br />

die Sprüche. Solche<br />

Glanzbilder stellten viele<br />

europäische Firmen ab<br />

Mitte des 19. Jahrh<strong>und</strong>erts<br />

her. Damals machte<br />

die Chromlithografie, ein besonderes<br />

Druckverfahren, erstmals<br />

die Herstellung von Sammelbögen mit<br />

mehreren Bildern möglich. Diese wurden<br />

mit Kartoffelstärke als Kleber in Poesiealben,<br />

auf Postkarten oder Briefe gepappt.<br />

Als der Zweite Weltkrieg begann <strong>und</strong><br />

Väter <strong>und</strong> Brüder an der Front starben,<br />

kaufte kaum noch jemand bunte Bilder.<br />

16jährige Mädchen schrieben ernst von<br />

„des <strong>Leben</strong>s Not <strong>und</strong> Weh“, empfahlen<br />

Demut <strong>und</strong> hielten das „liebe Mütterlein“<br />

hoch. Zwischen die holzfaserigen Seiten<br />

legten die Backfische höchstens noch eine<br />

gepresste Blume.<br />

Fotos: Schahl<br />

Voller<br />

Poesie<br />

Strenge Lehrer, wohlmeinende Tanten,<br />

die besten Fre<strong>und</strong>innen <strong>und</strong> die doofsten<br />

Jungs hinterließen hier ihre Sprüche.<br />

Poesiealben sind der Spiegel der Kindheit.<br />

Sie werden immer wertvoller.<br />

14 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

Schwelgen in Sütterlin<br />

„Findest Du in späten Tagen dieses Blatt,<br />

dann soll es sagen, denk in Freude <strong>und</strong> in<br />

Glück stets an Deinen Fre<strong>und</strong> zurück“, schrieb<br />

Emil aus Hadmersleben am Harz 1880 (ganz links).<br />

Ganz unten: „Schiffe ruhig weiter, bis der Mastbaum<br />

bricht, Gott ist Dein Begleiter, er verläßt<br />

Dich nicht.“ Leichter zu entziffern: Das Album<br />

aus den 1960ern (links <strong>und</strong> kleines Foto).<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 15


Alles<br />

Gegacker<br />

Hühner sind dumm <strong>und</strong> langweilig?<br />

Pustekuchen! Erfahren Sie Wissenswertes<br />

<strong>und</strong> Kurioses über Hühnerhaltung <strong>und</strong> alte<br />

Haushuhnrassen, Langkräher <strong>und</strong> die Art,<br />

wie Hühner sich miteinander unterhalten.<br />

Teil 1<br />

Der Urlaub auf dem Bauernhof<br />

könnte so schön sein, wenn da<br />

nicht Oskar wäre. Jeden Morgen,<br />

kurz vor halb sechs, stolziert er in den<br />

Hof, wirft sich in die Brust <strong>und</strong> schmettert<br />

herausfordernd sein „Kikeriki“ in die<br />

klare <strong>Land</strong>luft.<br />

Sein Krähen ist ausdauernd, <strong>und</strong> vor<br />

allem ist es ansteckend. Schnell fallen die<br />

Nachbarhähne in das morgendliche Konzert<br />

ein <strong>und</strong> liefern sich ein akustisches<br />

Duell, das Oskar locker gewinnt. Denn<br />

Oskar ist ein Bergischer Kräher <strong>und</strong> klar<br />

im Vorteil. Rassebedingt ist sein Krähruf<br />

zwar nicht lauter, aber auffälliger <strong>und</strong> bis<br />

zu fünfmal so lang wie der anderer Hühnerrassen.<br />

Die Langkräheigenschaft ist<br />

sogar fest im Zuchtziel verankert <strong>und</strong><br />

wird in regelmäßigen Krähwettbewerben<br />

selektiv gefestigt <strong>und</strong> verstärkt.<br />

Oskar macht seiner Rasse alle Ehre.<br />

Er ist der unangefochtene Misthaufenkönig<br />

der Region <strong>und</strong> kräht, als gehe es um<br />

sein <strong>Leben</strong>. In gewisser Weise tut es das<br />

auch. Denn der Bergische Kräher ist stark<br />

gefährdet. Gemeinsam mit elf anderen<br />

alten deutschen Haushuhnrassen steht er<br />

auf der roten Liste der vom Aussterben<br />

bedrohten Nutztierrassen. Weitere fünf<br />

sind „zur Bestandsbeobachtung“ vorgemerkt.<br />

Da es nur etwa zwei Dutzend<br />

deutsche Hühnerrassen gibt, sind das<br />

eine ganze Menge.<br />

Hühner wurden in Deutschland zwar<br />

schon in der frühen Eisenzeit gehalten,<br />

hatten aber nie den Stellenwert wie beispielsweise<br />

in Frankreich. Sie liefen auf<br />

den Höfen mit <strong>und</strong> mussten sich ihr Futter<br />

weitgehend selbst suchen. Verschiedene<br />

Typen <strong>und</strong> Schläge waren zwar bekannt,<br />

eine gezielte Zuchtarbeit entstand<br />

in Deutschland aber erst Mitte des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts.<br />

Damals wurden auch die ersten Züchtervereinigungen<br />

gegründet. Ziel war die<br />

Züchtung robuster, anspruchsloser <strong>Land</strong>hühner.<br />

Neben reinen Fleisch- oder Legehühnern<br />

entstanden so genannte Zwiehuhnrassen,<br />

die eine gute Legeleistung<br />

mit gutem Fleischansatz kombinieren.<br />

Fotos: Lampert<br />

<strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

Das S<strong>und</strong>heimer Huhn in Trinkhaltung:<br />

Es lässt sich das Wasser in die Kehle<br />

rinnen, indem es den Kopf zurücklegt.<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 29


In Schale<br />

geworfen<br />

Die Wurzeln des Osterfestes reichen<br />

bis zu den Anfängen der<br />

Menschheit zurück. In dieser<br />

Urzeit gab es keine Gefriertruhen, keine<br />

Sonnenbänke, keine Elektrizität. Wenn<br />

die Sonnenst<strong>und</strong>en nach Mittsommer<br />

täglich weniger wurden, verkrochen die<br />

Menschen sich in ihre Höhlen. Ein rußi-<br />

Fotos: © Heino Richter, © Barbara Eckholdt/Fotolia.com; Montage <strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

ges Feuer war die einzige Lichtquelle, das<br />

Wasser war gefroren, es gab keine frische<br />

Nahrung mehr.<br />

Erst wenn Mitte März die Düsternis<br />

wich, erwachten Mensch <strong>und</strong> Natur zu<br />

neuem <strong>Leben</strong>. Die Hühner hatten ein halbes<br />

Jahr lang keine Eier gelegt. Nur wenn<br />

ein Huhn täglich mindestens zwölf Stun-<br />

Warum legen zu Ostern<br />

ausgerechnet Hasen<br />

die bunten Eier ins Nest?<br />

Wie entstanden andere<br />

Osterbräuche?<br />

den Sonnenlicht bekommt, spürt es den<br />

Anreiz zum Eierlegen. Klar, dass sich unsere<br />

Vorfahren riesig über das erste gef<strong>und</strong>ene<br />

Ei freuten. Liegt hier der Ursprung<br />

des heutigen Ostereiersuchens?<br />

Verbürgt ist nur, dass der amerikanische<br />

Präsident Abraham Lincoln das Ostereiersuchen<br />

populär machte. Er ließ im Jahr<br />

38 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

1862 h<strong>und</strong>erte Eier als Symbol der Hoffnung<br />

im Garten des Weißen Hauses verstecken<br />

<strong>und</strong> von Kindern suchen. Damit<br />

wollte Mr. President dem vom Bürgerkrieg<br />

gedemütigten amerikanischen Volk<br />

neuen Mut machen. Das Ostereiersuchen<br />

schwappte über den großen Teich <strong>und</strong><br />

wurde vor allem in den evangelischen<br />

Gegenden Deutschlands zum Volksbrauch.<br />

<strong>Im</strong> katholischen Raum weihten<br />

Priester die Eier als Symbol für den Neubeginn<br />

des <strong>Leben</strong>s.<br />

Hartgekochte Eier<br />

als harte Währung<br />

Farbe bekannten die Ostereier hierzulande<br />

schon im 12. Jahrh<strong>und</strong>ert. <strong>Im</strong><br />

Mittelalter galten Eier als flüssiges Fleisch<br />

<strong>und</strong> durften deshalb in der 40tägigen Fastenzeit<br />

vor Ostern nicht verspeist werden.<br />

So häuften sich zwischen Aschermittwoch<br />

<strong>und</strong> Ostern jede Menge Eier an.<br />

Um sie haltbar zu machen, kochte man<br />

sie hart. Zur Unterscheidung von den<br />

rohen Eiern gab man färbende Pflanzen<br />

mit ins Kochwasser: Das bunte Osterei<br />

war geboren. Auch das Einlegen in Salzlake<br />

diente dem Konservieren, so entstanden<br />

die Soleier. Die haltbaren Eier<br />

waren ein beliebtes Zahlungsmittel für<br />

den Gr<strong>und</strong>- <strong>und</strong> Bodenzins, der um Gründonnerstag<br />

herum fällig war.<br />

Später wurden die Ostereier mit Reimen<br />

beschrieben <strong>und</strong> mit Bildchen beklebt.<br />

Die von den Franzosen mit kostbaren<br />

Edelsteinen geschmückten Fabergé-<br />

Eier tauchten sogar auf der Weltausstellung<br />

1900 in Paris auf. Jedes <strong>Land</strong> entwickelte,<br />

gemäß seinem Brauchtum <strong>und</strong><br />

seiner Topografie, eine charakteristische<br />

Art des Eierschmucks. In Mittel- <strong>und</strong> Osteuropa<br />

bastelte man Binseneier, in Mähren<br />

Stroheier. Sorbische Ostereier wur-<br />

Schmucke Sache:<br />

Traditionelle<br />

Osterbrunnenkrone.<br />

den gekratzt oder geätzt. Die Österreicher<br />

verzierten gefärbte Eier mit einer in Salzsäure<br />

getauchten Stahlfeder. In Russland<br />

badeten die Eier erst in flüssigem Wachs<br />

<strong>und</strong> dann in Farbe. In der Ukraine wurden<br />

auf Pysanky („die Geschriebenen“) Ornamente<br />

<strong>und</strong> Figuren gezeichnet.<br />

In Deutschland ist mittlerweile alles<br />

erlaubt, was der Bastelladen oder die eigene<br />

Kreativität hergeben. Eier werden<br />

<strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

Edelstein-Eier kamen in Paris groß heraus<br />

gebatikt, umhäkelt, in Zwiebelschalen gebadet.<br />

Der Trend geht zu natürlich gefärbten<br />

Eiern. <strong>Im</strong>merhin bemalen laut<br />

einer Focus-Umfrage 65 Prozent aller<br />

Deutschen Ostereier.<br />

Schokoladen-Ostereier sind erst seit<br />

etwa 250 Jahren im korrekten Sinn des<br />

Wortes in aller M<strong>und</strong>e. Kakao, der Gr<strong>und</strong>stoff<br />

der süßen Leckerei, kam mit den<br />

spanischen Eroberern aus Mittel- <strong>und</strong><br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 39<br />

Foto: imago


<strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong><br />

Mozzarella<br />

made in Germany<br />

Was die Italiener können, können deutsche Käser<br />

erst echt. Obwohl die Südländer recht verschwiegen<br />

sind, haben sich einige <strong>Land</strong>wirte das Rezept der<br />

Büffelkäsekugel selbst beigebracht.<br />

Ganz entspannt auf der Alb: Helmut<br />

Rauscher <strong>und</strong> Büffelbulle Berlusconi<br />

Lecker mit Basilikum <strong>und</strong> Tomaten: Albzarella von aufgeweckten Büffeln.<br />

Annelie, Odett <strong>und</strong> Judith sind sehr<br />

sensibel. Und treu. Für Seiten<br />

sprünge haben die Wasserbüffel<br />

weibchen nichts übrig. Wenn sie sich an<br />

einen Menschen gewöhnt haben, dann<br />

soll der bitte schön genauso treu sein.<br />

Dann geben Annelie, Odett <strong>und</strong> Judith<br />

auch alles. Ihre Milch.<br />

Auf dem Biohof im brandenburgischen<br />

Jüterbog nähert sich deshalb ein<br />

neuer Melker äußerst vorsichtig den Tieren.<br />

Der „darf in den ersten Tagen gar<br />

nichts sagen“, erklärt Elke Henrion. Dann<br />

gehe er „langsam an die Kuh ran“, ehe er<br />

Wochen später erstmals das Melkgeschirr<br />

ansetzt.<br />

In der Nähe des Flüsschens Nuthe grasen<br />

im märkischen Sand 190 Wasserbüffel,<br />

60 davon Weibchen. Es ist gerade<br />

zwölf Jahre her, als Elke <strong>und</strong> Henri Henrion<br />

zusammen mit Uwe Höft den Vierseiten-Hof<br />

kauften, den die Großeltern von<br />

Henri einst aufbauten. Ein Jahr danach<br />

holten sich die Henrions Büffel aus Bulgarien,<br />

dreißig Damen <strong>und</strong> zwei Herren.<br />

Auf den Feldern zahlreicher italienischer<br />

Klöster zogen Wasserbüffel schon<br />

im späten Mittelalter die eisernen Pflüge.<br />

In den christlichen Gemäuern enstand<br />

manch würziger Käse aus der Milch. Und<br />

so passt es ganz gut, dass Mönche der<br />

Abtei „San Lorenzo ad Septinum“ vor den<br />

Toren Aversas, nördlich von Neapel, im<br />

15. Jahrh<strong>und</strong>ert den vorbeiziehenden Pilgern<br />

eine Mozza, ein Stück abgeschnittenen<br />

Käse mitsamt einem Kanten Brot, gereicht<br />

haben sollen. Diese milde Gabe gilt<br />

seither als die Geburtsst<strong>und</strong>e des Mozzarellas,<br />

da das italienische Wort Mozza<br />

„abreißen“ bedeutet. Seit 1996 ist der<br />

„Mozzarella di Bufala Campana“ als<br />

Marke EU-weit geschützt. Der Name<br />

Mozzarella dagegen nicht. Auch deswegen<br />

kennen die meisten Deutschen<br />

den Mozzarella nur als leicht wässrigen<br />

Kuhmilch-Käse aus Plastik-Tütchen.<br />

Den Weg zum Mozarella<br />

pflastern viele Irrtümer<br />

Auf dem handwerklichen Weg zum<br />

Büffel-Original müssen die Jünger der<br />

italienischen Meister offenbar erst mal<br />

deren selbst auferlegtes Schweigegelübde<br />

brechen. Dabei klingt alles nicht allzu<br />

kompliziert. Zur Milch kommt Lab, es entsteht<br />

eine löchrig-gelbliche Masse im<br />

Kessel, die Milch dickt ein. Der Käsemeister<br />

schneidet mit einem harfenähnlichen<br />

Stahlgitter die Büffelmilchmasse auseinander,<br />

auf die kleinen Klumpen fließt später<br />

80 Grad heißes Wasser. Der Käser<br />

knetet den Teig, zieht ihn, bis er weich<br />

<strong>und</strong> geschmeidig ist, schneidet ihn in<br />

Stücke <strong>und</strong> formt die traditionelle Kugel.<br />

Nichts leichter als das, dachten sich<br />

deutsche Mozzarella-Fans wie etwa die<br />

Almbauern Eva <strong>und</strong> Helmut Rauscher aus<br />

dem bayerischen Ödenwaldstetten. Zuvor<br />

besuchten sie einige Firmen in Italien.<br />

Und erfuhren nichts. Deshalb blieb ihnen<br />

nichts anderes übrig, als zu „probieren,<br />

bis man’s kann“. Wie viel versauten, weil<br />

versauerten Käse er wegwerfen musste,<br />

weiß Helmut Rauscher nicht mehr.<br />

Ähnliche Erfahrungen machten <strong>Land</strong>wirte<br />

im niedersächsischen Eilte. „Wir<br />

hatten gerade ein halbes Jahr probiert“,<br />

Der Mozarella vom Bobalishof<br />

nimmt ein Bad in salziger Molke.<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 43<br />

Fotos: alle Bilder Jüterbog: Bobalis-Hof, Albbüffel: Büro Maichle-Schmitt, Eilte: Wilfried Stegmann


<strong>Selbst</strong> <strong>gemacht</strong><br />

Auf dem Flohmarkt erstand<br />

<strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>-Redakteur Philipp Schneider<br />

vier Keramik-Schütten für 23 Euro.<br />

Zwei Experten machten daraus ein<br />

originelles Küchenregal.<br />

Gut<br />

Holz<br />

50 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

Fotos: Schahl<br />

Früh am Morgen zieht es sie wie<br />

magisch auf den Marktplatz. Sie<br />

schleichen zwischen den Ständen<br />

<strong>und</strong> Buden herum, ihr Blick wandert lauernd<br />

von Tisch zu Tisch, die rechte Hand<br />

steckt in der Hand- oder auch Hosentasche<br />

<strong>und</strong> zählt verstohlen die Scheine<br />

zwischen zwei Fingern.<br />

Die Trödeljäger sind unterwegs. Ihr<br />

Revier sind die Flohmärkte, ihre Beute<br />

besteht aus alten Lampen <strong>und</strong> vergilbten<br />

Büchern, etwas kitschigen Statuen oder<br />

geschmackvollen alten Weingläsern.<br />

Die Sammler kommen üblicherweise<br />

erst später. Sie suchen nach der Ergän-<br />

Stilvoll: Nußbaumholz<br />

Die Zuschnitte aus massivem Nussbaum<br />

streicht Florian Widmer mit einem Bio-Hartöl.<br />

Es sorgt für einen warmen, dunkelbraunen<br />

Ton (rechts). Für den Korpus braucht der<br />

Schreiner acht Einzelteile, die er mit Leim<br />

<strong>und</strong> Formfedern verbindet.<br />

zung, die ihnen fehlt. Die Jäger sind anders<br />

– sie kaufen spontaner, <strong>und</strong> kaum<br />

entdecken sie ein altes Regal oder die alte<br />

Vase, springt ihre Phantasie an: „Daraus<br />

könnte ich was für die Veranda machen“,<br />

oder „Die passt in die Ecke neben den Lesesessel.“<br />

Der Kaffee-Schütte<br />

fehlt eine große Ecke<br />

So geht es auch mir, als ich vier unscheinbare,<br />

rechteckige Schütten erspähe,<br />

gedacht für Kaffee, Griess (mit zwei großen<br />

S geschrieben), Linsen <strong>und</strong> das früher<br />

Die vier Porzellan-<br />

Schütten haben<br />

kleine Macken wie<br />

abgestoßene Ecken.<br />

gern verwendete Bindemittel Sago.<br />

„Gründerzeit, zwischen 1890 <strong>und</strong><br />

1900, aus Steingut“, behauptet der Verkäufer.<br />

Die Kaffee-Schütte hat ersichtlich<br />

andere Maße; sie ist kleiner, die blaue<br />

Schrift heller. Sie gehörte also ursprünglich<br />

nicht zu dem Ensemble. Zudem hat<br />

sie eine große Ecke weg. Die anderen<br />

Schütten sind relativ gut erhalten, obwohl<br />

auch sie kleine Absplitterungen aufweisen.<br />

Alle vier bekomme ich für 23<br />

Euro. Die Aufgabe, daraus eine Zier für<br />

die Küche zu machen, reizt mich.<br />

Mein erster Weg führt mich zum Porzellandoktor<br />

Detlef Weik in „Die Scherbe“<br />

in Ostfildern, dem Spezialisten für zer-<br />

Schreiner Florian Widmer<br />

entwarf <strong>und</strong> baute das<br />

Küchenregal.<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 51


<strong>Leben</strong> + <strong>Wohnen</strong><br />

Alles nur Käse? Von wegen: Diese<br />

Flachländer bringen fröhlich Farbe ins Haus.<br />

Hollands<br />

Schönste<br />

Tulpen gehören zu Holland wie<br />

die Löcher in den Leerdammer. Auf<br />

9500 Hektar sprießen im <strong>April</strong> von<br />

Amsterdam bis Rotterdam bunte Blütenkelche<br />

aus etwa zehn Milliarden braunen<br />

Zwiebeln. Mit diesem Tulpen-Meer überschwemmen<br />

die Holländer fast den gesamten<br />

Weltmarkt.<br />

Die beliebten Frühjahrsboten gedeihen<br />

zwar auch bei uns prächtig, doch die<br />

Tulpenbauern müssen sich hierzulande<br />

auf einige ausgewählte Anbaugebiete <strong>und</strong><br />

weit weniger Fläche beschränken. Ideal<br />

ist der Boden für die Zwiebel, die im<br />

Mittelalter sogar gesotten auf dem Teller<br />

landete, r<strong>und</strong> um Neuss.<br />

Am Niederrhein in Gruissem baut<br />

deshalb Gärtner Wolfgang Degenhardt<br />

seine Holländer an. 50 Hektar bestückt<br />

mit der kanariengelben „Yokohama“, mit<br />

orange-roten Feldern voller „Ad Rem“<br />

oder der rubinroten „Abba“ – das sind die<br />

54 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com<br />

Fotos: IZB<br />

Kassenschlager aus einem Sortiment von<br />

mehr als 300 verschiedenen Züchtungen.<br />

Nicht jeder Sorte schmeckt jedoch der<br />

rheinische Boden, manche sind so empfindlich,<br />

dass sie aus Holland importiert<br />

werden müssen.<br />

Wer die Tulpen statt aus Amsterdam<br />

lieber aus dem eigenen Garten holt, sollte<br />

die Zwiebeln im Idealfall bis Dezember<br />

unter die Erde bringen. Denn erst ein<br />

Kälte-Kick gibt Tulpen den Anstoß zum<br />

Blühen. Hat man diesen Zeitpunkt verpasst,<br />

holt man sich eben die Holländer<br />

jetzt in Töpfen oder Vasen ins Haus.<br />

Lose ins Wasser gesteckt, macht sich<br />

die Schöne mit dem schweren Blütenkopf<br />

ohnehin besonders gut. Hier kann sie ihr<br />

berühmtes Eigenleben entwickeln: Erst<br />

mal den Kopf stolz in die Höhe recken,<br />

ihn nach tagelangem Wasserbad allmählich<br />

wenden, sich dann genüsslich räkeln<br />

<strong>und</strong> die Blätter schließlich müde von sich<br />

spreizen: Tulpen haben in jeder Vasen-<br />

Phase, selbst beim Welken, ihren Reiz.<br />

Ein festes Gesteck presst die Holländerin<br />

dagegen in ein zu enges Korsett, um ihre<br />

Schönheit voll zu entfalten.<br />

Anja Burkhart


Fotos: Schahl (2); © Claudia Hautumm/Pixelio; © Mélissa Bradette/Fotolia.com<br />

Jetzt fängt der grüne Daumen an zu<br />

jucken – die Gartensaison beginnt. Aber<br />

für den richtigen Start ins Frühjahr muss man<br />

ein paar Tipps beherzigen. Hier sind sie.<br />

Fit für den<br />

Frühling<br />

Den Winter haben diesmal sogar<br />

eingefleischte Schneemann-<br />

Fans dicke. Genug gefroren,<br />

genug Grau gesehen, lautet das Urteil im<br />

Norden wie im Süden. Und von Winterschlaf<br />

will auch keiner mehr was hören.<br />

Also ab in den Garten <strong>und</strong> raus auf<br />

den Balkon. Dort gibt es genug zu tun,<br />

um den Boden für Blumenpracht <strong>und</strong> Gemüsegenüsse,<br />

Rasenspiele <strong>und</strong> Balkonpartys<br />

zu bereiten. Positiver Nebeneffekt:<br />

Was sich beim Menschen als Winterspeck<br />

anlagerte, schmilzt bei Gartenarbeit <strong>und</strong><br />

Frühlingssonne dahin.<br />

Doch der Frühstart im Garten funktioniert<br />

nur mit einem Plan. Und laut Gartenbau-Techniker<br />

Friedrich Grimm aus<br />

Stuttgart beginnt der mit leidigem Aufräumen.<br />

Damit Neues gedeihen kann,<br />

muss alles weg, was dem Boden die Luft<br />

zum Atmen <strong>und</strong> den Pflanzen das Licht<br />

zum Wachsen nimmt. Unter Bäumen modert<br />

meist eine Schicht aus altem Laub,<br />

morschen Zweigen, Nadeln <strong>und</strong> Zapfen,<br />

der man am besten mit dem Rechen zuleibe<br />

rückt. Zuvor empfiehlt sich ein genauer<br />

Blick auf das Laub, denn dort über-<br />

<strong>Im</strong> grünen Bereich<br />

Gartenspezialist Friedrich Grimm sieht<br />

dem Frühling fröhlich entgegen.<br />

wintern gerne Schädlinge. Eier <strong>und</strong> Larven<br />

von Insekten fühlen sich hier ebenso<br />

wohl wie Pilze.<br />

Bekannte Vertreter sind die Kastanienminiermotte,<br />

die sich in die Blätter<br />

der Kastanie bohrt, oder der Mehltau, der<br />

seine Sporen gerne ans Laub von Apfelbäumen<br />

heftet. Befallene Blätter sind<br />

<strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 71


RETTET DAS RÜBCHEN!<br />

Spitzenkoch Ralf Weißmann („Zur Linde“<br />

in Wildenbruch im südlichen Brandenburg)<br />

hat 1998 einen Förderverein für das<br />

Teltower Rübchen gegründet <strong>und</strong> lässt<br />

den „Kohl-Rüben-Bastard“ karamellisiert<br />

mit Lindenhonig als Dessert servieren.<br />

Foto: imago<br />

96 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

Auf<br />

Sand gebaut<br />

V<br />

or den Toren Berlins liegt eine Schatzkammer: Die<br />

Mark Brandenburg, der Gemüsegarten der Hauptstadt,<br />

mit sandigem, aber kargem Boden. Beelitzer Spargel ist<br />

weit über die hauptstädtischen Grenzen hinaus bekannt <strong>und</strong> die<br />

zarten, weißen Rübchen aus Teltow kamen sogar zu literarischen<br />

Ehren – gewissermaßen. Denn Goethe, in seinem thüringischen<br />

Weimar, fand zwar die bodenständige Küche Brandenburgs<br />

„barbarisch“, schätzte aber die wohlschmeckenden Rübchen<br />

so sehr, dass er sie sich pünktlich zur Erntezeit im Herbst nach<br />

Foto: Annette Helfferich<br />

MÄRKISCHER TOPF<br />

Rezept für vier Personen<br />

Zutaten:<br />

500 g Rinderfilet,<br />

750 g Teltower Rübchen,<br />

400 g frische<br />

(oder 100 g getrocknete) Steinpilze,<br />

30 g Butter,<br />

30 g Butterschmalz,<br />

20 g Zucker,<br />

100 ml Hühnerbrühe,<br />

2 Schalotten,<br />

3 Frühlingszwiebeln,<br />

4 EL Öl,<br />

150 ml Sahne mit einer Prise Salz,<br />

1 EL Mehl, Salz, Pfeffer.<br />

Küche + Kochen<br />

Die Teltower Rübchen schmeckten schon<br />

Goethe, Fontane <strong>und</strong> Kant, der Beelitzer<br />

Spargel ist weithin bekannt. Doch die Küche<br />

der Mark Brandenburg hat noch viel mehr<br />

zu bieten als die berühmten Gemüse –<br />

nicht nur für berühmte Denker.<br />

Regionale Küche:<br />

Mark Brandenburg Brandenburg<br />

Weimar schicken ließ. „Zu unserer Danknehmigkeit sind die köstlichen<br />

Rübchen angelangt; sie behaupten auch diesmal ihre alten<br />

Tugenden“, bedankt er sich für die Lieferung. <strong>Selbst</strong> Feingeister<br />

<strong>und</strong> -schmecker wie Theodor Fontane, dessen „Wanderungen<br />

durch die Mark Brandenburg“ Weltliteratur wurden, oder <strong>Im</strong>manuel<br />

Kant konnten ohne die Rübchen nicht. In der DDR<br />

vergessen <strong>und</strong> verschollen, erlebte das Wurzelgemüse nach<br />

der Wende eine Wiedergeburt. Aber auch Spreewälder Gurken,<br />

Leinöl oder Meerrettich sind überregional beliebt.<br />

Zubereitung:<br />

Die Rübchen werden geputzt, gewaschen, klein gewürfelt <strong>und</strong> in reichlich Wasser bissfest gekocht.<br />

Rübchen abgießen, das Kochwasser auffangen <strong>und</strong> beiseite stellen. Die Rübchen in separater<br />

Schüssel warm halten. Dann die Butter mit der Hälfte des Zuckers in einer beschichteten<br />

Pfanne bei mittlerer Hitze <strong>und</strong> unter stetem Rühren mit einem Holzlöffel karamellisieren<br />

lassen. Pilze putzen <strong>und</strong> grob zerkleinern <strong>und</strong> mit klein gehackten Schalotten in einem Bratentopf<br />

mit dem Butterschmalz anbraten. Pilze zur Zuckermasse geben <strong>und</strong> mit Salz <strong>und</strong> Pfeffer<br />

würzen. Alles etwa fünf Minuten schmoren lassen. Frühlingszwiebeln waschen <strong>und</strong> in kleine<br />

Ringe schneiden. Auf den angebratenen Pilzen verteilen <strong>und</strong> warm stellen. Rinderfilet in<br />

kleine Würfel schneiden <strong>und</strong> in dem sehr heißen Öl knusprig braten, salzen <strong>und</strong> pfeffern <strong>und</strong><br />

noch mal kurz durchbraten. Dann mit Mehl bestäuben, anbraten <strong>und</strong> nach <strong>und</strong> nach mit dem<br />

Rübchenwasser <strong>und</strong> der Hühnerbrühe ablöschen, zwischendurch rühren, damit sich keine<br />

Klumpen bilden. Die gesalzene Sahne dazugeben <strong>und</strong> kurz aufkochen, bis es sämig ist. Abschließend<br />

die Pilze <strong>und</strong> die Frühlingszwiebeln dazugeben. Mit selbst gestampftem Kartoffelpüree<br />

<strong>und</strong> einer Portion Rübchen anrichten <strong>und</strong> servieren.<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 97


Altes Wissen<br />

So kompliziert sieht es gar nicht aus,<br />

wenn Hannelore Spanrunft die Knoten<br />

zwischen den Perlen der Rosenkränze<br />

knüpft. Eng aneinander anliegend,<br />

aber nicht überlappend, wickelt sie den<br />

Faden siebenmal um ein dünnes Röhrchen,<br />

führt das Garn zum Schluss hindurch <strong>und</strong><br />

zieht das Ganze dann ab. Übrig bleibt eine<br />

mattweiß schimmernde Fadenröhre, die sie<br />

nun mit den Fingerspitzen <strong>und</strong> viel Gefühl<br />

vorsichtig Richtung Perle schiebt <strong>und</strong> dort<br />

straff zieht. Dicht an dicht sitzen hier Perlen<br />

<strong>und</strong> Knoten. Insgesamt braucht sie eine<br />

gute St<strong>und</strong>e, bis 95 Perlen <strong>und</strong> zweieinhalb<br />

Meter Garn zu einem Rosenkranz verb<strong>und</strong>en<br />

sind.<br />

Freilich handelt es sich nicht um Perlen,<br />

Holz- oder Plastikkugeln. Hannelore Spanrunft,<br />

die in der Gemeinde Langweid bei<br />

Ausgburg wohnt, verwendet lieber Hiobs-<br />

Beten<br />

mit<br />

Bohnen<br />

Hannelore Spanrunft hat<br />

ein heiliges Hobby: Sie<br />

knüpft Rosenkränze aus<br />

biblischen Samen <strong>und</strong><br />

himmlisch gemusterten<br />

Bohnen.<br />

tränen <strong>und</strong> Monstranzbohnen. Erstere sind<br />

Samen einer Hirseart aus dem asiatischen<br />

Raum. Sie sehen aus wie kleine, graumelierte,<br />

harte Tropfen oder wie staubige<br />

Tränen.<br />

Kranzknüpfen mit viel<br />

Geduld <strong>und</strong> Glaube<br />

Die Monstranzbohnen dagegen sind<br />

wegen ihrer außergewöhnlichen Zeichnung<br />

für Rosenkränze interessant. Die Bohne ist<br />

von einem sehr reinen Weiß, aber dort, wo<br />

sie an der Schote angewachsen war, zeigt<br />

sie eine dunkelbraune Zeichnung. Die sieht<br />

aus wie eine Monstranz, jenes prunkvolle<br />

Gefäß, in dem die Hostien der katholischen<br />

Liturgie bei Prozessionen herumgetragen<br />

werden. Manche sehen in der Musterung<br />

118 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

Fotos: Marcus Lechner<br />

einen Engel, deswegen heißen die Monstranzbohnen<br />

auch Engelsbohnen.<br />

Zu den Rosenkränzen kam Hannelore<br />

Spanrunft, als bei ihrem Ältesten die<br />

Erstkommunion anstand. Bei einem Bastelnachmittag<br />

im Vorfeld lernte sie, wie<br />

die Knoten zu wickeln sind. Was für die<br />

Kinder eine nahezu unlösbare Aufgabe<br />

war, „weil man da viel Geduld braucht“,<br />

begeisterte die Mutter sofort. „Ich bastle<br />

gerne, gerade so feine Sachen“, erklärt<br />

sie den Reiz des Rosenkranzknüpfens.<br />

Dass ihr bis heute nicht jeder Knoten gelingt,<br />

spornt sie eher an. Obwohl Fingerfertigkeit<br />

allein noch keine gute Rosenkranzknüpferin<br />

macht: „Gläubig zu sein,<br />

gehört schon auch dazu“, sagt Hannelore<br />

Spanrunft.<br />

Perlen-Nachschub<br />

wächst im Garten<br />

Die ersten Monstranzbohnen schenkte<br />

ihr eine Bekannte. Für die Rosenkranz-<br />

Produktion, selbst in kleinstem Stil, reichte<br />

die Handvoll Bohnen aber nicht aus.<br />

Deswegen wurden die geschenkten<br />

Samen nicht standardmäßig durchbohrt<br />

<strong>und</strong> aufgefädelt, sondern im hauseigenen<br />

Gemüsegarten eingepflanzt. „Wie ganz<br />

Die schwarz-braune Musterung auf<br />

den schneeweißen Früchten erinnert an<br />

eine zart gepinselte Zeichnung.<br />

4/<strong>2009</strong> <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 119


Als wären es Menschen: Die dominante Mutter (hinten rechts) rümpft die Nase,<br />

die eingebildete Tochter (vorne rechts) posiert nach Kräften, <strong>und</strong> die Tante (hinten links)<br />

ist mal wieder das fünfte Rad am Wagen.<br />

124 <strong>Liebes</strong>-<strong>Land</strong>.com 4/<strong>2009</strong><br />

In Schaffelle hat die Natur die Klimaanlage bereits<br />

eingebaut: Bei Kälte spenden sie weiche Kuschelwärme,<br />

im Sommer kühlen sie. Haben Sie Lust, demnächst auf<br />

einem Fell zu schlafen?<br />

Warm, weich <strong>und</strong> anschmiegsam –<br />

ein Bettgenosse mit höchstem<br />

Kuschelfaktor: Wer sich einmal<br />

daran gewöhnt hat, auf einem Fell zu<br />

schlafen, wird es nicht mehr hergeben<br />

wollen. Seine wollige Naturwärme lässt<br />

uns w<strong>und</strong>erbar entspannen <strong>und</strong> gibt ein<br />

Gefühl von Geborgenheit. Durch sein<br />

dichtes Wollkleid bildet sich ein Luftpolster<br />

zwischen Körper <strong>und</strong> Unterlage <strong>und</strong><br />

schafft ein prima Klima im Bett. Es gleicht<br />

die Temperatur optimal aus <strong>und</strong> reguliert<br />

die Feuchtigkeit, schafft also beste Bedingungen<br />

für einen erholsamen Schlaf.<br />

Felle besitzen eine angenehme Eigenwärme<br />

<strong>und</strong> fühlen sich nie kalt an; unabhängig<br />

von der Außentemperatur spenden<br />

sie eine gleichmäßige <strong>und</strong> trockene<br />

Wärme von etwa 28 Grad. Es ist so natürlich<br />

wie die eigene Haut, weil es aus identischen<br />

Bausteinen aufgebaut ist.<br />

Fotos links: imago<br />

Das Fell gegerbt<br />

Der Vorteil der Schafwolle mit ihren<br />

natürlichen Proteinen ist ihre Fähigkeit,<br />

Säuren, Basen <strong>und</strong> andere Chemikalien<br />

sowie Gerüche zu binden <strong>und</strong> zu neutralisieren.<br />

Firmen wie Schafland Stock bieten<br />

Felle für 39 bis 89 Euro <strong>und</strong> bis zu einer<br />

Größe von 130 cm an. Wem das zu klein<br />

ist, kann sich seine Felldecke nach Bedarf<br />

<strong>und</strong> Geschmack nähen lassen. Auch manche<br />

Schäfereien bieten diesen Service an.<br />

Für Babys werden meist Lammfelle<br />

für den Wagen, das Bettchen oder die<br />

Krabbeldecke verwendet. Wohl sind die<br />

4/<strong>2009</strong><br />

Stücke vom Lamm kleiner (bis zum Alter<br />

von maximal zwölf Monaten gilt ein Schaf<br />

noch als Lamm), doch das Leder ist besonders<br />

weich <strong>und</strong> die Wolle flauschig<br />

zart. Baby-Lammfelle kosten etwa 22<br />

Euro. Beim Nachwuchs versieht ein<br />

Schaffell seinen Dienst auch als Seelentröster.<br />

Mit der Zeit nimmt es nämlich<br />

den zarten Duft des Babys <strong>und</strong> den Geruch<br />

seiner Umgebung an. Auf Reisen<br />

schläft ein Kind leichter auf seinem vertraut<br />

riechenden Fell ein. Säuglinge sollten<br />

in Rücken- oder Seitenlage gebettet<br />

werden. Zu schwer braucht die Zudecke<br />

nicht zu sein, es genügt ein Schlafsack<br />

mit einer leichten, wollgefüllten Decke.<br />

Die Zeitschrift „Ökotest“ nahm vor<br />

Kein Bock auf die Schur:<br />

Ein stolzer Schaf-Mann.<br />

Foto: © Eric Isselée /Fotolia.com<br />

Altes Wissen<br />

zwei Jahren einige Babyschaffelle unter<br />

die Lupe <strong>und</strong> untersuchte 15 Schaffelle<br />

mit unterschiedlichen Gerbungen auf<br />

Schadstoffe.<br />

Bakterien haben im Fell<br />

keine Chance<br />

Das erschreckende Ergebnis: Mehrere<br />

Produkte waren laut Ökotest mit Chlorphenolen<br />

<strong>und</strong>/oder Chlorkresolen verunreinigt,<br />

die Nervensystem, Leber <strong>und</strong><br />

Nieren schädigen können; ein Produkt<br />

enthielt o-Phenylphenol (kann stark allergisierend<br />

wirken), eines (giftig), drei Formaldehyd<br />

(krebsverdächtig, gerät mit<br />

dem Gerbmittel ins Fell), mehrfach wurden<br />

bedenkliche Schwermetalle wie<br />

Chrom, Quecksilber <strong>und</strong> Blei entdeckt.<br />

Vier Felle schnitten mit der Note<br />

„gut“ ab, ein Fell erhielt ein „mangelhaft“,<br />

der Rest bewegte sich im Mittelfeld.<br />

Spitzenreiter mit dem Ergebnis<br />

„sehr gut“ ist ausgerechnet eines der beiden<br />

Felle, die nicht einmal als Babyschaffell<br />

bezeichnet wurden: das Fell vom Anbieter<br />

DAS, ein naturweißes Schaffell mit<br />

flauschigem Haar, einer durchschnittlichen<br />

Haarlänge von 6 bis 12 cm <strong>und</strong><br />

einer Gesamtlänge von 90 bis 99 cm.<br />

Preis: nur 23,90 Euro. „Das beste <strong>und</strong><br />

auch günstigste Produkt im Test ist ein<br />

langfloriges Fell, das nicht explizit für<br />

Babys angeboten wird“, schrieb Ökotest.


Dorf-Geschichten<br />

6. FOLGE<br />

Erwin Köster arbeitete bis zu seiner Pensionierung als Diplom-Ingenieur<br />

<strong>und</strong> Entwickler in einem Konstruktionsbüro. Er wuchs in einem kleinen Ort<br />

an der Mosel auf. Dort ging er auch zur Schule. Für <strong>Liebes</strong> <strong>Land</strong> erzählt er<br />

Geschichten aus der Kindheit <strong>und</strong> seiner Jugend auf dem Dorf.<br />

Bauer<br />

sucht Frau<br />

Heutzutage sucht ja der Bauer eine Frau im Fernsehen. Aber<br />

die Chancen, eine zu finden, sind etwa so aussichtsreich<br />

wie die Begegnung mit Fliegen, die Misthaufen verschmähen.<br />

Zu den Teilnahmebedingungen für heiratswillige Bauern gehören<br />

ein Schweine- oder Kuhstall, eine grüne Latzhose <strong>und</strong> Eltern, welche<br />

die künftige Schwiegertochter äußerst misstrauisch beäugen. Wer hat<br />

das schon, vor allem in dieser Kombination?<br />

Deutlich einfacher ist die Frauensuche für Jungbauern in einschlägigen<br />

<strong>Land</strong>flirt-Portalen des Internet. Aber da gibt es kursierenden<br />

Gerüchten zufolge nur die Auswahl unter verschiedenen EDV-Klassen.<br />

Man kriegt die Windows-Frau: dir ist zwar klar, dass sie eine Unzahl<br />

Fehler hat, aber du kannst nicht ohne sie leben. Oder die Word-Frau:<br />

sie kann eigentlich alles, aber niemand durchschaut sie wirklich. Die<br />

Screensaver-Frau hat keinerlei echten Wert, ist aber nett anzusehen.<br />

Für die Virus-Frau gilt: Wenn du nicht aufpasst, installiert sie sich bei<br />

dir <strong>und</strong> macht mit dir, was sie will. Wenn du aber versuchst, sie zu<br />

deinstallieren, wirst du sehr viele Sachen vermissen. Wenn du es nicht<br />

tust, verlierst du alles. Schließlich die E-Mail-Frau: Von zehn Dingen,<br />

die sie mitteilt, sind fünf absoluter Quatsch.<br />

Die Frauensuche in unserem Dorf war viel unkomplizierter. Die<br />

Jungmänner schauten sich unter den Jungmädchen um, suchten die<br />

Passende aus <strong>und</strong> heirateten sie – fertig. Die Auswahlkriterien für „die<br />

Passende“ waren denkbar einfach. An erster Stelle stand die Frage,<br />

ob es sich um die einzige Tochter der künftigen Schwiegereltern<br />

handelte <strong>und</strong> wie viele Äcker folglich dem Heiratswilligen durch die<br />

Verehelichung zufielen. Auch die Ackerlage war nicht unwesentlich.<br />

Um eine gute Frau handelte es sich, wenn die eigenen <strong>und</strong> die angeheirateten<br />

Felder nah beieinander lagen. Bei weiteren Entfernungen<br />

sank der Wert der Partie <strong>und</strong> musste durch andere weltliche Güter<br />

kompensiert werden. Kräftige Oberarme vom Durchmesser eines<br />

Apfelbäumchens wurden sehr geschätzt, weil die harte Feldarbeit<br />

viel Kraft erforderte. Ein Dreiwellen-Bauch hingegen war ungünstig,<br />

weil er bei der Kartoffelernte, bei der man sich ja ständig bücken<br />

musste, stark behinderte. Die Maßstäbe in den Nachkriegsjahren ab<br />

1950 waren anders als heute, alles lief nach einfachen Regeln ab.<br />

Foto: © R. Kachel/Digitalstock<br />

Nur ein Bauer, dessen Hof am unteren Ende unseres Dorfs lag,<br />

kriegte keine ab. Das lag an seiner Erscheinung, die ihm die Natur mitgegeben<br />

hatte. Er wäre eine gute Doppelbesetzung für „Frankenstein<br />

trifft Dracula“ gewesen. Er sah aus wie eine lebende Baumwurzel,<br />

zudem schielte er furchterregend. Wir Jungen, wie alle Jungs vom<br />

<strong>Land</strong> wahrlich nicht ängstlich, gruselten uns vor ihm. Auch die<br />

Erwachsenen mieden ihn. Kein Mädchen schaute ihn an. Er lebte wie<br />

ein Einsiedler auf seinem Hof, melkte seine Kühe oder trieb seinen<br />

Zugochsen an, wobei er mit wackelndem Kopf hinter ihm her schritt.<br />

<strong>Im</strong>mer grummelte er irgendetwas laut vor sich hin. Mit Nachnamen<br />

hieß er, wie ich mich erinnere, Heim. Seinen Vornamen kannte ich<br />

schon damals nicht. <strong>Im</strong> Dorf hieß er nur „der Heim“.<br />

Eines Tages war der arme Heim verschw<strong>und</strong>en. Nicht gänzlich,<br />

wie sich bald herausstellte. Seinem Nachbarn hatte er eine halbe<br />

Wagenladung Rüben dafür versprochen, dass der sein Viehzeug – ein<br />

paar Kühe <strong>und</strong> jenen Zugochsen – für ein paar Wochen füttern,<br />

tränken oder melken (nein, nicht den Ochsen!) würde. Die Nachricht<br />

verbreitete sich wie eine Feuersbrunst. Kein normaler Mensch verließ<br />

damals sein Dorf. Man wurde hier geboren, man lebte hier aufrecht,<br />

<strong>und</strong> man verließ es waagerecht. Denn auch der Friedhof lag im Dorf,<br />

<strong>und</strong> ein Kreis ist schließlich r<strong>und</strong>. Wer sich lebend aus dem Dorf entfernte,<br />

musste also nicht mehr alle Tassen im Schrank haben.<br />

Ungefähr vier Wochen später an einem Samstag passierte es: der<br />

Heim tauchte auf. Er kam über die <strong>Land</strong>straße, von der die Dorfstraße<br />

abzweigte. Jemand hatte ihn frühzeitig entdeckt <strong>und</strong> war kopflos ins<br />

Dorf gestürmt: „Der Heim ist zurück, der Heim ist zurück!“ Wer Füße<br />

hatte, rannte zum Nachbarn, <strong>und</strong> der wiederum zum nächsten. Eilends<br />

wurden die Alten aus dem Bett gezerrt <strong>und</strong> an die Fensterbänke angelehnt,<br />

so dass sie aus eigener Kraft das Spektakel beobachten konnten.<br />

Das begann am unteren Ende der gew<strong>und</strong>enen Dorfstrasse. Vorneweg<br />

marschierte der Heim, einen riesigen, schnaubenden Kaltblüter an<br />

einem Seil hinter sich her zerrend. Das Pferd tänzelte mit seinen<br />

beschlagenen Hufen auf der mit Basaltsteinen gepflasterten Straße,<br />

brach immer wieder seitlich aus <strong>und</strong> machte dabei einen Höllenlärm.<br />

Auch wenn der Heim mehr im Strick hing, als dass er diesen Koloss<br />

führte, so zog er ihn doch unerbittlich die Dorfstraße hoch. Einige Meter<br />

hinter dem lauten Gespann schritt eine voluminöse Frau mit über der<br />

Brust verschränkten Armen <strong>und</strong> gesenktem Kopf her. Das Trio aus<br />

Mann, Pferd <strong>und</strong> Frau pilgerte mit einigen Verzögerungen die ganze<br />

Dorfstraße hoch bis zur Kirche; alle folgten ihm in gebührendem Abstand,<br />

manche liefen voraus. Oben angekommen, drückte der Heim der<br />

Frau den Pferdestrick in die Hand <strong>und</strong> hängte sich in die Glockenseile,<br />

als ob er Himmelsbrot regnen lassen wollte. Glockenläuten zur Unzeit<br />

(also nicht um 12 Uhr, damit die Bauern auf dem Feld wussten, dass Mittag<br />

ist, <strong>und</strong> auch nicht um 18 Uhr zum täglichen Gebet) war ein Alarmzeichen<br />

– jeder ließ Hacke <strong>und</strong> Schaufel fallen, egal wo er war, <strong>und</strong> raste<br />

zum Kirchplatz.<br />

Also rasten diejenigen, die bis jetzt nichts mitbekommen hatten,<br />

zum Kirchplatz. Das Dorf war nun vollständig versammelt. Alle schwiegen<br />

erwartungsvoll. Der Heim zeigte auf den Kaltblüter <strong>und</strong> rief: „Das ist<br />

Herrmann.“ Dann auf die Frau: „Das ist Katharina.“ Und schritt wieder<br />

die Dorfstraße hinunter, den immer noch tänzelnden Kaltblüter hinter<br />

sich her zerrend, Katharina dahinter, gefolgt von der Dorfbevölkerung.<br />

Der Heim hatte, wie sich später herausstellte, die Nachbardörfer<br />

abgeklappert, eins nach dem anderen, wie eine Katze, die sich in konzentrischen<br />

Kreisen von zu Hause weg bewegt. Fast 50 Kilometer von<br />

unserem Dorf entfernt (das entsprach damals etwa der Strecke Trier-<br />

New York) war er auf Katharina gestoßen. Sie war seit fünf Jahren<br />

Witwe, da ihr Mann vorzeitig an einem nicht selten anzutreffenden<br />

Moseltrester-Leiden verstorben war, besaß einen Nachlass namens<br />

Herrmann, aber keine Äcker mehr, weil die im Zuge einer Erbstreitigkeit<br />

dem Bruder des Verblichenen zugesprochen worden waren. Sie war<br />

nun felderlos <strong>und</strong> folglich überflüssig. Die Verhandlungen zwischen ihr<br />

<strong>und</strong> dem Heim gestalteten sich also unkompliziert, zumal da sie an<br />

einer Zuckerkrankheit litt, was ihr Sehvermögen beeinträchtigte <strong>und</strong><br />

sie insofern den künftigen Gatten nur eingeschränkt wahrnahm.<br />

Der Heim heiratete jedenfalls ein paar Wochen später die halb<br />

blinde Katharina <strong>und</strong> wurde (nicht zuletzt dank Herrmann – nur wenige<br />

Bauern besaßen damals ein Pferd, die meisten mühten sich mit sturen<br />

Ochsen ab) ein sehr angesehenes Mitglied der Dorfgemeinschaft. Ich<br />

habe ihn übrigens viele Jahre später, als ich Student war, mal besucht.<br />

Er mag ja ausgesehen haben wie ein aus dem Boden gerissener Baumstumpf,<br />

aber er war ein liebenswerter Mensch. Und Katharina hat mir<br />

ein Brot mit Butter <strong>und</strong> Wurst hingestellt, <strong>und</strong> als sie meine hungrigen<br />

Studentenaugen sah, ein weiteres. Obwohl sie halb blind war, hat sie<br />

das gesehen. Mit dem Herzen eben.<br />

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Altes Wissen<br />

Rauf oder runter? Für<br />

seine Prognosen verlässt<br />

sich Peter Scheidl lieber<br />

auf die Raunächte.<br />

Durch<br />

Hochs <strong>und</strong><br />

Tiefs<br />

Kein Wissenschaftler traut sich richtig,<br />

das Wetter für einen Monat vorauszusagen.<br />

Diese drei Wetterpropheten, die sich an<br />

der Natur orientieren, haben mehr Mut.<br />

R<strong>und</strong> 5000 Briefe wie diesen bekommt Scheidl jährlich (links). In einem Notizblock<br />

(rechts) hält er seine Beobachtungen wie ein Buchhalter fest.<br />

Wenn Peter Scheidl bei strömendem<br />

Regen kurzärmelig durchs<br />

Dorf radelt, lässt der Spott nicht<br />

lange auf sich warten. „Die Wetterprognose<br />

ging wohl daneben“, lästern die<br />

Leute aus Pfuhl dann. Scheidl hat dafür<br />

nur ein Achselzucken übrig. „Ich bin<br />

nicht der Herrgott“, sagt der 68Jährige.<br />

Der selbsternannte Wetterprophet ist<br />

eher ein Fossil unter allen Meteorologen,<br />

die mit wissenschaftlichen Schaubildern<br />

<strong>und</strong> Statistiken jonglieren.<br />

Scheidl verzichtet auf die moderne<br />

Technik. „Auf die Instrumente kommt es<br />

nicht an“, behauptet der gebürtige Allgäuer.<br />

Sondern auf einen geübten Blick<br />

<strong>und</strong> akribische Aufzeichnungen. In einem<br />

Notizbuch dokumentiert er seine Arbeit,<br />

die sich hauptsächlich in den zwölf Nächten<br />

zwischen Weihnachten <strong>und</strong> Dreikönig<br />

abspielt. Schließlich stand schon 1894 im<br />

Brockhaus, dass diese sogenannten Raunächte<br />

für die Wetterprognose von großer<br />

Bedeutung sind.<br />

Deshalb steht Scheidl am 25. Dezember<br />

pünktlich um 0 Uhr auf, beobachtet<br />

den Himmel, notiert, was er sieht, <strong>und</strong><br />

trinkt ein Glas Sekt: Der Tag ist auch sein<br />

Geburtstag. Die Prozedur wiederholt er<br />

jede St<strong>und</strong>e - ausgenommen das Sekttrinken<br />

natürlich - bis zum 5. Januar um 24<br />

Uhr. Schlaf bekommt er in diesen Tagen<br />

nur in homöopathischen Dosen. „Mir<br />

macht das nichts aus“, sagt er. Außerdem<br />

wird die Wetterprognose ungenau, wenn<br />

man schummelt. Das merkte er, als er<br />

noch berufstätig war <strong>und</strong> nicht jede St<strong>und</strong>e<br />

aus den Federn kam.<br />

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Fotos: Schahl (3)<br />

Foto: © C. Schwier/adpic; © Rainer Claus/Fotolia.com<br />

Bei der Vorhersage helfen ein<br />

geübter Blick, ein Notizbuch <strong>und</strong><br />

ein Glas Sekt<br />

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Jahrzehntelang schoss man den heimischen<br />

Schwarzstorch rücksichtslos vom Horst.<br />

Nun kehrt der Pechvogel <strong>und</strong> Fischräuber zurück.<br />

Schwarz gesehen<br />

Der scheue Vogel mit dem weißen Bauch<br />

schwebt durch Deutschland wie ein Geist.<br />

Darum wissen manche gar nicht, dass es<br />

ihn gibt. <strong>Selbst</strong> Förster haben oft keine Ahnung,<br />

dass Schwarzstörche in ihrem Revier brüten. Denn<br />

nähert man sich den menschenscheuen Vögeln bis<br />

auf h<strong>und</strong>ert Meter, schlagen sie hektisch mit den<br />

schwarzen Flügeln, heben ab <strong>und</strong> schrumpfen in<br />

Nesthocker: Bei Storchs<br />

brütet meist die Mama.<br />

Mutter Natur<br />

einer Minute zu winzigen Punkten am Himmel.<br />

Obwohl er sich selten blicken lässt, fühlt sich der<br />

etwa ein Meter hohe Schwarzstorch inzwischen wieder<br />

bei uns heimisch. „Seit einiger Zeit erzählen mir<br />

immer mehr Leute, sie hätten einen gesehen“, sagt<br />

Rainer Knorz, der als Kreisleiter des Naturschutzb<strong>und</strong>s<br />

Oberberg in Nordrhein-Westfalen schon mal<br />

einen geschwächten Schwarzstorch pflegte. Die Art<br />

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Fotos: fotoplatforma.pl; Feller

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