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Evidenz-Analyse Sturzprävention (466.51 KB) - Prävention NRW ...

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<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen2INHALT<strong>Evidenz</strong>analyse: Maßnahmen zur Sturzprophylaxebei älteren Menschen.............................................................. 3■ ■ Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege (1)................................. 3■■Welche Sturzgefahren drohen alten Menschen und wie lassensich Stürze am wirksamsten vermeiden? HEN Review (8).......................... 6■■Interventionen zur <strong>Sturzprävention</strong> bei älteren MenschenCochrane Review 2003(9) .................................................................... 7■■Hüftprotektoren zur <strong>Prävention</strong> von Hüftfrakturen bei älteren Menschen.Cochrane Review 2005 (10).................................................................. 8■ ■ Literatur............................................................................................10


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen3<strong>Evidenz</strong>analyse: Maßnahmen zur Sturzprophylaxebei älteren MenschenEtwa 30% aller Menschen über 65 Jahre stürzen jedes Jahr. Für Menschen jenseits der 75liegt die Rate noch höher. 20-30% der Sturzopfer ziehen sich Verletzungen zu, die die Mobilitätund Unabhängigkeit einschränken oder zu erhöhter Morbidität und Mortalität führen.Darüber hinaus entstehen erhebliche Kosten im Sozial- und Gesundheitswesen.<strong>Sturzprävention</strong>sprogramme können dazu beitragen, die Sturzrate zu reduzieren.Gemeinsam ist allen Interventionen, dass sie bei den bekannten und zum Teil gutuntersuchten Risikofaktoren für Stürze im Alter ansetzen. Das können u.a. sein: eineSturzvorgeschichte, das Lebensalter, Arzneimittelgebrauch (speziell Psychopharmaka) odereingeschränkte Mobilität. Hinzu kommen Risikofaktoren aus der räumlichen Umwelt z.B.Stolperfallen, schlechte Beleuchtung, glatte Böden oder ungeeignetes Schuhwerk.Untersuchungen zur Wirksamkeit von Interventionen liegen inzwischen aus mehrerenQuellen vor. Allerdings weisen eigentlich alle verfügbaren und in den Reviews bewertetenStudien methodische Schwächen auf. So ist die Art der Teilnehmerrekrutierung häufig nichtausreichend beschrieben. Es werden verschiedenste Assessment-Instrumente zur Erfassungdes Sturzrisikos eingesetzt. Auch das Sturzereignis unterliegt keiner einheitlichen Definition.Eine echte Vergleichbarkeit ist damit praktisch nicht möglich. Außerdem haben die Studienmeist eine relativ kurze Follow-up-Phase. Über eine längerfristige Compliance bei einzelnenMaßnahmen, z.B. einer Medikamentenreduktion, oder beim regelmäßigen Tragen von Hüftprotektorenist deshalb noch wenig bekannt. Die bisher vorliegenden Interventionsstudienzur Sturzvermeidung haben zudem nicht genug Aussagekraft, um zu belegen, ob sie einenpositiven Einfluss auch auf die Anzahl sturzbedingter Frakturen und Verletzungen haben.Um mehr als die bisher eher schwach belegte Wirksamkeit von Programmen nachweisen zukönnen, bedarf es großer längerfristig angelegter Studien, die mit standardisierten Instrumentendurchgeführt werden.Auf den folgenden Seiten wird der Kenntnisstand aus einigen relevanten internationalenReviews kurz referiert. Es lassen sich an einigen Punkten Widersprüche in den Aussagenfinden, da nicht alle Reviews die gleichen Studien einschließen und unterschiedliche <strong>Analyse</strong>methodenzum Einsatz kommen. Trotz der benannten methodischen Einschränkungenlassen sich dennoch einige Hinweise für erfolgversprechende Programme ableiten.■■Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege (1)Für den Pflegebereich wurde im Frühjahr 2006 der "Expertenstandard Sturzprophylaxe" veröffentlicht.Im Rahmen einer Literaturanalyse wurden Programme für zu Hause lebende Personen,Programme in der stationären Altenhilfe und Programme in Krankenhäusern gesichtetund analysiert. Anschließend wurden Einzelinterventionen auf ihre Wirksamkeit hin überprüft.Die Verfasser sprechen sich zusammenfassend für den Einsatz von multifaktoriellenProgrammen bzw. für eine Kombination von Einzelmaßnahmen aus, da diese den größtenEffekt zeigen, insbesondere wenn die Programme bzw. Kombinationen an das individuelleSturzrisiko und die jeweilige Lebenslage des sturzgefährdeten Menschen angepasst sind. Esist belegt, dass Kraft und Balanceübungen einen großen Anteil an wirksamen Interventionenhaben.Für zu Hause lebende Personen beschreiben die Verfasser beispielhaft drei multifaktorielleInterventionsprogramme, deren Effektivität empirisch nachgewiesen ist.


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen5Für den Bereich der stationären Altenhilfe werteten die Autoren des Expertenstandardsebenfalls vorliegende Studien aus und kommen zu dem Schluss, dass multifaktorielle Interventionsprogrammein Alten- und Pflegeheimen, insbesondere bei langfristiger Durchführungdie Sturzraten der Bewohner positiv beeinflussen können, wenn die Bedingungen fürdie Einführung und Durchführung eines solchen Programms in den Einrichtungen gegebensind. Belegt wird die Wirksamkeit durch zwei randomisierte kontrollierte Studien, darunterauch eine Intervention in deutschen Alten- und Pflegeheimen, die wegen der Übertragbarkeitvon Maßnahmen natürlich von besonderem Interesse ist(5).➔➔ Die Intervention nach dem "Ulmer Modell" wurde in sechs Einrichtungen an 981Altenheimbewohnern durchgeführt. Sie umfasste die Schulung des Personals und derBewohner, Hinweise zur Verminderung umgebungsbedingter Sturzgefahren, progressivesBalance- und Muskelaufbautraining und das Angebot von Hüftprotektoren. Mitdiesem Programm konnte die Rate der Erststürze und die Rate der Mehrfachstürzeinnerhalb von 12 Monaten gesenkt werden. Zusätzlich nahm die Differenz zwischenInterventions- und Kontrollgruppe im Untersuchungsverlauf zu. Zur Beurteilung derWirksamkeit hinsichtlich der Frakturrate kann wegen der geringen Stichprobengrößeund der geringen Anzahl von Frakturen in Interventions- und Kontrollgruppe keineAussage gemacht werden.➔➔ Die zweite Studie wurde an neun Einrichtungen der stationären Altenhilfe in Schwedenmit insgesamt 439 Bewohnern durchgeführt(6). Das Programm umfasste dieSchulung und Begleitung des Personals, die Modifikation von Räumlichkeiten unddie Instandsetzung von Hilfsmitteln, ein individuell angepasstes Kraft-, Balance- undGehtraining, das Angebot von Hüftprotektoren und eine Anpassung der Medikation.Nach einem Sturzereignis folgte jeweils eine Teamkonferenz zur Ursachendiskussionmit dem Ziel, erneutes Stürzen zu verhindern. Mit dem Gesamtprogramm konntendie Sturzrate, die Anzahl der gestürzten Personen, die Zeit bis zum ersten Sturz unddie Anzahl von Oberschenkelfrakturen als Folge von Stürzen gesenkt werden. Einderartig umfassendes Programm ist allerdings mit erheblichem Aufwand verbunden,insbesondere durch umfassende Schulungen des Pflegepersonals und eine Begleitungdurch externe Experten.Ohne eine Anpassung der vorhandenen Ressourcen, insbesondere ohne Schulung des Pflegepersonalsdurch Experten und ohne die Bereitstellung von Zeit- und Personalressourcenfür die Implementation können multifaktorielle Programme möglicherweise auch Schadenanrichten. So zeigt eine Studie aus Neuseeland, dass ein Programm unter nicht angepasstenBedingungen sogar zu mehr Stürzen als in der Kontrollgruppe führte(7).Für wichtige Einzelmaßnahmen zur Sturzprophylaxe beurteilen die Autoren des Expertenstandarddie Wirksamkeit aus der Literatur wie folgt:➔➔ Die Reduktion von umgebungsbedingten Sturzgefahren stellt als alleinige Maßnahmekeine ausreichende Intervention dar. In Kombination mit anderen Interventionen istdie Umgebungsanpassung eine wichtige Komponente zur Sturzrisikoverminderung.➔➔ Die Wirksamkeit eines regelmäßigen Kraft – und Balancetrainings ist bei zu Hauselebenden Personen hinsichtlich der Verminderung der Sturzrate gut belegt. Wobei dieEffektivität von allgemeinen Gruppentrainings begrenzt ist, während individualisierteÜbungsprogramme zu einer Reduktion von Stürzen und sturzbedingten Verletzungenbeitragen.➔➔ Das Absetzen, Anpassen und Reduzieren der Medikation ist Bestandteil vieler multifaktoriellerInterventionsprogramme. Gezielte Untersuchungen zur Auswirkung einerMedikamentenanpassung auf die Sturzrate sind aber noch rar.➔➔ Hinsichtlich einer Risikoverminderung für Frakturen nach Stürzen zeichnet sich dieWirkung einer kombinierten Calcium und Vitamin-D-Supplementierung ab.


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen6➔➔➔➔➔➔Hinsichtlich der Modifikation von Sehbeeinträchtigungen kommen die Verfasser desExpertenstandard zu dem Schluss, dass weitere Interventionen durch diese Maßnahmepositiv unterstützt werden. Es liegt allerdings nur eine randomisierte kontrollierteStudie vor.Gehhilfen dienen der Verminderung von Sturzrisikofaktoren. Es kann davon ausgegangenwerde, dass sie auch vor Stürzen schützen. Ob die alleinige Anwendung vonGehhilfen als Intervention ausreicht, ist nicht geklärt.Für im eigenen Wohnumfeld lebende Senioren ist die Wirksamkeit von Hüftprotektorennicht belegt. Zur Wirksamkeit von Hüftprotektoren bei Alten- und Pflegeheimbewohnerngibt es kontroverse Studienergebnisse, einige Studien fanden keine Wirkungder Protektoren, andere Reduktionen der Hüftfrakturinzidenz. Wichtig scheint einestrukturierte Schulung von Pflegekräften und Patienten zu sein.■■Welche Sturzgefahren drohen alten Menschen und wie lassen sichStürze am wirksamsten vermeiden? HEN Review (8)Diese Übersicht des Health Evidence Network (HEN) aus 2004 hat die bisher bekannte <strong>Evidenz</strong>lagezur <strong>Prävention</strong> von Stürzen ebenfalls zusammengetragen.Die Verfasser des HEN-Review kommen zu folgenden Aussagen:➔➔ Die <strong>Evidenz</strong> für eine Reduktion von Stürzen ist am ausgeprägtesten bei Interventionen,die sich an eine Hochrisiko-Zielgruppen richten und die einen patientenzentriertenmultifaktoriellen Ansatz verfolgen.➔➔ Spezielle Einzelinterventionen, die sich als wirksam erwiesen haben, sind Medikamentenüberprüfungund -anpassung insbesondere eine Reduktion des Psychopharmakakonsums.➔➔ Die <strong>Evidenz</strong> für häusliche Umgebungsanpassung als Einzelmaßnahme ist gering.➔➔ Bewegungs-, Kraft- und Balancetraining im Rahmen von multifaktoriellen Programmenist effektiv. Dabei haben sich Interventionen mit Balancetraining als Kernelementdes Bewegungsprogramms für fast alle Altersstufen und auch für Menschen mit funktionellenEinschränkungen am erfolgversprechendsten gezeigt.➔➔ Bewegungsprogramme können aber auch das Verletzungsrisiko bei untrainiertenMenschen mit Defiziten in der Balance erhöhen. Ein Walking-Trainingsprogramm ineiner Gruppe von Personen mit Sturzvorgeschichte zeigte eine erhöhte Rate von Verletzungenim Vergleich zur Kontrollgruppe.➔➔ Inzwischen zeichnet sich auch für den Bereich Altenheimbewohner <strong>Evidenz</strong> für <strong>Prävention</strong>sstrategienab, die Bewegungs- und Balancetraining sowie eine Umgebungsanpassungumfassen.➔➔ Die Wirksamkeit einer Supplementierung mit Calcium und Vitamin D ist für die Gruppeder Menschen in Alten- und Pflegeheimen belegt.➔➔ Hüftprotektoren können Frakturen in dieser Gruppe ebenfalls reduzieren. Die Complianceist recht gering. Sie kann durch gut ausgebildetes Personal aber erhöht werden.Der HEN Review stellt auch Lücken und Konflikte in der <strong>Evidenz</strong> fest: über Mechanismen,die die Teilnahmebereitschaft, die Motivation, die Akzeptanz und die langfristige Compliancebestimmen, ist noch wenig bekannt.Es gibt sehr wenige Ergebnisse zum Einfluss sozioökonomischer Faktoren auf dasSturzrisiko und auch zum Einfluss dieser Faktoren auf den Erfolg von Interventionsprogrammen.Es gibt nur sehr wenige Untersuchungen zum Sturzrisiko und zur Effektivität vonInterventionen bei Männern oder bei unterschiedlichen ethnischen Gruppen.


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen7Die Datenlage zu Interventionsstudien für die Gruppe von dementen und kognitiv eingeschränktenMenschen ist defizitär.Ebenso fehlen ökonomische <strong>Analyse</strong>n, die die Langzeitkosten und Effekte einerRisikoreduktion in unterschiedlichen Altersgruppen ausweisen, aber auch ökonomische<strong>Analyse</strong>n, die diese Kosten und Effekte für verschiedene Interventionssysteme (z.B. durchniedergelassene Ärzte oder Gesundheitsförderungsprogramme in der Gemeinde) ermittelnund vergleichen.■■Interventionen zur <strong>Sturzprävention</strong> bei älteren MenschenCochrane Review 2003(9)Dieser Cochrane Review schließt 62 randomisierte, kontrollierte Studien zur <strong>Sturzprävention</strong>bei älteren Menschen ein. Im Vergleich zur Vorgängerversion sind 22 neue Studien aufgenommenworden. Mit dem Zuwachs an Studien kristallisiert sich weiter heraus, dass Interventionenbei unselektierten Gruppen weniger wirksam sind als Maßnahmen, die sich anMenschen mit Sturzvorgeschichte richten. Wann immer wichtige individuelle Risikofaktorengezielt ausgeräumt werden können, zeigt sich eine klare Effektivität dieser Maßnahmen.Allerdings gibt es bisher noch keine Erkenntnisse über die optimale Dauer und dieIntensität von Maßnahmen. Ferner merken die Verfasser an, dass das zentrale outcome inden berücksichtigten Studien, "der Sturz" nicht immer genau und nicht immer gleichartigdefiniert wird. Zudem gibt es Bedenken bezüglich des Erinnerungsvermögens, wenn dasSturzgeschehen retrospektiv erhoben wird. Eine aktive Meldung/Registrierung von Stürzenwurde nur für 35 der 62 ausgewerteten Studien ausgemacht.Analysiert wurden auch hier Studien an zu Hause lebenden älteren Men-schen undStudien im Bereich der stationären Altenhilfe sowie in Krankenhäusern. Für die nächsteÜberarbeitung des Review sind getrennte <strong>Analyse</strong>n für diese Zielgruppen geplant.Die Verfasser ziehen im Diskussionsteil ihrer Arbeit folgende Schlüsse zu verschiedenenInterventionsansätzen:➔ ➔➔ ➔➔ ➔➔ ➔Kraft-, Balance- und BewegungstrainingIndividuell angepasste, kombinierte Kraft-, Balance- und Bewegungstrainings, angeleitetdurch ausgebildetes Personal, zeigten sich als wirksam bei der Reduktion derSturzrate. Alle Programme, die effektiv waren, beinhalteten ein Balancetraining. Eskann davon ausgegangen werden, dass dieses Balancetraining eine wichtige Komponentefür erfolgreiche Interventionen darstellt. Die <strong>Evidenz</strong> für eine Effektivität vonGruppentrainings sog. "standard packages" bleibt weiterhin begrenzt, Ausnahmebildet eine Tai-Chi Intervention, deren Wirksamkeit durch eine Studie belegt ist.UmgebungsanpassungEine professionell angeleitete Umgebungsanpassung zeigte sich als wirksam insbesonderebei Menschen mit Sturzvorgeschichte.Kognitives Training/VerhaltenstrainingObwohl diese Komponenten in verschiedenen wirksamen multifaktoriellen Programmeneingesetzt werden, konnten die Verfasser keine <strong>Evidenz</strong> für die Wirksamkeitderartiger Maßnahmen als alleiniges Element finden.MedikationsanpassungDie Reduktion, bzw. das Absetzen von Psychopharmaka reduzierte das Sturzrisikozwar signifikant. Aufgrund der Erfahrungen in der einzigen placebo-kontrollierten Studie,die bisher durchgeführt wurde, ist aber nicht von einer dauerhaften Complianceder Teilnehmer auszugehen.


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen8➔➔➔ ➔Multidisziplinär durchgeführtes multifaktorielles Risikofaktoren-Screening mit anschließendenmultifaktoriellen InterventionenInzwischen gibt es einige Belege für die Wirksamkeit derartiger komplexer Programmefür zu Hause lebende Menschen mit und ohne Sturzvorgeschichte. Ebenso fürmultidisziplinäres Assessment und Intervention im Alten- und Pflegeheimbereich.Weitere InterventionenDie Wirksamkeit einer Supplementation mit Vitamin-D ist noch nicht klar belegt.■■Hüftprotektoren zur <strong>Prävention</strong> von Hüftfrakturen beiälteren Menschen. Cochrane Review 2005 (10)Obwohl der Einsatz von Hüftprotektoren auch in anderen Reviews, meist als Baustein imRahmen multimodaler Programme zur <strong>Sturzprävention</strong> bewertet wird, wird die Wirksamkeitdieser Intervention hinsichtlich der Vermeidung von Hüftfrakturen in einem separatenCochrane-Review analysiert. Der Review ist inzwischen in einer aktualisierten Fassungerschie-nen, deren Ergebnisse in den anderen Übersichten noch nicht berücksichtigt sind.Insgesamt wurden die Daten von elf Studien im Bereich Alten- und Pflegeheime sowie dreiStudien an zu Hause lebenden älteren Menschen in die <strong>Analyse</strong> eingeschlossen. Eine weitereStudie untersuchte die Compliance bzw. Trage-Akzeptanz, ohne frakturrelevante Datenzu erheben. Die Reviewer kommen dabei zu folgenden Aussagen:➔➔ Es sprechen einige Hinweise dafür, dass in Alten- und Pflegeheimen, in denen dieRate an Hüftfrakturen hoch ist, Hüftprotektoren dazu beitragen können, das Risikofür eine Fraktur zu verringern. Allerdings zeigt sich dieser Effekt unter Berücksichtigungder Ergebnisse der neueren Studien abgeschwächt. Die ursprüngliche <strong>Analyse</strong>umfasste fast ausschließlich cluster-randomisierte Studien. Für die inzwischen hinzugekommenenStudien mit individueller Randomisierung konnten die Effekte nicht ingleicher Größenordnung bestätigt werden.➔➔ Es zeigt sich keine <strong>Evidenz</strong> für die Wirksamkeit von Hüftprotektoren für die Mehrzahlvon zu Hause lebenden älteren Menschen.➔➔ Das Problem der mangelnden Compliance bei der Nutzung von Hüftprotektoren istevident.In diesen Review eingeschlossen wurde auch eine Studie, die in 42 Hamburger Pflegeheimendurchgeführt worden ist und auf die hier noch kurz eingegangen werden soll.(11)Die Maßnahme umfasste allerdings neben der reinen Bereitstellung von Hüftprotektorenfür alle Teilnehmer auch eine strukturierte Schulung des Pflegepersonals und derBewohner. Die Teilnehmer der Kontrollgruppe erhielten die übliche Pflege, ergänzt um einekurze Information des Personals und die Vergabe von zwei Protektoren pro Einrichtung zuDemonstrationszwecken. Zum Ende der Nachbeobachtungszeit, die 15 Monate (Interventionsgruppe)bzw. 14 Monate (Kontrollgruppe) betrug, zeigte sich, dass der Einsatz vonHüftprotektoren durch die Maßnahme erheblich gesteigert werden konnte. Dies resultiertein einer relativen Reduktion von Hüftfrakturen von mehr als 40%.Die Hamburger Studie schloss auch eine ökonomische <strong>Analyse</strong> ein, deren Ergebnissebisher nur im Rahmen einer Dissertation(12) veröffentlicht worden sind. Da die Untersuchungmethodisch hochwertig ist und fundierte ökonomische <strong>Analyse</strong>n in diesem Bereichäußerst rar sind, hier kurz die wesentlichen Resultate: Die Schulung und die Bereitstellungder Hüftprotektoren verursachte Kosten in Höhe von 166 € pro Teilnehmer in der Interventionsgruppe.Bei den Studienteilnehmern der Kontrollgruppe waren es 5 €. Dem stehenKosten gegenüber, die zum Großteil durch Ressourcenverbrauch in Folge von Hüftgelenksfrakturenentstanden. Für die Interventionsgruppe waren dies 382 € pro Teilnehmer. In der


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen9Kontrollgruppe lag der Wert bei 622 €. Insgesamt führte das Programm in der Interventionsgruppezu einer mittleren Kostensenkung von 79 € pro Teilnehmer.Die Autoren der gesichteten systematischen Reviews sind sich darin einig, dass sich fürein multifaktorielles Risikoassessment mit anschließenden multifaktoriellen Interventionendurch ein multidisziplinär besetztes und geschultes Team einige Wirksamkeitsbelege finden.Als zentrales Element wird➔➔ ein Kraft-, Balance- und Bewegungstraining angesehen, das von weiteren➔➔ Maßnahmen der Umgebungsanpassung,➔➔ der Medikamentenüberprüfung und -anpassung➔➔ sowie dem Einsatz von Hüftprotektoren (je nach Risikofaktoren)flankiert werden sollte.Multifaktorielle Programme sind bisher erfolgreich sowohl mit zu Hause lebenden Personenals auch mit Personen in Alten- und Pflegeheimen durchgeführt worden, wobei nichtfür alle Einzelmaßnahmen eine Wirksamkeit nachgewiesen werden konnte. Für Gruppen mitspeziellen gesundheitlichen Einschränkungen z.B. demente oder kognitiv beeinträchtigteältere Menschen stehen Belege noch aus.Es ist davon auszugehen, dass nur langfristig angelegte Programme anhaltend erfolgreichsein können.


<strong>Prävention</strong>Gesundheit & Lebensqualität<strong>Evidenz</strong>analyse Maßnahmen zur Sturzprophylaxe bei älteren Menschen10■■Literatur1. Expertenstandard Sturzprophylaxe in der Pflege. Entwicklung, Konsentierung, Implementierung.Hrsg.: Deutsches Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege(DNQP). Osnabrück: Fachhochschule Osnabrück, 20062. Tinetti ME; Baker DI; McAvay G; Claus EB; Garrett P; Gottschalk M; Koch ML; Trainor K:A multifactorial intervention to reduce the risk of falling among elderly people living inthe community. N Engl J Med. 1994 Sep 29;331(13):821-7.3. Steinberg M; Cartwright C; Peel N; Williams G: A sustainable programme to preventfalls and near falls in community dwelling older people: results of a random-ised trial.J Epidemiol Community Health. 2000 Mar;54(3):227-32.4. Day L; Fildes B; Gordon I; Fitzharris M; Flammer H; Lord S: Randomised factorial trialof falls prevention among older people living in their own homes. BMJ. 2002 Jul20;325(7356):128.5. Becker C; Kron M; Lindemann U; Sturm E; Eichner B; Walter-Jung B; Nikolaus T: Effectivenessof a multifaceted intervention on falls in nursing home residents. J AmGeriatr Soc. 2003 Mar;51(3):306-13.6. Jensen J; Lundin-Olsson L; Nyberg L; Gustafson Y: Fall and injury prevention in olderpeople living in residential care facilities. A cluster randomized trial. Ann Intern Med.2002 May 21;136(10):733-41.7. Kerse N; Butler M; Robinson E; Todd M: Fall prevention in residential care: a clus-terrandomizied, controlled trial J Am Geriatr. Soc. 2004 Apr;52(4):524-318. Skelton D; Todd C: What are the main risk factors for falls amongst older people andwhat are the most effective interventions to prevent these falls? Copenhagen: WHORegional Office for Europe, 2005 (Health Evidence Network Report)http://www.euro.who.int/document/E82552.pdf9. Gillespie LD; Gillespie WJ; Robertson MC; Lamb SE; Cumming RG; Rowe BH: In-terventionsfor preventing falls in elderly people Cochrane Database of Systematic Reviews2003, Issue 4 Art. No: CD00034010. Parker MJ; Gillespie WJ; Gillespie LD: Hip protectors for preventing hip fractures in olderpeople Cochrane Database of Systematic Reviews 2005, Issue 3. Art. No.: CD00125511. Meyer G; Warnke A; Bender R; Mühlhauser I:Effect on hip fractures of increased use ofhip protectors in nursing homes : cluster randomised controlled trial British Medical J.2003 Jan 11;326(7380):76-78http://www.pubmedcentral.nih.gov/picrender.fcgi?artid=139934&blobtype=pdf12. Meyer G: Ökonomische <strong>Analyse</strong> eines Interventionsprogramms zur <strong>Prävention</strong> von Hüftgelenksfrakturendurch externen Hüftschutz In: Meyer G: <strong>Evidenz</strong>-basierte präventiveInterventionen in der Pflege und Ge-sundheitsversorgung S. 15-27 Hamburg, Univ.,Diss., 2004http://www.sub.uni-hamburg.de/opus/volltexte/2004/2143/pdf/Dissertation.pdf

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