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titel-thema - Vatican magazin ::: Schönheit und Drama der Weltkirche

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Olymp die Königin des Himmels <strong>und</strong> <strong>der</strong>Engel. Und nicht zuletzt hatte Maria als„Sitz <strong>der</strong> Weisheit“ den Platz einer an<strong>der</strong>enrömischen Staatsgott eingenommen:<strong>der</strong> Minerva. Nun herrschte nicht mehrdie altrömische Trias Jupiter-Juno-Minervavom Kapitol herab über das heidnischeRom, son<strong>der</strong>n es brachten Christus<strong>und</strong> seine Mutter vom Esquilin aus demgesamten christlichen Erdkreis das Heil.Bestätigt wurde die Erhebung Mariaszur Königin Roms in den Mosaiken,die 1295, kurz vor dem ersten HeiligenJahr <strong>der</strong> Kirchengeschichte, entstandenwaren. Der Franziskanerpapst NikolausIV. hatte den Franziskanermönch JacopoTorriti damit beauftragt, in <strong>der</strong> neuerbautenApsis das Marienleben darzustellen.Dieses gipfelt in <strong>der</strong> Erwählung<strong>der</strong> Theotokos zur Braut Christi <strong>und</strong> inihrer Krönung. Unter dem Thron Mariaserhebt sich – winzig klein – <strong>der</strong> BergZion, auf dem Rom in Gestalt des himmlischenJerusalem steht. Die Ewige Stadt hatsich <strong>der</strong> Regina Caeli in franziskanischerDemut zu Füßen gelegt.Wenige Jahre später huldigten dieRömer Maria erneut, nun, indem sie denBaukörper <strong>der</strong> Basilika mit einem prächtigenFassadenmosaik bedeckten. Dieseshypostasiert das Gewand <strong>der</strong> himmlischenBraut, spielt aber auch auf den Krönungsornat<strong>der</strong> Himmelskönigin an. Währenddie untere Zone <strong>der</strong> Mosaiken die Legendedes Schneew<strong>und</strong>ers erzählt, erscheintin <strong>der</strong> oberen <strong>der</strong> Gemahl <strong>der</strong> Braut in <strong>der</strong>erhabensten aller Bildformeln: <strong>der</strong> MajestasDomini. Mit <strong>der</strong> Rechten segnet er dieMenschheit, mit <strong>der</strong> Linken präsentiert erein Buch, durch das er sich als das „Licht<strong>der</strong> Welt“ zu erkennen gibt. Interessanterweisehat Filippo Rusuti, dem wir dasMeisterwerk verdanken, den Worten EGOSVM LVX MVNDI noch ein QVI angehängt,so dass man den Satz so zu Endedenken muss, wie er in Joh 8,12 steht: „…qui sequitur me, non ambulabit in tenebris,sed habebit lucem vitæ (…<strong>und</strong> wermir folgt, wird nicht im Finstern wandeln,son<strong>der</strong>n das Licht des Lebens haben)“.Ganz im Sinne <strong>der</strong> franziskanischen Spiritualitätist die Ankunft Gottes in <strong>der</strong>Welt mit dem Aufruf zu seiner Nachfolgeverb<strong>und</strong>en. Im Kontext <strong>der</strong> Fassadewerden die Römer <strong>und</strong> alle Besucher <strong>der</strong>Ewigen Stadt aufgefor<strong>der</strong>t, den von Israelbegonnenen Weg innerhalb <strong>der</strong> Kircheweiterzugehen.Dieser Mahnung lag die Erkenntniszugr<strong>und</strong>e, dass die Kirche stetsGefahr läuft, vom rechten Pfad abzuirren<strong>und</strong> auf Abwege zu geraten. Zu Zeitendes berühmt-berüchtigten Renaissancepapsttumssahen viele Zeitgenossenin Rom sogar statt des zweiten Jerusalemein neues Babylon. Umso mehr versuchtendie Päpste nach dem Konzil von Trient,an die Botschaft, die von Santa MariaMaggiore ausging, wie<strong>der</strong> anzuknüpfen.Beson<strong>der</strong>s galt dies für Sixtus V., <strong>der</strong> demrechten Seitenschiff eine prächtige Kapelleanfügte <strong>und</strong> damit den Ornat <strong>der</strong> Basilikamaßgeblich erweiterte. Sixtus, <strong>der</strong> wieNikolaus IV. Franziskaner war, widmetediese Kapelle <strong>der</strong> Krippe von Bethlehem.In ihrem Innern führt eine Confessio zueiner Nachbildung <strong>der</strong> Geburtsgrotte, indie man die Krippenreliquie verbrachte.Über <strong>der</strong> Grotte erheben sich ein Altar<strong>und</strong> ein großes Sakramentshaus. Letzteresbesteht aus einem achteckigen Kuppelbau,<strong>der</strong> von vier Engeln getragen wird <strong>und</strong> denSzenen aus <strong>der</strong> Passion Christi zieren. Anden Seitenwänden ließ Sixtus Grabmälerfür sich <strong>und</strong> sein großes Vorbild, den heiligmäßigenReformpapst Pius V. (1566–1572), anbringen. Überwölbt wird <strong>der</strong>Raum von einer Kuppel, <strong>der</strong>en Freskenin <strong>der</strong> Kalotte die Engelshierarchien <strong>und</strong>ganz oben, im Laternenscheitel, den sichaus dem Himmel herabbeugenden Gottvaterzeigen.Zusammen bilden Architektur <strong>und</strong>Ausstattung eine den gesamten Raumdurchziehende vertikale Achse, die daszweite Kapitel des Philipperbriefs paraphrasiert(Vers 6–11). So folgt <strong>der</strong> Blickvon oben nach unten <strong>der</strong> SelbstentäußerungChristi, die von <strong>der</strong> himmlischenHerrlichkeit bis hinab zur unterirdischenGeburtsgrotte führt. Die umgekehrteLeserichtung vollzieht den Tod am Kreuz,die Erhöhung durch Gott <strong>und</strong> die Rückkehrin die Herrlichkeit des Vaters nach.Beide Ereignisse betrachtet Sixtus V. vonseinem Grab aus. Er hat seine Tiara demütigzu Boden gesetzt <strong>und</strong>, wie von Paulusgefor<strong>der</strong>t, vor dem Namen Jesu die Kniegebeugt – beides in <strong>der</strong> päpstlichen Sepulkralkunstein absolutes Novum. Außerdemscheint es, als bete Sixtus den Herrnwie bei einer Fronleichnamsprozessionim Altarsakrament an. Und nicht zuletztverehrt er wie die Heiligen Drei KönigeChristus in <strong>der</strong> Krippe.Erneut ist das Hineintreten Gottes indie Welt das Thema. Und abermals wirddie Mittlerrolle Marias sinnfällig. Denndas Sakramentshaus spielt gleich dreifachauf die Gottesmutter an: als die neue B<strong>und</strong>eslande,welche die Engel bei <strong>der</strong> Prozessionzum Tempel dem pilgernden Gottesvolkvorantragen; als <strong>der</strong> neue Tempel, indem <strong>der</strong> Herr Wohnung genommen hat;<strong>und</strong> als die Kirche, in <strong>der</strong> Christus sakramentalgegenwärtig ist. Und zusammenmit ihrem Sohn wird Maria für ihreDemut erhoben. Entsprechend leichtschwebt das Tabernakel auf den Fingern<strong>der</strong> Engel. Sinnigerweise geschieht dies vorjenem Altar, an dem die Päpste am Weihnachtsmorgendie Messe lasen <strong>und</strong> daseucharistische Opfer darbrachten.Die Basilika imZentrum einesStraßensternsUm die Kirche auf den Weg zu Christuszurückzuführen, tat Sixtus indes nochetwas an<strong>der</strong>es: Er veranlasste seinen oberstenBaumeister Domenico Fontana, diewichtigsten Stationskirchen <strong>der</strong> EwigenStadt mit geraden Straßenachsen zu verbinden,wobei vier Achsen (ursprünglichsollten es fünf sein) auf <strong>der</strong> Kuppe desEsquilin in Gestalt eines Sterns zusammenlaufen.Wie Fontana berichtete, scheuteSixtus dabei keinerlei Aufwand. Damit dieStraßen nicht nur einen geraden, son<strong>der</strong>nauch einen ebenen Verlauf nahmen, wurdensogar Hügel abgetragen <strong>und</strong> Täler aufgefüllt.Die Forschung hat in diesem Systemschnurgera<strong>der</strong> Straßen den Ursprung<strong>der</strong> mo<strong>der</strong>nen Stadtplanung gesehen. Dasist richtig. Indes kam <strong>der</strong> Papst auch einerAuffor<strong>der</strong>ung nach, die <strong>der</strong> Prophet Jesajaam Ende <strong>der</strong> babylonischen Gefangenschaftausgesprochen hatte: „Bahnt für denHerrn einen Weg! Baut für unseren Gottin <strong>der</strong> Einöde ebene Straßen! Jedes Tal sollerhoben, je<strong>der</strong> Berg <strong>und</strong> Hügel gesenktwerden. Was krumm ist, soll gerade werden,<strong>und</strong> was hüglig ist, werde zu ebenenStraßen“ (Jes 40,3–4). Die geradenWege sind also auch eine Metapher fürdie Herrschaft Gottes, die sich buchstäb-vatican 12|2011 13

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