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<strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong><br />
Ein multimediales, erfahrungsgeleitetes<br />
Facharbeiter-Informations-System<br />
für die Rüstoptimierung an CNC-Maschinen<br />
Diplomarbeit<br />
cand. mach. Holger Reck
<strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong><br />
Ein multimediales, erfahrungsgeleitetes<br />
Facharbeiter-Informations-System<br />
für die Rüstoptimierung an CNC-Maschinen<br />
Diplomarbeit von<br />
cand. mach. Holger Reck<br />
durchgeführt am<br />
Institut für Arbeitswissenschaft und Technologiemanagement<br />
Betreuung:<br />
Dipl.-Inform. Franz Koller<br />
Fraunhofer-Institut<br />
für Arbeitswirtschaft und Organisation<br />
der Universität Stuttgart<br />
Lehrstuhl Arbeitswissenschaft<br />
Univ.-Prof. Dr.-Ing. habil. Prof. e. h. Dr. h. c. Bullinger
VORWORT 3<br />
Vorwort<br />
Diese Diplomarbeit wurde am Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisa-<br />
tion durchgeführt. Sie ist Bestandteil weiterer Studienarbeiten und Diplomarbeiten,<br />
die im Rahmen der Projekte Computergestützte erfahrungsgeleitete Arbeit (CeA 1<br />
und CeA 2) im CIM-Umfeld vergeben worden sind.<br />
In der Abteilung Informationssysteme, dem das WOP-Zentrum angeschlossen ist<br />
beschäftigt man sich mit der Gestaltung, Entwicklung und prototypischen Erprobung<br />
interaktiver Informations-, Kommunikations- und Multimediasysteme. Die Einrichte-<br />
blattverwaltung ist eine dieser prototypischen, multimedialen Entwicklungen, mit der<br />
man eine flexible und kundenorientierte Fertigung im Produktionsbereich realisieren<br />
will, welche auch den humanzentrierten Ansätzen der Arbeitswissenschaft genügt.<br />
Sehr eng war die Zusammenarbeit mit den beteiligten Unternehmen und Instituten<br />
des CeA-Verbundes. Ohne die hilfreiche Unterstützung aller Beteiligten wäre ein Ge-<br />
lingen dieser Diplomarbeit nicht möglich gewesen. Speziell sei den Mitarbeitern der<br />
Firma Rich. Seifert & Co. GmbH & Co. KG gedankt, die ihr Fachwissen, Engagement<br />
und die benutzergerechten Anforderungen an das CeA-Facharbeiter-Informations-<br />
System (CeAFIS) eingebracht haben.<br />
Dank gilt auch den Mitarbeitern des IAO mit ihrem reichhaltigen Erfahrungswissen<br />
auf dem Gebiet Multimedia, sowie der Autorensystem-Programmierung und darüber<br />
hinaus der uneingeschränkten Nutzung der Hard- und Softwareaustattung des Insti-<br />
tuts.<br />
Von Seiten der Universität Stuttgart hat diese Studienarbeit der Lehrstuhl Arbeitswis-<br />
senschaft und Technologiemanagement unter Leitung von Prof. Dr.-Ing. habil. Prof.<br />
e. h. Dr. h. c. Bullinger betreut.
INHALTSVERZEICHNIS 4<br />
Inhaltsverzeichnis<br />
1 Einleitung................................................................................................................9<br />
2 Erfahrungswissen im CIM-Umfeld......................................................................12<br />
2.1 CNC-Entwicklung im CIM-Umfeld .............................................................12<br />
2.2 Erfahrungszyklen bei erfahrungsgeleiteter Arbeit in der spanenden<br />
Fertigung...................................................................................................14<br />
2.2.1 Erfahrungsgeleitete Arbeit im Werkstattbereich ..........................14<br />
2.2.2 Erfahrungsgeleitete Arbeit im dispositiven Umfeld ......................14<br />
2.3 Rolle der Informationstechnik bei erfahrungsgeleiteter Arbeit ..................19<br />
2.4 CeA- Anforderungen an Technik und Organisation ..................................20<br />
2.5 Aufgabe und Zielsetzung des CeA-Konzeptes .........................................22<br />
2.5.1 Einrichteblattverwaltung als Kommunikationsmittel.....................23<br />
2.5.2 Einrichteblattverwaltung als Arbeitsmittel ....................................24<br />
3 Modellvorhaben CeAFIS.......................................................................................26<br />
3.1 Betriebliche Rahmenbedingungen............................................................26<br />
3.1.1 Produktspektrum .........................................................................26<br />
3.1.2 Stärken und Schwächen des Gesamtunternehmens ..................28<br />
3.1.3 Organisatorischer Rahmen der spanenden Fertigung.................29<br />
3.1.3.1 Beteiligungsmodell der Mitarbeiter.................................29<br />
3.1.3.2 Aufbauorganisation........................................................31<br />
3.1.3.3 Ablauforganisation .........................................................32<br />
3.2 CeAFIS: Das Konzept für die Auftragsdisposition und Arbeitsplanung.....33<br />
3.2.1 Rolle der Mitarbeiter bei der Auftragsdisposition und<br />
Arbeitsplanung.............................................................................33<br />
3.2.2 Anforderungen an die DV-Unterstützung der<br />
Auftragsdisposition.......................................................................34<br />
3.2.3 Anforderungen an die DV-Unterstützung der Arbeitsplanung .....37<br />
3.2.4 Die Einrichteblattverwaltung als Modul im Facharbeiter-<br />
Informations-System CeAFIS.......................................................38<br />
3.2.5 Einrichten als Tätigkeit der Auftragsdisposition und<br />
Arbeitsplanung.............................................................................42<br />
3.2.5.1 Der Stellenwert des Einrichtens.....................................42<br />
3.2.5.2 Einzelaufgaben des Einrichtens.....................................43
INHALTSVERZEICHNIS 5<br />
4 Gestaltung technischer Unterstützungskomponenten.....................................44<br />
4.1 Das technische Basiskonzept ...................................................................44<br />
4.2 Technische Gestaltungsanforderungen an offene Systemumgebungen ..48<br />
4.2.1 Benutzerschnittstelle ...................................................................48<br />
4.2.2 Datenorganisation .......................................................................50<br />
4.2.3 Offene CNC-Systemkonzepte .....................................................53<br />
5 Die Einrichteblattverwaltung...............................................................................55<br />
5.1 Analysephase ...........................................................................................55<br />
5.2 Konzeptionsphase ....................................................................................65<br />
5.2.1 Design .........................................................................................67<br />
5.3 Implementationsphase..............................................................................74<br />
5.3.1 Produktion ...................................................................................74<br />
5.3.2 Programmierung..........................................................................76<br />
5.3.3 Dokumentation ............................................................................77<br />
6 Bewertung.............................................................................................................94<br />
6.1 Wirtschaftlichkeit .......................................................................................95<br />
6.2 Erfahrungswissen......................................................................................96<br />
6.3 Mitarbeiterpartizipation..............................................................................97<br />
7 Zusammenfassung und Ausblick........................................................................99
ABBILDUNGSVERZEICHNIS 6<br />
Abbildungsverzeichnis<br />
Abbildung 1: Erfahrungsbereiche in der Werkstatt ....................................................15<br />
Abbildung 2: Erfahrungszyklus der spanenden Fertigung.........................................17<br />
Abbildung 3: Layout der spanenden Fertigung..........................................................30<br />
Abbildung 4: Das dreistufige Auftragssteuerungskonzept.........................................35<br />
Abbildung 5: CeAFIS bei DV-technischer Realisierung.............................................39<br />
Abbildung 6: Anwendung des Dispositionsmoduls im CeAFIS..................................40<br />
Abbildung 7: Technische Hilfsmittel und Werkzeuge ................................................44<br />
Abbildung 8: Datenstruktur CeAFIS und Zugriffsrechte für den Facharbeiter ...........46<br />
Abbildung 9: Forderungen an die Benutzungsoberfläche..........................................49<br />
Abbildung 10: Datenhaltung und Datenzugriffe für den Facharbeiter........................51<br />
Abbildung 11: Offenheit und Schnittstellen zu anderen Techniksystemen<br />
am Beispiel der Steuerung2000.........................................................53<br />
Abbildung 12: Vorgehensweise zur Erstellung eines multimedialen Informations-<br />
systems ..............................................................................................55<br />
Abbildung 13: Ziele bei der Gestaltung und Einführung neuer Formen der Arbeits-<br />
organisation........................................................................................57<br />
Abbildung 14: Arbeitsgestaltung mit sozio-technischem Ansatz................................58<br />
Abbildung 15: Abstimmung mit dem Meister .............................................................60<br />
Abbildung 16: Abstimmung mit Kollegen...................................................................61<br />
Abbildung 17: Beispiel eines konventionell erstellten Einrichteblattes.......................62<br />
Abbildung 18: Die Module der Steuerung2000..........................................................64<br />
Abbildung 19: Integration der Einrichteblattverwaltung in ein Insel-<br />
informationssystem ............................................................................65<br />
Abbildung 20: Mögliche Technikunterstützung bei Gruppenarbeit in der Werkstatt ..66<br />
Abbildung 21: Lösungskonzept der Programmstruktur..............................................72<br />
Abbildung 22: Die Navigation durch die vier Hierarchieebenen.................................73<br />
Abbildung 23: Benutzergeführtes Installationsprogramm..........................................80<br />
Abbildung 24: Der Eröffnungsbildschirm der Einrichteblattverwaltung ......................82<br />
Abbildung 25: Die Maschinenauswahl der Einrichteblattverwaltung..........................83<br />
Abbildung 26: Liste der verfügbaren Einrichteblätter an einer Maschine...................84<br />
Abbildung 27: Karteikarte Allgemeines......................................................................85<br />
Abbildung 28: Karteikarte Aufspannung....................................................................86
ABBILDUNGSVERZEICHNIS 7<br />
Abbildung 29: Karteikarte Arbeitsplan .......................................................................86<br />
Abbildung 30: Die angehängte Unterprogrammverwaltung.......................................87<br />
Abbildung 31: Nachbearbeitung von Bildern über Paintbrush...................................89<br />
Abbildung 32: Fotografieren oder Filmen der Aufspannsituation...............................90<br />
Abbildung 33: Das Videomodul der Einrichteblattverwaltung....................................90<br />
Abbildung 34: Aufnahme von sprachlichen Annotationen .........................................91<br />
Abbildung 35: Auszug aus einem Einrichteblatt ........................................................92<br />
Abbildung 36: Kooperatives Organisationskonzept.................................................100<br />
Abbildung 37: Einrichteblätter für das Schleifen bei der Firma Jung .......................102<br />
Abbildung 38: Einrichteblätter für das Biegen bei der Firma Kodak ........................102
TABELLENVERZEICHNIS 8<br />
Tabellenverzeichnis<br />
Tabelle 1: Stärken und Schwächen des Unternehmens............................................28<br />
Tabelle 2: Eingesetzte Werkzeugmaschinen in der spanenden Fertigung................31<br />
Tabelle 3: Kenntnisse und Erfahrungen verschiedener Beschäftigtengruppen in<br />
der Beurteilung von Dispositionsaspekten................................................34<br />
Tabelle 4: Plattform für die Produktion ......................................................................75<br />
Tabelle 5: Kosten und Nutzen der Einrichteblattverwaltung......................................95
EINLEITUNG 9<br />
1 Einleitung<br />
Lange Zeit wurde die technische Integration der verschiedenen betrieblichen Funkti-<br />
onsbereiche der Produktion als der Königsweg der Rationalisierung angesehen. In<br />
den Köpfen einiger Planer spukten die Perspektiven der menschlosen Fabrik umher,<br />
für die nur noch Schnittstellenprobleme zu lösen seien. Spätestens bei der Diskussi-<br />
on um die CIM-Ruinen wurde klar, daß die Integration der Funktionsbereiche nicht<br />
lediglich ein technisches Problem ist. Die Verlagerung aller wichtigen Planungs-,<br />
Programmier- und Kontrollaufgaben in die der Fertigung vor- und nachgelagerten<br />
Bereiche führen vielfach zu Flexibilitätseinbußen sowie zu zeitlichen und kostenmä-<br />
ßigen Mehraufwendungen.<br />
Diese Probleme sind keine vorübergehenden Phänomene, die durch eine immer<br />
weiter voranschreitende Technisierung aufgefangen werden können. Kurze Durch-<br />
laufzeiten für Aufträge, hohe Maschinenauslastung, präzise Termineinhaltung und<br />
gleichbleibende Produktqualität sind trotz Vorplanungen und Programmvorgaben nur<br />
durch Zusatzleistungen der Facharbeiterinnen und Facharbeiter zu erreichen. Die<br />
neue Perspektive der Dezentralisierung hat somit den Blick auf die Kompetenz der in<br />
den verschiedenen Funktionsbereichen Arbeitenden wieder geöffnet.<br />
Die Bestrebungen hin zu einer rechnerintegrierten Produktion scheinen jedoch mit<br />
Gefahren für den Aufbau und Erhalt von Erfahrungswissen verbunden zu sein, be-<br />
trachtet man wie gegenwärtig die Technik- und Organisationstrends verlaufen. Je<br />
nach CNC-Einsatzbereich, technischer Ausstattung und Organisationskonzept regu-<br />
lieren die in CNC-Arbeitsstrukturen tätigen Mitarbeiter ihr Arbeitshandeln auf ganz<br />
unterschiedlicher informatorischer Grundlage. Generell gilt, daß nur dann, wenn si-<br />
chergestellt ist, daß Technik und Organisation es ermöglichen die Wirkungen eige-<br />
ner Entscheidungen zu erfahren, der Aufbau und Erhalt von Erfahrungswissen ge-<br />
fördert wird. Vor diesem Hintergrund sind technisch-organisatorische Strukturen, die<br />
planerisch-dispositive Tätigkeiten von ausführend-kontrollierenden trennen, weder<br />
geeignet bei dem, der die Entscheidungen trifft Erfahrungen zu erzeugen, noch bei<br />
dem, der nur ausführt.<br />
Aus der nun ca. zehn Jahre dauernden Phase der Aneignung der CIM-Technologien<br />
durch Anwenderunternehmen wird immer deutlicher, daß nur qualifizierte Arbeits-
EINLEITUNG 10<br />
kräfte unter Einsatz spezifischen Erfahrungswissens in der Lage sind, die komplexe<br />
CIM-Produktionstechnik zu beherrschen und das ihr zugeschriebene Potential an<br />
flexibler Automatisierung auszuschöpfen.<br />
Es wird ebenfalls immer deutlicher, daß wegen der Veränderungen des Käufer-<br />
marktes hin zur Nachfrage kundenspezifischer Produkte weniger das Rationalisie-<br />
rungs- bzw. Automatisierungspotential von CIM, sondern eher dessen Flexibilisie-<br />
rungspotential im Vordergrund steht. Für die deutsche Industrie stellt sich somit die<br />
Aufgabe, sowohl die Chancen von CIM hinsichtlich einer flexiblen Automatisierung<br />
zu nutzen als auch attraktive Werkzeugmaschinenarbeitsplätze für hochqualifizierte<br />
Facharbeiterinnen und Facharbeiter bereitzustellen. Es gibt hinweise, daß beide<br />
Ziele durchaus vereinbar sind. Es gibt aber auch Hinweise, daß die Aspekte Organi-<br />
sation und Arbeitsgestaltung zu Beginn der Einführung von CIM häufig zugunsten<br />
der Technikgestaltung zu wenig beachtet werden.<br />
Für den Bereich der spanenden Fertigung wurde deshalb in den Projekten Compu-<br />
tergestützte erfahrungsgeleitete Arbeit (CeA) untersucht, was die von betrieblichen<br />
Praktikern immer so benannte unbezahlbare Erfahrung der Facharbeiterinnen und<br />
Facharbeiter ausmacht /8/. Erfahrung ist ebenso handlungsleitend wie theoretisches<br />
Wissen. Allerdings ist das Erfahrungswissen ein Wissen, das eng mit praktischem<br />
Handeln verbunden ist. Erfahrungswissen steht damit im Zusammenhang mit einer<br />
bestimmten Ausformung des Arbeitshandelns, die mit dem Begriff erfahrungsgelei-<br />
tete Arbeit bezeichnet wird /13/.<br />
Der Forschungsverbund Erfahrungsgeleitete Arbeit mit CNC-Werkzeugmaschinen<br />
(CeA 1) hat dabei die Nutzung und Unterstützung von Erfahrungswissen beim Dre-<br />
hen und Fräsen untersucht, während der Forschungsverbund Erfahrungswissen im<br />
CIM-Umfeld (CeA 2) sich mit der Sicherung und Förderung des Erfahrungswissens<br />
von CNC-Maschinenbedienern insbesondere im Hinblick auf die Fertigungssteue-<br />
rung (u.a. Auftragsreihenfolgebildung) und Fertigungsplanung (u.a. NC-<br />
Programmierung, Arbeitsplanung, Rüstoptimierung, usw.) befaßt hat /5/.<br />
Ziel dieser Diplomarbeit ist letztendlich die Realisierung modellhafter Arbeitsstruktu-<br />
ren und deren informationstechnischer Unterstützungskomponenten im Produktions-<br />
bereich des Unternehmens Rich. Seifert & Co. GmbH & Co. KG, die demonstrieren<br />
sollen, daß sich CIM-Technologien und erfahrungsgeleitete Arbeit in der Praxis nicht<br />
ausschließen.<br />
Bei der Durchführung der Diplomarbeit wurde deshalb eine partizipative Vorgehens-<br />
weise für besonders wichtig gehalten, d.h. auf die Beteiligung der Facharbeiterinnen
EINLEITUNG 11<br />
und Facharbeiter und weiteren von den Gestaltungsmaßnahmen betroffenen Be-<br />
schäftigten von Anfang an, wurde größter Wert gelegt. Die Partizipation durch die<br />
Facharbeiter führte zu einer bottom up Entwicklung des CeAFIS-Gesamtkonzeptes,<br />
das durch eine top down Entwicklung nicht möglich gewesen wäre. Ausgangspunkt<br />
war ihr spezifisches Arbeitshandeln in ihrem betrieblichen Umfeld. Sie orientierten<br />
sich hierbei nicht an den CIM-Funktionsketten, die den arbeitenden Menschen nicht<br />
ausreichend berücksichtigen. Statt der CIM-Fragestellung Was muß gemacht wer-<br />
den? stand der CeA-Gedanke Wer macht was? im Vordergrund.<br />
So konnte mit der Methode des Rapid Prototyping das Softwaremodul Einrichteblatt-<br />
verwaltung den Benutzeranforderungen genauestens angepaßt werden und geht<br />
weit über die Laborphase hinaus. Es wird bereits prototypisch in der spanenden Fer-<br />
tigung eingesetzt, wo es sich täglich dem rauhen Industriealltag stellen muß.
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 12<br />
2 Erfahrungswissen im CIM-Umfeld<br />
2.1 CNC-Entwicklung im CIM-Umfeld<br />
Die CNC-Technik ist eine Schlüsseltechnologie für rechnergestützte Fertigung.<br />
Durch ihren Einsatz können die Leistungen in der Werkstatt verbessert und erweitert<br />
werden. Die CNC-Technik läßt höhere Geschwindigkeiten und Präzision bei Bear-<br />
beitungsvorgängen der Werkzeugmaschine zu, gestattet die Bearbeitung kompli-<br />
zierter Konturen und erlaubt durch Anfertigen von Programmen in erheblichem Um-<br />
fang besonders flexible Fertigung auch bei hohen Stückzahlen. CNC-<br />
Werkzeugmaschinen weisen ein anderes Leistungsspektrum als die konventionellen<br />
Werkzeugmaschinen auf. Sie sind Grundbaustein für rechnerintegrierte CIM-<br />
Strukturen.<br />
In der Geschichte der Entwicklung und Anwendungen von CNC-Werkzeugmasch-<br />
inen lassen sich drei Etappen voneinander abgrenzen, bei denen neben den grund-<br />
legenden Ingenieurwissenschaften auch die Arbeits- bzw. Sozialwissenschaften in<br />
unterschiedlicher Bedeutung Einfluß genommen haben.<br />
In der ersten Etappe bis Anfang der 70er Jahre ging es vor allem darum, eine funkti-<br />
onsfähige CNC-Werkzeugmaschine zu entwickeln. Diese Aufgabe sahen die Inge-<br />
nieurwissenschaften als ihre Domäne an, so daß sie auch keine Impulse von den<br />
Arbeits- und Sozialwissenschaften erwarteten und suchten. Aus der Sicht der Inge-<br />
nieurwissenschaften fiel ihnen lediglich die Aufgabe zu, die Auswirkungen des Ein-<br />
satzes von CNC-Technik zu untersuchen oder organisatorische Fragen der Einglie-<br />
derung von CNC-Maschinen in Arbeitsstrukturen zu klären.<br />
Die zweite Etappe der technischen Entwicklung erfolgte in den 80er Jahren. Insbe-<br />
sondere Anwenderprobleme - wie die schwierige Handhabbarkeit - der ersten CNC-<br />
Werkzeugmaschinen und einer damit im Zusammenhang stehenden als zu gering<br />
eingeschätzten Diffusion - vor allem Barrieren in kleineren und mittleren Betrieben -<br />
führten zu einer stärkeren Beachtung des praktischen Umgangs mit CNC-Werkzeug-<br />
maschinen. Arbeits- und sozialwissenschaftliche Untersuchungen machten insbe-<br />
sondere auf verschiedene Schwächen beim Programmieren und bei der Maschinen-<br />
bedienung aufmerksam. Entsprechend diesen Erkenntnissen lag der Schwerpunkt
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 13<br />
der technischen Entwicklung in der Erweiterung der Funktionalität von CNC-Werk-<br />
zeugmaschinen und in der Verbesserung der Handhabbarkeit von Programmeinga-<br />
ben. Aus der Vielzahl technischer Neuerungen in den 80er Jahren soll hier nur kurz<br />
das WOP-Konzept (werkstattorientiertes Programmieren) erwähnt werden, bei dem<br />
durch Klartext- und Grafikeingabe im Dialog Programme erstellt werden können, oh-<br />
ne daß der DIN-Satz verwendet werden muß. Dialog- sowie Ein- und Ausgabe-<br />
schnittstellen werden dabei nach software-ergonomischen Gesichtspunkten gestal-<br />
tet.<br />
Die dritte Etappe der technischen Entwicklung kommt in den 90er Jahren in Gang.<br />
Sie beginnt mit der empirisch begründeten Kritik sozialwissenschaftlicher Untersu-<br />
chungen an dem verengten Ansatz, die Arbeit mit Werkzeugmaschinen ausschließ-<br />
lich unter dem Gesichtspunkt der Mensch-Maschine-Schnittstelle zu betrachten. Sie<br />
betont demgegenüber den ganzheitlichen Zusammenhang des Arbeitshandelns mit<br />
CNC-Werkzeugmaschinen. Dieses Handeln wird nicht nur von kognitiv-rationalen<br />
Aspekten geprägt, sondern ebenso von intuitiv-assoziativen Aspekten, wie sie insbe-<br />
sondere bei aus der Erfahrung gewonnen Orientierungen und Vorstellungen für Zu-<br />
standsbewertungen zum Bearbeitungsfortschritt und Situationsbewertung für Bear-<br />
beitungsstrategien bedeutend sind. Um diese Zusammenhänge zu klären, wurde<br />
z.B. Anfang der 90er Jahre der Forschungsverbund CeA gebildet, dem neben inge-<br />
nieurwissenschaftlichen, arbeits- und sozialwissenschaftliche Instituten, ebenso Her-<br />
steller und Anwender angehören. In diesem Verbund sind gemeinsam neue Anforde-<br />
rungsprofile für erfahrungsgeleitete Arbeit mit CNC-Werkzeugmaschinen entwickelt<br />
worden.<br />
Ausgangspunkt der Entwicklungen sind die Facharbeiter in ihrem Arbeitshandeln an<br />
CNC-Werkzeugmaschinen. Es ging um die Erfassung der Arbeitsfunktionen beim<br />
Drehen und Fräsen, welche Entscheidungen vor Ort durch den Facharbeiter zu tref-<br />
fen sind und woran er sich bei der Entscheidungsfindung orientiert. Hervorzuheben<br />
ist, daß die Arbeits- und Sozialwissenschaften im CeA-Verbund nicht erst im Nach-<br />
hinein, wenn technische Konzepte entwickelt worden sind, hinsichtlich Akzeptan-<br />
zuntersuchungen oder Vorschlägen für Korrekturen beteiligt worden sind, sondern<br />
bereits bei der Festlegung der Anforderungsprofile. Im Rahmen der vielfältigen Dis-<br />
kussionen zwischen den verschiedenen Fachdisziplinen haben sich sowohl grundle-<br />
gende Konzepte zum Arbeitshandeln und zur Erfahrungsbildung, wie auch über An-<br />
satzpunkte für neue technische Komponenten herausgeschält. Forschung und Ent-<br />
wicklung verliefen im Rahmen eines interaktiven Innovationsprozesses.
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 14<br />
2.2 Erfahrungsbereiche bei erfahrungsgeleiteter Arbeit in der<br />
spanenden Fertigung<br />
2.2.1 Erfahrungsgeleitete Arbeit im Werkstattbereich<br />
In der Werkstatt werden Fertigung und Montage vorgenommen. Zumindest produkti-<br />
onsnah organisiert sind Auftragsvorbereitung, NC-Programmierung und Fertigungs-<br />
steuerung. Produktionsbezogen sind auch Auftragsannahme, Konstruktion und Ma-<br />
terialwirtschaft ausgerichtet. Diese Betriebsbereiche erfordern unterschiedliche<br />
Kenntnisse und Erfahrungen, um eine Arbeitsaufgabe zu bearbeiten und ein typi-<br />
sches Leistungsergebnis zu erzielen. Unter den Aspekten der Gesamteffektivität und<br />
Qualitätssicherung ist jeder Betriebsbereich darauf angewiesen, daß vor-, neben-<br />
und nachgelagerte Bereiche termin- und qualitätsgerecht ihr Aufgabenspektrum be-<br />
arbeiten bzw. produzieren. Jeder Funktionsbereich hat hierfür eine spezifisches Ar-<br />
beitshandeln und Leistungsvermögen entwickelt.<br />
Bei der Arbeit in der Werkstatt lassen sich generell zwei Erfahrungsbereiche unter-<br />
scheiden, die im konkreten Arbeitshandeln aber eng miteinander verflochten sind<br />
und zwar:<br />
1. den der spanenden Teilefertigung (Werkstattbereich) mit der Maschine, gemeint<br />
sind hier z.B. die Bearbeitungsstrategie und die Prozessbeherrschung.<br />
2. den der Auftragsabwicklung (dispositives Umfeld), gemeint sind hier Fragen z.B.<br />
der Auftrags- und Ressourcendisposition<br />
2.2.2 Erfahrungsgeleitete Arbeit im dispositiven Umfeld<br />
Durch die Nutzung von Erfahrung aus beiden Bereichen in Form einer engen Ver-<br />
schränkung und eines Aufeinanderbezogen-Seins von Erfahrungen aus Zerspanung<br />
und aus Auftragsabwicklung können Facharbeiter eine flexible, ökonomische, zeit-<br />
und material- sowie qualitätsgerechte Teilefertigung gewährleisten. Dies zeigt sich<br />
z.B., wenn bei der Disposition der Auftragsreihenfolge durch Facharbeiter in die Ab-<br />
schätzung der Bearbeitungszeiten erfahrungsbasierte Erwartungen über eventuell<br />
auftretende Schwierigkeiten in der Zerspanung mit eingehen. Umgekehrt fließen in<br />
die Tätigkeiten zur Steuerung der Zerspanung auch immer Erfahrungen mit der Auf-<br />
tragsabwicklung ein. Dies wird u.a. deutlich, wenn Facharbeiter einen Werkzeug-<br />
wechsel abhängig machen von dem Aufwand der Zeit(ersparnis), sowie den erwar-<br />
teten Auswirkungen bezüglich der Qualität. So entscheidet sich ein Facharbeiter u.U.<br />
bei nur einem verbleibenden Werkstück, es mit verminderter Drehzahl und stumpfe-
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 15<br />
rem Werkzeug fertigzubearbeiten, während er es bei weiteren verbleibenden Werk-<br />
stücken wechselt.<br />
Die folgende Grafik veranschaulicht die Zusammenwirkung der beiden Erfahrungs-<br />
bereiche, wobei die Pfeile die jeweiligen Beeinflussungsrichtungen symbolisieren:<br />
Werkzeugverfügbarkeit<br />
Auftragspapiere<br />
Einrichteblatt<br />
Aufspannmittel<br />
Bereich der<br />
Auftragsabwicklung<br />
Bereich der<br />
Teilefertigung<br />
Abbildung 1: Erfahrungsbereiche in der Werkstatt<br />
Teilebündelung nach Materialart<br />
Terminierung<br />
Zeichnung<br />
Prüfung auf Machbarkeit<br />
Der Fokus für das Arbeitshandeln von Facharbeitern mit Dreh- und Fräßmaschinen<br />
liegt auf dem inneren Erfahrungsbereich der spanenden Teilefertigung, in den hier<br />
- wie gezeigt - der äußere Erfahrungsbereich der Auftragsabwicklung mit hineinwirkt.<br />
Bei der Beschreibung der Tätigigkeitsinhalte an CNC-Werkzeugmaschinen, die den<br />
inneren Erfahrungsbereich ausmachen, finden sich in der Literatur verschiedene<br />
Versuche einer analytischen Unterscheidung der einzelnen Aufgaben und Tätig-<br />
keitsinhalte. Es werden folgende Arbeitsfunktionskomplexe unterschieden:<br />
a. Arbeitsplanung<br />
- Fertigungsablauf ermitteln<br />
- Arbeitsplan erstellen<br />
b. NC-Programmierung<br />
- Bearbeitungsstrategie bilden<br />
- Programmdaten ermitteln bzw. aus CAD übernehmen<br />
- NC-Programm erstellen<br />
- Programmverwaltung<br />
c. Fertigungssteuerung und -überwachung<br />
- Kapazitätsplanung<br />
- Bereichsbezogene Auftragsanordnung bzw. -verteilung<br />
- Auftragsreihenfolgebestimmung<br />
- Betriebsmittelbereitstellung<br />
- Beteiligung an der Fertigungsgrobplanung
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 16<br />
d. Betriebsmittelwesen<br />
e. Maschineneinrichtung und -rüstung<br />
- Einrichtevorgänge festlegen<br />
- Spannmittelaufbau<br />
- Werkzeugvoreinstellung<br />
- Bearbeitungswerkzeuge einsetzen und auswechseln<br />
f. Programm testen und korrigieren<br />
- Programm einfahren<br />
- Programmtestlauf<br />
- Programm korrigieren und optimieren<br />
g. Prozeßüberwachung<br />
- Maschinen- und Anlagebedienung<br />
- Fertigungsablauf überwachen und korrigieren<br />
h. Qualitätssicherung<br />
- Meßmittel vorbereiten<br />
- Prüf- und Meßvorgänge durchführen<br />
i. Instandhaltung<br />
- Beteiligung an der Instandhaltungsplanung<br />
- Störungsdiagnose<br />
- Wartung<br />
j. Fertigungsgerechte Konstruktion<br />
- Kommunikation mit Konstruktion<br />
k. Partizipation an Innovationsprozessen<br />
Bei solchen Erfassungen und Zusammenfassungen von Einzeltätigkeiten oder<br />
-aufgaben zu größeren Arbeitskomplexen bestehen Probleme neben der ange-<br />
strebten vollständigen Erfassung vor allem in der Zuordnung und Gewichtung der<br />
einzelnen Tätigkeiten zu übergeordneten Komplexen. Die Festlegung des Zeitpunk-<br />
tes, wann im Arbeitsablauf welche Tätigkeit ausgeführt wird spricht eines dieser Pro-<br />
blemfelder an. Hier unterscheiden sich Facharbeiterinnen und Facharbeiter sowohl<br />
individuell als auch situationsbezogen.<br />
Ein weiterer Kritikpunkt an solchen schematisch und damit starr anmutenden Be-<br />
schreibungen von Aufgabeninhalten besteht in ihrem Auflistungscharakter, der pro-<br />
zeßhaften Dynamik der Arbeitshandlungen nur unvollkommen gerecht werden kann.<br />
D.h. sowohl Entscheidungspunkte (Denkvorgänge, Bewertungen) für die Ausführung<br />
bestimmter einzelner Arbeitshandlungen in Abhängigkeit vom Fertigungsfortschritt<br />
oder -rückschritt, als auch die entsprechenden Orientierungsgrundlagen sind nur
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 17<br />
schwer in solche Auflistungen integrierbar. Im Wesentlichen werden auf diese Art<br />
und Weise eher die äußerlich beobachtbaren Handlungsabläufe abgebildet.<br />
Die Dynamik des Arbeitsablaufes und auch wesentliche Tätigkeitsabschnitte sowie<br />
zugrundeliegende Entscheidungs- und Orientierungspunkte lassen sich angemesse-<br />
ner in einem kreisförmigen Erfahrungszyklus der spanenden Teilefertigung abbilden:<br />
Abbildung 2: Erfahrungszyklus der spanenden Fertigung<br />
Das Schaubild beschreibt die Leitaufgabe des Facharbeiters an CNC-Werkzeugma-<br />
schinen in der Fertigung, nämlich aus einem Rohling bzw. aus einem vorgefertigten<br />
Teil ein Fertigteil bzw. ein weiter zu bearbeitendes Zwischenteil herzustellen. Der<br />
äußere Kreis bezeichnet die verschiedenen Entscheidungspunkte, die im Laufe der<br />
Bearbeitung auftreten sowie wesentliche, konkrete Tätigkeitskomplexe (Ecktätigkei-<br />
ten). Mit Erhalt von Rohteil, Zeichnung, Einrichteblatt und vorgefertigten Program-<br />
men als einem Maximum von vorgegebenen Materialien in der Produktion stellt sich<br />
für die Facharbeiterinn oder den Facharbeiter zunächst die Frage, ob eine Bearbei-<br />
tung wie vorgesehen möglich ist. Diese Entscheidung ist noch komplexer und um-<br />
fangreicher, wenn kein Programm oder Einrichteblatt vorliegt und auch die Aufspan-<br />
nung selbst festgelegt werden muß. Es stellt sich also weiterhin die Frage nach einer<br />
den gegebenen und in der Zeichnung bzw. Einrichteblatt aufgeschriebenen ad-<br />
äquaten Bearbeitungsstrategie. Diese Überlegungen führen weiterhin zur Program-<br />
meingabe bzw. -korrektur sowie zum Einrichten der Maschine, worunter sowohl die<br />
Aufspannung des Werkstücks, die Bestückung mit geeigneten Werkzeugen wie auch
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 18<br />
die Festlegung der Werkstücknullpunkte zählen. Programmeingabe und Einrichten<br />
der Maschine stellen in der betrieblichen Praxis eng miteinander verschränkte Tätig-<br />
keitsinhalte dar, so müssen beispielsweise die ausgewählten und vermessenen<br />
Werkzeuge in den Programmwerkzeugspeicher eingegeben werden.<br />
Im nächsten Tätigkeitsabschnitt (Verfahrwege und Schnittgeschwindigkeiten vorge-<br />
ben/korrigieren) erfolgt in erster Linie ein Einfahren des selbst erstellten oder vorge-<br />
gebenen Programms. Wesentliche Entscheidungen betreffen hier zum einen die<br />
grundsätzliche Lauffähigkeit des Programms oder genauer der kodierten Verfahrwe-<br />
ge der Werkzeugspindel sowie die endgültige Festlegung und Anpassung der Tech-<br />
nologiewerte (Schnittiefe, Drehzahl, Vorschub) an die konkreten Werkstück-<br />
Werkzeug-Charakteristiken und -Eigenarten.<br />
Weitere Entscheidungspunkte im Laufe der Teilebearbeitung stellen Fragen nach<br />
Zustand bzw. Abnutzung von Werkzeugen und nach der Einhaltung von Maßhaltig-<br />
keit und Oberflächengüte dar. Diese Fragen betreffen das Einfahren und die Pro-<br />
zeßüberwachung, wenn bei Folgeteilen die Maschine im Automatikbetrieb läuft. Än-<br />
derungen des Programms werden in der Regel am Ende der Bearbeitung fixiert.<br />
Wesentlich ist, daß sich Facharbeiterinnen und Facharbeiter an diesen Maschinen<br />
bei jedem Tätigkeitsabschnitt und jedem Entscheidungspunkt auf die im inneren<br />
Kreis angeführten und der Wahrnehmung zugänglichen Orientierungsgrundlagen<br />
beziehen. So wird entsprechend dem Bearbeitungsfortschritt der jeweils sich verän-<br />
dernde Bearbeitungskontext über die der Wahrnehmung zugänglichen Daten erfaßt.<br />
Dies können z.B. vor Beginn der Bearbeitung die vorliegenden Materialien, v.a.<br />
Zeichnung, Einrichteblatt und evtl. Programm und während der Bearbeitung die aku-<br />
stische, optische und taktil-kinästethische Verfolgung der Bearbeitung sein. Deutlich<br />
wird, daß eine Orientierung, wann und wie eine bestimmte Bearbeitung von der Ma-<br />
schine ausgeführt wird, eine Art komplexen Hintergrund für die Steuerung der Bear-<br />
beitung angeben. Zusätzlich zu den über die Wahrnehmung zugänglichen aktuellen<br />
Daten geben hier die kurz- und längerfristig zurückliegenden und ihren Bedeutungen<br />
für den aktuellen Bearbeitungskontext erfahrenen Daten eine wichtige Orientierung.<br />
Weiterhin veranschaulicht die Skizze, daß von jedem Entscheidungpunkt ein Weg<br />
nur über die Mitte zu zurückliegenden Tätigkeitsabschnitten möglich ist. Wenn z.B.<br />
eine Oberflächengüte oder die Toleranz einer Passung nicht eingehalten werden<br />
konnte, muß entschieden werden, wie weiter verfahren werden kann. Ein zu klein<br />
geratenes Maß kann z.B. korrigiert werden, indem der äußere Kreis betreffend einer<br />
solchen Korrektur nochmals durchlaufen und ein entsprechender Span abgenom-<br />
men wird.
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 19<br />
2.3 Rolle der Informationstechnik bei erfahrungsgeleiteter Arbeit<br />
In der kognitiv-rational ausgerichteten Psychologie wird die Arbeitskraft (in Analogie<br />
zu Computersystemen) als ein informationsverarbeitendes System angesehen. Sie<br />
nimmt Informationen auf, verarbeitet diese und gibt sie in irgendeiner Form aus bzw.<br />
weiter. Ein Vorteil dieser Betrachtungsweise wird darin gesehen, daß sich dadurch<br />
menschliche Informationsprozesse datentechnisch nachbilden und simulieren las-<br />
sen, und sie deshalb wiederum leichter objektiv (nachmeßbar und rechnerisch) un-<br />
tersucht werden können. Bei dieser Analogiebildung ergeben sich allerdings Be-<br />
schränkungen für das dahinterstehende Konzept. Bei der Informationsaufnahme<br />
werden insbesondere nur eindeutig und datentechnisch erfaßbare Informationsquel-<br />
len berücksichtigt (wie z.B. Reize, Signale, Zeichen und Muster). Bei der Informati-<br />
onsverarbeitung werden ebenso lediglich generalisierbare, d.h. von Personen und<br />
Situationen unabhängige Prinzipien und Steuerungselemente kognitiver Kontrolle<br />
betrachtet. Dazu gehören Fertigkeiten aus der sog. Gewohnheitsebene, Regeln auf<br />
der sog. Regelebene und mentale Modelle auf der sog. Wissensebene. Die Hand-<br />
lungsregulationstheorie spricht auch von Fertigkeiten, Plänen und variablen Grund-<br />
mustern. Bei der Informationsausgabe handelt es sich zum einen um Operationen,<br />
die durchgeführt werden, genauso wie um externe Speicherung verdichteter und<br />
aufbereiteter Daten und Informationen oder deren Weitergabe. Einstellungen, Emo-<br />
tionen und Spannungen aus dem sozialen Kontext begleiten allenfalls die kognitiven<br />
Informationsverarbeitungsprozesse, haben für diese aber, wenn überhaupt, nur mit-<br />
telbar eine Funktion, z.B. die der Selektion und Filterung.<br />
Das Konzept computergestützter erfahrungsgeleiteter Arbeit (CeA) geht davon aus,<br />
daß kognitiv-rationale Informationsverarbeitungsprozesse bei Arbeitskräften vor al-<br />
lem in wiederkehrenden, standardisierbaren und berechenbaren Arbeitssituationen<br />
vorkommen, und hierfür das Konzept der Arbeitskraft als informationsverarbeitendes<br />
System tragfähig ist. Bei der Arbeit mit CNC-Werkzeugmaschinen zählen zu solchen<br />
Arbeitssituationen vereinfachte Formen der Programmeingabe, die Prüfung der An-<br />
fahrbedingungen beim Einrichten und Rüsten (z.B. Spannsituation, Werkzeuglänge<br />
und Nullpunkte) mit Hilfsmitteln und die Prüfung der Produktqualität mittels Meßge-<br />
räten.<br />
Bei der Arbeit mit CNC-Werkzeugmaschinen treten gleichwohl eine Vielzahl von Ar-<br />
beitssituationen auf, bei denen aber der Modus subjektivierenden Handelns von vor-<br />
rangiger Bedeutung ist. Dazu gehören die weiter oben beschriebene Arbeitsfunkti-<br />
onskomplexe (a. - k.), vor allem dann, wenn es sich nicht um Standardsituationen<br />
(z.B. schwer einsehbare Aufspannungen, vorgefertigte Teile) handelt.
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 20<br />
Der Modus subjektivierenden Handelns besteht aus einer Einheit der Komponenten<br />
der komplexen Wahrnehmung, des assoziativen Denkens, des iterativen Vorgehens<br />
und der erlebten Bezugnahme zu Maschinen und Personen. Die besondere Lei-<br />
stungsfähigkeit entsteht dadurch, daß durch Aktivierung einer Komponente im<br />
Handlungsmodus die anderen ebenfalls verfügbar sind. Wahrgenommene Informati-<br />
onsquellen, Vorstellungsbilder, durchgeführte oder vorgestellte Bewegungsfolgen<br />
und Erlebnisse im Umgang mit Maschinen und Personen sind miteinander gedächt-<br />
nismäßig assoziativ verknüpft. Im Einklang mit diesem Befund steht die Theorie des<br />
multimodalen Gedächtnisses. Danach kann mit der Umwelt über verschiedene Ge-<br />
dächtnissysteme interagiert werden, über sensomotorische Empfindungen genauso<br />
wie über visuelle bildhafte Eindrücke und körperliche Bewegungen (Grafik und Vi-<br />
deo), wie natürlich auch über Begriffe und Kategorien (Text und Sprache). Wahr-<br />
nehmung steht im Dienste des Tuns. Im Umgang mit der Umwelt bildet eine Person<br />
Markierungen aus (z.B. Bildmarken, Bewegungsmarken, Wortmarken), bei deren<br />
Auftreten in einer Arbeitssituation ein besonders leichter Zugang zum entsprechen-<br />
den Gedächtnissystem gegeben ist und über dieses wiederum andere angesprochen<br />
werden können. Eine Person führt unbewußt den Zugang durch, mit dem sie den für<br />
sie am wenigsten psychischen Energieaufwand aufbringen muß. Wahrnehmung<br />
kann somit als dissipativer Vorgang aufgefaßt werden, der den Prinzipien der<br />
Selbstorganisation unterliegt.<br />
2.4 CeA-Anforderungen an Technik und Organisation<br />
Aus der Sicht des Konzeptes erfahrungsgeleiteter Arbeit mit CNC-Werkzeugma-<br />
schinen ergeben sich drei Ansatzpunkte, wie erfahrungsgeleitete Arbeit in der Werk-<br />
statt technisch unterstützt werden kann. Sie beziehen sich auf technische Optionen<br />
zur<br />
1. Erhöhung der Prozeßtransparenz<br />
2. Verbesserung und Vereinfachung des Prozeßeingriffs<br />
3. maschinennahen Erstellung von Programmen bzw. deren Korrektur.<br />
Bei der Erhöhung der Prozeßtransparenz geht es um sinnvolle Maschinenkonstruk-<br />
tionen, die es mehr als bisher erlauben, unmittelbare Prozeßäußerungen wahrneh-<br />
men zu können. Zum anderen geht es darum, Sensoren so zu nutzen, daß transfor-<br />
mierte Information über Prozeßzustände Arbeitskräften in einer analogen Darstel-<br />
lungsform so zur Verfügung gestellt werden (z.B. akustische Sensoren oder Be-<br />
dienelemente mit taktiler Rückkopplung), daß die Facharbeiter zutreffende mentale<br />
Vorstellungen über die Charakteristiken des ablaufenden Prozesses bilden können.
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 21<br />
Zur Verbesserung bei Prozeßeingriffen an der sind Arbeitskräfte beim Einrichten und<br />
Rüsten zu unterstützen, Verfahrbewegungen direkt manuell zu steuern, Fingerspit-<br />
zengefühl bei der Regulation von Schnittgeschwindigkeiten zu nutzen und die Hand-<br />
habung der Maschine z.B. für das Wiederanfahren nach einem Stillstand zu erleich-<br />
tern. Optionen für die Maschinenprogrammerstellung und -korrektur beziehen sich<br />
auf einfache Programmeingaben und auf eine einfache und komfortable Verände-<br />
rung von CNC-Programmen. Dies gilt insbesondere auch für sehr umfangreiche Pro-<br />
gramme, die in der Arbeitsvorbereitung programmiert worden sind, bei denen einzel-<br />
ne Abschnitte zu fahren sind oder die sich als korrekturbedürftig erweisen.<br />
Organisatorische Optionen beziehen sich auf den Aufgabenzuschnitt, wie auch auf<br />
die Arbeitsorganisation in der Werkstatt und auf die Beziehungen zu vor- und nach-<br />
gelagerten Bereichen. Erfahrungsgeleitete Arbeit wird unterstützt, wenn Facharbeiter<br />
in der Werkstatt Erfahrungszyklen aufbauen und laufend anpassen können. Dazu<br />
gehört, daß sie Aufgaben wie Programmeingabe, Einrichten und Rüsten der Maschi-<br />
ne, Einfahren von Programmen, Prozeßüberwachung und Produktkontrolle gesamt-<br />
heitlich oder zumindest - in Zusammenarbeit mit anderen - anteilig übernehmen.<br />
Erfahrungsgeleitete Arbeit wird weiter erleichtert, wenn bei Vorhandensein von inte-<br />
grierten Produktionssystemen (CIM-Komponenten wie CAD/CAM und PPS mit<br />
Werkstattsteuerung WSS, usw.) ein laufender Austausch von Erfahrungen zwischen<br />
der Werkstatt und vor- bzw. nachgelagerten Bereichen stattfindet. Anlaß dazu kann<br />
die Über- bzw. kommentierte Rückgabe von Fertigungsunterlagen sein, ebenso aber<br />
das Gespräch über die Simulation von Programmen für CNC-Maschinen oder Plä-<br />
nen für Werkstattsteuerung am anderen Ort oder Rückfragen aus vorgelagerten Be-<br />
reichen über Fertigungsnotwendigkeiten. Auf diese Weise kommt ein Erfahrungs-<br />
austausch entlang von Prozeßketten (Produkterstellung und Auftragsabwicklung) in<br />
Gang. Ebenso bedeutsam ist auch ein Erfahrungsaustausch innerhalb der Werkstatt<br />
zwischen Arbeitskräften, die ähnliche Maschinen mit ähnlichen Steuerungen bedie-<br />
nen bzw. vergleichbare oder gleiche Teile herstellen. Die Segmentierung von Werk-<br />
stätten in verschiedene Produktionsbereiche und qualifizierte Gruppenarbeit für die<br />
Arbeit in Fertigungsinseln können hier die notwendigen organisatorischen Voraus-<br />
setzungen schaffen.<br />
Die Diskussion über Gruppenarbeit bis hin zur umfassenden Reorganisation von<br />
Unternehmen sind Reaktionen auf veränderte gesellschaftliche Rahmendaten der<br />
Produktion, insbesondere auf die Veränderungen und teils turbulenten Entwicklun-<br />
gen auf den Absatzmärkten. Damit gewinnt auch die Frage, wie zukünftig Produkti-<br />
onsarbeit aussieht und welcher Typ von Arbeitskraft benötigt wird, eine neue Wen-
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 22<br />
dung. Es reicht nicht aus, die Arbeitsorganisation und Qualifikation von Arbeitskräf-<br />
ten an eine bestimmte Technik anzupassen, in den Mittelpunkt rückt vielmehr die<br />
Frage, ob die Technik den neuen Anforderungen an die industrielle Produktion und<br />
den Veränderungen in der Arbeits- und Betriebsorganisation entspricht. Zu fragen ist<br />
somit nicht, welche Arbeitskräfte und welche Arbeitsorganisation die Technik erfor-<br />
dert, sondern umgekehrt: Ermöglicht es die Technik, das Potential qualifizierter<br />
Fachkräfte effektiv zu nutzen und weiterzuentwickeln?<br />
2.5 Aufgabe und Zielsetzung des CeA-Konzeptes<br />
Gemessen an der Zielsetzung einer möglichst vollständigen Automatisierung zur Er-<br />
reichung einer integrierten CIM-Struktur mag das technische Konzept zur Unterstüt-<br />
zung erfahrungsgeleiteter Arbeit als Beschränkung oder gar Rückschritt in der tech-<br />
nischen Entwicklung erscheinen. Doch es fragt sich, ob die Automatisierung ein hin-<br />
reichendes Kriterium für die Beurteilung des technischen Fortschritts darstellt. Be-<br />
trachtet man die technische Entwicklung als einen Prozeß, der vom einfachen Werk-<br />
zeug über die Maschine bis hin zum sich selbst steuernden Automaten führt, sind<br />
technische Systeme, die - einmal in Gang gesetzt - von menschlichen Eingriffen un-<br />
abhängig sind, das ausgereifteste Stadium technischer Entwicklung, an dem der Er-<br />
folg technischer Innovation zu messen ist. Doch die Praxis ist weit differenzierter und<br />
vielfältiger. Es gibt zahlreiche Beispiele für technische Innovationen, die nicht auf das<br />
Ziel der Automatisierung gerichtet sind, aber dennoch einen technischen Fortschritt<br />
darstellen.<br />
Mit flexibel einsetzbarer Informationstechnik soll eine flexible Produktion und Be-<br />
triebsorganisation gewährleistet werden. Die Anforderungen, die heute an die Tech-<br />
nik gestellt werden beziehen sich nicht mehr nur auf unterschiedliche Einsatzberei-<br />
che, sondern ebenso auf unterschiedliche Formen der Interaktion zwischen Mensch<br />
und Technik. Der Mensch ist mitentscheidender Produktionsfaktor und muß mit in<br />
neue Technikkonzepte einbezogen werden. Die menschenleere Fabrik kann nicht<br />
Ziel dieser Bemühungen sein, sondern die Forderung nach neuen menschenge-<br />
rechten Arbeitsorganisationen und Arbeitsinhalten muß gestellt werden. Dabei sind<br />
neue Medien und neue Technologien mitzuberücksichtigen. Bei dieser Gestaltung<br />
von Arbeitsorganisationen müssen technisches und organisatorisches System ge-<br />
meinsam und partizipativ mit den Mitarbeitern gestaltet werden, um ein möglichst<br />
optimales Gesamtsystem zu erzielen.<br />
Der Abbau zentralistischer Betriebsstrukturen - wie er heute durch Lean Production<br />
gefordert wird - setzt eine neue Technik voraus, die anstelle der bisher verfolgten
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 23<br />
CIM-Konzepte nach den Grundsätzen einer computergestützten erfahrungsgeleite-<br />
ten Arbeit gestaltet ist. Die Technisierung von Informations- und Kommunikations-<br />
prozessen und die Vernetzung betrieblicher Teilprozesse darf deshalb nicht auf Ko-<br />
sten des direkten Informationsaustausches z.B. zwischen Werkstatt und Konstrukti-<br />
on oder dem Werker an den Maschinen und der Produktionsplanung gehen. Techni-<br />
sche Medien sind so zu gestalten, daß Erfahrungswissen erhalten, gestützt, erleich-<br />
tert und effektiviert wird.<br />
Weitere Rahmenbedingungen sind für die Entwicklung technischer Unterstützungs-<br />
systeme im Werkstattbereich von Bedeutung und müssen in den Umstrukturierungs-<br />
prozeß mit einfließen. Es ist ersichtlich, daß Rechnerintegration, Informations- und<br />
bereichsübergreifende Kommunikationssysteme einen mitentscheidenden Faktor<br />
auch in der Werkstattumgebung darstellen. Heutige Computersysteme sind so kom-<br />
pakt und leistungsfähig, daß sie als Maschinensteuerungen auf CNC-Werkzeugma-<br />
schinen eingesetzt werden. Die Integration von OnLine-Information, Aus- und Wei-<br />
terbildung (Schulung durch CBT) zusätzlich zu Steuerungsfunktionen stellen keine<br />
technischen Probleme mehr dar. Neue Technologien, wie Multimedia, Informations-<br />
und Kommunikationssysteme können in entsprechenden Netzwerkumgebungen ein-<br />
gebunden werden und können ihre Tätigkeit direkt dort aufnehmen, wo sie am drin-<br />
gendsten benötigt werden: Am Ort der Wertschöpfung.<br />
Im Verlauf des Projektes CeA wurde mit der Firma Rich. Seifert & Co. GmbH & Co.<br />
KG ein Facharbeiter-Informations-System (CeAFIS) entwickelt, daß den weiter oben<br />
genannten Anforderungen genügen soll. Als ein modularer Bestandteil dieses Auf-<br />
tragsdispositionssystems CeAFIS, das weiter unten noch näher erläutert werden soll,<br />
ist die Einrichteblattverwaltung anzusehen, die letztendlich zwei wesentliche Zielset-<br />
zungen verfolgte:<br />
1. Die Einrichteblattverwaltung soll als Kommunikationsmittel dienen<br />
2. Die Einrichteblattverwaltung soll als Arbeitsmittel dienen<br />
Beide Zielsetzungen sollen in den beiden nächsten Kapiteln erläutert werden.<br />
2.5.1 Einrichteblattverwaltung als Kommunikationsmittel<br />
Einrichten und Rüsten ist für die Facharbeiterinnen und Facharbeiter nicht der ei-<br />
gentliche Arbeitsinhalt. Ziel und Aufgabe ist es, Werkstücke zu fertigen. Dement-<br />
sprechend machen sie sich Gedanken über die Fertigung von Werkstücken, über-<br />
prüfen diese bei der Aufspannung, revidieren ihre Planung und passen sie gegebe-<br />
nenfalls an die reale Bearbeitungssituation an. Dieser Prozeß des Planens, Ausfüh-
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 24<br />
rens und Kontrollierens kann bisher im Einrichteblatt nicht dokumentiert werden. Es<br />
gibt keine Auskunft darüber, warum andere mögliche Bearbeitungsstrategien oder<br />
Aufspannungen verworfen oder warum bestimmte Nullpunkte gewählt wurden. Sol-<br />
che Informationen sind aber wichtig, wenn nach dieser Rüstsituation später Wieder-<br />
holteile gefertigt werden sollen.<br />
Um sich und anderen Kolleginnen und Kollegen das Hineindenken in die Rüstsituati-<br />
on bei einer späteren Fertigung von Wiederholteilen zu erleichtern, versuchen viele<br />
Facharbeiterinnen und Facharbeiter, die von ihnen erstellten Aufspannungen gut zu<br />
dokumentieren. Sie schreiben Kommentare auf lose DIN-A4-Zettel um kritische<br />
Stellen kenntlich zu machen; sie weisen mit Skizzen auf die Werkzeugwechsel- oder<br />
Nullpunkte hin; sie dokumentieren die Aufspannungen in Zeichnungen. All das ge-<br />
schieht, damit sie und andere Kollegen einen bildlichen Eindruck von der Rüstsitua-<br />
tion bekommen, sich in ihr schneller orientieren und erkennen zu können, worauf es<br />
ankommt.<br />
Dieser Aneignungsprozeß soll durch die Einrichteblattverwaltung technisch besser<br />
unterstützt werden. So erlaubt die Einrichteblattverwaltung mittels multimedialer Un-<br />
terstützung Videobilder der Aufspannungen zusätzlich zu textuellen Informationen<br />
abzuspeichern, um einen visuellen Eindruck der Rüstsituation zu erhalten. Verbale<br />
und visuelle Beschreibungen der Rüstsituation und des Fertigungsprozesses er-<br />
leichtern im übrigen nicht nur die Arbeitssituation der einzelnen Facharbeiterin oder<br />
des einzelnen Facharbeiters, sie fördern auch die Zusammenarbeit in Gruppen, weil<br />
so die Kommunikation über die Rüstsituationen und die herzustellenden Werkstücke<br />
erleichtert wird.<br />
2.5.2 Einrichteblattverwaltung als Arbeitsmittel<br />
Für die Produktion von Werkstücken in der Einzelteil- und Kleinserienfertigung stel-<br />
len Planen, Ausführen und Kontrollieren für die dort beschäftigten Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeiter inhaltlich keine voneinander unabhängigen Arbeitsinhalte dar.<br />
Wenn Facharbeiterinnen und Facharbeiter diese Tätigkeiten ausführen, verbinden<br />
sie diese zu einem Ganzen. Planung ist dann kein von der Ausführung losgelöster<br />
Prozeß. Diesem Arbeitshandeln müssen neue Steuerungskonzepte Rechnung tra-<br />
gen. So können auch Einrichteblätter für spezifische Rüstsituationen zu einem bes-<br />
seren Arbeitsmittel werden, wenn sie die Facharbeiterinnen und Facharbeiter in ih-<br />
rem Arbeitshandeln unterstützen. Der Firma Rich. Seifert & Co. GmbH. & Co. KG<br />
bietet sich dadurch die Chance, die vielfältigen Erfahrungen ihrer Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeiter zu nutzen und ihnen zu ermöglichen, neue Produktionserfahrungen
ERFAHRUNGSWISSEN IM CIM-UMFELD 25<br />
zu machen und einzusetzen. Damit erschließen sie sich auch neue Möglichkeiten für<br />
eine flexible Produktion.
MODELLVORHABEN CEAFIS 26<br />
3 Modellvorhaben CeAFIS<br />
Zielsetzung des Modellvorhabens bei der Firma Rich. Seifert & Co. Gmbh & Co. KG<br />
war die Sicherung und Förderung erfahrungsgeleiteter Arbeit an CNC-Werkzeugma-<br />
schinenarbeitsplätzen im CIM-Umfeld. Hierfür sind entsprechende organisatorische-<br />
technische Sollkonzepte und Pflichtenhefte entworfen und umgesetzt worden. Ein<br />
zentrales Element bei der Entwicklung und Realisierung von erfahrungsförderlichen<br />
Arbeitsstrukturen war hierbei die Mitarbeiterbeteiligung. Die Einführung der partizipa-<br />
tiv entwickelten organisatorisch-technischen Sollkonzepte wurde von entsprechen-<br />
den Qualifizierungsmaßnahmen für die Mitarbeiter begleitet. Die nachfolgenden<br />
Ausführungen stellen die Einrichteblattverwaltung als Bestandteil der computerge-<br />
stützten erfahrungsgeleiteten Auftragsdisposition und Arbeitsplanung im Facharbei-<br />
ter-Informations-System (CeAFIS) dar und beschreiben die Ergebnisse des Modell-<br />
vorhabens in seiner Gesamtheit.<br />
3.1 Betriebliche Rahmenbedingungen<br />
3.1.1 Produktspektrum<br />
Die Firma Rich. Seifert & Co. Gmbh & Co. KG ist ein traditionelles Unternehmen und<br />
wurde bereits 1892 gegründet. Dieses mittelständische Unternehmen hat seinen<br />
Stammsitz in Ahrensburg bei Hamburg. Es unterhält, neben den inländischen Ge-<br />
schäftsstellen Berlin, Düsseldorf, Ludwigshafen und München, Tochterunternehmen<br />
in den USA und England sowie Handelsvertretungen in allen wichtigen Industrielän-<br />
dern der Welt.<br />
Derzeit sind 270 Mitarbeiter beschäftigt, wobei es sich in allen Bereichen um hoch-<br />
qualifiziertes Personal handelt. Die Firma entwickelt, produziert und vertreibt Rönt-<br />
gengeräte für die zerstörungsfreie Materialuntersuchung. Hierbei handelt es sich um<br />
sehr anspruchsvolle Geräte, die ständig für einen individuellen Markt auf den neue-<br />
sten technischen Stand gebracht werden müssen. Die Qualität der Geräte und Anla-<br />
gen muß auf höchstem Stand gehalten werden.
MODELLVORHABEN CEAFIS 27<br />
Die Anforderungen der Kunden aus den verschiedenen Branchen sind höchst unter-<br />
schiedlich. Daraus folgt der äußerst hohe Entwicklungs-, Konstruktions- und Ferti-<br />
gungsaufwand für die Geräte und Anlagen.<br />
Die Stärke der Firma Rich. Seifert & Co. Gmbh & Co. KG liegt in der Flexibilität. Sie<br />
sind stets bemüht, Sonderwünsche des Kunden schnell und gut zu erfüllen, denn der<br />
Markt erfordert ein schnelles Reagieren.<br />
Die Fertigungsbereiche sind vielseitig, sie reichen von Elektronik über Feinmechanik<br />
bis zum Maschinenbau. Bei der Fertigungsstruktur handelt es sich um auftragsbezo-<br />
gene Einzelfertigung mit sehr hohem Konstruktionsanteil sowie Kleinserienfertigung<br />
mit einer Durchschnittslosgröße von 10-20 Stück. Einige Komponenten werden zu-<br />
gekauft oder auswärts gefertigt. Die Fertigungstiefe ist bei Seriengeräten hoch, bei<br />
kundenspezifischen Anlagen ist sie aufgrund spezieller Zukaufteile (wie Schalt-<br />
schränke, Fördertechnik, usw.) deutlich geringer. Die Produktpalette ist sehr vielsei-<br />
tig und wird in die zwei Hauptgruppen, der Grob- und Feinstruktur unterteilt.<br />
Für die Grobstruktur gibt es die Produktlinien Eresco und Isovolt. Die Eresco Rönt-<br />
gengeräte sind transportable Eintankgeräte. Hierbei handelt es sich um ein typisches<br />
Baustellengerät. Typische Anwendungen sind z.B. Schweißnahtprüfungen in Werf-<br />
ten, im Flugzeugbau, im Rohrleitungsbau, usw. Die Isovolt Röntgengeräte sind orts-<br />
veränderliche Gleichspannungsgeräte. Diese Geräte bestehen aus mehreren Kom-<br />
ponenten wie: Hochspannungserzeuger, Röntgenröhre und Strahlenschutzhaube,<br />
Steuergeräte, Kühlpumpe und Kabel. Typische Anwendungen sind Kesselbau,<br />
Schwermaschinenbau aber auch Gußteile aller Art. Der wichtigste Zweig der<br />
Grobstruktur ist die Systemtechnik mit ihren Durchleuchtungsarbeitsplätzen. Hier<br />
werden individuelle Maschinen für bestimmte Anwendungsfälle wie z.B. ein Röntgen-<br />
Durchleuchtungssystem für gegossene KFZ-Räder entwickelt.<br />
In der Feinstruktur heißt die Produktlinie Iso-Debyflex. Hier werden nicht nur die<br />
Röntgengeräte ID 3000, sondern auch alle feinmechanischen Komponenten z.B. für<br />
ein komplettes Diffraktometer-System XRD 3000 gefertigt. Die Feinstrukturröntgen-<br />
geräte dienen der analytischen Materialuntersuchung und werden hauptsächlich von<br />
Universitäten und Instituten gekauft. Diese Geräte finden aber auch immer mehr<br />
Anwendungen in der Industrie. Außerdem betreibt die Firma Rich. Seifert & Co.<br />
Gmbh & Co. KG einen Handel mit Röntgenzubehör.
MODELLVORHABEN CEAFIS 28<br />
3.1.2 Stärken und Schwächen des Gesamtunternehmens<br />
Die Ziele der spanenden Fertigung bei der Firma Rich. Seifert & Co. Gmbh & Co. KG<br />
müssen sich an den gesamtbetrieblichen Rahmenbedingungen orientieren. Die<br />
strategischen Ziele und Vorhaben des Unternehmens müssen letztendlich durch je-<br />
den einzelnen Mitarbeiter umgesetzt werden. Dabei ist es wichtig, sich über den<br />
Stellenwert der spanenden Fertigung als Gestaltungsbereich bewußt zu sein.<br />
Vor diesem Hintergrund sind die wichtigsten Stärken und Schwächen, sowie die<br />
strategischen Unternehmensziele in Tabelle 1 aufgeführt und bewertet. Daraus wird<br />
deutlich, daß der spanenden Fertigung ein hoher Stellenwert für die Leistungs- und<br />
Wettbewerbsfähigkeit zugemessen wird.<br />
Tabelle 1: Stärken und Schwächen des Unternehmens<br />
Der hohe Stellenwert wird durch die gewünschte hohe Fertigungstiefe und die hohe<br />
Produktflexibiltät deutlich, die von der Werkstatt die technische und qualifikatorische<br />
Bewältigung eines breiten Fertigungsspektrums verlangt. Auch der Vorteil speziellen<br />
Know-hows in den Produkten und deren Herstellung gründet sich wesentlich auf das<br />
Mitdenken der Facharbeiterinnen und Facharbeiter, wenn sie beispielsweise Ferti-
MODELLVORHABEN CEAFIS 29<br />
gungserfahrung mit der Konstruktionsabteilung austauschen. Vor diesem Hinter-<br />
grund erklärt sich auch, daß kooperative Unternehmenskultur und attraktive Arbeits-<br />
plätze gerade in Zusammenhang mit der Fertigung als Stärke angesehen werden.<br />
3.1.3 Organisatorischer Rahmen der spanenden Fertigung<br />
3.1.3.1 Beteiligungsmodell der Mitarbeiter<br />
Ein wesentliches Kennzeichen des Modellvorhabens CeAFIS bestand in der Reali-<br />
sierung der Unternehmensziele unter Beteiligung der Mitarbeiter. Sie waren an der<br />
Gestaltung ihres eigenen erfahrungsförderlichen Umfeldes beteiligt. Die Beteiligung<br />
bezog sich auf die<br />
− die Reorganisation ihrer Arbeitsstrukturen (wie die Umgestaltung des Layouts für<br />
die spanende Fertigung)<br />
− die Anpassung der technisch-organisatorischen Lösungen (wie das Einbringen<br />
und<br />
von Benutzeranforderungen in den Rapid Prototyping Prozeß der Einrichteblatt-<br />
verwaltung)<br />
− die Schaffung der qualifikatorischen Voraussetzungen<br />
Die Einbeziehung der Facharbeiterinnen und Facharbeiter fand in allen Phasen statt,<br />
von der ersten Analyse, Pflichtenhefterstellung, Entwicklung und Realisierung von<br />
Modellösungen bis hin zur Bewertung der Maßnahmen und Evaluation des entstan-<br />
den Facharbeiter-Informations-Systems. Praktisch bedeutete dies, daß die Phasen<br />
in Form eines fließenden Übergangs miteinander verknüpft waren. Vorschläge aus<br />
der Analysephase flossen beispielsweise in den Gestaltungsprozeß des Informati-<br />
onssystems ein.<br />
Wesentliche Ergebnisse des Beteiligungsprozesses sind:<br />
1. die Übernahmen der Fertigungsfeinsteuerung durch die Facharbeiter im Rahmen<br />
der Reorganisation der Arbeitsstrukturen<br />
2. die beteiligungsorientierte Entwicklung des rechnergestützten Facharbeiter-<br />
Informations-Systems CeAFIS<br />
3. die in Arbeit integrierte, prozeßorientierte Qualifizierung.<br />
Ein Beispiel für eine sich selbst auf der Facharbeiterebene getragene Beteiligung<br />
stellt die Gestaltung des neuen Layouts der spanenden Fertigung dar (siehe Abbil-
MODELLVORHABEN CEAFIS 30<br />
dung 3). Durch den Umzug der Feinmechanik-Montage steht für die spanende Ferti-<br />
gung mehr Fläche zur Verfügung. Die Facharbeiter konnten die Anordnung ihrer Ma-<br />
schinen bzw. Arbeitsplätze eigenständig neu festlegen. Leitend war für sie dabei die<br />
räumliche Zuordnung ihrer Fertigungsaufgaben und der erforderlichen Informations-<br />
quellen.<br />
Abbildung 3: Layout der spanenden Fertigung
MODELLVORHABEN CEAFIS 31<br />
Die Umgestaltung führte zu einer Intensivierung der Kooperation innerhalb der Ferti-<br />
gungsgruppen. In diesen erfolgt der Aufbau und die Weitergabe von Erfahrungswis-<br />
sen sehr intensiv. Für den Transfer des personalisierten Erfahrungswissens an an-<br />
dere Gruppen werden jetzt an die Kommunikation und Kooperation durch die räumli-<br />
chen Bedingungen besondere Anforderungen gestellt.<br />
3.1.3.2 Aufbauorganisation<br />
In der spanenden Fertigung werden Werkstücke sowohl auf konventionellen als auch<br />
auf CNC-Dreh- und Fräsmaschinen und auch gemischt, d.h. sowohl auf einer kon-<br />
ventionellen als auch auf einer CNC-Maschine gefertigt. Die spanende Fertigung<br />
umfaßt innerhalb des Meisterbereichs Feinwerktechnik die Bearbeitungsverfahren<br />
Drehen und Fräsen. Zu diesem Meisterbereich gehören ebenfalls noch die Mecha-<br />
nik-Bohrplätze und die Feinmechanik-Montage. Insgesamt arbeiten hier 20 Mitar-<br />
beiter, davon 12 in der spanenden Fertigung. Die qualifizierten Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeiter haben alle eine Ausbildung in einem metallverarbeitenden Beruf,<br />
z.T. verfügen sie auch über weiterführende Schulabschlüsse, wie Fachhochschul-<br />
reife-Technik. Im angesprochenen Funktionsbereich kommen zur spanenden Ferti-<br />
gung 15 Werkzeugmaschinen zum Einsatz (siehe Tabelle 2).<br />
Maschinentyp Hersteller Steuerung Anzahl aktiver<br />
Programme<br />
Bearbeitungs-<br />
verfahren<br />
V3 VDF Drehen<br />
18 RO VDF Drehen<br />
21 RO VDF Drehen<br />
LZ 140 Präwena Drehen<br />
SV 18 RA TOS Trencin Drehen<br />
MLZ 4 DTG Boleyleinen Drehen<br />
NEF CT 20 Gildemeister EPL 2 20 Drehen<br />
NEF CT 40 Gildemeister EPL 2 30 Drehen<br />
FP 1 Deckel Fräsen<br />
FP 2 NC Deckel Dialog 4 40 Fräsen<br />
FP 3 A Deckel CNC 2101 40 Fräsen<br />
FP 3 CC Deckel Dialog 11 30 Fräsen<br />
FP 5 NC Deckel Dialog 4 40 Fräsen<br />
Tabelle 2: Eingesetzte Werkzeugmaschinen in der spanenden Fertigung
MODELLVORHABEN CEAFIS 32<br />
In der Fräserei sind jeweils eine FP 3 A, FP 5 NC, FP 2 NC, FP 3 CC sowie zwei<br />
konventionelle FP 1 Fräsbänke vorhanden. Diese Maschinen sind zu einer Ferti-<br />
gungsinsel zusammengefaßt (siehe Abbildung 3).<br />
Die Dreherei liegt direkt neben der Fräserei. Sie besteht aus den CNC-<br />
Drehmaschinen NEF CT 40 und NEF CT 20 sowie drei konventionellen großen<br />
Drehmaschinen und zwei kleinen Drehmaschinen. Die Aufstellung der Werkzeugma-<br />
schinen zeigt Abbildung 3.<br />
3.1.3.3 Ablauforganisation<br />
Die technischen und dispositiven Anforderungen an die zwölf Mitarbeiter der spa-<br />
nenden Fertigung resultieren aus dem unternehmensspezifischen Werkstück- und<br />
Auftragsspektrum. Der Anteil kundenspezifischer Fertigungsaufträge beträgt unge-<br />
fähr 50%. Im Hinblick auf die in der spanenden Fertigung zu bearbeitenden Losgrö-<br />
ßen ist eine ausgeprägte Einzelteil- und Kleinserienfertigung zu verzeichnen.<br />
Die bearbeitungsgeometrische Komplexität der Werkstücke ist eher gering, da einfa-<br />
che geometrische Konturen dominieren. Lediglich 15% der zu bearbeitenden Dreh-<br />
bzw. Frästeile werden als schwierig eingeschätzt. In fertigungstechnologischer Hin-<br />
sicht werden dagegen hohe Anforderungen an die Bearbeitung gestellt. Oft sind<br />
mehrere Aufspannungen und hohe Oberflächengüten sowie hohe Lage- und Form-<br />
toleranzen gefordert. Hinsichtlich der Werkstückgröße dominiert sowohl beim Bear-<br />
beitungsverfahren Drehen als auch beim Fräsen die Bearbeitung kleiner und mittel-<br />
großer Werkstücke.<br />
In der mechanischen Konstruktion werden die Zeichnungen und Stücklisten für die in<br />
der spanenden Fertigung zu bearbeitenden Einzelteile und Baugruppen erstellt. Auf-<br />
bauend auf den Stücklisten, den Zeichnungsausdrucken bzw. -kopien und den Rah-<br />
mendaten des jeweiligen Werkstattauftrags (z.B. Identnummer, zu fertigende Stück-<br />
zahl, Fertigungsendtermin) werden in der Arbeitsvorbereitung die Fertigungsaufträge<br />
erstellt. Diese setzen sich aus Teilefertigungs- und Montageaufträgen zusammen.<br />
Erstere dienen in der spanenden Fertigung zur Herstellung von Dreh- und Frästeilen,<br />
letztere in der Feinmechanik-Montage zum Zusammenbau der Anlagen.<br />
Die Grobplanung und die bereichsbezogene Auftragsverarbeitung erfolgt also durch<br />
die Arbeitsvorbereitung. Die Fertigungsfeinsteuerung und die technische Planung der<br />
Fertigungsaufträge geschieht überwiegend durch die Facharbeiter. Der Meister wird<br />
aufgrund technischer Probleme (z.B. Rüstzustand der Maschine), die zu einer Ände-<br />
rung der vorgegebenen Auftragsreihenfolge führen, hinzugezogen.
MODELLVORHABEN CEAFIS 33<br />
Die fertigungstechnischen Aufgaben führen die Facharbeiter weitgehend selbständig<br />
durch, d.h. sie übernehmen u.a. die CNC-Programmierung, das Einrichten, die<br />
Werkzeugvoreinstellungen, die Prozeßüberwachung sowie die Einrichteblatterstel-<br />
lung und -verwaltung.<br />
3.2 CeAFIS: Das Konzept für die Auftragsdisposition und<br />
Arbeitsplanung<br />
Zur Unterstützung der Arbeit von Werkzeugmaschinen-Facharbeiterinnen und<br />
-Facharbeitern im CIM-Umfeld wurde das Konzept CeAFIS entworfen. Das Konzept<br />
und die Grundsätze werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Am Beispiel<br />
der Auftragsdisposition und Arbeitsplanung wird erläutert, in welchem Umfeld sich<br />
die Einrichteblattverwaltung als Informationssystem etabliert hat und wie sie unter<br />
Nutzung des Erfahrungswissens der Beschäftigten zur Verbesserung von Termin-<br />
treue und Kapazitätsnutzung beigetragen hat.<br />
3.2.1 Rolle der Mitarbeiter bei der Auftragsdisposition und Arbeitsplanung<br />
Die Planung und Steuerung von Fertigungsaufträgen stellt in einer Fertigung, die<br />
durch kleine Lösgrößen und hohe Flexibiltätsanforderungen gekennzeichnet ist, eine<br />
Aufgabe mit außerordentlichen hohen Kooperationsanforderungen dar. Dem Inter-<br />
esse des Vertriebsbereichs nach hoher Termintreue und kurzen Lieferzeiten steht<br />
das Interesse der Fertigung nach hoher und gleichmäßiger Kapazitätsausnutzung<br />
gegenüber. Als Mittler zwischen diesen Interessen ist die Produktionsvorbereitung<br />
für die Koordination und den Gesamtdurchlauf der zu einem Kundenauftrag gehöri-<br />
gen Fertigungsaufträge verantwortlich. Der Interessensausgleich erfordert die Ko-<br />
operation aller an der Auftragsabwicklung Beteiligten. Innerhalb des Fertigungsbe-<br />
reichs ergeben sich zusätzliche Kooperationsanforderungen aus der Notwendigkeit,<br />
das Auftragsvolumen auf die verfügbaren Arbeitsplätze zu verteilen und in eine Rei-<br />
henfolge zu bringen, die einen möglichst reibungslosen Fertigungsablauf ergeben.<br />
Zudem ist auf die vielfältigen Störungen des Produktionsgeschehens zu reagieren,<br />
die in der Praxis mit ökonomisch vertretbarem Aufwand nicht vermeidbar sind.<br />
Die in konventionellen Betriebsabläufen gegebene Beteiligung der Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeiter an dieser Dispositionsaufgabe hat nach Aussage von Meistern und<br />
Disponenten hohe Bedeutung für eine gute Kapazitätsausnutzung. Die geschickte<br />
Nutzung eines von der zentralen Grobplanung vorgegebenen Dispositionsspielraums<br />
in der Fertigung beeinflußt den Nutzungsgrad der Werkzeugmaschinen nach Schät-
MODELLVORHABEN CEAFIS 34<br />
zung der Disponenten in einer Größenordnung von ca. 30%. Bei der Verteilung und<br />
Reihenfolgebildung der Fertigungsaufträge werden neben der Terminsituation vor<br />
allem Rüstzustand, Materialart und Verfügbarkeit von Betriebsmitteln berücksichtigt.<br />
Durch Werkzeug- oder Materialwechsel notwendige Umrüst- und Reinigungszeiten<br />
werden durch gezielte Verteilung ebenso reduziert wie z.B. Wartezeiten wegen feh-<br />
lender oder anderweitig gebundener Materialien und Werkzeuge. Die Facharbeite-<br />
rinnen und Facharbeiter können zu diesem Optimierungsgeschehen wesentliche In-<br />
formationen beitragen, die aus den bei der Arbeit an der Maschine und aus der ge-<br />
samten Arbeitssituation gewonnenen Erfahrungen entstehen. Tabelle 3 verdeutlicht,<br />
zu welchen Aspekten die Facharbeiterinnen und Facharbeiter aufgrund Ihres Erfah-<br />
rungswissens Informationen in die Dispositionsentscheidungen mit einbringen kön-<br />
nen.<br />
Tabelle 3: Kenntnisse und Erfahrungen verschiedener Beschäftigtengruppen in<br />
der Beurteilung von Dispositionsaspekten<br />
Die Relevanz der Beteiligung von Facharbeiterinnen und Facharbeitern an der ko-<br />
operativen Aufgabe Auftragsdisposition bilden die Grundlage der Anforderungen, die<br />
im folgenden für das DV-System Einrichteblattverwaltung als Bestandteil des CeA-<br />
FIS-Systems näher erläutert werden.<br />
3.2.2 Anforderungen an die DV-Unterstützung der Auftragsdisposition<br />
Die Auftragsdisposition umfaßt als gesamtbetriebliche Aufgabe drei Planungsebenen<br />
(siehe Abbildung 4):
MODELLVORHABEN CEAFIS 35<br />
Planungsebene 1: In der Vorausplanung erfolgt die Abstimmung mit dem Markt-<br />
bedarf. Festgelegt werden Produktmengen für die kommenden<br />
Betriebskalendermonate und Liefertermine für angefragte Auf-<br />
träge.<br />
Planungsebene 2: In dieser Ebene erfolgt die Überwachung des Kundenauftrags<br />
und die Koordination der Fertigungsaufträge durch Erstellung<br />
von Arbeitsplänen und Soll-Terminen.<br />
Planungsebene 3: In dieser Ebene erfolgt die Feinplanung und die Festlegung der<br />
verfügbaren Dispositionsspielräume durch Prüfung der Verfüg-<br />
barkeit von Ressourcen, Personal, Material und Betriebsmitteln.<br />
Abbildung 4: Das dreistufige Auftragssteuerungskonzept<br />
Der Widerspruch zwischen dem Ziel einer möglichst exakten Vorausplanung<br />
(Planungsebene 1) des Gesamtablaufs eines Auftrages und dem Erfordernis von<br />
Dispositionsspielräumen vor Ort (Planungsebene 3) kann durch gemeinsame Ab-<br />
sprachen und Abstimmungen aufgelöst werden.
MODELLVORHABEN CEAFIS 36<br />
Als grundsätzliche Anforderungen an ein Konzept der DV-Unterstützung für die Dis-<br />
position mit den zugrundeliegenden Planungsebenen ergeben sich deshalb:<br />
1. Die gleichgewichtige Interessenabstimmung zwischen den Planungsebenen muß<br />
erhalten bleiben. Dies kann nur durch ein bottom up Design erreicht werden, d.h.<br />
der DV-Bedarf wurde direkt an den einzelnen Arbeitsplätzen (dritte Planungsebe-<br />
ne), dann derjenige der zugehörigen Arbeitsgruppe berücksichtigt. Die Auswahl<br />
der DV-Funktionen, der Datenbasen und die Ausgestaltung der Benutzerschnitt-<br />
stelle ist damit schrittweise von den Facharbeiterinnen und Facharbeitern, in Ab-<br />
stimmung mit den Disponenten der zweiten Planungsebene, vorzunehmen.<br />
2. Es ist zu berücksichtigen, daß viele für die Dispositionsentscheidung wichtige In-<br />
formationen zeitlich sehr eng mit der Fertigungssituation verknüpft sind und einen<br />
individuellen an die Person gebundenen Charakter haben. Dadurch kommen sie<br />
für eine DV-Verarbeitung in der Praxis kaum in Frage. Solche Informationen kön-<br />
nen nur dann adäquat berücksichtigt werden, wenn die Facharbeiterinnen und<br />
Facharbeiter direkt und verantwortlich an Dispositionsentscheidungen beteiligt<br />
werden und ihnen dazu ein ausreichender Dispositionsspielraum und ausrei-<br />
chende Möglichkeiten zur Abstimmung mit Kolleginnen, Kollegen und dem Dis-<br />
ponenten gegeben sind.<br />
3. Die Informationsunterstützung ist räumlich dort zu Verfügung zu stellen, wo sie im<br />
Arbeitszusammenhang gebraucht wird. Diese Forderung steht im Widerspruch<br />
zur gegensätzlichen Forderung nach einer ruhigen Arbeitsumgebung bei Pla-<br />
nungs- und Dispositionstätigkeiten. Die Auflösung dieses Widerspruchs konnte<br />
nur im Prozeß der Planung und des Aufbaus einer DV-Unterstützung durch die<br />
Facharbeiterinnen und Facharbeiter selbst erfolgen, indem eine bewußte Ausein-<br />
andersetzung der Betroffenen mit solchen widersprüchlichen Gestaltungszielen<br />
stattfand.<br />
4. Die Art und der Umfang der DV-Unterstützung muß auf verfügbare Informations-<br />
quellen abgestimmt sein. Als Informationsquellen werden hier die nicht DV-<br />
technischen Gegebenheiten der unmittelbaren Arbeitsumgebungen betrachtet<br />
(z.B. Regal in dem anstehende Aufträge und Einrichteblätter gelagert sind), die<br />
vermittelt über direkte sinnliche Wahrnehmung handlungsrelevant sind.<br />
5. Informelle und direkte Gesprächsmöglichkeiten auf horizontaler Fertigungsebene<br />
zwischen Kolleginnen und Kollegen gleichartiger und im Arbeitsablauf aufeinan-<br />
derfolgender Arbeitsplätze dürfen durch die DV keinesfalls ersetzt werden. Die<br />
DV-Unterstützung sollte so konzipiert sein, daß sie solche Kontakte im Gegenteil
MODELLVORHABEN CEAFIS 37<br />
sogar fördert. Auch direkte Kontakte zu Beschäftigten in zentralen und entfernten<br />
Bereichen (z.B. Konstruktion) sind durch die DV tendenziell eher zu unterstützen<br />
als zu ersetzen. Allerdings eröffnet die DV gerade hier, durch die meist enge Bin-<br />
dung der Facharbeiter an den Maschinenbereich, durchaus neue Möglichkeiten<br />
zur Kooperation über das Medium Computer. Die Gestaltung dieser computer-<br />
unterstützten Kooperationen darf sich jedoch nicht nur an der CIM-Philosophie<br />
(durchgängige Datenflüsse, gemeinsame Datenbasen) orientieren, sondern muß<br />
- neben den organisatorischen Möglichkeiten der Gestaltung von Fertigungsin-<br />
seln - die derzeit in der Entwicklung begriffenen Ideen eines computer supported<br />
cooperative work (CSCW) aufgreifen.<br />
3.2.3 Anforderungen an die DV-Unterstützung der Arbeitsplanung<br />
Erfahrungsgeleitete Arbeit an CNC-Werkzeugmaschinen beinhaltet neben der Auf-<br />
tragsdisposition die technische Arbeitsplanung. Diese setzt sich zusammen aus:<br />
− Bearbeitungsplanung: Es wird eine Fertigungsstrategie gewählt, das prinzipielle<br />
Vorgehen wird geplant.<br />
− NC-Programmierung: Sofern noch kein NC-Programm existiert, wird ein NC-<br />
Programm erstellt, beim Einfahren wird das Programm getestet und gegebenen-<br />
falls korrigiert und optimiert und für eine Wiederverwendung gespeichert und ver-<br />
waltet (siehe auch /4/).<br />
− Einrichten: Die Maschine wird für den Folgeauftrag vorbereitet, Späne werden be-<br />
seitigt, Aufspannvorrichtungen werden eingebaut, Werkzeuge bei Bedarf gewech-<br />
selt, Zusatzgeräte angebracht.<br />
− Qualitätssicherung: Die produzierten Teile müssen kontrolliert werden, dazu muß<br />
bestimmt werden, welche Anzahl von Teilen vermessen werden muß und welche<br />
Maße kritisch sind (siehe auch /7/)<br />
− Wartung und Fehler/Diagnose: Die Maschinen müssen in regelmäßigen Abstän-<br />
den gewartet werden, diese Wartungsintervalle müssen bei der Bearbeitung der<br />
Werkstattaufträge mit berücksichtigt werden. Maschinenausfälle mit einfachen Ur-<br />
sachen können vom Maschinenführer gegebenenfalls selbst behoben werden<br />
(siehe auch /12/ und /10/).<br />
Die technische Arbeitsplanung ist mit der Auftragsdisposition am Arbeitsplatz, also<br />
an der Maschine, eng verknüpft. Beide Aspekte sind in der direkten operativen Um-<br />
setzung nicht voneinander zu trennen. Je größer dabei der Entscheidungs- und<br />
Handlungsspielraum durch die Facharbeiterinnen und Facharbeiter an der Maschine<br />
ist, desto besser können die notwendigen Aufgaben optimal aufeinander abgestimmt
MODELLVORHABEN CEAFIS 38<br />
werden, um schneller auf Störeinflüsse reagieren zu können. Dabei setzt der Fach-<br />
arbeiter neben seinem Anwendungs- und Übungswissen auch sein Erfahrungswis-<br />
sen ein und kann durch die ständig variierenden Bedingungen und Einflußgrößen<br />
neue Erfahrungen bilden.<br />
Deshalb sollen die genannten Aufgaben der technischen Arbeitsplanung grundsätz-<br />
lich durch die Facharbeiterinnen und Facharbeiter erfüllt werden. Wenn dies auf-<br />
grund des Aufgabenumfangs nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, sollte der<br />
Facharbeiter in die Aufgabenerfüllung fest integriert werden, d.h., sie ist in kooperati-<br />
ver Form durch mehrere Personen gemeinsam oder nach gemeinsamer Absprache<br />
zu erfüllen. In jedem Fall ist eine technische Unterstützung möglich. Deshalb soll<br />
CeAFIS auch Module beinhalten, die den Facharbeiter bei der technischen Arbeits-<br />
planung unterstützen. Diese kann er dann kompetent ausfüllen, wenn er alle not-<br />
wendigen Arbeitsmittel und Informationen am Arbeitsplatz zur Verfügung hat, wenn<br />
er sich gezielt mit Kollegen aus nach-, neben- und vorgelagerten Bereichen abstim-<br />
men kann und wenn ihn informationstechnische Arbeitsmittel mit angepaßten Funk-<br />
tionen, wie CeAFIS, unterstützen.<br />
3.2.4 Die Einrichteblattverwaltung als Modul im Facharbeiter-Informations-<br />
System CeAFIS<br />
Aus den oben formulierten grundsätzlichen Anforderungen an computergestützte<br />
erfahrungsgeleitete Arbeit in der Auftragsdisposition und Arbeitsplanung ergibt sich<br />
folgende Beschreibung der für CeAFIS zu fordernden technisch-organisatorischen<br />
Funktionalitäten. Aus Sicht der Anwender muß ein DV-Informationssystem einem<br />
jeweils individuellen Bedarf angepaßt sein. Die Beschreibung der DV-technischen<br />
Funktionalitäten von CeAFIS ähnelt nur auf den ersten Blick einem klassischen Leit-<br />
standskonzept. Es unterscheidet sich in seiner technisch-organisatorischen von die-<br />
sem, durch Berücksichtigung der oben genannten Anforderungen, jedoch deutlich.<br />
CeAFIS ist somit ein DV-technisches System und gleichzeitig als organisatorisch-<br />
technisches Konzept zu begreifen.<br />
CeAFIS enthält mehrere Module und Funktionalitäten. Sie unterstützen sämtliche am<br />
Arbeitsplatz auftretenden Tätigkeiten, die außer dem unmittelbaren Produzieren an<br />
der Maschine anfallen (siehe auch /6/). Im einzelnen stehen zur Verfügung:<br />
− Ein Dispositionsmodul bestehend aus zwei Teilmodulen (Auftragsliste und Plan-<br />
tafel)<br />
− Ein Wartungsmodul
MODELLVORHABEN CEAFIS 39<br />
− Ein Einrichteblattmodul<br />
− Ein NC-Programm-Modul<br />
− Ein Prüfplanmodul<br />
Um die Funktionen dieser Module zu verwenden, sind Zugriffe auf Informationen aus<br />
Zeichnungen, Arbeitspl‰nen, Stücklisten, Einrichteblättern etc. notwendig (siehe<br />
Abbildung 5).<br />
Abbildung 5: CeAFIS bei DV-technischer Realisierung<br />
In Abbildung 6 ist die Dispositionsanwendung von CeAFIS dargestellt. Ein Zugriff<br />
direkt vom Dispositionsmodul auf die jeweils anderen Module führt gezielt zu denje-<br />
nigen Funktionen dieser Module, die als dispositionsrelevant erachtet werden. In<br />
Abbildung 6 sind außerdem einige der oben entwickelten grundsätzlichen Anforde-<br />
rungen an ein Facharbeiter-Informations-System nochmals in kurzer Form (schwarz<br />
hinterlegt) benannt.
MODELLVORHABEN CEAFIS 40<br />
Abbildung 6: Anwendung des Dispositionsmoduls im CeAFIS<br />
Der Aufruf des direkt am Maschinenarbeitsplatz verfügbaren Dispositionsmoduls zur<br />
tagesaktuellen Auftragsplanung erfolgt durch Eingabe der Maschinennummer oder<br />
eines Passwortschutzes. Ebenfalls anzustreben ist die Nutzung des Moduls in Grup-<br />
pensituationen, z.B. bei einer zusammen mit dem Grobplaner vorzunehmenden<br />
Verteilung des für die kommende Woche anstehenden Auftragspools einer Produkti-<br />
onsinsel (siehe /9/).<br />
Im Dispositionsmodul Auftragsliste ist eine Liste aller Werkstattaufträge und Arbeits-<br />
vorgänge (AVO) für jeden Arbeitsplatz und -bereich enthalten. Zur Reihenfolgebe-<br />
stimmung stehen folgende Funktionen zur Verfügung: Einzelne oder alle nach Ar-<br />
beitsplan für den AVO benötigte Betriebsmittel können reserviert werden. In einer<br />
Reservierungsdatei wird eingetragen, ob, wann und von wem das Betriebsmittel für<br />
die Bearbeitung bereits vorgesehen ist. Die Entscheidung, ob und wie dieses Modul<br />
genutzt wird, muß gemeinsam erfolgen und gegen die Möglichkeit der informellen<br />
Abstimmung abgewogen werden. Es sind die Erfahrungen zum Aufwand, der aus
MODELLVORHABEN CEAFIS 41<br />
Störungen wegen nicht verfügbarer Betriebsmittel resultiert, dem absehbaren Auf-<br />
wand zur Vermeidung solcher Störungen gegenüberzustellen. Gleiches gilt für das<br />
Wartungsmodul /12/ und das Fehler-/Diagnosemodul /10/, die für die verwendeten<br />
Betriebsmittel Hinweise geben soll, wie Schäden zu vermeiden bzw. zu beheben<br />
sind. Da neben Hinweisen der Hersteller auch eigene Erfahrungen genutzt werden<br />
sollen, müssen Eingaben möglich sein. Es wird somit das Erstellen und Modifizieren<br />
der Informationsbasen, im Rahmen gemeinsam getroffener Vereinbarungen, unter-<br />
stützt. Dem heutigen Stand der Technik entsprechend sind dazu Multimedia-<br />
Werkzeuge eingesetzt worden, die neben Text- auch Bild-, Video- und Spracheinga-<br />
be erlauben. Erste Erfahrungen in der Praxis mit dem Modul Einrichteblattverwaltung<br />
zeigen hohes Interesse und Akzeptanz bei den Facharbeiterinnen und Facharbei-<br />
tern.<br />
Zu den in der Plantafel gezeigten AVO können somit auch technische Informationen<br />
als Objekte der realen Welt (Bild des zu fertigenden Werkstücks oder der Aufspann-<br />
situation) abgerufen werden. Insbesondere im Feinplanungsbereich sind viele für die<br />
Auftragsdisposition benötigte Informationen aus diesen multimedialen Informationen<br />
abzuleiten. Die informelle bzw. per DV unterstützte Prüfung, ob alle benötigten Res-<br />
sourcen wie z.B. Maschinen- und Rüstzeiten zum vorgesehenen Termin verfügbar<br />
sind, setzt die aus den bauteil- und bearbeitungstechnologischen Anforderungen<br />
abzuleitende Kenntnis des entsprechenden Ressourcenbedarfs voraus. Grundlage<br />
ist in jedem Fall die technische Zeichnung des Bauteils und der mehr oder weniger<br />
detaillierte Arbeitsplan. Im Falle von Wiederholaufträgen kann meist auf vorhandene<br />
NC-Programme und Einrichteblätter zurückgegriffen werden. Aus dem Dispositions-<br />
modul, kann wie bereits erwähnt, direkt in die anderen Module (NC-Programmierung,<br />
Einrichteblattverwaltung, Zeichnungen, Prüfpläne usw.) gesprungen werden, so daß<br />
man sich eventuell vorhandene dispositionsrelevante Unterlagen ansehen kann.<br />
An dieser Beschreibung wird deutlich, wie der bottom up Ansatz des CeAFIS-<br />
Konzeptes von der DV-Unterstützung einzelner Arbeitsplätze ausgeht und auf die<br />
DV-Unterstützung größerer Betriebsbereiche hin konzipiert ist. Ausgehend von die-<br />
sem Ansatz ist auch die Einrichteblattverwaltung als Modul konzipiert und in das<br />
CeAFIS-Gesamtkonzept integriert worden. Das Einrichten und Rüsten an CNC-<br />
Werkzeugmaschinen nimmt also für die Feinplanung und die Dispositionstätigkeit<br />
des Maschinenbedieners einen hohen Stellenwert ein.
MODELLVORHABEN CEAFIS 42<br />
3.2.5 Einrichten als Tätigkeit der Auftragsdisposition und Arbeitsplanung<br />
Bei der Auftragseinplanung in der CNC-Fertigung scheint in vielfacher Hinsicht das<br />
Erfahrungswissen der Facharbeiterinnen und Facharbeiter zum Tragen zu kommen.<br />
Bei der Feinplanung der Auftragsreihenfolge und der Maschinenbelegung werden<br />
von den Facharbeiterinnen und Facharbeitern folgende Gesichtspunkte berücksich-<br />
tigt:<br />
− Aktuelle Aufspannvorrichtung (Schraubstock, Platte, Vorrichtung, usw.)<br />
− Aktuelle Spannart (Stahl, Messing, Aluminium, usw.)<br />
− Geschätzte und aktuelle Durchlaufzeiten an den Maschinen (Was kann wo am<br />
schnellsten gefertigt werden?)<br />
− Termindruck<br />
− Maschinenmerkmale (Maximale Größe eines bearbeitbaren Werkstücks, Auf-<br />
spannmöglichkeiten, technische Begrenzungen in der erreichbaren Maßhaltigkeit)<br />
− Persönliche Vorlieben und subjektive Empfindungen für zu fertigende Teile<br />
− Vorerfahrungen mit bestimmten Teilen<br />
Darüber hinaus haben Absprachen eine hohe Bedeutung bei der Auftragsplanung.<br />
Sie finden mündlich, aber auch stillschweigend in der Form statt, daß der eine die<br />
spezifischen Maschinencharakteristiken, aber auch die persönliche Vorlieben des<br />
Kollegen in die eigene Auftragsplanung miteinbezieht.<br />
Diese Form der informellen Feinsteuerungsstruktur im Bereich Drehen und Fräsen<br />
bei der Firma Rich. Seifert & Co. GmbH & Co. KG ist in wirtschaftlicher Hinsicht von<br />
nicht zu unterschätzender Bedeutung. Die Rüstzeiten betragen zum Teil bis zu 50%<br />
der Bearbeitungszeit und sind auch im Verhältnis zu den Programmierzeiten relativ<br />
lang (2/3 der Programmierzeiten liegen unter, während 85% der Rüstzeiten über<br />
zehn Minuten liegen).<br />
3.2.5.1 Der Stellenwert des Einrichtens<br />
Durchweg besteht Konsens darüber, daß für qualifizierte Einrichtetätigkeiten ein<br />
Hochmaß konventioneller Erfahrung notwendig ist und diese zumeist von qualifizier-<br />
ten Facharbeiterinnen und Facharbeitern mitgebracht werden muß. Entsprechende<br />
Tätigkeiten sind in erster Linie an Fräsmaschinen und Bearbeitungszentren vorzufin-<br />
den, halten dar¸ber hinaus jedoch auch mehr und mehr Einzug in den Bereich der<br />
Drehbearbeitung, wenn man hier an den Einsatz von angetriebenen Werkzeugen in<br />
Verbindung mit einer vollgesteuerten C-Achse sowie an andere Zusatzeinrichtungen<br />
denkt.
MODELLVORHABEN CEAFIS 43<br />
Auch bei sehr stark arbeitsteilig organisierter NC-Fertigung, bei der die zu verrich-<br />
tenden Aufgaben mit der CNC-Maschine und in ihrem Umfeld auf verschiedene Per-<br />
sonen verteilt sind, ist zumeist der sogenannte Einrichter sehr hoch qualifiziert.<br />
Letzteres bezieht sich nicht nur auf die Erfahrungen im Umgang mit der jeweiligen<br />
CNC-Maschine, sondern insbesondere auf konventionelle Vorerfahrungen, bei-<br />
spielsweise im Bereich von realisierbaren Aufspannmöglichkeiten.<br />
Der Aufgabenbereich des Einrichtens ist deutlich prozeßorientiert geprägt und damit<br />
hinsichtlich der Gestaltung und dem Umfeld von Einzelaufgaben von der jeweiligen<br />
Betriebs- bzw. Fertigungsorganisation abhängig. Dies hat zur Folge, daß der Ge-<br />
samtumfang von Einrichteaufgaben von Betrieb zu Betrieb (vergleiche Abbildung 37<br />
mit Abbildung 38 und Abbildung 27), ja von Abteilung zu Abteilung sehr unterschied-<br />
lich angelegt sein kann. Dennoch lassen sich einige typische und wiederkehrende<br />
Einzelaufgaben benennen, die in der Regel dem Einrichten zuzuordnen sind.<br />
Wie durch alle anderen Aufgabenfelder ziehen sich auch durch das Einrichten dis-<br />
positive Aufgabenanteile und sind an vielen Stellen von Bedeutung. Insbesondere<br />
geht es dabei um die Verfügbarkeit notwendiger Werkzeuge, einzusetzender<br />
Spannmittel oder Vorrichtungen und ähnlichem.<br />
3.2.5.2 Einzelaufgaben des Einrichtens<br />
Bei den Einzelaufgaben des Einrichtens geht es nicht in erster Linie um eine voll-<br />
ständige Auflistung, sondern um die Benennung derjenigen Aufgaben, die im Zu-<br />
sammenhang mit der Verwendung von Erfahrungswissen von Bedeutung sind.<br />
− Aktivieren des NC-Programms<br />
− Zusammenstellung und -bauen des Werkzeuges<br />
− Vermessen des Werkzeuges<br />
− Bestücken der Maschine mit Werkzeugen<br />
− Aufspannen des Werkstückes<br />
− Verrichten sonstiger Aufgaben (Eingriff in Maschinenvorrichtung, Umrüsten von<br />
Bearbeitungszentren)
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 44<br />
4 Gestaltung technischer Unterstützungskomponenten<br />
4.1 Das technische Basiskonzept<br />
Das CeAFIS-Konzept will die organisatorische Gestaltung von Aufbau- und Ab-<br />
laufstrukturen mit der Entwicklung und Nutzung konventioneller und DV-technischer<br />
Hilfsmittel integrieren. Die Anforderungen an Aufgaben- und Arbeitsverteilung,<br />
Kommunikation und Kooperation, Zuständigkeit und Verantwortung, räumliche<br />
Aspekte und personelle Zuordnungen sind in einem Sollkonzept festgesetzt<br />
(vergleiche Abbildung 6). Die technische Unterstützung des Facharbeiters bei der<br />
Erfüllung seiner Aufgaben schließt ausdrücklich konventionelle und DV-Instrumente<br />
ein. Konventionelle Informationsmittel können also durch die DV-Technik ergänzt<br />
werden (siehe Abbildung 7).<br />
Abbildung 7: Technische Hilfsmittel und Werkzeuge
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 45<br />
Obwohl die Bedeutung der konventionellen Informationsmittel für erfahrungsgeleite-<br />
tes Arbeiten immer wieder betont wird, nimmt die Beschreibung der DV-technischen<br />
Informationsmittel von CeAFIS einen breiten Raum ein. Dies hat folgende Gründe:<br />
− Bislang gibt es keine DV-technischen Unterstützungsinstrumente, die hier ge-<br />
stellten Anforderungen erfüllen.<br />
− Klassische top down Ansätze für rechnerintegrierte Produktionsstrukturen dringen<br />
zunehmend in den Entscheidungs- und Handlungsbereich des Facharbeiters ein.<br />
Ein DV-Konzept mit bottom up Ansatz muß entgegengestellt werden, das sich mit<br />
dem klassischen CIM-Bausteinen auch technisch verbinden läßt.<br />
− Kooperatives Arbeiten ist nur möglich, wenn Informationen allen Beteiligten im<br />
Team in gleicher Form und konsistent vorliegen. Es muß eine gemeinsam nutzba-<br />
re Informationsbasis geben, die teilweise mit DV-Unterstützung am effektivsten zu<br />
realisieren ist.<br />
− Im turbolenten Umfeld der Produktion kommt den Informationen und dem Infor-<br />
mationsaustausch eine enorme Bedeutung zu. Dabei müssen räumliche und zeit-<br />
liche Beschränkungen überwunden werden. Dies ist teilweise nur durch einen ge-<br />
zielten Einsatz der DV-Technik möglich.<br />
Das CeAFIS-Konzept beinhaltet in seiner DV-technischen Ausprägung einzelne Mo-<br />
dule, die wiederum einzelne Funktionen und Funktionalitäten, sowie eine individuelle<br />
und eine gemeinsame Datenbasis (siehe Abbildung 8) beinhalten und die Möglich-<br />
keit, klassische CIM-Bausteine anzubinden.<br />
Letztlich muß die Facharbeiterin oder der Facharbeiter, selbst bestimmen, welche<br />
der folgenden Module, Funktionen und Datenzugriffsmöglichkeiten am Arbeitsplatz<br />
genutzt werden möchten:<br />
− Anwendungsmodule sollen den Facharbeiter unmittelbar bei der Erfüllung der<br />
oben beschriebenen Aufgaben unterstützen. Sie sind handlungsorientiert. Die<br />
Funktionen und Funktionalitäten, die sie beinhalten, sind auf die jeweiligen Aufga-<br />
ben abgestimmt. Im einzelnen sind dies: Das Dispositionsmodul, das Program-<br />
miermodul, das Einrichteblattmodul, das Prüfmodul, das Wartungsmodul und das<br />
Instandsetzungsmodul. Diese Module greifen auf unterschiedliche Datenbestände<br />
zurück. Die meisten Daten werden als Gruppendaten auf dem Werkstattserver<br />
verwaltet. Dort sind einzelne Bereiche mit individuellen Daten dem einzelnen<br />
Facharbeiter vorbehalten, worauf nur er Zugriff hat. Wenn er einen eigenen Ar-<br />
beitsplatzrechner mit lokalem Speichermedium hat, kann er individuelle Daten mit<br />
Unternehmensdaten verbinden.
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 46<br />
Abbildung 8: Datenstruktur CeAFIS und Zugriffsrechte für den Facharbeiter<br />
− Sogenannte Hilfsmodule sollen den Facharbeiter prinzipiell bei seiner Arbeit und<br />
allen Teilaufgaben unterstützen:<br />
⇒ Mit dem Kommunikationsmodul kann er beliebige Informationen (als Text, Wort<br />
oder Bild) an andere Stellen im Unternehmen übermitteln oder von dort emp-<br />
fangen.<br />
⇒ Mit dem Datenmanagementmodul hat der Facharbeiter Zugriff auf definierte<br />
Unternehmensdaten, und er kann Daten zwischen seinem individuellen und<br />
dem Gruppenbereich verschieben, kopieren oder übertragen.<br />
⇒ Mit dem Funktionsauswahlmodul kann er die Module und die Funktionen aus-<br />
wählen, die er innerhalb der Module anwenden möchte.<br />
− Die einzelnen Module können bei Bedarf mit klassischen CIM-Bausteinen verbun-<br />
den werden. Diese Schnittstellen-Anbindung kann beispielsweise durch Daten-<br />
austausch erfolge, durch die gemeinsame Nutzung einer Datenbank, aber auch<br />
durch Funktionsintegration: So kann der Facharbeiter zum Beispiel aus der Ein-<br />
richteblattverwaltung in ein eigenständiges NC-Programmiersystem springen und
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 47<br />
dort sein NC-Programm erstellen und die rüstspezifischen Daten wieder in die Ein-<br />
richteblattverwaltung übernehmen.<br />
In jedem Fall muß analysiert werden, wo und wie eine DV-Unterstützung möglich ist,<br />
ohne erfahrungsgeleitete Arbeit einzuschränken. Hier können nur allgemeine Anfor-<br />
derungen an die DV-Technik angeführt werden:<br />
1. Alle DV-Funktionen oder -Programme müssen soweit wie möglich modular aufge-<br />
baut sein. Es sollen keine - komplexen, die Anforderungen übersteigende - Kom-<br />
plettsysteme eingesetzt werden.<br />
2. Die einzelnen Module müssen sich leicht zusammensetzen lassen. Jede Stelle<br />
oder Person muß selbst definieren können, welche Module sie benötigt. Das Zu-<br />
sammenspiel der Module muß gewährleistet sein.<br />
3. Die Module müssen leicht auf veränderte Anwenderanforderungen und auf neue<br />
Einsatzbedingungen anzupassen sein.<br />
4. Die DV-Funktionen müssen transparent sein, d.h. der Anwender muß erkennen<br />
können, was in welcher Form bearbeitet, berechnet oder eingeben werden muß.<br />
Beispiel Einrichteblattverwaltung:<br />
− Als Hilfsmittel zur Dokumentation von Rüstinformationen - wie Auftrag, Maschine,<br />
NC-Programm, Materialien, Aufspannung, Arbeitsplan - muß die Einrichteblatt-<br />
verwaltung direkt an der Maschine verfügbar sein, um bei Wiederholteilen<br />
schnellen Zugriff auf die benötigte Information zu gewährleisten.<br />
− Durch einheitliche Datenmasken, kann eine Standardisierung bei der Erstellung,<br />
Archivierung der Rüstinformationen zur transparenten Informationsübermittlung<br />
und Vorgehensweise beim Einrichten/Rüsten zwischen den Mitarbeitern genutzt<br />
werden. Auch andere Kolleginnen und Kollegen müssen mit den Informationen<br />
arbeiten können.<br />
− Durch Anbindung der Einrichteblattverwaltung an das Dispositionsmodul bzw. NC-<br />
Programmiermodul, können Informationen zwischen den Modulen ausgetauscht<br />
oder abgerufen werden.<br />
− Die Einbindung neuer Medien (Text, Grafik, Ton) gewährleisten, ein an die reale<br />
Bearbeitungssituation anpaßbares und nachvollziehbares Erfahrungswissen zu<br />
dokumentieren.<br />
Aus den allgemeinen Anforderungen des Basiskonzeptes, die oben beschrieben<br />
wurden, lassen sich konkrete Gestaltungsanforderungen für die technische Realisie-<br />
rung der Benutzerschnittstelle, sowie der Datenorganisation - in sogenannten offe-<br />
nen Systemumgebungen - ableiten.
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 48<br />
4.2 Technische Gestaltungsanforderungen an offene Systemumgebungen<br />
Die CNC-Technologie - wie in Kapitel 2 beschrieben - ist die im Bereich der industri-<br />
ellen Fertigung am weitesten verbreitete Computertechnologie. CNC-Werkzeug-<br />
maschinen sind heute der meistgenutzte und ausgereifteste CIM-Baustein. Der<br />
technologische Sprung von der konventionellen zur computergestützten Technik war<br />
groß. An die Stelle der direkten mechanischen Manipulation der Werkstücke mit Hilfe<br />
der Werkzeugmaschine trat die Form der Symbolmanipulation des programmge-<br />
steuerten Zerspanungsablaufs.<br />
Diese veränderte Situation erfordert neue Konzepte für eine benutzerfreundliche und<br />
ergonomische Gestaltung von CNC-Systemumgebungen sowohl auf der Hardware-<br />
wie auf der Software-Seite. CNC-Systemumgebungen müssen u.a. in der Art ge-<br />
staltet sein, daß die Arbeitenden auch ihre Erfahrung, die sie im Umgang mit dem<br />
System Werkzeugmaschine gemacht haben, aktiv ein- und umsetzen können und<br />
entsprechend ihren Fähigkeiten geeignete Funktionalitäten angeboten bekommen.<br />
Es erscheint deshalb sinnvoll aus der Perspektive erfahrungsgeleiteter Arbeit, Krite-<br />
rien für die Gestaltung von Benutzungsoberflächen und Datenbasen zu formulieren,<br />
um die Notwendigkeit der Anforderungen an die technische Gestaltung offener CNC-<br />
Systemumgebungen aufzuzeigen.<br />
4.2.1 Benutzerschnittstelle<br />
Die DV-Benutzungsoberfläche ist dann für erfahrungsgeleitete Arbeit förderlich,<br />
wenn:<br />
− neben visuellen auch andere Wahrnehmungsarten und Sinne des Menschen an-<br />
gesprochen werden (Ton, Sprache, Tastsinn),<br />
− die Informationsdarstellung sich sehr stark an originäre Informationsvermittlungen<br />
anlehnt,<br />
− nicht viele unterschiedliche oder nur ähnliche DV-Oberflächen beherrscht werden<br />
müssen und<br />
− die Nutzer in die Gestaltung der DV-Oberfläche mit einbezogen werden.<br />
Daneben sind die ergonomischen Anforderungen an Hard- und Softwaretechnik<br />
auch für erfahrungsgeleitete Arbeit sehr wichtig. Gute, benutzergerechte DV-<br />
Oberflächen verbessern den effektiven und effizienten Einsatz der DV-Systeme. Die
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 49<br />
Gefahren einer fehlerhaften Benutzung und daraus resultierenden fehlerhaften Er-<br />
gebnissen sind geringer.<br />
Abbildung 9: Forderungen an die Benutzungsoberfläche<br />
Weitergehende Anforderungen an DV-Systeme sind eng verknüpft mit den allgemei-<br />
nen technischen Anforderungen. Hier sollen für noch nicht existierende Systeme all-<br />
gemeine Anforderungen genannt werden:<br />
1. Der Einsatz von Benutzungsoberflächen sollte nicht nur neuesten technischen<br />
Möglichkeiten folgen (Fenstertechnik, Grafik, Mausbedienung), viel wichtiger ist,<br />
daß die unterschiedlichen Systeme dieselbe Benutzungsoberfläche haben. Der<br />
Einsatz neuer Versionen von Software sollte aufeinander abgestimmt sein.<br />
2. Benutzungsoberflächen sollten so konzipiert sein, daß der Anwender erkennen<br />
kann, welche automatischen Abläufe wann erfolgen. Das System sollte anzeigen,<br />
wenn es arbeitet.<br />
3. Nicht nur Tastatur und Bildschirm sollten als Mensch-Maschine-Schnittstelle die-<br />
nen, sondern auch Sprachein- und -ausgabemodule, Bildeingabe und Bildnach-<br />
bearbeitung usw. Damit sollen die Dateneingabe, die Bearbeitung und die Daten-<br />
aus- und -weitergabe ähnlich einfach und komfortabel gestaltet werden, wie kon-<br />
ventionelle Methoden auf Papier.<br />
4. Alle Informationen müssen bei Bedarf auch auszudrucken sein. Die Ausgabe auf<br />
Papier muß eine bessere Übersicht erlauben (Druckausgabemasken müssen
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 50<br />
übersichtlich sein, die Schrift sollte nicht zu klein und gedrängt sein) und es kön-<br />
nen Notizen für die Druckausgabe gemacht werden.<br />
Kooperative Aufgaben sind technisch zu unterstützen, daß der kooperative Charak-<br />
ter (gegenseitige Abstimmung) nicht verloren geht. Funktionalitäten müssen bei ko-<br />
operativen Aufgaben entweder gemeinsam genutzt werden können oder die infor-<br />
melle (face-to-face) Kooperation verbessern und anregen.<br />
5. Dazu sollte die Größe der Ausgabemediums (z.B. Bildschirm) gegebenenfalls<br />
auch für eine gemeinsame Nutzung durch mehrere Personen geeignet sein. Alle<br />
Beteiligten sehen oder hören für ihre Abstimmung und Absprachen die notwendi-<br />
gen Daten und Ergebnisse des DV-Systems.<br />
Der Umgang mit DV-Systemen wird oft dadurch erschwert, daß eine Vielfalt von Be-<br />
nutzungsoberflächen eingesetzt wird. Jeder Wechsel, insbesondere bei sehr ähnli-<br />
chen Systemen, fällt den Facharbeiterinnen und Facharbeitern sehr schwer, bindet<br />
ihre Konzentration, ist Fehlerquelle und kann zu Mehrfacharbeit führen. Mit der allei-<br />
nigen Forderung nach ergonomischen Anforderungen ist es deshalb nicht getan.<br />
Wichtiger als die Umsetzung der neuesten ergonomischen Anforderungen ist die<br />
sehr genaue Abstimmung der unterschiedlichen Teilsysteme aufeinander, eine wirk-<br />
lich einheitliche Oberfläche. Außerdem gehen die Gestaltungsanforderungen für er-<br />
fahrungsförderliche Strukturen über die klassischen Anforderungen hinaus, weil sie<br />
die Bedeutung aller Wahrnehmungsmöglichkeiten (Sehen, Hören, Fühlen) betonen<br />
und deshalb bei der Gestaltung der Benutzungsoberfläche den ergänzenden Cha-<br />
rakter der DV berücksichtigen. Die Benutzungsoberfläche kann nur unter Beachtung<br />
und in Verknüpfung mit weiteren originären Informationen in einer Arbeitssituation<br />
optimiert werden.<br />
4.2.2 Datenorganisation<br />
Erfahrungsgeleitete Arbeit ist dann möglich, wenn die Datenzugriffsmöglichkeiten für<br />
Facharbeiterinnen und Facharbeiter durch technische oder durch formelle Restriktio-<br />
nen nicht eingeschränkt sind. Wenn Facharbeiter die Möglichkeit haben, individuelle<br />
Daten anzulegen und zu nutzen. Der Verzicht auf eine vollständige Abbildung von<br />
Informationen in DV-Systemen oder Datenbanken reduziert den notwendigen DV-<br />
Aufwand (low cost DV) für die Datenhaltung. Die notwendigen Systeme sind einfa-<br />
cher, weniger störanfällig und flexibler.
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 51<br />
Abbildung 10:Datenhaltung und Datenzugriffe für den Facharbeiter<br />
Die Datenzugriffsrechte für den Facharbeiter dürfen also nicht restriktiv bestimmt<br />
sein. Er muß die technische und formelle Möglichkeit haben, auf die Daten zugreifen<br />
zu können (lesen und ändern), die für die optimale Nutzung seiner Entscheidungs-<br />
und Handlungsspielräume wichtig sind. Darüber hinaus muß er eigene individuelle<br />
Daten bzw. Informationen festhalten können und sie bei Bedarf - der von ihm selbst<br />
bestimmt wird - weitergeben und wiederverwenden zu können (siehe Abbildung 10).<br />
Die Nutzung umfangreicher Datenbestände darf nicht dazu führen, daß Kommunika-<br />
tion überflüssig erscheint. Daraus leiten sich folgende Anforderungen ab:<br />
1. Gemeinsam mit der Facharbeiterin und dem Facharbeiter muß entwickelt wer-<br />
den, auf welche zentralen oder dezentralen Daten und Informationen bzw. Infor-<br />
mationssysteme er lesend oder ändernd zugreifen darf. Diese Datenzugriffs-<br />
rechte müssen abgestimmt sein auf die für ihn notwendigen Entscheidungs- und<br />
Handlungsspielräume.
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 52<br />
2. Es kann zunächst selbst bestimmt werden, welche der eigenen Daten wann und<br />
wie an andere Kollegen weitergegeben werden. Der Meister kann dabei eine Mo-<br />
deratorenrolle einnehmen (kommunikationsfördernd). Die Weitergabe kann di-<br />
rekt, durch Kommunikation erfolgen oder indirekt, indem die Informationen in ei-<br />
nem dezentralen DV-System abgelegt werden. Dann können gezielt ausgewählte<br />
Daten oder Informationen an andere Stellen oder Datenbanken weitergegeben<br />
werden. Das betrifft z.B. technische Daten wie Einrichteblätter, die für eine ferti-<br />
gungsgerechte Konstruktion von der Fertigung an die Konstruktionsabteilung<br />
übergeben werden könnten.<br />
3. Alle individuellen, gruppenbezogenen und unternehmensweiten Datenbestände<br />
sind in jeweiligen gemeinsamen Prozessen zu definieren und Zugriffsrechte müs-<br />
sen entsprechend verteilt werden können.<br />
4. Die individuellen Daten der Facharbeiter müssen auf einer eigenen Festplatte<br />
oder auf einem Gruppenserver abgelegt sein. Der Datenbereich muß abschließ-<br />
bar sein (Paßwort oder Schlüssel vom PC).<br />
5. Die Zugriffsrechte auf zentrale oder dezentrale Unternehmensdaten müssen<br />
leicht änderbar sein. Es können getrennt nur lesende oder lesende und schrei-<br />
bende Zugriffsrechte verteilt werden. Der Zugriff darf sich nicht nur auf Masken<br />
oder Datenblöcke beziehen, sondern muß für jedes Einzelobjekt gelten.<br />
6. An verwaltete Daten müssen bei Bedarf an beliebiger Stelle Freitexte anzuhän-<br />
gen sein, die für Notizen, Bemerkungen verwendet werden können. Hierbei sollte<br />
auch die Eingabe und Ausgabe von Skizzen, Bildern und Sprache möglich sein.<br />
Ein mehr an Entscheidungs- und Handlungskompetenz in rechnerintegrierten Pro-<br />
duktionsstrukturen ist nur möglich, wenn die Facharbeiterin und der Facharbeiter<br />
auch Zugriffe auf alle dafür notwendigen Daten und Informationen erhält, um qualifi-<br />
zierte und für das Unternehmen vorteilhafte Entscheidungen zu treffen. Der Fachar-<br />
beiter braucht darüber hinaus die Möglichkeit, eigene, individuelle Datenbestände<br />
anlegen zu können, auf die auch zunächst nur er zugreifen kann. Dabei handelt es<br />
sich um sehr spezifische, arbeitsplatzbezogene technische Daten (z.B. Einrichte-<br />
blätter), die individuelle Erfahrungen enthalten. Diese Daten sind bislang auch meist<br />
auf konventionellen Datenträgern abgelegt (Papier, Ordner, Mappen, Karteikasten-<br />
system). Nur durch die eigene Entscheidung des Facharbeiters, der nur freiwillig sein<br />
explizites Erfahrungswissen an andere Personen weitergeben kann, können diese<br />
Daten in ein allgemein zugängliches Informationssystem übernommen werden, wenn<br />
sich dadurch eindeutige Vorteile ergeben. Die gemeinsame Nutzung von Datenbe-<br />
ständen in Informationssystemen darf nicht dazu führen, daß Kommunikation zwi-<br />
schen Personen überflüssig wird. Diese Systeme müssen eine gewisse Transparenz<br />
und Offenheit an den Tag legen.
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 53<br />
4.2.3 Offene CNC-Systemkonzepte<br />
Offenheit von CNC-Systemen bedeutet Offenheit für die Werkstatt, Offenheit für<br />
ganzheitliche Arbeitsinhalte und Maschinenbenutzungskonzepte, Offenheit für die<br />
Integration in die Gesamtbenutzungsoberfläche der Werkzeugmaschine, Offenheit<br />
zum Zugriff auf gemeinsame Informationsdatenbasen, also insgesamt Offenheit für<br />
erfahrungsgeleitete Arbeit.<br />
Dazu muß man sich von der zentralistischen und hochspezialisierten Strukturkon-<br />
zeption befreien und dem Werker vor Ort, optional und frei positionierbar verteilte<br />
Intelligenz an die Hand geben:<br />
− Verteilte Funktionalität am Maschinensystem<br />
− Offene Struktur mit freier Kommunikation der Subsysteme und Komponenten<br />
− Drahtlose Kommunikation und freie Plazierbarkeit von Prozeßmodulen<br />
− Externe Kommunikation mit Umfeldsystemen, die den Zugriff des Maschinenfüh-<br />
rers auf Informationssysteme ermöglichen<br />
Abbildung 11: Offenheit und Schnittstellen zu anderen Techniksystemen am<br />
Beispiel der Steuerung2000 /14/<br />
Um dem Maschinenführer darüber hinaus den gesamten Prozeß ganzheitlich wahr-<br />
nehmbar zu machen, ist eine systemtechnische Einbindung von sinnlichen Wahr-<br />
nehmungsarten und -mustern in die offene Systemumgebung gefordert. Damit ist die<br />
technische Anforderung nach einer Multimediafähigkeit des CNC-Systems gestellt,
GESTALTUNG TECHNISCHER UNTERSTÜTZUNGSKOMPONENTEN 54<br />
die als Multimedia-Plattform neben den bisher genutzten konventionellen Darstel-<br />
lungsformen wie<br />
1. Schriftzeichen zur Repräsentation von Texten und Daten sowie<br />
2. graphischen Elemente und Animationsverfahren<br />
zusätzlich<br />
3. Standbilder (z.B. technische Zeichnungen, Photographien),<br />
4. Bewegtbilder (z.B. Videosequenzen bzw. -konferenzen)<br />
5. Audio-Informationen (z.B. Geräusche, Sprache)<br />
ermöglicht. Schließlich sei darauf verwiesen, daß eine dem ganzheitlichen menschli-<br />
chen Wahrnehmungsverhalten adäquate multimediale Unterstützung nur durch ein<br />
aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel von Text, Bild und Ton realisiert werden<br />
kann. D.h. ein auf die Unterstützung des Maschinenführers gerichtetes multimediales<br />
System sollte die verschiedenen Darstellungsformen ohne Handhabungs- und Me-<br />
dienbrüche integrieren, jedem Darstellungsobjekt sollen Graphik-, Text-, Daten-, Bild-<br />
und Tonobjekte frei zugeordnet werden können.<br />
Womit man bei einer weiteren und wesentlichen gestaltungstechnischen Anforde-<br />
rung an eine offene Systemumgebung wäre, das ist eine objektorientierte Hard- und<br />
Softwarearchitektur. Dabei geht es um ein strukturelles Grundkonzept einer objekt-<br />
orientierten Gesamtarchitektur des Systems, bei der die unterschiedlichen Darstel-<br />
lungsformen wie Graphiken, Bilder, Videos, Tonfolgen und Daten einheitlich als Ob-<br />
jekte behandelt und auch in gleicher Weise von der Logik der Benutzeroberfläche<br />
her angesprochen werden können.<br />
Die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für die Konzeption und<br />
Implementation des Moduls Einrichteblattverwaltung sind nunmehr aufgezeigt. Im<br />
nächsten Kapitel kann nun näher auf die sozio-technische Umsetzung der gestellten<br />
Anforderungen eingegangen werden.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 55<br />
5 Die Einrichteblattverwaltung<br />
Erfahrungsförderliche Arbeitsstrukturen sind zunächst Ausdruck der jeweiligen Ge-<br />
staltung der Organisationsstruktur, der damit verbundenen technischen Hilfsmittel für<br />
die Mitarbeiter und der personalen Entwicklungsmaßnahmen. Die nächsten Ab-<br />
schnitte beschreiben den durchlaufenen Entwicklungsprozeß der Einrichteblattver-<br />
waltung, der von der Analysephase über die Konzeptionsphase bis hin zur Imple-<br />
mentationsphase reicht, um diese erfahrungsförderlichen Anforderungen an ein DV-<br />
System umzusetzen. Die Vorgehensweise zur Erstellung dieses multimedialen In-<br />
formationssystems zeigt anschaulich Abbildung 12.<br />
Abbildung 12: Vorgehensweise zur Erstellung eines multimedialen Informations-<br />
systems<br />
5.1 Analysephase<br />
Mit der Einführung neuer Arbeitsorganisationen im Fertigungsbereich hatte die Firma<br />
Rich. Seifert & Co. GmbH & Co. KG bereits die wesentlichen Voraussetzungen für<br />
erfahrungsförderliche Arbeitsstrukturen geschaffen und damit die Grundlage für die
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 56<br />
Konzeption und Implementation der Einrichteblattverwaltung als DV-technisches<br />
Unterstützungswerkzeug für die Facharbeiter. Mit neuen Formen der Arbeitsorgani-<br />
sation sind hier Arbeitsstrukturen gemeint, wie man sie unter den Stichpunkten<br />
Schlanke Produktion bzw. Lean Production einordnen würde.<br />
Mit dem Ziel ein möglichst optimales Gesamtsystem zu gestalten ergaben sich die<br />
Hauptanforderungen der Firma Seifert an eine neue Arbeitsorganisation aus dem<br />
sozio-technischen Systemansatz /3/. Die neue Arbeitsorganisation muß<br />
− menschengerecht (humanzentriert)<br />
− effektiv<br />
− ökonomisch<br />
− zukunftsgerecht<br />
sein. Zukunftsgerecht bedeutet dabei, daß auch weitreichenden und gesellschaftli-<br />
chen Zielen Rechnung getragen werden muß. In Abbildung 13 sind diese Ziele wei-<br />
ter untergliedert. Es wurde versucht, nach unternehmensbezogenen und mitarbeiter-<br />
bezogenen Zielen zu trennen, und die Verflechtung zwischen beiden Zielgruppen<br />
anzudeuten, wobei die Grenzen hier fließen.<br />
Mit den vier Hauptansätzen Arbeitserweiterung, Arbeitsanreicherung, Arbeitsplatz-<br />
wechsel und Hierarchieabbau sollen die Methoden beschrieben werden, die zur Er-<br />
reichung der o.g. Ziele eingesetzt wurden. Aus arbeitswissenschaftlicher Sicht han-<br />
delt es sich dabei um die Veränderung der Ablauf- und Aufbauorganisation. Dieser<br />
Zusammenhang soll in Abbildung 14 verdeutlicht werden.<br />
Arbeitserweiterung (job enlargement): Hier wurden mehrere strukturell gleichartige<br />
Arbeitsaufgaben in einer größeren Gesamtaufgabe zusammengefaßt. Dadurch er-<br />
folgte für die Mitarbeiter eine quantitative Erweiterung des Tätigkeitsspielraums. Es<br />
wurden vorwiegend Arbeitsaufgaben für ein (Teil-)Produkt zusammgefaßt, um den<br />
Mitarbeitern die Identifikation mit dem Ergebnis zu erleichtern.<br />
Arbeitsplatzwechsel (job rotation): Durch diese Methode führen die Mitarbeiter meh-<br />
rere strukturell gleichartige Tätigkeiten im zeitlichen Wechsel aus. Der Wechsel kann<br />
geplant oder ungeplant, fremd- oder selbstbestimmt werden.<br />
Arbeitsbereicherung (job enrichment): Hier wurde die Zusammenfassung von struk-<br />
turell gleichen und verschiedenen Arbeitsinhalten durchgeführt. Mit dieser qualitati-<br />
ven Bereicherung des Arbeitsinhaltes wurde der Dispositions- und Handlungsspiel-<br />
raum der Mitarbeiter vergrößert. Sie bekommen damit mehr Entscheidungs-, Durch-
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 57<br />
führungs-, Kontroll- und Verantwortungskompetenzen. Als Möglichkeit für Arbeitser-<br />
weiterungsmaßnahmen ist besonders auf die<br />
− Auftrags- und Materialdisposition<br />
− Verteilung der Arbeit in einer Gruppe<br />
− Selbstprüfung<br />
− Koordination und Kommunikation mit anderen Stellen<br />
− Mitarbeiterpartizipation an Problemlösungen<br />
geachtet worden. Durch die Aufgabenerweiterung war deshalb nicht nur eine Verän-<br />
derung der Ablauforganisation, sondern auch der Aufbauorganisation des Unter-<br />
nehmens in den Hierarchieebenen notwendig.<br />
Abbildung 13: Ziele bei der Gestaltung und Einführung neuer Formen der Arbeits-<br />
organisation
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 58<br />
Hierarchieabbau (deverticalisation): Der Abbau von hierarchischen Stufungen und<br />
Differenzierung der Aufbauorganisation durch Übertragung von Vorgesetztenfunktio-<br />
nen auf Mitarbeiter im direkten Produktionsprozeß wurde durchgeführt. Ziel war die<br />
Motivation der Mitarbeiter durch Übertragung von Verantwortung und Verbesserung<br />
des Informationsflusses, um die Flexibilität der Organisation zu erhöhen.<br />
Abbildung 14: Arbeitsgestaltung mit sozio-technischem Ansatz<br />
Direkte Auswirkungen bei dieser Vorgehensweise zur Schaffung erfahrungsförderli-<br />
cher Arbeitsstrukturen zeigte z.B. die Neugestaltung des Fertigungsbereichs in der<br />
Firma Seifert durch die Zusammenfassung von vier CNC-Fräsmaschinen zu einer<br />
Fertigungsinsel (vgl. Abbildung 3). Nicht mehr die Arbeitsaufteilung von komplexen<br />
Aufgaben steht im Vordergrund sondern interdisziplinäre Tätigkeiten mit einem brei-<br />
ten Arbeitsspektrum. Dieses Fertigungsinselkonzept ist durch einen eigenverantwort-<br />
lichen Bereich, der in Gruppenarbeit organisiert ist, gekennzeichnet. Ziel ist die<br />
Komplettbearbeitung in der Fertigungsinsel an einer CNC-Maschine, wobei der Ar-<br />
beiter neue Umfeldaufgaben zugeteilt bekommt. Er ist jetzt verantwortlich für Auf-<br />
tragsdisposition und -abwicklung, Materialdisposition, Koordination und Kommunika-<br />
tion mit anderen Stellen. Selbstorganisation und Selbstverantwortung kennzeichnet<br />
diese neu entstandenen, dezentralen Arbeitsstrukturen mit ganzheitlichen Arbeitsin-
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 59<br />
halten. Die Gruppenbildung ist als bewußter und langfristiger Prozeß organisiert<br />
worden, und selbst vereinbarte Spielregeln der Mitarbeiter untereinander müssen<br />
sich erst in der Alltagserfahrung entwickeln. Deshalb darf ein auf die DV-<br />
Unterstützung basierendes Konzept die Entwicklung von Nutzungsspielregeln nicht<br />
einschränken, sondern muß hierfür Freiräume ermöglichen.<br />
Die Einbeziehung der Werkstattmitarbeiter in die Dispositionsaufgaben ermöglicht<br />
auf Werkstattebene eine größtmögliche Nutzung der Fertigungskapazitäten und des<br />
Personals. Die Rüstzeiteinsparungen durch diese Art der Feinplanung beträgt im<br />
Hause Seifert ca. 25%. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, benötigen die Mitar-<br />
beiter speziell auf sie zugeschnittene Informationen, wobei sich schnell herausstellte,<br />
daß Artikelnummern und Bezeichnungen nicht viel aussagten. Der Wunsch nach<br />
einer Zeichnung oder einem Bild stand immer ganz oben auf der Anforderungsliste.<br />
Die Möglichkeit, diese Zeichnung der Werkstatt zur Verfügung zu stellen, erwiesen<br />
sich jedoch als nicht so einfach (Schnittstellenprobleme, komplizierte Handhabung).<br />
Zur Unterstützung der NC-Programmierung und Auftragsdispositionsaufgabe wurde<br />
eine Datenübernahme aus dem CAD-System diskutiert. Der Realisierung einer da-<br />
tentechnischen Kopplung von CAD und NC-System wurde eine geringe Priorität bei-<br />
gemessen. Wesentliche Gründe für diese Entscheidung waren:<br />
1. Die in der mechanischen Fertigung zu bearbeitenden Dreh- und Frästeile sind<br />
überwiegend durch eine geringe bearbeitungsgeometrische und hohe fertigungs-<br />
technische Komplexität ausgezeichnet. Diese Kombination von Komplexitätsdi-<br />
mensionen läßt keine nennenswerten Zeitvorteile durch eine Geometriedaten-<br />
übernahme bei der Programmerstellung erwarten.<br />
2. Für den überwiegenden Teil der zu bearbeitenden Werkstücke können die ent-<br />
sprechenden NC-Programme mit einem Zeitaufwand unter 45 Minuten erstellt<br />
werden. Die zeitlichen Einsparungspotentiale für eine Geometrieübergabe sind<br />
daher vergleichsweise gering.<br />
3. Schnittstellenprobleme trotz Standardisierungsbemühungen.<br />
4. Eine effiziente Datenübernahme aus dem CAD-System ins NC-System stellt spe-<br />
zifische Anforderungen an die Zeichnungserstellung, wie z.B. NC-gerechte Bema-<br />
ßung, differenziertes Ablegen von Werkstückinformationen auf CAD-Layern,<br />
Zeichnen von Werkstückansichten von jeder Bearbeitungsseite.<br />
5. Zu hohe Kosten. Es ist zu erwarten, daß diesen Kosten kein ausreichender Nut-<br />
zen gegenübersteht.<br />
Diese Möglichkeit der visuellen Datendarstellung schied also aus.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 60<br />
Die meisten der hergestellten Werkstücke werden allerdings nicht nur einmal gefer-<br />
tigt, sie kommen später als Wiederholteile vor. Dementsprechend sollen auch die<br />
NC-Programme erneut verwendbar sein. Gerade bei aufwendig herzustellenden<br />
Teilen, mit entsprechend langen Programmlistings, genügt es den Facharbeitern<br />
nicht, nur diese nackten Programme im NC-Programmodul zu dokumentieren und zu<br />
verwalten. Die Programme stellen für die Facharbeiter nicht das Produkt dar, das sie<br />
sich erarbeitet haben. Statt dessen haben sie sich Gedanken über die Fertigungs-<br />
technologie der Teile gemacht, haben die Spannsituation mitberücksichtigt, dieses<br />
alles beim Einfahren überprüft, gegebenenfalls revidiert und der realen Bearbei-<br />
tungssituation angepaßt. Dieser Prozeß ist nur zum Teil im Programm niedergelegt.<br />
Die Schritte, die eben zu diesem Programm geführt haben, sind nicht zu erkennen.<br />
Das Programm gibt z.B. keine Auskunft darüber, wie die Werkstücke gespannt wur-<br />
den, was dabei zu beachten war, wo die Nullpunkte gesetzt wurden usw.. Diesen<br />
Zweck erfüllen die Einrichteblätter.<br />
Die Facharbeiter erstellen und verwalten neben den NC-Programmen auch die Ein-<br />
richteblätter. Diese Aufgabe erfolgt eigenständig oder in Zusammenarbeit mit dem<br />
Meister oder m+it Kollegen (siehe Abbildung 15 und Abbildung 16).<br />
Abbildung 15: Abstimmung mit dem Meister
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 61<br />
Abbildung 16: Abstimmung mit Kollegen<br />
Wichtige Anforderungen dabei sind, daß Einrichteblätter nicht nur für gleiche, son-<br />
dern auch für ähnliche Teile wiedergefunden werden, damit andere Kollegen mit den<br />
Einrichteblättern selbst arbeiten können und die entsprechenden Kniffe & Tips nach-<br />
vollziehbar sind (Vermittlung von Erfahrungswissen). In der Firma Rich. Seifert & Co.<br />
GmbH & Co. KG war die Möglichkeit gegeben, daß die Facharbeiter Einrichtedaten,<br />
Einstell- und Aufspanndaten in einem Datenverarbeitungssystem eingeben, ablegen<br />
und wieder aufrufen konnten, wie in Abbildung 17 ersichtlich. Dieses System wurde<br />
von den Facharbeitern jedoch kaum genutzt. Ursachen dafür sind: Umständliche<br />
Menüführung, wenig übersichtliche Masken, umständliches Handling, wichtige Infor-<br />
mationen können nicht abgelegt werden, Abbildungen über Aufspannskizzen konn-<br />
ten nicht eingegeben werden. Hinzu kommt die Tatsache, daß das DV-System nicht<br />
direkt verfügbar ist oder von Kollegen besetzt ist. Deshalb wurden konventionelle<br />
Methoden bevorzugt. Einrichteblätter werden auf Papier erstellt und direkt am Ma-<br />
schinenarbeitsplatz in einem Regalsystem abgelegt. Dabei werden handschriftlich<br />
kurze Notizen, Anmerkungen oder schnelle Skizzen der Aufspannsituation angefügt.<br />
Die Papieraufzeichnungen konnten allerdings leicht verschmutzen, Kopien waren<br />
teilweise nicht vollständig und die Unterlagen somit für Kollegen nicht lesbar.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 62<br />
Abbildung 17: Beispiel eines konventionell erstellten Einrichteblattes
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 63<br />
Einrichteblätter dienen also zur technischen Dokumentation und zur Dokumentation<br />
von Erfahrungswissen der Facharbeiter, das sich vor allem auf die Fertigungstech-<br />
nologie bezieht:<br />
− Spannsituation, Spannmittel<br />
− Setzen der Nullpunkte<br />
− Einfahren<br />
− Anpassen an die reale Bearbeitungssituation<br />
− Fertigungsschritte<br />
− Werkzeuge<br />
− Werkstückskizzen aus verschiedenen Sichten<br />
Die Rüstzeiten nehmen oft 50% des Fertigungsprozeßes - bei komplexen Bauteilen<br />
und aufwendigen Aufspannsituationen - ein. Hieraus resultiert ein enormes Erfah-<br />
rungspotential der Mitarbeiter, die schon einmal ein solches Bauteil bearbeitet ha-<br />
ben. Aber wie erhält man Zugriff auf die so dringend benötigte Information, wenn auf<br />
Erfahrungswissen von anderen Kollegen nicht zurückgegriffen werden kann? Das<br />
war die alles entscheidende Frage bei der Konzeption und Implementation des Soft-<br />
waremoduls Einrichteblattverwaltung. Gerade in der Zeit der Konzeption des Soll-<br />
Zustandes und der Systemimplementierung der Einrichteblattverwaltung hat ein Mit-<br />
arbeiter den Betrieb verlassen. Durch die Methode Rapid Prototyping beim ange-<br />
wandten Software Engineering Prozeß konnte aber gleichzeitig mit dem ausschei-<br />
denden Mitarbeiter noch ein Konzept ausgearbeitet werden, das es ermöglichte die<br />
Dokumentation seiner vorhandenen Erfahrung beim Einrichten/Rüsten mit in den<br />
laufenden Gestaltungsprozeß einfließen zu lassen. Dieser Mitarbeiter hat letztendlich<br />
- noch vor seinem Ausscheiden aus der Firma - seine Erfahrungen mit dem ersten<br />
Prototypen der Einrichteblattverwaltung dokumentiert, d.h. auch nach seinem Aus-<br />
scheiden steht das Erfahrungswissen über die Rüst- und Aufspannsituationen den<br />
anderen Mitarbeitern noch zur Verfügung. Man kann deshalb die Konzeption und<br />
Systemimplementierung der Einrichteblattverwaltung als einen sich selbst steuern-<br />
den Regelkreis betrachten, der zu jedem Zeitpunkt die Anforderungen der Mitarbeiter<br />
aufzunehmen, zu evaluieren und zu verarbeiten vermochte (vgl. Versionsprototypen<br />
1.0 - 1.4 in Abschnitt 5.2.1 dieses Kapitels).<br />
Zusätzlich zu den organisatorischen Voraussetzungen, die durch die Fertigungsinsel<br />
und die daraus abgeleitete Gruppenarbeit im Unternehmen Seifert bereits bei Auf-<br />
nahme der Anforderungen an die technische Systemunterstützung gegeben waren,<br />
mußte die Einrichteblattverwaltung mit bereits bestehenden Konzepten zur techni-<br />
schen Unterstützung bei Gruppenarbeit in Einklang gebracht werden.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 64<br />
Ein Konzept beschreibt dabei ein neues Steuerungssystem für CNC-Maschinen /14/,<br />
das mit seinen unterschiedlichen Funktionsmodulen den Arbeiter an der Maschine in<br />
seinen neuerlangten Umfeldaufgaben unterstützt. Bezüglich der Forderung nach<br />
ganzheitlichen Arbeitsinhalten sind dies die Module Auftragsvorbereitung, Produzie-<br />
ren, Programmieren, Prüfen, Wartung und Fehler/Diagnose, wie in Abbildung 18 er-<br />
sichtlich.<br />
Abbildung 18: Die Module der Steuerung2000<br />
Ein zweites Konzept beschreibt ein Inselinformationssystem /9/, das technisch-<br />
organisatorische Aspekte zur Auftragsdisposition berücksichtigt und in das die Ein-<br />
richteblattverwaltung als ein Modul integriert (Abbildung 19) werden sollte. Dieses<br />
Konzept steht als low cost Lösung in Konkurrenz zu konventionellen Leitstand- und<br />
PPS-Lösungen.<br />
Eine mögliche Technikunterstützung wie sie als abgestimmtes Gesamtkonzept mit<br />
Modulstruktur umgesetzt werden könnte zeigt dann Abbildung 20.<br />
Wobei man eigentlich schon bei der Konzeption des Soll-Zustandes der Einrichte-<br />
blattverwaltung wäre. Dieser wird im nächsten Kapitel beschrieben, der die Einbin-<br />
dung und Abstimmung der Einrichteblattverwaltung in den konzeptionellen Gesam-
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 65<br />
trahmen beschreibt. Wie bereits oben gezeigt besteht dieser Gesamtrahmen aus<br />
folgenden Rahmenbedingungen:<br />
− Konzept Computergestützter erfahrungsgeleiteter Arbeit (CeA) /6/<br />
− Konzept des CeA-Facharbeiter-Informationssystems (CeAFIS) /6/<br />
− Konzept der technischen Gestaltungsanforderungen (offene Systeme) /11/<br />
− Konzept für eine CNC-Steuerung (Steuerung2000) /14/<br />
− Konzept des Insel-Informationssystems (IIS) /9/<br />
Abbildung 19: Integration der Einrichteblattverwaltung in ein Insel-<br />
informationssystem<br />
5.2 Konzeptionsphase<br />
Eine EDV-gestützte Eingabe und Speicherung der in den Einrichteblättern enthalte-<br />
nen Informationen und Aufspannskizzen in die CNC-Steuerung der Maschinen am<br />
Arbeitsplatz war aufgrund der vorhandenen Steuerungssysteme nicht möglich. Dies<br />
war letztendlich Motivation dieser Diplomarbeit, mit der eine rechnergestützte Ein-<br />
richteblatterstellung und -verwaltung prototypisch realisiert, am Arbeitsplatz aufge-<br />
stellt und getestet werden sollte.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 66<br />
Konstruktion<br />
CAD<br />
Programmierung Prüfplanstelle<br />
WOP<br />
Werkstatt<br />
Koordinationsleitstand<br />
Programmierplatz Feinsteuerung<br />
CNC-Maschine<br />
WOP<br />
Maschinensteuerung<br />
mit Einrichteblattverwaltung<br />
CNC-Maschine<br />
WOP<br />
Maschinensteuerung<br />
mit Einrichteblattverwaltung<br />
LAN - Umgebung<br />
CNC-Maschine<br />
Steuerung 2000<br />
PPS<br />
Inselinformationssystem<br />
IIS<br />
WOP<br />
Maschinensteuerung<br />
mit Einrichteblattverwaltung<br />
Abbildung 20: Mögliche Technikunterstützung bei Gruppenarbeit in der Werkstatt<br />
Die Einrichteblattverwaltung ist ein Softwaresystem, das auf einem PC vor Ort die<br />
Erstellung, Verwaltung und das Drucken von Einrichteblättern unterstützt. Die Ein-<br />
richteblätter beinhalten bearbeitungsrelevante Informationen zum Auftrag, dessen
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 67<br />
Betriebsmitteln und dessen Bearbeitung. Dieses Softwaresystem verwaltet die Ein-<br />
richteblätter maschinenspezifisch und ist deshalb als persönliches System für den<br />
Facharbeiter zu sehen, in dem er seine bearbeitungsrelevanten Daten, Informatio-<br />
nen und Erfahrungen festhalten kann. Es sind vorwiegend (siehe Abbildung 27,<br />
Abbildung 28 und Abbildung 29)<br />
− Allgemeine Informationen zum Auftrag, zur Maschine, zu NC-Programmen und zu<br />
Materialien<br />
− Informationen zur Aufspannung (Spannmittel, Spannmaße, Werkzeugnullpunkte,<br />
Nullpunktsverschiebungen, usw.) und<br />
− Informationen zum Arbeitsplan (Werkzeuge, Arbeitsgänge, Unterprogramme, Be-<br />
merkungen, usw.)<br />
Neben alphanumerischen Informationen, die der Facharbeiter in freien Feldern über<br />
die Tastatur eingeben kann, können in der Einrichteblattverwaltung auch Bilder (z.B.<br />
Rüst-/Aufspannsituation) und natürlichsprachliche Informationen (z.B. verbaler Hin-<br />
weis beim Schichtwechsel von Müller zu Meier über zu beachtende Werkzeugverän-<br />
derungen) abgelegt und verwaltet werden, so daß es sich insgesamt um ein multi-<br />
mediales Softwaresystem handelt (siehe auch Abschnitt 5.3.3 in diesem Kapitel).<br />
5.2.1 Design<br />
Das Pflichtenheft enthält nach VDI/VDE-Richtlinienentwurf 3694 das Lastenheft. Das<br />
Lastenheft entspricht dabei den vom Anwender definierten Anforderungen an das<br />
Softwareprojekt. Im Falle dieser Diplomarbeit sind dies die folgenden grundlegenden<br />
Anforderungen:<br />
1. Die konventionellen Einrichteblätter sollen auf ein elektronisches Medium übertra-<br />
gen werden<br />
2. Bislang schon dokumentierte Informationen sollen miterfaßt werden können<br />
3. Eine Ausgabe der Einrichteblätter auf Papier muß möglich sein<br />
4. Möglichkeit zur Erfassung von Videobildern mit Nachbearbeitungsmöglichkeit soll<br />
geschaffen werden ohne die Einrichteblattverwaltung zu verlassen<br />
5. Möglichkeit zur Erfassung von Audio-Anmerkungen soll integriert werden<br />
Weitere Anforderungen wurden im Pflichtenheft an die Einrichteblattverwaltung ge-<br />
stellt. Es wurden allerdings nur die Anforderungen definiert, die sich in der zur Verfü-<br />
gung stehenden Projektlaufzeit realisieren liesen. Die Anforderungen die zur Weiter-<br />
entwicklung der Einrichteblattverwaltung gestellt werden, findet man in Kapitel 7.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 68<br />
1. Leichte Erlernbarkeit und Bedienerfreundlichkeit des Programms, sowie Anpas-<br />
sung an internationale Standards und Styleguides<br />
2. Vollständige Bedienung durch Maus und Tastatur auf einer graphischen Benut-<br />
zeroberfläche<br />
3. Software-ergonomische Gestaltung der Eingabemasken<br />
4. Unterstützung von Hypertext- und Hypermedia-Navigationsstrukturen<br />
5. Individualität der Datenhaltung, des Datenzugriffs und der Datenweitergabe<br />
6. Anpaßbare Bedienungsoberfläche für eventuelle Anpassung an andere Betriebs-<br />
bereiche oder Firmen<br />
Aufgrund der anfänglichen Unkenntnis über die wahren Anforderungen, die durch<br />
Mitarbeiter selbst an die Einrichteblattverwaltung gestellt wurden bedurfte es einer<br />
ständigen Überarbeitung der Programmplanung im Verlauf der Implementation. Die-<br />
se ist im Software Engineering aber ein durchaus gängiger und gewünschter Vor-<br />
gang. Durch die Methode des Rapid Prototyping konnten die wahren Anforderungen<br />
der Mitarbeiter zu jedem Zeitpunkt aufgenommen werden und in den Gestaltungs-<br />
prozeß einfließen. Dies soll an den vier unterschiedlichen Versionsprototypen - neu<br />
hinzugekommene Funktionen wurden kursiv markiert - näher erläutert werden bis<br />
letztendlich ein Lösungskonzept für die Programmstruktur der Einrichteblattverwal-<br />
tung festgeschrieben werden konnte, wie Abbildung 21 zeigt.<br />
Im ersten Versionsprotoypen wurde lediglich eine Umsetzung des konventionellen<br />
Karteikartensystems auf ein elektonisches Medium angestrebt. Diese rein DV-<br />
gestützte Lösung ermöglichte somit die Übertragung der bestehenden Informationen<br />
von den bestehenden konventionellen Einrichteblättern in das elektronische System.<br />
Standardfunktionen des Computers konnten genutzt werden um somit die Erstellung,<br />
Verwaltung und Archivierung der Informationen zu rationalisieren. Als großen Nutzen<br />
stellte sich schnell heraus, das die vorgesehenen Datenfelder für Textinformationen<br />
sich nicht nur für die Einrichtedaten eigneten, sondern mit der Einrichteblattverwal-<br />
tung auch ein Editor zur Verfügung stand mit dem zusätzlich Erfahrungswissen do-<br />
kumentiert werden konnte.<br />
Versionsprototyp 1.0: + Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Hauptprogramme als Karteikartensystem ohne<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Funktionalität: - Hauptprogramm Neu<br />
- Hauptprogramm Kopieren<br />
- Hauptprogramm Löschen
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 69<br />
Schnell kam jedoch die Anforderung, Daten aus dem NC-Programmiersystem in die<br />
Einrichteblattverwaltung zu übernehmen um die Arbeit bei der Erstellung weiter zu<br />
automatisieren. Dies sparte Zeit bei der Dokumentation ein (vergleiche Kapitel 6.1.).<br />
Nicht nur die Zeiteinsparung bei der Erstellung, sondern auch die Zeiteinsparung<br />
beim Rüstvorgang spielten eine Rolle weshalb das schnelle wiederfinden von Haupt-<br />
programmen mit dazugehörigen Unterprogrammen durch eine Suchfunktion erwei-<br />
tert wurde. Die erste multimediale Komponente lieferte den letzten Beitrag zur Rüst-<br />
zeiteinsparung. Durch die Möglichkeit mit einer Videokamera Bilder der Aufspannung<br />
zu erstellen, konnten sich die Mitarbeiter einen schnellen Überblick über die Rüstsi-<br />
tuation verschaffen und hatten weniger Probleme die Aufspannsituation zu rekon-<br />
struieren.<br />
Versionsprototyp 1.1: + Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Hauptprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Unterprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Funktionalität: - Haupt- und Unterprogramm Neu<br />
- Haupt- und Unterprogramm Kopieren<br />
- Haupt- und Unterprogramm Löschen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Suchen<br />
+ Multimedial: - Erstellen und Einrichten von Bildern<br />
manuell über die ScreenMachine-<br />
Software<br />
- Scrollen durch mehrere Ansichten<br />
Das manuelle erstellen und einrichten der Bilder mit der ScreenMachine-Software<br />
bereitete den Benutzern des Systems jedoch Probleme, weil nicht ausreichende<br />
Windowskenntnisse vorlagen. Mit dem im nächsten Versionsprotoypen entwickelten<br />
Videomodul konnten diese Schwierigkeiten beseitigt werden, weil das System der<br />
Einrichteblattverwaltung nicht mehr verlassen werden mußte und darüber hinaus<br />
durch dieses multimediale Zusatzmodul mehrere Bilder aus verschiedenen Perspek-<br />
tiven automatisch eingerichtet werden konnten.<br />
Versionsprototyp 1.2: + Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Hauptprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 70<br />
der NC-Unterprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Funktionalität: - Haupt- und Unterprogramm Neu<br />
- Haupt- und Unterprogramm Kopieren<br />
- Haupt- und Unterprogramm Löschen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Suchen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Weiter-<br />
suchen<br />
+ Multimedial: - Erstellen und Einrichten von Bildern<br />
automatisch über das Videomodul<br />
ScreenMachine-Regie<br />
- Scrollen durch mehrere Ansichten<br />
Durch die spielend einfach und schnelle Aufnahme der Bilder haben die Beteiligten<br />
sehr schnell gefallen an der Art und Weise zur Dokumentation der Rüstsituationen<br />
gefunden, da nicht mehr aufwendige Skizzen der Aufspannung auf Papier gemacht<br />
werden mußten. Da aber zu den Skizzen der Aufspannung auf Papier zusätzlich In-<br />
formationen eingetragen wurden, mußte diese Möglichkeit der Einbringung von Er-<br />
fahrungswissen durch eine Nachbearbeitung der Bilder auf dem Computer ermög-<br />
licht werden. Dies geschah über ein einfaches Zeichenprogramm mit der Möglich-<br />
keiten Text und Grafik im Bild editieren zu können. Die zusätzlichen eingebrachten<br />
Informationen waren von nun an auch durch den Zoom zu einer großen Darstellung<br />
der Rüstsituation jederzeit durch den Bediener aufrufbar.<br />
Versionsprototyp 1.3: + Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Hauptprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Unterprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Funktionalität: - Haupt- und Unterprogramm Neu<br />
- Haupt- und Unterprogramm Kopieren<br />
- Haupt- und Unterprogramm Löschen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Suchen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Weiter-<br />
suchen<br />
+ Multimedial: - Erstellen und Einrichten von Bildern<br />
automatisch über das Videomodul<br />
ScreenMachine-Regie
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 71<br />
- Scrollen durch mehrere Ansichten<br />
- Nachbearbeitung des großen Bildes<br />
einer Ansicht mit dem Zeichenmodul<br />
Windows-Paintbrush<br />
- Zoom zum einem großen Bild der<br />
Ansicht<br />
Im letzten Prototypen wurde eine Druckausgabe der in den Einrichteblättern enthal-<br />
tenen Informationen realisiert, um den Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben mit Ih-<br />
ren Informationen mobil zu bleiben. Dies war z.B. für fertigungstechnische Gegeben-<br />
heiten nützlich, wenn ein Erfahrungsaustausch nicht direkt in der Werkstatt vonstat-<br />
ten ging, sondern z.B. im Meisterbüro oder in der Konstruktionsabteilung.<br />
Versionsprototyp 1.4: + Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Hauptprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Einrichteblätter zur Erstellung, Verwaltung, Archivierung<br />
der NC-Unterprogramme als Karteikartensystem mit<br />
Schnittstelle zum NC-Programmiersystem<br />
+ Funktionalität: - Haupt- und Unterprogramm Neu<br />
- Haupt- und Unterprogramm Kopieren<br />
- Haupt- und Unterprogramm Löschen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Suchen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Weiter-<br />
suchen<br />
- Haupt- und Unterprogramm Drucken<br />
+ Multimedial: - Erstellen und Einrichten von Bildern<br />
automatisch über das Videomodul<br />
ScreenMachine-Regie<br />
- Scrollen durch mehrere Ansichten<br />
- Nachbearbeitung des großen Bildes<br />
einer Ansicht mit dem Zeichenmodul<br />
Windows-Paintbrush<br />
- Zoom zum einem großen Bild der<br />
Ansicht<br />
- Sprachein- und -ausgabe mit dem<br />
Sprachmodul Windows-Klangrekorder
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 72<br />
Bedienungsoberfläche<br />
Programmsteuerung<br />
Editor Datenbank<br />
Verplichtungen<br />
- Datensatz einfügen<br />
- Datensatz ändern<br />
- Datensatz kopieren<br />
- Datensatz löschen<br />
- Datensatz laden<br />
- Datensatz speichern<br />
- Datensatz drucken<br />
Verplichtungen<br />
- Individualität der<br />
Datenhaltung des<br />
Datenzugriffs der<br />
Datenweitergabe<br />
Menüstruktur<br />
- Archivierung<br />
- Retrieval<br />
Abbildung 21: Lösungskonzept der Programmstruktur<br />
Verplichtungen<br />
- Ausgabeschnittstelle<br />
- Kommunikationsschnittstelle<br />
- Arbeitsmittel<br />
- Karteikartensystem mit<br />
Menüstruktur<br />
Verplichtungen<br />
- zentrale Steuerung<br />
des Programms<br />
- Fensterverwaltung<br />
- Navigation durch<br />
Hierarchiestruktur<br />
Schnittstelle<br />
Verplichtungen<br />
- Schnittstellen zu<br />
CIM-Bausteinen
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 73<br />
Begleitet wurde die Designphase durch die geeignete Auswahl einer Navigations-<br />
und Menüstruktur die sich auf vier Hierarchieebenen beschränkt wie in Abbildung 22<br />
deutlich wird.<br />
Abbildung 22: Die Navigation durch die vier Hierarchieebenen
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 74<br />
5.3 Implementationsphase<br />
Wie schon in Kapitel 4.2 beschrieben muß man die technischen Gestaltungsanforde-<br />
rungen und ergonomischen Gestaltungsgesichtspunkte bei der Entwicklung von DV-<br />
Komponenten berücksichtigen. Insbesondere muß der Programmsteuerung und der<br />
Benutzungsoberfläche (Menüsteuerung, Fenstertechnik, Funktion der Bildschirmo-<br />
berfläche, Mausbedienung, usw.) besondere Bedeutung zugemessen werden. Wei-<br />
tergehende Ansätze, die andere menschliche Sinne mit einbeziehen (Hören, Sehen,<br />
Sprechen, usw.) sind in diesem Multimedia-Konzept angedacht, aber leider im Pro-<br />
duktionsbereich bisher nur zu einem sehr geringen Teil realisiert, weil sie eine er-<br />
höhte Anforderung an die einzusetzende und auszuwählende Technik des DV-<br />
Systems stellen. Die grundsätzlichen Aufgaben von DV-Systemen beschränken sich<br />
für multimediale Systeme nicht nur auf die<br />
1. Textwiedergabe<br />
2. Grafikdarstellung und Animation<br />
3. Speicherung und Verwaltung der Daten auf Datenträgern<br />
4. Interaktion mit dem Benutzer<br />
5. Steuerung von Hardware oder auch Maschinen<br />
sondern auch auf neue Aufgaben wie<br />
1. Mischen von Text, Grafik und Animation, sowie Einbindung von digitalem oder<br />
analogem Video<br />
2. Hinterlegen von Audioinformationen<br />
Da also neue Anforderungen an die Hard- und Software gestellt werden, mußte eine<br />
gezielte Auswahl der verwendeten Arbeitsumgebung für die Programmerstellung<br />
(Autorensystem und Plattform), für die Medienauswahl (Text, Bild, Ton, Video, usw.)<br />
und die eingesetzten Techniken (Hypertext, Hypermedia, usw.) durchgeführt werden.<br />
5.3.1 Produktion<br />
Die für die Produktion der Einrichteblattverwaltung benötigte Produktionsplattform<br />
wurde nachhaltig durch die zu integrierenden Medien bestimmt. Bei der Medienaus-<br />
wahl kamen für die Einrichteblattverwaltung nur der Text, das Bild und der Ton in<br />
Frage. Die Anforderungen Bewegtbilder (digitales Video) in die Einrichteblätter zu<br />
integrieren wurde nicht gestellt, da auch komplexe Aufspannungen nur statische<br />
Rüstsituationen darstellen.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 75<br />
Im Hinblick auf die bislang schon erfaßten und dokumentierten Informationen im NC-<br />
Programmiersystem, das bereits auf einem IBM kompatiblen PC installiert war und<br />
der bestehenden Rechnerinfrastruktur im Hause Seifert, fiel die Entscheidung für die<br />
Produktionsplattform auf einen multimediafähigen PC, der den Mindestanforderun-<br />
gen der MPC-Spezifikation nach Level 1 genügte.<br />
Dieser PC umfaßte folgende Ausstattung:<br />
CPU • 80386DX-Prozessor mit 25 Mhz Taktfrequenz.<br />
Hauptspeicher • 8 MByte<br />
Grafikkarte • 16Bit VGA-Adapter mit 256 Farben bei einer Auflösung<br />
Schnittstellen • Seriell<br />
von 640x480<br />
• Parallel für Druckeranschluß<br />
• SCSI-Anschluß für Scanner<br />
Massenspeicher • 3,5"-Diskettenlaufwerk mit 1,44MByte Kapazität<br />
• SCSI-Festplatte mit 100MByte<br />
• CD-ROM/XA Laufwerk<br />
Eingabegeräte • 101-Tasten MF-Tastatur<br />
• Maus<br />
• Scanner<br />
• Videokamera mit S-VHS Standard für gute Bildqualität<br />
Ausgabegeräte • Bildschirm mit 14“ für Auflösung 640x480<br />
• Nadel- und Tintenstrahldrucker<br />
• Aktivboxen<br />
Multimedia-Peripherie • ScreenMachine als Framegrabberkarte<br />
• Soundkarte<br />
Tabelle 4: Plattform für die Produktion<br />
Durch die Schaffung von Schnittstellen zum NC-Programmiersystem konnten Infor-<br />
mationen, d.h. Text ohne weiteres in die elektronischen Einrichteblätter übernommen<br />
werden und bislang dokumentierte Informationen gingen somit nicht verloren.<br />
Die Möglichkeit zur Erfassung von Bildern mit einer Videokamera wurde über die<br />
ScreenMachine als Framegrabberkarte realisiert. Damit konnten Bilder über das Vi-<br />
deomodul der Einrichteblattverwaltung auf Festplatte abgespeichert werden, die<br />
dann für eine Nachbearbeitung (ergänzende Kommentare, Nulltpunkte, etc.) zur<br />
Verfügung standen, ohne die Einrichteblattverwaltung verlassen zu müssen.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 76<br />
Für die Ein- und Ausgabe von Ton wurde eine Soundblasterkarte eingesetzt, um<br />
über ein Mikrophon Audioanmerkungen in die Einrichteblätter integrieren zu können.<br />
Dies geht schneller als die Eingabe über Tastatur, die durch verschmutzte Hände<br />
sehr schnell in Mitleidenschaft gezogen wird.<br />
5.3.2 Programmierung<br />
Heutige Hardware braucht leistungsfähige Software zum Ausschöpfen aller Res-<br />
sourcen. Da der Steuerungsaufwand mit der Anzahl der Multimedia-Komponenten<br />
steigt, werden auch die Anforderungen an die Software größer. Es wird also eine<br />
Software gesucht, die eine Programmierung zur Verfügung stellt, die es auf einfache<br />
Weise ermöglicht, oben genannte Multimedia-Komponenten ins System zu integrie-<br />
ren.<br />
Softwareanforderungen für Programmiersysteme zum erstellen von Multimedia-<br />
Applikationen:<br />
− leichte Erlernbarkeit und Handhabung<br />
− einfache Schnittstellengestaltung<br />
− Datenbankanbindungsmöglichkeit<br />
− interaktiv und ereignisgesteuert (Software muß Trennung von Steuerung und<br />
Dialogablauf unterstützen)<br />
− Flexibilität bezüglich unterschiedlicher Anwendungsbereiche<br />
− objektorientierte Programmierung die von vornherein Objekt-Bibliotheken, Quell-<br />
dateien, Debugging-Tools und Treiber zur Verfügung stellt<br />
− Bereitstellung von Multimedia-Erweiterungen zur leichten Einbindung von Multi-<br />
media-Komponenten<br />
− Unterstützung graphischer Oberfläche mit Fenstersystemen und Mausbedienung<br />
− leichte und schnelle Aktualisierbarkeit<br />
− leichte Portierung auf andere Anwendungsarchitekturen<br />
− Unterstützung von Hypertextfunktionen<br />
− Unterstützung einer schnellen Prototypenerstellung (Rapid Prototyping) zur Ak-<br />
zeptanzprüfung des Programmes<br />
Mit der Entscheidung für das Autorensystem Multimedia Toolbook 1.52 stand ein<br />
Entwicklungswerkzeug zur Verfügung, das den oben genannten Anforderungen zum<br />
größten Teil gerecht werden konnte. Es wurde unter dem Fenstersystem Windows<br />
3.1 eingesetzt, welches als Aufsatz für das Betriebssystem DOS hinlänglich bekannt<br />
ist. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit Toolbook und seiner erwiesenen Eignung
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 77<br />
für den Prozeß des Rapid Prototyping konnten schnelle Aktualisierungsmöglichkei-<br />
ten genutzt und frühzeitige Evaluationen des Programms durchgeführt werden.<br />
Wichtig ist es zu erkennen, daß mit Hilfe von Toolbook die geforderten Integration<br />
der Medien Text, Bild und Ton auf einfachste Weise realisiert werden kann. Mit<br />
Toolbook war es auch möglich die Benutzungsoberfläche losgelöst von der Steue-<br />
rungs- bzw. Funktionsebene zu gestalten, was den Rapid Prototyping Prozeß zu-<br />
sätzlich unterstützt hat.<br />
An dieser Stelle soll allerdings angemerkt werden, daß auf eine ausführliche Be-<br />
schreibung der Arbeitsumgebung mit Toolbook verzichtet werden soll, da sie zum<br />
einen den Rahmen der Diplomarbeit sprengen würde, zum anderen in der Literatur<br />
/1/, /2/ ausführlich beschrieben ist und weil multimediale Lernprogramme für dieses<br />
Autorensystem für den PC zusätzlich vorhanden sind.<br />
5.3.3 Dokumentation<br />
Die Einrichteblattverwaltung ist als Arbeits- und Kommunikationsmittel direkt am Ar-<br />
beitsplatz, d.h. an der CNC-Maschine verfügbar, damit Informationen dort abgerufen<br />
werden können wo sie am dringendsten benötigt werden, am Ort der Wertschöp-<br />
fung: Der spanenden Fertigung. Damit unterscheidet sich die Einrichteblattverwal-<br />
tung als Modul des CeAFIS-Systems von traditionellen Softwaresystemen in der<br />
Hinsicht, das sie den Menschen nicht nur als unerwünschtes Anhängsel betrachtet,<br />
sondern die neueren Entwicklungen, die den Computer das werden lassen wozu er<br />
eigentlich gebraucht werden sollte - als Hilfsmittel und Werkzeug denkender und tä-<br />
tiger Menschen - unterstützt.<br />
Die Entwicklung der Einrichteblattverwaltung ging von der grundlegenden Option<br />
aus, durch frühzeitige Beteiligung den Beschäftigten Entscheidungen zuzugestehen,<br />
die den Arbeitsablauf und die Fragen wie eine Aufgabe zu lösen ist betreffen. Zum<br />
anderen sind die Beschäftigten an der entsprechenden Entscheidungsbefugnis be-<br />
teiligt worden, wo es um die Gestaltung und die Auswahl des Arbeitsmittels ging,<br />
insbesondere wenn es sich um Computer und die entsprechende Software handelte.<br />
Es waren die Mitarbeiter des Fertigungsbereiches Fräsen, die eine computerge-<br />
stützte Einrichteblatterstellung direkt an ihrem Arbeitsplatz forderten, die sie besser<br />
in ihrem Arbeitshandeln unterstützt. Diese Lösung ist gemeinsam erarbeitet worden<br />
und mit der Einrichteblattverwaltung steht von nun an ein Hilfsmittel zur Verfügung,<br />
das wie jedes Werkzeug ständig zur Verfügung stehen muß und gepflegt sein will.<br />
Vergleicht man die Einrichteblattverwaltung mit einem Hammer, so kann man auch
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 78<br />
mit einfachen Werkzeugen - klopft man sich z.B. mit dem Hammer auf den Finger -<br />
die zu erzielende Wirkung verfehlen, wenn das Werkzeug nicht richtig beherrscht<br />
wird. Im folgenden soll darum eine Programmbeschreibung der Einrichteblattver-<br />
waltung die Handhabung dieses Softwarewerkzeuges erleichtern.<br />
A. Artikelnummernkonzept<br />
Alle Artikel die in den Einrichteblättern verwaltet werden, haben Artikelnummern, die<br />
nach einem hauseigenen Identnummernsystem vergeben werden. Der Personal-<br />
ausweis eines Artikels, der Artikelstamm, wird bereits im PPS erfaßt. Mit der Festle-<br />
gung des 2-stelligen Charakterschlüssels eines Artikels werden generelle Merkmale<br />
gekennzeichnet, wie:<br />
− Einzelteil oder Baugruppe<br />
− Eigenfertigungsteil oder Kaufteil<br />
− Standardartikel oder Sonderartikel<br />
− gesperrter Artikel bzw. Änderung des Artikels steht an<br />
− konstruktive Bearbeitung noch nicht abgeschlossen<br />
Die ersten 6-7 Stellen einer Artikelnummer werden, sofern erforderlich, auch für die<br />
Arbeitsplan-, die Stücklisten-, die Zeichnungs- oder die NC-Hauptprogramm- bzw.<br />
NC-Unterprogrammnummer verwendet.<br />
Beispiel einer Artikelnummer:<br />
8 123 456/13<br />
1 123 456/13<br />
2 123 ...<br />
3 ...<br />
2-stelliger Charakterschlüssel<br />
Arbeitsplan-, Stücklisten-, Zeichnungs- und Hauptprogrammnummer<br />
8 steht für das Fertigungsverfahren 'Fräsen'<br />
Fortlaufende Unterprogrammnummer zu 8 123 456/13<br />
Mit Hilfe der Artikelnummer werden charakteristische Merkmale des Auftrages ver-<br />
mittelt. Entscheidender ist jedoch, daß sie mit der Arbeitsplan-, Stücklisten-, Zeich-<br />
nungs- und NC-Programmnummer identisch ist. Diese Durchgängigkeit ermöglicht
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 79<br />
ein schnelles Finden des entsprechenden Einrichteblattes und der dazugehörigen<br />
Informationen.<br />
B. Installation des Programms (Programmaufbau und Verzeichnisstruktur)<br />
Zur Installation der Einrichteblattverwaltung benötigt man zwei Disketten mit folgen-<br />
dem Inhalt:<br />
Installationsdiskette<br />
Programmdiskette<br />
Für die Installation des Programms müssen folgende Hard- und Softwarevorausset-<br />
zungen erfüllt sein:<br />
− IBM kompatibler 386PC<br />
− Bildschirmauflösung 640x480 mit 256 Farben<br />
− 4 Mbyte freier Festplattenplatz<br />
− Windows 3.x<br />
− ScreenMachine I als Framegrabberkarte mit Treibersoftware<br />
− Soundkarte mit Treibersoftware<br />
Von der DOS-Kommandozeile startet man die Datei install.bat mit der Angabe des<br />
Windows-Verzeichnis als Parameter:<br />
Das Installationsprogramm kopiert die Runtime-Version von Toolbook
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 80<br />
in das angegebene Windows-Verzeichnis und startet die benutzergeführte Installati-<br />
on (instebl.tbk) der Einrichteblattverwaltung unter Windows (siehe Abbildung 23).<br />
Abbildung 23: Benutzergeführtes Installationsprogramm
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 81<br />
Die Einrichteblattverwaltung kann in einem frei wählbaren Verzeichnis auf der Fest-<br />
platte installiert werden. Dabei wird folgende Verzeichnisstruktur angelegt<br />
und Änderungen an der Datei win.ini vorgenommen<br />
[extensions]<br />
tbk=tbook.exe^.tbk<br />
[fonts]<br />
TBKWidgets 12,24 (VGA Res)=TBKMMWID.FON<br />
Im hier gewählten Beispielverzeichnis ebl werden die Programmdateien<br />
abgelegt, die zur Ausführung der Einrichteblattverwaltung notwendig sind. Im Ver-<br />
zeichnis anmerk werden sprachliche Annotationen abgespeichert und im Verzeichnis<br />
bilder die für jede Einrichteblatt aufgenommenen Rüstsituationen der zu fertigenden<br />
Teile. Mit der Datei tbkmmwid.fon wird eine neue Schriftart im System installiert, die<br />
für bestimmte Sonderzeichen (z.B. ) notwendig ist.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 82<br />
Nachdem die Programmdateien auf die Festplatte kopiert wurden legt das Installati-<br />
onsprogramm noch eine neue Programmgruppe mit einem Icon für die Einrichte-<br />
blattverwaltung an. Die Installation ist beendet und Windows muß neu gestartet wer-<br />
den, damit die Änderungen am System wirksam werden.<br />
C. Programmbeschreibung<br />
Durch Doppelklick auf das Programmicon startet man die<br />
Einrichteblattverwaltung und gelangt in den Eröffnungsbildschirm<br />
(siehe Abbildung 24)<br />
Das System überprüft beim Laden im Rechner die benötigten Optionen und erkennt<br />
automatisch, ob Hardware fehlt - ScreenMachine z.B. nicht vorhanden - oder Pro-<br />
gramm- bzw. Systemdateien fehlen. Es werden entsprechende Hinweise und Hilfe-<br />
stellungen gegeben, wie man diese Fehler beheben kann um das System dennoch<br />
in den Ausgangszustand zu bringen.<br />
Abbildung 24: Der Eröffnungsbildschirm der Einrichteblattverwaltung<br />
Im Eröffnungsbildschirm hat man die Möglichkeit über die entsprechenden Schaltflä-<br />
chen das Fertigungsverfahren auszuwählen, um zur Maschinenauswahl (Fräs-,
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 83<br />
Dreh-, Schleif- bzw. Biegemaschinen) zu gelangen (siehe Abbildung 25). Exempla-<br />
risch soll das für das Fertigungsverfahren Fräsen gezeigt werden, das auch als ein-<br />
zigstes Verfahren in diesem Prototypen hinterlegt ist.<br />
Arbeitsorganisatorisch sind die vier dargestellten Fräsmaschinen zu einer Ferti-<br />
gungsinsel zusammengefaßt. Jeder Maschine ist ein Maschinenbediener zugeord-<br />
net, wobei die Grenzen hier fließen, weil jeder Mitarbeiter jede Maschine bedienen<br />
kann. Durch die Mitarbeiter und deren informellen Kontakten und Absprachen ge-<br />
schieht die Feindisposition der Aufträge, in der aktuelle Zustand - Rüstzustand, Stö-<br />
rung , Reparatur- oder Wartungsarbeiten - der Maschine eine entscheidende Rolle<br />
spielt. Die Mitarbeiter nehmen diese Informationen mit in ihre Feindispositionsaufga-<br />
ben mit auf und können wenn nötig die Maschinen wechseln, weil sie ihre Teile auf<br />
jeder Maschine komplett fertigen können. Um zuzüglich den Rüstaufwand abschät-<br />
zen zu können bedienen sie sich der Einrichteblätter in denen der Rüstzustand aus-<br />
führlich dokumentiert ist.<br />
Abbildung 25: Die Maschinenauswahl der Einrichteblattverwaltung
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 84<br />
Abbildung 26: Liste der verfügbaren Einrichteblätter an einer Maschine<br />
Es bieten sich nun zwei Möglichkeiten an aus dem Auswahlmenü für die Maschinen<br />
ein Einrichteblatt zu finden. Erstens kann man eine Maschine über die entsprechen-<br />
de Schaltfläche selektieren und bekommt die komplette Liste der verfügbaren Ein-<br />
richteblätter angezeigt (siehe Abbildung 26).<br />
Zweitens kann man über die Funktion Suchen mit Hilfe der Artikelnummer, der Be-<br />
zeichnung oder des Erstellungsdatums ein Einrichteblatt suchen und über die Funk-<br />
tion Weitersuchen einen weiteren Suchlauf starten, wenn ein Einrichteblatt an Ma-<br />
schine 1 gefunden wurde, aber das entsprechende Bauteil auf Maschine 3 gefertigt<br />
werden soll. Ein Einrichteblatt kann also in den Listen für jede Maschine eingetragen<br />
sein und durch den weiteren Suchlauf wählt man sich die Maschine aus an der ge-<br />
fertigt wird.<br />
Die Aufgabe der Einrichteblattverwaltung beschränkt sich nicht nur auf das Wieder-<br />
finden von Einrichteblättern, sondern stellt eine standardisierte Vorgehensweise dar,<br />
um neue Einrichteblätter mit vielen nützlichen Informationen zu erstellen. Die Vorteile<br />
einer standardisierten Vorgehensweise liegen auf der Hand:<br />
− geringer Zeitaufwand um ein Einrichteblatt zuzüglich Bildern zu erstellen<br />
− qualitativ gleichbleibende Dokumentation
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 85<br />
− wichtige Zusatzinformationen stehen zur Verfügung<br />
− ansprechendere Papierversion durch Laserausdruck im Vergleich zu vorher<br />
− gleichzeitige Dokumentation von Erfahrungswissen zu den Rüstinformationen<br />
Mit der Funktion Neu können neue Einrichteblätter angelegt werden. Dazu muß eine<br />
eindeutige Artikelnummer nach dem Identnummernsystem vergeben werden. Das<br />
System legt vorab eingestellte Informationen - Datum, Ersteller, Abteilung - an und<br />
generiert aus der Artikelnummer die entsprechenden Zeichnungs-, Arbeitsplan-,<br />
Stücklisten- und NC-Programmnummern.<br />
Die Einrichteblätter sind als Karteikartensystem organisiert. Der Maschinenbediener<br />
hat die Möglichkeit auf der Karte A: Allgemeines (Abbildung 27) Informationen zum<br />
Werkstück hinzuzufügen, auf der Karte B: Aufspannung (Abbildung 28) Informatio-<br />
nen zur Rüstsituation eintragen und er kann sich auf Karte C: Arbeitsplan (Abbildung<br />
29) den notwendigen Arbeitsplan zusammenstellen.<br />
Abbildung 27: Karteikarte Allgemeines
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 86<br />
Abbildung 28: Karteikarte Aufspannung<br />
Abbildung 29: Karteikarte Arbeitsplan
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 87<br />
Durch die Gegebenheit bei der Firma Seifert mit Unterprogrammen Variationen der<br />
Teile zu den Hauptprogrammen fräsen zu können, mußte eine Unterprogrammver-<br />
waltung mit an die Verwaltung der Hauptprogramme angehängt werden (siehe<br />
Abbildung 30).<br />
Abbildung 30: Die angehängte Unterprogrammverwaltung<br />
Die Unterprogrammnummern generieren sich dabei aus der Hauptprogrammnum-<br />
mer, indem die erste Stelle der Hauptprogrammnummer (8 123 456) durch eine<br />
fortlaufende Numerierung ersetzt wird (1 123 456, 2 123 456, ...). In der Liste auf<br />
Karte A: Allgemeines sind alle verfügbaren Un-<br />
terprogramme aufgelistet und können über die-<br />
ses Feld aufgerufen werden. Soll ein neues Un-<br />
terprogramm angelegt werden, so muß der<br />
Menüpunkt Unterprogramm hinzufügen aus der<br />
Menüleiste Bild ausgewählt werden.<br />
An dieser Stelle soll noch näher auf die einzel-<br />
nen Menüpunkte und Schaltflächen eingegangen werden, die für eine multimediale<br />
Nutzung der Einrichteblattverwaltung unerläßlich sind.<br />
Durch den Menüpunkt Info aus dem Menü Ebl erhält man Informationen zur Ein-<br />
richteblattverwaltung.<br />
Über die Menüleiste Bild kann der Facharbeiter Bilder zu den Einrichteblättern hin-<br />
zufügen. Möglichkeiten zum Einrichten von Bildern sind allerdings nur auf den Karten<br />
A für Bilder vom Werkstück bzw. auf Karte B für Bilder von der Aufspannsituation<br />
gegeben. Für die Menüpunkte zum Menü Bild gelten folgende Konventionen:
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 88<br />
Bilder einrichten: Kann nur ausgewählt werden, wenn noch kein Bild<br />
eingerichtet ist. Über das Videomodul (Abbildung 33)<br />
können maximal 9 Bilder pro Karte eingerichtet werden.<br />
Bilder anzeigen: Über diesen Menüpunkt wird ein Dialogfenster angezeigt,<br />
das die Dateinamen und das Verzeichnis enthält unter<br />
dem die Bilder abgespeichert sind.<br />
Bilder löschen: Es können nur alle Bilder gleichzeitig gelöscht werden<br />
Bild nachbearbeiten: Mit dem Windows-Programm Paintbrush (Abbildung 31)<br />
können Bilder nachbearbeitet werden. Zusätzliche<br />
Informationen wie Text, Grafik, usw. können somit in das<br />
Bild integriert werden.<br />
Bild hinzufügen: Wenn die maximale Anzahl von 9 Bildern noch nicht über-<br />
schritten ist kann, können über das Videomodul<br />
(Abbildung 33) zusätzlich Bilder eingerichtet werden.<br />
Bild ändern: Das im Scrollfenster durch die Thumbnail Darstellung<br />
angezeigte Bild kann über das Videomodul<br />
(Abbildung 33) geändert werden.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 89<br />
Abbildung 31: Nachbearbeitung von Bildern über Paintbrush<br />
Um die Bilder über das Videomodul in das System aufzunehmen, nutzen die Fach-<br />
arbeiter eine Kamera, mit der sie beispielsweise eine komplexe Aufspannsituation<br />
fotografieren oder filmen (siehe Abbildung 32).<br />
Im Videomodul werden verschiedenste Funktionalitäten zur Quelleneinstellung und<br />
Nachregulierung der Bildqualität geboten. Über die Funktion Klick wird, wie bei ei-<br />
nem Fotoapparat, ein Bild gemacht und automatisch im Scrollfeld der entsprechen-<br />
den Karteikarte eingerichtet.
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 90<br />
Abbildung 32: Fotografieren oder Filmen der Aufspannsituation<br />
Abbildung 33: Das Videomodul der Einrichteblattverwaltung
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 91<br />
Es wird empfohlen die Werkstücke oder Aufspannsitua-<br />
tionen aus unterschiedlichsten Perspektiven zu filmen,<br />
um sich mit dem Scrollbar einen schnellen Überblick<br />
über die Gesamtsituation zu verschaffen. In den<br />
Thumbnails des Scrollfeldes sind die Informationen, die<br />
durch eine Bildnachbearbeitung hinzugefügt worden<br />
sind, nicht vorhanden. Über die Schaltfläche kann<br />
das aktuelle Thumbnail auf die gesamte Bildschirmgröße gezoomt werden, um die<br />
zusätzlichen Informationen lesen zu können (siehe Abbildung 31).<br />
Sprachliche Annotationen können über die Schaltfläche hinzugefügt werden,<br />
welche das Windows-Programm Klangrecorder (Abbildung 34) startet.<br />
Abbildung 34: Aufnahme von sprachlichen Annotationen<br />
Letztendlich stehen in der Einrichteblattverwaltung auch die Funktionen zur Verfü-<br />
gung, die den Computer so effizient machen, weil er die Routineaufgaben über-<br />
nimmt:
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 92<br />
Abbildung 35: Auszug aus einem Einrichteblatt
DIE <strong>EINRICHTEBLATTVERWALTUNG</strong> 93<br />
... erstellt ein neues Einrichteblatt<br />
... kopiert das aktuelle Einrichteblatt<br />
... löscht das aktuelle vorhandenes Einrichteblatt<br />
... sucht nach einem vorhandenen Einrichteblatt<br />
... druckt das aktuelle Einrichteblatt<br />
Am Ende stand also doch das Medium Papier, als eine der wesentlichsten Anforde-<br />
rungen, die durch die Mitarbeiter im Software-Entwicklungsprozeß an die Einrichte-<br />
blattverwaltung gestellt wurden. Mit dem Ausdruck eines Einrichteblattes gemäß<br />
Abbildung 35 ist nunmehr auch der letzte Schritt für die Handhabung des computer-<br />
gestützten, erfahrungsgeleiteten Softwarewerkzeuges beschrieben, der nur noch die<br />
Integration der eingerichteten Bilder vermissen läßt.
BEWERTUNG 94<br />
6 Bewertung<br />
Die betriebswirtschaftliche Behandlung bereichsübergreifender Informationsstruktu-<br />
ren verlangt nach einer integrierten Betrachtung von Kosten und Leistungswirkun-<br />
gen. Die einseitig kostenorientierte Betrachtung birgt die Gefahr in sich, daß Auf-<br />
wendungen pauschal als zu minimierende Größe angesehen werden. Eine leistungs-<br />
bzw. nutzenorientierte Betrachtung hat dagegen nach dem Beitrag von Investitionen<br />
zum Unternehmenserfolg zu fragen. Für die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit bzw.<br />
Wirtschaftlichkeit sowohl technischer wie auch organisatorischer Gestaltungsalterna-<br />
tiven der Informationskette erscheinen zwei Beurteilungsdimensionen von zentraler<br />
Bedeutung:<br />
− Zum einen der Leistungs- bzw. Nutzenbeitrag der Maßnahme (Effektivitätsaspekt)<br />
zu den jeweiligen Unternehmenszielen wie beispielsweise der Flexibilität, die Ver-<br />
kürzung der Rüstzeiten usw.<br />
− Zum anderen die Wirtschaftlichkeit des Einsatzes betrieblicher Ressourcen<br />
(Effizienzaspekt)<br />
Da Maßnahmen, die auf die Verbesserung der Effizienz ausgerichtet sind, nicht not-<br />
wendigerweise einen Einfluß auf die Effektivität eines Unternehmens besitzen und<br />
umgekehrt ist zunächst der Nutzenbeitrag zu prüfen. Erst im Anschluß daran steht<br />
die Frage der Wirtschaftlichkeit einer sowohl in zeitlicher wie qualitativer Hinsicht ad-<br />
äquaten Bereitstellung von Produktionsinformationen zur Durchführung der einzel-<br />
nen Tätigkeiten. Im Hinblick auf eine bereichsübergreifende Betrachtungsweise der<br />
Gestaltungswirkungen sind hierbei insbesondere Kosten der Informationsbeschaf-<br />
fung, -übertragung, des Einarbeitens bzw. Eindenkens in einen Vorgang, der Koordi-<br />
nation, der Kontrolle sowie der Bereitstellung von Kapazitäten zu berücksichtigen. Es<br />
gilt also zu überlegen, wieviel Aufwand eine Facharbeiterin oder ein Facharbeiter<br />
betreiben muß, um fehlende Informationen zu erhalten. Bei der Bestimmung des<br />
effizienten Ressourceneinsatzes steht an erster Stelle die Überlegung: Was ist zu<br />
tun, damit die richtigen Informationen zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort sind?
BEWERTUNG 95<br />
6.1 Wirtschaftlichkeit<br />
Die effiziente Erstellung und Verwaltung von Einrichteblättern ist angesichts des vor-<br />
handenen hohen Anteils an Wiederhol- und Variantenteilen wirtschaftlich notwendig.<br />
Dies gilt insbesondere für Werkstücke, deren Bearbeitung einer komplexen Auf-<br />
spannung bedarf. Dabei ist dann der Aufwand für das Erstellen, Archivieren und Su-<br />
chen von Einrichteblättern geringer als das erneute Entwickeln einer praktikablen<br />
Aufspannlösung. Als Investitionsalternativen können drei unterschiedliche technische<br />
Optionen der Einrichteblattverwaltung unterschieden werden:<br />
1. Hängeregistersystem (A1)<br />
2. Herkömmliche computergestützte Archivierung (A2)<br />
3. Multimediale computergestützte Archivierung (A3)<br />
A1<br />
Hängeregister<br />
A2<br />
DV-gestützte Lösung<br />
A3<br />
Multimedia-Lösung<br />
Kosten • ca. 500DM • ca. 3000DM • ca. 10.000DM<br />
Nutzen • systematische Ver-<br />
waltung von Einrich-<br />
teblättern<br />
• erleichtert ein ein-<br />
heitliches und kom-<br />
plettes Ausfüllen der<br />
Einrichteblätter<br />
• gute Lesbarkeit der<br />
Arbeitsergebnisse<br />
• schnelle Zugriffs-<br />
möglichkeiten bei<br />
großen Datenmen-<br />
gen<br />
Tabelle 5: Kosten und Nutzen der Einrichteblattverwaltung<br />
• bei komplexen<br />
Spannaufgaben<br />
• schnelleres Erstellen<br />
der Einrichteblätter<br />
• Kombination aus<br />
Text, Sprache und<br />
Bildern bietet quali-<br />
tativaussagekräftige- re Dokumente<br />
• Reduzierung von<br />
Einrichtezeiten infol-<br />
ge aussagekräftiger<br />
Einrichteblätter<br />
Tabelle 5 zeigt, daß diese Investitionsalternativen mit unterschiedlichen Kosten, aber<br />
auch mit verschiedenen Nutzenpotentialen verbunden sind. Eine konventionelle<br />
Hängeregisterablage (A1) ist bezüglich der Anschaffungs- und Unterhaltungskosten<br />
mit Abstand die kostengünstigste Option. Sie kann im Prinzip eine systematische<br />
Erstellung und Verwaltung der Einrichteblätter gewährleisten. Nachteilig hat sich bei<br />
dieser Lösung gezeigt, daß die handschriftlich erstellten Unterlagen oft schlecht les-<br />
bar und unvollständig waren. Zudem verzichteten einige Mitarbeiter wegen des damit
BEWERTUNG 96<br />
verbundenen Aufwandes - ca. 30 - 40 Minuten pro Aufspannung - nicht selten ganz<br />
auf die Erstellung von Einrichteblättern. In Verbindung mit einem Einrichteblattfor-<br />
mular und dem Appell einer konsequenten, gut lesbaren und vollständigen Anferti-<br />
gung von Einrichteblättern könnten diese Schwachpunkte aber ausgeglichen wer-<br />
den.<br />
Eine herkömmliche DV-Unterstützung bei der Erstellung und Archivierung der Ein-<br />
richteblätter (A2) verbessert die Lesbarkeit der Unterlagen gegenüber den hand-<br />
schriftlich erstellten Einrichteblättern in Alternative A1. Darüber hinaus verspricht die<br />
Verwendung von Eingabemasken eine standardisierte und vermutlich auch vollstän-<br />
dige Dokumentation aller relevanten Informationen. Bei großen Datenmengen ge-<br />
währleistet der Rechnereinsatz zudem die Reduzierung des Suchaufwandes bei<br />
Wiederhol- oder Variantenaufträgen. Eine nennenswerte Veränderung des Erstel-<br />
lungsaufwandes ist gegenüber der konventionellen Lösung (A1) allerdings nicht zu<br />
erwarten.<br />
Der Vorteil der Multimedia-Lösung (A3) ergibt sich insbesondere bei komplexen<br />
Spannaufgaben. Hier kann die Kombination aus Text, Sprache und Bildern den Auf-<br />
wand - ca. 10-15 Minuten pro Aufspannung - für das Erstellen der Einrichtblätter er-<br />
heblich reduzieren. Darüber hinaus bietet diese Option qualitativ aussagekräftigere<br />
Dokumente als die beiden anderen Alternativen (A1 und A2).<br />
6.2 Erfahrungswissen<br />
Während der Bearbeitung von Fertigungsaufträgen erwerben die Facharbeiterinnen<br />
und Facharbeiter ein auftragsspezifisches Erfahrungswissen. Dieses Erfahrungswis-<br />
sen wird in den Einrichteblättern dokumentiert. Es werden Hinweise zu den Auf-<br />
spannungen, Werkzeugen, Programmen, zum Vorgehen und besonders zu beach-<br />
tenden Bearbeitungsschritten gegeben. Die anderen Gruppenmitglieder können zu<br />
einem späteren Zeitpunkt von den dokumentierten Erfahrungen partizipieren und sie<br />
in ihrer Dispositionsentscheidung und Bearbeitungsstrategie berücksichtigen. Sowohl<br />
die Erstellung als auch der Zugang zu den tätigkeitsrelevanten Daten ist individuell.<br />
Besondere Anforderungen sind für die Erstellung kollektiv genutzter Unterlagen vor-<br />
handen.<br />
Die Einrichteblattverwaltung als Medium unterstützt den Zugriff und den Transfer<br />
auftragsbezogener technologischer Informationen. Gefördert wird der Informations-<br />
zugang durch die Kooperation zwischen den Facharbeitern.
BEWERTUNG 97<br />
Angesichts des im Unternehmen Seifert vorhandenen hohen Anteils an Wiederhol-<br />
und Variantenteilen erweist sich eine systematische Verwaltung von Einrichteblättern<br />
aus erfahrungsgeleiteten und wirtschaftlichen Gesichtspunkten als notwendig. Zum<br />
einen reduziert die Möglichkeit, bei Wiederholaufträgen auf bereits vorhandene Ein-<br />
richteblätter zurückgreifen zu können, generell die Einrichtezeiten. Eine gut lesbare<br />
und vollständige Dokumentation aller Informationen sowie eine systematische Ver-<br />
waltung vorhandener Einrichteblätter trägt darüber hinaus zur Reduzierung von Ein-<br />
richte- und damit auch Maschinenstillstandszeiten bei. Dies gilt insbesondere für sol-<br />
che Werkstücke, deren Bearbeitung einer komplexen Aufspannung bedarf. In sol-<br />
chen Fällen ist erfahrungsgemäß davon auszugehen, daß der Aufwand für Erstellen<br />
und Wiederfinden der Einrichteblätter geringer ist als das Entwickeln einer prakti-<br />
kablen Lösung.<br />
Der zur textlichen Dokumentation entsprechender Einrichteinformationen ergänzen-<br />
de Einsatz einer Videokamera erwies sich insbesondere bei sehr zeitaufwendigen<br />
und komplexen Spannaufgaben als zweckmäßig. Im Unternehmen ist die quantitati-<br />
ve Bedeutung solcher Spannsituationen allerdings sehr gering. Der Großteil der<br />
Werkstückaufspannungen erfolgt mit Hilfe eines Spannstocks, so daß dies kein Pro-<br />
blem bei der textlichen Dokumentation im Einrichteblatt darstellen. Lediglich 5% aller<br />
Aufträge erfüllen die Bedingungen einer wirtschaftlichen, bildlichen Dokumentation<br />
der Aufspannsituationen, d.h. sehr komplexe Aufspannung und Wiederholteilferti-<br />
gung.<br />
Aufgrund der vorliegenden Erfahrungen und der Bedeutung von Einrichteblättern, in<br />
denen technologische Erfahrungswissen dokumentiert wird, ist auch eine Erstellung<br />
für Aufträge und Dispositionsentscheidungen sinnvoll, die an einer konventionellen<br />
Maschine gefertigt werden.<br />
6.3 Mitarbeiterpartizipation<br />
Die Denkweise und das Verhalten der Facharbeiter, die am Rapid Prototyping Pro-<br />
zeß direkt beteiligt waren, hat sich insofern geändert, daß diese Facharbeiter ein an-<br />
deres Wertgefühl bekommen haben. Durch die Beteiligung haben sie gemerkt, daß<br />
sie genauso wichtig für den betrieblichen Ablauf sind wie Konstrukteure oder Abtei-<br />
lungsleiter. Sie haben festgestellt, daß sie über ein enormes dispositives und techni-<br />
sches Erfahrungswissen verfügen und daß andere Personen aus dem Betrieb dieses<br />
Potential brauchen und anzapfen können. Die Facharbeiter haben durch verbesserte<br />
Organisationsformen, durch ihr einbeziehen in die Organisation der Werkstatt einen<br />
erweiterten Überblick über die Gesamtstruktur des Betriebs erhalten. Durch das
BEWERTUNG 98<br />
Übertragen von dispositiven Aufgaben und planerisches Vorrausdenken ist die Arbeit<br />
für die beteiligten Facharbeiter vielseitiger und interessanter geworden und durch<br />
mehr Verantwortungsübernahme und emotionales Engagement, sowie Rückmel-<br />
dungen aus dem Betrieb an die Facharbeiter konnte das Kostendenken verstärkt<br />
werden. Somit ist das Verständnis für Termindruck und Kundensonderwünsche ge-<br />
wachsen und die gesamte Einstellung zur Arbeit ist positiver geworden.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 99<br />
7 Zusammenfassung und Ausblick<br />
Die Beschreibung der DV-Funktionalitäten des Facharbeiter-Informationssystems<br />
CeAFIS ist Ausgangspunkt für einen Technikentwicklungsprozeß dessen wesentli-<br />
che Anforderungen die Modularität und Offenheit des Gesamtsystems sind und von<br />
jedem Anwender einen schrittweise zu leistenden Aneignungsprozeß fordern, der es<br />
erlaubt, Erfahrungen darüber zu sammeln, wo das Optimum zwischen direkten und<br />
DV-Informationen liegt. Das hier als organisatorisch-technisches Konzept vorge-<br />
stellte CeAFIS hat seinen Nutzen dann unter Beweis gestellt, wenn sich schließlich<br />
neue Arbeitsformen einstellen, die innerhalb einer CIM-Struktur eines Unternehmens<br />
die Bildung und Nutzung von Erfahrungswissen in jedem Fall unterstützen und för-<br />
dern. Wesentlich für erfahrungsgeleitete Arbeit im CIM-Umfeld ist eine kooperative<br />
Zusammenarbeit der verschiedenen Betriebsbereiche, insbesondere auch eine di-<br />
rekte, nicht über Planungshierarchien unterbrochene Kooperation der Beschäftigten<br />
entlang der Wertschöpfungskette. Ebenso wichtig ist die Berücksichtigung auch der<br />
nicht DV-technischen Informationsressourcen. CeAFIS und speziell die Einrichte-<br />
blattverwaltung als ein Modul bieten neue Ansätze auch zu computer supported co-<br />
operative work (siehe CSCW in Abbildung 36) und low cost DV, um nur zwei der<br />
derzeit in der Praxis in Verbindung mit erfolgreichem Computereinsatz diskutierte<br />
Schlagworte zu nennen.<br />
Der probeweise Einsatz des Einrichtemoduls von CeAFIS hat gezeigt, daß die Fach-<br />
arbeiter bei guter Unterstützung durch angepaßte Funktionen, Funktionalitäten und<br />
ansprechenden Benutzungsoberflächen, DV-technische Hilfsmittel in ihre Arbeit ein-<br />
beziehen und nutzen. In kürzester Zeit waren die Facharbeiterinnen und Facharbei-<br />
ter sehr motiviert im Umgang mit dem Einrichteblattmodul, obwohl im Prototyp nicht<br />
alle Anforderungen abgedeckt werden konnten. Noch immer war die Möglichkeit zum<br />
Ausdrucken sehr wichtig. In der Erprobungsphase konnte nicht festgestellt werden,<br />
daß konventionelle, bekannte Informationsmedien durch neue elektronische Medien<br />
vollständig ersetzt wurden. Allerdings hat sich gezeigt, daß sich beide sehr wohl<br />
sinnvoll ergänzen können.<br />
Das Erstellen der Einrichteblätter erfolgt anhand einer Eingabemaske, in der die<br />
meisten wichtigen Punkte erfaßt werden. So werden mit Text Nullpunktlage und
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 100<br />
Spannmittel usw. aufgezeichnet. Auch Besonderheiten kann man so verhaften und<br />
festhalten.<br />
Abbildung 36: Kooperatives Organisationskonzept<br />
Beim Erstellen der Einrichteskizzen gab es die Möglichkeit, in Kopien von Original-<br />
zeichnungen mit farbigen Stiften etwas einzutragen, z.B. wie die Spanneisen liegen<br />
sollen. Dieses Vorgehen war jedoch aufwendig und wurde aus diesem Grunde weg-<br />
gelassen, zumal diese Skizzen nach mehrmaliger Benutzung in ihrer Qualität sehr<br />
litten und man außerdem fest an die Zeichnungsebenen der Konstruktion gebunden<br />
war.<br />
Die zweite Möglichkeit waren von Hand hergestellte Skizzen auf der Rückseite der<br />
Einrichteblätter. Der Zeitaufwand, eine aussagekräftige Skizze zu erstellen, war<br />
hoch. So wurde oft nur eine Skizze angefertigt, obwohl mehrere sinnvoll gewesen<br />
wären. Um diese beiden Möglichkeiten zu erweitern, wurde eine visuelle Aufnah-<br />
memöglichkeit in das Einrichteblatt integriert. Damit ist es möglich, das Rohteil, die<br />
Spannsituation und die Besonderheiten bei der Bearbeitung zu erfassen.<br />
Mit einer Videokamera werden die fertigungstechnisch wichtigen Situationen aufge-<br />
nommen. Die Fertigungsmomente, die dem Facharbeiter wichtig sind, werden an-<br />
schließend ins Einrichteblatt eingebunden. Die Nachbearbeitung dieser Bilder mit<br />
ergänzenden Kommentaren, Nullpunktlagen usw. sind in diesem Modul integriert
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 101<br />
und einfach zu handhaben. Von dieser Möglichkeit wird bei Bedarf rege Gebrauch<br />
gemacht, da der Zeitaufwand, ein Einrichteblatt zu erstellen, relativ gering ist.<br />
Die akustische Ergänzung der Videobilder durch Zusatzinformationen, wurde durch<br />
die Facharbeiter nicht weiter genutzt und bei den Einrichteblättern für die spanende<br />
Bearbeitung als nicht notwendig angesehen.<br />
In einem weiteren Schritt sind die Videoaufnahmen den Mitarbeitern auch für die<br />
Auftrags- und Reihenfolgeplanung zur Verfügung gestellt worden. Anhand der Arti-<br />
kelnummer kann jederzeit das Videobild ausgegeben werden und eine Einordnung<br />
der Aufträge wird so schnell und ohne großen Aufwand ermöglicht. Hier trifft das<br />
Sprichwort zu: Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.<br />
Durch das positive Ergebnis der Einrichteblattverwaltung als Mutlimediaanwendung<br />
im Fertigungsbereich, wurde dieses System auch im Montagebereich versuchsweise<br />
eingesetzt. Dort stellte sich aber sehr rasch heraus, daß mit Momentaufnahmen die<br />
Anforderungen der Montagebereiche nicht ausreichend befriedigt werden können.<br />
Eine Forderung aus diesem Bereich ist es, längere Videoabschnitte speichern und<br />
wiedergeben zu können. Hier wird auch der akustischen Ergänzung von Bildern mit<br />
Ton eine größere Rolle zugeordnet.<br />
Als wichtigstes Ergebnis dieser Diplomarbeit bleibt jedoch festzuhalten, daß in die-<br />
sen Bereichen noch größere Anwendungsgebiete vorhanden sind, die Anforderun-<br />
gen an Hard- und Software aber um einiges höher liegen (Verbesserung der Bild-<br />
qualität, Bereitstellung der Information über Netzwerke und Einbettung in ein umfas-<br />
sendes Werkstattinformationssystem) und zusätzliche Anforderungen an die Mitar-<br />
beiter gestellt werden (richtige Beleuchtung zur Erstellung von Videomaterial, Wei-<br />
tergabe von Fertigungserfahrung an vorgelagerte Bereiche wie AV und Konstrukti-<br />
on).<br />
Nach diesen letztgenannten Punkten kann diese Diplomarbeit nur Ausgangspunkt<br />
für weitere Forschungsaktivitäten in Studien- und Diplomarbeiten sein, die sich mit<br />
der informationstechnischen Umsetzung von Informationsflüssen im CIM-Umfeld<br />
beschäftigen müssen.<br />
Abgeänderte Versionen der Einrichteblattverwaltung sind hier ein Beispiel für die<br />
Anpassung und Umsetzung des Konzeptes an die Bedürfnisse anderer Firmen. Für<br />
die Firma Jung (Abbildung 37) wurde in Nachfolgeprojekten die Einrichteblattver-<br />
waltung auf das Fertigungsverfahren Schleifen, für das Unternehmen Kodak<br />
(Abbildung 38) auf das Fertigungsverfahren Biegen, angepaßt.
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 102<br />
Abbildung 37: Einrichteblätter für das Schleifen bei der Firma Jung<br />
Abbildung 38: Einrichteblätter für das Biegen bei der Firma Kodak
ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK 103<br />
Die unterschiedlichen Oberflächen erfüllen dabei unterschiedliche Informationsauf-<br />
gaben, die darunterliegenden Steuerungs- und Navigationskomponenten sind aller-<br />
dings in allen drei Varianten der Einrichteblattverwaltung gleich.
LITERATURVERZEICHNIS 104<br />
Literaturverzeichnis<br />
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Washington: Asymetrix Corporation, 1989.<br />
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‘Produzieren’ und ‘Prüfen’ in der WOP-Steuerung 2000<br />
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Entwicklung und Programmierung eines Planungsmoduls für ein Inse-<br />
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Stuttgart Universität: Studienarbeit am IAO, 1994.<br />
Konzeption und Implementation des Softwaremoduls ‘Fehler/Diagnose’<br />
in der WOP-Steuerung 2000<br />
Stuttgart Universität: Studienarbeit am IAO, 1992.<br />
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Unterstützung.<br />
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/13/ Rose, H.:<br />
Kassel: 1992, S.57ff.<br />
Konzeption und Implementation des Softwaremoduls ‘Wartung’ in der<br />
WOP-Steuerung 2000<br />
Stuttgart Universität: Studienarbeit am IAO, 1992<br />
Zukunft der Arbeit und die Bedeutung des Erfahrungswissens<br />
In: Erfahrungsgeleitete Arbeit mit CNC-Werkzeugmaschinen und deren<br />
technische Unterstützung.<br />
Kassel: Institut für Arbeitswissenschaft, Hrsg. 1992
LITERATURVERZEICHNIS 106<br />
/14/ Rundel, P.:<br />
Konzept für eine neue CNC-Steuerung.<br />
In: Erfahrungsgeleitete Arbeit in der CNC/CAD-Funktionskette/Hrsg.<br />
von A. Bolte und R. Lehmann.<br />
Kassel: Verlag Institut für Arbeitswissenschaft, 1992, S.59ff.
ANHANG 107<br />
Anhang<br />
A Bucheigenschaften und -skripte<br />
B Hintergrundeigenschaften und -skripte<br />
C Seiteneigenschaften und -skripte<br />
D Objekteigenschaften und -skripte