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Quellenverzeichnis - The Sustainability Forum

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InhaltTeil I: Zusammenfassender wissenschaftlicher Bericht 5Vorwort 7Zusammenfassung 91 Einleitung 132 Veränderungen des Umfelds 213 Massnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Altersvorsorge 334 Prinzipien der Nachhaltigkeitund Governance 475 Gesamtmodell für eine nachhaltige Altersvorsorge 53Teil II: Berichte 55Das St. Galler Existenzsicherungs- und Altersvorsorgemodell (SEA-Modell) 57Was spricht für einKapitaldeckungssystem? 85Wahlfreiheit und Effizienzin der 2. Säule 97Soll das Rentenalter der höheren durchschnittlichen Lebenserwartung angepasstwerden? 113<strong>The</strong>sen zu einernachhaltigen Altersvorsorge 1253


VorwortDas schweizerische 3-Säulen-Konzept der Altersvorsorge hat sich über lange Jahrebewährt. Aufgrund externer und interner Effekte zeigt sich heute aber, dass die währendlanger Zeit versprochenen hohen Renten in der Realität langfristig nicht finanzierbarsind. Die Gründe liegen im wesentlichen darin, dass die Menschen im Durchschnittimmer älter werden und die Kapitalmärkte in den letzten Jahren weniger Erträge abgeworfenhaben als in früheren Jahren. Umfragen zeigen, dass das Vertrauen der Bevölkerungabnimmt. Das ist ein deutliches Zeichen für Handlungsbedarf.Die öffentliche Diskussion ist bereits im Gang. Es gibt kaum <strong>The</strong>men, die nicht diskutiertwerden, allerdings oft auf recht allgemeinem Niveau. Der vorliegende zusammenfassendewissenschaftliche Bericht und die ihm zugrunde liegenden Arbeiten verschiedenerForscherinnen und Forscher an schweizerischen Universitäten analysieren dieVeränderungen des Umfelds im Gesamtzusammenhang und präsentieren Entscheidungsgrundlagenfür Massnahmen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Altersvorsorge.Sie legen dar, dass im Sinne von Sofortmassnahmen einige zentrale Steuergrössenrasch den Veränderungen des Umfelds anzupassen sind. Sie zeigen aber auch auf,dass gleichzeitig eine grössere «Renovation» in die Wege geleitet werden sollte, welcheGrundsatzfragen wie Aufteilung der Säulen, Wahlfreiheit, Querfinanzierungen usw.eingehend überprüft mit dem Ziel, wieder eine solide (finanzielle) Basis für die nächstenJahrzehnte zu schaffen.Auf diesen wissenschaftlichen Grundlagen hat das <strong>Sustainability</strong> <strong>Forum</strong> Zürich einenDialogprozess mit Fachleuten aus der Praxis und über 30 Parlamentarierinnen undParlamentariern aus allen Bundesratsparteien geführt und einen Report mit konkretenVorschlägen für eine umfassende Renovation der Altersvorsorge verfasst. Die Vorschlägesollen den politischen Prozess anstossen und diesem auch eine Richtung geben. DerReport ist ein gutes Beispiel einer fruchtbaren Zusammenarbeit von Wissenschaft undPraxis. Er kann mit beiliegender Karte bestellt werden.Dr. Hans-Peter BurkhardDirektor Center for Corporate Responsibilityand <strong>Sustainability</strong> an der Universität Zürich (CCRS)Zürich, im August 20057


ZusammenfassungDer vorliegende Bericht fasst den heutigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnissezu einigen zentralen Fragen der Altersvorsorge in der Schweiz zusammen. Der Überblickstützt sich auf Arbeitspapiere verschiedener Autorinnen und Autoren, die diesemBericht integral beigefügt sind.Die Arbeiten zeigen folgendes:■■■In der gegenwärtig breit und auf allen Ebenen geführten Diskussion gibt es kaum<strong>The</strong>men, die nicht einbezogen sind. Was fehlt ist eine Struktur, die erlaubt, Einzelthemenim Zusammenhang, entsprechend ihrer Bedeutung und unter Einbezug ihrerSteuerbarkeit einzuordnen.Grundsätzlich scheint das schweizerische System der Altersvorsorge mit einer 1. Säule,welche im Umlageverfahren die Existenz angemessen sichern soll, einer 2. Säule,welche im Kapitaldeckungsverfahren die angemessene Fortführung der gewohntenLebenshaltung gewährleisten soll, und einer freiwilligen 3. Säule (ebenfalls mit Kapital-deckungsverfahren)zweckmässig. Das gemischte System kombiniert die Vorteilebeider Verfahren: die Sicherheit des Umlageverfahrens und die höhere Rendite desKapitaldeckungsverfahrens. Das 3-Säulen-Konzept hat indessen an Klarheit verloren.Es ist faktisch zu einem 5-Säulen-Konzept geworden.Verschiedene Entwicklungen führen dazu, dass die versprochenen Leistungen in derZukunft möglicherweise nicht mehr erbracht werden können:Die demografische Entwicklung: Die Menschen werden heute im Durchschnittälter. Sie müssen immer länger Leistungen aus der Altersvorsorge beziehen. Das istnur dann möglich, wenn die Renten tiefer sind oder wenn mehr Geld eingenommenwird. Weil gleichzeitig das Verhältnis der Zahlenden zu den Empfangendenabnimmt, sinken aber die Einnahmen im Verhältnis zu den Leistungen.Der Kapitalertrag: Die Finanzmärkte bringen heute tiefere Erträge als noch voreinigen Jahren erzielt werden konnten. Für die Finanzierung der versprochenenRentenleistungen fehlten in den letzten Jahren entsprechende Einnahmen.Diese Entwicklungen sind im Wesentlichen exogene Effekte, die nicht beeinflusstwerden können. Sie sind damit einer direkten politischen Entscheidung nicht (oder nurbegrenzt und sehr langfristig) zugänglich. Ihren Verteilungskonsequenzen kann aberent-gegengewirkt werden.Die heutige Altersvorsorge in der Schweiz ist nicht nachhaltig. Die Leistungsversprechender 1. und der 2. Säule sind langfristig nicht gesichert, d.h. die Möglichkeiten künftigerGenera-tionen, ihre Bedürfnisse in gleicher Weise befriedigen zu können, sind zur Zeitnicht gegeben. Das Problem ist gross.9


Unter gleich bleibenden Bedingungen müssten – vereinfachend ausgedrückt – in der1. Säule die Beitragssätze der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber bis in 30 Jahren vonheute je 4,2 % auf je 8,4 % erhöht werden, damit weiterhin rund 75 % des Aufwandes derAHV durch deren Beiträge gedeckt werden. Andernfalls können die Leistungen – ebenfallsvereinfachend ausgedrückt – nur noch halb so hoch sein. Umfragen zeigen zudem,dass das Vertrauen in der Bevölkerung schwindet.Die gewonnenen Erkenntnisse lassen folgende Schlüsse für das weitere Vorgehen zu:1 Im Sinne von Sofortmassnahmen sind einige zentrale Steuerungsgrössen den Veränderungendes Umfeldes anzupassen:a. Bei der 1. Säule, wo einer zunehmenden Zahl von Leistungsempfangenden eineabnehmende Zahl von Zahlenden gegenübersteht, muss die Finanzierung nachhaltiggesichert werden. Dazu sind Ausgaben und Einnahmen im Auge zu behaltenbzw. neu zu regeln:■ Die Leistungen müssen auf die Existenzsicherung gemäss Auftrag der Bundesverfassungbegrenzt bleiben und dürfen nicht weiter ansteigen. Eine zentraleBedeutung kommt dabei der Indexierung zu. Wenn die Rente existenzsicherndfestgelegt ist, muss die Indexierung nur die Inflation abdecken. Angesichts derTatsache, dass die heutige Rentnergeneration ein relativ hohes Einkommen undVermögen hat, ist es vertretbar, dass sie auf die Teilnahme am Produktivitätsfortschrittder jüngeren Generation verzichtet.■ Die Einnahmen müssen zunehmen. Dazu kommen verschiedene Massnahmenin Betracht: Erhöhung des Rentenalters bzw. ein früherer Eintritt ins Erwerbsleben,Erhöhung der Beiträge der Versicherten und der Arbeitgeber sowie deröffentlichen Hand, sowie ergänzend auch Massnahmen im Bereich Migrationund Integration ausländischer Arbeitskräfte sowie Massnahmen zur Verbesserungder Vereinbarkeit von Beruf und Familie.Da es keine Einzelmassnahme gibt, die das Problem löst, wird ein Massnahmenmixin Betracht zu ziehen sein.b. Bei der 2. Säule müssen die Renten aufgrund der höheren Lebenserwartung längerbezahlt werden, während gleichzeitig die Kapitalerträge in den letzten Jahren sehrtief waren (bzw. auch in Zukunft entsprechend den Finanzmarktentwicklungenschwanken). Auch hier sind Ausgaben (Rentenansprüche) und Einnahmen bzw.angespartes Kapital wieder in Übereinstimmung zu bringen:■ Die Leistungen müssen dem angesparten Kapital entsprechen. Der Umwandlungssatzund der technische Zinssatz sowie der Minimalzinssatz sind so festzulegen,dass die Leistungsversprechen langfristig eingehalten werden können.■ Eher theoretisch in Betracht zu ziehen wäre auch, die Beiträge entsprechend zuerhöhen.10


2. Mittelfristig ist das Gesamtmodell zu überprüfen:a. Weil sich das 3-Säulen-Konzept der schweizerischen Altersvorsorge faktisch zueinem 5-Säulen-Konzept entwickelt hat (AHV, Ergänzungsleistungen, BVG-Obligatorium,BVG-Überobligatorium, steuerbegünstigtes Sparen in der 3. Säule), ist dieursprüngliche Klarheit verloren gegangen. Sie muss im Interesse der Effektivitätund der Effizienz wieder geschaffen werden. Sie ist auch Voraussetzung dafür, dassder Komplexitätsgrad der Regulierung reduziert werden kann.b. Zu klären ist in erster Linie, ob die Existenzsicherung gemäss Auftrag der Bundesverfassungmit oder ohne Ergänzungsleistungen gewährleistet werden soll und obzur angemessenen Fortsetzung der gewohnten Lebensweise gemäss Art. 113 derBundesverfassung eine Zweiteilung der beruflichen Altersvorsorge in einen obligatorischenTeil und einen überobligatorischen Teil erforderlich ist.c. Die Überprüfung muss weitere Grundsatzfragen wie eine grössere Entscheidungsfreiheitfür Versicherte (bezüglich Anlageentscheide und Kassenwahl), Verbindungder Vorsorgeeinrichtungen mit dem Arbeitgeber, realistische Szenarien der Arbeitsmigration,Querfinanzierung zwischen AHV, IV und EO, usw. einbeziehen.d. Das von Ackermann/Lang vorgeschlagene Denkschema kann für diese Diskussioneneinen geeigneten Rahmen schaffen. Es kann helfen, konsistente Entscheide zufällen, die unumgänglich sind, wenn nicht Ineffizienzen geschaffen werden sollen.Da diese Entscheidungen noch grundsätzliche Abklärungen erfordern, muss dieserSchritt gleichzeitig mit den Massnahmen gem. Ziff. 2 sofort in die Wege geleitet werden.3. Im Hinblick auf die zu fällenden Entscheide sind teilweise vertiefte Arbeiten unumgänglich.Sie betreffen insbesonderea. die Erhöhung des Rentenalters (bestehende Anreize zur Frühpensionierung,Anreize zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmender, Aufnahmefähigkeit desArbeitsmarktes unter Einbezug der demografischen Entwicklung, quantitativeBeurteilung der zu erwartenden Finanzierungswirkung)b. den früheren Eintritt in die Erwerbstätigkeit (kürzere Ausbildungen auf der Tertiärstufeverbunden mit einer Verstärkung der Weiterbildung während der Erwerbstätigkeit)c. den Umwandlungssatz (Generationen- oder Periodentafel, technischer Zinssatz,Anpassungsdynamik, Transparenz)11


d. den Mindestzinssatz (Notwendigkeit, nominale oder reale Festlegung, Zusammenhangmit der Finanzmarktentwicklung, Anpassungsdynamik, Verwendung erzielterÜberschüsse, Transparenz der Informationen)4. Die grösste Herausforderung ist aber die künftige volkswirtschaftliche Entwicklung.Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich das Problem der nicht gesichertenAltersvorsorge durch höheres Wirtschaftswachstum – d.h. höhere Kapitalerträgebzw. höhere Löhne und damit höhere Beiträge – von selbst löst. Auch wenn die wirtschaftlicheEntwicklung kleiner Volkswirtschaften im Zeitalter globaler Märkte starkvon Entwicklungen im Ausland abhängt, sind in der Schweiz beherzte Massnahmenzur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft unumgänglich.Das ist nur schon nötig, um zu verhindern, dass die Finanzierungslücke noch grösserwird. Gelingt es, wirksame Massnahmen zu treffen, so wird damit auch ein Beitrag zurVerbesserung der Nachhaltigkeit der Altersvorsorge geleistet.Aufgrund ihres langen Anlagehorizonts und der hohen (und wachsenden) Summeinvestierter Mittel kommt den Pensionskassen bei der Förderung einer nachhaltigenEntwicklung eine besondere Rolle zu. Im Sinne eines «socially responisble investment»geht es vor allem um die Förderung von Unternehmen, welche auch künftigArbeit und Einkommen schaffen und sich in der Beanspruchung natürlicher Ressourcenund der Gesellschaft gegenüber so verhalten, dass Chancen für künftige Generationengeschaffen werden und in jedem Fall die Möglichkeiten künftiger Generationennicht gefährdet werden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Nur eine starkeVolkswirtschaft schafft auch in Zukunft die Voraussetzungen dafür, dass Löhne undKapitalerträge erzielt werden, welche die Basis für die Finanzierung der Altersvorsorgesind. Ein solches Investitionsverhalten ist ein gutes Beispiel für Corporate SocialResponsibility: Durch ihren Beitrag zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele schaffendie Pensionskassen die Voraussetzungen für eine bessere Erreichung ihrer eigenen«Unternehmensziele».5. Bei allen weiteren Entscheiden muss den Prinzipien der Nachhaltigkeit ein hohesGewicht beigemessen werden. Wie immer das Konzept der Altersvorsorge in derZukunft ausgestaltet wird, es muss sicherstellen, dass die heutige Generation denKapitalstock nicht schmälert und dass künftige Generationen die gleichen Leistungenerwarten können wie die heutige Generation. Sofortmassnahmen und mittelfristigeMassnahmen sind konsequent auf ihre Wirkung zur (schrittweisen) Verbesserung derNachhaltigkeit zu prüfen. Dazu gehört auch, den künftigen Rentenbezügern klarenWein einzuschenken, was sie erwarten können. Nur auf dem Hintergrund vollständigerInformationen können sie erkennen, ob und wie sie für die finanzielle Sicherungdes Alters mehr Eigenverantwortung übernehmen müssen.12


1 Einleitung1.1 AusgangslageDie schweizerische Altersvorsorge steht zwischen Wunschdenken und Realität – demWunschdenken der während langer Zeit versprochenen hohen Rentenniveaus und derRealität einer nicht gewährleisteten Finanzierbarkeit. Das auf dem 3-Säulen-Konzeptaufgebaute Vorsorgesystem der Schweiz erhält zwar regelmässig gute Noten, gehört esdoch zu den international hoch entwickelten Systemen. Im Ausland hat es bei Revisionenund beim Aufbau von Vorsorgesystemen wiederholt wichtige Impulse gegeben.Veränderungen der exogenen Rahmenbedingungen und innere Fehlentwicklungen, aufdie seit einiger Zeit aufmerksam gemacht wird, stellen die Nachhaltigkeit des Systemsjedoch in Frage. Nach einer Umfrage des Eidgenössischen Finanzdepartements 1 glaubennur noch zwei Drittel der Schweizer an eine langfristig leistungsfähige AHV. Vor allemdie jüngere Erwerbsgeneration ist sehr misstrauisch. Nur 55 Prozent der Befragten glaubtenim Jahr 2000 überdies, dass ihre künftigen Bezüge aus der beruflichen Vorsorge gesichertseien. 2 Es besteht deshalb ein dringender Handlungsbedarf.1.2 Rahmen der UntersuchungIm Rahmen des Projektes «Auf dem Weg zu einem neuen Generationenvertrag in derSchweiz» des TSF (<strong>The</strong> <strong>Sustainability</strong> <strong>Forum</strong>), welches einen breit abgestützten Politikdialogzu den zentralen Problemen der Altersvorsorge lancieren soll, hat das Centerfor Corporate Responsibility and <strong>Sustainability</strong> (CCRS) an der Universität Zürich in einerersten Projektphase ein <strong>The</strong>senpapier verfasst. 3 Ziel jenes Papiers war es, anhand von<strong>The</strong>sen die Diskussion über die langfristige (nachhaltige) Entwicklung der Altersvorsorgein Gang zu bringen. Aufgrund erster Diskussionen wurden ausgewählte <strong>The</strong>senbzw. Fragen vertieft untersucht. Mit diesen wissenschaftlichen Arbeiten hat das CCRSverschiedene Universitätsinstitute betraut:■Das Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen (Prof. Dr. WalterAckermann und Daniel Lang)1http://www.efd.admin.ch/d/dok/medien/medienmitteilungen/2003/07/demoskop.pdf2Emery Cathy, Braucht die Schweiz eine vierte Säule? Eine eigenverantwortliche Altersvorsorge als Must,active-live 2/2000, Seite 523P. Buomberger/J. Hauser/T. Lörtscher (CCRS), Auf dem Weg zu einem neuen Generationenvertrag in derSchweiz (2004)13


■■■Das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Universität Zürich (Dr. Johannes Binswanger)Das wirtschaftswissenschaftliche Zentrum der Universität Basel (Abteilung Finanzmarkttheorie:Prof. Heinz Zimmermann und lic. rer. pol. Gesina Lüthje)Das Institut für Empirische Wirtschaftsforschung der Universität Zürich (Prof. Dr. JosefZweimüller und Dr. Rafael Lalive d’Epinay) .Der vorliegende wissenschaftliche Bericht fasst die Erkenntnisse der Vertiefungspapierezusammen. Er bildet die Grundlage für den (politischen) Schlussbericht.1.3 Das heutige Schweizerische Vorsorgesystem1.3.1 GrundkonzeptDie Grundkonzeption der schweizerischen Altersvorsorge, das 3-Säulen-Konzept, ist inder Bundesverfassung in Art. 111 Abs. 1 festgehalten. Die Renten der Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenversicherung haben den Existenzbedarf angemessen zu decken (Art.112 Abs. 2 Bst. B BV) und zusammen mit der beruflichen Vorsorge die Fortsetzung dergewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise zu ermöglichen (Art. 113 Abs. 2 Bst.a BV). Die Verantwortung dafür, dass das Gesamtsystem nachhaltig ist, d.h. den Zweckdauernd erfüllen kann, obliegt dem Bund (Art. 111 Abs. 2 BV).Art. 111 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge1Der Bund trifft Massnahmen für eine ausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge.Diese beruht auf drei Säulen, nämlich der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge und der Selbstvorsorge.2Der Bund sorgt dafür, dass die eidgenössische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherungsowie die berufliche Vorsorge ihren Zweck dauernd erfüllen können.3Er kann die Kantone verpflichten, Einrichtungen der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen-und Invalidenversicherung sowie der beruflichen Vorsorge von der Steuerpflicht zubefreien und den Versicherten und ihren Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern auf Beiträgenund anwartschaftlichen Ansprüchen Steuererleichterungen zu gewähren.4Er fördert in Zusammenarbeit mit den Kantonen die Selbstvorsorge namentlich durchMassnahmen der Steuer- und Eigentumspolitik.Art. 112 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung1Der Bund erlässt Vorschriften über die Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung.2Er beachtet dabei folgende Grundsätze:a. Die Versicherung ist obligatorisch.14


. Die Renten haben den Existenzbedarf angemessen zu decken.c. Die Höchstrente beträgt maximal das Doppelte der Mindestrente.d. Die Renten werden mindestens der Preisentwicklung angepasst.3Die Versicherung wird finanziert:a. durch Beiträge der Versicherten, wobei die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber für ihreArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die Hälfte der Beiträge bezahlen;b. durch Leistungen des Bundes und, wenn das Gesetz es vorsieht, der Kantone.4Die Leistungen des Bundes und der Kantone betragen zusammen höchstens die Hälfte derAusgaben.5Die Leistungen des Bundes werden in erster Linie aus dem Reinertrag der Tabaksteuer, derSteuer auf gebrannten Wassern und der Abgabe aus dem Betrieb von Spielbanken gedeckt.6Der Bund fördert die Eingliederung Invalider und unterstützt Bestrebungen zugunstenBetagter, Hinterlassener und Invalider. Für diesen Zweck kann er Mittel aus der Alters-,Hinterlassenen- und Invalidenversicherung verwenden.Art. 113 Berufliche Vorsorge1 Der Bund erlässt Vorschriften über die berufliche Vorsorge.2 Er beachtet dabei folgende Grundsätze:a. Die berufliche Vorsorge ermöglicht zusammen mit der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherungdie Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise.b. Die berufliche Vorsorge ist für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer obligatorisch; dasGesetz kann Ausnahmen vorsehen.c. Die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber versichern ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmerbei einer Vorsorgeeinrichtung; soweit erforderlich, ermöglicht ihnen der Bund, dieArbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einer eidgenössischen Vorsorgeeinrichtung zuversichern.d. Selbstständigerwerbende können sich freiwillig bei einer Vorsorgeeinrichtung versichern.e. Für bestimmte Gruppen von Selbstständigerwerbenden kann der Bund die berufliche Vorsorgeallgemein oder für einzelne Risiken obligatorisch erklären.3 Die berufliche Vorsorge wird durch die Beiträge der Versicherten finanziert, wobei dieArbeitgeberinnen und Arbeitgeber mindestens die Hälfte der Beiträge ihrer Arbeitnehmerinnenund Arbeitnehmer bezahlen.4 Vorsorgeeinrichtungen müssen den bundesrechtlichen Mindestanforderungen genügen;der Bund kann für die Lösung besonderer Aufgaben gesamtschweizerische Massnahmenvorsehen.Art. 115 Unterstützung BedürftigerBedürftige werden von ihrem Wohnkanton unterstützt. Der Bund regelt die Ausnahmen undZuständigkeiten.15


zungsleistungen, BVG-Obligatorium, BVG-Überobligatorium, steuerbegünstigtes Sparenin der 3. Säule). Das erschwert die Übersicht und führt zu Ineffizienzen. Die konzeptionelleKlarheit muss im Interesse der Effektivität und der Effizienz wieder geschaffenwerden.1.4 Begriffe1.4.1 GenerationDer Begriff Generation wird in der Forschung in drei unterschiedlichen Zusammenhängenbenützt: a) zur Unterscheidung der Abstammung in Familien (genealogischerGenerationenbegriff), b) als pädagogisch-anthropologische Kategorie zum Verhältniszwischen vermittelnder und aneignender Generation (pädagogischer Generationenbegriff),und c) zur Unterscheidung kollektiver historischer bzw. sozialer Gruppierungen,welche aufgrund gemeinsamen Aufwachsens gemeinsame Interessen oder kulturelleAusrichtungen zeigen (historisch-gesellschaftlicher Generationenbegriff). 4 Im vorliegendenFall steht der letzte Begriff im Vordergrund. Hier umfasst eine Generation einAlterssegment von rund 25 Jahren.1.4.2 GenerationenvertragDer Begriff Generationenvertrag ist kein fester, klar definierter Begriff. Im allgemeinenSinn des Wortes ist darunter eine (explizite oder implizite) Vereinbarung zwischen Menschen,die verschiedenen Generationen angehören, zu verstehen.Im konkreten Kontext der Altersvorsorge wird der Begriff Generationenvertrag allgemeinso verstanden, dass im Rahmen der Rechtsordnung explizit «vereinbart» ist, dassdie Renten der heutigen Rentnergeneration unmittelbar durch die Einzahlungen derheute arbeitenden Generation finanziert werden. Mit dieser Leistung erwirbt sich letztere(implizit) den Anspruch, bei Eintritt ins Rentenalter von der dannzumaligen arbeitendenGeneration ihrerseits eine Altersrente finanziert zu bekommen.Im heutigen schweizerischen Vorsorgesystem trifft ein solcher Begriff eines Generationenvertragesnur auf die 1. Säule zu. In der 2. und 3. Säule sorgt grundsätzlich jedePerson für sich selber vor, indem sie ihren künftigen Konsum durch heutigen Konsum-4Jean-Pierre Fragnière/François Höpflinger/ Valérie Hugentobler, INAG-Glossar rund um Generationenfragen(http://www.mypage.bluewin.ch/hoepf/fhtop/fhgenerat1B.html)17


verzicht finanziert und entsprechende Vermögenswerte mit zukünftigem Kapitaleinkommenerwirbt. Die 2. Säule enthält allerdings auch versicherungsmässig konzipierteElemente (Tod, Invalidität, Langlebigkeit), die auf Solidarität aufbauen und Umlagecharakteraufweisen.1.4.3 NachhaltigkeitNachhaltig im umfassenden Sinne der Brundtland-Definition ist eine Entwicklung dann,wenn sie «den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeitenkünftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen». ImMittelpunkt dieses Konzeptes steht also die zeitliche Dimension, allerdings in einer nichtindividualistischen Perspektive sondern unter Berücksichtigung der Solidarität zwischenden Generationen – auch derjenigen, die heute noch nicht geboren sind. 5 Nach einersolchen generationenübergreifenden Optik dürfen Massnahmen, Konzepte oder Strategiennicht allein anhand der Kosten und des Nutzens beurteilt werden, die im laufendenQuartal, im laufenden Jahr oder im Leben der gegenwärtigen Generation eintreten bzw.– in einer ökonomischen Betrachtungsweise – danach, ob im entsprechenden Zeitabschnittein möglichst grosser «return on investments» anfällt. Massnahmen, Konzepteund Strategien sind nur dann vollständig beurteilt, wenn sichergestellt ist, dass künftigenGenerationen keine finanzielle Schulden, gesellschaftlichen Probleme, fehlendennatürliche Ressourcen usw. überwälzt werden, d.h. deren pro-Kopf-Ressourcen ausproduziertem, natürlichem und sozialem Kapital wenigstens so gross sind wie der pro-Kopf-Stock heutiger Generationen.Mit der Umschreibung «künftige Generationen» kommt eine Optik zum Tragen, die imeigentlichen Sinn auf Dauer ausgerichtet ist. Die Brundtland-Definition ist damit konzeptuellsehr ähnlich zu den engeren wachstumstheoretischen Definitionen, die vonbekannten Ökonomen wie M. Weizmann oder R. Sokow ausgearbeitet worden sind. Einenachhaltige Entwicklung im Sokowschen Sinn belässt den produzierten Kapitalstockpro Kopf einer Gesellschaft unverändert. Der dem Brundtland-Konzept unterliegendebreitere volkswirt-schaftliche Kapitalstock, bestehend aus dem Human- und Realkapitalsowie dem sozialen, politischen und ökologischen Kapital, ist deshalb von Interesse,weil er die umfassendste Grundlage für die zukünftige Erwirtschaftung von Einkommenbildet. 65Buomberger/Hauser/Lörtscher, a.a.O.6Buomberger/Hauser/Lörtscher, a.a.O.18


1.4.4 Existenzbedarf 7Der Existenzbedarf kann in der Schweiz heute anhand verschiedener Richtlinien beurteiltwerden, welche allerdings nicht direkt auf die Situation im Alter ausgerichtetsind. Der wichtigste Anhaltspunkt ergibt sich aus den Richtlinien der SchweizerischenKonferenz für Sozialhilfe (SKOS-Richtlinien). Diese sind Empfehlungen, die Spielraum fürangepasste, einzelfall- und bedürfnisgerechte Lösungen offen lassen, die aber auch alsReferenz für die Rechtsprechung dienen. 8 Die SKOS-Richtlinien sehen staatliche Hilfedurch eine «Materielle Grundsicherung» sowie u.U. durch zusätzliche «situationsbedingteLeistungen» vor. Den unterstützten Personen soll ein Lebensstandard ermöglichtwerden, der «über dem absoluten Existenzminimum» liegt und der berücksichtigt, dassin einem Wohlfahrtsstaat auch eine minimale soziale Integration der Betroffenen zurExistenzsicherung gehört. Ausgehend von diesen Richtlinien errechnet das Bundesamtfür Statistik in seinem Bericht zu den «Working Poor in der Schweiz» einen Existenzbedarf(Armutsgrenze) von Fr. 2‘450.- für einen Einpersonenhaushalt (inkl. Miete undKrankenversicherungsprämien). 9Für gesunde alte Menschen dürfte der Wert ähnlich hoch liegen. Zu berücksichtigen ist,dass ältere Menschen in der Regel nur noch für sich selbst und allenfalls den eigenenLebenspartner sorgen müssen. Solange sie gesund bleiben, ist für die meisten das Altermit der 1., 2. und 3. Säule relativ gut gesichert. Rund 12 % der Personen mit einer AHV-Altersrente sind allerdings auf Ergänzungsleistungen angewiesen. 10Der für die Sicherung der Existenz erforderliche Finanzbedarf älterer Menschen verändertsich allerdings (ev. schlagartig) im Krankheitsfall und insbesondere bei Eintritteiner starken Pflegebedürftigkeit. Dann werden die effektiv anfallenden Kosten zuAufwendungen für die Existenzsicherung. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat diedurchschnittlichen verrechneten Kosten in Heimen mit Fr. 3‘000 bis 10‘000 (DurchschnittFr. 5‘300) ermittelt. 11 Die Problematik der Langzeitpflege ist im Auge zu behalten. Damit einer allgemeinen Regelung des Existenzbedarfs in der Altersvorsorge kaum einezweckmässige Lösung für den Fall der Pflegebedürftigkeit zu finden sein wird, mussdiese Frage jedoch separat angegangen und gelöst werden.7Das Institut für Versicherungswirtschaft der Universität St. Gallen untersucht zurzeit die Frage der Existenzsicherunggenerell. Dabei wird davon ausgegangen, dass der Generationenvertrag langfristig nur gehaltenwerden kann, wenn auch die Existenz der erwerbstätigen und jüngeren Generationen gesichert ist bzw.bleibt.8Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS), Richtlinien für die Ausgestaltung und Bemessung derSozialhilfe, April 2005 (www.skos.ch)9Bundesamt für Statistik, Working Poor in der Schweiz, Neuchâtel 2004, S. 4.10Portmann Urs, 1.6 Milliarden Ergänzungsleistungen für Menschen im Heim; in: Soziale Sicherheit 3/2005.S. 159 ff.11Portmann, Urs: a.a.O. S. 159 ff.19


2 Veränderungen des UmfeldsSeit der Schaffung des Schweizerischen Altersvorsorge-Konzeptes hat sich vieles verändert.Wir beobachten auf der einen Seite generelle Entwicklungen, welche durch politökonomischeEingriffe insbesondere von einzelnen Nationalstaaten nicht (oder praktischnicht) beeinflusst werden können. Sie werden als exogene Faktoren bezeichnet.Dazu gehören demografische Veränderungen sowie länderübergreifende Entwicklungender Finanzmärkte. Andere Veränderungen sind die Folge von politischen Entscheidungen.Sie können auch künftig politisch gelenkt werden und beeinflussen dieAltersvorsorge massgeblich. Solche Faktoren sind der relative Wohlstand der heutigenRentnergeneration oder der Zeitpunkt des Rückzugs aus der Erwerbstätigkeit. Dasgeringe reale Wirtschaftswachstum der Schweiz ist nur teilweise ein exogener Faktor. Eskann durch politische Massnahmen beeinflusst werden.2.1 Die demografische Entwicklung: Die Menschen werden immer älter 12Die demographische Alterung der Bevölkerung ist die Folge von zwei Trends: dieLebenserwartung wird kontinuierlich höher und die Geburtenraten sinken. Im Zeitraumzwischen 1876 und 1999 hat sich die Lebenserwartung für Männer und Frauen in derSchweiz etwa verdoppelt. Seit den kinderreichen Nachkriegsjahren ist die durchschnittlicheKinderzahl je Frau in der Schweiz von 2,7 (1964) auf 1,37 Kinder (2003) gesunken.Seit 1950 hat sich die Anzahl der über 65-Jährigen mehr als verdoppelt. Der Altersquotient,d.h. das Verhältnis zwischen Personen im Ruhestand (65+ Jahre) und Personenim erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre), ist von 20% im Jahr 1970 auf 25,2% im Jahr 2001angestiegen. Mit anderen Worten: Die Anzahl erwerbsfähiger Personen pro Person imRentenalter ist in dieser Zeit von 5 auf knapp 4 gesunken.Die demographische Alterung der Bevölkerung wird sich aufgrund einer weiterenErhöhung der Lebenserwartung und der kommenden Pensionierung der Babyboomerweiter fortsetzen. Es ist mit einer Zunahme der Altersgruppe der über 65-Jährigen bis insJahr 2060 zwischen 50% auf 1,7 Millionen Personen (Altersquotient 45%) 13 und 100% auf2.2 Millionen Personen (Altersquotient 50%) 14 zu rechnen. Damit fallen in 30 Jahren nochetwa zwei Erwerbstätige auf eine Person im Rentenalter.12Zimmermann/Lüthje, a.a.O13Bundesamtes für Statistik (BFS), Bevölkerungsentwicklung, Trendszenario14Avenir Suisse, «Alterung und Immigration» (Szenario W)21


Abbildung 1: Alterspyramide 1990, 2000 und Prognose bis 2060 (in 1000)Quelle: Bundesamt für Statistik, Avenir Suisse (Rainer Münz und Ralf Ulrich)Abbildung 2: Anteil der 65-Jährigen oder Älteren in ProzentQuelle: Bundesamt für StatistikDie Alterung der Bevölkerung wirkt sich sehr stark auf die Altersvorsorge aus. Wenn– etwas vereinfachend ausgedrückt – bei der 1. Säule alle Voraussetzung gleich bliebenwie 2004 (Höhe der Leistungen, beitragspflichtige Löhne, Höhe der Beiträge der öffentlichenHand) müssten die Beitragssätze der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber von heuteje 4,2 % auf je 8,4 % erhöht werden, damit weiterhin rund 75 % des Aufwandes der AHVdurch Beiträge gedeckt werden. Andernfalls können die Leistungen – ebenfalls vereinfachendausgedrückt – nur noch halb so hoch sein.22


2.2 Die Erträge des angesparten Vorsorgevermögens waren in denletzten Jahren rückläufigDie Schwankungen der internationalen Finanzmärkte haben in den letzten Jahrendeutlich vor Augen geführt, wie stark die Leistungen der beruflichen Vorsorge von derFinanzmarktentwicklung abhängig sind. Die durchschnittlichen Anlagerenditen schwankenim Verlaufe der Jahre insbesondere bei mit höheren Risiken behafteten Anlageformenstark (vgl. Abbildung 3). Im Trend waren die nominellen (und die realen) Erträgein den letzten Jahren – d.h. insbesondere in den Jahren 2001 bis 2003 – rückläufig. Dasführte im Bezug zu den Leistungsversprechen zu ungenügenden Kapitalerträgen.Abbildung 3: Durchschnittliche Jahresrenditen unterschiedlicher AnlageformenVon Interesse ist letztlich die aus den beschriebenen Schwankungen resultierendeGesamtwirkung. Abbildung 4 zeigt, dass der Wertzuwachs der Schweizer Aktien übereine lange Zeitdauer recht konstant ist, obwohl immer wieder Kurseinbrüche23


Abbildung 4: Entwicklung der Kurse und grosse Kurseinbrüche von Schweizer Aktien seit Ende 1925(Quelle: Karsten Döhnert, IFZ Institut für Finanzdienstleistungen Zug)Prinzipielle ökonomische Gründe lassen erwarten, dass die realen Renditen in eineralternden Gesellschaft eher rückläufig sind. Begründet ist das durch die zu erwartendeZunahme des Kapitalstocks pro Arbeitskraft (schrumpfende Erwerbsbevölkerung beikonstantem oder wachsendem Kapitalstock). Knapp wird die Arbeitskraft, so dasszu erwarten ist, dass die Löhne steigen. Kapital ist demgegenüber eher ausreichendvorhanden, wodurch zu erwarten ist, dass die reale Kapitalrendite sinkt. In begrenztemAusmass ausgewichen werden kann mit Kapitalanlagen in aufstrebende Volkswirtschaftenmit hoher Dotierung an Arbeitskraft (China, Indien).24


2.3 Wirtschaft und Löhne sind kaum gewachsenDie Schweiz nimmt (auch im Vergleich mit den Ländern der OECD) bezüglich Wirtschaftsentwicklungkeinen Spitzenplatz ein. Seit 1974 fällt ihr Wachstum gegenüberjenem der OECD ab. In den 90er Jahren vermochte die Schweiz als einziges OECD-Landdas reale BIP pro Kopf über das ganze Jahrzehnt nicht zu steigern. 15Abbildung 5: Wirtschaftsentwicklung Schweiz 1950 – 2003 1)Veränderungen in % gegenüber dem Vorjahr (Quelle: Bundesamt für StatistikLetztlich können nur so viele Güter und Dienstleistungen verteilt werden, wie produziertwerden. Dies ist nicht nur für Vorsorgesysteme relevant, die auf dem Umlageverfahrenbasieren. Auch beim Kapitaldeckungsverfahren können die Kaufkraft des angespartenKapitals und die Renten nur real gesichert werden, wenn genügend produziert wird. Beischrumpfender Erwerbsbevölkerung kann nur ein wachsender oder günstiger angelegterKapitalstock das Volkseinkommen konstant halten. Aus diesem werden letztlich alleLöhne und Kapitalerträge und somit alle Rentenquellen gespiesen.15Wachstumsbericht des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartements (2002).25


Abbildung 6: Entwicklung der Nominallöhne, der Konsumentenpreise und der Reallöhne, 1990 - 2003Veränderungen in % gegenüber dem Vorjahr (Quelle: Bundesamt für Statistik)2.4 Viele Erwerbstätige gehen vorzeitig in PensionIn allen hoch entwickelten Gesellschaften steigt die Erwerbsquote nach den Jahren derAusbildung an und nimmt nach dem Höchststand in den Altersgruppen 35 bis 55 Jahreim Alter wieder ab. Dieser Prozess beginnt bei Männern und noch ausgeprägter beiFrauen schon vor dem gesetzlichen Rentenalter. Die Erwerbstätigkeit älterer Personenwird durch Frühpensionsoptionen meist deutlich gesenkt 16 . Im Alter von 64 arbeitetheute nur noch die Hälfte der erwerbstätig gewesenen Männer. Gleichzeitig ist aberauch Altersarbeit in einem gewissen Umfang Realität. Unter Einbezug der Teilzeitarbeitsind bei den 62- bis 75-Jährigen ein Sechstel der Männer und fast ein Zehntel der Frauenüber das Pensionierungsalter hinaus noch erwerbstätig 17 .Ältere Arbeitnehmer haben indessen oft geringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, vorallem wenn Lohnvorstellungen und Produktivität auseinanderklaffen. Weil die demographischeEntwicklung auch zu einem Rückgang der Erwerbsbevölkerung führt, könntedie Nachfrage nach älteren Arbeitskräften allerdings in Zukunft wieder steigen.16Lalive d’Epinay/Zweimüller, a.a.O.17Zimmermann/Lüthje, a.a.O.26


der Pensionierung tiefer ist als bei den 30 – 34-jährigen 18 . Das Einkommen stammt zugrossen Teilen aus dem Ertrag des angesparten Vermögens. Die Haushalte der über64-Jährigen weisen denn auch ein markant höheres Vermögen aus als die jüngeren. Die21 Prozent der über 65-jährigen Steuerpflichtigen versteuerten im Jahr 1999 zusammenmehr als die Hälfte (52%) des Vermögens im Kanton Zürich.Abbildung 8: Altersklassen und Einkommensverteilung der Ein- und Mehrpersonenhaushalte 1999 imKanton ZürichSteuerbares Einkommen (in 1000 Fr., Quelle: Statistisches Amt des Kantons Zürich)18Statistisches Amt des Kantons Zürich, Alter, Einkommen und Vermögen, Eine Analyse der Zürcher Steuerstatistik1999, statistik-info 23/200228


2.6 Innere Mängel des SystemsIm Verlaufe der Zeit sind Entwicklungen eingetreten, die von Buomberger/Hauser/Lörtscher19 als Fehlentwicklungen bezeichnet werden. Die Autoren nennen drei solcheEntwicklungen:■■■Die hohe Komplexität der Regulierung: Das gesetzliche Regelwerk umfasst heuteeine fast unüberschaubare Fülle von 25 Verordnungen und Reglementen mit über400 Artikeln. Das hemmt die Transparenz, die Kostengünstigkeit und die Effizienz desSystems.Ein Mangel ist die zunehmende Querfinanzierung zwischen AHV, IV und EO. DerVerlust der IV wird faktisch (ohne gesetzliche Grundlage) durch den AHV-Ausgleichsfondsgedeckt. Auch in der 2. Säule ist der relative Anteil der für die Deckung desInvaliditätsrisikos erforderlichen Prämie an den Gesamtbeiträgen der beruflichenVorsorge stetig angestiegen.Die Transparenz und die Governance Strukturen der Pensionskassen sind vor allem imZusammenhang mit der Handhabung der in den 90er Jahren erzielten Überschüssezum <strong>The</strong>ma geworden.19a.a.O.30


ErkenntnisseAlle diese Veränderungen beeinflussen die Nachhaltigkeit der Altersvorsorge. DieFinanzierung der Renten in heutiger Höhe ist längerfristig nicht gesichert:■■■Die zunehmende Alterung der Bevölkerung führt dazu, dass Renten länger als vorgesehenbezahlt werden müssen. Gleichzeitig nimmt das Verhältnis der Beitragszahlenden(Erwerbstätige) zu den Beitragsempfangenden (Rentner) ab.Die hohe Volatilität der Finanzmärkte führt zu schwankenden Renditen desangesparten Kapitals. Während den vergangenen Jahren lagen diese (auch real)wesentlich unter früheren Renditen. Als Folge unzweckmässig festgelegter Zinssätze(Mindestzinssatz, und ähnlich auch technischer Zinssatz) sind Leistungsversprechenentstanden, die mit der erzielbaren Performance nicht finanziert werdenkonnten. Das trifft zu, auch wenn in den Börsenboom-Jahren ein gegenteiligerEffekt (über dem Mindestzins liegende Performance) festzustellen war.Es kann aus heutiger Sicht nicht davon ausgegangen werden, dass die Finanzierungsproblemeder Altersvorsorge sich durch starkes Wirtschaftswachstum (wiez.B. in der Hochkonjunktur der 60er-Jahre) – d.h. durch entsprechende höhereKapitalerträge und/oder höhere Löhne und damit höhere Beiträge – selbst lösen.Bei der Suche nach Lösungen zur Verbesserung der Nachhaltigkeit der Altersvorsorgesind folgende Tatsachen zu beachten:■■Viele Personen scheiden heute vorzeitig aus der Erwerbsarbeit aus – freiwilligaufgrund finanzieller Anreize oder unfreiwillig durch Kündigung.Die heutige Rentnergeneration verfügt im Durchschnitt über ein recht hohesEinkommen und Vermögen.31


3 Massnahmen zur Verbesserung derNachhaltigkeit der AltersvorsorgeDie beschriebenen Veränderungen machen es nötig, dass Massnahmen zur Verbesserungder Situation diskutiert und beschlossen werden. Im Wesentlichen geht es dabeium folgendes:■Bei der 1. Säule muss die Summe der zufliessenden Mittel im Gleichgewicht mit denAufwendungen (v.a. den Renten) sein. Das muss ausgabenseitig und/oder einnahmenseitiggesteuert werden.Ausgabenseitig geht es darum, die Rentenhöhe konsequent auf das Ziel der Existenzsicherungauszurichten. Dazu gehört auch eine auf die Teuerung beschränkte Indexierung).Ausgaben- und einnahmenseitig wirksam ist Erhöhung des Rentenalters: Sieverlängert die Dauer der Beitragszahlungen und verkürzt die Dauer des Rentenbezugs.Einnahmenseitig kann schliesslich das Verhältnis zwischen Beitragszahlendenund Rentenberechtigten beeinflusst werden. Die Möglichkeiten der 1. Säule sindallerdings beschränkt. Neben der Erhöhung des Rentenalters kann der Zeitpunktder Erwerbsaufnahme nach der Ausbildung vorgezogen werden (Verkürzung derErstausbildung). Beeinflusst werden kann das Verhältnis aber auch durch Massnahmender Familienpolitik (u.a. zur Förderung einer besseren Vereinbarkeit von Berufund Familie), durch die Gestaltung der Arbeitswelt (früherer Eintritt ins Erwerbsleben,Flexibilisierung des Altersrücktritts und Förderung von Altersarbeit, Weiterbildungbzw. Umschulung zur Erhaltung der Arbeitsfähigkeit usw.) sowie durch Massnahmenim Bereich der Migration und Integration zugewanderter Arbeitskräfte und derenFamilien. Diese Massnahmen wurden in der vorliegenden Arbeit allerdings nichtvertieft untersucht.Werden Massnahmen nicht rechtzeitig und in genügendem Umfang getroffen odergreifen sie nicht, so bleibt letztlich nur eine Erhöhung der Einnahmen, d.h. der Beiträgeder Versicherten und der Arbeitgeber und der Beiträge der öffentlichen Hand.Erstere belasten die aktive Generation bzw. die Arbeit. Sie beeinträchtigen damitdie Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Wirtschaft, so dass höchstens ein geringerSpielraum besteht. Bei der Finanzierung über Beiträge der öffentlichen Hand trägt dieRentnergeneration mit. Allerdings ist auch der Spielraum für Steuererhöhungen klein.■Bei der 2. Säule sind ausgabenseitig die der künftigen Leistung zugrunde liegendenBerechnungsgrundlagen anzupassen: Der Mindestzinssatz und der Umwandlungssatz.<strong>The</strong>oretisch denkbar ist auch eine Erhöhung der Beiträge, wofür aber aus gleichenGründen wie bei der 1. Säule kaum Spielraum besteht. Die Kernfrage ist, wie einMindestzinssatz festgelegt werden muss, dass er die Möglichkeiten der Finanzmärkterealistisch abbildet.33


Die folgenden Abschnitte sollen mit den unterliegenden wissenschaftlichen BeiträgenGrundlagen für Entscheide liefern. Sie konzentrieren sich auf «Hauptmassnahmen» unddecken das Spektrum möglicher Massnahmen nicht vollständig ab.3.1 Grundsatzfrage: Umlage- oder KapitaldeckungsverfahrenBinswanger 20 stellt die beiden Systeme der Altersvorsorge, das Umlagesystem und dasKapitaldeckungssystem, einander gegenüber. Er zeigt auf, dass bei einem Kapitaldeckungssystemmit sehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Rendite von mindestens 1.8% proJahr (inflationsbereinigt) erreicht wird 21 . Diese liegt wesentlich über der impliziten Renditeeines Umlagesystems von 0.7 %. Bei einer Einzahlung über 30 Jahre fallen dadurchpro einbezahlte 1‘000 Franken zusätzliche 480 Franken an. In Wirklichkeit wird dieRendite von 1.8% beim Kapitaldeckungsverfahren mit einer relativ hohen Wahrscheinlichkeitüberschritten.Ein Nachteil des Kapitaldeckungssystems besteht darin, dass Kapitalmarktrenditenauch einmal sehr tief sein können. Über das Kapitaldeckungssystem finanzierte Rentensind deshalb anfälliger gegenüber wirtschaftlichen Krisen. Dies kann man leicht darausersehen, dass es historisch in den Industrieländern seit der Einführung entwickelterFinanzmärkte zwar einige grössere Börsenzusammenbrüche gegeben hat, jedoch kaumähnlich dramatische Lohneinbrüche. Ebenso haben demographische «Krisen» kurzfristignie das Ausmass von Finanzmarktkrisen. Im Kapitaldeckungsverfahren besteht somitein zumindest leicht erhöhtes Risiko, dass eine Generation einmal eine Rente erhält, dieunter dem Existenzminimum liegt. Da die Höhe der Renten in einem Umlagesystemdurch Demographie und Lohnentwicklung bestimmt ist, folgt, dass die Renten einesUmlagesystems eine grössere Sicherheit gewähren. 22 Binswanger kommt zum Schluss,dass ein Umlagesystem durch seine hohe Sicherheit für die Absicherung eines Existenzminimumsin Krisensituationen besser geeignet ist. Die Höhe der Abgabesätze macht esaber unattraktiv für die Finanzierung von Renten, die über das Existenzminimum liegen.20Binswanger, a.a.O. (Kapitaldeckungssystem)21Es ist eine offene Frage, inwiefern durch die demographische Entwicklung auch die Kapitalmarktrenditenunter Druck geraten werden. Verschiedene Studien legen den Schluss nahe, dass die demographischenEinflüsse auf die Kapitalmarktrenditen relativ gering sind.22<strong>The</strong>oretisch wäre eine sichere Rente auch über den Kapitalmarkt realisierbar. Dies würde jedoch dieEinführung von inflationsgeschützten Obligationen bedingen. Obwohl solche Obligationsanlagen praktischnur Vorteile aufweisen gegenüber traditionellen Obligationstiteln, wurden sie nur in sehr wenigenLändern eingeführt. In der Schweiz sind keine solchen Papiere erhältlich.34


Zimmermann/Lüthje 23 weisen darauf hin, dass das Umlageverfahren zur Durchsetzungdes Generationenvertrages auf staatliche Institutionen angewiesen ist, diese staatlichenInstitutionen die Einhaltung des Generationenvertrags allerdings nicht garantierenkönnen, da er auf unterschiedliche Weisen entkräftet werden könnte. In einer Gesellschaft,in der die demokratische Macht bei den Rentnern konzentriert ist, könnten dieJungen versucht sein, die Last der Rentenansprüche durch Inflation zu entwerten 24 . DesWeiteren könnte der Vertrag ausdrücklich gekündigt oder aber durch Verschuldung 25unterlaufen werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Abkehr vom Generationenvertragsteigt umso mehr, je weniger die junge Generation glaubt, einmal selber von Rentenauszahlungenprofitieren zu können. Zimmermann/Lüthje kommen aber zum gleichenSchluss wie Binswanger: Aufgrund der breiteren internationalen Risikoallokationseffektebeurteilen sie das Kapitaldeckungsverfahren ökonomisch effizienter. Wenn aber derFokus auf die Einkommenssicherung als erstrebenswertes Ziel der Vorsorge gerichtetwird, erachten sie ein Umlageverfahren als nahe liegend.Binswanger weist schliesslich darauf hin, dass unabhängig davon, ob zusätzliche Ersparnissefür die Finanzierung eines bequemen Lebensstandards im Alter über die 2. Säuleoder freiwillig (3. Säule) erfolgen, solche Ersparnisse auch zu einem höheren volkswirtschaftlichenKapitalstock und daher zu einer höheren Produktionskapazität führen.Sie ermöglichen die Produktion eines grösseren Sozialproduktes und erlauben so, den«Kuchen» grösser zu machen.3.2 Erhöhung des Rentenalters (zur Finanzierung der 1. Säule)Die Erhöhung des Rentenalters ermöglicht die Ausdehnung der Beitragszahlenden beigleichzeitiger Reduktion der Anzahl Rentenberechtigter. Dadurch können gleichzeitigdie Einnahmen erhöht und die Ausgaben gesenkt werden. Offensichtlich ist, dass dieblosse gesetzliche Erhöhung des Rentenalters nicht zwingend zu einer Erhöhung derErwerbstätigkeit der entsprechenden Personen führt. Neben individuellen Präferenzenspielen auch ökonomische Anreize zur Frühpensionierung bei der 1. und der 2. Säuleeine wesentliche Rolle.23a.a.O.24Das ist nicht möglich bei der 1. Säule, bei welcher die Teuerung ausgeglichen wird. Bei der 2. Säule istgemäss Swissca-Umfrage 2004 eine vollständige Teuerungsanpassung der Renten heute nur bei 16 % derKassen im Reglement vorgesehen.25Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Ponzi-Effekt, wenn die Renten durch fortgesetzte Verschuldungfinanziert werden. Die Folgen der Verschuldung bleiben lange unerkannt – bis der Schuldendienstden Staatshaushalt aus dem Gleichgewicht bringt.35


Zimmermann/Lüthje 26 zeigen auf, dass unter Einbezug der Teilzeitarbeit heute schonein Sechstel der 65- bis 75-jährigen Männer noch erwerbstätig ist, bei den Frauen fastein Zehntel der 62- bis 75-Jährigen. Trotzdem ist auch in der Schweiz noch ein beträchtlichesPotential an Arbeitswilligen vorhanden. Umfragen 27 zeigen, dass etwa 120’000nichterwerbstätige Personen zwischen 53 bzw. 55 und 75 gerne wieder arbeiten würden.Der Ge-sundheitszustand ist kein Hindernis für Altersarbeit, denn 70% der Frauen und80% der Männer im Rentenalter bezeichnen ihren Gesundheitszustand als gut oder sehrgut. Auch 80% der Männer und fast alle Frauen, die sich frühpensionieren lassen, habeneinen subjektiv guten Gesundheitszustand (gesund oder sehr gesund). Auch die finanzielleSituation hat praktisch keinen Einfluss auf die Erwerbstätigkeit oder die Bereitschaftdazu. Hingegen zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen Bildung und Altersarbeit:Bei weniger qualifizierten Personen ist die Bereitschaft zur Altersarbeit wesentlichtiefer als bei gut ausgebildeten. Vor allem bei Frauen gilt, je höher die Ausbildung destolänger arbeiten sie. Bei Männern ist dieser Zusammenhang nicht so deutlich. Auch dieSelbständigkeit oder aber die Anstellung in kleinen Firmen verlängert das Erwerbslebenbei Männern und Frauen. Einen Einfluss hat auch die Ausgestaltung der beruflichenAltersvorsorge. Beim Beitragsprimat sind die Beiträge bis zuletzt rentenbildend. DasAlterskapital erhöht sich am stärksten in den letzten Jahren vor dem ordentlichen Pensionierungsalter.In dieser Phase werden meist auch die höchsten Einkommen sowie diehöchsten Zinserträge auf dem angesparten Alterskapital erzielt, so dass Frühpensionierungenzu erheblichen Leistungskürzungen führen.Eine zentrale Frage ist, ob die Arbeitsleistung älterer Erwerbstätiger auf dem Arbeitsmarktüberhaupt ausreichend nachgefragt ist. Lalive d’Epinay/Zweimüller 28 zeigen auf,dass die Entscheidung von Firmen über die Einstellung von älteren Arbeitnehmernvon Überlegungen geprägt ist, die weitgehend unabhängig von der Höhe des Pensionsalterssind, und dass durch eine Erhöhung des Pensionsalters die Arbeitsmarktpositionvon älteren Arbeitnehmern kaum verbessert würde. Ältere Arbeitnehmer habengeringere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, weil oft Lohn und Produktivität für beschäftigteältere Arbeitnehmer und Lohnaspirationen und Produktivität für arbeitslose ältereArbeitnehmer auseinanderklaffen. Die derzeitige Regelung, derzufolge die Beitragssätzefür die berufliche Vorsorge mit dem Alter steigen (heute bei 25- bis 34-Jährigen 7%; bei55- bis 65-Jährigen 18%) und für die über 55-Jährigen die höchsten Arbeitgeberbeiträgegeschuldet werden, verstärkt den Unterschied zwischen Produktivität und Lohn nochzusätzlich. Eine Erhöhung des Pensionsalters kann das Beschäftigungsproblem ältererArbeitnehmer sogar verschärfen. Obwohl in der Schweiz ältere Personen überdurchschnittlicherwerbstätig sind, zeigen empirische Untersuchungen, dass die Chance,26a.a.O.27Zusammenfassend dargestellt in Widmer Rolf, Sousa-Ponza Alfonso, Verbreitung und Potential der Altersteilzeitarbeit(Studie von Avenir Suisse), Februar 200328Lalive d’Epinay/Zweimüller, a.a.O.36


im Falle der Arbeitslosigkeit wieder einen Job zu bekommen erheblich geringer ist alsfür Jüngere 29 . Wenn aber die Nachfrage der Unternehmen nach älteren Arbeitskräftenfehle, so wenden Lalive d’Epinay/Zweimüller ein, führe eine Änderung des Rentenalterslediglich zu einer Umschichtung der Finanzierungslast vom Pensionssystem ins Arbeitslosen-oder Invalidenversicherungssystem. Trotzdem, so zeigen Lalive d’Epinay/Zweimülleranhand von Arbeiten in den USA auf, haben Anpassungen des Pensionsalters dieBeschäftigungsquote älterer Arbeitnehmer erhöht. Hier wird eine sorgfältige quantitativeBeurteilung der zu erwartenden Finanzierungswirkung unerlässlich sein.Lalive d’Epinay/Zweimüller weisen schliesslich darauf hin, dass die Ruhestandsentscheidungeine individuelle Entscheidung ist, der ein Abwägen zwischen dem Nutzengewinneines erhöhten Konsumstroms durch späteren Ruhestand und dem Nutzengewinndurch mehr Freizeit bei früherem Ruhestand zugrunde liegt. Diese Entscheidung wirdwesentlich beeinflusst durch die Ausgestaltung des Rentensystems. Aus der Forschungergeben sich Hinweise, dass ein späterer Ruhestand oft mit starken negativen Anreizenverbunden ist 30 . Für die Schweiz bestätigen zwei Studien 31 den Schluss, dass finanzielleFaktoren den Frühpensionsentscheid entscheidend beeinflussen. Frühzeitig in denRuhestand gehen insbesondere Personen in tieferen und höheren, nicht jedoch in mittlerenEinkommensklassen. 32Als Folgerung drängt sich auf, dass eine Erhöhung des Rentenalters ohne flankierendeMassnahmen die gewünschte Wirkung nicht erbringen wird. Abgebaut werden müsstendie Anreize zur vorzeitigen Pensionierung. Damit Firmen wieder eher bereit sind, ältereArbeitnehmende zu beschäftigen, müssten zudem die Alterslöhne (inkl. Beiträge an die2. Säule) die effektive Arbeitsproduktivität widerspiegeln. In die Lösungssuche einzuschliessenist deshalb eine Senkung der Beitragssätze für die berufliche Vorsorge imAlter. Und zuzulassen ist auch der Gedanke, dass der Lohn im Alter abnimmt.29Lalive, van Ours, Zweimüller, <strong>The</strong> Impact of Active Labor Market Programs on the Duration of Unemployment,IEW Working Paper No. 41, Zürich 2002, schätzen, dass über 40-jährige mit 30 Prozent geringererWahrscheinlichkeit wieder auf den Arbeitsmarkt zurückkehren.30Gruber Johnathan und David A. Wise (1999), «Introduction and Summary», in: Gruber und Wise (eds.) SocialSecurity Around the World, NBER Conference Report, Chicago: University of Chicago, pp.1-3531Dorn und Sousa-Poza (<strong>The</strong> Determinants of Early Retirement in Switzerland, Schweizerische Zeitschrift fürVolkswirtschaft und Statistik, 2005) haben die Bestimmungsfaktoren eines frühzeitigen Pensionsantrittesmit Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung und Bütler et al. (What Triggers Early Retirement:Results from Swiss Pension Funds, Discussion Paper 04-04, Universität Lausanne, 2004) mit Daten vonPensionskassen grösserer Unternehmen untersucht.32Dorn und Sousa-Poza, 200537


3.3 Mehr Wahlfreiheit in der 2. SäuleBinswanger 33 unterscheidet bei der Wahlfreiheit die freie Portfoliowahl und die freieKassenwahl. Anhand von Untersuchungen in den USA und in Schweden zeigt er auf,dass bei einer freien Portfoliowahl viele Angestellte von der Anlageentscheidungüberfordert sind (es fehlt ihnen an der «Konsumentensouveränität»). Mangels elementarerFinanzmarktkenntnisse folgen sie zweifelhaften Daumenregeln (z.B. dem Prinzip«von allem ein bisschen») 34 oder nehmen ihre Wahlfreiheit gar nicht wahr. Studien zuVorsorgeentscheidungen der Angestellten in Firmen, die Standardoptionen anbieten(wenn ein Angestellter selber keine Auswahl treffen will), zeigen, dass 80% keine eigeneWahl treffen und somit dem Standard folgen 35 . Weil weniger als 30% der Schweizerselber direkt in Aktien investieren (gegenüber rund 35% der Amerikaner) 36 37 , ist zuerwarten, dass ein elementares Wissen über den Finanzmarkt in der Schweiz nichtverbreiteter ist als in den USA und die Wahlfreiheit eher noch weniger wahrgenommenwerden dürfte. In Schweden wurde im Jahr 2000 ein System mit freier Portfoliowahl undStandardoption eingeführt. Die Erfahrungen sind nicht gerade viel versprechend. 38 Miteiner intensiven Webekampagne wurden die Angestellten zu aktiven Anlageentscheidenermutigt, was bewirkte, dass bei der Einführung 57% der damals neu in den Arbeitsmarkteintretenden Angestellten eine eigene Wahl getroffen haben. In der Folge wurdeder Werbeaufwand reduziert. Das Ergebnis: Im Jahr 2003 haben nur noch gerade 8% derneu in den Arbeitsmarkt Eintretenden ihr Portfolio aktiv gestaltet.Intuitiv verbindet man die freie Kassenwahl mit der Vorstellung von mehr Wettbewerb,der die Kosten senkt. Anhand von Beispielen aus Australien, Chile und den USA zeigtBinswanger auf, dass die freie Kassenwahl in der Regel jedoch zu höheren Kosten führt.Ausschlaggebend dafür sei eine fehlende Verhandlungsmacht einzelner Arbeitnehmender,ein wesentlich höherer Marketingaufwand und oftmals undurchsichtige Gebührenstrukturen,die einen Kostenvergleich zwischen verschiedenen Kassen verunmöglichen39 .33Binswanger, a.a.O. (Wahlfreiheit)34Benartzi/Thaler, Naïve Diversification Strategies in Defined Contribution Saving Plans, American EconomicReview 91(1), 79 – 98, 200135Madrian/Shea, <strong>The</strong> Power of Suggestion: Inertia in 401(k) Participation and Saings Behavior, <strong>The</strong> QuarterlyJournal of Economics 116(4), 1149 – 1187, 2001, und Choi/Laibson/Madrian, Plan Design und 401(k) SavingsOutcomes, National Tax Journal 57(2), Part 1, 275 – 298, 200436Datenquelle: Survey of Consumer Finances 2001.37Siehe Cocca/Volkart, Equity Ownership in Switzerland, 200238Siehe Cronqvist/Thaler, Design Choices in Privatized Social-Security Systems: Learning from the SwedishExperience, American Economic review 94(2), Papers and Proceedings, 424 – 428, 200439Es sei daran erinnert, dass in der Schweiz bei der obligatorischen Krankenversicherung die Preisdifferenzenzwischen günstigsten und teuersten Angeboten relativ hoch sind.38


■■■In Australien gibt es mehrere Arten von Pensionskassen. Industry Funds stellen eineArt Sammelstiftungen dar, die auf Nonprofit-Basis organisiert sind und zu denennur Firmen und nicht einzelne Arbeitnehmer Zugang haben. Ein Wechsel aus einemsolchen Fonds heraus zu einem andern ist nicht möglich. Master Trusts sind Pensionskassen,zwischen denen einzelne Angestellte frei wählen können. Es zeigt sich, dassdie (Verwaltungs)Kosten bei den Industry Funds zwischen 8 und 16% des bei Renteneintrittangesparten Alterskapitals liegen, bei den Master Trusts jedoch zwischen 19%für solche mit hohen Mitgliederzahlen und 33% für solche mit geringen Mitgliederzahlen.Zwei Faktoren sind für diesen Unterschied vorrangig verantwortlich: Erstensweisen Master Trusts einen hohen Marketingaufwand auf, weil sie im Unterschied zuden Industry Funds am Retailmarkt operieren. Und zweitens fehlt den Einzelkundenbei den Master Trusts die Verhandlungsmacht für günstige Konditionen. Das bestätigeneinzelne Master Trusts, bei denen Firmen für ihre Mitarbeiter die Konditionenaushandeln. Hier betragen die Kosten nur zwischen 9 und 15%, also vergleichbar denIndustry Funds.Freie Wahl von Pensionskassen gibt es auch in Chiles Rentensystem 40 . Es gibt neunPensionskassen 41 , zwischen denen Arbeitnehmer frei wählen und wechseln können.Auf den ersten Blick scheint hier Wettbewerb zu spielen und es wären relativ geringeKosten zu erwarten. Tatsächlich betragen die Kosten jedoch durchschnittlich rund17% des bei Renteneintritt angesparten Alterskapitals. Der grösste Kostenposten istbeim Marketingaufwand zu finden, der sich 1998 auf 45% der Gesamtkosten belief.Bei freier Kassenwahl handelt es sich beim Markt für Vorsorgeleistungen praktisch umeinen Markt für Anlagefonds. Binswanger zeigt, dass im (international am besten entwickelten)US-Amerikanischen Fondsmarkt die durchschnittlichen Kosten zwischen0.8 und 1.5% des investierten Kapitals liegen. Dies bedeutet, dass die Auszahlungenum 15 bis 30% geringer sind (in einem Pensionssystem würde dies eine Rentenreduktionvon 15 bis 30% bedeuten). Damit liegen die Kosten in vergleichbarer Höhe mitdem chilenischen Rentensystem und den australischen Master Trusts. Ähnlich wie imchilenischen Rentensystem machen im amerikanischen Fondsmarkt die Marketingkostenetwa 43% der totalen Kosten aus.Die Schweizer Pensionskassen verursachen Kosten, die ohne Wahlfreiheit gegenwärtigin einer Höhe liegen, die zu einer durchschnittlichen Rentenreduktion von 6 bis 8%führt. 42 Damit nimmt die Schweiz international einen Spitzenplatz ein bezüglich Effizienz.Zu erklären sind diese geringen Kosten damit, dass das schweizerische SystemWettbewerb kennt, aber nicht auf der Ebene der individuellen Wahlfreiheit. Wählenkönnen jedoch Firmen, wodurch für Leistungsanbieter die Notwendigkeit, aufwendiges40Chile hat 1981 ein praktisch reines Kapitaldeckungssystem eingeführt.41Stand 2001.42Queisser/Vittas, <strong>The</strong> Swiss Mulit-Pillar Pension System : Triumph of Common Sense?, World Bank PolicyResearch Working Paper Nr. 2416, 200039


isikolosen Zinssatz erzielt wird, wäre dann ein Entgelt für das eingegangene Anlagerisiko(Risikoprämie). Sicherzustellen ist, dass erzielte Überschüsse den Versichertengutgeschrieben werden.Zur Frage der konkreten Festlegung des Mindestzinssatzes sind verschiedene Möglichkeitenzu erwägen:■■■Zimmermann/Lüthje weisen auf verschiedene Arbeiten hin, die postulieren, der Mindestzinssatzdürfe nicht politisch festgelegt werden, da eine politische Fixierung inder Regel eine technisch und ökonomisch zu hohe Festlegung bewirke 47 48 , wodurchdie Solvenz der Vorsorgeeinrichtungen bedroht und/oder das Kapitaldeckungsverfahrenschleichend durch das (dem BVG widersprechende) Umlageverfahren verdrängtwerde 49 . Durch die politische Festlegung des BVG-Mindestzinssatzes bestehedas Risiko, dass prinzipiell auch andere Ziele als die adäquate Verzinsung der Altersguthabenverfolgt werden wie beispielsweise Stabilitätspolitik (Steuerung des Konsums),Verteilungspolitik (intergenerative Umverteilung) und Anlagepolitik (Vorsichtoder Ertrag fördern).Wenn ein Mindestzins festgelegt werden muss, der durch Vorsorgeeinrichtungen zugarantieren ist, so muss der Mindestzinssatz in direktem Zusammenhang zu erzielbarenFinanzmarktrenditen stehen. Zimmermann/Lüthje zeigen verschiedene Ansätzeauf, die sich an Kapitalmarktzinsen orientieren: Sammelindizes als Referenzgrösse fürdie Mindestverzinsung 50 , eine relative Festlegung des Mindestzinssatzes im Verhältniszum Durchschnitt der erzielten Renditen aller Marktteilnehmer 51 , die vom SchweizerischenVersicherungsverband 52 vorgeschlagene Formel (60% des rollenden Durchschnittsder Rendite zehnjähriger Bundesobligationen) oder die Empfehlung derASIP 53 (70% des 7 Jahre gleitenden Durchschnitts der Bundsobligationen).Neben der Wahl der Referenzgrösse und der Bestimmung der Höhe der Mindestverzinsungbesteht ein weiterer Gestaltungsparameter im Zeitraum, auf welchen sich die47Prof. Jäger, Strategien für die Zweite Säule, Vortrag, Seite 2, http://swissblog.typepad.com/vorsorgeforum/files/12_asip_jaeger.pdf, 13.12.200448Hanspeter Konrad, Geschäftsführer ASIP, Strategien für die Zweite Säule, Seite 1, http://swissblog.typepad.com/vorsorgeforum/files/12_asip_1.pdf, 13.12.200449Ender, Hans, Präsident ASIP, Für Stabilität in der beruflichen Vorsorge, Vortrag, Seite 2, http://swissblog.typepad.com/vorsorgeforum/files/12_asip_ender.pdf, 13.12.200450David Gerber, Alex Beck, Baustelle berufliche Vorsorge, Mindestverzinsung: Quo vadis?, Spotlight, CreditSuisse, 26. August 2002, Seite 551David Gerber, Alex Beck, a.a.O.52Schweizerischer Versicherungsverband, Erhöhung des Mindestzinssatzes nicht gerechtfertigt, Medienmitteilungvom 1. September 200453Hanspeter Konrad, Geschäftsführer ASIP, Strategien für die Zweite Säule, Seite 1, http://swissblog.typepad.com/vorsorgeforum/files/12_asip_1.pdf, 13.12.200441


■Mindestverzinsung bezieht. Je grösser dieser gewählt wird (zum Beispiel drei Jahrestatt wie gegenwärtig ein Jahr), desto mehr Spielraum haben die Vorsorgeanbieterin der Anlagepolitik. Ein Gestaltungsparameter ist schliesslich auch der Anpassungsrhythmus.Je schneller Anpassungen erfolgen, desto besser kann auf das aktuelleökonomische Umfeld eingegangen werden. Allerdings ist das ständige Veränderndieser zentralen Regelgrösse für die Vorsorgeanbieter viel aufwändiger und führt zuweniger Transparenz. Es scheint sinnvoll, dass der Rhythmus der Anpassung und derfür die Mindestverzinsung zu berücksichtigende Zeitraum aufeinander abgestimmtwerden. 54Zimmermann/Lüthje weisen zu Recht darauf hin, dass der Mindestzinssatz heuteals nominelle Grösse festgelegt ist. Was letztlich zähle, sei die Realverzinsung. EineVerzinsung von 2,5 % bei einer Inflation von 0 % (wie das heute der Fall ist) sei fürVersicherte immer noch viel vorteilhafter als eine Verzinsung von 4 % bei einer Inflationvon 6 % (wie sich die Situation anfangs der 90er Jahre präsentierte). Langfristigbewegt sich der reale Zins denn auch in einem engen Band von 1 – 3 %. Als Orientierungspunktwürde er sich deshalb gut eignen.Letztlich stellt sich die Frage, ob es einen gesetzlich festgelegten Mindestzinssatz überhauptbraucht. Von seiner Funktion her zwingt der Mindestzinssatz Vorsorgeträger zueiner Anlagepolitik mit einer Rendite in bestimmter Höhe. Er ist aber immer ein «theoretischesKonstrukt», eine Annahme über künftig mögliche Renditen. Diese Annahmeist mit ebenso grossen Unsicherheiten behaftet, wie der Finanzmarkt Schwankungenaufweist. Das führt in Zeiten tiefer Kapitalerträge zu endlosen Diskussionen mit hohemRisiko, dass aus politischen Motiven ein (wünschbarer) über dem Markt liegenderMindestzinssatz festgelegt wird. Ein Verzicht auf den Mindestzinssatz verbunden miteiner Vorschrift, dass die gesamte auf dem angesparten Kapital erzielte Performanceimmer diesem Kapital gutgeschrieben und darüber in voller Transparenz informiertwerden muss, wäre eine wesentlich schlankere Variante mit gleicher oder sogar bessererWirkung.3.5 UmwandlungssatzDer Umwandlungssatz legt fest, wie das bis zum Pensionierungszeitpunkt angesammelteAltersguthaben in eine Altersrente umgewandelt wird. Der Satz wird vom Bundesratals Mindestanforderung festgelegt. Im Rahmen der ersten BVG-Revision wurde eineschrittweise Senkung von 7.2 % auf 6.8% innerhalb von 10 Jahren beschlossen.54David Gerber, Alex Beck, a.a.O., Seite 642


■■Der bisherige Umwandlungssatz von 7,2% wurde mit einem technischen Zinssatz von3,5% für 65-jährige Männer und mit 4,0 bis 4,2% für 62-jährige Frauen errechnet. 58Dem Umwandlungssatz im Jahre 2015 von 6,8% liegt ein technischer Zinssatz von 4%zugrunde. Da die Berechnungen des Umwandlungssatzes bisher auf Periodentafelnberuhten und zudem keine Verwaltungskosten einbezogen wurden, wäre anstelleeines technischen Zinssatz von 4% eine Rendite (Zinssatz) von 4,5% 59 nötig, damitunter Ceteris-Paribus-Bedingungen der Umwandlungssatz beibehalten werden kann.Aus heutiger Sicht kann ein derart hoher Zinssatz kaum von allen Vorsorgeeinrichtungender Schweiz erreicht werden.Zimmermann/Lüthje vertreten die Ansicht, dass aus ökonomischer Sicht zwingendein risikoloser Zinssatz zur Anwendung kommen muss 60 , weil nur ein solcher vonallen Vorsorgeeinrichtungen unabhängig von ihrer individuellen Fristenstruktur (dieabhängig ist vom Verhältnis der Rentner zu den Aktiven) garantiert werden kann. Siebegründen diese Forderung mit den gleichen Überlegungen wie beim Mindestzinssatz.Allfällige Risiken eines zu hohen Umwandlungssatzes müssten von den aktivenVersicherten getragen werden, was zu einer Umverteilung zwischen den Generationenführen würde. 61Die für die Festlegung des Umwandlungssatzes erforderliche Annahme der Lebenserwartungder in Rente gehenden Versicherten muss auf möglichst aktuelle statistischeGrundlagen abstellen. Wenn die Menschen länger leben, ist das eine Tatsache, die füralle Vorsorgeträger gleichermassen relevant ist. Der technische Zinssatz muss – analogden Überlegungen zum Mindestzinssatz – die aktuellen und vor allem die langfristigenErfahrungswerte zu den Finanzmarkterträgen beachten. Er kann (und soll) jedoch dieRisikofähigkeit eines Vorsorgeträgers berücksichtigen und muss aus diesem Grundekeineswegs risikofrei sein. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage nach der58Arbeitsgruppe Umwandlungssatz: Überprüfung des Umwandlungssatzes auf seine technischen Grundlagen,Bericht vom November 2004, Seite 1659Arbeitsgruppe Umwandlungssatz: Überprüfung des Umwandlungssatzes auf seine technischen Grundlagen,Bericht vom November 2004, Seite 5260Anderer Ansicht ist die BVG-Kommission. Sie kommt zum Schluss, dass ein risikoarmer Zins angewendetwerden sollte. Zum Zinssatz der 10-jährigen Bundesobligationen von aktuell 3,0% wird aufgrund verschiedener,mehrjähriger Betrachtungen (gleitende Durchschnitte bzw. aufgrund der Zinsstruktur berechneteForward-Raten) ein Aufschlag gemacht. Somit schlägt die BVG-Kommission für die nächsten 10 Jahre einendurchschnittlichen risikoarmen Zins von 3,6% vor. Quelle: Arbeitsgruppe Umwandlungssatz: Überprüfungdes Umwandlungssatzes auf seine technischen Grundlagen, Bericht vom November 200461Eine Verminderung des technischen Zinses um 0,5% führt zu einer Verringerung des Umwandlungssatzesvon ca. 0,35%. Quelle: Arbeitsgruppe Umwandlungssatz: Überprüfung des Umwandlungssatzes auf seinetechnischen Grundlagen, Bericht vom November 2004, Seite 1344


Einheitlichkeit des Umwandlungssatzes für verschiedene Kategorien von Rentenbezügernzu diskutieren 62 :■■■Der Umwandlungssatz von 6.8% baut auf einer anwartschaftlichen Ehegattenrentevon 60% der Altersrente auf. Ein einheitlicher Satz, wie er in der Praxis üblich ist, führtzu einer Umverteilung von Ledigen zu Verheirateten. Der Umwandlungssatz müssteeigentlich dem Zivilstand angepasst werden. Allerdings werden immer häufiger auchPartnerrenten ausbezahlt, für welche die Heirat nicht mehr Voraussetzung ist. Fürsich allein betrachtet führt diese neue Praxis zu (leicht) mehr Renten, was in einemtieferen Umwandlungssatz berücksichtigt werden sollte.Wenn Kassen eine höhere Ehegattenrente versichern, muss das bei diesen Kassen zueinem tieferen Umwandlungssatz führen. Gleiches gilt für eine allfällige Abweichungder versicherten Kinderrente von der üblichen Rente.Schliesslich wird der Umwandlungssatz heute für Frauen und Männer einheitlich angewendet,obwohl Frauen eine höhere Lebenserwartung aufweisen. Das liegt daran,dass als weiterer Faktor auch die Verheiratungswahrscheinlichkeit in die Berechnungeingeht, und damit eine mögliche künftige Ehegattenrente berücksichtigt wird. DieseWahrscheinlichkeit ist bei der Gruppe der berufstätigen versicherten Frauen massivgeringer als bei den Männern. Bei Frauen müsste insgesamt sogar ein etwas höhererUmwandlungssatz angewendet werden als bei Männern.3.6 Das Gebot der laufenden Deckung (2. Säule)Pensionskassen müssen gemäss Art. 65 Abs. 1 BVG grundsätzlich eine laufende Deckungaufrechterhalten. Mit der ersten BVG-Revision wurde diese Vorschrift gelockert. Derneue Artikel 65c BVG sieht vor, dass eine zeitlich begrenzte Unterdeckung und damiteine zeitlich begrenzte Abweichung vom Grundsatz der jederzeitigen Sicherheit nachArtikel 65 Absatz 1 zulässig ist, wenn sichergestellt ist, dass die Leistungen im Rahmendes Gesetzes bei Fälligkeit erbracht werden können (Art. 65 Abs. 2 BVG) und die VorsorgeeinrichtungMassnahmen ergreift, um die Unterdeckung in einer angemessenen Fristzu beheben. Der Gesetzgeber hat damit die bisherige, von den kantonalen Aufsichtsbehördenallerdings keineswegs einheitlich gehandhabte Praxis nachvollzogen.Zimmermann/Lüthje 63 stellen fest, diese Vorgabe impliziere, dass die Risikofähigkeit beifallendem Deckungsgrad sinkt, also die Aktienquote bei fallenden Kursen abgebautwerden muss (soweit sie sich im Zuge der fallenden Kurse nicht selbst hinreichend reduziert).Sie weisen darauf hin, dass das Erfordernis der zyklischen Anpassung des Aktien-62vgl. dazu auch Rudolf Steiner-Pulimeno, Der richtige Umwandlungssatz, http://www.bvg24.ch/download/umwandlungssatz_richtiger.pdf, 27. Januar 200563a.a.O.45


anteils der Pensionskassen (sinkende Risikofähigkeit bei fallendem Deckungsgrad) eineFolge der Vorgabe einer nominellen Mindestrendite darstelle, die mit hundertprozentigerSicherheit zu erreichen ist. Vorsorgeeinrichtungen könnten Aktien somit nicht übereinen längeren Anlagehorizont halten, sondern müssten sie im ungünstigsten Momentveräussern. Auch bei Bonds könnten Schwierigkeiten entstehen: Wenn die Zinsensteigen, erleidet die Kasse auf den Bonds Buchverluste. Der Deckungsgrad sinkt, dadie Bilanz einer Pensionskasse für Wertschriften (Aktien und Obligationen) Marktwerteausweist, aber bei der Bewertung von Passiven mit dem technischen Zinssatz heute vonmarktfremden Annahmen ausgeht. Auch unter gesamtwirtschaftlichen Aspekten könnedie Zielsetzung einer laufend sichergestellten Deckung mit an Sicherheit grenzenderWahrscheinlichkeit nie zu einer ökonomisch effizienten Risikoallokation führen. Zimmermann/Lüthjefolgern, dass der Zieldeckungsgrad auch unter 100 % gesenkt und dasAnlagerisiko den Versicherten übertragen werden könne.Ein Sonderproblem sind die öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen. Dass beidiesen eine Unterdeckung zulässig ist, ist in letzter Zeit immer häufiger kritisiert worden.Wenn auf eine vollständige Kapitalausstattung der öffentlich-rechtlichen Kassen verzichtetwird, wird implizit davon ausgegangen, dass das zukünftige Steueraufkommen desGemeinwesens den (fehlenden) Kapitalstock im Bedarfsfall ergänzen wird. Formalisiertwird das meistens mit einer «staatlichen Garantie» der Leistungen. Die Akzeptanz, dassöffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen in Bezug auf Leistungsgarantien, Deckungserfordernisseund Risikofähigkeit einen Sonderstatus einnehmen, dürfte in den nächstenJahren sinken. Eine künftige Gleichbehandlung mit den privaten Pensionskassen istangezeigt, sinnvollerweise ab einem zu definierenden Zeitpunkt für neu eintretendeArbeitnehmer. Nach Ansicht von Zimmermann wäre es zudem sinnvoll, wenn sich Politikund Behörden auf die Bilanzierungs- und Finanzierungsregeln des privaten Sektorsbesinnen würden. 6464Quelle: Zimmermann, Heinz: Zur Unterdeckung von Pensionskassen, Der Schweizer Treuhänder 3/04,Seite 173ff46


4 Prinzipien der Nachhaltigkeitund Governance4.1 Prinzipien der NachhaltigkeitDie Aufgabe eines Vorsorgesystems liegt darin, den Lebensunterhalt im nicht erwerbstätigenLebensabschnitt des Alters zu sichern (Vorsorgefunktion). Neben der eigentlichenVorsorge sind zwei Funktionen inhärent mit einem Vorsorgesystem verbunden: Bei derVersicherungsfunktion geht es um die Absicherung des Risikos eines «überdurchschnittlichlangen Lebens» und der Risiken Tod (Einkommen für die Hinterbliebenen) undInvalidität. Bei der Solidaritätsfunktion geht es um die Umverteilung von Einkommenvon finanziell besser gestellten zu finanziell schlechter gestellten Personen.Als Grundlage für die Diskussion der erwähnten Massnahmen ist es angezeigt, sichüber Grundsätze zu unterhalten, welche die nachhaltige Altersvorsorge in der Schweizauch in Zukunft prägen sollen. Eine zentrale Bedeutung kommt dabei dem Vertrauender Bevölkerung zu. Sie muss jederzeit die Gewissheit haben, dass die versprochenenLeistungen auch in Zukunft erbracht werden. Das ist im Wesentlichen identisch mit derNachhaltigkeit.Prinzipien1. Eine nachhaltige Altersvorsorge baut darauf auf, dass die Menschen die Verantwortungfür die materielle Sicherung des Alters soweit wie möglich selbertragen (Prinzip der Eigenverantwortung).2. Eine nachhaltige Altersvorsorge baut darauf auf, dass jede Generation Lastenim Ausmass der definierten Leistungen selber trägt und keine Lasten bzw.Schulden auf Folgegenerationen überwälzt werden (Prinzip der Generationenverantwortung)3. Eine nachhaltige Altersvorsorge baut auf gesellschaftlicher Solidarität auf (Solidaritätsprinzip).a. Jede Generation sorgt auch für die materielle Sicherung für Menschen, die auswelchen Gründen auch immer nicht in der Lage waren, durch Erwerbseinkommenselber ausreichend vorzusorgen (Prinzip der intragenerationellen Solidarität)b. Soweit eine Gesellschaft entscheidet, die materielle Sicherung des Alters mit einemUmlageverfahren und somit generationenübergreifend sicherzustellen, muss derentsprechende «Generationen(gesellschafts)vertrag» (z.B: in Form einer «Generationenbilanz»)bewusst gemacht und sorgsam gepflegt werden (Prinzip der intergenerationellenSolidarität).47


4. Eine nachhaltige Altersvorsorge baut darauf auf, dass die Menschen darauf vertrauen,die versprochene Leistung im Alter auch tatsächlich zu erhalten (Prinzipder Glaubwürdigkeit der Leistungsversprechen).a. Naturgemäss ist diese Glaubwürdigkeit beim Umlageverfahren schwieriger herzustellen,weil künftige Generationen von Beitragszahlenden grundsätzlich in ihrerEntscheidung frei sind, das System zu ändern. Die Bereitschaft künftiger Generationen,von ihrem Erwerbseinkommen Beiträge für Leistungen an die jeweiligeAltersgeneration zu leisten, setzt die Bereitschaft der (zahlenmässig wachsenden)Rentnergeneration voraus, in ihren Ansprüchen massvoll zu bleiben.b. Auch beim Kapitaldeckungsverfahren hängt die Leistung im Alter von verschiedenenmeist nicht direkt steuerbaren Einflussfaktoren ab. Erforderlich ist hier einehohe Transparenz und Offenheit der Vorsorgeeinrichtungen gegenüber ihrenVersicherten, damit diese erkennen können, dass das angesparte Kapital marktabhängigunterschiedliche Erträge abwirft, auch wenn es mit hoher Professionalitätangelegt wird5. Eine nachhaltige Altersvorsorge stellt sicher, dass ein möglichst hoher Teil derfür die Vorsorge eingesetzten Mittel tatsächlich in Leistungen fliesst (Prinzipder Effizienz)a. Grundsätzlich würde der freie Markt am ehesten Gewähr für diese Effizienz bieten.Erfahrungen zeigen allerdings, dass aufgrund der gegebenen Komplexität der zutreffenden Entscheide eine volle individuelle Wahlfreiheit nicht die grösste Effizienzbietet, wohl aber eine freie Kassenwahl für Unternehmungen (Arbeitgeber)und eine individuelle Portfoliowahl aus mehreren Standardangeboten. 65b. Eine hohe Effizienz stellt auch hohe Ansprüche ans Risiko- und Anlagemanagementund damit an die Professionalität der Führung von Vorsorgeeinrichtungen.6. Eine nachhaltige Altersvorsorge ist eine zentrale Voraussetzung des gesellschaftlichenZusammenhalts. Weil der Staat das Risiko der Mindestversorgungder inaktiven Generation trägt, braucht es eine staatliche Regelung (Prinzip desGesellschaftsvertrags).a. Weil der Staat das residuale Risiko der Mindestversorgung der inaktiven Generationträgt, besteht ein gesellschaftliches Interesse an einer staatlichen Regelungder Altersvorsorge. Die staatliche Regelung muss indessen schlank sein. Sie sollMindestregelungen dort treffen, wo es für die Erreichung des Vorsorgeziels unerlässlichist, und im Übrigen so weit wie möglich den Markt spielen lassen. Der Staatsoll Vorsorge- oder Versicherungsleistungen nur dort selber anbieten oder überstaatliche Leistungsaufträge anbieten lassen, wo ein Markt für private VorsorgeoderAbsicherungsmöglichkeiten fehlt oder sich nicht entwickeln kann.b. Ein besonderes Augenmerk muss der Regulator auf wirtschaftliche Anreize richten.Anreize müssen so gesetzt werden, dass sie die Nachhaltigkeit des Vorsorgesystemsund die individuelle Vorsorge fördern (positive Anreize). Für die Nach-65Binswanger, a.a.O. (Wahlfreiheit)48


haltigkeit negative Anreize sind zu vermeiden bzw. abzubauen (z.B. Anreize zurVerkürzung der Beitragszeit, zum Bezug von Leistungen, zur Leistungshöhe, zurVerlängerung der Leistungsdauer).c. Der Regulator muss sicherstellen, dass die Altersvorsorge aus dem volkswirtschaftlichenEinkommen und nicht aus einem Abbau des Kapitalstocks finanziert wird.Werden Beiträge aus allgemeinen Steuern vorgesehen, dürfen dadurch in der Generationenbilanzkeine Nachhaltigkeitslücken geschaffen werden.7. Das im Rahmen der Altersvorsorge angesparte Kapital soll mit Verantwortunggegenüber der Gesellschaft angelegt und verwaltet werden (Prinzip der«socially responsible Investments»)In der Regel bestehen Wahlmöglichkeiten zwischen ertragsoptimierten Anlageninnerhalb gesetzlicher Vorschriften und Anlagen, bei welchen zusätzliche, imgesellschaftlichen Interesse liegende (aussergesetzliche) Normen (z.B. weitergehendeEinhaltung der Menschenrechte oder Schonung natürlicher Ressourcen)mitberücksichtigt werden. Im Hinblick auf eine nachhaltige Entwicklung sollenVorsorgeeinrichtungen bei ihrer Anlagetätigkeit zur Förderung verantwortungsbewussterInvestitionen beitragen.4.2 GovernanceAn die Führung einer Vorsorgeeinrichtung werden zunehmend höhere Anforderungengestellt. Es betrifft dies im vorliegenden Kontext vor allem die fachliche Professionalitätund die Transparenz, aber auch die Verantwortung gegenüber der Gesellschaft – die(Corporate) Social Responsibility (CSR).Fachliche ProfessionalitätDie hohe Volatilität der Finanzmärkte sowie die Abnahme von Diversifikationsmöglichkeitenaufgrund der steigenden Korrelationen zwischen den Renditen verschiedenerAnlagen und Regionen stellen zunehmend hohe Anforderungen an das Anlage- undRisikomanagement. Nicht alle der über 8000 Vorsorgeeinrichtungen sind diesen Anforderungengleich gut gewachsen. Bei der Überprüfung des Gesamtmodells werdenAnreize zu vermehrter Kooperation und zu Zusammenschlüssen zu prüfen sein. Damitliessen sich auch Effizienzgewinne realisieren.Transparenz und Governance-StrukturenTransparenz und Governance-Strukturen der Pensionskassen wurden vor allem imZusammenhang mit der Handhabung der in den 90er Jahren erzielten Überschüssethematisiert. Zwar existieren gesetzliche Vorschriften zur Ausgestaltung der Governance-Strukturenvon Vorsorgeeinrichtungen, doch bestehen grosse Unterschiede beideren konkreten Umsetzung. Von zentraler Bedeutung ist die Forderung nach mehrTransparenz hinsichtlich der tatsächlichen finanziellen Lage, der Verteilung erzielterÜberschüsse sowie der Performance.49


Zimmermann/Lüthje 66 weisen auf die Problematik hin, die sich aus der Tatsacheergibt, dass die Vorsorgeeinrichtung im Auftrag der Versicherten zu handeln hat.Die Wissenschaft kennt dieses Phänomen unter dem Begriff Agency-<strong>The</strong>orie, welchedie Beziehung zwischen einem Auftraggeber – dem Prinzipal – und seinem Auftragnehmer– dem Agenten – betrachtet. Bei den Pensionskassen handelt es sich um einzweistufiges Agency-Problem zwischen den Versicherten, der Pensionskasse und dem(Stifter)Unternehmen. In den meisten Fällen besitzt der Agent deutlich mehr Informationenals der Prinzipal. Manchmal hat er auch Interessen und Präferenzen, die denen desPrinzipals zuwiderlaufen. Und es können Interessenkonflikte mit dem Stifterunternehmenentstehen, wenn zum Beispiel die Pensionskasse in die gleiche Branche investiert,in der das Stifterunternehmen tätig ist. Für den Prinzipal stellt sich die Frage, wie er einopportunistisches Verhalten des Agenten 67 minimieren kann. Der Ausweg muss darübergesucht werden, dass Verträge zwischen Prinzipal und Agent so ausgestaltet werden,dass die Interessen des Agenten denen des Prinzipals angepasst werden, so dass sichdas rationale Verhalten des Agenten zum Vorteil des Prinzipals entwickelt (z.B. finanzielleAnreize). Konkrete Lösungsansätze ergeben sich auch über die Stärkung der Sachkompetenzder paritätischen Organe, die Losbindung der Pensionskasse vom Stifterunternehmenund umfassende Informationsrechte aller Betroffenen.Zimmermann/Lüthje zeigen auf, dass eine Agency-Problematik auch innerhalb derPensionskassen besteht – zwischen Stiftungsrat und PK-Management und zwischen Stiftungsratund Versicherten. Für die Arbeitnehmervertreter ist es im paritätischen Organoft schwierig, ihre Interessen durchzusetzen, weil sie gegenüber den ArbeitgebervertreternInformationsdefizite haben. Zudem ist es für sie oft unklar, wessen Interessen sievertreten sollen: jene der älteren oder jüngeren Versicherten, der Frauen oder Männer,der Erwerbstätigen oder der Rentner? Lösungsansätze wären hier grössere individuelleWahlmöglichkeiten für die Versicherten, aber auch eine bessere Schulung der Stiftungsräte,eine einheitliche Berichterstattung und die verbesserte Kommunikation gegenüberden Versicherten. Es ist angezeigt, geeignete Governance-Strukturen zu bilden, die dieseAgency-Konflikte abschwächen können. 68Ein weiterer Problemkreis ergibt sich bei der Ausübung von Stimmrechten bei Aktienanlagen.Die Frage ist, in welchem Sinne die Stimmrechte ausgeübt werden und wer darüberentscheidet. Zwar schreibt Art. 49a BVV 2 vor, dass Vorsorgeeinrichtungen Regelnaufzustellen haben, die bei der Ausübung der Aktionärsrechte zur Anwendung gelangen69 . Das Problem ist aber nicht gelöst, wenn lediglich festgehalten ist, die Stimm- undWahlrechte würden entweder nicht ausgeübt oder es werde stets den Anträgen des66 a.a.O.67Der Agent maximiert auch dann seinen Eigennutzen, wenn er damit den Prinzipal schädigt.68Zimmermann/Lüthje, a.a.O.69In Kraft seit 1. Januar 200250


Verwaltungsrats gefolgt. Auch wenn die Mitbestimmungsmöglichkeiten im Rahmeneiner Generalversammlung beschränkt sind, darf die Bedeutung nicht unterschätztwerden. Nötig sind hier praxistaugliche Modelle und Vorschläge. Mit einer griffigenSelbstregulierung beispielsweise zur Bekanntgabe der Abstimmungsentscheide könnteeine zusätzliche staatliche Regulierung vermieden werden.(Corporate) Social ResponsibilityIm Rahmen der beruflichen Vorsorge ist in der Schweiz ein Kapital von insgesamt über400 Mia Franken angelegt. Der Anteil von Obligationen und Kassenscheinen ist mit rund30 Prozent seit längerer Zeit relativ konstant, die Anteile der übrigen Anlageformenschwankten in den letzten Jahren stark.Kapitalanlagen in der Beruflichen Vorsorge, 1987-20021) Bilanzwert, unbereinigt, ohne Rückkaufswerte aus Kollektivversicherungsverträgen (das BPV schätzt sie für das Jahr 2002 auf höchstens 112 Mrd.Fr,.)Abbildung 12: Kapitalanlagen der Beruflichen Vorsorge, 1987 - 2002(Quelle: Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2004)Abbildung 12 zeigt, dass rund 100 Mia Franken Vorsorgevermögen in Aktien investiertsind. In diesem beachtlichen Ausmass sind Pensionskassen Eigentümer von Unternehmungenund tragen zunächst einmal eine Verantwortung als Aktionär (Shareholder).Mindestens so wichtig wenn nicht wichtiger als die Frage, wie die Eigentümerrechteausgeübt werden, ist jedoch die Frage, wo investiert wird: Wird (nur) die (kurzfristige)direkte Performance optimiert oder werden auch die (langfristigen) Gesamtwirkungeneiner Unternehmung auf die Gesellschaft berücksichtigt, wie dies verschiedeneAnspruchsgruppen mit zunehmender Intensität fordern.Es ist unbestritten, dass zwischen Unternehmen und Gesellschaft Interaktionen bestehen70 . Neben Produkten und Dienstleistungen, welche ein Unternehmen produziert,der Beschäftigung, welche es schafft, und den Kapitalerträgen, die es generiert, trägtes in verschiedener Weise zu gesellschaftlichen Zielen bei. Es kann dabei eine nachhaltigegesellschaftliche Entwicklung fördern oder behindern. Aufgrund ihres langen70Vgl. dazu CCRS Working Paper 02/04: Amalric F. und Hauser J, Micro-economic foundations of corporateresponsibility activities (2004)51


Anlagehorizonts kommt den Pensionskassen bei der Förderung einer nachhaltigenEntwicklung eine besondere Rolle zu. Dabei geht es in erster Linie nicht um das, washeute am häufigsten diskutiert wird: Nicht in Unternehmen zu investieren, deren Zielevon bestimmten Anspruchsgruppen abgelehnt werden (beispielsweise die Herstellungvon Rüstungsgütern). Es geht vor allem um die Förderung von Unternehmen, welcheauch künftig Arbeit und Einkommen schaffen und sich in der Beanspruchung natürlicherRessourcen und der Gesellschaft gegenüber so verhalten, dass Chancen für künftigeGenerationen geschaffen werden und in jedem Fall die Möglichkeiten künftiger Generationennicht gefährdet werden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. Nur einestarke Volkswirtschaft schafft auch in Zukunft die Voraussetzungen dafür, dass Löhneund Kapitalerträge erzielt werden, welche die Basis für die Finanzierung der Altersvorsorgesind. Ein solches Investitionsverhalten ist ein gutes Beispiel für Corporate SocialResponsibility: Durch ihren Beitrag zur Erreichung gesellschaftlicher Ziele schaffen diePensionskassen die Voraussetzungen für eine bessere Erreichung ihrer eigenen «Unternehmensziele».52


5 Gesamtmodell für eine nachhaltigeAltersvorsorgeSeit der Einführung der AHV im Jahr 1948 sowie des Obligatoriums der beruflichen Vorsorgeist das 3-Säulen-Modell in der Öffentlichkeit breit verankert. In der Zwischenzeithaben sich auf Grund der vorne beschriebenen Entwicklungen die Herausforderungenverlagert. Zur Zeit werden zahlreiche Massnahmen diskutiert, mit welchen auf dieHerausforderungen reagiert werden soll. Was fehlt, ist eine Struktur, die erlaubt, Einzelthemenim Zusammenhang, entsprechend ihrer Bedeutung und unter Einbezug ihrerSteuerbarkeit einzuordnen. Dazu schlagen Ackermann/Lang 72 ein Denkschema für eindisziplinübergreifendes Gesamtmodell der Altersvorsorge vor. Es soll dazu beitragen,dass nicht nur einzelne dringliche <strong>The</strong>men und diese zudem isoliert betrachtet werden,sondern dass auch eine Auseinandersetzung mit den Gesamtzusammenhängen erfolgt.71Ackermann/Lang, a.a.O.53


Für ein solches Gesamtmodell der Altersvorsorge werden fünf Ebenen vorgeschlagen,die mit (1) Faktoren der Umwelt, (2) Bilder der Gesellschaft, (3) Prinzipien der Lösung, (4)Varianten der Umsetzung und (5) Interessengruppen bezeichnet werden 73 .(1) Die Faktoren der Umwelt stellen die Rahmenbedingungen einer Altersvorsorge dar.Sie beeinflussen die Altersvorsorge-Diskussion nachhaltig, ohne selbst von dieserbeeinflusst zu werden. Dazu zählen:■■■■volkswirtschaftliche Faktoren (u. a. Wirtschaftswachstum, Produktivitätsgewinne,Kaufkraft, internationale Wettbewerbsfähigkeit)demographische Faktoren (u. a. sicheres Leben, langes Leben)finanztechnische Faktoren (u. a. Bewirtschaftung des Kapitalstocks, Versicherungstechnikund Bilanzmanagement)völkerrechtliche Faktoren (internationale Abkommen).Die Faktoren der Umwelt sind gegeben und hinzunehmen. Sie können nicht direktgesteuert werden. Ihre strategische Ausrichtung wird nicht von der Altersvorsorge,sondern von anderen <strong>The</strong>men bestimmt. Ungenaue, sachlich fehlerhafte und nichtsinnvolle Anforderungen aus der Altersvorsorge-Diskussion sind daher abzubauen.(2) Die Bilder der Gesellschaft und die Altersvorsorge-Diskussion wirken gegenseitig aufeinanderein. Es bestehen wertvolle und nutzbare Gestaltungsräume. Dazu zählen:■■■■Wohlfahrtsbild (u. a. Einkommen und Einkommensverteilung, Vermögen und Vermögensverteilung,Umverteilung und Gerechtigkeit)Altersbild (u. a. Vorstellung über das Alter, Gesundheit im Alter, Sinn des Alters)Arbeitsbild (u. a. Erwerbs- und Freiwilligenarbeit, Kontinuität der Erwerbsarbeit,Arbeitsmangel und Arbeitsüberschuss, Migration, Arbeit und Alter)Familienbild (u. a. Funktion der Familie, Familienstruktur, Fortpflanzung).Die Politik ist grundsätzlich in der Lage, Einfluss auf die Bilder der Gesellschaft zunehmen. Allerdings agiert sie in einem Spannungsfeld zwischen den gesellschaftlichkonstruierten Wahrnehmungen aus der Vergangenheit, den individuellen Wahrnehmungenund den Forschungsergebnissen der Gegenwart sowie den unsicherenVermutungen, Trends und Prognosen über die Zukunft. Im Rahmen eines Altersvorsorge-Dialogesgeht es darum, diese Bilder zu konkretisieren und gemeinsame,aktualisierte Vorstellungen über die Gesellschaft von morgen zu entwickeln.73Weitere Ausführungen s. Ackermann/Lang, a.a.O.54


(3) Die Prinzipien der Lösung bilden die wichtigste Ebene zur Definition einer Gesamtsteuerung.Dazu zählen:■■■GestaltungsregelnZiele und Lösungsansätzepolitischer ProzessAuf dieser Ebene erfolgt, ausgerichtet auf die Inputs der Ebenen (1) und (2), dieDiskussion eines zukunftsgerichteten, nachhaltigen Altersvorsorge-Modells. DiesesModell kann eine revidierte Fassung des 3-Säulen-Modells darstellen.(4) Die Varianten der Umsetzung führen zur weiteren Konkretisierung des gewähltenVorsorge-Modells. <strong>The</strong>matisiert werden unter anderem Herausforderungen wie:■■■Aufgaben und VerantwortungenFinanzierung und LeistungÜbergangsbestimmungen(5) Das Altersvorsorgesystem dient primär den Privatpersonen (Erwerbstätige, Rentner).In die Diskussion müssen aber Interessengruppen wie Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände,Selbständigerwerbende, Finanzintermediäre usw. einbezogen werden.Sie bilden die relevanten Interessengruppen, mit denen der Dialog über die vierersten Gestaltungsebenen des Modells zu führen ist.55


Teil II: Berichte■W. Ackermann/D. Lang (Institut für Versicherungswirtschaft derUniversität St. Gallen), Das St. Galler Existenzsicherungs- undAltersvorsorgemodell (SEA-Modell) (2005)■J. Binswanger (Wirtschaftswissenschaftliches Institut der UniversitätZürich), Was spricht für ein Kapitaldeckungsverfahren (2005)■J. Binswanger (Wirtschaftswissenschaftliches Institut der UniversitätZürich), Wahlfreiheit und Effizienz der 2. Säule (2005)■R. Lalive d’Epinay/J. Zweimüller (Institut für empirische Wirtschaftsforschungder Universität Zürich), Soll das Rentenalter istder höheren durchschnittlichen Lebenserwartung angepasstwerden (2005)■H. Zimmermann/G. Lüthje (Wirtschaftswissenschaftliches Zentrumder Universität Basel), <strong>The</strong>sen zu einer nachhaltigen Altersvorsorge(2005)55


Das St. Galler Existenzsicherungs- undAltersvorsorgemodell (SEA-Modell)AutorenProf. Dr. Walter AckermannDaniel Lang, M.Sc.im Juni 2005im Auftrag desCenter for Corporate Responsibility and <strong>Sustainability</strong>(CCRS) an der Universität Zürich57


ÜberblickZusammenfassungAltersvorsorgemodelle konservieren oder erneuern?Unvorhergesehene Entwicklungen und SteuerungsdefiziteTaugt das Dreisäulen-Modell für eine Reformdiskussion?Taugt der Mythos «Generationenvertrag» für eine Reformdiskussion?Gesellschaftlicher Wertewandel als Realität und ChanceDas St. Galler Existenzsicherungs- und Altersvorsorgemodell als DenkhilfeDie GrundlagenDas SEA-ModellWie weiter?<strong>Quellenverzeichnis</strong>ZusammenfassungDas Dreisäulen-Modell und der «Generationenvertrag» zählen seit Jahrzehnten zu denbeiden prägenden Bildern zur Erklärung und Gestaltung der schweizerischen Altersvorsorge.Vorstellungen, die sich nicht darauf beziehen, finden in der öffentlichen Debattekaum Aufmerksamkeit. Dies obwohl mittlerweile beide Bilder eine weitsichtige Auseinandersetzungmit aktuellen und künftigen Herausforderungen und in der Folge dasAndenken von zukunftsweisenden Lösungen eher behindern als fördern.Ausgehend vom Ziel des Projektes «Neuer Generationenvertrag», Beiträge für einenachhaltigere Altersvorsorgelösung zu leisten, scheint auch eine Wiederbelebung einerSchweizer Grundsatzdebatte notwendig und lohnend. Das neue St. Galler Existenzsicherungs-und Altersvorsorgemodell (SEA-Modell), funktioniert als konzeptionelleDenkhilfe, um gezielter über Leitlinien einer weitsichtigen Altersvorsorgelösung zudebattieren. Das SEA-Modell lädt ein, traditionelle Vorstellungen zeitweise zu überwindenund zeitgemässe Formen über Ziel, Leistung, Finanzierung und Organisation derAltersvorsorge zu prüfen.Das vorliegende SEA-Modell berücksichtigt bereits Rückmeldungen von namhaftenVertretern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Die aktuelle Version sieht eineGrundstruktur mit fünf Ebenen vor: (1) Faktoren der Umwelt, (2) Bilder der Gesellschaft,(3) Prinzipien der Lösung, (4) Varianten der Umsetzung und (5) Interessengruppen. In derFolge geht es darum, die Grundzüge des Modells auszuformulieren und mögliche Konsequenzenin einem breiten Kreis von Interessierten zu besprechen, um anschliessenddaraus Leitlinien für eine nachhaltige Altersvorsorge abzuleiten.58


Altersvorsorgemodelle konservieren oder erneuern?Unvorhergesehene Entwicklungen und SteuerungsdefiziteIn internationalen Vergleichen gilt das Schweizer Altersvorsorgesystem oftmals alsMassstab. Im Vordergrund der positiven Bewertung steht die Ausgewogenheit desSystems, das unter anderem durch eine Vielfalt anerkannter Teillösungen erreicht wird:unterschiedliche Finanzierungssysteme, differenzierte Leistungsvoraussetzungen undkomplementäre Zuständigkeiten (Bund, Kanton, Gemeinde). Darüber hinaus ermöglichteine hohe Akzeptanz in der Schweizer Bevölkerung die Altersvorsorge laufend weiter zuentwickeln. Zentraler Ausgangs- und Drehpunkt der Diskussionen bilden die Vorstellungenüber eine solidarische, gerechte Altersvorsorge, Stichwort «Generationenvertrag»,und das Dreisäulen-Modell. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Vorsorgelösung seitJahren als erfolgreich, robust und nachhaltig.Dessen ungeachtet gibt es gute Gründe, weshalb sich ein Reflektieren über die Altersvorsorgeauf Stufe Gesamtmodell dennoch empfiehlt: Dazu zählen die (a) unvorhergesehenenEntwicklungsszenarien und (b) feststellbaren Steuerungsdefizite.(a) Unvorhergesehene Entwicklungsszenarien: Folgt man den Ausführungen einigerStudien, 1 dann muss die Schweiz mit gesellschaftlichen und volkswirtschaftlichenEntwicklungsszenarien umgehen, die es unter Umständen erfordern, grundlegendereAnpassungen der heutigen Altersvorsorgelösung in Betracht zu ziehen, als dies bisherdie breite Öffentlichkeit wahrnimmt.(b) Steuerungsdefizite: Die Schweizer Altersvorsorgelösung besteht aus einem Systemkomplexer Regelwerken. Es liegt in der Natur komplexer Systeme, im Laufe der Zeit auchunerwünschte Ergebnisse zu produzieren, beispielsweise weil Selbststeuerungsmechanismenfehlen und der Eingriff in die Steuerung uneinheitlich, ungewiss oder zeitverzögertstattfindet: Die Bewältigung anstehender Herausforderungen erfolgt manchmalzügig (z. B. Anpassung des Mindestzinssatzes nach der Aktienbaisse), manchmal verzögert(z. B. die um Jahre verzögerte Anpassung der Umwandlungssätze) und manchmalgar nicht (z. B. Ablehnung der 11. AHV-Revision).Aus diesen Gründen gilt es, eine Altersvorsorgediskussion nicht auf einzelne dringliche<strong>The</strong>men wie Mindestzinssatz, Umwandlungssatz, Anlagevorschriften oder Invaliden-1Vgl. beispielsweise Schluep, Kurt (2003). Finanzierungsbedarf in der AHV. Forschungsbericht Nr. 10. Bern:Bundesamt für Sozialversicherung. Vergleiche auch Beck, Alex; Gerber, David S. und Hauser, Thomas(2003). Baustelle berufliche Vorsorge - wie soll es weitergehen? Economic Briefing Nr. 32. Zürich: CreditSuisse Economic & Policy Consulting.59


versicherung zu reduzieren. Es ist wichtig, ergänzend dazu eine weitsichtige Diskussionauch auf Stufe Gesamtkonzeption und Gesamtsteuerung zu lancieren und durchzuführen.Vergleichbar mit einem Unternehmen besteht dieses Bedürfnis nach Gesamtkonzeptionund Gesamtsteuerung insbesondere aus der Ungewissheit darüber, ob sichoptimistische oder pessimistische Annahmen über die Zukunft bestätigen.Fazit: Die Diskussionen um die Gestaltung des schweizerischen Vorsorgesystemsbasieren im Kern seit Jahrzehnten schwergewichtig auf dem Dreisäulen-Modell sowiedem «Generationenvertrag». Das Modell versteht sich als Strukturierungshilfe – staatlichorganisierte, betriebliche und individuelle Vorsorge – der «Generationenvertrag» alsgedankliche Konkretisierung abstrakter Begriffe wie Solidarität und Gerechtigkeit. BeideVorstellungen beweisen seit Jahrzehnten ihre Praktikabilität und Nützlichkeit. Dennochist zu prüfen, ob die unkritisch übernommenen Vorstellungen die aktuelle Reformdebattenicht zu stark vorspuren und ob alternative Ansätze gegebenenfalls die Lösungssucheerleichtern.Im Folgenden werden das Dreisäulen-Modell und der «Generationenvertrag» einerkurzen Analyse unterzogen.Taugt das Dreisäulen-Modell für eine Reformdiskussion?Das Dreisäulen-Modell wurde bereits 1963, mehr als 20 Jahre vor der obligatorischen Einführungder beruflichen Vorsorge, unter dem Titel «Die schweizerische Lösung des Vorsorgeproblems»vorgestellt. 2 Die damalige Version präsentierte sich allerdings andersals heute allgemein bekannt. Hernach bildete die individuelle Vorsorge die erste Säule,die berufliche Vorsorge die zweite Säule und die Alters- und Hinterbliebenenversicherungdie dritte Säule. Die Debatten zur Einführung des Obligatoriums der beruflichenVorsorge in den 1970er und 1980er Jahren verlagerten die Säulen in die heute bekanntenPositionen. Seit der Revision steht auch in der Bundesverfassung, dass das Dreisäulen-2Vgl. «Die Sicherung unserer Bevölkerung gegen die wirtschaftlichen Folgen des Alters, des Todes und derInvalidität erfolgt […] im Wesentlichen auf drei Arten, nämlich durch die Selbstvorsorge (Sparen, Einzelversicherung),durch die berufliche Kollektivversicherung (Pensions- , Gruppen- und Verbandsversicherung)und durch die Sozialversicherung sowie die sie ergänzende Fürsorge.» In: Bundesblatt der SchweizerischenEidgenossenschaft 1963, S. 520.60


Modell aus der eidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung(AHI), der beruflichen Vorsorge und der Selbstvorsorge besteht. 3Seit Lancierung erfüllt das Dreisäulen-Modell drei Funktionen: (a) die Gestaltungs- undLenkungsfunktion, (b) die Referenzfunktion und (c) die Strukturierungsfunktion.(a) Gestaltungs- und Lenkungsfunktion: Das Dreisäulen-Modell diente in den Jahren vorder Einführung der obligatorischen beruflichen Vorsorge als Illustration der Idee, dieAltersvorsorge auf mehr als ein Standbein zu stellen und den einzelnen Säulen klare Aufgabenund Verantwortungen zuzuweisen. Die Idee überzeugte und wurde in der Folgemit einem überwältigenden Mehr vom Volk angenommen. Seit einigen Jahren erfährtdiese Gestaltungsfunktion flickwerkähnliche Anpassungen: Dazu gehören beispielsweisegestärkte Teilsäulen (insbesondere Säulen 2a und 3b) oder verwässerte Verbindungzwischen Finanzierung und Leistung (z. B. durch die zweckgebundene Erhöhungder Mehrwertsteuer). Ausserdem geben zunehmend klassische <strong>The</strong>men der einen Säuleauch in der anderen Säule zu diskutieren, wie beispielsweise die Rendite der Einlagenin der ersten Säule und die Umverteilungseffekte in der zweiten Säule. Abgesehen vonder allgemeinen Vorstellung, die Altersvorsorge auf mehr als nur auf einem Standbeinaufbauen zu wollen, leistet das Dreisäulen-Modell heute zweifelsfrei eine historischeund konservierende, kaum aber eine vorausschauende Gestaltungs- und Lenkungsaufgabe.In der vorliegenden Version und Verwendung liefert es keine zukunftsgerichtetenLösungsansätze mehr. Im Gegenteil: Ein Festhalten erschwert notwendige Erneuerungen.(b) Referenzfunktion: Jede Einführung in die Schweizer Altersvorsorge beginnt unvermeidbarmit der Vorstellung des Dreisäulen-Modells. Als «öffentliches Gut» entzieht essich weitgehend dem Einflussbereich von Politik und Verwaltung. Die Schweizer kennendas Dreisäulen-Modell, auch wenn die Kenntnisse über das Vorsorgesystem darüberhinaus vermutlich gering sind. Als Referenz für den Dialog mit der Öffentlichkeit ist dasDreisäulen-Modell daher bestens geeignet.(c) Strukturierungsfunktion: Studien, die Altersvorsorgesysteme verschiedener Ländervergleichen, verwenden oft die Struktur des Dreisäulen-Modells und leisten damit eineHommage an ein langjähriges Vorbild. Es ist indessen zu berücksichtigen, dass in den3Vgl. «Art. 111 Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge: Der Bund trifft Massnahmen für eineausreichende Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenvorsorge. Diese beruht auf drei Säulen, nämlich dereidgenössischen Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung, der beruflichen Vorsorge und derSelbstvorsorge. Der Bund sorgt dafür, dass die eidgenössische Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherungsowie die berufliche Vorsorge ihren Zweck dauernd erfüllen können. […]» In: Bundesverfassungder Schweizerischen Eidgenossenschaft, Stand vom 11. Mai 2004.61


meisten Analysen sich die Ausführungen auf Hinweise zur unterschiedlichen Finanzierungbeschränken: Die erste Säule entspricht dem staatlichen Umlageverfahren unddie zweite Säule entspricht der beruflichen Vorsorge im Kapitaldeckungsverfahren. Diedritte Säule wird mit allgemeinen Verweisen auf Selbstvorsorge kaum näher ausgeführt.Die Weltbank propagierte bis vor wenigen Jahren das Schweizer Dreisäulen-Modell.Inzwischen empfiehlt sie nicht mehr ein Dreisäulen-, sondern ein Mehrsäulen-Modell. 4Mit dieser begrifflichen Weiterentwicklung zeigt die Weltbank, wie bewährte Errungenschaftenaus traditionellen Vorstellungen über Solidarität und Wachstum herausgelöstund in einen zukunftsträchtigen Dialog übertragbar sind.Das Dreisäulen-Modell liegt fest in den Köpfen der Schweizer verankert. Deswegenist darauf zu achten, in einer frühen Phase des Reformdialogs sich selbst in die Lagezu versetzen, das Dreisäulen-Modell für eine gewisse Zeit abzulegen. Auch wenn dieszunächst eine gedankliche Anstrengung erfordert, erleichtert dieser Ansatz, grundsätzlicheMechanismen und Prinzipien gegenwärtiger Herausforderungen zu erkennen. Diesschliesst nicht aus, in einer späteren Phase auf das Erfolgsmodell zurückzugreifen undder Öffentlichkeit z. B. ein erneuertes Dreisäulen-Modell, ein Dreisäulen-Modellplus oderähnliches vorzustellen.Das gedankliche Abrücken vom Dreisäulen-Modell ermöglicht, den Reformdialogumzustrukturieren und sich dadurch neue Lösungsansätze zu erschliessen. Das Potenzialist unermesslich, wie die nachfolgend skizzierten Strukturbeispiele aufzeigen. DieBeispiele umfassen eine Strukturierung nach (a) Bedürfnis, (b) Finanzierung und Leistungsowie (c) Stufen des Einbezugs.(a) Bedürfnis: Die Teilnahme am gesetzlich geregelten Altersvorsorge-System basiert aufdrei unterschiedlichen Bedürfnissen: (a1) dem existenziellen Bedürfnis nach einer gesichertenGrundversorgung, (a2) dem wohlfahrtsstaatlichen Bedürfnis nach Sicherung desgewohnten Lebensstandards eines durchschnittlichen Haushaltes und (a3) dem nichtaltersvorsorgespezifischen Bedürfnis nach Optimierung des privaten Finanzhaushaltes.In der Analyse verdichten sich Anzeichen, wonach die drei Bedürfnisse möglicherweisekeine einheitliche Priorität in der Gesellschaft geniessen. Zudem übersehen viele, dassdie drei Bedürfnisse nicht mit den drei Säulen übereinstimmen, wie das Beispiel der erstenSäule zeigt: Für einige Haushalte reicht die Rente aus der ersten Säule ohne Ergänzungsleistungund Sozialhilfe für die Grundversorgung nicht aus (siehe a1). Für andereprivate Haushalte hilft dieselbe Rente, die Sparquote etwas höher zu halten als ohne(siehe a3).4Vgl. Holzmann, Robert; Gill, Indermit; Hinz, Richard; Impavido, Gregorio; Musalem, Alberto R.; Rutkowski,Michal und Schwarz, Anita. Old Age Income Support in the 21st Century: <strong>The</strong> World Bank‘s Perspective onPension Systems and Reform. Washington: Worldbank.62


(b) Finanzierung und Leistung: Finanzierung und Leistungsanspruch erfolgen imAltersvorsorge-System der Schweiz in drei unterschiedlichen Qualitäten: (b1) zwischenFinanzierung und Leistungsbezug besteht Abhängigkeit (z. B. Höhe der Beiträge definiertHöhe der Rente), (b2) Finanzierung begründet keinen Leistungsanspruch (z. B.Mehrwertsteuer, Beiträge oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze) und (b3) Leistungsanspruchsetzt keine Finanzierung voraus (z. B. gesetzlich garantierte Minimalrente,internationale Koordination von Beitragsjahren, gesellschaftlich erwünschte Freiwilligenarbeit,Bedürftigkeit).In der Analyse verdichten sich Anzeichen, wonach eine (teilweise) Abkehr von derAbhängigkeit zwischen Finanzierung und Leistungsbezugsberechtigung möglicherweiseein anderes Verständnis des gesellschaftlichen Miteinanders erfordert und zulässt.(c) Stufen des Einbezugs: Die Stufen des Einbezugs ermöglichen ebenfalls erheblichenGestaltungsspielraum. Hierbei sind vier Stufen unterscheidbar: (c1) das Obligatorium,beispielsweise zur Finanzierung über Lohnprozente, (c2) die Förderung, beispielsweiseüber die Steuerbegünstigung bestimmter Sparformen, (c3) die Freiheit, beispielsweisedes Individuums über das Obligatorium und die Förderung hinaus etwas für die Altersvorsorgezu tun und (c4) die Unbeeinflussbarkeit, beispielsweise über die automatischeund unbeeinflussbare Reinvestitionen der Investitionserträge oder den Dritten Beitragszahler.In der Analyse verdichten sich Anzeichen, wonach gefördertes Alterskapital (c2) ineinigen Fällen keine Verwendung im Alter finden oder freiwillige Eigenheiminvestitionen(c3) ein wesentliches Element der Altersvorsorge darstellt, in den Konzeptionen derAltersvorsorge nicht vorkommt.Fazit: Der Kontext der 1940er-Jahre (Solidarität) und 1960er-Jahre (Wachstum) prägtedie Ausgestaltung des Dreisäulen-Modells in den 1980er-Jahre. Seit damals kennen dieSchweizer das Modell und glauben an dessen allgemeine Funktionstüchtigkeit. Dieseundifferenzierte Bewertung führt nicht selten zu einer falschen Einschätzung über dasGestaltungs- und Lenkungspotenzial aus heutiger Sicht. Denn die heutigen gesellschaftlichenund volkswirtschaftlichen Gegebenheiten und die damit verbundenen Herausforderungenscheuen jeden Vergleich mit den damaligen.Das Dreisäulen-Modell liefert heute keine Impulse für weitsichtige Lösungen mehr. Vielleichtliefert eine neue Denkhilfe wieder Impulse und bringt die Diskussion weiter.63


Taugt der Mythos «Generationenvertrag» für eine Reformdiskussion?Mythen sind nicht begründete Realitätsdarstellungen. Obwohl sie im Wahrheitsgehaltnur der Qualität von Gerüchten entsprechen, bilden sie einen integrierter Bestandteiljeder gesellschaftlichen Realität und damit auch jeder direkten Demokratie. Im Rahmeneiner Expertendiskussion 5 erklärte Yves Rossier, Direktor des Bundesamtes für Sozialversicherung,dass in einer direkten Demokratie die Vorstellungen über die Realitätwichtiger seien als die Realität. Der Sozialstaat baut auf zahlreichen Mythen auf (z. B.die Immunität der Kapitaldeckungsverfahren gegenüber demographischen Verwerfungen,die negative Auswirkung sozialstaatlicher Leistungen auf Arbeitswilligkeit, «Wernicht arbeitet soll auch nicht essen»). Zu den wichtigsten und bekanntesten Mythen derAltersvorsorge zählt der «Generationenvertrag».Im Rahmen von Altersvorsorgediskussionen bezieht man sich häufig zum «Generationenvertrag»,obwohl ein solcher «Vertrag» nicht existiert und sich wahrgenommeneAnsprüche in einem hypothetischen Streitfall zwischen den Generationen kaum durchsetzenlassen. Mit diesem Konstrukt sind Annahmen über politisch realisierbare und«gerechte» intergenerative Umverteilungsprozesse und Vorstellungen über eindeutigeGrenzen dieser Umverteilungsprozesse verbunden. Der «Generationenvertrag» ist ausder Solidarität – als Folge der Not der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (1930er-Jahreund Zweiter Weltkrieg) – entstanden. Dieses Bild trug stark dazu bei, den Verfassungsauftragzur Schaffung einer Altersversicherung im zweiten Anlauf in der Volksabstimmungvon 1947 auch gesetzlich umzusetzen. Seither erfuhr das Gebilde im Schatteneines unvergleichlichen Wirtschaftswachstums einen starken Ausbau. Die geforderteSolidarität von heute weist keine Gemeinsamkeiten mit der gelebten Solidarität vondamals auf.Der altersvorsorgebezogene «Generationenvertrag» erfüllt zwei Funktionen: (a) eineSchutzfunktion und (b) eine Zahlfunktion. (a) Die Schutzfunktion vermittelt der aktivenGeneration die Gewissheit, über ein gesichertes finanzielles Auskommen im Alter zuverfügen. Diese Funktion wird heute nur teilweise erfüllt: bis zu 40 Prozent der aktivenBevölkerung glauben nicht, dass sie je eine Rente erhalten. 6 (b) Wenigstens funktioniertdie Zahlfunktion weitgehend: Die Rentnergeneration fordert und erwartet mit politischemNachdruck den Eingang ihrer mischindexierten Rentenzahlungen.Verträge sind kündbar. Auch der «Generationenvertrag», wenn es ihn denn gäbe, wäreüber sozialen Unfrieden, Migration oder Gesetzesrevisionen kündbar. Erste Anzeichen,5Vgl. Paneldiskussion vom 15. Februar 2005 im Rahmen des CCRS Brown Bag Seminars über das SchweizerVorsorgesystem und Nachhaltigkeit. Unter Mitwirkung von Held, Thomas; Schneider, Markus; Rossier, Yves;Nova, Colette; Müller, Bruno und Nef, Robert.6Vgl. Eidgenössisches Finanzdepartement (2004). Demoskopie Finanzpolitik. Bern: EFD.64


wonach der «Generationenvertrag» in Gedanken bereits in Kündigung steht, 7 sinderkennbar: Viele Junge schenken der zukünftigen Leistungsfähigkeit des Systems nurnoch begrenzt Vertrauen und akzeptieren daher nur ungern die obligatorische Beitragszahlungund viele Rentner räumen durch die ungebremste Anspruchshaltung demGenerationenverhältnis eine geringe Priorität ein. 8 Die Verbände der Schweiz erkanntendie Spannungen im Generationenverhältnis und verfassten und unterzeichnetenim Jahre 2002 einen symbolischen «Pakt der Generationen». Seither gibt es diesenMythos sogar auf Papier. Doch das Anliegen greift eindeutig zu kurz, wenn interessengebundeneSeniorenverbände und hoffnungsvolle Jugendverbände – und nichtkritische Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbände – im Vorfeld der Abstimmung überdie Verwendung des Nationalbank-Goldes für die AHV einen «Pakt der Generationen» 9anregen.Fazit: Neben dem Dreisäulen-Konzept prägt auch der «Generationenvertrag» die Gestaltungund Entwicklung der Altersvorsorge entscheidend. Der «Generationenvertrag»steht vor allem als Drohung und Bremse im Einsatz. Damit verbundene Vorstellungenverleiten dazu, die legitime Frage nach den aktuellen und künftigen Interessen derGenerationen nicht differenziert zu beantworten und den Interessenausgleich nichtsorgfältig abzuwägen. Möglicherweise bedeutet das Auslassen der Frage, dass künftigKonfliktpotenziale stärker zum Ausdruck gelangen als heute. In einer weitsichtigenReformdiskussion empfiehlt es sich, die mit Dreisäulen-Modell und «Generationenvertrag»verbundenen Vorstellungen über Solidarität und Wachstum zu überwindenund differenzierter anzugehen. Die normative Kraft der Modelle erfordert kritischeReflektion, insbesondere im Lichte des anhaltenden Wertewandels. Denn der Wertewandelwirkt nachhaltig auf Einstellungen zu wichtigen <strong>The</strong>men, wie beispielsweise derAltersvorsorge, ungeachtet bestehender Gesetze und bewährter, rückwärtsgerichteterVorstellungen.7Vgl. <strong>The</strong> <strong>Sustainability</strong> <strong>Forum</strong> (2005). Workshop mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Projekt«Neuer Generationenvertrag». Durchführung vom 11. und 12. Januar 2005 im Kongresshaus Zürich.8Allerdings gibt es auch andere Formen der Aufkündigung gesellschaftlicher Verpflichtungen. Zu den radikalstenzählt zweifelsohne, wenn junge Schweizerinnen und Schweizer nach ihrer Ausbildung zu wenigVisionen und Chancen in unserem Lande erkennen und die Schweiz verlassen.9Vgl. Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen der Schweiz (VASOS) und SchweizerischeArbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) (2002). Pakt der Generationen. Pressekonferenzvom 8. August 2002.65


Gesellschaftlicher Wertewandel als Realität und ChanceBereits vor dem Ersten Weltkrieg debattierten die Schweizer über bescheidene Formender Altersversorgung, bevor sie diese dann 50 Jahre später gesetzlich umsetzen. Diezeitliche Verzögerung zwischen den ersten Initiativen und den gesetzlichen Regulierungensind – u. a. eine Folge von Föderalismus und direkter Demokratie – beträchtlich.Auch die berufliche Vorsorge existierte für zahlreiche Arbeitnehmer bereits Jahrzehntevor der Einführung des entsprechenden Obligatoriums in den 1980er-Jahren. Es ist daherwichtig zu verstehen, dass die Ursprünge der heutigen Altersvorsorge wenigstens 50,teilweise sogar über 100 Jahre zurück reichen.Der Wertewandel in einer solch langen Zeitperiode prägt nachhaltig die gesellschaftlicheund volkswirtschaftliche Entwicklung und wirkt auf Einstellungen zu wichtigen<strong>The</strong>men, wie beispielsweise der Altersvorsorge, ungeachtet bestehender Gesetze undbewährter Vorstellungen. Forschungsergebnisse belegen, dass Wertewandel stattfindet,langfristige Trends begleitet und unter anderem Wirklichkeiten entstehen lässt,die niemand plante und nicht korrigiert werden kann. 10 Die Besonderheit des Wertewandelsbesteht darin, dass graduelle Veränderungen über lange Zeiträume erfolgenund in Betrachtungszeiträumen von zwei, vier oder zehn Jahren verborgen bleiben. DieVeränderungen führen nicht zu eigentlichen Spannungsfeldern. Vielmehr führen sie zukomplexen Verlagerungen eines gesellschaftlichen Bewusstseins von einer Generationzur nächsten.Den Wertewandel mit Begriffen wie «Materialismus» oder «Individualität» darzustellengelingt nicht. Dafür sind die Begriffe zu allgemein und zu vieldeutig. Stattdessen gehtes in der Folge darum, stellvertretend anhand von drei ausgewählten Veränderungendas sich wandelnde Selbstverständnis der Schweizer Gesellschaft im Allgemeinen unddas einzelner Generationen im Besonderen darzustellen. Die drei vorgestellten Veränderungenumfassen (a) die internationale Integration, (b) den monetären Überfluss und (c)Pluralität und Technologie.(a) Die Zeiten sind vorbei, in denen die Nachbarländer der Schweiz im Krieg stehen,die nationale Selbstversorgung ein wichtiges politisches Ziel darstellt sowie Industrialisierungund Nachholbedarf zu beispiellosem Wirtschaftswachstum führen. Heutekennt die Schweiz Kriege aus Zeitungen und Spielfilmen und es bestehen internationaleMärkte zu fast allen Gütern und Leistungen. Der Schweizer Wohlstand braucht Aussenhandel(Abb. 1), 11 Direktinvestitionen und Kapitalverkehr. Die bilateralen Verträge mitder Europäischen Union öffnen Grenzen. In den letzten 100 Jahren führte der Weg von10Vgl. Roos, Georges T. (2004). Wertewandel in der Schweiz 2004 - 2014 - 2024: vier Szenarien. Oberrieden:Swissfuture11Vgl. Bundesamt für Statistik (2005). Statistisches Lexikon der Schweiz..66


anhaltenden politischen Spannungen und kriegerischen Auseinandersetzungen zurinternationalen Integration.(b) Die Zeiten sind vorbei, in denen das sichere Befriedigen der Grundbedürfnisse einZiel der Schweizer Politik darstellt und die Grossfamilien die Versorgung der Altengewährleisten. Heute ist die Befriedigung der Grundbedürfnisse sichergestellt. Die Multioptionsgesellschaft12 geniesst Unterhaltung, lebt Konsumfreude (Abb. 2) 13 und übersiehtArmut. Die umfassende medizinische Versorgung steht allen zur Verfügung. DieVersorgung der Alten seit Jahren auch Aufgabe des Staates. In den letzten 100 Jahrenführte der Weg vom materiellen Mangel zum monetären Überfluss.(c) Die Zeiten sind vorbei, in denen Bauern die höchste Wertschätzung in der Bevölkerungerhalten 14 und einheitliche Religionsbilder die Gesellschaft prägen. Heute gehörtden Technologen und höher Ausgebildeten (Abb. 3) 15 die virtuell geschrumpfte Welt, inwelcher Religionspluralität mitunter sogar in Kleinfamilien existiert. 16 In den letzten 100Jahren führte der Weg von den Bauern und Arbeitern zu den Technologen und Dienstleistern.Fazit: Der Einfluss des Wertewandels auf die Altersvorsorge ist vielschichtig. Bereits diesedrei Beispiele zeigen, dass sich die Werte der Schweizer Gesellschaft in den letzten Jahrzehntenweiterentwickelten und daher zurecht Ungewissheit darüber besteht, ob einModell, basierend auf dem Gedankengut der 1940er- und 1960er-Jahre tatsächlich denheutigen – oder noch wichtiger den zukünftigen Bedürfnissen – genügt. Wertewandelals Chance bedeutet, sich den veränderten Präferenzen und Möglichkeiten zuzuwenden,um bestehende Lösungen zu erneuern. Das Dreisäulen-Modell und der «Generationenvertrag»transportieren veraltete Vorstellungen über Wachstum und Solidarität indie Gegenwart und spuren die Reformdiskussion so vor, dass sich die Frage stellt, ob dieSchweiz das Altersvorsorgesystem immer noch lenkt oder ob sie nicht viel mehr von deneigenen alten Modellen gelenkt wird. Eine Denkhilfe in Form eines neuen Gesamtmodellskann helfen, sich grundlegender mit den Leitlinien einer nachhaltigen Altersvorsorgeauseinander.12Vgl. Gross, Peter (1994). Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.13Vgl. Bundesamt für Statistik (2005). Statistisches Lexikon der Schweiz.14Vgl. Baumann, Werner und Moser, Peter (2005). Bauern im 19. und 20. Jahrhundert. Bern: Historisches Lexikonder Schweiz.15Vgl. Bundesamt für Statistik (2005). Statistisches Lexikon der Schweiz.16Vgl. Bovay, Claude und Broquet, Raphael (2004). Religionslandschaft in der Schweiz. Neuchâtel: Bundesamtfür Statistik.67


Abbildung 1: Anstieg der Importe und Exporte in der SchweizAbbildung 2: Anstieg der Anzahl Personenwagen pro Haushalt in der SchweizAbbildung 3: Anstieg der relativen Anzahl Studierender an Universitäten in der Schweiz68


Das St. Galler Existenzsicherungs- undAltersvorsorgemodell als DenkhilfeDas ausdifferenzierte Schweizer Altersvorsorgesystem weist eine hohe soziale und wirtschaftlicheKomplexität auf. Es umfasst und integriert eine nicht überblickbare Anzahlvon Aspekten, die nicht vollständig in ein Modell einfliessen. 17 Viele Aspekte sind zudemabstrakt, das heisst sie sind erdacht, immateriell und sinnlich nicht wahrnehmbar.Jedes Altersvorsorgemodell vereinfacht. Es erfordert Anstrengung, den Sachverhaltdennoch von mehreren Seiten zu betrachten, den Gesamtzusammenhang im Auge zubehalten und den Hang zu übertriebener Vereinfachung zu meiden.Mit dem St. Galler Existenzsicherungs- und Altersvorsorgemodell (SEA-Modell) stehteine Denkstruktur, die dazu beiträgt, eingefahrene Vorstellungen zu überwinden,disziplinübergreifend zu verstehen und in neue Erkenntnisse und Perspektiven einzubetten.Das SEA-Modell trifft eine Auswahl von <strong>The</strong>men, die im Zusammenhang mit derGesamtkonzeption der Existenzsicherung und Altersvorsorge von den Autoren und demProjektteam «Neuer Generationenvertrag» als wesentlich erachtet werden.Die theoretischen Grundlagen des SEA-Modells bilden das St. Galler ManagementModell und das Nachhaltigkeitskonzept.Die GrundlagenDas St. Galler Management Modell 18In der graphischen Darstellung des St. Galler Management Modells (SGMM) steht dasUnternehmen im Zentrum und wird von Interaktionsthemen, Anspruchsgruppen undUmweltsphären umgeben. Durch diese Anordnung wird der Anwender des SGMM aufgefordert,sich nicht nur mit dem eigenen Unternehmen im engeren Sinn auseinanderzu setzen, sondern darüber hinaus die Vernetzung mit der Umwelt zu beachten.Das SGMM ist ein betriebswirtschaftliches Modell. Betriebswirtschaftliche Modelle könnennur begrenzt volkswirtschaftliche, gesellschaftliche oder politische Aufgabenstel-17Vgl. Ackermann, Walter; Schächtele, Andreas (1998). Herausforderung Altersvorsorge - Ein Beitrag zur Analyseund Entwicklung der Altersvorsorge aus systemischer Sicht. St. Gallen: I◊VW-Schriftenreihe, Band 35.18Vgl. Rüegg-Stürm, Johannes (2002). Das neue St. Galler Management-Modell: Grundkategorien einer integriertenManagementlehre. Bern: Haupt. S. 21ff.69


lungen abbilden. Zudem lässt sich die Steuerbarkeit eines Unternehmens nicht mit derSteuerbarkeit eines Altersvorsorgesystems vergleichen.Dennoch geht es in der Altersvorsorge Schweiz im Grunde um vergleichbare Kernanliegen:Es geht darum, innerhalb der Rahmenbedingungen ein System so zu führenund die knappen Ressourcen so zu organisieren, dass die gewünschten Leistungen zuPreisen angeboten werden, die der Markt zahlt. Zudem erfährt das Wertempfinden derBürger und der Kunden sowohl in Konzepten des New Public Management als auchin Konzepten des General Management 19 eine hohe Beachtung. Auch deshalb ist essinnvoll, jenes kreative Potential zu ergründen, welches die Autoren in der Übertragungeiner ganzheitlichen betriebswirtschaftlichen Perspektive auf die Altersvorsorge vermuten.Das SEA-Modell übernimmt die Kernidee und die Struktur des SGMM sinngemäss, wobeitreffendere Bezeichnungen eingesetzt werden. Deshalb entsteht■■■■■■aus Unternehmen: Existenzsicherung und Altersvorsorgeaus Umweltsphären: (1) Faktoren der Umweltaus Interaktionsthemen: (2) Bilder der Gesellschaftaus Ordnungsmomenten und Entwicklungsmodi: (3) Prinzipien der Lösungaus Prozessen: (4) Varianten der Umsetzungaus Anspruchsgruppen: Interessengruppen.Die zweite theoretische Grundlage des SEA-Modells bildet das Nachhaltigkeitskonzept.Das NachhaltigkeitskonzeptAltersvorsorge ist langfristig zu planen und zu sichern. Es ist daher wichtig, Altersvorsorgelösungennachhaltig einzurichten. 20 Als nachhaltig gelten jene Lösungen, dieBedürfnisse der Gegenwart erfüllen und Spielraum für die Erfüllung künftiger Bedürfnissebelassen. 21 Gewissenhaft angewendet bedeutet dies, eine Altersvorsorgelösungso zu gestalten, dass, ausgehend vom heutigen Erkenntnisstand, diese über mehrereGenerationen hinweg erstens funktioniert (Bedürfnisse der Gegenwart) und zweitensSpielraum lässt, das System in unvorhergesehener Weise anzupassen (Bedürfnisse derZukunft).20Vgl. <strong>The</strong> <strong>Sustainability</strong> <strong>Forum</strong> (2005). Workshop mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Projekt«Neuer Generationenvertrag». Durchführung vom 11. und 12. Januar 2005 im Kongresshaus Zürich.21Vgl. «Meet the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet theirown needs.» In: World Commission on Environment and Development (1987). Our common future (Brundtlandreport). New York: United Nations. S. 54.70


Anforderungen an die Nachhaltigkeit lassen sich nicht isoliert, beispielsweise auf monetäre<strong>The</strong>men, reduzieren. Sie gelten umfassend: für menschliche und gesellschaftlicheebenso wie für wirtschaftliche und ökologische Anliegen. 22 In der Altersvorsorgediskussionrücken indessen vor allem gesellschaftliche, insbesondere demographische, undwirtschaftliche Anliegen in den Vordergrund, weil insbesondere aus dieser Optik einigeEntwicklungsszenarien die Dauerhaftigkeit des heutigen Altersvorsorgesystems in Fragestellen. 23Die sozioökonomische Stellung von Rentnerhaushalten verbesserte sich mit der Einführungder Altersvorsorgesysteme grundlegend: Die finanzielle Existenz im Alter giltheute, im Vergleich etwa zur Situation im 19. oder in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts,weitgehend als gesichert. Aus dieser Sicht ist die bestehende Altersvorsorgelösungals nachhaltig bezeichenbar.Folgt man jedoch den Ausführungen einiger Studien sind Einschätzungen für dieZukunft weniger optimistisch. Ein Altersvorsorgesystem ist nicht länger als nachhaltigbezeichenbar, wenn das Funktionieren vom Eintreffen bestimmter demographischeroder volkswirtschaftlicher Szenarien abhängt, deren Eintreffwahrscheinlichkeit nichtdie sicheren 100 Prozent erreichen, sondern weniger, vielleicht sogar deutlich weniger.Das System benötigt folglich soweit Erneuerung, dass es auch unliebsame und unerwünschteEntwicklungen zu absorbieren vermag.Im Projekt «Neuer Generationenvertrag» wird die Nachhaltigkeit sowohl über Dialogeals auch über Inhalte gefördert. Über den Dialog bedeutet, es treffen sich Personenund Personengruppen zum Dialog, die sich üblicherweise nicht an einen Tisch setzen.Über den Inhalt heisst, dass Wissenschafter eine Plattform für die disziplinübergreifendeSacharbeit erhalten. Beides ist notwendig, um die bevorstehenden Herausforderungender Altersvorsorge weitsichtig zu meistern.Fazit: Zahlreiche Studien liefern Indizien dafür, dass das heutige Altersvorsorgesystemsin einer weiterführenden Qualität als bisher üblich zu erneuern ist. Um konstruktiveLösungen zu erreichen, sind neue Denkhilfen erforderlich, die sowohl eine integrierendeals auch eine weitsichtige Perspektive unterstützten.22Vgl. Goodland, Robert (2002). <strong>Sustainability</strong>: Human, social, economic and environmental. In: Munn, Ted(Hrsg.): Encyclopedia of Global Environmental Change. Hoboken: Wiley.23Vgl. Unterscheidung einer dynamischen und statischen Betrachtung in Anlehnung an Bretschger, Lucas(1999). Flow and stock concepts. In: Growth theory and sustainable development. Cheltenham: Elgar. S.190ff..71


Das SEA-ModellEinleitungDie Autoren schlagen hierzu ein neues Gesamtmodell vor: das St. Galler Existenzsicherungs-und Altersvorsorgemodell (SEA-Modell). Das SEA-Modell hilft, ergänzend undaufbauend zu Optimierungsdebatten komplexer Teilbereiche auch Grundsatzdebattenüber Leitlinien einer langfristigen Ausrichtung zu führen. Im Rahmen des Projektes«Neuer Generationenvertrag» haben die Autoren einige Feedbacks von namhaftenVertretern aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft in die vorliegende Version des SEA-Modells eingearbeitet.Das SEA-Modell unterscheidet fünf Ebenen (Abb. 4):■■■■■(1) Faktoren der Umwelt,(2) Bilder der Gesellschaft,(3) Prinzipien der Lösung,(4) Varianten der Umsetzung undInteressengruppen.Die Nummerierung der Ebenen bezeichnet den Grad der Gestaltbarkeit aus Sicht derInteressengruppen in einer Altersvorsorgedebatte, wobei (1) eine geringe und (4) einehohe Gestaltbarkeit anzeigen. Die Interessengruppen sind nicht nummeriert, weil sieaktiv die Ebenen (1) bis (4) gestalten und nicht eine Gestaltungsebene darstellen.Das SEA-Modell wird nachfolgend kurz und dicht ausgeführt.Abbildung 4: St. Galler Existenzsicherung- und Altersvorsorgemodell (SEA-Modell)72


(1) Faktoren der UmweltDie Faktoren der Umwelt beeinflussen Altersvorsorgesysteme nachhaltig, ohne selbstvon diesen wesentlich beeinflusst zu werden. Dazu zählen:■■■■Volkswirtschaftliche FaktorenDemographische FaktorenFinanztechnische FaktorenVölkerrechtliche Faktoren.Nachfolgend sind die wichtigsten Gründe aufgeführt, die zur Einteilung der vier Faktorenin Ebene 1 führen.Volkswirtschaftliche Faktoren: Das Altersvorsorgesystem ist heute so aufgebaut, dasseine wachsende Volkswirtschaft eine der wichtigsten Voraussetzungen für die nachhaltigeLeistungsfähigkeit des Systems darstellt. Der Umkehrschluss indes stimmt nicht.Das Altersvorsorgesystem wird nicht als Voraussetzung für eine wachsende Volkswirtschaftgesehen, sondern bestenfalls als Beitrag dazu. Die Altersvorsorge folgt somiteiner wachsenden Volkswirtschaft, auch wenn durch Massnahmen wie Zwangssparenund Umverteilung über Kapitalstock und Konsum wichtige Verbindungen zwischenVolkswirtschaft und Altersvorsorgesystem bestehen. In der Altersvorsorgediskussion<strong>The</strong>men wie Wirtschaftsförderung und Konjunkturbelebung zurückz stellen, ist sinnvoll,wenn die Altersvorsorgediskussion unter Berücksichtigung der wichtigsten volkswirtschaftlichenMechanismen stattfindet. Es gilt, die wichtigsten volkswirtschaftlichenMechanismen aus Sicht der Altersvorsorge in einer späteren Arbeit zu identifizieren undauszuführen. Zu den relevanten <strong>The</strong>men gehören unter anderem Wirtschaftswachstumund Rezession, Produktivitätsgewinne und Arbeitslosigkeit, Kaufkraft und Wettbewerbsfähigkeit.Demographische Faktoren: Die Demographie verwendet häufig die Alterspyramideals graphische Darstellung. Diese Darstellung vereinigt in sich vier Einflüsse: Dazu zählendas lange Leben, das sichere Leben, die Fertilität und die Migration.Zu den Faktoren der Umwelt (Ebene 1) zählen nur das lange und das sichere Leben. Diebeiden anderen demographischen Faktoren, Fertilität und Migration, sind aus Sichtder Altersvorsorgediskussion gestaltbarer und werden daher in Bilder der Gesellschaft(Ebene 2) unter Familienbild (Fertilität) und Arbeitsbild (ökonomisch motivierte Migration)behandelt. Das lange Leben umfasst die Auseinandersetzung mit den ältestenEinwohnern. Es geht darum herauszufinden, ob und wodurch die ältesten Menschenein immer höheres Alter erreichen. Diese Analysen liefern Hinweise darüber, ob undwie stark die durchschnittliche Lebenserwartung langfristig steigen könnte. Das sichereLeben umfasst die Errungenschaften der letzten Jahrzehnte zu <strong>The</strong>men wie Frieden,Hygiene, Ernährung und Medizin, welche in der Summe dazu führt, dass der relative73


Anteil der 20-Jährigen, die ein hohes Alter erreichen und damit Altersvorsorgeleistungenbeziehen, weiter stark a ansteigt. Die Altersvorsorgediskussion begrüsst das lange undsichere Leben als Glücksfall. Die Gesellschaft versucht nun, diesen Glücksfall im Sinnedes Individuums finanziell abzusichern. Nicht im Vordergrund steht der Einfluss einergenügenden finanziellen Versorgung auf die Verlängerung der Lebenserwartung bzw.der Einfluss einer ungenügenden finanziellen Versorgung, beispielsweise für teure Medikamente,auf die Verkürzung der Lebenserwartung. Daher beeinflussen das lange unddas sichere Leben das Altersvorsorgesystem nachhaltig, ohne selbst davon beeinflusstzu werden.Finanztechnische Faktoren: Ausgehend von einem einfachen Verständnis überfinanztechnische Zusammenhänge baut die Grundstruktur des Altersvorsorgesystemsauf stabile Eckwerte der Kapital- und Risikomärkte. Seit der Errichtung veränderten sichdie Kapital- und Risikomärkte in vielen Bereichen grundlegend und destabilisiertenunliebsam einige Eckwerte. Die Finanztechnik benötigt heute ausgeklügelte Methoden,um über die dynamischen, internationalen Märkte das Gleichgewicht von Risiko undErtrag quantitativ zu optimieren. Für den Staat oder den Anleger existiert keine Möglich,mittels Vorschriften kostenneutral in diese quantitative Optimierung einzugreifen:Statische Anlagevorschriften, übervorsichtige Deckungsanforderungen, marktfremdeMindestzinssätze oder unrealistische Umwandlungssätze verletzen die quantitativeLogik und reduzieren eine finanztechnisch mögliche auf eine altersvorsorgespezifischmachbare Optimierung. Die Differenz übernehmen nicht die Finanz- und Risikomärkte,sondern letztlich die Anleger und Versicherungsnehmer selbst. Je besser die Grundstruktureines Altersvorsorgesystems die Kenntnisse über moderne finanzwirtschaftlicheZusammenhänge berücksichtigt, desto weniger stressen und gefährden Differenzen dieIntegrität des Systems. Daher beeinflussen die finanztechnischen Faktoren die Altersvorsorgesystemenachhaltig, ohne selbst von diesen wesentlich beeinflusst zu werden. Zuden finanztechnischen Faktoren zählen beispielsweise die Finanzmathematik und dieVersicherungstechnik.Völkerrechtliche Faktoren: Die Wirtschafts- oder Friedensinteressen treiben dieUnterzeichnung internationaler Abkommen voran. Neuere Abkommen enthalten oftauch Abschnitte und Anhänge über die soziale Sicherheit zu finden. Zu den interessantenVerträgen aus Sicht der Altersvorsorge zählen der Internationale Pakt über diewirtschaftlichen, sozialen und kulturelle Rechte mit den Vereinten Nationen und dieAbkommen über die Freizügigkeit mit der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten.Im internationalen Pakt legt sich die Schweiz auf normative Minimalstandards in dersozialen Sicherheit fest, die einer moralischen Verpflichtung entsprechen. Weit konkreterund verbindlicher sind die bilateralen Verträge mit der EU, insbesondere dem Anhang2 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit. Der Anhang regelt unteranderem die gegenseitige Anrechnung von Beitragsjahren. In der Durchführung derAltersvorsorgesysteme spielen diese internationalen Abkommen heute eine untergeordneteRolle. In einer langfristigen Betrachtung bestehen allerdings Überlegungen,74


wonach Bürger der Europäischen Gemeinschaft ihre geographische Niederlassung imAlter auch basierend auf dem monetären Gegenwert der Beitragsjahre festlegen oderwonach Reformen in der EU de facto auch zu weit reichenden Reformen in der schweizerischenAltersvorsorge führen könnten. Der Einfluss der Altersvorsorgediskussion aufdie Existenz und die Grundausrichtung internationaler Abkommen bleibt beschränkt.Daher beeinflussen die völkerrechtlichen Faktoren die Altersvorsorgesysteme nachhaltig,ohne selbst von diesen wesentlich beeinflusst zu werden.Fazit: Faktoren der Umwelt folgen gewissen Gesetzmässigkeiten. Durch die Einordnungder vier <strong>The</strong>men in die Ebene 1 erhalten die Gesetzmässigkeiten ein hohes Gewicht: Siewerden zu Rahmenbedingungen. Es ist nicht sinnvoll, eine Altersvorsorgediskussionrund um die Rahmenbedingungen anzusiedeln. Viel wichtiger wäre es, verfügbaresWissen zu bündeln mit dem Ziel, relevante Rahmenbedingungen möglichst klar darzustellen.Die inhaltliche Auseinandersetzung ist dann unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungenin andere, besser gestaltbare Ebenen (2, 3, 4) zu verlagern.Auch wenn die Wirkungen der Faktoren der Umwelt gewissen Gesetzmässigkeiten folgen,entscheiden die Bilder der Gesellschaft (Ebene 2) über die Art und Weise der Reaktionauf die Gesetzmässigkeiten. Grundsätzlich sind vier Reaktionsarten unterscheidbar:(a) nicht erkennen, (b) wahrnehmen (betrifft Ebene 2), (c) nach einem Lernprozess neueLösungen aus den Prinzipien der Lösung zulassen (betrifft Ebene 3) oder (d) flexibilisierenund das Altersvorsorgesystem auszugsweise direkt von den Faktoren der Umweltsteuern lassen (betrifft Ebene 4).(2) Bilder der GesellschaftDie Bilder der Gesellschaft (Ebene 2) interpretieren die Faktoren der Umwelt (Ebene1) und stehen in Wechselwirkung mit den Prinzipien der Lösung (Ebene 3). Die Bilderder Gesellschaft beinhalten wertvolle und nutzbare Gestaltungsräume. Zu den Bildernzählen:■■■■Bilder der WohlfahrtBilder des AltersBilder der ArbeitBilder der Familie.Nachfolgend sind einige Fragen aufgeführt, die andeuten, in welchen Bereichen wertvolleund nutzbare Gestaltungsräume bestehen.75


Bilder der Wohlfahrt:■■■■Welche Beiträge leistet die Umverteilung zu Wohlfahrt und sozialem Frieden? WelcheUmverteilungsziele werden erreicht und welche nicht? Welche solidarischen Umverteilungenvon Einkommen, Vermögensbildung und Vermögen werden von derGesellschaft als gerecht empfunden und damit getragen?Worin unterscheiden sich die Anforderungen von Kohorten an das WohlfahrtsteilsystemExistenzsicherung und Altersvorsorge?In wie weit ist ein staatlicher Einfluss sowohl auf die Versicherung einer ausserordentlichenLanglebigkeit als auch auf die Finanzierung eines ordentlichen Ruhestandeserforderlich?Wie risikofähig ist die Schweizer Gesellschaft?Bilder des Alters:■■■Worin bestehen Sinn und Rolle des Altseins in einer modernen Gesellschaft und welchenEinfluss hat dies an ein Altersvorsorgesystem?Welche Anforderungen stellen unterschiedliche Segmente des Alters an ein Altersvorsorgesystem(z. B. Gesunde, Kranke, Reiche, Arme)?Welche Chancen und Gefahren stecken in der Institutionalisierung von Lebensläufen(z. B. Pensionierungsalter 65), wenn die Pluralität in der Gesellschaft laufend zunimmt?Bilder der Arbeit:■■■■Wie sieht die Arbeitswelt in Zukunft aus?Welche Rolle spielt die Erwerbs-, Freiwilligen- und Familienarbeit im Altersvorsorgesystem?Wie wird Arbeitsmangel und Arbeitsüberschuss von der Gesellschaft und vom Individuumgetragen (z. B. Migrationspolitik, Erhöhung des Pensionierungsalters)?Für wen und weshalb gilt es als erstrebenswert, ein offizielles Pensionierungsalter zuunterbieten?Bilder der Familie:■■■Welche Prinzipien der Altersvorsorge sind zu hinterfragen, wenn die traditionelleKernfamilie immer mehr von alternativen Familien- und Eheformen abgelöst wird?Welche Rolle spielen die Alten in einer Familie, welche Rolle spielt die Familie für dieAlten?Welchen Einfluss hat das Selbstbild junger Frauen auf die Geburtenrate? WelchenEinfluss hat das Altersvorsorgesystem auf die Geburtenrate?Fazit: In den Bildern der Gesellschaft beeinflussen die unterschiedlichsten Aspekte einander:quantitative und qualitative, freiwillige und obligatorische ebenso wie monetäre76


und nichtmonetäre oder rationale und irrationale Aspekte. Die Zusammenhänge dieserAspekte sind zum Teil offensichtlich, zum Teil subtil und wissenschaftlich kaum fassbar.Entsprechend überrascht nicht, dass der überwiegende Teil wissenschaftlicher Studienoffensichtliche, quantitative Aspekte (z. B. demographische Entwicklung) und wenigersubtile, qualitative Aspekte (z. B. ganzheitliche Familienbilder) behandeln.Die Bilder der Gesellschaft bestehen aus einem Mix von überlieferten Erzählungen, persönlichenErfahrungen, gegenwärtigen Realitäten und Vorstellungen über die Zukunft.Die Vorstellungen der Menschen und die verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinenzeichnen teilweise übereinstimmende, ergänzende aber auch widersprüchliche Bilder.Die Autoren gehen davon aus, dass die Zusammenführung dieser Bildervielfalt zu einemGesamtbild führt, welches dazu beiträgt, die Altersvorsorge in einer neuen Qualität zudiskutieren.Seit Jahren nimmt die Pluralität in der Gesellschaft (z. B. in Familienstrukturen oder Religion)stark zu und führt zu intensiven und komplexen Wechselwirkungen innerhalb dessozialen Gefüges. Im Rahmen eines Altersvorsorgedialogs geht es darum, diese Bilder zukonkretisieren. Das Ziel kann nicht sein, einen Konsens zu finden, sondern jene komplexenWechselwirkungen zu klären und zu vereinfachen, die für die Einrichtung einernachhaltigen Altersvorsorge von Bedeutung sind. Durch die Konkretisierung entstehteine Substanz, die es erlaubt, nachhaltige Prinzipien der Lösung zu erkennen und ergebnisorientiertzu diskutieren. Es ist diese Substanz, die hilft, aus vieldeutigen normativenGestaltungsregeln eindeutige Ziele und Lösungsansätze abzuleiten, die von der Gesellschaftgewünscht und getragen werden.(3) Prinzipien der LösungDie Prinzipien der Lösung bilden, unter Berücksichtigung der Faktoren der Umweltund in Wechselwirkung mit den Bildern der Gesellschaft, die wichtigste Ebene für diegrundsätzliche, integrierte und nachhaltige Erneuerung und Steuerung des Altersvorsorgesystems.Prinzipien sind Grundsätze, Leitlinien oder allgemeine Regeln, die gleichermassen eineabstrakte und eine konkrete Aussagekraft beinhalten: sie sind konkret genug, so dass sieverbindlich wirken und abstrakt genug, so dass sie dennoch übertragbar bleiben. EineReform entlang ausgewählter Prinzipien zu entwickeln stellt sicher, dass Teilsystemeeiner einheitlichen Philosophie folgen und sich aufeinander abstimmen.Die Gestaltungsebene Prinzipien der Lösung besteht aus drei Phasen: In der erstenPhase geht es darum, geltende Gestaltungsregeln darzustellen. In der zweiten Phaseentsteht – basierend auf Analysen und Diskursen über Ziele und Lösungsansätze – einmehr oder weniger stringentes Gesamtkonzept. In der dritten Phase steht die Umsetzungder Gesamtkonzeption über den politischen Prozess im Vordergrund.77


Gestaltungsregeln bleiben über längere Zeiträume unverändert. Für die Reformbeteiligtenbilden diese Gestaltungsregeln den kleinsten gemeinsamen Nenner auf normativerEbene, vergleichbar mit einer «Mission Statement» eines Unternehmens. Zu den häufigerwähnten Gestaltungsregeln im Zusammenhang mit der Altersvorsorge gehörenBegriffe wie Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit oder Leistungsfähigkeit. Diese allgemeinenBegriffe erfahren erst durch die kulturkreisspezifischen Bilder der Gesellschaft eineKonkretisierung, so dass eindeutigere Ziele und Lösungsansätze entwickelbar sind, auchwenn die Varianten der Umsetzung noch zahlreich bleiben.Ziele und Lösungsansätze 24 beinhalten ein Verfalldatum. Denn durch den Wandel derZeit wird es notwendig, Ziele und Lösungsansätze zu erneuern, insbesondere wennGestaltungsregeln gültig bleiben sollen. Ziele verstehen sich als Vision und Lösungsansätzeals Strategieansätze, um diese Vision zu erreichen. In der Summe bilden Ziele undLösungsansätze die Gesamtkonzeption der Altersvorsorge.Die Umsetzung der Gesamtkonzeption erfolgt in einem demokratischen Prozess überdie Gesetzgebung (z. B. neue Rahmengesetze, Überarbeitung von Gesetzen, Verordnungenoder internationalen Verträgen), über Dialog und Ausbildung (Experten, Medien,interessierte Bürger) und über vereinfachte Information der Allgemeinheit. Es ist davonauszugehen, dass in dieser Umsetzung das Gesamtkonzept unkontrollierbare Verzerrungenerfährt: kommunikative Hindernisse, Einflussnahme durch Interessengruppen,punktuelle Einflüsse von Wahlen und Abstimmungen, neue Erkenntnisse, Mythen,unterschiedliche Einschätzungen bezüglich Praktikabilität einer Lösung, um nur einigeGründe zu erwähnen.Fazit: Um die bevorstehenden Herausforderungen zu meistern, braucht es Fach- undFührungskompetenzen, die in der Schweiz nur verstreut vorhanden sind. VorhandeneKompetenzen werden selten, bestenfalls innerhalb von Interessengruppen, einzelnerBundesämter, einzelwissenschaftlicher Disziplinen, parlamentarischer Kommissionenoder innerhalb von Projektinitiativen (z. B. Projekt «Neuer Generationenvertrag») gebündelt.Darauf aufbauend sind weitere Initiativen und Plattformen notwendig, um dieBündelung der Kompetenzen aus Sicht einer Nation zu maximieren, beispielsweise wiedie niederländische Projektinitiative «Netspar». 2524Anmerkung: Es gibt viele Formulierungen, die gelegentlich in den Stand eines Ziel- oder Lösungsprinzipsgehoben werden. Allerdings gilt es zu bedenken, dass viele Formulierungen dafür zu wenig konkret oderzu wenig abstrakt sind. Zum Beispiel das Prinzip nach Eigenverantwortung lässt sich gut in den <strong>The</strong>menkreisVorsorgesparen übertragen, aber nicht unbedingt in den <strong>The</strong>menkreis Existenzsicherung. BessereBeispiele sind Grossbritanniens Ruf nach Komplexitätsreduktion, Deutschlands Reformen zur Rekonfigurationder Leistungserbringung oder Schwedens Stossrichtungen zur Reduktion auf das Wesentliche.25Weitere Informationen zum Beispiel unter http://www.tilburguniversity.nl/netspar/78


(4) Varianten der UmsetzungDie Varianten der Umsetzung (Ebene 4), beschränken sich auf die finanzielle Existenzsicherungund Altersvorsorge im engeren Sinn, konkretisieren die Prinzipien der Lösung(Ebene 3) und liefern punktuelle Antworten zu aktuellen Fragen. <strong>The</strong>matisiert werdenetwa:■■■Finanzierung und LeistungAufgaben und VerantwortungÜbergangsbestimmungen.Die Diskussionen über die Durchführung und deren Verbesserung finden auf hohemprofessionellen Niveau statt. Eine Reihe von Studien und Publikationen befassen sichmit einzelnen Fragestellungen und werden in diesem Beitrag nicht weiter ausgeführt.InteressengruppenObwohl das Altersvorsorgesystem eigentlich nur dem Bürger und dadurch der Gesellschaftdienen sollte, ist das Altersvorsorgesystem nicht losgelöst von weiteren Interessengruppender Gesellschaft zu verstehen. Zu den Interessengruppen zählen:■■■■PrivatpersonenArbeitgeberFinanzintermediäreInteressengruppen-Vertreter.Es sind diese vier Gruppen, mit denen der Dialog über die Gestaltungsebenen des SEA-Modells zu führen ist. Die Interessengruppen werden im SEA-Modell nicht mit der Zahl5 bezeichnet, um die Unterscheidung der vier Gestaltungsebenen einerseits und denGestaltern andererseits klar anzuzeigen:■ Zu den Privatpersonen zählen Angestellte, Arbeiter, Selbständige, Arbeitslose, Rentner,Ehepartner, Kinder u. a. Weiter zu berücksichtigen sind Stichworte wie Individualität,Selbstbestimmung und Eigenverantwortung u. a.■ Zu den Arbeitgebern zählen jene mit eigener Pensionskasse und jene mit Anschlussan eine Sammelstiftung. Zudem ist der Patronatsfunktion eine besondere Beachtungzu schenken.■ Zu den Finanzintermediären zählen: Vermögensverwalter, Versicherer, Banken, Pensionskassen,Ausgleichskassen u. a.■ Zu den Interessengruppen-Vertretern zählen: Politiker, Funktionäre, Journalisten u. a.79


Fazit: Partikularinteressen dominieren die laufende Altersvorsorgediskussion. Es isterforderlich, in einem Teil des Gesamtmodells die Motivlage der Interessengruppen sodarzustellen, dass kurz- und mittelfristige Partikularinteressen besser als solche erkennbarwerden. Um ein weitsichtiges Altersvorsorgesystem einzurichten gilt es, zusätzlichauch jene substanziellen Interessen zu berücksichtigen, die in der Altersvorsorgesteuerungheute kaum Gehör finden.AbschlussDas SEA-Modell ist als Denkhilfe und Gesamtmodell konzipiert. Als Denkhilfe ordnetes die zum Teil komplexen Argumentationsketten ein. Als Gesamtmodell stellt es denKontext her, fördert eine übergeordnete Sicht und regt zu integrierten Lösungen an. DasGesamtmodell greift viele <strong>The</strong>men auf. Im Vordergrund bleiben dennoch Zusammenhängeund Schlussfolgerungen aus einer Gesamtperspektive. Insofern spielt es vermutlicheine untergeordnete Rolle, falls im Gesamtmodell <strong>The</strong>menanordnungen nichtvöllig widerspruchsfrei, komplexe Wechselwirkungen nicht vordergründig genug oderGestaltungsebenen optisch stark genug getrennt sind.Wie weiter?Seit einigen Jahren offenbaren sich das Altersvorsorgesystem und Vorstellungendarüber nicht nur als gesellschaftliche Errungenschaft sondern auch als Problem. Auchwenn die revidierte Bundesverfassung aus dem Jahre 1999 auf aktualisierten Bildernder Gesellschaft herstammt, gilt dies für viele untergeordnete Gesetze und Verordnungennicht: Diese sind von verschiedenen Stellen angeregt und in unterschiedlichenwirtschaftlichen und politischen Gegebenheiten entschieden worden. Aus Sicht derLegislative entstand dadurch ein komplexes Gebilde, welches die Umsetzung eineszeitgenössischen und weitsichtigen Gesamtkonzeptes erschwert und behindert, 26 wiebeispielsweise bei der Einführung des «Allgemeinen Teil der Sozialversicherung». 2726Vgl. Frauenfelder, Max (1973). Zur Koordination der Sozialversicherung. In: Dargeboten von Mitarbeiternund Freunden (Hrsg.): Festschrift Hans Peter Tschudi. Bern: Bubenberg-Verlag. S. 81.27Die Erfahrungen mit der Einführung des «Allgemeiner Teil der Sozialversicherung (ATSG)»: Die ursprünglicheIdee sah keine Vision vor, sondern nur eine für die Praxis wertvolle begriffliche, prozessuale undleistungsbezogene Koordination der Sozialversicherungsgesetze. Die berufliche Vorsorge wurde schonfrüh ausgeklammert. Zudem ist es nicht gelungen, dem ATSG einen Vorrang gegenüber den anderenEinzelgesetzen zu verleihen. Dies führte zum Ergebnis, dass die Komplexität erhöht, statt wie beabsichtigtreduziert wurde. Vgl. Berger Hadron, Regina; Rechsteiner, Paul; Beck, Peter; Meyer-Blaser, Ulrich; Allenspach,Heinz und Müller, Hans-Rudolf (2002). Das Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechtsvor der Einführung. In: Soziale Sicherheit. Nr. 5, S. 261-282.80


Bisher löste der direktdemokratischen Prozesses besonders dringende Probleme punktuell,auch in Abwesenheit eines Gesamtkonzepts. Dadurch nahm die Schweiz sich vielDruck weg, der für eine umfassende Reformdebatte erforderlich wäre. Auf Ebene desSozialstaates scheinen die Grenzen des punktuellen Druckwegnehmens erreicht: Seiteinigen Monaten berichten die Medien fortlaufend über das Alter, die Existenzsicherungund die Altersvorsorge. Sie beschränken sich in der Berichterstattung nicht auf einzelneMissstände oder Anliegen sondern greifen eine Bandbreite von <strong>The</strong>men auf. Der Wertewandelverlangt nach neuen Gesamtkonzepten!Die Autoren schlagen vor, das SEA-Modell einer breiteren Diskussion auszusetzen. Es istinsbesondere zu prüfen, ob tatsächlich, wie beabsichtigt, alle als wesentlich erachteten<strong>The</strong>men von den Gestaltungsebenen aufgegriffen werden. Zudem sind die Grundzügedes Modells auszuformulieren, so dass Unterschiede im Wissensstand abgleichbar werden,ein homogenes Verständnis über Schlüsselmechanismen entsteht und eine integrierteReformdebatte auf hohem Niveau stattfindet. Des Weiteren gilt es, aus diesemGesamtverständnis heraus Gestaltungsregeln, Ziele und Stossrichtungen zu entwickeln.Um nur einige Beispiele zu nennen, wären folgende Ansätze denkbar:■■■Professionalisierung der Gesamtsteuerung (Lösungsansätze: Rekonfiguration derLeistungserbringung, Steuerung aus einer Hand, Reduktion der Regulation auf Messbares,Delegation / Outsourcing)Stärkung systemischer Steuerungselemente (Lösungsansätze: Komplexitätsreduktion,Selbststeuerung)Einführung altersunabhängiger Existenz- und Vorsorgelösungen (Lösungsansätze:Trennung von Versichern / Sparen / Umverteilen, kohortenorientierte Lösungskonzepte).Die Reformdiskussion verlangt in den in den nächsten Monaten und Jahren noch einigesab, sowohl von der Wissenschaft als auch von den Interessengruppen. Denn ein nachhaltigesAltersvorsorgesystem erfordert realistische Annahmen über die Faktoren derUmwelt und aktuelle Kenntnisse über die Bilder der Gesellschaft.81


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Gross, Peter (1994). Die Multioptionsgesellschaft. Frankfurt: Suhrkamp.Haller, Matthias; Maas, Peter und Ackermann, Walter (2004). Customer Value in Versicherungswirtschaftund Financial Services. In: Belz, Christian und Bieger, Thomas(Hrsg.): Customer Value. St. Gallen: <strong>The</strong>xis. S. 624-660.Holzmann, Robert; Gill, Indermit; Hinz, Richard; Impavido, Gregorio; Musalem, AlbertoR.; Rutkowski, Michal und Schwarz, Anita (erscheint im Sommer 2005). Old AgeIncome Support in the 21st Century: <strong>The</strong> World Bank‘s Perspective on Pension Systemsand Reform. Washington: Worldbank.Kotler, Philip (2000). Marketing management: the millenium edition. Upper Saddle River:Prentice Hall.Roos, Georges T. (2004). Wertewandel in der Schweiz 2004 - 2014 - 2024: vier Szenarien.Oberrieden: Swissfuture.Rüegg-Stürm, Johannes (2002). Das neue St. Galler Management-Modell: Grundkategorieneiner integrierten Managementlehre. Bern: Haupt.Schluep, Kurt (2003). Finanzierungsbedarf in der AHV. Forschungsbericht Nr. 10. Bern:Bundesamt für Sozialversicherung.<strong>The</strong> <strong>Sustainability</strong> <strong>Forum</strong> (2005). Workshop mit Parlamentarierinnen und Parlamentariern.Projekt «Neuer Generationenvertrag». Durchführung vom 11. und 12. Januar2005 im Kongresshaus Zürich.Vereinigung aktiver Senioren- und Selbsthilfe-Organisationen der Schweiz (VASOS) undSchweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände (SAJV) (2002). Pakt derGenerationen. Pressekonferenz vom 8. August 2002.World Commission on Environment and Development (1987). Our common future(Brundtland report). New York: United Nations.83


Was spricht für einKapitaldeckungssystem?AutorDr. oec. publ. Johannes Binswanger17. März 2005im Auftrag desCenter for Corporate Responsibility and <strong>Sustainability</strong>(CCRS) an der Universität Zürich85


Dr. oec. publ. Johannes Binswanger *Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Makroökonomie, Universität ZürichundEuropean Network for the Advancement of Behavioural Economics (ENABLE)IDEI, ToulouseEinleitungEs ist bekannt, dass prinzipiell zwei verschiedene Systeme der Altersvorsorge möglichsind: Umlagesystem und Kapitaldeckungssystem. Beide Systeme können, wie diesin der Schweiz der Fall ist, kombiniert werden. Bei einem Umlagesystem werden dieRenten der heutigen Rentnergeneration unmittelbar durch die Einzahlungen der heutearbeitenden Generation finanziert. Eine Angestellte, von deren Lohn ein bestimmterTeil an die AHV überwiesen wird, sorgt deshalb nicht direkt für sich selber vor. Vielmehrfinanziert sie den Konsum eines heutigen Rentners. Dadurch erwirbt sie sich jedoch denAnspruch, bei Eintritt ins Rentenalter von der dann jungen Generation ihrerseits eineRente finanziert zu bekommen. Dies ist es, was mit Generationenvertrag gemeint ist.Wenn die Angestellte hingegen einen Teil ihres Lohnes in ein Kapitaldeckungssystemeinbezahlt, so sorgt sie direkt für sich selber vor. Die Vorsorgegelder werden auf eineigenes «Konto» einbezahlt und verdienen am Kapitalmarkt Zinserträge.Eine naheliegende Frage ist, welches System für eine nachhaltige Altersvorsorge bessergeeignet ist. Es stellt sich heraus, dass weder ein reines Umlagesystem noch ein reinesKapitaldeckungssystem für die Vorsorge ideal ist, sondern dass die Kombination derjeweiligen spezifischen Vorteile am nächsten an das Ideal eines nachhaltigen Rentensystemsführt. Die spezifischen Eigenschaften eines Umlage- sowie eines Kapitaldeckungssystemswerden weiter unten im Detail diskutiert. Summarisch sollen jedoch diewichtigsten Vor- und Nachteile der beiden Systeme bereits hier erwähnt werden. Derwichtigste Vorteil eines Kapitaldeckungssystems besteht darin, dass in den allermeistenFällen weniger Geld während der aktiven Lebensphase aufgewendet werden muss, umeine gegebene Altersrente zu finanzieren. Mit anderen Worten, ein Kapitaldeckungssystemerlaubt es, mit relativ niedrigen Beitragssätzen eine ansprechende Rente zu*Kontaktadresse bis 31. März 2005: Zürichbergstrasse 14, CH-8032 Zürich; Tel. 044 634 22 93; E-Mail:binswanger@wwi.unizh.ch. Ab 1. April: Institut d’Économie Industrielle (IDEI), 21, allée de Brienne, F-31000Toulouse.86


finanzieren. Dies ist daher der Fall, weil Geld, das in ein Kapitaldeckungssystem einbezahltwird, am Finanzmarkt Zinsen und Kapitalerträge verdient. Ein weiterer Vorteil desKapitaldeckungssystems besteht darin, dass es erwartungsgemäss zu einer höherenvolkswirtschaftlichen Kapitalbildung führt. Dadurch steigt das Produktionspotentialeiner Wirtschaft, was es möglich macht, einen grösseren «volkswirtschaftlichen Kuchen»,also ein grösseres Sozialprodukt, zu erwirtschaften. Dies erlaubt es für alle, junge undalte Generationen, ein grösseres Stück aus dem Kuchen herauszuschneiden, was imSinne der Nachhaltigkeit eines Rentensystems wünschbar ist.Ein Nachteil des Kapitaldeckungssystems besteht darin, dass Kapitalmarktrenditen miteiner geringen Wahrscheinlichkeit auch einmal sehr tief sein können. Wäre ein Rentensystemrein nach dem Kapitaldeckungsprinzip organisiert, so würde gegenüber einemUmlagesystem ein zumindest leicht erhöhtes Risiko bestehen, dass eine Generationeinmal eine Rente erhält, die unter dem Existenzminimum liegt. Der Grund liegt darin,dass Renten, die über das Kapitaldeckungssystem finanziert sind, anfälliger gegenüberwirtschaftlichen Krisen sind. Dies kann man leicht daraus ersehen, dass es historischin den Industrieländern seit der Einführung entwickelter Finanzmärkte zwar einigegrössere Börsenzusammenbrüche gegeben hat, jedoch kaum ähnlich dramatischeLohneinbrüche. Ebenso haben demographische «Krisen» kurzfristig nie das Ausmassvon Finanzmarktkrisen. Da die Höhe der Renten in einem Umlagesystem durch Demographieund Lohnentwicklung bestimmt ist, folgt, dass die Renten eines Umlagesystemseine grössere Sicherheit gewähren. 1 Diese Sicherheit wird allerdings durch einen hohenPreis erkauft, da, wie oben besprochen, in der Regel beim Umlagesystem viel höhereAbgabesätze nötig sind, um eine gegeben Rentenhöhe zu finanzieren. Das Fazit lautet:Ein Umlagesystem ist durch seine hohe Sicherheit besser für die Absicherung eines Existenzminimumsin Krisensituationen geeignet. Die Höhe der Abgabesätze macht es aberunattraktiv für die Finanzierung einer Rente, die über das Existenzminimum hinausgeht.Die Ausführungen gliedern sich im Weiteren wie folgt. Zuerst wird ein «Renditevergleich»zwischen Umlage- und Kapitaldeckungssystem vorgenommen. Dies geschiehtanhand eines Beispiels mit Zahlen, wie sie für die Schweiz typisch sind. In einem weiterenAbschnitt wird erörtert, inwiefern ein Kapitaldeckungssystem zu höherer volkswirtschaftlicherKapitalbildung und damit zu einem grösseren Produktionspotential führt. Esfolgt zum Schluss eine kurze Zusammenfassung. Leser, die nur an den Ergebnissen derAusführungen interessiert sind, finden diese in Boxen, die – im Text eingestreut – allewichtigen Befunde knapp zusammenfassen.1<strong>The</strong>oretisch wäre eine sichere Rente auch über den Kapitalmarkt realisierbar. Dies würde jedoch dieEinführung von inflationsgeschützten Obligationen bedingen. Obwohl solche Obligationsanlagen praktischnur Vorteile aufweisen gegenüber traditionellen Obligationstiteln, wurden sie nur in sehr wenigenLändern eingeführt. In der Schweiz sind keine solchen Papiere erhältlich.87


Ein «Renditevergleich» zwischen Umlage- undKapitaldeckungssystemIn den allermeisten Fällen weist ein Kapitaldeckungssystem eine bessere «Rendite» aufals eine Umlagesystem. Dies bedeutet folgendes. Soll eine gegebene Rente z.B. in derHöhe von 3000 Franken finanziert werden, so müssen in der aktiven Lebensphase beieinem Kapitaldeckungssystem weniger Mittel aufgewendet werden, um sich auf dieseRente einen Anspruch zu erwerben. Wie es dazu kommt, soll im Folgenden erläutertwerden.Um die Erklärungen so transparent wie möglich zu halten, wollen wir eine zu didaktischenZwecken erfundene hypothetische Welt betrachten, in der jeweils nur zwei Generationengleichzeitig leben. Die eine Generation ist jeweils im Erwerbsalter, die andereim Rentenalter. Die Länge einer Lebensphase betrage jeweils genau 30 Jahre. Stellen wiruns nun vor, dass in dieser hypothetischen Welt im Jahr 2000 eine solche dreissigjährigePeriode starte. Es lebt dann von Anfang 2000 bis Ende 2029 wie beschrieben eineerwerbstätige Generation und eine Rentnergeneration. Ende 2029 stirbt die Rentnergenerationund die vorher erwerbstätige Generation tritt auf Anfang 2030 ins Rentenalterein. Gleichzeitig tritt 2030 eine neue Generation Erwerbstätiger in unsere Modellweltein. Ende 2059 stirbt die von 2000 bis 2029 erwerbstätige Generation. Und die Generation,die 2030 in die Erwerbstätigkeit eingetreten ist, tritt auf Anfang 2060 ins Rentenalterein. Schliesslich erscheint 2060 wieder eine neue erwerbstätige Generation usw. DieKonzentration auf jeweils nur zwei Generationen macht es einfacher, die grundlegendenZusammenhänge bezüglich der Rendite eines Umlagesystems zu erklären. Die Gesetzmässigkeiten,die in diesem hypothetischen Szenario hergeleitet werden, gelten jedochgenau so für reale Volkswirtschaften.Wir wollen uns zunächst dem Umlagesystem zuwenden. Es soll in den nächsten Abschnittengezeigt werden, dass dessen «Rendite» durch das Wachstum der Arbeitsbevölkerung(«Demographie») mal dem Wachstum der Löhne («wirtschaftliche Entwicklung»)gegeben ist. 2 Die Erläuterung erfolgt anhand von Zahlenbeispielen, wobei für dieentscheidenden Grössen Zahlenwerte verwendet werden, wie sie für die Schweiz relevantsind. Ein Umlagesystem funktioniert so, dass jeder Teilnehmer der erwerbstätigenGeneration einen gewissen Prozentsatz seines Lohnes in das Umlagesystem einbezahlt.Stellen wir und vor, wir befinden uns im Jahr 2000, in dem eine oben beschriebene dreissigjährigeZeitperiode beginnt. Nehmen wir an, die von 2000 bis Ende 2029 erwerbstätigeGeneration zähle 1’000 Köpfe (die Höhe dieser Zahl ist unerheblich). Weiter wollenwir annehmen, dass jeder Erwerbstätige 100’000 Franken verdiene pro Jahr (Zahlenwertebenso unerheblich). Der Abgabesatz an das Umlagesystem betrage 10% (unerheblich).2Die Ausführungen sind an Feldstein/Ranguelova (2001) angelehnt.88


Jeder Erwerbstätige bezahlt dann 10% von 100‘000, also 10’000 Franken in das Umlagesystemein.Die Frage ist nun, wie gross der durch diese Einzahlung erworbene Rentenanspruchausfällt, wenn die betroffene Generation 2030 in Rente tritt. Wir erwarten, dass die Höheder Rente von der Grösse der in 2030 in die Erwerbstätigkeit eintretenden Generationabhängt (Demographie) sowie von der Höhe der Löhne, welche diese Generation verdient(wirtschaftliche Entwicklung). Nehmen wir an, dass die Bevölkerung mit einer Ratewächst, die einem jährlichen Bevölkerungswachstum von 0.2% entspricht. 3 (Natürlichtritt in unserer Modellwelt nur alle 30 Jahre eine neue Generation ein, aber man kann dieGrösse dieser Generation gerade so wählen, dass sie übereinstimmt mit einem wirklichenSzenario, gemäss dessen pro Jahr die Bevölkerung um 0.2% wächst.) Man kannausrechnen, dass dann die in 2030 ins aktive Alter eintretende Generation rund 1’060Köpfe zählt. Weiter wollen wir annehmen, dass die Löhne jährlich um 0.5% wachsen. 4Dadurch verdient die in 2030 erwerbstätig werdende Generation einen um rund 16%höheren Lohn als die in 2000 aktiv werdende Generation, also rund 116’000 Franken. Wirunterstellen schliesslich noch, dass die Inflation null beträgt.Mit Hilfe dieser Grössen können wir nun die Höhe der Rente im Umlagesystem be-rechnen,welche ein Rentner in 2030 verdient. Der Abgabesatz betrage weiterhin 10%. Daherbezahlt 2030 ein Erwerbstätiger 10% von 116’000 oder 11’600 in das Umlagesystem ein.Da es 1’060 Erwerbstätige gibt, wird insgesamt eine Summe von 1’060 mal 11’600 insUmlagesystem einbezahlt. Diese Summe wird nun auf 1’000 Rentner verteilt, so dassjeder Rentner 1’060 mal 11‘600 geteilt durch 1’000 oder rund 12’300 als Rente erhält. Wennwir uns nochmals genau überlegen, wie wir gerechnet haben, so fällt auf, dass wir dieRente wie folgt bestimmt haben: Abgabesatz mal Lohn der aktiven Generation malBevölkerungswachstum. (Denn die Zahl 1’060 geteilt durch 1’000 ist nichts anderes alsdas Bevölkerungswachstum zwischen 2000 auf 2030.) Wir sehen also, dass das Wachstumder Arbeitsbevölkerung (das auch negativ sein kann) sowie die Lohnentwicklungzentral für die Höhe der Renten in einem Umlagesystem sind.Wir gehen nun noch einen Schritt weiter und bestimmen die «Rendite» des Umlagesystems.Jeder von 2000 bis Ende 2029 Erwerbstätige hat pro Jahr 10’000 in das Rentensystemeinbezahlt. Jeder erhält als Rentner von 2030 bis Ende 2059 eine Rente von12’300 pro Jahr wie vorhin berechnet. Das Verhältnis der Auszahlung aus dem Umla-3Im Lichte des Szenarios «Trend» für die Erwerbsbevölkerungsentwicklung ist diese Zahl als realistischerDurchschnittswert zu sehen (siehe Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2004, S. 102).4Diese Zahl entspricht der konservativen Prognose des BIP-Wachstums in der Schweiz von 2010 bis 2025 wiesie auch im IDAFiSo-Bericht (Interdepartementale Arbeitsgruppe Finanzierungsperspektive der Sozialversicherungen,1996) verwendet wurde. Bei dieser Prognose handelt es sich um ein Szenario, mit demrealistischerweise gerechnet werden muss.89


gesystem im Verhältnis zu den Einzahlungen beträgt also 12’300 geteilt durch 10’000,was 1.23 ergibt. Die bedeutet, dass die Rente um 23% höher ist als die Einzahlung. Zurbesseren Interpretierbarkeit kann man nun eine dieser Zahl entsprechende jährliche«Rendite» berechnen, welche sich auf 0.7% beläuft. 5 Dies bedeutet folgendes: Wirdeine bestimmte Geldsumme mit einer Verzinsung von 0.7% pro Jahr auf einem Kontoangelegt, so ist der Kontostand nach 30 Jahren um 23% höher als bei Beginn, geradeso wie die Renten aus dem Umlagesystem um 23% höher sind als die Einzahlungen. (Essei daran erinnert, dass die Inflation null beträgt, daher handelt es sich hier um realeRenditen.) Man verwendet für die «Rendite» eines Umlagesystems öfters den Begriffimplizite Rendite, um daran zu erinnern, dass hier nicht tatsächlich Geld auf ein Kontoangelegt wird. Wir wollen uns im Folgenden diesem Sprachgebrauch anschliessen.Blicken wir noch ein weiteres Mal zurück und rekapitulieren wir, wie wir diese impliziteRendite genau berechnet haben. Die Einzahlungen der Generation, die 2000 insArbeitsleben eingetreten ist, bestimmen sich als Lohn mal Abgabesatz. Die Auszahlungenim Rentenalter sind gegeben durch den Lohn der Generation, die 2030 insArbeitsleben eingetreten ist, mal Abgabesatz mal Bevölkerungswachstum. Werden dieAuszahlungen durch die Einzahlungen geteilt, kürzt sich der Abgabesatz heraus. Weiterergibt die Division der Löhne der beiden Generationen gerade das Lohnwachstum.Somit haben wir das folgende Ergebnis.Die implizite Rendite eines Umlagesystems ist gegeben durch das Wachstum derArbeitsbevölkerung mal dem Lohnwachstum.Wir wollen nun einen Vergleich mit der Rendite eines Kapitaldeckungssystems machen.Die oben hergeleitete Zahl von 0.7% für die implizite jährliche Rendite einesUmlagesystems ist eine Zahl, mit der man in der Schweiz realistischerweise rechnenmuss. Wir wollen auch für ein Kapitaldeckungssystem eine Renditezahl finden, die wirals realistisch betrachten können. Die Renditen von Schweizer Obligationen betrugenvon 1926 bis 2001 inflationsbereinigt im Durchschnitt 2.1% pro Jahr, jene von Aktien5.8%. 6 Betrachten wir ein Portfolio, dessen Gelder zu 40% in Aktien und zu 60% inObligationen angelegt sind, so können wir im Lichte der historischen Zahlen mit einerdurchschnittlichen Rendite von 3.6% pro Jahr rechnen (inflationsbereinigt). 7 Vergleicht5Diese Zahl als Rentabilitätsmass für die Schweizerische AHV ist als relativ optimistisch zu betrachten, da inunserer Rechnung nirgends die Zunahme der Lebenserwartung berücksichtigt wurde. Für die USA, die vondemographischen Problemen weniger stark betroffen ist als die Schweiz, berechnen Caldwell et al. (1998)eine Rentabilitätszahl von 0% für Generationen, die nach 1990 geboren wurden.6Zimmermann/Bubb (2002), S. 56.7Ein Aktienanteil von 40% erscheint vernünftig für Gelder, die im Rahmen der 2. Säule angelegt sind. Dieregulatorische Höchstgrenze für Aktienanlagen beträgt zur Zeit 50% (Art. 55 BVV 2)..90


man diese Zahl mit der impliziten Rendite von 0.7% für das Umlagesystem, so scheintder Vorteil eines Kapitaldeckungssystems unmittelbar ins Auge zu stechen.Wir wollen jedoch nicht die Zahl von 3.6% für den Systemvergleich verwenden, da siemöglicherweise zu optimistisch ist. Da Kapitalmarktrenditen, in erster Linie die Renditenvon Aktien, mit Risiko behaftet sind, besteht eine grössere Wahrscheinlichkeit, dassfür ein Portfolio von 40% Aktien und 60% Obligationen eine Rendite von 3.8% unterschrittenwird. Daher sollten wir für den Systemvergleich eine Rendite für das Kapitaldeckungssystemverwenden, mit der wir mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit rechnenkönnen. Ein weiterer Blick auf die Geschichte des Schweizer Finanzmarktes zeigt uns,dass wir bei langfristigem Anlagehorizont (30 Jahre) mit sehr hoher Wahrscheinlichkeitmit einer Aktienrendite von mindestens 3% rechnen können. Bei Obligationen könnenwir langfristig in den allermeisten Fällen mit einer Rendite von 1% rechnen. 8 Für einPortfolio mit 60% Aktienanlagen und 40% Obligationsanlagen ergibt sich somit mitsehr hoher Wahrscheinlichkeit eine Rendite von mindestens 1.8%. Dies ist nun eine Zahl,die fairerweise mit einer impliziten Rendite von 0.7% für das Umlagesystem verglichenwerden kann.Um uns die Bedeutung der Grössenordnungen der beiden Zahlen 0.7% und 1.8%anschaulich zu machen, betrachten wir 1’000 Franken, die für 30 Jahre auf ein Kontoangelegt werden. Wird dieser Betrag jährlich mit 0.7% verzinst, so liegen nach 30 Jahrenrund 1’230 Franken auf diesem Konto. Beträgt die Verzinsung des Kontos jedoch 1.8%,so liegen nach 30 Jahren rund 1’710 Franken auf dem Konto. Dies bedeutet, dass pro1’000 Franken, die einbezahlt werden, 480 Franken (1’710 minus 1’230) zusätzlich anfallen,wenn die Rendite 1.8% anstatt 0.7% beträgt. Anders gesagt ist die Auszahlung bei einerRendite von 1.8% um rund 40% höher als bei einer Rendite von 0.7%. Ein beträchtlichesAusmass! Man kann sich auch überlegen, wie die Situation aussieht, wenn nicht 1’000Franken auf ein Konto einbezahlt werden, sondern wenn es das Ziel ist, am Ende von30 Jahren einen Kontostand von 1000 Franken zu erreichen. Bei einer Rendite von 0.7%müssen in diesem Fall 810 Franken 30 Jahre zuvor einbe-zahlt werden. Bei einer Renditevon 1.8% wären es nur 585 Franken, ein um 28% geringerer Betrag. Als Konsequenz könnenwir folgendes Ergebnis ableiten.(1) Ein Kapitaldeckungssystem führt bei gegeben Abgabesätzen zu wesentlichhöheren Renten als ein Umlagesystem.(2) Soll eine gegebene Rentenhöhe finanziert werden, so können bei einemKapitaldeckungssystem beträchtlich tiefere Abgabesätze zur Anwendungkommen.8Siehe Zimmermann/Bubb (2002), Darstellung 8, S. 65.91


Wir sollten uns in Erinnerung rufen, dass die Zahl von 1.8% als Rendite für ein Kapitaldeckungssystemmit relativ hoher Wahrscheinlichkeit übertroffen werden wird. 9 10 Andererseitsist die Wahrscheinlichkeit, dass ein Umlagesystem in der Schweiz eine höhereimplizite Rendite als 0.7% einbringt, als eher gering einzustufen, besonders im Lichteder steigenden Lebenserwartung, die hier in unserer einfachen Modellrechnung nurungehörig berücksichtigt wurde.Aufgrund der besprochen Zusammenhänge wird unmittelbar klar, warum jene Länder,die ihre Renten zum grössten Teil über ein Umlagesystem finanzieren, unter grossenReformdruck geraten sind. Die demographischen Probleme führen zu einem starkenAbsinken der impliziten Renditen eines Umlagesystems. Dadurch müssen bei einemUmlagesystem plötzlich sehr viel höhere Abgabesätze angewendet werden, um einegegebene Rentenhöhe zu finanzieren. 11 Die dadurch entstehende Abgabelast überschreitetdann leicht das als tragbar Erscheinende.Aus den obigen Ausführungen folgt, dass ein Umlagesystem für Renten, die über dasExistenzminimum hinausgehen, wenig Sinn macht, da es aufgrund der Renditedifferenzzu Kapitaldeckungssystemen überaus teuer zu stehen kommt. Der beste Beweis fürdiese Aussage sind die gravierenden Probleme jener Industrieländer, die im Unterschiedzur Schweiz ihre Renten hauptsächlich über ein Umlagesystem finanzieren. 12 Für dieAbsicherung eines (weder zu grosszügig noch zu knapp bemessenen) Existenzminimumsist es hingegen gerechtfertigt, sich auf das Umlagesystem zu stützen. Wie schonerwähnt ist ein Umlagesystem weniger anfällig gegenüber wirtschaftlichen Ausnahmeereignissenals ein Kapitaldeckungssystem. Dies kann man daraus ersehen, dass eshistorisch in den Industrieländern seit der Einführung entwickelter Finanzmärkte zwareinige starke Börsenzusammenbrüche gegeben hat, jedoch kaum ähnlich dramatischeLohnzusammenbrüche. Wir ziehen also folgende Schlussfolgerung.9Siehe Zimmermann/Bubb (2002) a.a.O10Für die USA berechnen Feldstein/Ranguelova (2001) die Wahrscheinlichkeiten, mit denen bestimmte Rentenhöhenin einem Kapitaldeckungssystem erreicht werden können11 Es ist eine offene Frage, inwiefern durch die demographische Entwicklung auch die Kapitalmarktrenditenunter Druck geraten werden. Verschiedene Studien, die in Poterba (2004) besprochen sind, sowie Poterbaseigene Studie legen den Schluss nahe, dass die demographischen Einflüsse auf die Kapitalmarktrenditenrelativ gering sind. Jedoch ist selbst bei sinkenden Kapitalmarktrenditen nicht zu erwarten, dass dieseunter das Niveau der impliziten Rendite eines Umlagesystems fallen würden. Dadurch bleibt der relativeVorteil eines Kapitaldeckungssystems erhalten. Andererseits können Gelder international in Wirtschaftsregionenangelegt werden, in denen das Demographieproblem weniger ausgeprägt ist. Siehe z.B. Börsch-Supan et al. (2001)12 Besonders stark betroffen sind Deutschland, Frankreich, und Japan. Siehe Bateman et al. (2001, Table 1.1).92


Renten, die einen Alterskonsum über das Existenzminimum hinaus ermöglichen,sollten über ein Kapitaldeckungssystem finanziert werden.Für Länder, die gegenwärtig ihre Renten zur Hauptsache über ein Umlagesystem finanzieren,bedeutet dies, dass ein Teil des Umlagesystems durch ein Kapitaldeckungssystemersetzt werden sollte. Aufgrund der Dringlichkeit des Rentenproblems habenviele dieser Länder in letzter Zeit in der Tat Schritte in diese Richtung unternommen, soz.B. Australien, Dänemark, Grossbritannien, die Niederlande und Schweden. 13 Auch inDeutschland werden erste Umstellungsversuche angegangen. 14 Länder, die neu auf einKapitaldeckungssystem umstellen, sind mit dem Problem konfrontiert, dass eine (odereinige) Generationen für die Umstellung «doppelt» bezahlen müssen. Erwirbt z.B. einejunge Generation ihren Rentenanspruch vom Jahr 2000 an neu durch Einzahlungen inein Kapitaldeckungssystem und nicht mehr durch Einzahlungen in das Umlagesystem,so werden zunächst die Renten der Ruhestandsgeneration nicht mehr finanziert. Da dieskeine tragbare Lösung darstellt, müssen als Ersatz allgemeine Steuermittel oder Staatsschuldenzur aktuellen Rentenfinanzierung verwendet werden. Letztlich wird daherimmer auf die bei der Umstellung junge Generation (und u.U. auch noch auf künftigeGenerationen) zur Finanzierung offener Rentenansprüche zurückgegriffen. Denn diesebezahlen die bestehenden Ansprüche so mittels gegenwärtigen oder künftigen Steuererhöhungen.Die bei der Umstellung junge Generation bezahlt daher nicht nur für ihreeigene Rente, die durch das neue Kapitaldeckungssystem finanziert ist, sondern auch fürdie Renten älterer Generationen, also doppelt. 15Im Gegensatz dazu ist die Schweiz in einer komfortableren Lage, da sie schon überein Kapitaldeckungssystem verfügt. Hauptthema für die Schweiz ist nicht so sehr einAbbau der AHV zugunsten eines Ausbaus der 2. Säule. (In diesem Fall würde ebenfallseine Doppelbelastung auftreten.) Vielmehr legen die obigen Ausführungen nahe, dassäusserste Zurückhaltung bei einem Ausbau der AHV zu üben ist. Ein Ausbau sollte nurdort ins Auge gefasst werden, wo Einigkeit besteht, dass Existenzminima nicht hinreichendgedeckt sind. An allen anderen Stellen ist ein Ausbau der AHV zu unterlassen. DieSchweiz würde sich sonst ähnliche Probleme verschaffen, wie sie jene Länder haben, dienun gezwungen sind, vermehrt auf Kapitaldeckung umzustellen.13Siehe Bateman et al. (2001).14Siehe z.B. Burtless (2001).15Es ist natürlich möglich, die Lasten anders zu verteilen, wenn die alte Generation auf einen Teil ihres Rentenanspruchsverzichtet. In diesem Fall trägt letztere einen Teil der Doppellast, indem nun Rentenansprüche,die sie durch frühere Einzahlungen erworben hat, nicht beglichen werden.93


Höhere volkswirtschaftliche Ersparnisse bei einemKapitaldeckungssystemFührt ein Kapitaldeckungssystem zu höheren volkswirtschaftlichen Ersparnissen? DieseFrage soll auf zwei Ebenen angegangen werden. Erstens können rein theoretische Überlegungendazu angestellt werden. Zweitens kann man den Blick auf volkswirtschaftlicheStatistiken richten, um zu beobachten, wie sich die Ersparnisbildung verändert hat inFolge der Einführung oder des Ausbaus von Umlagesystemen.Aus theoretischer Sicht ist Folgendes zu betrachten. Stellen wir uns den Extremfall einesreinen Umlagesystems vor, das so grosszügig ausgestaltet ist, dass es einen hohen Alterskonsumermöglicht (was möglicherweise durch sehr hohe Abgabesätze erkauft wird).In diesem Fall werden Haushalte kaum zusätzliche private Ersparnisse zur Altersvorsorgetätigen wollen. Daher werden auch die volkswirtschaftlichen Ersparnisse geringausfallen. Ist hingegen das Umlagesystem weniger umfassend, so erlaubt es nur dieFinanzierung eines geringeren Alterskonsums. In diesem Fall sind zusätzliche Ersparnissenötig für die Finanzierung eines bequemen Lebensstandards im Alter. Diese könnenfreiwillig geschehen oder mittels einer zweiten Säule. Höhere Ersparnisse führen nunauch zu einem höheren volkswirtschaftlichen Kapitalstock und daher zu einer höherenProduktionskapazität. Das heisst, sie ermöglichen die Produktion eines grösserenSozialproduktes und erlauben so, den «Kuchen» grösser zu machen. Das Fazit lautet: Istein Umlagesystem besonders grosszügig ausgestaltet, so wirkt sich dies negativ auf dievolkswirtschaftliche Spartätigkeit und die Produktionskapazität aus.Aus diesen Überlegungen folgt jedoch nicht unmittelbar, dass jede Reduktion einesUmlagesystems zu höheren Ersparnissen im Verhältnis eins zu eins führt. Betrachtenwir den Fall, dass ein massvoll ausgestaltetes Umlagesystem teilweise durch ein Kapitaldeckungssystemersetzt wird. Durch die Einführung oder Erweiterung des Kapitaldeckungssystemswerden die Haushalte nun zu mehr Ersparnissen gezwungen. Dadurchwerden sie u.U. vorher freiwillig getätigte Ersparnisse reduzieren wollen, in dem sie z.B.auf Ersparnisse für den Kauf eines Eigenheimes verzichten oder geringere Erbschaftenplanen/tätigen. 16 Aus diesem Grund ist aus theoretische Sicht nicht vollkommen klar,in welchem quantitativen Ausmass weniger grosszügige Umlagesysteme mit höherenErsparnissen verbunden sind.Dies legt es nahe, den Blick auf volkswirtschaftliche Statistiken zu richten. Unglücklicherweiseliefern uns die Statistiken kein einheitliches Bild. Der Zusammenhang zwischender Ausgestaltung eines Umlagesystems und der Ersparnisbildung sieht je nach16Siehe Börsch-Supan/Brugiavini (2001)..94


verwendeter Methode und je nach Land unterschiedlich aus. 17 Alles in allem bestärkendie verschiedenen existierenden Studien jedoch den Schluss, dass ein zu grosszügigesUmlagesystem die Ersparnisbildung negativ beeinflusst. 18Ein Kapitaldeckungssystem führt tendenziell zu höheren volkswirtschaftlichenErsparnissen und damit zu einer höheren Produktionsleistung.ZusammenfassungDer wichtigste Vorteil eines Kapitaldeckungssystems besteht darin, dass eine gegebeneRentenhöhe mit u.U. bedeutend tieferen Beitragssätzen finanziert werden kann. Darüberhinaus kann erwartet werden, dass ein Kapitaldeckungssystem zu höherer volkswirtschaftlicherKapitalbildung führt. Der einzige Vorteil eines Umlagesystems besteht darin,dass die so finanzierten Renten weniger anfällig gegenüber wirtschaftlichen Krisensituationensind. Daher empfiehlt es sich, Existenzminima im Alter über ein Umlagesystemzu finanzieren. Renten, die ein Existenzminimum übersteigen, sollten jedoch über einKapitaldeckungssystem finanziert werden, um dessen wesentlich höhere Renditenauszunutzen. Eine maximale Sicherheit bei der Finanzierung des Existenzminimumszusammen mit einer günstigen Finanzierung der darüber hinausgehenden Renten ist es,was die Nachhaltigkeit eines Rentensystems am effektivsten garantiert.17Ein sorgfältiger Überblick über die verschiedenen Resultate, welche die Ökonomen hier gemessen haben,gibt CBO (1998). Die in dieser Arbeit besprochenen Studien wurden in den international führenden Zeitschriftender Volkswirtschaftslehre publiziert. Siehe auch Börsch-Supan/Brugiavini (2001). Für die Schweizstehen leider keine statistischen Untersuchungen zur Verfügung.18Siehe CBO (1998).95


<strong>Quellenverzeichnis</strong>Bateman, Hazel/Kingston, Geoffrey/Piggott, John (2001): Forced Saving: MandatingPrivate Retirement Incomes, Cambridge University Press.Börsch-Supan, Axel/Brugiavini, Agar (2001) : «Savings: <strong>The</strong> Policy Debate in Europe»,Oxford Review of Economic Policy, 17(1), 116-143.Börsch-Supan, Axel/Ludwig, Alexander/Winter, Joachim (2001) : «Aging and InternationalCapital Flows», NBER Working Paper No. 8553.Burtless, Gary (2001) : «<strong>The</strong> Rationale for Fundamental Pension Reform in Germany andthe United States: An Assessment», CESifo Working Paper No. 510.Caldwell, Steven/Faureault, Melissa/Gantman, Alla/Gokhale, Jagadeesh/Johnson, Thomas(1999) : «Social Security’s Treatment of Postwar America», in James M. Poterba(ed.), Tax Policy and the Economy, 13, MIT Press, 109-148.CBO (1998) : «Social Security and Private Saving: A Review of the Empirical Evidence»,CBO Memorandum, Congressional Budget Office, Washington, D.C.Feldstein, Martin/Ranguelova, Elena (2001) : «Individual Risk in an Investment-BasedSocial Security System», American Economic Review, 91(4), 1116-1125.Interdepartementale Arbeitsgruppe «Finanzierungsperspektive der Sozialversicherungen»(IDA FiSo, 1996): Bericht über die Finanzierungsperspektiven der Sozialversicherungen(unter besonderer Berücksichtigung der demographischen Entwicklung),Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale, Bern.Poterba, James (2004) : «Population Aging and Financial Markets», Working Paper, MIT.Statistisches Jahrbuch der Schweiz 2004, Verlag Neue Zürcher Zeitung.Zimmermann, Heinz/Andrea Bubb (2002): «Das Risiko der Vorsorge: Die zweite Säuleunter dem Druck der alternden Gesellschaft, lange (integrale) Fassung», AvenirSuisse.96


Wahlfreiheit und Effizienzin der 2. SäuleAutorDr. oec. publ. Johannes Binswanger17. März 2005im Auftrag desCenter for Corporate Responsibility and <strong>Sustainability</strong>(CCRS) an der Universität Zürich97


Dr. oec. publ. Johannes Binswanger *Lehrstuhl für Finanzwissenschaft und Makroökonomie, Universität ZürichundEuropean Network for the Advancement of Behavioural Economics (ENABLE)IDEI, ToulouseEinleitungFührt mehr Wahlfreiheit zu einer effizienteren beruflichen Vorsorge? Die Beschäftigungmit dieser Frage ist Gegenstand der folgenden Ausführungen. Heute besteht inder Schweiz für Arbeitnehmer praktisch keine Möglichkeit, Einfluss darauf zu nehmen,wie eine Pensionskasse ihre Vorsorgegelder anlegt. Der Mangel an Wahlfreiheit kannprinzipiell zu einem Effizienzverlust führen. Denn wenn die Vorsorgegelder besserindividuellen Wünschen entsprechend angelegt würden, so könnte u.U. mehr Nutzengeschaffen werden, ohne dass dies mit einem Mehr an Kosten verbunden sein müsste.Dem ist andererseits entgegenzuhalten, dass möglicherweise gewissen Arbeitnehmerndas nötige Wissen fehlt, um eine adäquate Anlageentscheidung zu treffen. Sie könntendaher zu unvernünftigen Anlagestrategien verleitet werden.Ein weiterer Aspekt der Flexibilisierung ist die Frage der freien Kassenwahl für deneinzelnen Arbeitnehmer. Bekanntlich kennt das Schweizerische System eine solchezur Zeit nicht. Idealerweise würde die Möglichkeit der freien Kassenwahl dazu führen,dass Kunden von ineffizient verwalteten Kassen zu effizienten wechseln würden. Daso die ineffizienten Kassen nicht im Markt überleben könnten, würde die Effizienz desGesamtsystems steigen. Kritisch ist hier zu bemerken, dass solche freie Kassenwahl u.U.zu einem hohen Marketingaufwand führen kann, wie im Detail diskutiert werden wird.Denn die effizienten Kassen müssen erst einmal auf sich aufmerksam machen. Und diesist in einem Markt für so komplexe Produkte wie Vorsorgeleistungen nicht so einfach.Denn zur Beurteilung eines Angebotes werden dem Kunden einige Sachkenntnisseabverlangt. Und die ineffizienten Kassen haben möglicherweise einen Anreiz, durchverwirrende Marketingaktionen ihren Kunden glaubhaft zu machen, dass bei ihnenhöhere Kosten durch mehr Qualität kompensiert wird. Darüber hinaus wissen wir aus*Kontaktadresse bis 31. März 2005: Zürichbergstrasse 14, CH-8032 Zürich; Tel. 044 634 22 93; E-Mail:binswanger@wwi.unizh.ch. Ab 1. April: Institut d’Économie Industrielle (IDEI), 21, allée de Brienne, F-31000Toulouse.98


den Erfahrungen mit der obligatorischen Krankenversicherung (KVG) und dem Telekommunikationssektor,dass Kunden im Allgemeinen relativ träge von teuren zu billigerenAnbietern wechseln. 1Aus diesen Überlegungen kristallisiert sich heraus, dass die Mündigkeit der Arbeitnehmer,oder deren «Konsumentensouveränität», ein zentrales Moment darstellt in derDiskussion, ob freie Kassenwahl sowie freie Portfoliowahl die Effizienz in der 2. Säuleerhöhen. Ob die Konsumenten im Kontext der Altersvorsorge tatsächlich mündig sindoder nicht, darüber kann man lange streiten. Und man wird auf die gegensätzlichstenMeinungen treffen. Die einzige Möglichkeit, hier über einen Meinungsstreit hinaus zuobjektiveren Erkenntnissen zu gelangen, besteht darin, Individuen bei ihren Entscheidungenzu beobachten. Anhand dessen fällt es dann u.U. leichter, zu beurteilen, ob sievernünftige Altersvorsorgeentscheide fällen oder nicht. Glücklicherweise gibt es Länder,die mit der freien Portfoliowahl bereits eingehende Erfahrungen gesammelt haben, soz.B. Schweden und die USA. Internationale Spitzenforscher der Volkswirtschaftslehrehaben sich die Mühe gemacht, diese Erfahrungen sorgfältig zu analysieren. Auch bezüglichder freien individuellen Kassenwahl können wir auf internationale Erfahrungenzurückgreifen, vor allem aus Australien, Chile und den USA. 2Neben der Mündigkeit der Vorsorger ist Verhandlungsmacht der Marktteilnehmer einzentrales Moment in der Diskussion über freie Kassenwahl. Wird die Anlagetätigkeit z.B.(über eine Vorsorgestiftung) an einen Lebensversicherer ausgelagert, so verhandeltder Arbeitgeber bzw. die Stiftung über die Preis- und Leistungskonditionen. Dabei wirdfür viele einzelne Angestellte gleichzeitig verhandelt, was auf der Nachfrageseite fürVorsorgeleistungen eine effektive Verhandlungsmacht entstehen lässt. Vergleichen wirdies nun mit einer Situation, wo jeder einzeln seine Pensionskasse selber wählen würde.Ein einzelner hätte hier praktisch keine Verhandlungsmacht. Daher könnte es sein, dassein privatwirtschaftlich-kollektives System wie jenes der Schweizerischen betrieblichenVorsorge Leistungen zu wesentlich geringeren Kosten erbringen kann als ein individualisiertesSystem.Die Verwertung von internationalen Erfahrungen wird uns helfen bei der Überlegung,ob mehr Wahlfreiheit in der Schweizerischen 2. Säule zu mehr oder weniger Effizienzführen wird. Eine möglichst effizient organisierte 2. Säule ist ein wichtiges Teilziel bei derRealisierung eines nachhaltigen Rentensystems. Ist ein System ineffizient organisiert,so heisst dies, dass die Vorsorgeziele aller Generationen besser erfüllt werden können,1Ein Blick auf die Internetseite www.comparis.ch bezeugt eindrücklich, dass die Preisdifferenzen zwischenden günstigsten und teuersten Anbietern bedeutsam sein können. Dies widerspricht den Vorstellungenvon reibungslos funktionierendem Wettbewerb bei mündigen Kunden.2Chiles Rentensystem, ein praktisch reines Kapitaldeckungssystem mit freier individueller Kassenwahl,wurde bis vor kurzem von vielen Experten als das international modernste Rentensystem betrachtet.99


ohne dass ein Mehr an Mittel dafür aufgewendet werden muss. Im folgenden sollenzuerst internationale Erfahrungen mit freier Portfoliowahl besprochen werden. Der Blickwechselt dann zu internationalen Erfahrungen mit freier individueller Kassenwahl. Esfolgen theoretische Überlegungen zu den Befunden und eine abschliessende Zusammenfassung.Leser, die nur an den Ergebnissen der Ausführungen interessiert sind, findendiese in Boxen, die in den Text eingestreut sind und alle wichtigen Befunde knappzusammenfassen.Freie PortfoliowahlFreie Portfoliowahl bei der Pensionsvorsorge hat in den USA und in Schweden bereitsTradition. Typischerweise muss sich ein Angestellter dort entscheiden, wie er seineVorsorgegelder auf verschiedene Fonds aufteilt. Ein Beispiel soll dies veranschaulichen.Eine Firma bietet z.B. ein US-Aktienfonds, einen internationalen Aktienfonds und einenallgemeinen Obligationenfonds an. Nehmen wir an, der Angestellte bezahlt insgesamt1000$ für seine Vorsorge ein. Er muss sich dann entscheiden, wie er diese 1000$ auf diedrei verschiedenen Fonds verteilt. Er könnte z. B. 250$ in den US-Aktienfonds einbezahlen,250$ in den internationalen Aktienfonds und 500$ in den Obligationenfonds. Oderer könnte anstatt dessen die gesamten 1000$ in den Obligationenfonds investieren. Inden USA stehen den Angestellten typischerweise zwischen 4 und 20 Fonds zu Verfügung.3 In Schweden können bis zu 5 Fonds aus einer Gesamtheit von über 400 Fondsausgewählt werden! 4Je nachdem, wie gut sich jemand mit dem Finanzmarkt auskennt, fällt es unterschiedlichleicht, solche Anlageentscheide zu treffen. Eine Idee davon, wie verbreitet elementaresWissen über den Finanzmarkt ist, mag folgende Beobachtung geben. Gemässeiner repräsentativen Umfrage kennen mehr als 50% der Amerikaner den Unterschiedzwischen Aktien und anderen Anlageformen nicht. Insbesondere glauben 20% derBefragten, dass Obligationen historisch die höchsten langfristigen Renditen erwirtschaftethaben. 25% glauben gar, dass Depositenkonten historisch die besten Erträge erzielthaben. 5 Tatsächlich haben US-Aktien im Schnitt pro Jahr um rund 7% höhere Renditenerwirtschaftet als Amerikanische Staatsobligationen. Zum Vergleich sei erwähnt, dassdie Teilnahme am Aktienmarkt in den USA eher verbreiteter ist als in der Schweiz: Rund3Siehe Benartzi/Thaler (2001).4Siehe Cronqvist/Thaler (2004).5Quelle: Merrill Lynch Financial Literacy Index Analysis: A Nationwide Survey of Adults, ausgeführt vonLuntz Research Companies (Aug. 1994).6Datenquelle: Survey of Consumer Finances 2001.100


35% der Amerikaner investieren selber direkt in Aktien 6 , während weniger als 30% derSchweizer dies tun. 7 Aufgrund dessen sollten wir erwarten, dass ein elementares Wissenüber den Finanzmarkt in der Schweiz nicht verbreiteter ist als in den USA.Richard Thaler von der University of Chicago und Shlomo Benartzi von der Universityof California haben die Portfolioentscheidungen von amerikanischen Arbeitnehmernunter die Lupe genommen. 8 Sie stellen fest, dass ein grosser Teil der Anleger sich voneiner Daumenregel leiten lässt, welche die Autoren als 1/n-Heuristik bezeichnen. Wiediese Daumenregel funktioniert, und zu welchen Konsequenzen sie führt, soll an einemBeispiel erläutert werden. Betrachten wir zwei Firmen, A und B. Firma A bietet für dieAltersvorsorge vier Obligationenfonds und einen Aktienfonds an. Firma B bietet imGegensatz dazu vier Aktienfonds und einen Obligationenfonds an. In beiden Firmenmüssen sich die Arbeitnehmer entscheiden, wie sie ihr Vorsorgegeld, z.B. 1000$, auf diefünf verschiedenen Fonds aufteilen. Benartzi und Thaler beobachten, dass viele Arbeitnehmerder Devise folgen «von allem ein bisschen». Diese Regel beinhaltet, das Geldgleichmässig auf die fünf zur Auswahl stehenden Fonds aufzuteilen (daher der Name1/n-Heuristik). Wer dieser Regel folgt, bezahlt also in jeden Fonds 200$ ein. Was sind dieKonsequenzen? Die Belegschaft der Firma A hat so 80% ihrer Vorsorgegelder in Obligationenangelegt, während die Belegschaft der Firma B 80% ihrer Vorsorgegelder inAktien investiert. So verblüffend dies klingt: Benartzi und Thaler beobachten, dass einnicht geringer Teil der Angestellten einer solchen Anlageregel folgt. Es ist jedoch klar,dass eine solche Anlageregel wenig sinnvoll ist. Wenn die Angestellten nur darum vielin Aktien investieren, weil ihre Firma viele Aktienfonds anbietet, so hat das mit einemmündigen Anlageverhalten nicht viel zu tun. Die individuellen Vorsorgeziele sind untersolchen Umständen besser erfüllt, wenn die Individuen ihre Anlageentscheide nichtselbst vornehmen.Einige US-Firmen bieten den Anlegern eine sogenannte Standardoption an. Dies bedeutet,dass, wenn ein Angestellter selber keine Anlagewahl treffen möchte, seine Gelderautomatisch gemäss einer standardisierten Lösung angelegt werden. James Choi undDavid Laibson (beide Harvard University), Brigitte Madrian (Wharton School) und DennisShea (United Health Group) haben untersucht, welche Wirkungen von einem solchenDesign ausgehen. 9 Sie betrachten Firmen, die solche Standards neu eingeführt habenund vergleichen die Vorsorgeentscheidungen der Angestellten vor der Einführung derStandards mit jenen nach deren Einführung. Spezifisch betrachten die Autoren denAnteil der Angestellten, die vor der Einführung der Standardoption ein dieser entsprechendesPortfolio ausgewählt haben. Sie vergleichen diesen Anteil mit dem Anteil derAngestellten, die dies nachher tun. Das Ergebnis ist wiederum verblüffend. Vor Einfüh-7Siehe Cocca/Volkart (2002).8Benarzi/Thaler (2001).9Madrian/Shea (2001) und Choi et al. (2004).101


ung des Standards wählen knapp 10% der Angestellten ein der späteren Standardoptionentsprechendes Portfolio. Nach der Einführung sind es 80%! Zwei Schlussfolgerungenkann man aus dieser Beobachtung ziehen. Erstens fühlen sich offenbar vieleAngestellte von der Anlageentscheidung überfordert, oder sie haben schlicht keine Lustdazu, selber eine Wahl vorzunehmen. Zweitens mögen viele Angestellte die Standardoptionals eine Art Anlageempfehlung interpretieren. War sie jedoch nicht als solchegedacht, so entsteht hier eine beträchtliche Ineffizienz.Wenden wir den Blick noch kurz nach Schweden. Auch dort sind die Erfahrungen mitder Wahlfreiheit nicht gerade vielversprechend. 10 Ein System mit freier Portfoliowahlwurde dort im Jahr 2000 eingeführt. Es wurde ebenfalls eine Standardoption festgelegt,gemäss welcher die Gelder von Angestellten angelegt werden, welche keine aktiveAnlageentscheidung getroffen haben. Zu Beginn der Einführung des neuen Systemshat die Schwedische Regierung eine intensive Webekampagne lanciert, welche dieAngestellten zu aktiven Anlageentscheiden ermutigt hat. Diese Kampagne war erfolgreich,insofern bei der Einführung 57% der damals neu in den Arbeitsmarkt eintretendenAngestellten eine eigene Wahl getroffen haben. In der Folge wurde der Werbeaufwandreduziert. Das Ergebnis: Im Jahr 2003 haben nur noch gerade 8% der neu in den ArbeitsmarktEintretenden ihr Portfolio aktiv gestaltet! Diese Beobachtung lässt Zweifel ander Vorstellung aufkommen, dass die Angestellten Wahlfreiheit wirklich von sich auswahrnehmen wollen.Bei freier Portfoliowahl folgen viele Angestellte mangels elementarer Finanzmarktkenntnissezweifelhaften Daumenregeln. Sehr viele Angestellte nehmenihre Wahlfreiheit gar nicht wahr.Die Respektierung individueller Wahlfreiheit und Wahlmöglichkeit wird in einer liberalenGesellschaft freilich von vielen zu Recht als ein Wert an sich betrachtet. Die obigenAusführungen sollen auch nicht unbedingt nahe legen, dass Wahlfreiheit in der Altervorsorgegrundsätzlich zu verurteilen ist. Vielmehr lernen wir, dass es überaus wichtigist, bei Einführung von mehr Wahlfreiheit ein Design zu finden, welches Rücksicht nimmtauf die typischen Muster von Fehlverhalten, wie wir sie in den USA und auch Schweden11 beobachten. Um eine Aktivierung der 1/n-Heuristik zu vermeiden, sollten Individuenjeweils nur einen aus z.B. fünf Fonds auswählen dürfen. Man könnte sich z.B. eineAuswahl zwischen fünf Fonds vorstellen, bei denen der Aktienanteil zwischen 20% und60% im Abstand von je 10% variiert. Weiter könnte der Fonds mit einem Aktienanteilvon 30% als Standardoption bestimmt werden. Die Höhe dieses Aktienanteils kann als10Siehe Cronqvist/Thaler (2004).11Cronqvist/Thaler (2004) zeigen, dass auch in Schweden die gefällten Anlageentscheide oftmals problematischzu beurteilen sind. Typische Fehler bestehen in der Wahl teurer Fonds – Wettbewerb zwischen Fondszeigt hier also nicht die erwünschten Effekte - und fehlender Diversifikation.102


durchaus ausgewogen beurteilt werden und ist adäquat für einen Angestellten mittlererRisikoaversion, dessen Ziel es ist, seinen Lebensstandard mit hoher Wahrscheinlichkeitim Rentenalter zu halten. Es ist zu beachten, dass insgesamt nicht zu viele Auswahlmöglichkeitenangeboten werden sollten. Denn dadurch steigen die Kosten, sich über jedeneinzelnen Fonds zu informieren. Dies reduziert die Bereitschaft, aktiv einen Anlageentscheidzu fällen. Dadurch werden vermehrt Daumenregeln angewendet oder es wird aufdie Standardoption gesetzt. (Man denke an ein Restaurant mit einer 20-seitigen Menükarte.)Die Zusammensetzung der Aktien- und Obligationstitel sollte sich übrigens anbreit abgestützten Indizes orientieren, um eine gute Diversifizierung zu gewährleisten.Es sollten möglichst passive Anlagestrategien gewählt werden, da dies die geringstenKosten garantiert.Wird freie Portfoliowahl eingeführt, so sollte man diese so gestalten, dass nur einaus n zur Verfügung stehenden Fonds ausgewählt wird. Diese sollten sich v.a. inihrem Aktienanteil unterscheiden. Für Angestellte, die keine eigene Wahl treffenmöchten, sollte ein Fonds mit mittlerem Aktienanteil als Standardoption gewähltwerden. Die Gesamtzahl der zur Verfügung stehenden Fonds sollte nicht zu grosssein.Freie individuelle PensionskassenwahlDie entscheidende Frage bei der freien Pensionskassenwahl ist, ob solche zu höherenoder geringeren Kosten für die Vorsorgeleistungen führt. Intuitiv verbindet man freieWahl mit der Vorstellung von mehr Wettbewerb. Wir würden erwarten, dass dieserwegen seiner Disziplinwirkung die Kosten senkt. Andererseits kann die Tatsache, dassjeder Vorsorger seine Kasse frei wählen kann, auch zu erhöhten Marketingaktivitätenund damit zu höheren Marketingkosten führen. Weiter fehlt einzelnen Kunden weitgehendeine Verhandlungsmacht, wie sie Betrieben zur Aushandlung günstiger Konditionenzugute kommt. Ein letzter Aspekt bezieht sich wieder auf die Mündigkeit derVorsorger. Prinzipiell ist es nicht leicht, im Markt für Vorsorgeleistungen die Gebührenstrukturenzu durchschauen. Ein Beispiel wird dies weiter unten deutlich machen. Ohnestriktere Regulierung besteht daher die Gefahr, dass gewisse Kassen die Verwirrung ihrerKunden ausnützen und versteckt überhöhte Gebühren abverlangen würden. 12Um uns ein Bild über die Wirkung der freien Kassenwahl zu machen, wollen wir uns imFolgenden zunächst Australien zuwenden, weiter unten dann Chile und schliesslich12Es sei daran erinnert, dass bei der obligatorischen Krankenversicherung die Preisdifferenzen zwischengünstigsten und teuersten Angeboten relativ hoch sind.103


dem US-Amerikanischen Fondsmarkt. In Australien gibt es mehrere Arten von Pensionskassen.13 Am geläufigsten sind sogenannte Industry Funds einerseits, und MasterTrust andererseits. Im Wesentlichen besteht folgender Unterschied zwischen diesenbeiden Typen. Industry Funds stellen eine Art Sammelstiftungen dar, die auf Nonprofit-Basis organisiert sind. Wesentlich ist, dass nur Firmen und nicht einzelne ArbeitnehmerZugang haben zu solchen Industry Funds. Ein Wechsel aus einem solchen Fonds herauszu einem andern ist nicht möglich. Im Unterschied dazu handelt es sich bei MasterTrusts um Pensionskassen, zwischen denen einzelne Angestellte frei wählen können.Die Kosten bei den Industry Funds betragen zwischen 8 und 16% des bei Renteneintrittangesparten Alterskapitals. Dies bedeutet, dass die Renten jährlich um 8 bis 16% tiefersind, als sie ausfallen würden bei Kosten von 0%, also in einer Welt ohne Verwaltungsundandere Kosten. Die Kosten bei den Master Trusts betragen zwischen 19% für solchemit hohen Mitgliederzahlen und 33% für solche mit geringen Mitgliederzahlen! 14 Dieschiere Höhe dieser Zahlen löst Verblüffung aus. Man mag sich fragen, wodurch derenorme Kostenunterschied zwischen Industry Funds und Master Trusts zu erklären ist.Es stellt sich heraus, dass zwei Faktoren für diesen Unterschied vorrangig verantwortlichsind. Erstens weisen Master Trusts einen hohen Marketingaufwand auf. Sie operieren imUnterschied zu den Industry Funds am Retailmarkt. Und zweitens fehlt den Einzelkundenbei den Master Trusts die Ver-handlungsmacht für günstige Konditionen. Dies wirdvor allem aus folgender Beobachtung ersichtlich. Es gibt auch einzelne Master Trusts, beidenen Firmen für ihre Mitarbeiter die Konditionen aushandeln. Hier betragen die Kostennur zwischen 9 und 15%, also vergleichbar den Industry Funds.Freie Wahl von Pensionskassen gibt es auch in Chiles Rentensystem, welches lange Zeitvon Experten als das weltweit modernste betrachtet wurde und für viele Reformen inanderen Ländern Vorbild war. 15 Es gibt in Chile neun Pensionskassen 16 , zwischen denenArbeitnehmer frei wählen und wechseln können. Auf den ersten Blick scheint hierWettbewerb zu spielen und wir würden relativ geringe Kosten erwarten. Tatsächlichbetragen die Kosten jedoch durchschnittlich rund 17% des bei Renteneintritt angespartenAlterskapitals, was keineswegs als günstig erscheint. Wie kommt dies zustande?Erstaunlicherweise ist der grösste Kostenposten beim Marketingaufwand zu finden.Dieser belief sich 1998 z.B. auf 45% der Gesamtkosten. Wettbewerb ist also nicht immerfunktionierender Wettbewerb: Die Chilenischen Pensionskassen haben in der Vergangenheitz.B. erfolgsentlohnte Agenten angestellt, welche die Aufgabe hatten, Kunden13Die Darstellung folgt Kapitel 7 in Bateman et al. (2001).14Siehe Tabelle 7.5 in Bateman et al. (2001). Siehe auch Whitehouse (2000).15Chile hat 1981 ein praktisch reines Kapitaldeckungssystem eingeführt.16Stand 2001.17Bateman et al., S. 174.18Ebenda.104


von anderen Kassen abzuwerben. Um Kunden von der Konkurrenz anzulocken, wurdendiesen z.B. Fahrräder oder Mobiltelefone geschenkt! 18Es besteht die Versuchung, Australien und Chile als Länder abzutun, die weit von derSchweiz entfernt sind und deren Erfahrungen daher nur bedingt Gültigkeit für dieSchweiz haben. Sicher handelt es sich jedoch im Fall Australien um eine moderneVolkswirtschaft, die der Schweiz um nichts nachsteht. Und wie erwähnt wurde ChilesRentensystem bis vor kurzem international als das modernste angesehen. Es hatteVorbildcharakter für viele Rentenreformpläne in den Industrieländern, insbesonderein den USA. Zur Festigung des entstandenen Bildes wollen wir uns nun aber noch demUS-Amerikanischen Fondsmarkt zuwenden. Bei freier Pensionskassenwahl handelt essich beim Markt für Vorsorgeleistungen praktisch um einen Markt für Anlagefonds. Inbestehenden Märkten für Anlagefonds herrscht Wettbewerb und Wahlfreiheit. Daherkönnen wir uns mit Hilfe des Marktes für Anlagefonds ein Bild davon machen, wie derMarkt für Vorsorgeleistungen bei freier Kassenwahl etwa funktionieren würde. Für denUS-Amerikanischen Fondsmarkt belaufen sich die durchschnittlichen Kosten auf zwischen0.8 und 1.5% des investierten Kapitals. 19 Dies bedeutet, dass die Auszahlungen um15 bis 30% geringer sind als in einer Welt ohne jede Art von Kosten! 20 In einem Pensionssystemwürde dies eine Rentenreduktion in der angegebenen Höhe bedeuten. DieKosten im Amerikanischen Fondsmarkt belaufen sich also in einer Höhe vergleichbar mitdem Chilenischen Rentensystem und den Australischen Master Trusts. Ähnlich wie imChilenischen Rentensystem machen Marketingkosten im Amerikanischen Fondsmarktetwa 43% der totalen Kosten aus! 21 Die hohen Kosten mögen überraschen, handelt essich doch um den international am besten entwickelten Fondsmarkt. Für den SchweizerischenFondsmarkt müssen wir schliessen, dass die Kosten sich mindestens auf jene desAmerikanischen Marktes belaufen.Dies sind Beobachtungen, an denen schwer zu rütteln ist. Über die reine Beobachtunghinaus sollte man freilich zu verstehen versuchen, warum es denn so schwierig ist, imMarkt für Vorsorgeleistungen (und Anlagefonds) effizienten kostensenkenden Wettbewerbzu implementieren. Ein erstes wichtiges Faktum ist, dass Vorsorgeleistungenkomplexe Produkte sind. Ohne fundierte Finanzkenntnisse ist die Evaluierung der möglichenOptionen sehr zeitaufwendig. Weiter fällt der Nutzen aus Vorsorgeleistungen fürdie meisten erst mit einer grossen zeitlichen Verzögerung an. Beides hat zur Folge, dasssich viele Angestellte von sich aus nur wenig um eine gründliche Evaluierung verschiedenerProdukte kümmern. Dies bringt eine gewisse Trägheit in den Markt, wie wir sievon der Grundversicherung gemäss KVG her kennen. Ein solcher Markt für komplexeProdukte mit zeitverzögerter Nutzenrealisierung funktioniert anders als der Markt für19James et al. (2001), S. 15.20Ebenda, S. 3f.21Ebenda, S. 18105


Möbel, Kaffeemaschinen oder Mobiltelefone. Insbesondere ist es in einem solchenMarkt praktisch unmöglich, neue Kunden ohne sehr hohen Werbeaufwand anzulocken.Wäre nun allenfalls eine Welt mit freier Kassenwahl denkbar, wo keine PensionskasseWerbung betreiben würde? Kaum, denn gegeben, dass alle andern Kassen kein Marketingbetreiben, ist der Anreiz für jede Kasse sehr gross, als einzelne intensives Marketingzu betreiben. Wenn aber andere Kassen beginnen, Marketing zu betreiben, ist jedeKasse, die im Markt bleiben möchte, gezwungen, selbst beim Marketing mitzumachen.In einem Markt jedoch, wo es keine freie Kassenwahl gibt, hat keine einzige Kasse einenAnreiz, Marketing zu betreiben.In vielen Märkten wie z.B. Telefonie hat Wettbewerb äusserst positive Wirkungengezeigt. Dies darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich beim Markt fürVorsorgeleistungen wie besprochen um einen sehr speziellen Markt handelt. Hier wirdper Gesetz ein «Zwangskonsum» verordnet. Wir haben gesehen, dass Wettbewerb beiindividueller Wahlfreiheit dazu tendiert, die Kosten in die Höhe zu treiben. Dies könnteallerdings dadurch kompensiert werden, dass Wettbewerb auch zu qualitativ besserenVorsorgeprodukten führt. Der Spielraum für Produktverbesserungen ist allerdings sehrbeschränkt. Denn gemäss den Erkenntnissen der modernen Finanzmarkttheorie ist esfast immer am besten, in breit abgestützte Indizes mittels passiver Anlagestrategie zuinvestieren. Solche Anlagestrategien können leicht auch in einem Markt ohne individuelleKassenwahl implementiert werden. Ohne Wahlfreiheit belaufen sich die Kosten desSchweizerischen Rentensystems gegenwärtig in einer Höhe, die zu einer durchschnittlichenRentenreduktion von 6 bis 8% führt. 22 Damit nimmt die Schweiz internationaleinen Spitzenplatz ein bezüglich Effizienz. Zu erklären sind diese geringen Kosten damit,dass das Schweizerische System Wettbewerb kennt, aber nicht auf der Ebene der individuellenWahlfreiheit. Vielmehr können nur Firmen wählen, z.B. bei welchen Lebensversicherernsie die Anlagetätigkeit in Auftrag geben wollen. Dadurch ist für die Leistungsanbieterder Anreiz, aufwendiges Marketing zu betreiben, enorm reduziert. Bei Einführungvon individueller Wahlfreiheit müssen wir damit rechnen, dass die Renten wegen Kostenerhöhungenum 8 bis 25% sinken. 23 Wie erwähnt wäre aber nicht zu erwarten, dassqualitativ bessere Vorsorgeprodukte ange-boten würden. Etwas überspitzt gesagt führtindividuelle Wahlfreiheit daher dazu, dass Angestellte gezwungen werden, ein Produktzu überhöhten Preisen zu kaufen, das in derselben Qualität ohne individuelle Wahlfreiheitzu viel geringeren Kosten angeboten werden kann.22Queisser/Vittas (2000)23James et al. (2001).106


Die internationale Erfahrung zeigt, dass freie Kassenwahl keinen funktionierendenWettbewerb garantiert. Wird freie Kassenwahl erwogen, so ist es wichtig,mittels wirkungsvollen Regulierungen Marketingaktivitäten einzudämmen. Erstdann sind Rahmenbedingungen für funktionierenden Wettbewerb geschaffen.Andernfalls ist mit einer Kostenerhöhung zu rechnen, die zu einer Rentenreduktionvon über 10% führt.Als letzter Aspekt der Wahlfreiheit soll im folgenden noch von den Gebührenstrukturendie Rede sein. Es soll gezeigt, werden, dass es nicht leicht ist, aus einer bestimmtenGebührenstruktur die effektive Kostenbelastung herauszulesen. Gebühren für Vorsorgeleistungen(sowie für Anlagefonds ganz allgemein) treten in verschiedenen Formenauf. Erstens können sie als Prozente auf die (z.B. monatlichen) Einzahlungen erhobenwerden. Zweitens können Gebühren auf das jeweils zu einem Zeitpunkt angesparteKapital erhoben werden. Drittens können Fixbeträge, z.B. beim Neueintritt in eine Kasseoder bei Renteneintritt, verrechnet werden. Und schliesslich sind Kombinationen dieserverschiedenen Gebührenarten denkbar. 24Wir wollen hier nur die ersten beiden Gebührenarten anhand von Beispielen etwasgenauer betrachten. 25 Der Leser möge sich in die Lage einer 30-jährigen Angestelltenversetzen, die eine hypothetische Auswahl zwischen zwei Pensionskassen zu treffenhat. Die eine Kasse, nennen wir sie Kasse A, verrechnet als Kosten 8% auf alle Einzahlungen.26 Kasse B verrechnet jährlich 0.9% des angesparten Kapitals. Wir wollen annehmen,dass die zukünftigen erwarteten Renditen 3% betragen. Weiter seien alle Kosten, dienach Renteneintritt anfallen, ausser Acht gelassen. Welche Kasse sollte die Angestelltewählen?Der Zeithorizont für die Ansparphase beträgt 35 Jahre. Man kann ausrechnen, dass dieKosten bei Kasse A dazu führen, dass die Renten um 8% tiefer sind als in einer Situationohne jede Art von Kosten. Sind also die Kosten in Prozent der Beiträge angegeben, sokann man sie unmittelbar als Rentenreduktion interpretieren. Die Zahl 0.9% des Kapitalsist hingegen nicht leicht interpretierbar. Mit Hilfe unserer Annahme über die Höhe der inZukunft erwarteten Renditen und Kenntnis des Zeithorizonts kann man jedoch ebenfallsdie entsprechende Rentenreduktion ausrechnen. Es stellt sich heraus, dass die Kostenbei Kasse B zu einer Rentenreduktion von 17% führen. Diese ist somit mehr als doppeltso hoch als bei Kasse A. Ohne Kenntnisse in Zinseszinsrechnung besteht jedoch die24Bei Anlagefonds sind Kombinationen mehrerer Gebührenarten üblich.25Beide Gebührenarten sind international zu beobachten. Wie bei Anlagefonds kommt insbesondere auchdie Kombination beider Gebührenarten bei ein und derselben Kasse vor. Siehe Bateman et al. (2001).26Diese Zahl entspricht etwa der durchschnittlichen Gesamtkostenbelastung in der Schweizerischen 2.Säule. Wie erwähnt weisen die meisten Länder höhere Kosten auf. Siehe Queisser/Vittas (2000) und Whitehouse(2000).107


Gefahr, dass die Zahl 0.9% als niedrig betrachtet wird gegenüber einer Zahl von 8% undso Kasse B gewählt wird. 27Wir wollen noch eine weiteres Beispiel betrachten, welches die Schwierigkeit vonKostenvergleichen untermauert. Wir betrachten einen 25 Jahre alten Angestellten, dersich zwischen zwei Pensionskassen C und D entscheiden muss. Kasse C verrechnet 20%auf alle Beiträge, Kasse D verrechnet jährlich 1% des angesparten Kapitals. Wir wollenannehmen, dass die für die Zukunft erwarteten Renditen 5% betragen. Für welche Kassesollte sich der Angestellte entscheiden? Bei Kasse C beträgt die Rentenreduktion 20%.Im letzten Beispiel haben wir berechnet, dass 0.9% des Kapitals zu einer Rentensenkungvon 17% führt. Daher würde man vermuten, dass hier nun die Kasse C zu einer höherenBelastung führt. Dies ist allerdings irreführend. Im Beispiel hier beträgt der Anlagehorizont40 Jahre, nicht 35 Jahre wie im letzten. Und die zukünftigen Renditen sind um 2%höher veranschlagt. Berücksichtigt man dies, so stellt sich heraus, dass die Rentenreduktionbei Kasse D tatsächlich 23% beträgt und somit leicht höher ist als bei Kasse C.Es ist jedoch zu erwarten, dass viele Laien die gross erscheinende Differenz zwischen1% bei Kasse D und 20% bei Kasse C beim Nennwert nehmen und somit die Kasse D alsbeträchtlich günstiger einschätzen.Wir halten soweit fest: Die Beurteilung von Kostenangaben ist nicht leicht. IntuitiveUrteile können hier sehr irreführend sein. Man kann sich nun die Frage stellen, obWettbewerb für eine transparente Gebührengestaltung sorgt. Wettbewerb kann hier aufzwei Arten wirken. Bei einheitlichen Tarifstrukturen und somit hoher Vergleichbarkeit istein eher scharfer Preiswettbewerb zu erwarten. Firmen könnten daher versucht sein, dieVergleichbarkeit von Kosten durch komplexe Tarifgestaltung absichtlich zu erschweren.Durch die damit erzeugte Verwirrung bei den Kunden könnte es ihnen u. U. gelingen,höhere Gebühren abzuschöpfen. Andererseits könnten dann andere Firmen den Anreizhaben, günstige und transparente Leistungen anzubieten und damit Kunden anzuwerben.Die entscheidende Frage ist, welcher Effekt hier überwiegt. Dieser wichtigen Fragehaben sich jüngst Xavier Gabaix, Professor am Massachusetts Institut of Technology, undDavid Laibson, Professor an der Harvard University, zugewandt. 28 Sie untersuchen dieFunktionstüchtigkeit von Wettbewerb in einem Markt mit komplexen Produkten undKunden mit unvollständiger Sachkenntnis. Spezifisch wenden sich Gabaix und Laibsonfolgenden zwei Fragen zu. Erstens: Führt mehr Wettbewerb in diesem Fall dazu, dassFirmen die Produkte und Kostenstrukturen absichtlich komplexer und verwirrender27Es soll erwähnt sein, dass die Berechnung der resultierenden Rentenreduktion bei Gebühren in Prozentendes Kapitals nicht ganz einfach ist. Selbst mit Hilfe eines Tabellenkalkulationsprogramms wie Excel istdies sehr mühsam und fehleranfällig. Nur mit Hilfe spezialisierter mathematischer Software lässt sich dieUmrechnung bequem vornehmen. Das Fazit lautet, dass die meisten Laien kaum in Lage sein dürften,selbständig solche Kostenvergleiche vorzunehmen.28Gabaix/Laibson (2004)108


gestalten? Zweitens: Haben andere Firmen in diesem Fall einen Anreiz, transparenteAngebote zu machen und die Kunden aufzuklären? Aufgrund einer gründlichen Analysekommen Gabaix und Laibson leider zum Schluss, dass die erste Frage mit ja, die zweitemit nein zu beantworten ist. Tatsächlich macht es also für gewinnmaximierende FirmenSinn, schärferem Wettbewerb durch verwirrende Tarifstrukturen auszuweichen. Andererseitshaben Firmen kein Interesse an der Kundenaufklärung. Sie könnten dadurchzwar Kunden von der Konkurrenz weglocken. Jedoch reagieren Kunden in einem Marktfür komplexe Produkte relativ träge. 29 Darüber hinaus muss eine Firma tiefere Gebührenanbieten, wenn sie Kunden von anderen Firmen abwerben möchte. Wechseln nur relativwenige und dazu besonders preisbewusste Kunden, so macht sich eine solche Marktstrategienicht leicht bezahlt.Die Analyse von Gabaix und Laibson legt uns folgende Schlussfolgerungen nahe. Eswäre naiv, zu glauben, dass allein mit der Einführung von freier Kassenwahl in der 2.Säule viel Gutes bewirkt würde. Vielmehr müssten wir erwarten, dass die Anbieter dementstehenden Wettbewerb ausweichen. Eine Minimalanforderung für einen funktionstüchtigenWettbewerb ist daher eine relativ strenge Regulierung der zulässigen Gebührenarten(nicht deren Höhe). Es muss garantiert werden dass die Gebühren problemlosverglichen werden können, damit ein Preiswettbewerb auch wirklich spielen kann.Bei Einführung freier Kassenwahl haben die Anbieter den Anreiz, die Komplexitätder Gebührenstrukturen zu erhöhen. Eine Minimalanforderung für einen funktionstüchtigenWettbewerb besteht daher in einer rigorosen Regulierung derGebührenstruktur (nicht der Gebührenhöhe). Denn echter Wettbewerb kann nurbei transparenter Gebührengestaltung zustande kommen.SchlussfolgerungenDie hier besprochenen Fakten warnen davor, die Schweizerische 2. Säule durch eineunbedachte Einführung von Wahlfreiheit zu verschlimmbessern. Man sollte nicht erwarten,dass mehr Wahlfreiheit per se positive Auswirkungen auf die Effizienz der 2.Säule hat. Erfahrungen aus den USA, Schweden, Australien und Chile führen deutlichvor Augen, dass mehr Wahlfreiheit an sich weder vernünftige Anlageentscheide nochfunktionierenden Wettbewerb garantiert. Es ist zu erwarten, dass in der Schweiz negativeErfahrungen bezüglich inadäquaten individuellen Anlageentscheiden und hohenKosten Unzufriedenheit mit der 2. Säule hervorrufen und deren Akzeptanz unterminierenwürden. Freie Portfoliowahl verlangt ein sehr sorgfältiges Design der zur Auswahl29Die Grundversicherung gemäss Schweizerischem Krankenversicherungsgesetz ist hierfür wieder einanschauliches Beispiel.109


stehenden Optionen. Weiter ist es sehr wichtig, zu erkennen, dass freie Kassenwahl nurdann positive Wirkung entfalten kann, wenn ein funktionstüchtiger Wettbewerb durchgeeignete Rahmenbedingungen sichergestellt ist. Die Schweizerische 2. Säule weist iminternationalen Vergleich sehr tiefe Kosten aus. Gemessen an der Dringlichkeit andererReformen im Schweizerischen System erscheint die Einführung von freier Kassenwahldaher nicht als das oberste Gebot der Stunde.Wird die Einführung von Wahlfreiheit ins Auge gefasst, so ist sehr viel Feingefühlgefragt, um die Probleme, die in anderen Ländern aufgetaucht sind, in den Griff zubekommen. Wird freie Portfoliowahl eingeführt, so sollte man diese so gestalten, dassnur ein Fonds aus z.B. fünf zur Verfügung stehenden ausgewählt wird. Die Fonds solltensich v.a. in ihrem Aktienanteil unterscheiden. Für solche, die keine eigene Wahl treffenmöchten, sollte ein Fonds mit mittlerem Aktienanteil als Standardoption gewähltwerden. Die gesamthaft zur Verfügung stehende Auswahl sollte nicht zu gross sein.Bei freier Kassenwahl tauchen zwei wichtige Probleme auf. Einerseits treiben erhöhteMarketingaktivitäten die Kosten in die Höhe. Andererseits, haben Anbieter den Anreiz,dem durch Wahlfreiheit entstehenden Wettbewerb durch eine komplexe Gestaltungder Gebührenstrukturen auszuweichen. Effektive regulatorische Rahmenbedingungenmüssen dafür sorgen, dass sowohl erhöhte Marketingaktivitäten als auch komplizierteGebührenstrukturen unterbunden werden. Geschieht dies nicht, so ist aufgrund derinternationalen Erfahrungen bei Einführung von freier Kassenwahl mit einer drastischenKostenerhöhung zu rechnen. Diese führt erwartungsgemäss zu einer Rentenreduktionvon über 10%. Diese Zahl macht deutlich, dass die hier spielenden Grössenordnungenhäufig unterschätzt werden.110


<strong>Quellenverzeichnis</strong>Bateman, Hazel/Kingston, Geoffrey/Piggott, John (2001): Forced Saving: MandatingPrivate Retirement Incomes, Cambridge University Press.Choi, James J./Laibson, David,/Madrian, Brigitte C. (2004): «Plan Design and 401(k)Savings Outcomes», National Tax Journal, 57(2), Part 1, 275-298.Benartzi, Shlomo/Richard H. Thaler (2001): «Naïve Diversification Strategies in DefinedContribution Saving Plans», American Economic Review, 91(1), 79-98.Gabaix, Xavier/Laibson, David (2004): «Competition and Consumer Confusion», WorkingPaper, Harvard University and MIT.Cocca, Teodoro D./Volkart, Rudolf (2002): Equity Ownership in Switzerland 2002, VersusVerlag.Cronqvist, Henrik/Thaler, Richard H.(2004): «Design Choices in Privatized Social-SecuritySystems: Learning from the Swedish Experience», American Economic Review,94(2), Papers and Proceedings, 424-428.James, Estelle/Smalhout, James/Vittas, Dimitri (2001): «Administrative Costs and theOrganization of Individual Account Systems: A Comparative Perspective», WorldBank Policy Research Working Paper No. 2554.Madrian, Brigitte C./Shea, Dennis F. (2001): «<strong>The</strong> Power of Suggestion: Inertia in 401(k)Participation and Savings Behavior», <strong>The</strong> Quarterly Journal of Economics, 116(4),1149-1187.Queisser, Monika,/Vittas, Dimitri (2000): «<strong>The</strong> Swiss Multi-Pillar Pension System: Triumphof Common Sense?» World Bank Policy Research Working Paper No. 2416.Whitehouse (2000): «Administrative Charges for Funded Pensions: An InternationalComparison and Assessment», Pension Reform Primer Series, Social ProtectionDiscussion Paper No. 0016, <strong>The</strong> World Bank.111


Soll das Rentenalter der höherendurchschnittlichen Lebenserwartungangepasst werden?AutorenRafael Lalive d’EpinayJosef Zweimüller16. Juni 2005im Auftrag desCenter for Corporate Responsibility and <strong>Sustainability</strong>(CCRS) an der Universität Zürich113


Eine Anpassung des Rentenalters an die gestiegene Lebenserwartung verkürzt den überdas Pensionssystem zu finanzierenden Zeitraum und verlängert gleichzeitig den Zeitraum,über welchen Pensionsbeiträge anfallen. Der zentrale Einwand gegen diese <strong>The</strong>sestellt die positiven Finanzierungswirkungen dieser Änderungen jedoch in Frage. EineÄnderung des Rentenalters führe lediglich zu einer Umschichtung der Finanzierungslastvom Pensionssystem ins Arbeitslosen- oder Invalidenversicherungssystem, da ältereArbeitnehmer am Arbeitsmarkt benachteiligt sind. Dieser Beitrag beleuchtet diesenzentralen Einwand gegen eine Erhöhung des Rentenalters an die gestiegene Lebenserwartungaus einer ökonomischen Perspektive. Wir werden zunächst die tatsächlicheBeschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer in der Schweiz im Vergleich mit den OECDMitgliedsstaaten beschreiben, danach die Determinanten der Pensionsentscheidungdarlegen, dann wichtige Faktoren diskutieren, welche die Nachfrage der Unternehmennach älteren Arbeitskräften schwächen, und einer Reihe von Empfehlungen für dieSchweiz abschliessen.Die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer inder SchweizDie wichtigste Kenngrösse zum Beschreiben der Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmerist die Beschäftigungsquote. Die Beschäftigungsquote setzt die Zahl aller einerbezahlten Arbeit nachgehenden Personen in Bezug zur gesamten Bevölkerung. 1Grafik 1 zeigt die zeitliche Entwicklung der Beschäftigungsquote von Schweizer Frauenund Männern im Alter zwischen 55 und 64 Jahren für den Zeitraum zwischen 1991 und2003 für die Schweiz und die OECD. Grafik 1 zeigt sehr deutlich, dass die Beschäftigungsquoteder Schweiz sehr hoch ist. Der Anteil erwerbstätiger Männer ist um rund 20Prozentpunkte höher als im OECD Durchschnitt. Die Beschäftigungsquote von Frauenin der Schweiz ist ebenfalls um rund 10 Prozentpunkte höher als diejenige von Frauenin der gesamten OECD. Eine wichtige Erklärung für diesen Umstand liegt darin, dass dasstatutarische Rentenalter in der Schweiz tatsächlich relevant ist für den Pensionsentscheid(Ferro-Luzzi und Sonnet, 2003).Grafik 1 zeigt jedoch auch zwei interessante Resultate bezüglich der zeitlichen Entwicklungder Beschäftigungsquote. Bei Männern sehen wir einen deutlichen Rückgang derErwerbstätigkeit kurz vor dem Pensionsalter. Die Beschäftigungsquote sinkt in einemin einem Zeitraum von weniger als 15 Jahren um 7 Prozentpunkte, von 85 % im Jahre1Die Beschäftigungsquote lässt sich in der Schweiz seit 1991 im Rahmen der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebungin einer Weise messen, welche mit allen Mitgliedsstaaten der Organisation for EconomicCo-operation and Development (OECD) vergleichbar ist.114


1991 auf 78 % im Jahre 2003. Die Beschäftigungsquote im ganzen OECD Raum sinktdeutlich weniger, von 63 % im Jahre 1991 auf 61 % im Jahre 2003. Schweizer Frauenerleben im gleichen Zeitraum einen ungemein starken Zuwachs der Erwerbstätigkeit.Dieser Zuwachs lässt sich einerseits natürlich erklären über die Tatsache, dass jüngereKohorten insgesamt eine höhere Erwerbstätigkeit aufweisen. Dieser positive Trend istin allen OECD Ländern beobachtbar. Andererseits zeigt Grafik 1 jedoch auch eine überden OECD Trend hinausgehende, sehr stark positive Entwicklung der bezahlten Erwerbstätigkeitbei Frauen, welche in der zweiten Hälfte der 90er Jahre einsetzt. Eine wichtigeErklärung für dieses Phänomen kann in der im Rahmen der 10. AHV Revision beschlossenenAnhebung des Rentenalters auf 63 Jahre (und später 64 Jahre) liegen, welche am 1.Januar 1997 in Kraft getreten ist.Grafik 1: Beschäftigungsquote von Personen im Alter zwischen 55 und 64 JahrenQuelle: Organization for Economic Co-ordination and Development, Paris.Der Kern des entscheidenden Gegenargumentes zielt auch auf die schlechte Situationälterer Arbeitnehmer, die auf Stellensuche sind. Diesbezüglich sind tatsächlich sehrbedeutende Probleme anzumerken. Ein Resultat unserer eigenen Forschung ist, dassAlter zu den am stärksten die Wiederbeschäftigungschancen reduzierenden Eigenschafteneiner stellensuchenden Person gehört (Lalive et al. 2002; Lalive et al. 2005). 2 Insbesonderesteigt die Dauer der Arbeitslosigkeit sehr stark an mit dem Alter bei qualifiziertenStellensuchenden.Zusammenfassend halten wir fest, dass die Beschäftigungssituation von Personen kurzvor dem Pensionsalter deutlich besser ist in der Schweiz als OECD Durchschnitt. EineErhöhung des Rentenalters kann deshalb in der Schweiz bedeutend grössere Finanzierungsvorteilegenerieren als in der OECD. Ein Problem bereitet die sehr rasch fortschrei-2Dieses Resultat wurde im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen nationalen Forschungsprogramms 45«Probleme des Sozialstaates» bestätigt (Djurdjevic, 2003).115


tende negative Entwicklung der Erwerbstätigkeit von älteren Arbeitnehmern im letztenJahrzehnt. Ein zweites Problem liegt in der schwierigen Arbeitsmarktposition stellensuchenderPersonen im Alter zwischen 55 und 64 Jahren.Auswirkungen einer Erhöhung des Pensionsalters aufdie RuhestandsentscheidungAus ökonomischer Sicht ist die Ruhestandsentscheidung ein Abwägen zwischen demNutzengewinn eines erhöhten Konsumstroms durch späteren Ruhestand und dem Nutzengewinndurch mehr Freizeit bei früherem Ruhestand.Welchen Einfluss hat die Ausgestaltung des Rentenversicherungssystems auf diese Entscheidung?Eine einfache Art, sich das Kalkül zu verdeutlichen ist folgende: Bezeichnenwir mit T das normale Rentenalter und nehmen wir an, jemand stehe vor der Entscheidungim Alter T anstatt im Alter T-1 in Rente zu gehen. Wird das Rentenalter um ein Jahrhinausgezögert, so verändert sich der Wert des Rentenvermögens um den Betrag KT- KT-1. Je nach Ausgestaltung des Systems kann diese Differenz positiv oder negativ seinkann. 3 Ist die Differenz gleich null, so erhöht sich der verfügbare Konsumstrom genauum jenes Einkommen, das man durch Arbeit im Alter T erzielt. Ist diese Differenz dagegennegativ, so erhöht sich der Konsumstrom um weniger als dieses Arbeitseinkommen.In diesem Fall wirkt das System wie eine implizite Steuer. Bezeichnen wir mit YT dasEinkommen der Periode T, dann ist der implizite Steuersatz gegeben durch -(KT - KT-1) /YT. (Ist die Differenz dagegen positiv, so erhöht sich der Konsumstrom um mehr als dasArbeitseinkommen und das System wirkt wie eine Subvention auf das Arbeitseinkommen.)3Ist das Rentensystem aktuarisch fair ausgestaltet, so ist die Differenz KT - KT-1 offensichtlich positiv, da dieEinzahlungen in das Rentensystem während der Periode T das Rentenkapital erhöhen.116


Grafik 2: Die implizite Besteuerung eines Rentenantrittes mit 69 JahrenBemerkungen: Die Grafik zeigt die durchschnittliche implizite Steuer zwischen dem Frühpensionsalter und Alter 69.Quelle: Gruber und Wise (1999), Tabelle1..Gruber und Wise (1999) zeigen, dass zwischen dem Frührentenalter und dem normalenRentenalter die Differenz KT - KT-1 in den meisten Industrieländern negativ ist.D.h. späterer Ruhestand ist mit starken negative Anreizen verbunden. Es gibt damitkeine Anreize den Ruhestand später anzutreten. Im Gegenteil wird früherer Ruhestandbelohnt. Grafik 2 zeigt die durchschnittliche implizite Steuer eines Rentenantrittes imAlter von 69 Jahren im Vergleich zum Rentenantritt beim Frührentenalter. Diese impliziteSteuer ist in jenen Ländern am höchsten, in denen die Beschäftigungsquoten der 55 bis64 jährigen am niedrigsten sind: So haben etwa Italien, Belgien und Frankreich impliziteSteuersätze zwischen 60 und 90 Prozent. In Japan und den USA wird eine längereLebensarbeitszeit zwar auch implizit besteuert, die Sätze sind allerdings mit weniger als20 Prozent deutlich geringer. Die Anreize der Ausgestaltung des Rentensystems habenvermutlich also einen sehr starken Einfluss auf das Erwerbsverhalten älterer Personen.Dieser Eindruck wird durch detaillierte mikroökonometrische Studien erhärtet. Börsch-Supan (2000) analysiert die langfristigen Konsequenzen der deutschen Rentenreform1972. In dieser Reform wurden die Abschläge für Frühverrentung gesenkt. Diese Massnahmehatte zur Konsequenz, dass sich für einen grossen Teil der Arbeitnehmer dasRuhestandsalter zum frühest möglichen Ruhestandszeitpunkt verschob. Roed und Haugen(2003) untersuchen die Auswirkungen einer subventionierten, freiwilligen Optionschon im Alter von 66 Jahren (anstatt 67 Jahren) in Pension zu gehen, welche im Jahre1988 zwischen Gewerkschaften und Firmen im Rahmen zentraler Lohnverhandlungenausgehandelt wurde. Diese Frühpensionsoption hat die Erwerbstätigkeit von betrof-117


fenen Arbeitnehmern im Vergleich zu Arbeitnehmern, deren Unternehmen nicht vondieser Vereinbarung betroffen wurden, deutlich gesenkt. 4Die empirische Literatur für die Schweiz untersucht die Bestimmungsfaktoren einesfrühzeitigen Pensionsantrittes mit Daten der Schweizerischen Arbeitskräfteergebung(Dorn und Ferro-Luzzi, 2005) oder Daten von Pensionskassen grösserer Unternehmen(Bütler et al., 2004). Beide Studien gelangen zum Schluss, dass finanzielle Faktoren denFrühpensionsentscheid entscheidend beeinflussen. Insbesondere gehen Personen intieferen und höheren, nicht jedoch in mittleren Einkommensklassen, frühzeitig in denRuhestand (Dorn und Ferro-Luzzi, 2005).Arbeitsmarktchancen von älteren ArbeitnehmernÄltere Arbeitnehmer haben geringe Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Das gilt für diemodernen Industrieländer ganz allgemein und für die Schweiz im besonderen. Obwohlältere Personen hierzulande überdurchschnittlich aktiv sind, zeigen doch empirischeUntersuchungen, dass die Chance von älteren Arbeitnehmern im Falle der Arbeitslosigkeitwieder einen Job zu bekommen erheblich geringer sind als für Jüngere (Lalive et al.2002).Der Kern des Problems liegt einerseits in den höheren Lohnkosten von älteren Arbeitnehmernim Verhältnis zu ihrer Produktivität und andererseits in den geringeren Anreizenzur beruflichen Weiterbildung. Die Lohnkosten älterer Arbeitnehmer sind hoch, weildie Erwartung einer stetig ansteigenden Entlohnung sehr wichtig ist. 5 Diese Erwartunggreift besonders im Falle eines Jobverlustes: man möchte wieder einen «gleichwertigen»Job bekommen. Dass solche Lohnaspirationen häufig nicht realistisch sind kann imwesentlichen auf drei Umstände zurückgeführt werden.■Verlust von betriebsspezifischem Humankapital: Arbeitnehmer, die länger in einerFirma arbeiten, eigenen sich spezifisches Wissen an, das zwar in der derzeitigen Firmawertvoll ist, in anderen Firmen jedoch nicht verwertbar ist. Verliert ein Arbeitnehmerseinen Job, geht dieses Wissen verloren. Eine neue Firma wird daher nicht bereit sein,ebenso gut zu zahlen wie die frühere Firma. Dies führt zu längerer Dauer der Arbeitslosigkeitbei Personen mit langer Betriebszugehörigkeit (Valletta, 1991).4Das Frühpensionsalter wurde graduell auf heute 62 Jahre abgesenkt. Diese Frühpensionsoption auchGegenstand der früheren Untersuchung von Hernaes et al. (2000).5Ein über die Zeit ansteigendes Entlohnungsschema wird einem gleich wertvollen aber flachen Entlohnungsschemasystematisch bevorzugt (Loewenstein und Sicherman, 1991).118


■■Senioritätsentlohnung: Viele (insbesondere grössere) Firmen verfolgen eine Lohnpolitik,die sich stärker am Alter bzw. der Firmentreue orientiert als an der Produktivitätdes Arbeitnehmers (Luchsinger et al., 2003). Der Grund warum Firmen eine solcheLohnpolitik implementieren ist durchaus rational. Ein Lohnprofil, das dem Arbeitnehmereinen geringen Einstiegslohn, aber höhere Lohnzuwächse verspricht, kann z.B.hohe Fluktuation verhindern (Salop und Salop, 1976); oder zur Motivation der Arbeitnehmerbeitragen (Lazear, 1979).Interne Arbeitsmärkte: Wichtiger Bestandteil der Personalpolitik vieler Firmen sindinterne Arbeitsmärkte mit Lohnhierarchien und Karrieremöglichkeiten (Doeringerund Piore, 1971). Ähnlich wie Senioritätslöhne dient eine solche Politik dazu Kostendurch potentielle Motivations- und Fluktuationsprobleme zu minimieren. Danebenbesteht der Vorteil von internen Arbeitsmärkten in ihrer Rekrutierungsfunktion vonArbeitnehmern für höhere Positionen in der Firma.Die Bereitschaft älterer Arbeitnehmer und/oder deren potentieller Arbeitgeber, in dieweitere Ausbildung zu investieren («lebenslanges Lernen»), wird entscheidend geprägtdurch den Investitionshorizont. Eine Firma, die einen Teil der Ausbildungskostenübernimmt, wird ceteris paribus einen jüngeren Arbeitnehmer bevorzugen aufgrundder längeren erwarteten Dauer der Arbeitsbeziehung. Finanziert der Arbeitnehmer dieAusbildung aus eigener Tasche so besteht offensichtlich für jüngere Arbeitnehmer eingrösserer Anreiz neue Qualifikationen zu lernen. Das heisst, selbst dann, wenn mit demAlter die Lernanstrengungen nicht zunehmen, haben ältere Arbeitnehmer einen geringerenAnreiz sich Aus- und Weiterbildung zu unterziehen. Andererseits verlängert einerhöhtes Rentenalter die Amortisationszeit und bietet damit einen Anreiz zu verstärkterAusbildung. Dieser Effekt sollte jedoch bei einer geringen Erhöhung des Rentenaltersnicht überbewertet werden.Welche Implikationen ergeben sich aus diesen Überlegungen für mögliche Effekte einerErhöhung des Pensionsalters?Zum einen macht die obige Diskussion klar, dass Entscheidungen von Firmen über dieEinstellung von älteren Arbeitnehmern von Überlegungen geprägt sind, die weitgehendunabhängig von der Höhe des Pensionsalters sind. Durch eine Erhöhung des Pensionsalterswürde sich die Arbeitsmarktposition von älteren Arbeitnehmern kaum verbessern.Im Gegenteil, Firmen, die nach Seniorität entlohnen, werden sich gezwungen sehen,ihre Lohnpolitik zu überdenken, da ihnen die verlängerte Beschäftigung von (gutbezahlten) älteren Arbeitnehmern zusätzliche Kosten aufbürdet.Flankierende Massnahmen, welche die Bereitschaft der Firmen erhöhen, ältere Arbeiterzu beschäftigen und diese in der Firma weiterzubilden, bzw. arbeitslose ältere Arbeiterneu einzustellen, erscheinen daher zentral für den langfristigen Erfolg einer Erhöhungdes Rentenalters und die Entschärfung der Lage auf dem Arbeitsmarkt für ältere Personen.119


Eine entscheidende Frage lässt die bisherige Diskussion unbeantwortet. Werden ältereArbeitskräfte nach einer Erhöhung des Rentenalters eine Beschäftigung finden? Diesewichtige Frage lässt sich mit Blick auf die jüngere Vergangenheit der USA beantworten.So finden etwa Stock and Wise (1990), dass eine Erhöhung des Frühpensionsalters von55 auf 60 Jahre die Beschäftigungsquote der 59 jährigen um 35 Prozentpunkte erhöht.Neumark und Stock (1999) untersuchen die Auswirkungen einer Anhebung des Pensionsaltersvon 65 Jahren auf 70 Jahre im Jahre 1979. Die empirische Analyse weist nach,dass die Beschäftigungsquote der Arbeitskräfte über 60 Jahren um rund 6 Prozentpunkteerhöht wurde durch die Anhebung des Rentenalters um 5 Jahre. Dies bedeutet,dass eine Erhöhung des Rentenalters um 5 Jahre die Beschäftigung von älteren Arbeitskräftenerhöhen kann.Empfehlungen für die SchweizDie obigen Ausführungen lassen eine Reihe von Schlussfolgerungen über wirtschaftpolitischeMassnahmen in der Schweiz zu.■■■Eine Erhöhung des Rentenalters kann die Beschäftigungsquote von älteren Personendeutlich erhöhen - vorausgesetzt, die Ausgestaltung des Rentensystems setztentsprechende Anreize. Insbesondere ist dafür Sorge zu tragen, dass eine längereLebensarbeitszeit zu einem Zuwachs des Rentenvermögens führt. Das ist durchgenügend hohe Abschläge bei Rentenantritt vor dem regulären Rentenalter sicherzustellen.Empirische Studien zeigen, dass finanzielle Anreize des Rentenversicherungssystemseine entscheidende Determinante der Ruhestandsentscheidung sind (Gruberand Wise, 1999).Rein angebotsseitige, auf finanzielle Anreize des Rentenversicherungssystems ausgerichteteMassnahmen greifen jedoch zu kurz. Moderne Arbeitsmärkte haben spezifischeEigenschaften, die für die Arbeitsmarktchancen älterer Arbeitnehmer nachteiligsind. Viele Arbeitnehmer befinden sich in langfristigen Arbeitsbeziehungen. Diesesind typischerweise durch implizite Verträge gekennzeichnet, die Arbeitnehmern injungen Jahren unter, und im fortgeschrittenen Alter über der Produktivität entlohnen.Dieses Auseinanderklaffen von Lohn und Produktivität für beschäftigte ältereArbeitnehmer und von Lohnaspirationen und Produktivität für arbeitslose ältereArbeitnehmer bedeutet, dass deren Arbeitslosigkeitsrisiko höher und deren Wiederbeschäftigungschancengeringer sind. Eine Erhöhung des Pensionsalters ohneflankierende Massnahmen dürfte daher (jedenfalls in der kurzen Frist) das Beschäftigungsproblemälterer Arbeitnehmer verschärfen.Für eine Verbesserung der Arbeitsmarktchancen von älteren Arbeitnehmern ist esunabdingbar, die Lohnkosten älterer Arbeitnehmer relativ zu jüngeren Arbeitnehmernbesser mit deren relativen Produktivitäten in Einklang zu bringen. Die derzeitigeRegelung in der Schweiz, derzufolge die Beitragssätze für die berufliche Vorsorge120


■■mit dem Alter steigen, verstärkt dagegen den Unterschied zwischen Produktivitätund Lohn und trägt damit bei zur problematischen Situation älterer Arbeitnehmer.Demgegenüber ist eine Regelung zu überlegen, welche die Beitragssätze mit demAlter senkt. Uns sind keine Evaluationen sinkender Beitragssätze bekannt. VerschiedeneStaaten der Europäischen Union kennen jedoch explizite Anreize zur Beschäftigungälterer Arbeitnehmer (z.B. Bonus-Malus System in Österreich). Diese können alsGrundlage zu möglichen Reformansätzen für die Schweiz dienen.Auf betrieblicher Ebene sind flachere Lohnprofile sowie flachere innerbetrieblicheHierarchien angezeigt. Dies erfordert ein grundsätzliches Umdenken über die Ausgestaltunglangfristiger Arbeitsbeziehungen. Kontinuierlicher Weiterbildung kommtdabei eine zentrale Rolle zu (Stichwort «productive aging»). Dies wirkt dem Abfallender Produktivität entgegen und verhindert damit Einkommensverluste für ältereArbeitnehmer.Eine Erhöhung des Rentenalters bedeutet eine Zunahme des Arbeitsangebots vonälteren Arbeitnehmern. Diese Massnahme erhöht also das relative Angebot vonälteren Arbeitnehmern und verstärkt so den Trend der zunehmenden Alterung derBeschäftigten vorübergehend. Damit der Arbeitsmarkt in der Lage ist, dieses Angebotzu absorbieren, müssen die relativen Löhne der älteren Arbeitnehmer sinken.Mit anderen Worten: ein erhöhtes Rentenalter wird zusätzlichen Druck auf die Löhnevon älteren Arbeitnehmern ausüben. Um Einkommensverluste in Grenzen zu haltensind verstärkte Anstrengungen, ältere Arbeitnehmer zu Weiterbildung anzuhalten, zubegrüssen («lebenslanges Lernen»).121


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Wirtschaftswissenschaftliches Zentrumder Universität BaselAbteilung Finanzmarkttheorie<strong>The</strong>sen zu einernachhaltigen AltersvorsorgeAutorenProf. Dr. Heinz Zimmermannlic. rer. pol. Gesina U. LüthjeAugust 2005im Auftrag desCenter for Corporate Responsibility and <strong>Sustainability</strong>(CCRS) an der Universität Zürich125


ÜberblickDemographische Grundlagen1. <strong>The</strong>se: Grundversorgung2. <strong>The</strong>se: Generationenvertrag3. <strong>The</strong>se: Rentenalter4. <strong>The</strong>se: Produktionsfaktor Arbeit5. <strong>The</strong>se: Mindestzinssatz6. <strong>The</strong>se: Umwandlungssatz7. <strong>The</strong>se: Laufende Deckung8. <strong>The</strong>se: Transparenz9. <strong>The</strong>se: Governance10. <strong>The</strong>se: Wahlfreiheit<strong>Quellenverzeichnis</strong>VorbemerkungIm Folgenden werden im Auftrag des CCRS einige Aussagen zur nachhaltigen Altersvorsorgediskutiert. Die einleitend formulierten <strong>The</strong>sen sollen die Überlegungen dereinzelnen Abschnitte motivieren, können diese jedoch nicht differenziert zum Ausdruckbringen.Demographische GrundlagenDie Diskussion um die Alterung der Weltbevölkerung ist in jüngster Vergangenheitallgegenwärtig geworden. Nicht nur die Gesellschaften der Industrieländer sind vonder <strong>The</strong>matik betroffen – die Verschiebung des Durchschnittsalters findet auch, noch inbeschränkterem Ausmass und zeitlich verzögert, in den Schwellen- und Entwicklungsländernstatt. In der Schweiz ist die demographische Alterung relativ zum Durchschnittder Weltbevölkerung weit fortgeschritten. Der Altersmedian der Schweiz liegt entsprechendden Berechnungen der UNDP per 2000 mit 40,2 Jahren rund 14 Jahre überdem Welt-Altersmedian und wird im Jahr 2050 mit 52 Jahren sogar rund 16 Jahre überdem Welt-Altersmedian zu liegen kommen. Die meisten OECD-Länder sehen sich miteiner ähnlichen Entwicklung wie die Schweiz konfrontiert. Den Schätzungen der UNDPzufolge werden im Jahr 2050 sieben der zehn ältesten Landesbevölkerungen der WeltOECD-Mitglieder sein – die Schweiz an 9. Position.Die demographische Alterung der Weltbevölkerung widerspiegelt zwei Trends: die kontinuierlicheErhöhung der Lebenserwartung und das Absinken der Geburtenraten. ImZeitraum zwischen 1876 und 1999 hat sich die Lebenserwartung für Männer und Frauenin der Schweiz etwa verdoppelt.126


Abbildung 1: Alterspyramide: 1900, 2000, Prognose bis 2060Bemerkung: Der Anteil der Älteren an der Bevölkerung nimmt deutlich zu.Quelle: Bundesamt für Statistik, Avenir Suisse (Rainer Münz und Ralf Ulrich)Die durchschnittliche Kinderzahl je Frau ist in der Schweiz seit den kinderreichenNachkriegsjahren (1964 2,7) auf das aktuelle Niveau (2003) von 1,37 Kindern gesunken.Die Altersstruktur der Schweizer Bevölkerung hat sich den Trendentwicklungen entsprechendzugunsten der älteren Bevölkerungsteile entwickelt. Seit 1950 hat sich die Anzahlder über 65-Jährigen mehr als verdoppelt. Das Verhältnis (Altersquotient) zwischenPersonen im erwerbsfähigen Alter (20-64 Jahre) und Personen im Ruhestand (65+ Jahre)ist dementsprechend angestiegen – im Jahr 1970 betrug der Altersquotient 20,0%, 199023,5% und 2001 25,2%. Mit anderen Worten ist die Anzahl erwerbsfähiger Personen proPerson im Rentenalter zwischen 1970 und 2001 von 5 auf knapp 4 gesunken.127


Altersquotient: Verhältnis von 65-Jährigen und Älteren zu 15 bis 64-JährigenQuelle: Demographic forecast of EU Economic Policy Committee, 2001Für die Zukunft wird eine weitere demographische Verschiebung zugunsten der älterenBevölkerungsgruppen prognostiziert. Die Fortsetzung der demographischen Alterunggründet hauptsächlich in der weiteren Erhöhung der Lebenserwartung und derkommenden Pensionierung der Babyboomer. Entsprechend den Trendprognosen zurDarstellung 2: Altersquotient: Prognosen bis 2060Der Altersquotient (die Zahl der über 65-jährigen Frauen und Männer je hundert 20- bis 65-jährige Frauen undMänner) wird bis ins Jahr 2060 dramatisch steigen.Gemäss den Projektionen von Avenir Suisse wird es bis dann auf einen über 65-Jährigen nur noch zwei 20 bis 65-Jährige geben.128


Bevölkerungsentwicklung des Bundesamtes für Statistik (BFS) wird die Altersgruppe derüber 65-Jährigen bis ins Jahr 2060 einen Zuwachs von über 50% auf die Anzahl von 1,7Millionen Personen erfahren. Die Anzahl Personen in sämtlichen Altersgruppen unter 65Jahren soll nach BFS über den gesamten Zeitraum schrumpfen. Gemäss den Prognosender Ende Oktober 2001 von der Stiftung Avenir Suisse veröffentlichen Studie «Alterungund Immigration» ist eine etwas andere Bevölkerungsentwicklung zu erwarten. Daswahrscheinlichste Szenario W, das Pendant zum Trendszenario des BFS, prognostiziertbis 2060 eine Verdoppelung der Anzahl Personen im Rentenalter auf 2,2 Millionen. Demstärkeren Anstieg der über 65-jährigen Menschen im Szenario W der Avenir Suisse stehtein verglichen mit den Trendprognosen des Bundesamtes schwächerer Rückgang dererwerbsfähigen Bevölkerungsgruppe (Abnahme von 4%) und eine stagnierende AnzahlJugendlicher gegenüber.Die Implikationen der in Zukunft weltweit noch verstärkt beobachtbaren demographischenAlterung sind vielfältig und tief greifend. Ausgehend von der Annahmealtersabhängiger Unterschiede in den Bedürfnissen und Präferenzen von Personen, istbeispielsweise mit Wirkungen auf den aggregierten Konsum, die aggregierte Ersparnis,das Arbeitsangebot und die sozialpolitischen Programme zu rechnen.Im Hinblick auf die Veränderung der Anzahl Rentner im Verhältnis zur Bevölkerung imerwerbsfähigen Alter ist die Altersvorsorge und ihre Finanzierung ein zentraler <strong>The</strong>menbereichinnerhalb der Demographiedebatte. Es stellt sich in diesem Zusammenhangdie grundsätzliche Frage, wie die Altersvorsorge unter Einbezug der demographischenVeränderungen zukunftstauglich ausgestaltet werden soll. 11. <strong>The</strong>se: GrundversorgungDie Grundversorgung der Altersvorsorge muss über das Umlage- oder Kapitaldeckungsverfahreneiner staatlichen, obligatorischen Versicherung finanziertwerden.In der Schweizer Bundesverfassung werden die Ziele der Altersvorsorge wie folgt festgehalten:Die Renten der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung haben denExistenzbedarf angemessen zu versichern (Art. 112 Abs. 2 BV) und zusammen mit derberuflichen Vorsorge die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessenerWeise zu ermöglichen (Art. 113 BV).Doch schon vor den Korrekturen an den Kapitalmärkten und den Schwierigkeiten derVersicherungswirtschaft glaubte nach einer Umfrage des Eidgenössischen Finanz-1Quelle: Bubb / Zimmermann (2002, S. 75ff)129


departements nur noch ein Drittel der Schweizer an eine langfristig leistungsfähigeAHV, wobei vor allem die jüngere Generation sehr misstrauisch war. Nur 55 Prozent derBefragten glaubten im Jahr 2000 überdies, dass ihre künftigen Bezüge aus der beruflichenVorsorge gesichert seien. 2 Es besteht also dringender Handlungsbedarf, das Vertrauender Schweizer in ihre Altersvorsorge zu verbessern. Doch wie kann diese Grundversorgungnachhaltig bereitgestellt werden? Als Finanzierungsmöglichkeiten stehenfür die Einkommenssicherung im Alter das Umlage- und das Kapitaldeckungsverfahrenzur Diskussion. Sie sollen im folgenden Kapitel vor dem ökonomischen Hintergrund unddem Postulat der Nachhaltigkeit miteinander verglichen werden.2. <strong>The</strong>se: GenerationenvertragDie Generationensolidarität darf und kann bei einer langfristigen und nachhaltigenSicherung des Altersvorsorgesystems nicht in Frage gestellt werden.EinleitungDie Altersvorsorge kann durch das Umlage- oder das Kapitaldeckungsverfahren finanziertwerden. Im Folgenden werden die beiden Systeme vor dem Hintergrund derNachhaltigkeit diskutiert.Im Umlageverfahren wird die Finanzierung der heute auszuzahlenden Altersrentendurch die Beiträge der heute erwerbstätigen Rentenversicherten aus ihrem Arbeitseinkommenbereitgestellt – die eingezahlten Beträge sind gleich den in jeder Periodeausbezahlten Renten. Es wird kein Kapital- bzw. Ersparnisstock aufgebaut.Im Kapitaldeckungsverfahren wird die Altersrente durch ein angespartes Altersguthabenfinanziert. Es werden in der erwerbsfähigen Lebensphase Beiträge einbezahlt, diedann über die restliche Zeit bis zur Pensionierung in verschiedenen Vermögensformenangelegt werden (Ansparphase). Ab dem Zeitpunkt der Pensionierung werden die anfallendenLeistungen aus dem angesparten Vermögensstock gespeist (Entnahmephase).Somit passt das Kapitaldeckungsverfahren eher zu einer individualistischen Gesellschaft,wohingegen das Umlageverfahren auf Solidarität und der Stabilität des Generationenvertragsaufbaut.2Emery (2002, S. 52)130


UmlageverfahrenDemographieDie Auswirkungen der demographischen Entwicklung sind im Umlageverfahren direktbeobachtbar. Heute kommen ca. vier Erwerbstätige auf einen Rentner, in 30 Jahrenwerden es in etwa zwei 3 sein. Anders ausgedrückt bedeutet dies, dass die Lohnprozenteunter der Ceteris-paribus-Bedingung auf das Doppelte ansteigen müssten, damit weiterhinrund 75% der AHV durch die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziertwerden können.Finanzierung: GenerationenvertragDie Finanzierung der Altersrenten ist im Umlageverfahren von der Einhaltung desGenerationenvertrags durch die jeweils erwerbstätige Generation abhängig. Die heuteErwerbstätigen bezahlen die Beiträge in der Hoffnung, dass die zukünftige Generationvon Erwerbstätigen dies auch tun wird. Die arbeitende Generation geht damit mit ihrerBeitragszahlung einen «Vertrag» mit einer noch ungeborenen Generation ein, sie istauf deren Zahlungen angewiesen. 4 Dies macht deutlich, dass das Umlageverfahren zurDurchsetzung des Generationenvertrages auf staatliche Institutionen angewiesen ist,denn das Umlageverfahren beruht letztlich auf der Steuerbelastung des nationalenGemeinwesens (über die indirekten Steuern wird die Steuerbelastung teilweise aufdas Ausland überwälzt). Doch können die staatlichen Institutionen die Einhaltung desGenerationenvertrags nicht garantieren. Er könnte auf unterschiedliche Weisen entkräftetwerden. In einer Gesellschaft, in der die demokratische Macht bei den Rentnernkonzentriert ist, könnten die Jungen versucht sein, die Last der Rentenansprüche durchInflation zu entwerten. Des Weiteren könnte der Vertrag ausdrücklich gekündigt oderaber durch Verschuldung 5 unterlaufen werden. Die Wahrscheinlichkeit für eine Abkehrvom Generationenvertrag steigt umso mehr, je weniger die junge Generation glaubt,einmal von Rentenauszahlungen profitieren zu können. Die Problematik verschärft sichvor dem Hintergrund der demographischen Entwicklungen weiter.3Gemäss Szenario Trend des Bundesamtes für Statistik wird der Altersquotient im Jahre 2035 bei ca. 45 %,gemäss Szenario W der Avenir Suisse gar bei 50% liegen. Quelle: Bubb / Zimmermann (2002, S. 77)4Prägnant beschrieben wurde der Generationenvertrag von Beat Kappeler: «Denn diese Systeme (Umlageverfahren)sind letztlich „Pyramidenwetten“. Man baut darauf, dass die versprochenen Renten immergenügend neue, zahlreichere Zahler finden. Unter Privatleuten schreitet bei solchen Wetten die Polizei ein,bei den Renten vernebeln Politiker die Fakten mit dem Worte „Generationenvertrag“.» Quelle: Kappeler(2004)5Man spricht in diesem Zusammenhang auch vom Ponzi-Effekt, wenn die Renten durch fortgesetzte Verschuldungfinanziert werden. Die Folgen der Verschuldung bleiben lange unerkannt – bis der Schuldendienstden Staatshaushalt aus dem Gleichgewicht bringt.131


KapitaldeckungsverfahrenDemographieAuch ein auf Kapitaldeckung beruhendes Vorsorgesystem ist von den demographischenVeränderungen betroffen: In einer alternden Gesellschaft wird die Arbeit relativzum Kapitalangebot zunehmend knapp, was den Kapitalzins im Verhältnis zu denLöhnen reduziert. Zentral an dieser Aussage ist, dass der tiefere Zins für sich betrachtetkein Problem, sondern einfach das Spiegelbild der demographischen Veränderungendarstellt: Er ist das Indiz für den relativ knappen Faktor Arbeit und den hohen Kapitalstock.Die Gesellschaft verfügt gewissermassen dann über einen hohen Kapitalstock,wenn er volkswirtschaftlich am wenigsten benötigt wird: Das repräsentative Konsumgüterbündeleiner alternden Gesellschaft ist in der Regel weniger kapitalintensiv, sondernerfordert vermehrte, nicht durch Kapital substituierbare Arbeitsleistungen (Pflege,Betreuung, Dienstleistungen aller Art usw.). Es müssen Güter und Dienstleistungenvorab in der Gegenwart, nicht in der Zukunft bereitgestellt werden. Letztlich hängt alsodie Höhe der Kapitalrenditen entscheidend davon ab, in welchem Mass in der Güterproduktioneiner alternden Gesellschaft Arbeit und Kapital substituierbar sind.Ein nach dem Kapitaldeckungsverfahren finanziertes System der Alterssicherung kannzwar der Bevölkerung die Konsequenzen des sich abzeichnenden dramatischen Alterungsprozessesnicht ersparen. Es erschwert aber den Politikern, die Finanzierungsproblemeder Altersvorsorge einfach ständig auf die kommenden Generationen abzuwälzen,da es prinzipiell unabhängig von staatlichen Institutionen ist. 6Nutzen des KapitalstocksWie bereits festgehalten, wird beim Kapitaldeckungsverfahren ein Kapitalstock aufgebaut.Doch welches ist der ökonomische Nutzen des volkswirtschaftlichen Kapitalstocks?Einfach formuliert handelt es sich um das Nettovermögen der Volkswirtschaft, also umjene Teile der Vermögenswerte, denen keine Verpflichtungen gegenüberstehen. Aktienstellen in diesem Sinn Vermögenswerte dar, weil sie Anteile an den Unternehmensressourcenverkörpern, aber seitens der Unternehmung keine Verpflichtungen begründen.Ebenso gehören Liegenschaften zum volkswirtschaftlichen Kapitalstock, aber auch dasHumankapital – also die Summe der Investitionen, welche die Menschen in Bildung undAusbildung stecken, um damit in der Zukunft ein Arbeitseinkommen zu erwirtschaften.Im Gegensatz dazu stehen Darlehen, Kredite und Anleihen (Bonds). Sie stellen gesamtwirtschaftlichkein Nettovermögen dar. Für den Eigentümer eines Bonds ist das Wertpapiernatürlich ein Vermögenswert; diesem stehen aber die Rückzahlungsverpflichtungen6Wenn jedoch der Staat im Kapitaldeckungsverfahren Leistungen erbringen soll, bzw. Sicherheiten undGarantien gewährt, sind diese zu bewerten und ordentlich zu budgetieren.132


1.3. MÉTHODE NUMÉRIQUE 129avec les définitionsaT= ee'3 ' 77 = -- , 7(1.49)X±:=(u'±ITc)1-± UL\//911]X3 := u1s(1.50)Y± (y' + /g22c)pl7 ± V17QCY3 := V1S77(1.51)(w' ±c) [wt]± g33jZ3 := ws(1.52)12X" := u'(vt - Çîu)XW := u'(wt -(1.53)21yu := v'(u -g227723yw := v'(w -g2271(1.54):= w'(ut - wt)32Z' := w'(vt - w)(1.55)Les quantités X3, X'-' et xw correspondent à un transport avec la vitesse contravarianteu1 de l'entropie et de la vorticité. Les quantités Y3, Uet Y"-' (respectivementZ3, ZU et Z") sont convectées à la vitesse y1 (respectivement w'). Notons queXs est exactement l'onde entropique apparaissant dans l'équation caractéristiquede transport de l'entropie. X" et xw en revanche sont des ondes de cisaillement etnon exactement les ondes de vorticité. Pour des raisons de facilité d'imposition desconditions limites, la formulation est en effet en pression, vitesse, entropie, et nonen pression, vorticité, entropie, comme dans une décomposition caractéristique.Les termes indexés ± représentent le transport d'invariants de Riemann perpendiculairementau maillage avec la vitesse contravariante sommée à la vitesse du son.L'évolution temporelle des différentes variables peut être pensée comme résultantde la superposition de ces différentes ondes, et des termes visqueux et thermiques.L'obtention du système (1.48) est expliquée dans [SesOl].Le système écrit sous cette forme est discrétisé spatialement et intégré temporellement.L'intégration temporelle est réalisée à l'aide d'un schéma de Runge-Kutta.En sus du schéma de troisième ordre déjà présent, nous avons implémenté un schémade quatrième ordre. Sa présentation détaillée fait l'objet de la section 1.4.La discrétisation spatiale imite les phénomènes physiques : les ondes propagativessont discrétisées avec des schémas upwind (décentrés) pour reproduire le caractèreunidirectionnel de la propagation. Le choix d'une discrétisation amont ou aval reposesur l'examen du signe de la vitesse de propagation. Au contraire, les termes


führen. Flexibilisierungsmöglichkeiten beim Übergang in den Ruhestand bergen dieGefahr unerwünschter Verhaltensweisen bzw. zu starker Inanspruchnahme des vorzeitigenRücktritts in sich. 9Aus diesen Ausführungen wird klar, dass als Entscheidungsgrundlage für eine Reformder Altersvorsorge das Phänomen des Übergangs in den Ruhestand untersucht werdenmuss. Auf der einen Seite müssen die Gründe analysiert werden, welche die älterenArbeitnehmer zum Ausscheiden aus dem Erwerbsleben bewegen. Auf der anderenSeite ist zu prüfen, ob und wie die institutionellen Rahmenbedingungen zu verändernsind, um den Pensionierungszeitpunkt der Arbeitnehmer zu beeinflussen. Die Studie«Verbreitung und Potential der Altersteilzeitarbeit» im Auftrag von Avenir Suisse 10 zeigthierzu einige Erkenntnisse auf. Sie fasst Ergebnisse aus den Umfragen der SchweizerischenArbeitskräfteerhebung (SAKE) und des Schweizer Haushaltspanels (SHP) zusammen,wovon einige hier wiedergegeben werden.Abbildung A: Erwerbsquoten nach Alter: Voll- und teilzeitbeschäftigte Männer und FrauenQuelle: SAKE 2000In allen hoch entwickelten Gesellschaften steigt die Erwerbsquote nach den Jahren derAusbildung an und nimmt nach dem Höchststand in den Altersgruppen 35 bis 55 Jahreim Alter wieder ab. Dieser Prozess beginnt bei Männern und noch ausgeprägter beiFrauen schon vor dem gesetzlichen Rentenalter. Doch die Erwerbsquoten der Schweizerüber 55 bzw. 53 Jahren zeigen, dass Altersarbeit im Sinne der «Vierten Säule» in einem9Carnazzi (2000, S. 63)10Widmer / Sousa-Ponza (2003)135


gewissen Umfang schon Realität ist. Unter Einbezug der Teilzeitarbeit ist immerhinein Sechstel der 65- bis 75-jährigen Männer noch erwerbstätig, bei den Frauen fast einZehntel der 62- bis 75-Jährigen. Trotzdem ist auch in der Schweiz noch ein beträchtlichesPotential an Arbeitswilligen vorhanden. Die Umfragen zeigen, dass etwa 120’000 nichterwerbstätigePersonen zwischen 53 bzw. 55 und 75 gerne wieder arbeiten würden.Tabelle 21: Arbeitsbereitschaft: nichterwerbstätige MännerDer Anteil arbeitswilliger Männer umfasst jene nichterwerbstätigen Männer in einer bestimmten Altersgruppe, diebereit sind, eine Arbeit anzunehmen, bezogen auf alle nichterwerbstätigen Mànner der gleichen Altersgruppe.Lesebeispiel: 5 681 nichterwerbstätige Männer im Alter von 55 bis 59 zeigen Arbeitsbereitschaft; das entspricht 29%aller 55- bis 59-jährigen, nichterwerbstätigen Männer.Tabelle 22: Arbeitsbereitschaft: nichterwerbstätige FrauenDer Anteil arbeitswilliger Frauen umfasst jene nichterwerbstätigen Frauen in einer bestimmten Altersgruppe, diebereit sind, eine Arbeit anzunehmen, bezogen auf alle nichterwerbstätigen Frauen der gleichen Altersgruppe.Lesebeispiel: 26 071 nichterwerbstätige Frauen im Alter von 53 bis 57 zeigen Arbeitsbereitschaft; das entspricht 32%aller 53- bis 57-jährigen, nichterwerbstätigen Frauen.Welches sind also die Gründe dafür, dass diese Arbeitswilligen nicht arbeiten? DerGesundheitszustand ist gemäss der Umfrage kein Hindernis für Altersarbeit, denn 70%der Frauen und 80% der Männer im Rentenalter bezeichnen ihren Gesundheitszustandals gut oder sehr gut. Und auch 80% der Männer und fast alle Frauen, die sich frühpensionierenlassen, haben einen subjektiv guten Gesundheitszustand (gesund oder sehrgesund). Auch die finanzielle Situation hat praktisch keinen Einfluss auf die Erwerbstätigkeitoder die Bereitschaft dazu.136


55- BIS 59-JÄHRIGE 60- BIS 64-JÄHRIGE 65- BIS 75-JÄHRIGEANZAHL ERWERBSQUOTE ANZAHL ERWERBSQUOTE ANZAHL ERWERBSQUOTESEHR GUT 56 032 87% 34 478 73% 18 732 24%GUT 87 510 87% 49 309 57% 30 259 18%MÄSSIG 37 418 89% 19 435 56% 8 537 15%SCHLECHT * * * * * *Tabelle 32: Erwerbsquote nach subjektivem Gesundheitszustand: MännerDie Erwerbsquote ist der Anteil erwerbstätiger Männer in einem bestimmten Gesundheitszustand und einerbestimmten Altersgruppe, bezogen auf alle Männer im gleichen Gesundheitszustand und in der gleichen Altersgruppe.Lesebeispiel: 56 032 Männer im Alter von 55 bis 59 sind erwerbstätig und in sehr gutem Gesundheitszustand; dasentspricht 87% der sehr gesunden 55- bis 59-jährigen Männer.* Zu geringe Anzahl BeobachtungenBEREITSCHAFT zu arbeiten beieinem interessanten AngebotEINSCHRÄNKUNGEN aus finanziellen Gründen in denAusgabekategorien: VERBRAUCHSGÜTER / FERIEN / AUSGANGNICHT STARKSTARKNEIN 89,5% 82,8%JA 10,5% 17,2%Tabelle 27: Wahrgenommene Einschränkungen und Bereitschaft zu arbeiten: nichterwerbstätige 65- bis 75-jährigePersonen *Lesebeispiel: Unter den nichterwerbstätigen Personen im Alter von 65 bis 75 Jahren, welche in den Ausgabekategorien«Verbrauchsgüter», «Ferien» und «Ausgang» keine starken Einschränkungen erfahren, sind 89,5% nicht bereit,bei einem interessanten Angebot zu arbeiten.* Pearson-Korrelation = 0.08 (auf dem 1%-Niveau signifikant).Hingegen zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen Bildung und Altersarbeit: Vorallem bei Frauen gilt, je höher die Ausbildung desto länger arbeiten sie. Bei Männern istdieser Zusammenhang nicht so deutlich. Bei weniger qualifizierten Personen ist jedochdie Bereitschaft zur Altersarbeit wesentlich tiefer als bei gut ausgebildeten. Zudemverlängert die Selbständigkeit oder aber die Anstellung in kleinen Firmen das Erwerbslebenbei Männern und Frauen. Die Analyse von Avenir Suisse zeigt somit, dass sich dieBemühungen zur Förderung der «Vierten Säule» vorderhand auf Schweizerinnen undSchweizer mit einem guten Bildungsabschluss, die bei mittleren oder grösseren Unternehmenarbeiten, fokussieren sollten.Ein Ansatzpunkt für eine Reform liegt in der Primatswahl. Das Leistungsprimat bieteteinen Anreiz zur Frühpensionierung, da verbindliche Leistungsversprechen in Abhängigkeitdes letzten Lohnes gegeben werden. Steigt der Lohn in den letzten Jahren vor137


der Pensionierung nicht mehr an, so bleibt auch die Rentenhöhe gleich. Doch wennzu viele Versicherte frühzeitig in Rente gehen, können die garantierten Renten nichtmehr finanziert werden. Das Leistungsprimat ermöglicht folglich kaum ein flexiblesRentenalter. Beim Beitragsprimat hingegen sind die Beiträge bis zuletzt rentenbildend.Das Alterskapital erhöht sich am stärksten in den letzten Jahren vor dem ordentlichenPensionierungsalter. In dieser Phase werden meist auch die höchsten Einkommensowie die höchsten Zinserträge auf dem angesparten Alterskapital erzielt. Demzufolgeführen Frühpensionierungen zu erheblichen Leistungskürzungen. Für Arbeitnehmer, diebei einer Beitragsprimatskasse versichert sind, bestehen also positive Anreize, möglichstlange erwerbstätig zu bleiben. Aus Sicht der Arbeitgeber verhält es sich jedochumgekehrt. Denn durch die stark altersdifferenzierten Beitragssätze (heute bei 25- bis34-Jährigen 7%; bei 55- bis 65-Jährigen 18%) werden für die über 55-Jährigen auch diehöchsten Arbeitgeberbeiträge geschuldet 11 . Eingeführt wurden diese «altersgestaffeltenGutschriften» im Jahr 1985 mit dem Obligatorium zur Zweiten Säule. Der damaligeHintergedanke bestand darin, die damals älteren Aktiven, die teilweise noch keinePensionskasse hatten, zu privilegieren. Diese Eintrittsgeneration sollte möglichst schnellvon der beruflichen Vorsorge profitieren. Der Plan ist aufgegangen, von den gestaffeltenAltersgutschriften haben die Jahrgänge von 1925 bis 1945 stark profitiert. Heute zeigtsich aber, dass ältere Aktive deswegen auf dem Arbeitsmarkt Probleme bekommen.Umgekehrt lässt sich das System der «altersgestaffelten Gutschriften» nicht abschaffen,sonst wäre die Austrittsgeneration benachteiligt. 12 Für dieses Dilemma gibt es zweiLösungsansätze: Einerseits könnten die Löhne für ältere Arbeitnehmer gesenkt werden.Was spricht dagegen, dass die Löhne ihr höchstes Niveau nicht mehr direkt vor der Pensionierungsondern schon Jahre zuvor erreichen und danach wieder sinken? Damit liessesich das Problem entschärfen. Andererseits könnte auch die Aufteilung zwischen Arbeitgeber-und Arbeitnehmerbeiträgen abgeschafft werden. Damit würden die Löhne nichtgekürzt, aber die Angestellten würden auch «die andere Hälfte» der Lohnnebenkostensehen, welche sie mitzahlen. Von ihrem Lohn müssten die über 55-Jährigen 18 Prozent indie Pensionskasse einzahlen, unter 35-Jährige jedoch nur 7 Prozent. Diese Differenz wärebeträchtlich, aber nicht ungerecht; sie passt zu den verschiedenen Lebensabschnitten 13 .Und für den Arbeitgeber entstünden für ältere Arbeitnehmer keine zusätzlichen Kosten.Zudem sollte eine flexible Altersteilzeit mit einer Teilzeitbeschäftigung vor und nachdem gesetzlichen Rentenalter gefördert werden, anstatt über ein festes Pensionierungsalter(in welcher Höhe auch immer) zu diskutieren.11Der Sicherheitsfonds BVG zahlt Zuschüsse an Unternehmen mit ungünstiger Altersstruktur. Gemäss Einschätzungvon Hans Ender, Pensionskassenexperte, ist der Einfluss auf den Arbeitsmarkt jedoch bescheiden.«Der Systemfehler des BVG (gestaffelte Altersgutschriften) sollte behoben werden.» Quelle: Ender(2004a, S. 31)12Schneider (2004, S. 144)13Schneider (2004, S. 145)138


4. <strong>The</strong>se: Produktionsfaktor ArbeitDer Beitrag der Familien an ein funktionierendes Vorsorgesystem, d.h. die Versorgungder Gesellschaft mit dem Produktionsfaktor Arbeit, muss entschädigt undgefördert werden.Das repräsentative Konsumgüterbündel in einer alternden Gesellschaft ist in der Regelweniger kapitalintensiv, sondern erfordert vermehrte, nicht durch Kapital substituierbareArbeitsleistungen (Pflege, Betreuung, Dienstleistungen aller Art usw.). Es müssenGüter und Dienstleistungen vorab in der Gegenwart, nicht in der Zukunft bereitgestelltwerden. Aus diesem Grund ist eine Förderung des Humankapitals sicherlich angebrachtund notwendig. Einerseits müssen die Rahmenbedingungen geschaffen werden, damitArbeitssuchende einfacher eine Stelle finden können (z.B. Förderung der Altersteilzeitarbeit,flexibles Rentenalter), andererseits sollte die Erhaltung und Bildung von Humankapitalvermehrt gefördert werden (z.B. Aus- und Weiterbildung).Hingegen sollte der Staat keine Anreize zur Erhöhung der Geburtenzahl schaffen, dadies nicht zu einer nachhaltigen Lösung führt. Der Altersquotient wird sich in etwa 30Jahren stabilisieren, wenn auch auf sehr hohem Niveau. Wenn durch Geburtenförderungab 2010 ein zweiter Babyboom entstünde, käme diese Anpassung spät. Denn dieaktiven Versicherten, die die Renten der ersten Babyboom-Generation zu finanzierenhaben, müssten auch für die wachsende Zahl Auszubildender sorgen. 14 Es käme somitzu einer doppelten Belastung dieser Generation.5. <strong>The</strong>se: MindestzinssatzDer Mindestzinssatz ist eine aufgrund der ökonomischen Gegebenheiten zubestimmende Grösse; seine Festlegung muss daher entpolitisiert werden.Definition und ZielsetzungDas BVG schreibt vor, dass das Altersguthaben der Versicherten mit einem Mindestzinssatzverzinst werden muss. Dieser Zinssatz kann in der Verordnung zum BVG vomBundesrat geändert werden. Von der Einführung des BVG 1985 bis ins Jahr 2002 warer auf 4% festgelegt. Danach wurde er gesenkt und liegt heute bei 2,5%. Der BVG-Zinsist wie ein Sparkontozins zu sehen und darf nicht mit dem technischen Zinsfuss einerPensionskasse verwechselt werden, der meist bei 4% liegt. Der technische Zins ist derlangfristig zu erwartende Zins, der für die Berechnung des Deckungskapitals als Barwertder künftigen Einnahmen und Ausgaben verwendet wird.14Schneider (2004, S. 127)139


Durch die Anpassung des BVG-Mindestzinssatzes könnten prinzipiell auch andere Zieleals die adäquate Verzinsung der Altersguthaben verfolgt werden. Dazu zählen beispielsweiseStabilitätspolitik (Steuerung des Konsums), Verteilungspolitik (inter-generativeUmverteilung) und Anlagepolitik (Vorsicht oder Ertrag fördern). Es bestünde hierbei diegrosse Gefahr, dass der BVG-Mindestzinssatz seine eigentliche Aufgabe nicht mehr erfüllenkann. In der Wissenschaft ist dieser Zusammenhang als Tinbergen-Regel bekannt,die besagt, dass einem Instrument – hier dem BVG-Mindestzinssatz – nur eine Aufgabezugeteilt werden sollte.Ansätze zur Festlegung des MindestzinssatzesEine Änderung des Mindestzinssatzes betrifft vor allem die Versicherten von Beitragsprimatskassen.Bei Leistungsprimatskassen werden die Renten bereits im Vorausfestgelegt. Solange der Barwert der erworbenen Leistungen höher als die Mindestleistungist, hat die Änderung des Mindestzinssatzes keine Folgen für die Versicherten vonLeistungsprimatskassen.Bei einer Senkung des Mindestzinssatzes wird den aktiven Versicherten eine tiefere Verzinsungihrer Altersguthaben garantiert. Hierbei ist zu beachten, dass diese Garantie beiadäquater Höhe des Mindestzinses von den Vorsorgeeinrichtungen auch eingehaltenwerden kann. Es werden also nicht mehr nicht finanzierbare Leistungen «versprochen».Da der BVG-Mindestzins einer Garantie gleichkommt, ist eine sinnvolle Festlegung derHöhe des Mindestzinses von zentraler Bedeutung. In der Praxis wurden bereits unterschiedlicheVorschläge für eine Formel gemacht. Die wichtigsten sollen im Folgendendiskutiert werden. Anschliessend wird eine Empfehlung abgegeben.Reale vs. nominale VerzinsungDie berufliche Vorsorge verfolgt reale Leistungsziele, was aus Artikel 113 der Bundesverfassunghervorgeht. Die Zweite Säule hat zusammen mit der AHV den Versichertenim Alter «die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung in angemessener Weise» zuermöglichen. Dies bedingt bei der Leistungserbringung im Bereich der beruflichenVorsorge notwendigerweise die Berücksichtigung der realwirtschaftlichen Entwicklung,insbesondere des realen Lohnwachstums. 15 Der Mindestzins wird im BVG jedochals nominelle Grösse festgelegt. Eine Verzinsung von 2,5% bei einer Inflation von 0% ist– wie dies heute der Fall ist – für den Versicherten immer noch viel vorteilhafter als eineVerzinsung von 4% bei einer Inflation von 6% (anfangs der 90er Jahre). Was zählt, istletztlich die Realverzinsung.15Ebeling (2002)140


Bei den realen Konzepten setzt sich der Mindestzinssatz aus einer Realzinskomponentesowie der Teuerungsrate zusammen. Bei einem vollen Teuerungsausgleich dürfte derMindestzins stark schwanken, was sowohl aus der Sicht von Versicherern als auch Versichertenunerwünscht sein dürfte. Daher schlagen Befürworter eines Realzinskonzepteseine fixe Realzinskomponente und eine teilweise Indexierung als Inflationsausgleichvor. 16LohnentwicklungDas Leistungsziel des BVG sieht vor, dass die Versicherten eine Altersrente von 36% desfür die Zweite Säule massgebenden «koordinierten» Lohnes erhalten. In diesem Zusammenhangwird häufig auf die so genannte goldene Regel verwiesen. Diese besagt, dasssich dieses Versprechen erfüllt, wenn der Zins auf dem Vorsorgevermögen der Zuwachsrateder Löhne entspricht. Ist der Mindestzinssatz hingegen kleiner als das Lohnwachstum,so wachsen die Altersguthaben der Versicherten weniger schnell als deren Lohn.Dieser Zusammenhang gilt aber nur unter folgender Bedingung: Nur bei einem Umwandlungssatzvon 7,2% beträgt die Altersrente 36% vom koordinierten Lohn. Da aberder Umwandlungssatz nicht auf 7,2% fixiert ist und zurzeit unter anderem aus demographischenGründen gesenkt wird, müssten die Beiträge gemäss BVG-Obligatoriumsteigen, damit die Altersrente von 36% finanziert werden kann. Abschliessend mussergänzt werden, dass die Regel auch früher nur im Durchschnitt und nicht etwa fürjeden einzelnen Rentner galt.Diese beiden Konzepte, die die reale Verzinsung bzw. die Lohnentwicklung miteinbeziehen,entsprechen sicherlich am ehesten dem Grundgedanken des BVG. Aber einderart festgelegter Mindestzins kann von den Vorsorgeeinrichtungen nicht garantiertwerden. Für sie muss der Mindestzins in direktem Zusammenhang zur erzielbarenFinanzmarktrendite stehen, da sie ihr Vermögen zu einem grossen Teil an den nationalenund internationalen Finanzmärkten anlegen. Aus diesem Grund werden im FolgendenAnsätze vorgestellt, die sich an Kapitalmarktzinsen orientieren.SammelindizesSammelindizes als Referenzgrösse für die Mindestverzinsung reflektieren die Entwicklungund Ertragsaussichten verschiedener Anlageklassen, die Vorsorgeeinrichtungenzur Verfügung stehen. Sie stellen damit eine Art Musterportfolio dar. Ein Vorteil einersolchen Regelung ist der umfassende Einbezug unterschiedlicher Anlageklassen. Aberdie Anreize für die Vorsorgeeinrichtungen sind problematisch. 17 Die Kassen könnten ihrestrategische Asset Allocation strikt an der Zusammensetzung des Benchmarks ausrichten,was zu Anlagestrategien führen kann, die nicht der jeweiligen Risikofähigkeit und-bereitschaft entsprechen und somit nicht effizient sind.16Gerber / Beck (2002, S. 5)17Gerber / Beck (2002, S. 5)141


Relative Festlegung des MindestzinssatzesBei diesem Konzept wird der Mindestzins vom Durchschnitt der erzielten Renditen deranderen Marktteilnehmer abhängig gemacht. Der Vorteil einer solchen Regelung fürden Versicherten ergibt sich dadurch, dass er mit seinem Altersguthaben eine Renditeerreicht, die nicht stark unter (aber auch nicht stark über) dem Durchschnitt der anderenPensionskassen liegt. 18 Doch diese Regelung ist aufgrund der grossen Heterogenität derSchweizer Pensionskassenlandschaft nicht sinnvoll. Die Vorsorgeeinrichtungen müssenihre Anlagestrategie an ihrer jeweiligen Risikofähigkeit und -bereitschaft ausrichtenkönnen, was zwangsläufig zu unterschiedlichen Renditen führt.Rendite in Abhängigkeit einer risikolosen AnlageEine Rendite über der risikolosen Verzinsung kann nur durch Inkaufnahme von Anlagerisikenerreicht werden. Solange der Mindestzinssatz also über dem risikolosen Zinssatzliegt, bestimmt er, wie viel Anlagerisiko Vorsorgeeinrichtungen mindestens übernehmenmüssen. Eine Vorsorgeeinrichtung, die diese Risiken nicht eingeht, wird keinengenügenden Ertrag erzielen und somit die Leistungen gemäss BVG nicht finanzierenkönnen. Sofern die Kasse keine andere Finanzierungsquelle hat, ist sie damit gezwungen,eine Anlagestrategie mit höheren Risiken zu wählen, auch wenn dies nicht ihrerRisikofähigkeit entspricht.Dazu kommt, dass grosse Kassen mit ausgebautem Überobligatorium im Gegensatz zukleinen Vorsorgeeinrichtungen die Möglichkeit der Quersubventionierung haben. DerMindestzinssatz gilt nur für das Obligatorium, wohingegen die überobligatorischenLeistungen auch tiefer verzinst werden können. Selbst eine negative Verzinsung ist hiernicht ausgeschlossen. Dies kann zu Umverteilungen von Versicherten mit hohen Löhnenzu Versicherten mit tieferen Löhnen führen. Zusätzlich führt dies zu einer Marktverzerrung,da kleinen Kassen diese Quersubventionierung verwehrt bleibt.Das bedeutet aber auch, dass der Mindestzinssatz nicht aufgrund politischer Überlegungenfestgelegt werden darf 19 . Denn die politische Fixierung von Mindestzins (perBundesratsbeschluss) bewirkt in der Regel eine technisch und ökonomisch zu hohe Festlegung.20 Dadurch aber wird die Solvenz der Vorsorgeeinrichtungen bedroht und/oderdas Kapitaldeckungsverfahren schleichend durch das (im BVG unzulässige) Umlageverfahrenverdrängt 21 .Da also ein Mindestzins, der über dem risikolosen Zins liegt, von den Vorsorgeeinrichtungennicht garantiert werden kann und zu Umverteilungen und Quersubventionierungenführt, muss er unter dem risikolosen Zinssatz angesetzt werden. So kann die18Gerber / Beck (2002, S. 5)19Jaeger (2004, S. 2)20Konrad (2004, S. 1)21Ender (2004b, S. 2)142


sicherten realistischen und nachvollziehbaren Altersguthabens. Wesentlich ist bei derFestlegung, dass ein gleitender Durchschnitt der langjährigen Bundesobligationenrenditengewählt wird, da der Kassazinssatz täglichen Schwankungen und Kalendereffektenunterworfen ist. Davon muss ein Abzug gemacht werden, damit auch in risikobehafteteAnlagen investiert werden kann.FazitNach dem schlechten Börsenjahr 2001 ist die Diskussion um die Herabsetzung desMindestzinssatzes aktuell geworden. Es muss mit allem Nachdruck darauf hingewiesenwerden, dass diese Diskussion in keinem direkten Zusammenhang zu den demographischenProblemen der Kassen steht. Das <strong>The</strong>ma ist im gegenwärtigen Zeitpunkt aktuell,weil mit der Reduktion des Mindestzinssatzes eine Teilsanierung für unterdeckte Kassenbzw. Kassen mit einer zu hohen Aktienquote erreicht werden kann. Die schleichendeUnterdeckung vieler Kassen ist nicht so sehr die Konsequenz eines überhöhten Aktienanteils,sondern darauf zurückzuführen, dass der Mindestzinssatz schon seit Jahren überdem risikolosen Zinssatz liegt und zu falschen Risikoanreizen führt. Man erkennt darinlediglich die situative Behandlung eines schon lange vorliegenden, zutiefst strukturellenProblems. Ob der Staat für Verluste schadensersatzpflichtig ist, welche Vorsorgeeinrichtungendurch gesetzliche, marktferne Mindestzinsvorschriften erwachsen, dürfte nochzu heftigen Debatten führen.Der Mindestzins muss jedenfalls dringend entpolitisiert und in einer transparentenFormel festgelegt werden, die sich am risikolosen Zinssatz orientiert und eine marktkonformeFlexibilität aufweist. Die Bedeutsamkeit des Mindestzinses kann zusätzlich durcheine einheitliche Regulierung und Aufsicht für alle Vorsorgeeinrichtungen entschärftwerden. Zudem ist wirksamer Wettbewerb unter frei wählbaren Anbietern, die denselbenRahmenbedingungen unterstehen, ein geeignetes Instrument, um die notwendigenLeistungsanreize zu setzen. In einem solchen System würde die Mindestverzinsungan Relevanz und somit auch an politischer Brisanz verlieren. 256. <strong>The</strong>se: UmwandlungssatzBeim Umwandlungssatz handelt es sich um eine versicherungstechnische Grösse;er muss den veränderten Rahmenbedingungen angepasst werden.Das bis zum Pensionierungszeitpunkt angesammelte Altersguthaben wird mit demUmwandlungssatz in eine Altersrente umgewandelt. Dieser Satz wird gemäss Art. 14BVG vom Bundesrat festgesetzt und betrug seit der Einführung des BVG im Jahr 198525Gerber / Beck (2002, S. 7)144


is Ende 2004 7,2 %. Dies bedeutet, dass ein Altersguthaben von 100‘000 Franken zueiner garantierten jährlichen Rente von 7‘200 Franken führte. Im Rahmen der erstenBVG-Revision wurde eine schrittweise Verringerung auf 6,8% innerhalb von 10 Jahrenbeschlossen. Es besteht ein breiter Konsens, dass der Umwandlungssatz zu hoch ist,selbst in Anbetracht der vom Gesetzgeber bereits vorgesehenen Reduktion. Ein zuhoher Umwandlungssatz führt zu einer Umverteilung zwischen den Generationen. 26 Esbesteht somit Handlungsbedarf.Bestimmungsfaktoren des UmwandlungssatzesDie beiden zentralen Parameter des Umwandlungssatzes sind die Sterblichkeit derRentner (also ihre Lebenserwartung) und der technische Zinssatz, mit dem der aktuelleWert der zukünftigen Verpflichtungen einer Vorsorgeeinrichtung bestimmt wird.Der Umwandlungssatz wird jedoch noch zusätzlich durch die folgenden Faktorenbestimmt: 27■■Höhe der anwartschaftlichen EhegattenrenteHöhe der Kinderrente bei PensionierungZudem müssen auch die Kosten der Vorsorgeeinrichtung gedeckt sein, wobei diesenicht notwendigerweise in die Berechnung des Umwandlungssatzes einfliessen müssen.Sie können auch an anderer Stelle berücksichtigt werden.Erwartete SterblichkeitDer Umwandlungssatz beinhaltet die statistisch erwartete Lebensdauer. Bei der Festlegungdes Umwandlungssatzes von 7,2 % im Jahre 1985 wurde von den damaligenversicherungstechnischen Grundlagen der grossen autonomen Pensionskassen (EidgenössischeVersicherungskasse EVK 1980 und Versicherungskasse der Stadt ZürichVZ 1980) ausgegangen. Er bezog sich für Männer auf das Rentenalter 65 und auf eineLebensdauer von 15 Jahren und für Frauen auf das Rentenalter 62 und auf eine Lebensdauervon 19 Jahren. Nach den neuesten statistischen Prognosen des Bundesamtes fürStatistik liegt die Lebenserwartung ab Pensionierung im Jahr 2005 bei 17 bzw. 21 Jahren.Dieser Zunahme der Lebensdauer wird mit der ersten BVG-Revision nur teilweise Rechnunggetragen, indem der Umwandlungssatz während der nächsten 10 Jahre von 7,2%auf 6,8% gesenkt wird.26Eine Verminderung des technischen Zinses um 0,5% führt zu einer Verringerung des Umwand-lungssatzesvon ca. 0,35%. Quelle: Arbeitsgruppe Umwandlungssatz (2004, S. 13)27Steiner-Pulimeno (2005)145


Generationentafel vs. PeriodentafelWie bereits erwähnt hängt die erwartete Sterblichkeit unter anderem von den verwendetentechnischen Grundlagen ab. Es gibt grundsätzlich zwei Arten von Sterbetafeln.Die Periodentafel wird auf der Grundlage von beobachteten Leistungsfällen einesgegebenen Jahres oder einer Periode von Jahren erstellt. Die Generationentafel hingegen,die üblicherweise von den Lebensversicherungsgesellschaften angewendet wird,beruht auf der Grundlage von beobachteten Leistungsfällen einer Generation. Somitwird bei der Periodentafel die zukünftige Zunahme der Lebenserwartung im Gegensatzzur Generationentafel nicht eingerechnet. Der Übergang von der Perioden- zur Generationentafelvermindert durch die grössere Lebenserwartung den Umwandlungssatzum ca. 0,2% bis 0,45%. 28 Üblicherweise führen die Anpassungen für die Periodentafelund für die Kosten der Vorsorgeeinrichtung zu einem Aufschlag von 0,5% beim technischenZinssatz. Es ist nicht einzusehen, warum nicht von allen Vorsorgeeinrichtungendie Generationentafeln verwendet werden. Gegen die Anpassung für die Kosten derVorsorgeeinrichtung ist nichts einzuwenden, solange sichergestellt ist, dass diese nichtdoppelt berücksichtigt werden. Hier wäre eine einheitliche und transparente Vorgehensweisewünschenswert.Erwartete VerzinsungZusätzlich zur erwarteten Lebensdauer muss auch der Vermögensertrag auf den Altersguthabenin die Betrachtung mit einbezogen werden. Je höher die erwartete Verzinsung,desto höher muss der Umwandlungssatz festgelegt werden.Der Umwandlungssatz von 7,2% ist mit einem technischen Zinssatz von 3,5% für 65-jährige Männer und mit 4,0 bis 4,2% für 62-jährige Frauen vereinbar. 29 Dem Umwandlungssatzim Jahre 2015 von 6,8% gemäss erster BVG-Revision liegt ein technischerZinssatz von 4% zugrunde. Da die Berechnungen auf Periodentafeln beruhen und keineVerwaltungskosten einbezogen wurden, entspricht der angewandte technische Zinssatzvon 4% in der Realität einem erwarteten Zinssatz von 4,5%. 30 Aus heutiger Sicht kannein derart hoher Zinssatz kaum von allen Vorsorgeeinrichtungen der Schweiz erreichtwerden.In welcher Höhe müsste also der technische Zinssatz festgelegt werden? Aus ökonomischerSicht muss zwingend ein risikoloser Zinssatz in Verbindung mit einer Überschuss-28Arbeitsgruppe Umwandlungssatz (2004, S. 29)29Arbeitsgruppe Umwandlungssatz (2004, S. 16)30Arbeitsgruppe Umwandlungssatz (2004, S. 52)146


eteiligung der Versicherten zur Anwendung kommen. 31 Hiermit werden die Verlustrisikendurch Kapitalmarktschwankungen und die weiteren Restrisiken (wie Mismatchingzwischen Kapitalanlagen und Leistungsverspflichtungen, Migration von Teilbeständenzum ungünstigen Zeitpunkt) verringert. Diese Lösung verbessert die Möglichkeit, denaktiven Versicherten und Rentnern zusammen mit der Überschussbeteiligung diegleiche Gesamtverzinsung zu gewähren. Die Folgen der problematischen demographischenEntwicklung werden entschärft. Die Anlagestrategie wird nicht durch eine hoheErtragsvorgabe erzwungen, sondern kann risikogerecht in Abhängigkeit von Deckungsgradund Versichertenbestand gewählt werden.Höhe der anwartschaftlichen Ehegatten- und KinderrenteBei der Diskussion über die Senkung des Umwandlungssatzes wurde von einer anwartschaftlichenEhegattenrente von 60% der Altersrente ausgegangen. Einige Kassen versichernjedoch eine höhere Ehegattenrente 32 , was bei diesen Kassen zu einem tieferenUmwandlungssatz führen muss. Analog muss eine Kasse eine allfällige Abweichung dervon ihr versicherten Kinderrente von der üblichen Rente im Umwandlungssatz berücksichtigen.Der Umwandlungssatz müsste auch dem Zivilstand angepasst werden. Bei ledigenPersonen müsste er höher sein als bei verheirateten, da bei letzteren noch die Möglichkeiteiner zukünftigen Ehegattenrente besteht. Ein einheitlicher Satz, wie er in derPraxis üblich ist, führt zu einer Umverteilung von Ledigen zu Verheirateten. Immer mehrwerden auch Partnerrenten ausbezahlt, für welche die Heirat nicht mehr Voraussetzungist. Eine solche Praxis führt zu (leicht) mehr Renten, was theoretisch in einem tieferenUmwandlungssatz berücksichtigt werden sollte. 33Der Umwandlungssatz wird für Frauen und Männer angewendet, obwohl Frauen einehöhere Lebenserwartung aufweisen. Das liegt daran, dass als weiterer Faktor auch dieVerheiratungswahrscheinlichkeit in die Berechnung eingeht, und damit eine möglichekünftige Ehegattenrente berücksichtigt wird. Diese Wahrscheinlichkeit ist bei derGruppe der berufstätigen versicherten Frauen massiv geringer als bei den Männern.Dies führt dazu, dass bei Frauen sogar ein etwas höherer Umwandlungssatz angewendetwerden müsste als bei Männern. In der Praxis wird jedoch meist von einem Durchschnittswertausgegangen. 3431Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die BVG-Kommission in ihrer 1. Variante. Sie schlägt die Verwendungeines risikoarmen Zinssatzes mit Sicherheitsabschlag vor. Dieser Satz liegt mit 3,35% jedoch noch überdem risikolosen Zinssatz (Zinssatz der 10-jährigen Bundesobligationen) von 3,0%. Quelle: ArbeitsgruppeUmwandlungssatz (2004)32Steiner-Pulimeno (2005)33Steiner-Pulimeno (2005)34Steiner-Pulimeno (2005)147


TransparenzZur Bestimmung des Umwandlungssatzes im Obligatorium müssen klare Kriterien gelten.Dabei soll festgelegt werden,■■■ob Periodentafeln oder Generationentafeln zugrunde gelegt werden und ob diezukünftigen Trends im Sterblichkeitsrückgang mit jeweils aktuellsten Daten bestimmtwerden;wie der technische Zins zu bestimmen ist und in welchem Ausmass neben dem risikolosenZins ein Sicherheitsabschlag erfolgt;inwieweit Verwaltungskosten in den Umwandlungssatz einzurechnen sind.Führt der Übergang zu neuen Grundlagen zu einer Senkung des Umwandlungssatzes,so sind extreme Schwankungen von einem Jahrgang zum anderen zu vermeiden. Wichtigist auch, dass der technische Zinssatz nicht zu oft und nicht zu brüsk variiert wird,da hiervon eine grosse Unsicherheit auf das ganze Rentensystem, auf die Rentner bzgl.der Höhe ihrer Rente und in der Beurteilung der effektiven finanziellen Lage der Kasseausgehen würde.FazitDa einerseits der verwendete technische Zinssatz vor dem Hintergrund der aktuellenwirtschaftlichen Situation zu hoch angesetzt wurde und die Lebensdauer mit grosserWahrscheinlichkeit weiterhin zunehmen wird, ist es wenig sinnvoll, in 10 Jahrenmit einem Umwandlungssatz zu rechnen, der heute schon Realität ist. 35 Ein zu hoherUmwandlungssatz verspricht nicht finanzierbare Renten, was zu einem Vermögenstransferszulasten der jüngeren Generation führt. Im Umfang dieser Umverteilung kommt dasUmlageverfahren zur Anwendung, das im Kapitaldeckungsverfahren der Zweiten Säulesystemfremd ist. Des Weiteren gilt der Umwandlungssatz nur für die obligatorischenLeistungen einer Vorsorgeeinrichtung. Im Überobligatorium hingegen kann dieser Satzauch tiefer angesetzt werden, wie es zum Beispiel beim Winterthur-Modell bereits Realitätist. Dort wurde der Umwandlungssatz auf 5,835% festgelegt. Ferner besteht auch dieMöglichkeit, beim Obligatorium und dem Ausserobligatorium einen Umwandlungssatzzu wählen, der tiefer als 7,2% ist, solange die obligatorischen Mindestleistungen nichtunterschritten werden. Dieses Vorgehen wird heute von einigen Vorsorgeeinrichtungengewählt. Dabei muss darauf hingewiesen werden, dass diese Quersubventionierungdes Obligatoriums durch das Überobligatorium nur bei grossen Vorsorgeeinrichtungenmöglich ist. Somit führt ein zu hoher Umwandlungssatz zu Wettbewerbsverzerrungenresp. zu ungleicher Behandlung von Vorsorgeeinrichtungen. Um diese Umverteilungenvermeiden zu können, ist es dringend notwendig, den Umwandlungssatz an die aktuel-35Ender (2004, S. 3)148


len versicherungstechnischen Grundlagen anzupassen sowie kapitalmarktgerecht undflexibel festzulegen.7. <strong>The</strong>se: Laufende DeckungDas Postulat der laufenden Deckung muss ebenso überdacht werden wie die Höheder Schwankungsreserven und des technischen Zinsfusses.Schweizerische Pensionskassen müssen gemäss Art. 65 Abs. 1 BVG grundsätzlich 36 einelaufende Deckung aufrechterhalten. Diese Vorgabe impliziert, dass die Risikofähigkeitbei fallendem Deckungsgrad sinkt, also die Aktienquote bei fallenden Kursen abgebautwerden muss (soweit sie sich im Zuge der fallenden Kurse nicht selbst hinreichendreduziert). Es stellt sich die Frage, wie eine solche zyklische Anlagestrategie gesamtwirtschaftlichzu interpretieren ist: Ist es für Anleger mit einem langfristigen Anlagehorizontrichtig, die Aktienquote den kurzfristigen Kursschwankungen der Märkte anzupassen?Die Antwort muss im Rahmen eines intertemporalen (dynamischen) Portfoliooptimierungs-bzw. Portfolioabsicherungsproblems gegeben werden. Dabei ist zu beachten,dass die zyklische Anpassung eine Folge der Vorgabe einer nominellen Mindestrenditedarstellt, die mit hundertprozentiger Sicherheit zu erreichen ist. Unter gesamtwirtschaftlichenAspekten kann eine solche Zielsetzung mit einer an Sicherheit grenzendenWahrscheinlichkeit nie zu einer ökonomisch effizienten Risikoallokation führen: Wenndie Absicherung der Risiken mit Kosten (entgangenen Erträgen) verbunden ist, ist einevollständige Absicherung von Risiken – auf welchem Niveau auch immer – nie optimal.Dies trifft für gesamtwirtschaftliche Einkommens- und Kapitalmarktrisiken in ausgeprägterWeise zu. Es handelt sich dabei um systematische, also nicht diversifizierbare Risiken,die von sämtlichen Wirtschaftssubjekten in grösserem oder kleinerem Ausmass zutragen sind, aber von niemandem vollständig vermieden werden. Vollständige Sicherheit,wie sie vom Gesetzgeber gefordert wird, hat einen arbiträr hohen Preis und führtzu einer ineffizienten Allokation der volkswirtschaftlichen Risiken.Die Kritik am ständigen Deckungserfordernis ist nicht neu und eine Lockerung wurdemit der ersten BVG-Revision in Kraft gesetzt. Der neue Artikel 65c BVG besagt, dasseine zeitlich begrenzte Unterdeckung und damit eine zeitlich begrenzte Abweichungvom Grundsatz der jederzeitigen Sicherheit nach Artikel 65 Absatz 1 zulässig ist, wennsichergestellt ist, dass die Leistungen im Rahmen dieses Gesetzes bei Fälligkeit erbrachtwerden können (Art. 65 Abs. 2 BVG) und die Vorsorgeeinrichtung Massnahmen ergreift,um die Unterdeckung in einer angemessenen Frist zu beheben. Der Gesetzgeber hat36Gemäss Art. 65 Abs. 2 ist für Pensionskassen seit der ersten BVG-Revision eine temporäre Unterdeckungzulässig. Die Lebensversicherer dagegen müssen ihre Leistungsgarantien jederzeit einhalten.149


damit lediglich die geltende, aber von den kantonalen Aufsichtsbehörden keineswegseinheitlich gehandhabte Praxis nachvollzogen und – was viel entscheidender ist – dieIdee der Mindestverzinsung ausdrücklich beibehalten.Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Erfordernis der zyklischen Anpassung desAktienanteils der Pensionskassen (sinkende Risikofähigkeit bei fallendem Deckungsgrad)auf einem volkswirtschaftlich ineffizienten Risikoallokationsmechanismus beruht:Wenn nicht die Pensionskassen als langfristige Investoren die Aktien in fallenden Märktenhalten sollen, wer dann? Schliesslich gehört es zum Grundgedanken eines Kapitaldeckungssystems,dass jene Vermögensgegenstände als Kapitalstock gehalten werden,welche (neben Liegenschaften) zum Nettovermögen einer Volkswirtschaft gehören.Darum ist das strikte Deckungserfordernis aufzugeben, indem die Destinatäre einen Teildes Anlagerisikos mittragen. Dies ermöglicht es den Vorsorgeeinrichtungen, Aktien übereinen längeren Anlagehorizont zu halten und nicht im ungünstigsten Moment veräussernzu müssen.Aber nicht nur bei Aktien sondern auch bei Bonds können für die PensionskassenSchwierigkeiten auftauchen. Wenn die Zinsen steigen, erleidet die Kasse auf den BondsBuchverluste und ihr Deckungsgrad sinkt, da die Bilanz einer Pensionskasse für Wertschriften(Aktien und Obligationen) Marktwerte ausweist, aber bei der Bewertung vonPassiven von marktfremden Annahmen ausgeht (zu hoher technischer Zinssatz).Öffentlich-rechtliche KassenIn letzter Zeit ist die Unterdeckung öffentlich-rechtlicher Vorsorgeeinrichtungen kritisiertworden. Es stellt sich die Frage, was bei diesen Kassen der Deckungsgradüberhaupt aussagt, ob eine volle Kapitalausstattung benötigt wird und nach welchenKriterien man die Risikofähigkeit dieser Kassen bemisst.Dieses <strong>The</strong>ma kann im vorliegenden Kontext nicht vernachlässigt werden, da die privatrechtlichengegenüber den öffentlich-rechtlichen Kassen benachteiligt werden. Wennauf eine vollständige Kapitalausstattung der öffentlich-rechtlichen Kassen verzichtetwird, wird implizit unterstellt, dass das zukünftige Steueraufkommen des Gemeinwesensein perfektes Substitut für den (fehlenden) Kapitalstock darstellt. Formalisiert wird dasmeistens mit der «staatlichen Garantie» der Leistungen. Diese Auffassung kann durchausvertreten werden, doch stellen sich in diesem Zusammenhang einige zentrale Fragen:1. Im Umfang der Deckungslücke liegt – ökonomisch betrachtet – ein Umlageverfahrenvor. Entspricht diese Zweiteilung des Vorsorgesystems der Zielsetzung des Gesetzgebers?2. Die Bewertung der zukünftigen Steueraufkommen kann nicht als Rechtfertigungeiner beliebig hohen Deckungslücke herangezogen werden. Gibt es Vorstellungen150


über die tolerierte Höhe einer Unterdeckung in Abhängigkeit der langfristig geplantenSteuereinnahmen bzw. des Potenzials zukünftiger Steuererhöhungen zu Sanierungszweckeneiner Pensionskasse?3. Die Risikofähigkeit und damit die Anlagestrategie einer unterdeckten öffentlichrechtlichenKasse hängt entscheidend von der Rolle und Bewertung der staatlichenGarantie der Leistungen bzw. deren vollen Deckung ab. Die uneingeschränkte Bonitätöffentlicher Gemeinwesen bzw. Haushalte wird jedoch immer mehr bezweifelt.Die Akzeptanz, dass öffentlich-rechtliche Vorsorgeeinrichtungen in Bezug auf Leistungsgarantien,Deckungserfordernisse und Risikofähigkeit einen Sonderstatus einnehmen,dürfte in den nächsten Jahren sinken. Es wäre sinnvoll, wenn sich Politik undBehörden auf die Bilanzierungs- und Finanzierungsregeln des privaten Sektors besinnenwürden. 378. <strong>The</strong>se: TransparenzVorsorgeeinrichtungen müssen ein hohes Mass an Transparenz sicherstellen.Die Forderung nach mehr Transparenz ist von zentraler Bedeutung. Transparenz soll dietatsächliche finanzielle Lage der Vorsorgeeinrichtung ersichtlich machen und die Informationspflichtengegenüber den Versicherten erfüllen.Jedoch darf Transparenz nicht als Selbstzweck verstanden werden. Sie bringt nur danneinen Mehrwert, wenn auch Handlungsspielräume geschaffen werden. Die Akteuremüssen die Möglichkeit erhalten, gemäss den ihnen zur Verfügung stehenden Informationenund Präferenzen zu handeln. Dies ist grundsätzlich auf zwei Ebenen möglich.Auf der Ebene der Pensionskasse bedeutet dies, dass die Unternehmen ihre Vorsorgeeinrichtungfrei wählen können. Konsequent weitergedacht kann es in diesem Fall derfreien Pensionskassenwahl durch die Unternehmen auch keine unternehmenseigenenVorsorgeeinrichtungen mehr geben. Zudem müssen bei einem Wechsel der Sammeleinrichtungdie Kosten der Auflösung der Kollektivverträge derart gesenkt werden, dasssie nicht mehr wie «goldene Fesseln» wirken. Diesbezüglich wäre die uneingeschränkteGewährleistung des Drehtürenprinzips wünschenswert, das besagt, dass das Versicherungsunternehmender Vorsorgeeinrichtung so viel Deckungskapital mitgibt, wie sievon ihr im Fall eines Neuabschlusses im gleichen Zeitpunkt für den gleichen Versicherten-und Rentnerbestand mit den gleichen Leistungen verlangen würde.Die Wahlmöglichkeit kann aber auch auf der Ebene der Versicherten angesetzt werden.Die betrieblichen Kassen könnten weiterhin bestehen, die Versicherten müssten aber37Zimmermann (2004)151


in diesem Fall die Möglichkeit haben, sich auch bei einer anderen Vorsorgeeinrichtungversichern zu lassen. Die <strong>The</strong>matik der freien Pensionskassenwahl wird in einer anderen<strong>The</strong>se eingehender diskutiert.9. <strong>The</strong>se GovernanceVorsorgeeinrichtungen müssen über adäquate Governance-Strukturen verfügen.Im folgenden Text sollen die verschiedenen Problemfelder der Governance von Pensionskassenbeleuchtet werden, um die Komplexität dieser <strong>The</strong>matik aufzuzeigen.Unter dem Begriff Governance werden verschiedenste Aktivitäten zusammengefasst,die das Verhältnis der an Ausrichtung und Performance eines Unternehmens beteiligtenParteien betreffen. Governance bezeichnet die Interaktionen zwischen Aktionären,Management und Aufsichtsbehörde eines Unternehmens. Es können zwei Arten vonGovernance unterschieden werden: Die Pension Governance untersucht das interneVerhältnis (Struktur, Organisation und Prozesse) zwischen der Pensionskasse und denStakeholdern, wohingegen die Corporate Governance das externe Verhältnis derPensionskasse mit der Aussenwelt untersucht. Hierbei steht die Kontrolle der Unternehmensführungdurch die auf nachhaltige Wertsteigerung ausgerichteten Aktionäre imVordergrund. 38Die aktuelle Diskussion beschränkt sich zumeist auf die mögliche Einflussnahme vonVorsorgeeinrichtungen durch Investitionsentscheide und Ausübung von Stimmrechten.Sind die Stiftungsräte überhaupt in der Lage, unternehmerische Verantwortungzu übernehmen? Auch darf nicht vergessen werden, dass die eigentlichen Anspruchsberechtigtender Vorsorgeleistungen die Versicherten sind. Aber nicht sie, sondern diePensionskasse entscheidet über die Wahrnehmung von Stimmrechten. Des Weiterenkönnen auch Interessenkonflikte mit dem Stifterunternehmen entstehen, wenn zumBeispiel die Pensionskasse in die gleiche Branche investiert, in der die Stifterfirma tätigist. Diese Konstellation entspricht einem Agency-Problem zwischen den Pensionskassenund den Unternehmen. Im Mittelpunkt der Agency-<strong>The</strong>orie steht die Betrachtung derBeziehung zwischen einem Auftraggeber – dem Prinzipal – und seinem Auftragnehmer– dem Agenten. In den meisten dieser Fälle hat der Agent Interessen und Präferenzen,die denen des Prinzipals zuwiderlaufen. Zudem besitzt der Agent deutlich mehr Informationenals der Prinzipal. Für den Prinzipal stellt sich also die Frage, wie er das sich darausergebende opportunistische Verhalten des Agenten 39 minimieren kann. Da Kontrolleder Handlungen mit hohen (unter Umständen prohibitiv hohen) Transaktionskostenverbunden ist, bietet es sich an, sich um Interessenhomogenisierung zu bemühen. Das38Ullmann (2004)39Der Agent maximiert auch dann seinen Eigennutzen, wenn er damit den Principal schädigt.152


heisst die Verträge zwischen Prinzipal und Agent müssen so ausgestaltet sein, dass dieInteressen des Agenten denen des Prinzipals angepasst werden, so dass sich das rationaleVerhalten des Agenten zum Vorteil des Prinzipals entwickelt. Dazu ist es notwendig,für den Agenten entsprechende Anreize (Incentives) zu setzen.Die Agency-Problematik der Pensionskassen führt dazu, dass der Nutzen der Versichertennicht maximiert wird. Als Lösungsansätze können die Stärkung der Sachkompetenzder paritätischen Verwaltungen, die Losbindung der Pensionskasse von der Stifterunternehmungund umfassende Informationsrechte aller Betroffenen genannt werden.Zudem braucht es klare Regelungen (z.B. bezüglich der Ausübung von Stimmrechten),die in einem Reglement schriftlich fixiert werden sollten.Aber auch innerhalb der Pensionskassen taucht die Agency-Problematik wieder auf. Soz.B. zwischen Stiftungsrat und PK-Manager und zwischen Stiftungsrat und Versicherten.Lösungsansätze wären in diesem Zusammenhang zum Beispiel eine bessere Schulungder Stiftungsräte, einheitliche Berichterstattung, verbesserte Kommunikation gegenüberden Versicherten, Reorganisation der Aufsichtsbehörden und grössere Wahlmöglichkeitenfür die Versicherten. Es ist angezeigt, geeignete Governance-Strukturen zubilden, die diese unterschiedlichen Agency-Problematiken abschwächen können.10. <strong>The</strong>se: WahlfreiheitEine allgemeine Flexibilisierung des Systems der zweiten Säule ermöglicht mehrWahlfreihit und steigert die Effizienz der Organisation und Finanzierung.Unser heutiges System der beruflichen Vorsorge befindet sich im Wandel. Vor dem Hintergrundder demographischen Entwicklung sind Reformen mit dem Ziel einer nachhaltigenVorsorge notwendig. Als längerfristige Alternative zu fortlaufenden Anpassungendes immer komplexer werdenden BVG-Regelwerkes bietet sich die Einführung einesindividualisierten und professionalisierten Wettbewerbssystems an.Bereits heute wird das Anlagerisiko von den Arbeitnehmern direkt oder indirekt getragen.Dies z.B. über zusätzliche Sanierungsbeiträge, eine nicht marktgerechte Verzinsungoder durch eine zurückhaltende Beschäftigungs- oder Lohnpolitik des Arbeitgebers.Und da der Versicherte das Risiko selbst tragen muss, sollte er auch aktiv bei seiner eigenenVorsorgeplanung und -durchführung mitwirken können.Die heutige Ausgestaltung der Zweiten Säule widerspricht dem klaren Prinzip der Ordnungspolitik,das besagt, dass derjenige, der das Risiko zu tragen hat, auch die Anlageentscheidefällt und so bestimmt, welches Risiko er eingehen möchte. Ausnahmen vondieser Regel müssen begründet werden.153


In einem Wettbewerbsmodell steigt die Eigenverantwortung. Diese wollen die Versichertenauch gerne übernehmen, wie die neueste UNIVOX-Umfrage zeigt. 43% derBevölkerung favorisieren eine alternative, im Vergleich zu heute liberalere Ausgestaltungder beruflichen Vorsorge, 27% wollten den Status Quo behalten und 30% enthielten sichder Stimme.Transparenz und Opportunitätskosten des heutigen SystemsInformation der VersichertenHeute sind die Versicherten sehr schlecht über das System der beruflichen Vorsorgeinformiert, wie u.a. die UNIVOX-Umfrage verdeutlicht. Nur rund zwei Drittel derBefragten wissen gegenwärtig, dass die 2. Säule Leistungen im Alter erbringt. Dass dieberufliche Vorsorge auch für Leistungen bei Invalidität bzw. im Todesfall aufkommt, istlediglich einem Anteil von 47% bzw. 45% der Befragten bekannt. Daneben besteht einrelativ grosser Anteil von fast einem Drittel der Befragten, die überhaupt keine Auskunftdarüber geben konnten, auf welche Leistungen sie bei der beruflichen Vorsorge Anrechthaben (2004: 32%). Und dies, obwohl das Altersguthaben auf den BVG-Konti für dieErwerbstätigen in der Regel den grössten Vermögensteil ausmacht. Wie das <strong>The</strong>senpapiervon Johannes Binswanger zeigt, können die Ausgaben aufgrund erhöhter Marketingaktivitätenin einem Wettbewerbssystem ansteigen. Diese Ausgaben dürfen jedochkeineswegs als reiner Verlust des Systems betrachtet werden, da sie dazu führen, dassdie Versicherten besser informiert werden und sich somit die Transparenz des Systemswesentlich erhöht. Es sind also zumindest zu einem Teil notwendige Informationskosten.OpportunitätskostenDas heutige System leidet unter Opportunitätskosten, die nur schwer quantifizierbarsind. Diese entstehen z.B. durch mangelnde Berücksichtigung der individuellen Präferenzen,eingeschränkte Produktvielfalt und magere Renditen aufgrund fehlender Leistungsanreize.So wurden die restriktiven Anlagebeschränkungen gemäss BVV2 von denVorsorgeeinrichtungen gar nicht erst ausgeschöpft und somit die guten Börsenjahre inden 90er-Jahren verschlafen. Es ist also damit zu rechnen, dass die Renditen der Vorsorgeanbieterdurch den Wettbewerb steigen. Doch ein allfälliger Performancevergleichzwischen den beiden Systemen wäre nicht aussagekräftig, da die erreichte Performanceim heutigen System im Gegensatz zu einem Wettbewerbsmodell nicht zwingend an dieVersicherten weitergegeben wird. So kann eine Kasse auf den individuellen Sparkontiauch nur den Mindestzins gutschreiben, was zu erheblichen Umverteilungen zwischenden Versicherten führt. Die Problematik der Umverteilungen wird weiter unten nochvertieft.Grenzen des KollektivprinzipsBezüglich der Anlagestrategie zeigen sich im Vergleich zum Wettbewerbsmodell klar dieGrenzen eines Kollektivprinzips. In einem Wettbewerbssystem kann auf die individuel-154


len Präferenzen in verschiedener Hinsicht eingegangen werden. Der Versicherte wähltdie Anlagestrategie gemäss seiner eigenen Risikofähigkeit und -bereitschaft. Er kann siejederzeit an seine Lebenssituation anpassen, z.B. bei geplantem Vorbezug für Selbständigkeit,Erwerb von Wohneigentum oder bei baldigem Eintritt in den Ruhestand. Zudemkann er den Fonds z.B. entsprechend seiner ethischen Präferenzen auswählen. Auchkann die Höhe der Beiträge durch den Versicherten mitbestimmt werden. Somit steigtdurch die Anpassung der Anlagestrategie an die individuellen Bedürfnisse und Präferenzendie Effizienz des Vorsorgesystems erheblich.Wettbewerb und EffizienzDie Verwaltungs- und Durchführungskosten der zweiten Säule waren, wie Held undSteinmann gezeigt haben, 1999 24-mal höher als in der 1. Säule. Aber auch innerhalb derberuflichen Vorsorge sind die Gebührenunterschiede frappant: sie reichen von 100 bisüber 1‘000 Franken pro Versicherten pro Jahr. Der durch die Einführung eines Wettbewerbsmodellsentstehende Kostenwettbewerb könnte die Gebührenstruktur verursachergerechtgestalten und auch diesbezüglich für die notwendige Transparenz sorgen.Diese Ausführungen haben klar gezeigt, dass das heutige System an den unterschiedlichstenOpportunitätskosten leidet, die mit einem Wettbewerbsmodell erheblichentschärft oder ganz vermieden werden können. Denn durch eine entsprechendeWettbewerbspolitik■■■■kann die Effizienz erhöht werden, da der Wettbewerbsdruck Vorsorgeeinrichtungenlangfristig dazu zwingt, Kosten zu minimieren und das ihnen anvertraute Kapitaleffizient anzulegen;können Preisverzerrungen abgebaut werden;kann das Risiko von schlechten Investitionsentscheiden reduziert werden;kann die Transparenz verbessert werden.Zudem wird durch die Möglichkeit der freien Wahl kein Versicherter schlechter gestellt.UmverteilungseffekteDas heutige System ist auch aufgrund diverser Umverteilungen in höchstem Gradeintransparent. So gibt es verschiedenste Solidaritäten 40 , z.B. auch zu Gunsten Einkommensstärkerer,was sozialpolitisch unverständlich ist. Die staatlichen Garantien, wie Mindestzinssatzund Umwandlungssatz, aber auch die Staatsgarantie bei öffentlich-rechtlichenPensionskassen führen ebenfalls zu Umverteilungen. Hierzu folgendes Beispiel:40Als Beispiele für Solidaritäten können genannt werden: Solidaritäten zwischen Frauen und Männern,Verheirateten und Unverheirateten, jung und alt und zwischen Personen mit schwacher und solchen mitstarker Lohnentwicklung. Diese so genannte Karrieresolidarität gibt es nur im Leistungsprimat.155


Falls über der Mindestverzinsung liegende Erträge zur Bildung allgemeiner Reservenverwendet und nicht dem einzelnen Versicherten gutgeschrieben werden, verliert er beieinem Stellenwechsel einen Teil der mit seinem Altersguthaben erzielten Zinserträge.In diesem Fall kommt es zu einer Umverteilung von mobilen zu immobilen Arbeitskräften.In einem System ohne diese Solidaritäten und staatlichen Garantien muss derVersicherte seinen Anbieter frei wählen können, damit der Wettbewerb an Stelle derstaatlichen Garantien tritt. Das Wettbewerbsmodell wäre also auch diesbezüglich nurkonsequent.Ein transparentes, nach dem Äquivalenzprinzip finanziertes Vorsorgesystem wird nichtnur besser verstanden, sondern es erlaubt auch eine einfachere Handhabung, effizientereEntscheide, und es verbessert die Kontrollmöglichkeiten. Eine undurchsichtigeGesetzgebung schafft dagegen Spielräume, die die involvierten Institutionen sowiePensionskassenexperten und -berater zu ihren Gunsten nutzen können.Beziehung zwischen Arbeitgeber und VorsorgeeinrichtungDie ersten Pensionskassen der Schweiz entstanden in einer Zeit, in der die lebenslangeArbeitsstelle noch der Normalfall war. Dieses patronale System der Vorsorge ist jedochüberholt und bereits heute nur noch bei jedem zehnten Arbeitgeber Realität. Die aktuellePensionskassenlandschaft wird von Sammelstiftungen und Konzernpensionskassendominiert. Es stellt sich darum die Frage, welche Rolle heute der Arbeitgeber bei derAltersvorsorge seiner Arbeitnehmer spielen soll. Durch die freie Pensionskassenwahlwird eine Entflechtung des Arbeitgebers von der Pensionskasse erreicht. Dadurch könnenInteressenkonflikte vermieden werden.ArbeitsmarktMithilfe der beruflichen Vorsorge wollen viele Arbeitgeber personalpolitische Ziele verfolgenund befürchten durch einen verstärkten Wettbewerb diesbezüglich weniger Flexibilität.Auch in einem Wettbewerbssystem können durch überobligatorische BeiträgeFrühpensionierungen vorfinanziert und attraktive Lösungen für das Kader ermöglichtwerden. Dies hängt grundsätzlich nicht davon ab, wer das Vorsorgekapital verwaltet. Beieiner freien Pensionskassenwahl tangieren solche selektiven Begünstigungen jedochnicht mehr alle Versicherten über das betriebliche Kollektiv der Pensionskasse. Angesichtsder demografischen Entwicklung bringt dies vor allem für die jüngere Arbeitnehmerschafteine sinnvolle Entlastung.Hingegen können sich Arbeitgeber nicht mehr durch eine gut gedeckte Vorsorgeeinrichtungvon anderen abgrenzen, sondern nur noch aufgrund der Höhe der Arbeitgeberbeiträge.Aber es wäre ökonomisch auch sehr fragwürdig, wenn Anlageergebnisseder Pensionskasse einen Stellenentscheid beeinflussen würden.156


Als Gegenargument zur freien Pensionskassenwahl wird oftmals aufgeführt, dass durchdie Individualisierung der Arbeitgeber kein Interesse mehr hätte, höhere Beiträge alsden Mindestbeitrag zu bezahlen. Zwar bezahlt heute der Arbeitgeber in der Tat nichtnur die Hälfte, sondern rund zwei Drittel der Beiträge, doch ist aus personalpolitischerSicht nicht einsichtig, warum er von dieser Praxis bei freier Wahl der Pensionskasseabkommen sollte. Zumal ohnehin sowohl Arbeitnehmer- als auch ArbeitgeberbeiträgeLohnbestandteile darstellen.Unternehmensfremdes GeschäftDas Wettbewerbssystem bietet nicht nur für die einzelnen Versicherten, sondern auchfür die Unternehmen diverse Vorteile. Die Altersvorsorge ist für die meisten Arbeitgeberein unternehmensfremdes Geschäft. Die Führung der Pensionskasse im paritätischenOrgan bindet wertvolle Managerressourcen. Zudem haben einige KMU Schwierigkeiten,einen guten Anschlussvertrag an eine Sammelstiftung zu erhalten.Internationale RechnungslegungEin anderes Spannungsfeld ergibt sich durch internationale Rechnungslegungsvorschriften.Gemäss IFRS müssen möglicherweise auch in der Schweiz Rückstellungenfür Vorsorgeverpflichtungen gebildet werden, wodurch allfällige Verluste aufgrund derAnlagestrategie der Pensionskasse für das Unternehmen bilanzwirksam werden. DiesemRisiko ist der Arbeitgeber bei einem individualisierten Vorsorgesystem nicht ausgesetzt.Beziehung zwischen Versicherten und VorsorgeeinrichtungParitätisches OrganIm paritätischen Organ ist es für die Arbeitnehmervertreter schwierig, ihre Interessendurchzusetzen, weil sie gegenüber den Arbeitgebervertretern häufig Informationsdefizitehaben. Zudem ist für sie unklar, welche Interessen sie vertreten sollen: jene derälteren oder jüngeren Versicherten, der Frauen oder Männer, der Erwerbstätigen oderder Rentner? Als Folge davon ergibt sich eine eingeschränkte Interessenwahrung jedeseinzelnen Versicherten.Im heutigen System ergibt sich ein zweistufiges Principal-Agent-Problem zwischen denVersicherten, dem paritätischen Organ und der Leitung der Vorsorgeeinrichtung. Durchdie Einführung eines Wettbewerbsmodells wird auf ein Organ zwischen den Versichertenund der Pensionskasse verzichtet. Dadurch können die individuellen Interessen derVersicherten besser gewahrt werden.Wahl der AnlagestrategieIm heutigen System treffen die Vorsorgeeinrichtungen Anlageentscheidungen, wälzenjedoch das Risiko auf die Versicherten ab. Wer jedoch die Konsequenzen trägt, sollteseine Altersvorsorge auch aktiv beeinflussen können.157


Studien zeigen, dass die meisten Privatanleger bei der Kapitalanlage einfache Faustregelnverfolgen und wissenschaftliche Modelle der Portfoliotheorie nicht kennen,geschweige denn anwenden können. Daraus darf jedoch nicht der Schluss gezogenwerden, dass den Versicherten freie Entscheidungen bei der Vermögensanlage in derVorsorge nicht zugemutet werden können. Denn Arbeitnehmer treffen eine Vielzahl vonEntscheidungen, deren Komplexität die Auswahl einer Anlagestrategie bei weitem übersteigt.Die dabei angewandten Faustregeln sind effizient und zuverlässig. Sie müssenden Vergleich mit Modellen der Portfoliotheorie nicht scheuen, da die Festlegung derParameter, wie Risiken, Zinssatz- und Ertragserwartungen, bei komplexen mathematischenModellen einen erheblichen Unsicherheitsfaktor darstellt.FazitHeute verfügt der durchschnittliche Versicherte meist nur über wenig Gestaltungsmöglichkeitenbezüglich seiner Altersvorsorge, obwohl das angesparte Kapital in der zweitenSäule oft einen beachtlichen Anteil des individuellen Vermögens ausmacht. Mittelsgrösserer Entscheidungsfreiheiten innerhalb gesetzlicher Rahmenbedingungen kanneine Wettbewerbsdynamik geschaffen werden, wie sie auf anderen Märkten anzutreffenist. Im Vergleich zu heute erhöht sich die Transparenz und Effizienz des Systems. Davonprofitiert nicht nur der einzelne Versicherte, auch kleine und mittlere Unternehmungenwerden entlastet und mögliche Interessenkonflikte zwischen Unternehmungen und derPensionskasse vermieden.158


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