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Bericht1 Lager Schwetig

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PDFMAILER.DEDie Geschichte des ehemaligen Gestapo-<strong>Lager</strong>s "Oderblick" in S...http://www.wsws.org/de/2000/mar2000/swie-m01_prn.htmlWorld Socialist Web Site (www.wsws.org)www.wsws.org/de/2000/mar2000/swie-m01.shtmlDie Geschichte des ehemaligen Gestapo-<strong>Lager</strong>s "Oderblick" in<strong>Schwetig</strong>/SwieckoVon Carola Kleinert und Brigitte Fehlau1. März 2000Zu diesem Thema fand am 19. Februar im polnischen Slubice eine Geschichtskonferenz statt. Organisiert hatte sie das"Projekt Deutsch-Polnische Geschichte e.V." im "Collegium Polonicum", einer gemeinsamen Einrichtung der jeweiligenUniversitäten auf der polnischen und deutschen Seite der Grenzstadt Frankfurt/Oder-Slubice.Das Projekt hat sich das Ziel gesetzt, dem ehemaligen Gestapo-<strong>Lager</strong> in <strong>Schwetig</strong>, das nur wenige Kilometer entfernt vonFrankfurt/Oder-Slubice liegt, zu der Beachtung in der Öffentlichkeit zu verhelfen, die es verdient. Mit großem Engagementsetzt sich die Gruppe dafür ein, dass die bestehende kleine Gedenkstätte ausgebaut wird, dass sie in Stadt- und Reiseführeraufgenommen wird, und dass endlich Hinweis- und Informationstafeln aufgestellt werden.Zu einem besonderen Ereignis wurde die Konferenz vor allem wegen der Anwesenheit des 76jährigen Nikolai Liwkowski,einem Überlebenden dieses "Arbeitserziehungslagers", der den Leidensort zum ersten Mal seit seiner Häftlingszeit wiederbesuchte und von seinen Erfahrungen berichtete.Horst Joachim, ein pensionierter Geschichtslehrer und Autor einiger Studien über die Verbrechen der Nationalsozialistenund das jüdische Leben in Frankfurt/Oder, berichtete den Konferenzteilnehmern, was er in Jahren mühevollerNachforschungen nach und nach ans Tageslicht gebracht hat.Obwohl das <strong>Lager</strong> "Oderblick" nur 40 Monate, nämlich von Oktober 1940 bis Januar 1945 bestanden hatte, kamen dortdurch Schwerstarbeit, Hunger, Prügel und Hinrichtungen nachweislich mindestens 4.000 Insassen zu Tode. Das <strong>Lager</strong> miteiner Kapazität von 400 Häftlingen war mit ca. 800 Insassen ständig überbelegt; und am 30. Januar 1945 waren es dann1.600 Häftlinge, die nach der Räumung des <strong>Lager</strong>s durch die Gestapo auf einen Todesmarsch geschickt wurden. Nur dieSchwächsten, nicht gehfähigen Häftlinge, etwa 70 an der Zahl, blieben in den Baracken und starben in den Flammen, denndie Nazis steckten das gesamte <strong>Lager</strong> in Brand, bevor die Rote Armee eintraf.In den Nachkriegsjahren wurde sowohl von DDR-, wie auch von polnischer Seite diesen schrecklichen Ereignissen wenigBeachtung geschenkt.1963, als Horst Joachim zum ersten Mal die Genehmigung erhielt, das Gelände des ehemaligen <strong>Lager</strong>s <strong>Schwetig</strong>persönlich zu besuchen, musste er erleben, dass innerhalb der heruntergebrannten Grundmauern immer noch eine 15 bis20 cm dicke Schicht Asche, Holzreste, zerbrochene Teller und Tassen sowie der ausgebleichte Oberschenkelknocheneines Verbrannten herumlagen. Dieses Bild, berichtete Horst Joachim, habe ihn nie wieder losgelassen. Als seinebehördlichen Begleiter sein Entsetzen bemerkt hätten, hätten sie den menschlichen Knochen rasch unter die Aschegestoßen.Mit großer Beharrlichkeit arbeitete er seither an der Aufdeckung der Nazi-Verbrechen in seinem Bezirk.Während des Hitler-Faschismus gab es im Bezirk Frankfurt/Oder 25 Arbeitslager. Das Gestapo-<strong>Lager</strong> in <strong>Schwetig</strong> hatteaber eine besondere Funktion.Im September 1940 hatten die faschistischen Machthaber die Errichtung von Arbeitserziehungslagern beschlossen, dennman kalkulierte zehn Monate vor dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion den massiven Einsatz von"Fremdarbeitern" ein. Die Arbeitserziehungslager sollten der "Umerziehung" von Zwangsarbeitern dienen. Hier sollten sie inder Zeit von sechs, oder später acht Wochen gefügig werden oder sterben. Diese Art von <strong>Lager</strong>n wurden ausschließlichden Gestapo-Leitstellen des jeweiligen Gebietes unterstellt, die dabei an keinerlei Gesetzgebung gebunden waren.Die Gebäude des <strong>Lager</strong>s in <strong>Schwetig</strong>, die seit 1938 bereits als Unterkunft für Autobahn-Bauarbeiter gedient hatten, wurdennun im Oktober 1940 zum Arbeitserziehungslager umfunktioniert. Die Gestapo-Leitstelle entschied, wer in ein solches <strong>Lager</strong>eingewiesen wurde. Bereits ein unwilliges Murren eines Zwangsarbeiters im Oder-Umland über die miserablen Arbeits- undLebensbedingungen konnte die Einweisung in das <strong>Lager</strong> <strong>Schwetig</strong> zur Folge haben. Dort erwarteten ihn Hunger,Schwerstarbeit und permanente zusätzliche Schikane.70 Tote aus <strong>Schwetig</strong> wurden pro Monat im Frankfurter Krematorium eingeäschert, die anderen wurden im Wald nebendem <strong>Lager</strong> verscharrt - Juden wurden grundsätzlich verscharrt.Dies fand Herr Joachim heraus, nachdem er sich vor rund dreißig Jahren mittels eines Ersuchens an die FrankfurterStaatsanwaltschaft Einsicht in die Unterlagen des Krematoriums verschafft hatte. Das Einäscherungsbuch verzeichnet mehrals 2500 Tote aus dem Gestapo-<strong>Lager</strong>.1 von 2 28.04.2006 20:39


PDFMAILER.DEDie Geschichte des ehemaligen Gestapo-<strong>Lager</strong>s "Oderblick" in S...http://www.wsws.org/de/2000/mar2000/swie-m01_prn.htmlDie Asche der Toten wurde in Pappkartons dem damaligen Bürgermeister von <strong>Schwetig</strong> geschickt, der wiederumveranlasste, diese Päckchen auf den Müllhaufen des Gemeindefriedhofes zu werfen. Ein Gespräch mit diesemBürgermeister wurde Herrn Joachim von der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder seinerzeit verwehrt.Die <strong>Lager</strong>insassen stammten aus 14 verschiedenen Nationen, überwiegend Polen, Russen, Weißrussen, Ukrainer, aberauch Jugoslawen, Tschechen, Franzosen, Italiener, Moldawier und Juden jeglicher Nationalität. Ab 1942 wurden auchDeutsche ins <strong>Lager</strong> eingeliefert.Im Herbst 1944 gab es im <strong>Lager</strong> eine Massenhinrichtung der sowjetischen Gefangenen. Es standen nur zwei Galgen zurVerfügung, daher wurden nacheinander erst alle Männer, dann die Frauen gehängt. Unter ihnen befand sich auch einEhepaar, dem Fluchtpläne unterstellt wurden, da bei ihnen ein kleiner vertrockneter Brotvorrat gefunden worden war.Mitte Januar 1945 wurde des <strong>Schwetig</strong>er <strong>Lager</strong> durch 800 Häftlinge aus einem anderen <strong>Lager</strong> verstärkt. Damit stieg dieÜberbelegung auf das Dreifache an.Am 30. Januar 1945, kurz vor dem Eintreffen der sowjetischen Armee, wurde das <strong>Lager</strong> aufgelöst. Die Insassen solltenverschwinden, und so wurden 1.600 gehfähige Häftlinge auf ihren Todesmarsch geschickt, die übrigen zusammen mit demgesamten <strong>Lager</strong> verbrannt.Der Todesmarsch ging Richtung Westen nach Berlin und war sieben Wochen unterwegs. Die Häftlinge mussten um Berlinherumlaufen bis ins KZ Sachsenhausen, am nächsten Tag zu einem Arbeitseinsatz auf dem Potsdamer Flughafen. Am 16.März 1945 erreichten noch 29 Häftlinge das KZ Buchenwald, tags darauf ging der Marsch weiter. Ein Häftling verstecktesich dort und überlebte als Einziger.Was nach Kriegsende aus den ehemaligen Kommandanten und dem Wachpersonal des Gestapo-<strong>Lager</strong>s wurde, ist in derÖffentlichkeit nicht bekannt.Die Gedenkstätte am Ort des ehemaligen <strong>Lager</strong>s <strong>Schwetig</strong> besteht seit 1977: ein eingefasster Weg führt zu einem kleinenTurm und Mauerwerk mit einem - als Symbol der Befreiung von außen - nach innen aufgebrochenen Eisengitter in einerFensteröffnung, dazu eine Tafel.Allein das Bestreben des Geschichtsprojekts, eine zusätzliche zweisprachige Informationstafel anzubringen, stießbehördlicherseits auf erhebliche Hindernisse. Mittlerweile hat sich eine schweizerische Flüchtlings-Hilfsorganisation zurErstellung einer solchen Tafel bereit erklärt.Copyright 1998 - 2000, World Socialist Web Site, Alle Rechte vorbehalten!2 von 2 28.04.2006 20:39

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