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Gleichgewichtstheorie und Cobweb- Theorem Teil II Gliederung

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<strong>Gleichgewichtstheorie</strong> <strong>und</strong> <strong>Cobweb</strong>-<br />

<strong>Theorem</strong><br />

<strong>Teil</strong> <strong>II</strong><br />

<strong>Gliederung</strong>:<br />

1. Die Gleichgewichtstendenz freier Märkte<br />

2. Das <strong>Cobweb</strong>theorem<br />

3. Der Schweinezyklus<br />

4. Schwankungen auf dem Bildungsmarkt<br />

5. Kursschwankungen an der Börse<br />

2. Das <strong>Cobweb</strong>theorem<br />

Auch dann, wenn die klassische <strong>Gleichgewichtstheorie</strong> durchaus Elemente enthält,<br />

welche etwas über die Dynamik des Gleichgewichtsprozesses aussagen, ist sie im<br />

Ansatz eine statische Theorie, die nicht in der Lage ist, den genauen Verlauf dieses<br />

Gleichgewichtsprozesses aufzuzeigen. Ansätze zu einer dynamischen Theorie finden<br />

sich für die Theorie der Einzelmärkte im <strong>Cobweb</strong>theorem, für die gesamtwirtschaftliche<br />

Theorie bei den von P. A. Samuelson entwickelten Modellen.<br />

Beiden Theorieansätzen ist gemeinsam, dass aufgezeigt wird: Wir können nicht<br />

erwarten, dass der Gleichgewichtsprozess geradlinig verläuft, vielmehr ist davon<br />

auszugehen, dass das Gleichgewicht – wenn überhaupt – in rhythmischen Bewegungen<br />

erreicht wird. Dies bedeutet, dass die Preisbewegungen über ihr Ziel hinausschießen,


dass deshalb die Preisrichtung wieder verlassen wird, aber auch hier wiederum der<br />

Preis über den Gleichgewichtspreis hinausgeht. Dies bedeutet nicht unbedingt, dass es<br />

in der Realität gar keine Gleichgewichtstendenzen gibt, vielmehr ist zu erwarten, dass<br />

der aktuelle Preis nach einer Datenänderung um den neuen Gleichgewichtspunkt<br />

pendelt, wobei die Ausschläge im Normalfall durchaus kleiner werden <strong>und</strong> deshalb<br />

das neue Gleichgewicht nach wie vor angesteuert wird.<br />

Allerdings machen diese Theorien auch darauf aufmerksam, dass bestimmte<br />

Voraussetzungen erfüllt sein müssen, damit dieser Prozess gedämpft erfolgt <strong>und</strong> ein<br />

neues Gleichgewicht tatsächlich angesteuert wird. Wir müssen auch mit der<br />

Möglichkeit rechnen, dass unter bestimmten Bedingungen die Preisschwankungen wie<br />

bei einem perpetuum mobile mit gleichbleibender Amplitude erfolgen <strong>und</strong> somit ihr<br />

Gleichgewicht gar nicht erreichen, ja es ist sogar denkbar, dass die Amplitude der<br />

Preisschwankungen mit der Zeit sogar größer werden <strong>und</strong> eine Höhe erreichen, bei<br />

der der freie Markt zusammenbricht.<br />

Zunächst seien ganz kurz einige wenige Bemerkungen zu dem gesamtwirtschaftlichen<br />

Konjunkturmodell von P. A. Samuelson gemacht. Samuelson hat aufgezeigt, dass die<br />

Verbindung der Multiplikatortheorie mit dem von Albert Aftalion entwickelten<br />

Akzelerationsprinzip zu einem Ansatz führt, mit dessen Hilfe konjunkturelle<br />

Schwankungen im Einkommensverlauf erklärt werden können.<br />

Die vor allem von John Maynard Keynes entwickelte Multiplikatortheorie besagt<br />

bekanntlich, dass von autonomen Nachfragesteigerungen weitere induzierte<br />

Nachfragesteigerungen ausgehen, mit der Folge, dass eine einmalige<br />

Nachfragesteigerung seitens des Staates zu einer vielfachen (multiplikativen)<br />

Nachfragesteigerung insgesamt führt. Erhöht z. B. der Staat seine Ausgaben um 1<br />

Mrd. €, so schafft er in der ersten Periode eine Einkommenssteigerung um diesen<br />

Betrag. Da in der nächsten Periode entsprechend der Konsumneigung diese<br />

Einkommen zum <strong>Teil</strong> für konsumtive Zwecke verausgabt werden, steigen die<br />

Einkommen um diesen Betrag, was wiederum in der dritten Periode dazuführt, dass<br />

die Konsumausgaben <strong>und</strong> mit ihnen auch die Einkommen um ein weiteres steigen. Im<br />

Endergebnis ist die durch eine einmalige Ausgabensteigerung des Staates induzierte<br />

Einkommenssteigerung um etwa 4 Mrd. angestiegen, wobei der multiplikative Effekt<br />

unter vereinfachten Bedingungen dem Kehrwert der Sparquote entspricht.<br />

Das von Aftalion entwickelte Akzelerationsprinzip besagt demgegenüber, dass eine<br />

Zunahme der Konsumausgaben eine Zunahme der Investition auslöst, da die<br />

Unternehmungen diese Mehrnachfrage nur dadurch befriedigen können, dass sie ihre<br />

Produktionskapazität durch Erweiterungsinvestitionen steigern. Wenn man nun beide<br />

Wirkungszusammenhänge berücksichtigt, kann man nachweisen, dass eine einmalige<br />

Nachfragesteigerung z. B. in Form einer Staatsausgabensteigerung zu konjunkturähnlichen<br />

Schwankungen im Einkommensverlauf führt, das Einkommen steigt eine


gewisse Zeit, erreicht einen Höhepunkt, um dann für mehrere Perioden wiederum zu<br />

fallen. Wir wollen uns auf diesen Hinweis beschränken, da im Mittelpunkt dieses<br />

Artikels das <strong>Cobweb</strong>theorem steht.<br />

Der Anpassungsprozess eines einzelnen Marktes auf Datenänderungen lässt sich<br />

anhand des <strong>Cobweb</strong>-Systems veranschaulichen. Hierbei werden drei dynamische<br />

Verläufe unterschieden: den explodierenden Verlauf, den gedämpften Verlauf <strong>und</strong> das<br />

perpetuum mobile.<br />

Wir gehen hierbei von einer Nachfragsteigerung aus, die durch eine Verschiebung der<br />

Nachfragekurve nach rechts oben zum Ausdruck gebracht wird. Weiterhin gehen wir<br />

davon aus, dass das Angebot kurzfristig auf Preisänderungen nicht reagiert, dass also<br />

die Angebotskurve kurzfristig eine Parallele zur Ordinate darstellt. Erst nach Ablauf<br />

einer Periode reagiert das Angebot auf Preisänderungen der Vorperiode.<br />

Kurzfristig gesehen steigt der Preis aufgr<strong>und</strong> der Nachfragesteigerung bis zum<br />

Schnittpunkt der neuen Nachfragekurve mit der kurzfristig vollkommen starren<br />

Angebotskurve. Langfristig hingegen reagiert das Angebot auf die Preissteigerung<br />

entsprechend der langfristig gültigen elastischen Angebotskurve.<br />

Diese Angebotsausweitung schießt jedoch über die Nachfrage hinaus, weil ja auch der<br />

Preis kurzfristig stärker als erwünscht angestiegen ist <strong>und</strong> führt deshalb in der<br />

nächsten Periode zu entsprechenden Preissenkungen <strong>und</strong> Angebotsanpassungen <strong>und</strong><br />

so weiter.<br />

Dieses Spiel von Preisveränderung <strong>und</strong> langfristiger Angebotsanpassung erfolgt nun<br />

über eine Vielzahl von Perioden, wobei es nun von dem Verhältnis der Elastizitäten<br />

von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage abhängt, ob der Preis tendenziell vom Gleichgewicht<br />

wegführt oder zum Gleichgewicht hinführt oder schließlich sogar im Sinne eines<br />

perpetuum mobile unbegrenzt um den Gleichgewichtspreis pendelt.<br />

Wenn die Elastizität der Nachfrage geringer ist als die des Angebots, führt dies zu<br />

einem explodierendem Fall, falls jedoch die Elastizität der Nachfrage größer als die<br />

des Angebots ist, liegt ein gedämpftes System vor, gleich hohe Elastizitäten führen<br />

schließlich zum perpetuum mobile.<br />

Betrachten wir zunächst das explodierende System. Eine Verschiebung der blauen<br />

Nachfragekurve nach rechts führt vom ehemaligen Schnittpunkt beider Kurven dazu,<br />

dass der Preis weit über den neuen Gleichgewichtspunkt hinausschießt, dies hat in der<br />

nächsten Periode zur Folge, dass auch die Ausweitung des Angebotes weit größer ist<br />

als die neue Gleichgewichtsmenge. Also muss in der folgenden Periode der Preis<br />

wieder sinken, wiederum über sein Ziel hinaus, u. s. w. Die Preisausschläge werden<br />

sogar mit jeder Periode größer, Preise <strong>und</strong> Mengen rücken immer weiter vom neuen


Gleichgewichtspunkt ab. Dies ist der Fall, weil die Angebotsmenge elastischer auf die<br />

Preisänderung reagiert, als der Preis aufgr<strong>und</strong> der anfänglichen Angebotsausweitung<br />

gefallen war.<br />

Betrachten wir als zweiten Fall ein gedämpftes System. Aufgr<strong>und</strong> einer anfänglichen<br />

Verschiebung der Nachfragekurve nach rechts erreicht der Preis eine Höhe, welche<br />

den neuen Gleichgewichtspreis übersteigt. Dies führt in der nächsten Periode zu einer<br />

Ausweitung des Angebotes. Weil jedoch die Elastizität des Angebotes geringer ausfällt<br />

als die der Nachfrage, ist die Mengenausweitung in jeder folgenden Periode geringer<br />

als die Preissteigerung <strong>und</strong> dies bedeutet, dass sich das System mit der Zeit immer<br />

näher an den neuen Gleichgewichtspunkt heran arbeitet.


Betrachten wir schließlich den Fall eines perpetuum mobile. Weil hier beide<br />

Elastizitäten gleich groß sind, fallen auch die Preisreaktionen prozentual genau so<br />

groß aus wie die Mengenreaktionen mit der Folge, dass das System überhaupt nicht<br />

mehr den neuen Gleichgewichtspunkt erreicht.


Soweit ein gedämpftes <strong>Cobweb</strong>-System vorliegt, bleibt die These der klassischen<br />

<strong>Gleichgewichtstheorie</strong> unverändert: Der Markt ist in der Lage, das durch eine<br />

Datenänderung <strong>und</strong> damit einer Verschiebung einer der Reaktionskurven<br />

hervorgerufene Ungleichgewicht von selbst abzubauen, ohne dass ein Eingreifen des<br />

Staates notwendig ist. Der Anpassungsprozess ist zwar nun etwas komplizierter als<br />

anfänglich unterstellt, er verläuft nicht mehr geradlinig auf den neuen<br />

Gleichgewichtspunkt zu, sondern nähert sich in Schwingungen dem neuen<br />

Gleichgewicht an. Die Preisbewegungen erhalten die Form eines Spinngewebes, daher<br />

auch der Name <strong>Cobweb</strong>-System.<br />

Wir haben den Verlauf des Gleichgewichtsprozesses damit erklärt, dass das Angebot<br />

erst verzögert auf Preisänderungen reagiert, da der Erweiterungs- oder<br />

Schrumpfungsprozess der Produktionskapazität Zeit benötigt. Es wurde jedoch<br />

nachwievor davon ausgegangen, dass sowohl die Nachfrage unmittelbar auf<br />

Preisänderungen reagiert als auch Ungleichwichte stets zu einer solchen Änderung des<br />

Preises führen, dass der Markt noch in dieser Periode, in der das Ungleichgewicht<br />

entstanden ist, vollständig geräumt wird.


Diese beiden Annahmen entsprechen sicherlich nicht der Wirklichkeit. Wir haben<br />

davon auszugehen, dass auch die Nachfrage aus den verschiedensten Gründen<br />

verzögert reagiert. Und wir haben weiterhin damit zu rechnen, dass auch<br />

Preisreaktionen zumeist verzögert erfolgen, da Preisänderungen oftmals aufgr<strong>und</strong> von<br />

Verträgen erst nach Ablauf einer Kündigungsfrist möglich werden.<br />

Diese Korrektur der Annahmen macht den Anpassungsprozess um ein Weiteres<br />

komplizierter. Er wird in die Länge gezogen. Es hängt nun wiederum von den<br />

Elastizitäten sowie den Preisflexibilitäten <strong>und</strong> ihrem Verhältnis zueinander ab, wie oft<br />

die Wahrscheinlichkeit explosiver Systeme oder des perpetuum mobile gegeben ist.<br />

Ganz generell müssen wir davon ausgehen, dass es die Eigenheiten unterschiedlicher<br />

Märkte ist, ob in der Regel mit gedämpften Gleichgewichtsprozessen gerechnet<br />

werden kann oder ob tatsächlich die Gefahr explodierender <strong>Cobweb</strong>-Systeme besteht.<br />

Wir wollen uns deshalb im weiteren Verlauf dieses Artikels einzelnen Märkten<br />

zuwenden, in denen diese <strong>Cobweb</strong>-Prozesse besonders auffallen. Im ersten Schritt<br />

befassen wir uns mit einem Agrarmarkt <strong>und</strong> zwar mit der Aufzucht von Schweinen.<br />

Wir gehen dann zweitens zum Bildungsmarkt über <strong>und</strong> beschließen diesen Artikel mit<br />

Ereignissen an der Börse.<br />

3. Der Schweinezyklus<br />

Die im <strong>Cobweb</strong>-<strong>Theorem</strong> beschriebenen Preisschwankungen um den<br />

Gleichgewichtspreis wurden wohl erstmals 1927 von Arthur Hanau in seiner<br />

Dissertation über Schweinepreise beschrieben, wobei sich Hanau hierbei an Arbeiten<br />

von Mordecai Ezekiel <strong>und</strong> G.C. Haas über die Entwicklung der Schweinepreise in<br />

den USA orientierte. Auf Mordecai Ezekiel geht auch der Versuch zurück, diese<br />

Zusammenhänge mit dem <strong>Cobweb</strong>-<strong>Theorem</strong> zu erklären.<br />

Man sollte sich allerdings darüber klar sein, dass diese Preis- Mengenbewegungen<br />

weder mit Besonderheiten der Schweineaufzucht noch der agrarwirtschaftlichen<br />

Produktion im Allgemeinen zu tun haben. Diese Entwicklung ergibt sich allein daraus,<br />

dass bei der Reaktion der Angebotsmengen auf Preisänderungen Verzögerungen<br />

auftreten, sodass zwischen einer kurzfristigen <strong>und</strong> einer langfristigen Angebotskurve<br />

unterschieden werden muss. Diese Zusammenhänge lassen sich jedoch auf wohl allen<br />

Märkten feststellen, da nahezu bei der Produktion aller Güter gewisse Verzögerungen<br />

(time lags) auftreten.<br />

Entscheidend ist nun die Frage, ob bei der Aufzucht von Schweinen das Verhältnis<br />

von Angebots- <strong>und</strong> Nachfrageelastizität derart ist, dass die im <strong>Cobweb</strong>-<strong>Theorem</strong>


eschriebenen explodierenden Schwankungen oder sogar das sogenannte perpetuum<br />

mobile zu erwarten ist oder ob es sich bei den ab 1925 von Ezekiel beobachteten<br />

Preisbewegungen in den USA um einmalige, keinesfalls typische Preisschwankungen<br />

handelt. Wie schon angedeutet, ist es nicht sehr aufregend, wenn man feststellen muss,<br />

dass sich die in der klassischen <strong>Gleichgewichtstheorie</strong> behauptete<br />

Gleichgewichtstendenz nicht wie ursprünglich angenommen linear kontinuierlich,<br />

sondern in periodischen Schwankungen vollzieht. Für das Ergebnis, für die Frage<br />

nach den Selbstheilungskräften des Marktes ist der genaue Verlauf der<br />

Gleichgewichtsbewegungen unerheblich. Solange es sich um ein gedämpftes <strong>Cobweb</strong>-<br />

System handelt, bleibt die Gr<strong>und</strong>aussage der klassischen Markttheorie: das Bestehen<br />

eines automatischen Abbaus von Angebots- <strong>und</strong> Nachfrageüberhängen durch<br />

Marktkräfte bestehen.<br />

Es spricht nun vieles dafür, dass explodierende <strong>Cobweb</strong>-Systeme oder ein perpetuum<br />

mobile nicht typisch für die Produktion von Agrarprodukten im Allgemeinen <strong>und</strong> der<br />

Aufzucht von Schweinen im Besonderen sind. Zwei Tatbestände sind für diese<br />

Schlussfolgerung maßgebend: das Problem der Lernfähigkeit <strong>und</strong> das Problem der<br />

Lagerhaltung.<br />

Damit bei der Aufzucht von Schweinen regelmäßig explodierende <strong>Cobweb</strong>-<br />

Schwankungen auftreten, ist es notwendig, dass die Schweinezüchter immer nach dem<br />

gleichen Schema verfahren. Sie stellen fest, dass die Preise für Schweinefleisch fallen<br />

oder steigen <strong>und</strong> sie weiten ihre Aufzucht so stark aus, wie es in der längerfristigen<br />

Angebotskurve beschrieben wird. Das neue Angebot entspricht also dann einem<br />

Zustand, bei dem der in der ersten Periode festgestellte Preis auf Dauer anhält. Genau<br />

dies ist jedoch nicht der Fall, wenn <strong>Cobweb</strong>-Prozesse stattfinden. Das <strong>Cobweb</strong>-<br />

<strong>Theorem</strong> zeigt ja auf, dass die Preise in der ersten Periode weit über ihr Ziel (über den<br />

neuen Gleichgewichtspreis) hinausschießen.<br />

Ein solches Verhalten bei den Schweinezüchtern ist nun vollkommen unrealistisch.<br />

Die Bauern stellen immer wieder fest, dass die anfänglichen Preisreduzierungen in den<br />

nächsten Perioden korrigiert werden, dass der langfristige Preis in bedeutend<br />

geringerem Maße fallen wird als der kurzfristige Preisverfall in der ersten Periode.<br />

Trotz dieser Beobachtung sollen jedoch die Schweinezüchter trotzdem ihr Angebot<br />

soweit reduzieren oder ausdehnen, wie es optimal wäre, wenn die Preisänderung auf<br />

Dauer wäre. Es wird hier also eine vollkommene Lernunfähigkeit unterstellt, was ganz<br />

unwahrscheinlich ist.<br />

Es mag ja sein, dass ein Schweinezüchter, der eine Schweinezucht neu aufbaut,<br />

zunächst einmal von der falschen Annahme ausgeht, dass sich die Preisänderung in<br />

der ersten Periode in den folgenden Perioden fortsetzt, aber er wird diese Annahme<br />

sehr bald korrigieren, da sie ja eindeutig durch die Fakten widerlegt wird. Es würde


sich also hier um eine einmalige Reaktion handeln, die nur bei denjenigen zu erwarten<br />

ist, welche mit der Schweineaufzucht gerade begonnen haben.<br />

Aber selbst in diesen Fällen ist zu erwarten, dass sich die meisten Neulinge bei der<br />

Aufzucht von Schweinen zunächst über die Entwicklung von Preisen <strong>und</strong> Mengen auf<br />

dem Schweinemarkt k<strong>und</strong>ig machen <strong>und</strong> sich die allgemeinen Erfahrungen der<br />

Branche zu eigen machen.<br />

Entscheidend ist also der Hinweis, dass es sich bei der Aufzucht von Schweinen nicht<br />

um einmalige Aktionen handelt, sondern dass in jeder Periode diese Produktionen<br />

durchgeführt werden <strong>und</strong> dass die Anbieter in diesem Falle aus den Erfahrungen der<br />

Vergangenheit lernen. Ein solches im <strong>Cobweb</strong>-System unterstelltes Verhalten könnte<br />

also als typisches Phänomen bei der Aufzucht von Schweinen oder ganz allgemein bei<br />

der Produktion von Agrarprodukten allenfalls dann erwartet werden, wenn in einem<br />

Land in der Vergangenheit die Schweineproduktion vom Staat gelenkt wurde <strong>und</strong><br />

wenn nun aufgr<strong>und</strong> einer wirtschaftlichen Änderung der Wirtschaftsordnung die<br />

Märkte für Agrarprodukte frei gegeben würden. In diesem Falle könnte vermutet<br />

werden, dass die Produzenten dieser Güter noch nicht auf Erfahrungen zurückgreifen<br />

können <strong>und</strong> sich dann in den ersten Perioden, also auch hier nur in einer<br />

Übergangsphase so verhalten wie im Schweinezyklus behauptet wird.<br />

Aber immer dann, wenn wir die Lernfähigkeit der Marktpartner mit berücksichtigen,<br />

wird die Elastizität der langfristigen Angebotskurve in Bezug auf den aktuellen Preis<br />

reduziert. Der langfristig erwartete Preissturz oder Preisanstieg ist ja dann<br />

annahmegemäß geringer als die in der ersten Periode auftretende Preisänderung.<br />

Wenn jedoch die Elastizität des langfristigen Angebotes geringer als zunächst<br />

unterstellt ausfällt, bedeutet dies: Die Wahrscheinlichkeit steigt, dass ein gedämpftes<br />

<strong>Cobweb</strong>System vorliegt. Für das Entstehen eines explodierenden Systems reicht es<br />

nun nicht mehr aus, dass die Angebotselastizität größer ist als die Elastizität der<br />

Nachfrage. Die Angebotselastizität muss nun sehr viel größer sein als die Elastizität<br />

der Nachfrage, um explodierende Preisschwingungen auszulösen.<br />

Auch dann, wenn wir die Möglichkeit der Lagerhaltung mitberücksichtigen, ergeben<br />

sich Korrekturen an unseren bisherigen Schlussfolgerungen. Können nämlich<br />

Produkte auf Lager genommen werden <strong>und</strong> deshalb vorübergehende Engpässe aus<br />

dem Lagerbestand ausgeglichen werden, verändern sich wiederum die relevanten<br />

Reaktionskurven des Angebotes. Nun entspricht die kurzfristige Angebotskurve nicht<br />

mehr einer Parallelen zur Preisachse, da Preisänderungen nun die Anbieter<br />

veranlassen, bei Preisreduzierungen einen <strong>Teil</strong> der Produktion auf Lager zu nehmen<br />

<strong>und</strong> bei Preisanstiegen einen <strong>Teil</strong> des Angebotes aus dem Lager zu speisen. Verläuft<br />

jedoch die kurzfristige Angebotskurve weniger steil, so fallen die anfänglichen<br />

Preisveränderungen auch geringer aus als bei kurzfristig vollkommen starrem<br />

Angebot.


Nun wird man natürlich einwenden können, dass es sich bei dem Angebot von<br />

Schweinefleisch oder auch anderen Agrarprodukten um frisches Fleisch oder frische<br />

Obst- <strong>und</strong> Gemüsesorten handelt <strong>und</strong> dass diese ex definitione nicht gelagert werden<br />

können. Züchtet man ein Schwein ein Jahr länger, so ist das Schwein eben auch ein<br />

Jahr älter <strong>und</strong> entspricht nicht mehr den Anforderungen seitens der Nachfrage.<br />

Gemüse <strong>und</strong> Obst als Frischgut gelagert wird ungenießbar <strong>und</strong> kann nicht mehr<br />

verkauft werden.<br />

Dieser Einwand ist zwar richtig, trotzdem geht er an dem eigentlichen Problem<br />

vorbei. Die freien Märkte zeichnen sich dadurch aus, dass für ein elementares<br />

Gr<strong>und</strong>bedürfnis zumeist unterschiedliche Waren zur Verfügung stehen. Zwischen<br />

diesen Waren bestehen Substitutionsbeziehungen <strong>und</strong> diese wiederum hängen<br />

entscheidend von der Höhe der Preise ab. Steigt der Preis eines Gutes, so lohnt es sich<br />

für den Konsumenten, zumindest einen <strong>Teil</strong> der bisherigen Nachfrage durch ein<br />

Substitut zu befriedigen. Und dies bedeutet für Agrarprodukte, dass bei einem<br />

Preisanstieg die Nachfrage nach Fleisch, Gemüse <strong>und</strong> Obst nicht mehr in Gänze durch<br />

frische Waren, sondern zum <strong>Teil</strong> durch konservierte Waren befriedigt wird. Sowohl<br />

Fleisch wie auch fast alle Agrarprodukte lassen sich in Konserven verarbeiten <strong>und</strong><br />

erlauben auf diese Weise eine Lagerhaltung.<br />

Fällt deshalb der Preis für frisches Schweinefleisch, so werden die Anbieter die<br />

fehlende Nachfrage dadurch ausgleichen, dass sie Fleisch konservieren <strong>und</strong> auf Lager<br />

nehmen. Auch für die Nachfrager gilt, dass bei einem Preisanstieg es vorteilhafter<br />

wird, einen <strong>Teil</strong> des Fleischbedarfes durch Konserven zu befriedigen. Diese<br />

Substitutionsmöglicheiten bringen es nun mit sich, dass die Elastizität der Nachfrage<br />

ansteigt mit dem Ergebnis, dass nun aufgr<strong>und</strong> aller drei relevanten Reaktionskurven<br />

die Nachfragekurve, die kurzfristige <strong>und</strong> schließlich die langfristige Angebotskurve so<br />

verändert werden, dass einerseits die anfänglichen Preisänderungen geringer<br />

ausfallen <strong>und</strong> dass andererseits die Unterschiede zwischen Angebots- <strong>und</strong><br />

Nachfrageelastizität geringer werden. Es wir immer unwahrscheinlicher, dass<br />

aufgr<strong>und</strong> der unterschiedlichen Elastizitäten von Angebot <strong>und</strong> Nachfrage der Pfad<br />

der Preisschwankungen explodierend verläuft.<br />

Gerade aufgr<strong>und</strong> dieser Unwahrscheinlichkeit bedarf es aber auch im Allgemeinen<br />

keines politischen Eingriffes. Man wird erwarten können, dass nur in sehr seltenen<br />

Ausnahmefällen mit explodierenden <strong>Cobweb</strong>-Systemen zu rechnen ist. Der Markt ist<br />

in der Regel selbst in der Lage, vorübergehende Ungleichgewichte selbst ohne<br />

politischen Eingriff abzubauen.<br />

Fortsetzung folgt!

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