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Ausgabe 10. Januar 2014 - Tübingen im Fokus

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<strong>10.</strong> <strong>Januar</strong> <strong>2014</strong> Kirschners Kolumne<strong>im</strong> <strong>Fokus</strong>11Impressum:Der seltsame Sog ins neue Jahrwww.tif-tuebingen.deErscheint <strong>im</strong>:Schlossgarten VerlagThomas DrostEngelfriedshalde 28 • 72076 <strong>Tübingen</strong>Telefon 0 70 71 - 9 79 88 80Fax 0 70 71 - 9 79 88 90Verteilte Auflage:32.000 ExemplareTiF wird verteilt in:Stadtmitte/Altstadt, Weststadt, Südstadt,Deren dingen, Gartenstadt, Loretto, FranzösischesViertel, Österberg, Bebenhausen, Lustnau,Pfrondorf, WHO, Sand, Wanne, Schön blick,Hagelloch, Unterjesingen, Hirschau, Weil he<strong>im</strong>,Kilchberg, Bühl, Wankhe<strong>im</strong>, Kusterdingen,Klinken, Kiebingen, WurmlingenTiF wird ausgelegt in:Mähringen in der VolksbankAnzeigenannahme(telefonischer Anzeigenservice)Telefon 0 70 71 - 9 79 88 80Mail anzeigen@tif-tuebingen.deAnzeigenschlussPrivate KleinanzeigenMill<strong>im</strong>eteranzeigenMontag, 12.00 UhrMontag, 12.00 UhrRedaktionVolker RudolphTelefon 0 70 71 - 9 79 88 88Fax 0 70 71 - 9 79 88 90Mail redaktion@tif-tuebingen.deFür die Richtigkeit telefonisch aufgegebener Anzeigenoder Änderungen sowie für den Inhalteingereichter Berichte und Kolumnen wird keineHaftung übernommen.Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte,Unterlagen oder Bildmaterial gilt die gleiche Regelung.Für die Herstellung unserer Zeitung verwendenwir Recycling-Papier.DruckDruckzentrum Neckar-Alb GmbH & Co. KGFerdinand-Lassalle-Straße 5172770 ReutlingenTelefon 0 71 21 - 38 36 9-0Die nächste TiF-<strong>Ausgabe</strong>erscheint am 24. <strong>Januar</strong> <strong>2014</strong>Das neue Jahr begann irgendwiemerkwürdig für mich. Nicht so,wie ich es mir vorgestellt hatte,nämlich: ausschlafen, lange frühstückenund Musik hören (alternativauch dem Geprassel vonRegen lauschen), was Gutes lesen,die Gutsle-Nascherei bremsen,nachmittags einen TV-Schinkenangucken, abends schön kochenund später dann auf dem He<strong>im</strong>trainergemütlich in den Schlafradeln – ungefähr so hatte ichmir den ersten Tag <strong>im</strong> neuen Jahrvorgestellt.Doch was geschah stattdessen?Morgens, noch lange vor acht, lagich hoffnungslos wach, weil derBrut Rosé aus der Silvesternachteine Art Formel-1-Rennen in meinemaufgeputschten Kreislauf veranstaltete.Natürlich musste ich anSchumi denken, der in Grenoble<strong>im</strong> Koma liegt. Prompt sprang ichwie ein Schachtelmännchen oderso ein Jack-in-the-box aus demBett, vermutlich um mir zu beweisen,dass noch alles funktionierte.Was es glücklicherweise auch tat.Ich umrundete erfolgreich zweiTürpfosten und landete vor demBadez<strong>im</strong>merspiegel, der sofortbeschlug, als er mich sah. Ich beachteteihn gar nicht. Es war nochzu früh am Tag und erst recht <strong>im</strong>Jahr, um mich provozieren zu lassen.Womöglich zu irgendwelchenVorsätzen, meine Gesichtskosmetikbetreffend. Das hätte noch gefehlt.Vor allem aber begann das neueJahr dunkel, denn als der Morgenvom Mühlenviertel her dämmerte,saß ich bereits mit dem drittenToast vor dem zweiten Kaffeeund ärgerte mich, dass ich wieein biederer Bürogänger auf meinemStühlchen hockte und – aufgedreht,wie ich war – womöglichnoch irgendwo hingefahren wäre,wäre der TüBus am Neujahrsmorgenaufgetaucht. Doch das tat erzum Glück nicht. Ich weiß auchgar nicht, in welches Büro ichhätte fahren können. Im BüroAktiv hatte ich jetzt zwe<strong>im</strong>al eineLesung gehabt, aber wem hätteich da am Neujahrsmorgen vorlesensollen? Ein absurder Gedanke.Außerdem, wenn ich aus demFenster schaute, sah ich, dass alleum mich herum schliefen. Diebrauchten keine Lesung.Das ärgerte mich naturgemäßnoch mehr. Ich meine, dass alleselig schlummerten und nur ichwach war. Aber einer musstedie Stellung halten. Der Kaffeebrachte mich weiter auf Touren,ich fühlte mich wie ein Rennwagen,bei dem Brems- und Gaspedalgleichzeitig bis zum Anschlagdurchgedrückt sind. Fehlte nurnoch, dass ich zu qualmen anfing,weil irgendwo was durchschmorte.Ich sah mich schon ander Decke entlangrasen und dieLeute über mir aufwecken. Aberdann schlug das Pendel ganzplötzlich in die andere Richtungum, das heißt, ich wurde müde.Hundemüde. Das sogenannte Verdauungskomasetzte ein. Statt ander glatten Wand hochzurasen,schaffte ich es gerade noch rüberaufs Sofa, ehe ich vom Stuhl gekipptwäre.Ich kam wieder zu mir, als einSonnenstrahl versuchte, meinrechtes Augenlid anzuheben. Inzwischenwar früher Nachmittag.Das Brut-Rosé-Rennen war beendet,der dunkle Jahresanfangin gleißendes Licht getaucht, dasZ<strong>im</strong>mer ein riesiges Solarium. Dasverwirrte mich. Es war, als hätteich mehrere Zeitzonen durchflogen.Wohnz<strong>im</strong>mer-Jetlag quasi.Dann sah ich mich wie einenferngesteuerten Roboter <strong>im</strong> Flurstehen und einen Schal endlos umden Hals wickeln. Zu einem dieserSchal-Gewinde, unter denen dieTräger <strong>im</strong>mer ein bisschen wieErtrinkende hervorschauen. OderVerwirrte. Erst als ich vorm Hausstand, sagte ich mir: Sag mal, wasmachst du hier eigentlich?Bis zu diesem Zeitpunkt war ichmir meines Tuns überhaupt nichtbewusst gewesen. Es war wie einSog, der mich aus der Wohnungzog, ob ich wollte oder nicht. Undwohin wollte ich nun – in denWald? Nein, dort war nach demvielen Feiertagsregen garantiertalles matschig, ich ließ mich lieberin die andere Richtung treiben.Am Bahndamm entlang, zurCity hinüber.www.wolfgang-kirschner.euÜberall waren die Spuren der vergangenenNacht zu sehen: zerfetzteWillkommensgrüße an dasneue Jahr, hässlich aufgeweichteBöllerreste, Raketentrümmer, diezuvor volle Pulle in den H<strong>im</strong>melgerast waren, leere Sektflaschen,die keiner mehr haben wollte.Und Menschen, Massen vonMenschen, die wie ich über dasLand tigerten, von einer unsichtbarenMacht gezogen, ernst, eiligund erwartungsfroh.Was war es, was uns vor die Türtrieb? Die Sonne? Das neue Jahr?Ein altes Gen? Magisches Denkenetwa? Schlichter Aberglaubenvielleicht, demzufolge das Neue,das Unbekannte sich gnädig st<strong>im</strong>menlässt, huldigt man ihm mit einerrasanten Überlandprozession?Es war skurril. Wie in dem MusikvideoFirst We Take Manhattanvon Leonard Cohen, wo Hundertevon Menschen schweigendam Strand entlanggehen, in langeMäntel gehüllt und Koffer tragend.Eine ähnliche St<strong>im</strong>mung.Nur halt ohne Koffer und Strand.Und mehr <strong>im</strong> Sauseschritt. „Ichwerde gelenkt durch ein Zeichenam H<strong>im</strong>mel“, heißt es bei Cohen.Was meint er damit? H<strong>im</strong>melsoderFeuerwerkskörper?Ach, eigentlich will ich es garnicht so genau wissen. Die meistenDinge bleiben interessant,solange man etwas hineingehe<strong>im</strong>nissenkann. Drum frage ichnicht, was bringt das neue Jahr?Mein Gefühl sagt mir nur: <strong>2014</strong>– das klingt vielversprechend, dakann einiges passieren. Ein Jahrmit Potenzial. Wetten, dass icham Ende Recht behalten werde?Ein gutes Neues!

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