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Aus dem Unbundling ergibt sich substantieller Anpassungsbedarf ...

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Energiewirtschaft<br />

Einleitung<br />

Die Vorschriften der sogenannten Beschleunigungsrichtlinien<br />

Strom und Gas<br />

gehen über die bisherigen Entflechtungs-<br />

Anforderungen im deutschen Energiewirtschaftsgesetz<br />

weit hinaus, in<strong>dem</strong> sie<br />

fordern, ein Verwaltungs- und ein<br />

gesellschaftsrechtliches <strong>Unbundling</strong> einzuführen.<br />

Noch vor Bekanntwerden der<br />

endgültigen Pläne der Bundesregierung<br />

zur Umsetzung der Beschleunigungsrichtlinien<br />

in nationales Recht<br />

zeichnet <strong>sich</strong> ab, dass dieser Schritt den<br />

Ordnungsrahmen auch für deutsche<br />

Energieversorgungsunternehmen maßgeblich<br />

verändern wird: Für deutsche<br />

EVU wird deshalb in einzelnen Unternehmensbereichen<br />

bereits zum 1. Juli<br />

2004 Handlungsbedarf bestehen.<br />

Vorausschauend handelnde Unternehmen<br />

haben daher bereits jetzt begonnen,<br />

den Umfang der notwendigen<br />

Änderungen zu erkunden und Handlungsstrategien<br />

vorzubereiten. Der<br />

Beitrag erläutert zunächst wesentliche<br />

rechtliche und betriebswirtschaftliche Aspekte<br />

unterschiedlicher <strong>Unbundling</strong>-Formen<br />

und skizziert die absehbaren wesentlichen<br />

Änderungen des rechtlichen<br />

Ordnungsrahmens. Vor diesem Hintergrund<br />

beschreibt er anschließend Grundzüge<br />

von Entwicklungsmöglichkeiten für<br />

Unternehmen unter den neuen Rahmenbedingungen<br />

in gesellschaftsrechtlicher<br />

Hin<strong>sich</strong>t. Schließlich entwirft der Beitrag<br />

thesenartig Grundzüge des möglicherweise<br />

zu verändernden Marktauftritts von<br />

Energieversorgern.<br />

Rechtliche und<br />

betriebswirtschaftliche<br />

Aspekte des <strong>Unbundling</strong>*<br />

Das Europäische Parlament und der Rat<br />

der Europäischen Union haben am 26.<br />

Juni 2003 neue Richtlinien über ge-<br />

Konsequenzen der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben<br />

für die deutsche Energiewirtschaft –<br />

Skizze möglicher Umsetzungsmodelle<br />

und Hypothesen zum Marktauftritt<br />

meinsame Vorschriften für den Elektrizitäts-<br />

und Erdgasbinnenmarkt ("Beschleunigungsrichtlinien")<br />

1 erlassen.<br />

Die Beschleunigungsrichtlinien sind am<br />

5. August 2003 in Kraft getreten; mit<br />

Wirkung zum 1. Juli 2004 werden die<br />

Richtlinien 96/92/EG und 98/30/EG<br />

aufgehoben. Die Beschleunigungsrichtlinien<br />

schreiben vertikal integrierten<br />

Energieversorgungsunternehmen vor,<br />

dass sie ihren Netzbetrieb 2 von den<br />

wettbewerblich tätigen Bereichen des<br />

Energieversorgungsunternehmens<br />

("EVU") in Hinblick auf Rechtsform,<br />

Organisation und Entscheidungsgewalt,<br />

sowie in Hinblick auf interne und<br />

externe Informationsweitergabe und bei<br />

der Rechnungslegung entflechten müssen.<br />

1 Richtlinie 2003/54/ EG des Europäischen<br />

Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2003 über<br />

gemeinsame Vorschriften für den Elektrizitätsbinnenmarkt<br />

und zur Aufhebung der Richtlinie<br />

96/92/EG ("BRL-Strom"); Richtlinie 2003/55/EG<br />

des Europäischen Parlaments und des Rates vom<br />

26. Juni 2003 über gemeinsame Vorschriften für<br />

den Erdgasbinnenmarkt und zur Aufhebung der<br />

Richtlinie 98/30/EG ("BRL-Gas").<br />

2 Als „Netzbetrieb“ definieren die Richtlinien<br />

den Betrieb, die Wartung sowie<br />

erforderlichenfalls den <strong>Aus</strong>bau des Netzes in<br />

einem bestimmten Gebiet und gegebenenfalls die<br />

Verbindungsleitungen zu anderen Netzen sowie<br />

die Sicherstellung der langfristigen Fähigkeit des<br />

Netzes, eine angemessene Nachfrage nach<br />

Verteilung von Elektrizität bzw. nach Transport<br />

von Gas zu befriedigen (vgl. Art. 2 Ziff. 4 und 6<br />

BRL Strom und BRL Gas).<br />

Dr. Matthias Cord, Dr. Berthold Hannes<br />

Dr. Bernhard Hartmann, Dr. Jens Kellerhoff<br />

Daniela Weber-Rey<br />

Intendierte<br />

Regulierungswirkung von<br />

<strong>Unbundling</strong>-Bestimmungen<br />

Der Begriff „<strong>Unbundling</strong>“ steht für<br />

„Entflechtung“ oder „Trennung“ und<br />

meint die im regulatorischen Ordnungsrahmen<br />

für eine bestimmte Branche<br />

vorgegebene Pflicht der Trennung eines<br />

betriebsnotwendigen Netzes – des<br />

Elektrizitäts-, Gas-, Telekommunikations-<br />

oder eines sonstigen Netzes –<br />

von anderen „Teilbereichen“ dieser<br />

Branche, also z. B. von der Erzeugung<br />

oder <strong>dem</strong> Vertrieb an Endkunden.<br />

In der ökonomischen Theorie sind verschiedene<br />

Netzindustrien – bspw. Telekommunikations-<br />

oder Elektrizitäts-<br />

und Gasnetze – herkömmlich als<br />

natürliche Monopole betrachtet worden.<br />

Als natürliches Monopol wird eine<br />

ökonomische Situation bezeichnet, in<br />

der ein einzelnes Unternehmen einen<br />

relevanten Markt zu günstigeren Konditionen<br />

versorgen kann als zwei oder<br />

mehr Unternehmen, die zu denselben<br />

Bedingungen Zugang zu der Einrichtung/Technologie<br />

haben wie das einzelne<br />

Unternehmen. Diese Situation ist in<br />

der leitungsgebundenen Energiewirt-<br />

* Dr. Jens Kellerhoff,<br />

Daniela Weber-Rey, LL.M.<br />

Clifford Chance Pünder<br />

Frankfurt am Main<br />

** Dr. Matthias Cord, Dr. Berthold Hannes,<br />

Dr. Bernhard Hartmann<br />

A.T. Kearney GmbH<br />

Berlin/ Düsseldorf/ Stuttgart<br />

ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4 251


M. Cord / B. Hannes / B. Hartmann / J. Kellerhoff / D. Weber-Rey<br />

schaft gegeben, da der Bau konkurrierender<br />

Parallelleitungen fast nie wirtschaftlich<br />

ist. Ein Betreiber von Strom-<br />

und Gasnetzen hat somit typischerweise<br />

ein natürliches Monopol inne.<br />

In den <strong>dem</strong> Netzberieb benachbarten<br />

Geschäftsbereichen von Versorgungsunternehmen,<br />

insbesondere den Bereichen<br />

Erzeugung und Vertrieb, ist<br />

Wettbewerb hingegen möglich und von<br />

den Beschleunigungsrichtlinien auch<br />

ausdrücklich gewünscht. Die Beibehaltung<br />

der natürlichen Monopolaktivitäten<br />

Übertragung (transmission), Verteilung<br />

(distribution) und Netzbetrieb<br />

(system operation) in <strong>dem</strong>selben<br />

vertikal integrierten Unternehmen<br />

bietet jedoch – der ökonomischen<br />

Theorie nach – diesen Unternehmen<br />

einen Anreiz, ihre Monopolstellung<br />

gegen Wettbewerber und zum Vorteil<br />

konzernverbundener Unternehmen einzusetzen.<br />

Ein Netzmonopolist ist nämlich<br />

in der Lage, den funktionierenden<br />

Wettbewerb zum Nachteil fremder<br />

Netznutzer auf verschiedene Art und<br />

Weise zu stören, beispielsweise durch<br />

diskriminierende Zugangsbedingungen,<br />

prohibitiv hohe oder diskriminierend<br />

eingesetzte Netznutzungsentgelte sowie<br />

durch strategisch eingesetzte Investitionen<br />

in das bestehende Netz. <strong>Aus</strong> der<br />

Perspektive der Beschleunigungsrichtlinien<br />

stellen <strong>Unbundling</strong>-Maßnahmen<br />

ein flankierendes Mittel zur Erreichung<br />

der Richtlinienziele dar, funktionsfähigen<br />

Wettbewerb auf den Energiemärkten<br />

<strong>sich</strong>erzustellen und Diskriminierung<br />

durch vertikal integrierte Monopolunternehmen<br />

in Bezug auf<br />

wettbewerblich gestaltete wirtschaftliche<br />

Aktivitäten zu verhindern. Die<br />

Vorgaben der Beschleunigungsrichtlinien<br />

verfolgen daher die Ziele,<br />

� das natürliche Monopol „Netz“ von<br />

anderen, nicht den Bedingungen des<br />

natürlichen Monopols unterliegenden<br />

und daher wettbewerbsorientierten<br />

Unternehmensbereichen zu entflechten,<br />

� dadurch die Transparenz des Netzbereichs<br />

zu erhöhen und<br />

� – mittelbar – eine wirksame Auf<strong>sich</strong>t<br />

über Netzmonopole zu erreichen.<br />

<strong>Unbundling</strong>-Formen<br />

Mit Blick auf die Regelungsintensität<br />

lassen <strong>sich</strong> - in absteigender Reihenfolge<br />

- fünf Typen des <strong>Unbundling</strong> unterscheiden.<br />

Dieser Abschnitt skizziert<br />

zunächst die Steuerungswirkung, die<br />

den verschiedenen Typen des <strong>Unbundling</strong><br />

jeweils beigemessen wird, bevor er<br />

beschreibt, welchen Inhalt dieser Typus<br />

des <strong>Unbundling</strong> in den Richtlinien gefunden<br />

hat.<br />

Eigentumsrechtliches <strong>Unbundling</strong><br />

Die schärfste – und nach An<strong>sich</strong>t von<br />

Marktbeobachtern effektivste – <strong>Unbundling</strong>-Form<br />

ist die vollständige<br />

Trennung der Wettbewerbs- von den<br />

Monopolbereichen in der Form, dass<br />

das Eigentum an einem Versorgungsnetz<br />

in eine eigenständige Rechtspersönlichkeit<br />

überführt und jegliche Form<br />

der gesellschaftsrechtlichen Bindung zu<br />

den anderen Bereichen – also auch eine<br />

Führung als verbundenes Unternehmen<br />

– unterbunden wird. Diese Form des<br />

<strong>Unbundling</strong> wird als eigentumsrechtliches<br />

(ownership) <strong>Unbundling</strong> bezeichnet.<br />

Im Gegensatz zu allen anderen<br />

<strong>Unbundling</strong>-Formen wird <strong>dem</strong> Ownership-<strong>Unbundling</strong><br />

zugetraut, sämtliche<br />

Anreize und technischen Möglichkeiten<br />

zu diskriminieren<strong>dem</strong> Verhalten vollständig<br />

zu beseitigen. Obwohl gegen<br />

diese Form des <strong>Unbundling</strong> verschiedentlich<br />

vorgebracht worden ist, sie<br />

behindere Entscheidungen bezüglich<br />

Investitionen in das Versorgungsnetz<br />

und sei verfassungsrechtlich bedenklich,<br />

haben <strong>sich</strong>, z.B. in Großbritannien,<br />

Schweden, Norwegen und Finnland,<br />

keine signifikanten Probleme jedenfalls<br />

in der praktischen Durchführung im<br />

Zusammenhang mit dieser Form des<br />

<strong>Unbundling</strong> ergeben.<br />

Die Beschleunigungsrichtlinien schließen<br />

eine Verpflichtung zum Ownership-<br />

<strong>Unbundling</strong> ausdrücklich aus.<br />

Gesellschaftsrechtliches (legal)<br />

<strong>Unbundling</strong><br />

Weniger einschneidend ist die gesellschaftsrechtliche<br />

Trennung der Aktivitäten<br />

in voneinander unabhängige Organisationseinheiten<br />

mit eigenständiger<br />

Rechtspersönlichkeit. Diese Form wird<br />

als gesellschaftsrechtliches (legal) <strong>Unbundling</strong><br />

bezeichnet. Bei dieser Variante<br />

liegen der Betrieb und sämtliche unternehmerischen<br />

und Investitionsentscheidungen<br />

über das Netz bei einer<br />

Geschäftsleitung, die von <strong>dem</strong> Eigentümer<br />

der Erzeugungs- und Vertriebsaktivitäten<br />

unabhängig ist. Bisherige Erfahrungen<br />

mit Netzbetriebsgesellschaften,<br />

die selbst nicht Eigentümer der betriebenen<br />

Anlagen waren, haben gezeigt,<br />

dass diese Art des <strong>Unbundling</strong> bei fehlen<strong>dem</strong><br />

Einfluss der Geschäftsleitung<br />

des entflochtenen Unternehmens nur<br />

eine abgeschwächte <strong>Unbundling</strong>-<br />

Wirkung haben kann.<br />

Nach den Beschleunigungsrichtlinien<br />

müssen Übertragungs- und Fernleitungsnetzbetreiber<br />

zwingend bis zum<br />

1. Juli 2004 "zumindest in Rechtsform,<br />

Organisation und Entscheidungsgewalt"<br />

von <strong>dem</strong> integrierten EVU unabhängig<br />

sein. Die Richtlinien lassen es<br />

für Verteilernetzbetreiber zu, das gesellschaftsrechtliche<br />

– nicht hingegen das<br />

organisatorische und informationelle –<br />

<strong>Unbundling</strong> bis zum 1. Juli 2007 zurückzustellen;<br />

hieraus <strong>ergibt</strong> <strong>sich</strong>, dass<br />

auch Verteilernetzbetreiber bereits zum<br />

1. Juli 2004 Verpflichtungen zur Umsetzung<br />

der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben auf<br />

Unternehmenebene unterliegen. Die<br />

Mitgliedstaaten sind jedoch berechtigt,<br />

bei Verteilernetzbetreibern diejenigen<br />

vertikal integrierten Unternehmen, die<br />

weniger als 100.000 Kunden beliefern,<br />

von der Pflicht zum gesellschaftsrechtlichen<br />

<strong>Unbundling</strong> auszunehmen (sogenannte<br />

de-minimis-Klausel). Grund dieser<br />

<strong>Aus</strong>nahmeregelung ist, dass die<br />

Umsetzung des <strong>Unbundling</strong> einen relativ<br />

hohen Restrukturierungsaufwand<br />

erfordern würde, der ange<strong>sich</strong>ts des bei<br />

mittleren und kleinen EVU vergleichsweise<br />

geringen Diskriminierungspotentials<br />

nicht gerechtfertigt wäre. Stellte<br />

252 ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4


man lediglich auf die Kundenzahl ab,<br />

würden in Deutschland viele kleine und<br />

mittelgroße Stadtwerke unter diesen<br />

Wert fallen. Wegen der Einbeziehung<br />

der Kriterien der Europäischen Fusionskontrollverordnung,<br />

wonach bei der<br />

Definition des „vertikal integrierten<br />

Unternehmens“ auf das Gesamtunternehmen<br />

bzw. die gesamte Unternehmensgruppe<br />

abzustellen ist, sind jedoch<br />

bei der Berechnung des relevanten<br />

Schwellenwerts Kunden eventueller<br />

verbundener Unternehmen einzubeziehen.<br />

Ange<strong>sich</strong>ts der zunehmenden<br />

Verflechtung zischen größeren und<br />

kleineren Versorgungsunternehmen lässt<br />

<strong>sich</strong> absehen, dass <strong>sich</strong> der<br />

Anwendungsbereich der de-minimis-<br />

Klausel verringern wird.<br />

Organisatorische <strong>Unbundling</strong><br />

Das sogenannte organisatorische <strong>Unbundling</strong><br />

trennt die Teilbereiche Netzbetrieb<br />

einerseits und Erzeugung/Vertrieb<br />

andererseits so voneinander, dass ein<br />

erhöhter Grad an Eigenständigkeit<br />

zwischen den Unternehmensbereichen<br />

geschaffen wird. Deshalb können eine<br />

Trennung der unternehmerischen Entscheidungsgewalt<br />

über die einzelnen<br />

Bereiche und – in Verbindung mit <strong>dem</strong><br />

informationellen <strong>Unbundling</strong> – möglicherweise<br />

auch eine personelle Trennung<br />

der in den Bereichen Netzbetrieb<br />

und Erzeugung / Vertrieb Beschäftigten<br />

notwendig werden.<br />

Gesellschaftsrechtliches und organisatorisches<br />

<strong>Unbundling</strong> lassen <strong>sich</strong> zwar<br />

terminologisch klar trennen, in der<br />

praktischen Umsetzung zeigt <strong>sich</strong><br />

jedoch, dass einzelne organisatorische<br />

Massnahmen wohl zwingend auch gesellschaftsrechtliche<br />

Implikationen haben<br />

werden.<br />

Die Beschleunigungsrichtlinien enthalten<br />

detaillierte Vorgaben zum organisatorischen<br />

<strong>Unbundling</strong>: Erstens ist es<br />

bei integrierten Versorgungsunternehmen<br />

den für die Leitung des Netzbetreibers<br />

zuständigen Personen untersagt,<br />

betrieblichen Einrichtungen des integrierten<br />

EVU anzugehören, die direkt<br />

oder indirekt für den Betrieb in den<br />

Konsequenzen der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben für die deutsche Energiewirtschaft<br />

Bereichen Erzeugung, Übertragung und<br />

Versorgung zuständig sind. Der Leitung<br />

des Verteilernetzbetreibers sind zweitens<br />

tatsächliche Entscheidungsbefugnisse<br />

einzuräumen, die er unabhängig von<br />

<strong>dem</strong> integrierten EVU ausüben kann,<br />

wobei Koordinierungsmechanismen<br />

zwischen integriertem EVU und<br />

Netzbetreiber ebenso möglich sein<br />

sollen wie eine Rentabilitätskontrolle.<br />

Der Verteilernetzbetreiber muss<br />

schließlich <strong>sich</strong>erstellen, dass berufsbedingte<br />

Interessen der für die Leitung<br />

des Verteilernetzbetreibers zuständigen<br />

Personen nicht deren Handlungsunabhängigkeit<br />

beeinträchtigen, und ist<br />

verpflichtet, ein Gleichbehandlungsprogramm<br />

aufzustellen, das der Verhinderung<br />

diskriminierenden Verhaltens<br />

durch den Netzbetreiber dient.<br />

Informationelles <strong>Unbundling</strong><br />

Jeder Verteilernetzbetreiber hat Informationen<br />

über Verbrauchsmenge und Verbrauchslast<br />

der an sein Netz angeschlossenen<br />

Kunden. In einem liberalisierten<br />

Energiemarkt sind dies wichtige<br />

Informationen, da die Kenntnis der<br />

'Kundengewohnheiten' jedenfalls großer<br />

Energiekunden es gestatten, diesen<br />

Kunden günstigere Angebote für ihren<br />

individuellen Verbrauch zu machen als<br />

andere Versorgungsunternehmen, die<br />

über diese Informationen nicht verfügen.<br />

Die Beschleunigungsrichtlinien haben<br />

daher Vorschriften zum informationellen<br />

<strong>Unbundling</strong> eingeführt: Der Netzbetreiber<br />

ist dazu verpflichtet, die Vertraulichkeit<br />

wirtschaftlich sensibler Informationen<br />

zu wahren, die er in <strong>Aus</strong>übung seiner<br />

Geschäftstätigkeit erhalten hat, und<br />

zu verhindern, dass Informationen über<br />

seine eigenen Tätigkeiten, die wirtschaftlich<br />

vorteilhaft sein könnten, in<br />

diskriminierender Weise offengelegt<br />

werden. Bei wirtschaftlich vorteilhaften<br />

Informationen aus seinem eigenen Bereich<br />

hat der Netzbetreiber somit die<br />

Möglichkeit, diese Informationen vollständig<br />

vertraulich zu behandeln, sie<br />

also auch nicht anderen Unternehmensbereichen,<br />

wie etwa <strong>dem</strong> Vertrieb, zugänglich<br />

zu machen, oder sie vollständig<br />

offen zu legen, also auch <strong>dem</strong> Vertrieb<br />

eines dritten Unternehmens Zugriff auf<br />

diese Daten zu verschaffen. Diese Vorschriften<br />

sind bereits zum 1. Juli 2004 in<br />

nationales Recht umzusetzen und werden<br />

wegen der erheblichen Bedeutung<br />

des Datenmanagements für die unternehmensinternen<br />

Abläufe große Bedeutung<br />

in der Unternehmenspraxis erlangen.<br />

Die Unternehmen werden mit Blick auf<br />

diese Verpflichtung zur datenbezogenen<br />

Nichtdiskriminierung dauernd überwachen<br />

müssen, ob die Informationspflichten<br />

eingehalten worden sind. Eine<br />

Verletzung dieser Pflichten kann möglicherweise<br />

sogar Ansprüche von Wettbewerbern<br />

auf Grundlage wettbewerbsrechtlicher<br />

Vorschriften nach <strong>sich</strong> ziehen.<br />

Der deutsche Gesetzgeber wird<br />

– zwingend ange<strong>sich</strong>ts des eindeutigen<br />

Wortlauts der Richtlinien – Regelungen<br />

im nationalen Recht finden müssen, die<br />

diesen europarechtlichen Vorgaben<br />

nachkommen.<br />

Buchhalterisches <strong>Unbundling</strong><br />

Am wenigsten einschneidend für ein<br />

betroffenes Unternehmen ist das<br />

sogenannte rechnerische <strong>Unbundling</strong><br />

(teilweise auch buchhalterisches <strong>Unbundling</strong><br />

genannt), bei <strong>dem</strong> integrierte<br />

Unternehmen in ihrer internen Buchführung<br />

getrennte Konten für die Bereiche<br />

Erzeugung, Übertragung, Verteilung<br />

und Versorgung in der Weise führen<br />

müssen, als ob sie getrennte Unternehmens-Einheiten<br />

wären. Diese in der<br />

Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinie vorgesehene<br />

Form des <strong>Unbundling</strong> ist im<br />

Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) mit<br />

§§ 9 Abs. 2, 9a EnWG bereits in<br />

deutsches Recht umgesetzt worden. Der<br />

Idee nach berechnet ein vertikal<br />

integriertes Unternehmen für die Netzinanspruchnahme<br />

seinen Erzeugungs-<br />

und Vertriebssparten dieselben Preise,<br />

die es Dritten in Rechnung stellt.<br />

Wichtigste Neuerung der Beschleunigungsrichtlinien<br />

ist, dass die neu geschaffene<br />

Regulierungsbehörde zukünftig<br />

ein Recht auf Ein<strong>sich</strong>tnahme in<br />

die Rechnungslegung von Versorgungs-<br />

ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4 253


M. Cord / B. Hannes / B. Hartmann / J. Kellerhoff / D. Weber-Rey<br />

Bild 1: Gesellschaftsrechtliche Grundmodelle im Rahmen der <strong>Unbundling</strong>-Diskussion<br />

Im Rahmen der <strong>Unbundling</strong>-Diskussion lassen <strong>sich</strong> vier gesellschafts-rechtliche Grundmodelle<br />

unterscheiden:<br />

Modell "Divisionale Struktur"<br />

EVU AG/GmbH<br />

Vorstand/Geschäftsführung<br />

Spartenleiter Spartenleiter Spartenleiter Spartenleiter<br />

Erzeugung Netz Vertrieb<br />

1) Typ ist in Variante denkbar, dass Querschnittsbereiche in der Holding angesiedelt werden.<br />

unternehmen haben wird, die nach <strong>dem</strong><br />

Richtlinientext gestatten sollen, zur<br />

Vermeidung von Diskriminierung,<br />

Quersubventionen und Wettbewerbsverzerrungen<br />

bei den Versorgungsunternehmen<br />

geführte Kunden zu kontrollieren.<br />

Gestaltungsmodelle<br />

Zentrale<br />

Dienste<br />

Modell "Netz in Tochtergesellschaft"<br />

Erzeugung Vertrieb<br />

Netz<br />

100%<br />

Zentrale<br />

Dienste<br />

Vor diesem Hintergrund ergeben <strong>sich</strong> unterschiedliche<br />

Grundmodelle für Strukturierungsmöglichkeiten<br />

des gesellschaftsrechtlichen<br />

<strong>Unbundling</strong> im einzelnen<br />

Unternehmen (Bild 1).<br />

Nicht jedes dieser Modelle ist nach gegenwärtigem<br />

Stand gleich geeignet für<br />

jedes Unternehmen. Insbesondere die<br />

Variante des Holding-Modells kann zu<strong>dem</strong><br />

sehr umsetzungsintensiv sein.<br />

Modell "Divisionale Struktur"<br />

Gerade für bisher vollständig integrierte<br />

EVU interessant ist die Strukturvariante<br />

"Divisionale Struktur", bei der<br />

keine gesellschaftsrechtlichen Umstrukturierungen,<br />

sondern allenfalls organisatorische<br />

Veränderungen zur Herstellung<br />

zu erwarten wären (Bild 2):<br />

Modell "Holding" 1)<br />

Modell "Holding" 1)<br />

Holding<br />

Erzeugung Netz Vertrieb<br />

Die Beschleunigungsrichtlinien gehen<br />

ihrem Wortlaut nach davon aus, dass<br />

eine organisatorische und informatorische<br />

Entflechtung auch ohne rechtliche<br />

Entflechtung zulässig ist: Denn die Mitgliedsstaaten<br />

können die Umsetzung<br />

der rechtlichen Entflechtung aller Verteilernetzbetreiber<br />

bis zum 1. Juli 2007<br />

zurückstellen, während die Anforderungen<br />

hin<strong>sich</strong>tlich des informationellen<br />

und organisatorischen <strong>Unbundling</strong><br />

bereits zum 1. Juli 2004 in nationalstaatliches<br />

Recht übernommen und von<br />

den Unternehmen in ihrer Unternehmenspraxis<br />

umgesetzt sein müssen.<br />

Eine den Richtlinien-Anforderungen im<br />

Grundsatz entsprechende Variante wäre<br />

also eine rein organisatorische ohne<br />

gleichzeitige rechtliche Entflechtung.<br />

Es ist allerdings fraglich, inwiefern eine<br />

Organisation des Netzbetriebs als eigene<br />

Sparte im vertikal integrierten Unternehmen,<br />

also eine rein organisatorische<br />

Trennung der Sparte "Netz" ohne<br />

Vornahme von rechtlichen Entflechtungsschritten,<br />

mit gelten<strong>dem</strong> deutschem<br />

Gesellschaftsrecht in Einklang<br />

stünde: Eine Abweichung von <strong>dem</strong><br />

gesetzlichen Regelfall der gemein<br />

schaftlichen Geschäftsführung<br />

und -verantwortung,<br />

die der Unternehmensleitung<br />

sämtliche Bereiche<br />

des Unternehmens unterstellt,<br />

ist nämlich nur zu<br />

einem gewissen Grade<br />

möglich. Nach gelten<strong>dem</strong><br />

Gesellschaftsrecht ist jedenfalls<br />

eine vollständige<br />

Einzelzuständigkeit eines<br />

Spartenleiters auf Ebene<br />

der Unternehmensführung<br />

nicht umsetzbar, und in<br />

je<strong>dem</strong> Fall muss der Geschäftsleitung<br />

ein Kernbereich<br />

unternehmerischer<br />

Führungsfunktion verbleiben.<br />

Außer<strong>dem</strong> hat auch<br />

die Schaffung einer eigenständigen<br />

Spartenleitung<br />

unterhalb der Geschäftsleitung<br />

rechtliche Grenzen.<br />

Die Umsetzung der beiden<br />

Untervarianten des Modells „Divisionale<br />

Struktur“, bei denen ein eigenständiger<br />

Spartenvorstand oder Spartengeschäftsführer<br />

(Spartentrennung auf<br />

Ebene der Unternehmensleitung) oder<br />

eine Spartenleitung unterhalb der Unternehmensleitung<br />

etabliert werden,<br />

würde daher zumindest eine entsprechende<br />

gesetzgeberische Klarstellung erfordern,<br />

bevor sie als mit den <strong>Unbundling</strong>-Anforderungen<br />

konform angesehen<br />

werden könnten (Bild 2).<br />

Ob die Umsetzung in den Mitgliedstaaten<br />

der Gemeinschaft auf die Besonderheiten<br />

des jeweiligen nationalen Gesellschaftsrechts<br />

Rück<strong>sich</strong>t nehmen kann,<br />

ist zurzeit ebenfalls unklar: Fraglich ist<br />

insbesondere, ob – und wenn ja: inwieweit<br />

– die Kommission bereit sein wird,<br />

eine nationale Umsetzung, die den Minimalstandards<br />

der Richtlinien insbesondere<br />

im Blick auf die organisatorische<br />

Entflechtung nicht (vollständig)<br />

Rechung trägt, als (zumindest für eine<br />

Übergangsfrist) richtlinienkonform zu<br />

tolerieren.<br />

254 ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4<br />

Zentrale<br />

Dienste<br />

Modell "Netz in Muttergesellschaft"<br />

Netz<br />

100%<br />

Erzeugung Vertrieb<br />

Zentrale<br />

Dienste


Gestaltungsvarianten Tochtermodell<br />

und Holding-Modell<br />

Ebenfalls denkbare Strukturvarianten in<br />

gesellschaftsrechtlicher Hin<strong>sich</strong>t wären<br />

Gestaltungsvarianten, bei denen das Netz<br />

entweder als Tochtergesellschaft eines bis<br />

auf den Netzbereich weiterhin integriert<br />

geführten Rumpf-EVU weitergeführt<br />

wird, oder eine Struktur, die im<br />

Extremfall sämtliche bisher integriert<br />

geführten Unternehmensbereiche zu<br />

Tochtergesellschaften einer Holding-<br />

Gesellschaft macht (Bild 3):<br />

Argumente gegen die Wahl des Modells<br />

Tochtergesellschaft sind in der <strong>Aus</strong>gangsgangsstruktur<br />

nicht unmittelbar zu<br />

erkennen, im Gegenteil: Das Modell<br />

Tochtergesellschaft ist insofern bereits in<br />

der Richtlinie angelegt, als<br />

Art. 15 Abs. 2 lit. c B-RL Strom zum<br />

einen die eigenständigen Entscheidungsbefugnisse<br />

des Verteilernetzbetreibers<br />

festlegt, andererseits „geeignete Koordinierungsmechanismen“<br />

des „Mutterunternehmens“<br />

über den Verteillernetzbetreiber<br />

ausdrücklich eingeräumt werden.<br />

Bereits dies lässt erkennen, dass eine Gestaltung<br />

als eigenständige Tochtergesellschaft<br />

in der Vorstellung der Richtlinien<br />

eine mögliche Gestaltungsvariante wäre.<br />

Bei einer Umsetzung im deutschen<br />

Gesellschaftsrecht wäre allerdings zu betrachten,<br />

dass zu der (gesellschafts)-rechtlichen<br />

Selbständigkeit des Netzbetreibers<br />

auch noch dessen wirtschaftliche Unabhängigkeit<br />

jedenfalls für den diskriminierungsrelevanten<br />

Bereich treten müsste. In<br />

gesellschaftsrechtlicher Hin<strong>sich</strong>t stünden<br />

grundsätzlich sämtliche anerkannten<br />

Gesellschaftsformen zur Verfügung,<br />

mithin juristische Personen (AG, GmbH)<br />

ebenso wie Personengesellschaften<br />

(insbesondere KG und GmbH & Co KG).<br />

Die geforderte Unabhängigkeit hin<strong>sich</strong>tlich<br />

der Organisation und Entscheidungsgewalt<br />

erfordert allerdings einen<br />

Grad an Weisungsunabhängigkeit mit<br />

Blick auf den zu entflechtenden Bereich<br />

des Netzbetreibers, der <strong>sich</strong> beispielswiese<br />

bei einer GmbH als Netzbetreiberin<br />

nur mit einer Satzungsgestaltung<br />

herstellen ließe, die das Weisungsrecht<br />

der Gesellschafter gegenüber <strong>dem</strong><br />

Konsequenzen der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben für die deutsche Energiewirtschaft<br />

Bild 2: Modell „Divisionale Struktur“<br />

Modellüberblick „Divisionale Grundstruktur“<br />

EVU AG/GmbH<br />

Vorstand/Geschäftsführung<br />

Erzeugung Netz Vertrieb<br />

Untervariante 1: Spartengeschäftsleitung<br />

Vorstand<br />

/ Geschäftsführung<br />

Untervariante 2: Spartenleiter unterhalb der<br />

Geschäftsleitung<br />

Bild 3: Modelle Netz in Tochtergesellschaft<br />

und Holding-Modell<br />

GmbH-Geschäftsführer jedenfalls so<br />

weit einschränkt, dass Einzelweisungen<br />

im Tagesgeschäft ausgeschlossen sind.<br />

Weniger einschneidend erscheint diese<br />

Gestaltungsvariante hingegen bei einer<br />

Gestaltung als Aktiengesellschaft, bei<br />

der schon nach <strong>dem</strong> gesetzlichen Modell,<br />

von <strong>dem</strong> insofern keine Ände-<br />

rungen möglich sind, der Vorstand die<br />

Gesellschaft in eigener Verantwortung<br />

leitet.<br />

Weiterer <strong>Aus</strong>druck der angestrebten<br />

wirtschaftlichen Unabhängigkeit des<br />

Netzbetreibers ist, dass er einerseits weit<br />

reichende Entscheidungsunabhängigkeit<br />

im Tagesgeschäft (Betrieb, Wartung und<br />

<strong>Aus</strong>bau der Netze) behalten muss, es <strong>dem</strong><br />

Mutterunternehmen aber andererseits<br />

freisteht, Auf<strong>sich</strong>tsrechte eines Mutterunternehmens<br />

auszuüben und koordinierend<br />

Vorgaben für das Tagesgeschäft<br />

zu machen. In diesem Zusammenhang<br />

ist <strong>dem</strong> Mutterunternehmen gestattet,<br />

einen Finanzplan zu genehmigen und<br />

Verschuldungsgrenzen eines Tochterunternehmens<br />

festzusetzen.<br />

<strong>Anpassungsbedarf</strong> an die konkrete<br />

Unternehmenssituation<br />

Je nach den Gegebenheiten des betroffenen<br />

Unternehmens werden diese<br />

Grundmodelle im Einzelfall abgewandelt<br />

und angepasst werden müssen. Um<br />

lediglich ein Beispiel hierfür zu geben:<br />

Das Modell "Tochtergesellschaft" <strong>dem</strong>onstriert<br />

eine Möglichkeit unbundling-konformer<br />

Umsetzung der Richtlinien-Vorgaben<br />

durch <strong>Aus</strong>gründung, Abspaltung<br />

oder andere Verfahren der Separierung<br />

eines Netzbereichs in eine<br />

eigenständige Gesellschaft. Dasselbe<br />

Grundmodell kommt zur Anwendung,<br />

wenn benachbarte Kommunalversorger<br />

<strong>sich</strong> aus betriebswirtschaftlichen Erwägungen<br />

entschließen, künftig ihre jeweiligen<br />

Netzbetriebe in einer gemeinsamen<br />

Gesellschaft in Form eines Gemeinschaftsunternehmens<br />

zu führen.<br />

Pläne der Bundesregierung<br />

Die Bundesregierung hat im Monitoring-Bericht<br />

und in anderen Stellungnahmen<br />

wiederholt zum <strong>Aus</strong>druck gebracht,<br />

dass sie an der Umsetzungsfrist<br />

zum 1. Juli 2004 grundsätzlich festhalten<br />

will. Zurzeit wird erwogen, eine<br />

Verschiebung der gesellschaftsrechtlichen<br />

Entflechtung für Verteilernetzbetreiber<br />

über den 1. Juli 2004 im Entwurf<br />

der EnWG-Novelle vorzuschla-<br />

ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4 255<br />

Zentrale<br />

Dienste<br />

Erzeugung Netz<br />

Vertrieb Zentrale<br />

Dienste<br />

Vorstand / Geschäftsführung<br />

Spartenleiter Spartenleiter Spartenleiter Spartenleiter<br />

Erzeugung Vertrieb<br />

Netz<br />

Modell Netz in Tochtergesellschaft<br />

Holding-Modell<br />

Zentrale<br />

Dienste<br />

Erzeugung Vertrieb Zentrale Dienste<br />

Netz<br />

Vertrieb<br />

Netz<br />

100%<br />

Holding<br />

Erzeugung<br />

Zentrale<br />

Dienste


M. Cord / B. Hannes / B. Hartmann / J. Kellerhoff / D. Weber-Rey<br />

gen. Hierfür ist Voraussetzung, bis zu<br />

diesem Zeitpunkt ein kohärentes<br />

Gesamtkonzept für die Entflechtung<br />

auf unterschiedlichen Stufen vorzulegen.<br />

Für Verteilernetzbetreiber ist dies<br />

wichtig – nicht nur, um verlässliche<br />

Planungdaten für den Weg bis zur<br />

endgültigen Umsetzung im Jahr 2007<br />

zu haben; Unternehmen, die freiwillig<br />

früher entflechten wollen, müssen<br />

ebenfalls eine Orientierung für die<br />

gestellten Anforderungen erhalten.<br />

Schließlich bedarf auch die<br />

Entwicklung vergleichbarer Alternativen<br />

(wie eines Code of Conduct), wie<br />

sie von den Beschleunigungsrichtlinien<br />

als Wahlmöglichkeit vorgesehen ist,<br />

klarer Vorgaben für die im nationalen<br />

Rechtsrahmen zu erfüllenden<br />

Anforderungen.<br />

<strong>Unbundling</strong>-Erfolgsstrategien<br />

für Energieversorgungsunternehmen**<br />

Die notwendige Umsetzung der <strong>Unbundling</strong>-Bestimmungen<br />

im Unternehmen<br />

wird aller Voraus<strong>sich</strong>t nach – unabhängig<br />

von der gesellschaftsrechtlichen<br />

Struktur des individuellen EVU –<br />

<strong>Aus</strong>wirkungen auf fünf zentrale Themenbereiche<br />

haben, die einen direkten<br />

Bezug zum zukünftigen Marktauftritt<br />

der Energieversorgungsunternehmen haben:<br />

� Marketing/Markenbildung<br />

� Produktentwicklung<br />

� Kundenakquisition/Vertragsmanagement<br />

� Customer Care<br />

� Ablesung/Abrechnung<br />

Die <strong>Aus</strong>wirkungen werden nachfolgend<br />

in fünf entsprechenden Basishypothesen<br />

diskutiert:<br />

Hypothese Marketing: Regionale und<br />

kommunale Energieversorgungsunternehmen,<br />

insbesondere diejenigen ohne<br />

bundesweite Vertriebsambitionen, sollten<br />

<strong>sich</strong> zunächst darauf beschränken,<br />

mit einer (oftmals bereits bestehenden)<br />

Dachmarke zu arbeiten.<br />

Dafür sprechen nicht nur Effizienz-<br />

Gründe, sondern insbesondere die<br />

Möglichkeit zur Wahrung der<br />

Unternehmensidentität nach innen und<br />

außen. Mit diesen Maßnahmen muss<br />

ein separates operatives Marketing für<br />

Vertriebs- und Netzkunden entsprechend<br />

den individuellen Bedürfnissen<br />

der zukünftigen Vertriebs- und<br />

Netzkunden einhergehen. Die Marketingkoordination<br />

sollte jedoch vertriebsnah<br />

angesiedelt werden.<br />

Hypothese Produktentwicklung: Die<br />

Produktentwicklung für Vertrieb und<br />

Netz wird konsequent getrennt, um die<br />

individuellen Bedürfnisse ihrer Vertriebs-<br />

und Netzkunden besser berück<strong>sich</strong>tigen<br />

zu können.<br />

Mit der Umsetzung der <strong>Unbundling</strong>-<br />

Vorgaben wird <strong>sich</strong> dieser bereits heute<br />

erkennbare Trend weiter fortsetzen,<br />

insbesondere weil damit ein implementierungsfähiger<br />

„Innovationsschub“<br />

zu erwarten ist, der aus einer direkten<br />

Einbindung der jeweiligen Fachleute in<br />

die Entwicklung resultiert.<br />

In welcher Form hingegen die Entwicklung<br />

von „Corporate“-Produkten zukünftig<br />

erlaubt sein wird, an denen die<br />

Vertriebs- und die Netzgesellschaft des<br />

Energieversorgungsunternehmens<br />

gemeinsam und zum beiderseitigen<br />

Vorteil mitwirken, ist aus heutiger Sicht<br />

noch nicht vorhersehbar.<br />

Hypothese Kundenakquisition/Vertragsmanagement:<br />

Als Konsequenz aus den<br />

Vorgaben des informationellen <strong>Unbundling</strong><br />

werden zukünftig Kundenakquisition<br />

und Vertragsmanagement getrennte Einheiten<br />

in der Vertriebs- bzw. der Netzgesellschaft<br />

sein müssen.<br />

Sämtliche relevanten Kundendaten<br />

liegen daher den jeweiligen Gesellschaften<br />

direkt vor. Daraus <strong>ergibt</strong> <strong>sich</strong>,<br />

dass Netz und Vertrieb ihre jeweiligen<br />

Produktentwicklungen in Zukunft<br />

selbst vermarkten. Dennoch erscheint<br />

zumindest der Einsatz der Produkte des<br />

jeweils anderen Unternehmens in<br />

Bündelprodukten möglich.<br />

Hypothese Customer Care: Die Energieversorgungsunternehmen<br />

werden ihre<br />

Customer-Care-Aktivitäten schrittweise<br />

auf eine Shared-Services-Gesellschaft<br />

übertragen.<br />

Diese beispielsweise aus <strong>dem</strong> Unternehmen<br />

heraus zu gründende Gesellschaft<br />

ermöglicht es der Vertriebs- und<br />

der Netzgesellschaft, gemeinsam mit<br />

Kooperationspartnern kurzfristig eine<br />

Sicherung bestehender Synergien zu<br />

erreichen. Mittelfristig kann darüber<br />

hinaus eine gemeinsame Optimierung<br />

der Customer-Care-Center-Aktivitäten<br />

zur maximalen Synergienutzung der<br />

Shared-Services-Gesellschaft auf Basis<br />

definierter Zielgrößen erfolgen.<br />

Hypothese Ablesung/Abrechnung: Auch<br />

Ablesungs- und Abrechnungsaktivitäten<br />

werden zukünftig an eine Shared-Services-Gesellschaft<br />

vergeben, um Synergieeffekte<br />

zu optimieren.<br />

Anforderungen an die<br />

Aufbau- und<br />

Ablauforganisation nach<br />

<strong>dem</strong> <strong>Unbundling</strong><br />

Der veränderte Ordnungsrahmen stellt<br />

auch deutsche Energieversorgungsunternehmen<br />

vor das grundsätzliche Optimierungsproblem,<br />

wie sie ange<strong>sich</strong>ts<br />

der Verpflichtung, die <strong>Unbundling</strong>-<br />

Anforderungen zu erfüllen, die in der<br />

Vergangenheit unter großem Aufwand<br />

realisierten Synergien auf der Markt-<br />

und Kostenseite erhalten können.<br />

Die Nachhaltigkeit der Synergien ist<br />

nur zu erreichen durch Anpassungen in<br />

der Aufbau- und Ablauforganisation sowie<br />

in den IT-Systemen von integrierten<br />

Stadtwerken, Regionalversorgern<br />

und Verbundunternehmen.<br />

Wichtiger organisatorischer Handlungsbedarf<br />

besteht dabei z. B. hin<strong>sich</strong>tlich<br />

der ggf. gebotenen <strong>Aus</strong>gründung einer<br />

256 ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4


Bild 3: <strong>Anpassungsbedarf</strong> für integrierte EVU<br />

Netzgesellschaft, <strong>dem</strong> Auf- und <strong>Aus</strong>bau<br />

von Vertriebskompetenz im Netz, der<br />

Neugestaltung von Customer-Service-<br />

Funktionen sowie der <strong>Aus</strong>gestaltung<br />

von kaufmännischen Funktionen als<br />

Shared-Services-Einheiten. Parallel dazu<br />

besteht Handlungsbedarf auch bei<br />

der Anpassung von prozessualen<br />

Schnittstellen zwischen Netz und Vertrieb,<br />

einer Modifikation von Entscheidungs-<br />

und Führungsprozessen,<br />

der Neugestaltung von Informationsflüssen<br />

sowie der systemtechnischen<br />

Separierung der IT-Architektur eines<br />

unbundling-konformen EVU. Die wesentlichen<br />

Handlungsoptionen lassen<br />

<strong>sich</strong> mit Hilfe von sechs Basishypothesen<br />

diskutieren:<br />

Hypothese Aufbau von Vertriebskompetenz:<br />

Eine eigenständige Netzgesellschaft<br />

macht umfangreichen Kompetenzaufbau<br />

erforderlich:<br />

Konsequenzen der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben für die deutsche Energiewirtschaft<br />

<strong>Aus</strong> <strong>dem</strong> <strong>Unbundling</strong> <strong>ergibt</strong> <strong>sich</strong> <strong>substantieller</strong> <strong>Anpassungsbedarf</strong> für<br />

integrierte EVU.<br />

<strong>Aus</strong>wahl<br />

Aufbauorganisation<br />

• <strong>Aus</strong>gründung<br />

Netzgesellschaft?<br />

• Aufbau Vertrieb<br />

Netzleistungen?<br />

• Neuorganisation von<br />

Customer Service?<br />

• Kaufmännische<br />

Funktionen als Shared<br />

Services-Einheit?<br />

• …<br />

Integriertes Multi-Utility<br />

Netz Erzeugung<br />

Asset-<br />

Management<br />

Netzsteuerung<br />

Betrieb<br />

Asset-<br />

Management<br />

Anlagensteuerung<br />

Kraftwerk 1<br />

Vorstand<br />

Vertrieb &<br />

Trading<br />

Bezug und<br />

Handel<br />

Marketing<br />

Vertrieb<br />

Großkunden<br />

Mess- und<br />

Kraftwerk 2<br />

Vertrieb Standardkunden<br />

Zählerwesen Instandhaltung Abrechnung<br />

Controlling<br />

Finanz- u.<br />

Rewe<br />

Organisation<br />

Materialwirtschaft<br />

Informationsflüsse/IT<br />

• Anpassung von Informationsflüssen?<br />

• Systemtechnische Separierung der<br />

IT-Architektur?<br />

• …<br />

Da die vollständige Erfüllung der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben<br />

eine gesellschaftsrechtliche<br />

Trennung der Bereiche Netz<br />

und Vertrieb voneinander erfordert,<br />

erscheint die <strong>Aus</strong>gründung einer Netzgesellschaft<br />

vorzugswürdig gegenüber<br />

der <strong>Aus</strong>gründung einer Vertriebsgesellschaft<br />

(Modell Tochtergesellschaft).<br />

Denn das hochvolatile Vertriebsgeschäft,<br />

in der Regel als Unternehmensbereich<br />

ausgestaltet, bedarf einer größeren<br />

unternehmerischen Nähe zur Unternehmensführung<br />

als das von langfristigen<br />

Technologie- und Investitionszyklen<br />

sowie Regulatorvorgaben getriebene<br />

Netzgeschäft. In einer Netzgesellschaft<br />

würde neben den Vertriebskompetenzen<br />

zum Beispiel auch zusätzlicher<br />

Aufwand für die Geschäftsführung,<br />

für technisches und kaufmännisches<br />

Controlling und für die Budgetverwaltung<br />

notwendig.<br />

Eine Netzgesellschaft würde nach den<br />

Prinzipien der Asset-Orientierung in die<br />

funktionalen Einheiten Vertrieb Netzleistungen,<br />

Asset Management, Netzführung<br />

und Betrieb/Services gegliedert<br />

sein. In einer solchen Struktur bestünde<br />

auch die Möglichkeit, die Bereiche in<br />

der Muttergesellschaft zu belassen und<br />

die verbliebenden Bestandteile der<br />

Netzgesellschaft nach amerikanischem<br />

Vorbild als „regulated business“<br />

auszugestalten. Für spartenübergreifend<br />

organisierte EVU, wie die meisten<br />

betroffenen Stadtwerke, stellt <strong>sich</strong><br />

zusätzlich die Frage, ob die vom <strong>Unbundling</strong><br />

betroffenen Sparten Gas und<br />

Strom von den (noch) nicht betroffenen<br />

Sparten Wasser und Wärme zu trennen<br />

sind. Hier würden bei einer Trennung<br />

der Sparten substantielle operative<br />

Synergien durch eine spartenübergreifende<br />

<strong>Aus</strong>gestaltung von Asset<br />

ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4 257<br />

IT<br />

Ablauforganisation<br />

• Anpassung Schnittstellen<br />

Netz � Vertrieb?<br />

• Anpassung Schnittstellen<br />

Mess- und<br />

Zählerwesen �<br />

Abrechnung?<br />

• Anpassung Controlling-<br />

Prozesse?<br />

• Anpassung von<br />

Entscheidungs- und<br />

Führungsprozessen?<br />

• …


M. Cord / B. Hannes / B. Hartmann / J. Kellerhoff / D. Weber-Rey<br />

Management, Betrieb und Instandhaltung<br />

verloren gehen. Außer<strong>dem</strong> würde<br />

eine ganzheitliche, spartenübergreifende<br />

Asset-Strategie erschwert.<br />

Hypothese <strong>Aus</strong>bau der Vertriebskompentenz:<br />

<strong>Unbundling</strong> zwingt zu einer<br />

Doppelung von Vertriebskompetenzen:<br />

In der Netzgesellschaft werden <strong>sich</strong><br />

Vertriebskompetenzen zum Beispiel zur<br />

Gestaltung einer eigenen Vertriebsstrategie<br />

für Netzprodukte, Produktentwicklung<br />

und -kalkulation sowie Vertragsmanagement<br />

(bedingt durch Zweivertragsmodelle)<br />

herausbilden. Operative<br />

Vertriebskompetenz wird allerdings<br />

nur in geringem Umfang notwendig<br />

sein, da das Hauptprodukt, die Netzdurchleitung,<br />

in der Regel vom Kunden<br />

proaktiv nachgefragt werden wird.<br />

Diese <strong>Aus</strong>gestaltung führt natürlich zu<br />

Verlusten von Markt- und Kostensynergien,<br />

hat aber auch Vorteile aufgrund<br />

der Nähe von Produkt- und Vertriebskompetenz,<br />

z. B. wenn es um den Vertrieb<br />

von technischen Produkten, wie<br />

Netzserviceleistungen für Dritte, Power<br />

Quality oder ähnliches, geht.<br />

Hypothese Neugestaltung der Customer-Service-Funktion:<br />

Durch die Gestaltung<br />

einer Customer-Service-Gesellschaft<br />

lassen <strong>sich</strong> operative Vertriebssynergien<br />

wahren:<br />

Der größte Anteil der operativen<br />

Synergien aus Customer Care (Front-,<br />

Mittel- und Backoffice-Funktionen<br />

eines Call Centers), Kundenabrechnung<br />

sowie Mess- und Zählerwesen lässt <strong>sich</strong><br />

aber durch eine Customer-Service-<br />

Einheit mit eben diesen Funktionen<br />

wahren. Um den Vorgaben des<br />

informatorischen <strong>Unbundling</strong> Rechnung<br />

zu tragen, muss diese Einheit als<br />

rechtlich unabhängige Tochtergesellschaft<br />

ausgestaltet werden, die<br />

diskriminierungsfrei Informationen<br />

über Netzkunden nur an die<br />

Netzgesellschaft und Vertriebskundeninformationen<br />

nur an die Vertriebseinheit,<br />

geregelt über Service-Level-<br />

Agreements, weit<strong>ergibt</strong>. Neben der Sy-<br />

nergiewahrung <strong>ergibt</strong> <strong>sich</strong> bei dieser<br />

Lösung auch eine weitgehende Einhaltung<br />

des Prinzips „one face to the customer“.<br />

Alternative Lösungen, z.B. die<br />

Dopplung von Customer Care und Abrechnung<br />

in Netz und Vertrieb oder<br />

Verbleib des Mess- und Zählerwesens<br />

in der Netzgesellschaft, sind weniger<br />

synergie- oder schnittstellenoptimal.<br />

Hypothese Shared-Services: Die <strong>Aus</strong>gestaltung<br />

der kaufmännischen Funktionen<br />

als Shared-Services-Einheit erleichtert<br />

die unternehmerische Koordination<br />

und wahrt Synergien:<br />

Kaufmännische Unterstützungsfunktionen<br />

wie Personalwesen, Buchhaltung,<br />

Materialwirtschaft, Juristische<br />

Dienste oder IT-Support fungieren<br />

bereits heute bei vielen EVU als interne<br />

Service Provider und sind über<br />

Service-Level-Agreements mit den<br />

Kernfunktionen verbunden. Dieser<br />

Trend wird <strong>sich</strong> durch die Reaktion auf<br />

das <strong>Unbundling</strong> weiter verstärken, um<br />

Synergien über die getrennten<br />

Einheiten Netz und Vertrieb zu wahren.<br />

Diese Einheiten können als Bereiche<br />

oder eigenständige Tochtergesellschaften<br />

geführt werden. Der „Bereich“ hat<br />

den Vorteil der Vereinfachung der<br />

unternehmerischen Koordination in der<br />

Unternehmensgruppe mit Hilfe<br />

einheitlicher Standards, die Alternative<br />

„Tochtergesellschaft“ führt zu einer<br />

besseren Abschöpfung von Geschäftsvolumina<br />

aus Drittmarktpotentialen.<br />

Hypothese Customer-Service als Plattform:<br />

Die Customer-Service-Gesellschaft<br />

wird <strong>sich</strong> als zentrale Datendrehscheibe<br />

im entflochtenen EVU etablieren:<br />

Ein zentrales Thema des informationellen<br />

<strong>Unbundling</strong>s ist der diskriminierungsfreie<br />

Umgang mit Kundendaten.<br />

Die Möglichkeit der <strong>Aus</strong>gestaltung<br />

einer Customer-Service-Gesellschaft<br />

zur Wahrung operativer Synergien<br />

wurde oben bereits geschildert.<br />

Zusätzlich bildet diese Gesellschaft<br />

eine ideale Plattform für alle energie-<br />

wirtschaftlichen Datenströme des<br />

„unbundled“ EVU. Vorteile einer solchen<br />

<strong>Aus</strong>gestaltung sind die Minimierung<br />

der datentechnischen und prozessualen<br />

Schnittstellen, die Sicherstellung<br />

einer homogenen Datenqualität<br />

sowie eine identische Servicequalität<br />

gegenüber Netz und Vertrieb. Alternativ<br />

kann diese Datenplattform (zusammen<br />

mit <strong>dem</strong> Mess- und Zählerwesen) auch<br />

bei der Netzgesellschaft, z. B. in der<br />

Netzsteuerung, angesiedelt werden.<br />

Diese <strong>Aus</strong>gestaltung wäre allerdings<br />

bei Zentralisierung von Customer Care<br />

und Abrechnung schnittstellenintensiver.<br />

Hypothese systemtechnische Separierung:<br />

Durch Trennung von Mandanten<br />

oder Dopplung von Systemen wird <strong>sich</strong>er<br />

unbundling-konform separiert:<br />

Die im informatorischen <strong>Unbundling</strong><br />

geforderte diskriminierungsfreie Behandlung<br />

von Kundendaten setzt<br />

Anpassungen bei den in den EVU<br />

verwendeten Systemen zu Energiedatenmanagement,<br />

Kundenabrechnung<br />

und CRM voraus. Grundsätzlich sind<br />

mit abnehmen<strong>dem</strong> Umsetzungsaufwand<br />

vier systemtechnische Lösungsalternativen<br />

denkbar:<br />

� Separate IT-Applikationen<br />

� Separate Mandanten auf einer<br />

Applikation<br />

� Getrennte Buchungskreise oder<br />

� Eine Separierung lediglich durch<br />

Zugangsberechtigung<br />

Welche Lösungsalternativen <strong>sich</strong> als<br />

„unbundling-konform“ herausstellen<br />

werden, wird erst die Praxis zeigen.<br />

Eine Trennung durch Buchungskreise<br />

oder Zugangsberechtigungen ist in der<br />

Realität durch die beteiligten Unternehmen<br />

einfach zu modifizieren und<br />

deshalb wohl nur bedingt tauglich.<br />

Fazit<br />

Wie sieht nun eine unbundling-konforme<br />

Aufbauorganisation unter weitgehender<br />

Synergiewahrung für ein voll<br />

258 ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4


Bild 4: Option für eine Multi-Utility-Holding<br />

integriertes traditionelles deutsches<br />

Stadtwerk aus? Bild 4 stellt eine mögliche<br />

„Blaupause“ dar.<br />

Das Unternehmen hätte die Funktion<br />

einer operativen Holding mit den Bereichen<br />

Vertrieb und Trading, Erzeugung<br />

und Shared Services, die unmittelbar in<br />

der Holding angesiedelt sind. Zwei Bereiche<br />

würden rechtlich selbständig geführt<br />

werden, nämlich Customer-Service-<br />

sowie eine Mehrsparten-Netzgesellschaft<br />

als jeweils eigenständige<br />

Konsequenzen der <strong>Unbundling</strong>-Vorgaben für die deutsche Energiewirtschaft<br />

Die Option einer Multi-Utility-Holding erfüllt die <strong>Unbundling</strong>vorgaben unter weitgehender Erhaltung<br />

operativer Synergien.<br />

Modell Modell<br />

Multi-Utility Customer Service<br />

Netzgesellschaft Gesellschaft<br />

Vertrieb<br />

Netzleistungen<br />

Asset<br />

Management<br />

Netzführung<br />

Betrieb<br />

Stromnetz<br />

Betrieb<br />

Rohrnetz<br />

Multi-Utility<br />

Customer Care<br />

Abrechnung<br />

Mess- und<br />

Zählerwesen<br />

Vertrieb +<br />

Trading<br />

Bezug und<br />

Handel<br />

Marketing<br />

Vertrieb<br />

Großkunden<br />

Vertrieb<br />

Standardkunden<br />

Multi-Utility-Holding<br />

Beteiligungsmanagement<br />

Unternehmensentwicklung<br />

Controlling<br />

…<br />

Erzeugung<br />

Asset<br />

Management<br />

Anlagensteuerung<br />

Kraftwerk 1<br />

Kraftwerk 2<br />

Instandhaltung<br />

Shared<br />

Services<br />

Personalwesen<br />

Buchhaltung<br />

Finanzen und<br />

ReWe<br />

Juristische<br />

Dienste<br />

IT<br />

Infrastruktur<br />

Vorteile<br />

� Weitgehende Erhaltung<br />

operativer Synergien<br />

� Erfüllung der <strong>Unbundling</strong>-<br />

Vorgaben<br />

� Möglichkeiten zur regionalen<br />

Expansion und Kooperation<br />

� Sicherstellung einer<br />

unternehmerischen<br />

Koordination<br />

� Konsequente interne<br />

Marktausrichtung<br />

Tochtergesellschaften. Bei der Zuordnung<br />

von Funktionen in der Mehrsparten-Netzgesellschaft<br />

wäre es nach amerikanischem<br />

Vorbild auch denkbar, eine<br />

Trennung in ein „regulated business“<br />

(mit den Funktionen „Asset Management“,<br />

„Netzführung“ und „Vertrieb<br />

Netzleistungen“) innerhalb der Netzgesellschaft<br />

und ein „unregulated business“<br />

(Netzbetrieb und Service“) als<br />

Funktionsbereiche in der Holding vorzunehmen.<br />

Wichtigste Vorteile einer<br />

Struktur gemäß dieser Blaupause wären<br />

– neben der weitgehendenSynergiewahrung<br />

– eine vereinfachteunternehmerische<br />

Koordination,<br />

eine konsequente interneMarktausrichtung<br />

sowie Möglichkeiten<br />

zur regionalen<br />

Expansion oder Kooperation<br />

über die<br />

beiden unabhängigen<br />

Tochtergesellschaften.<br />

Für die überregionalen<br />

Verbundunternehmen<br />

mit ihrer als RegionalversorgerausgebildetenFlächenorganisation<br />

stellen <strong>sich</strong> für die<br />

einzelnen Tochtergesellschaften<br />

in der Fläche<br />

weitgehend ähnliche<br />

Fragen mit entsprechenden Lösungsansätzen<br />

wie für die Stadtwerke.<br />

Allerdings haben die Verbundunternehmen<br />

konzernweit die Möglichkeit,<br />

Synergieverluste in der Fläche<br />

durch die Möglichkeit von Zentralisierung<br />

der einzelnen Customer-Care-Gesellschaften<br />

im Konzernrahmen (unter<br />

Verbleib des Mess- und Zählerwesens<br />

bei den dezentralen Netzgesellschaften)<br />

sowie durch Elemente des operativen<br />

Vertriebs aufzufangen.<br />

ZfE – Zeitschrift für Energiewirtschaft 27 (2003) 4 259

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