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Ingrid Pieper - von Heiden - Bundesverband der Träger beruflicher ...

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Bildungsträger und Wohlfahrtsverbände vor dem Aus!?- Fachtagung am 19. Mai 2005 in <strong>der</strong> Fachhochschule des Mittelstands (FHM), Ravensberger Str. 1, 33602 Bielefeld -"Weiterbildung unter Sparzwang -um was geht es <strong>der</strong> Politik wirklich?"<strong>Ingrid</strong> <strong>Pieper</strong>-<strong>von</strong> <strong>Heiden</strong>Bildungsexpertin <strong>der</strong> FDP-Landtagsfraktion NRWEs gilt das gesprochene WortAnredeDie Hartz-Reformen sollen Menschen in Arbeit bringen. In <strong>der</strong> Weiterbildunghaben sie jedoch erst einmal zehntausende Lehrkräfte den Job gekostet. Weildie Arbeitsagentur immer weniger Geld für die als ineffektiv geltendeWeiterbildung ausgibt, gehen viele Träger pleite.Die Freie Demokratische Partei Deutschlands steht für soziale Marktwirtschaft.Als Landespolitikerin <strong>der</strong> FDP sehe ich nicht nur die Arbeitsmarktpolitik <strong>der</strong>NRW-Regierung als kritikwürdig an, son<strong>der</strong>n beson<strong>der</strong>s auch die im Bund.Paragraph 1 des Sozialgesetzbuches Drei (SGB III) regelt die „Ziele <strong>der</strong>Arbeitsför<strong>der</strong>ung“. Er ist die Grundlage <strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik in Deutschland.Ich zitiere:"Die Leistungen <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ung sollen dazu beitragen, dass einhoher Beschäftigungsstand erreicht und die Beschäftigungsstrukturständig verbessert wird. Sie sind insbeson<strong>der</strong>e darauf auszurichten,das Entstehen <strong>von</strong> Arbeitslosigkeit zu vermeiden o<strong>der</strong> die Dauer <strong>der</strong>Arbeitslosigkeit zu verkürzen" ...und weiter:"Die Leistungen <strong>der</strong> Arbeitsför<strong>der</strong>ung sollen insbeson<strong>der</strong>e dieindividuelle Beschäftigungsfähigkeit durch Erhalt und Ausbau <strong>von</strong>Kenntnissen, Fertigkeiten sowie Fähigkeiten för<strong>der</strong>n"Seit Anfang 2003 führen die Agenturen Arbeitslose nicht mehr direkt in eineberufliche Weiterbildungsmaßnahme, son<strong>der</strong>n teilen Qualifizierungsgutscheineaus. Solche Bildungsgutscheine sind im Prinzip eine gute Idee. Aber die BA hatin wichtigen Punkten <strong>der</strong> Umsetzung versagt. Statt diesen Gutschein lediglichmit einer Summe für die Weiterbildung zu versehen, wurde er mehrfacheingeschränkt – zum einen, da er kaum überregional einzulösen ist, zuman<strong>der</strong>en, weil er nach Ausbildungsberufen geglie<strong>der</strong>t vergeben wird – einUnding in einem Weiterbildungsmarkt, <strong>der</strong> eben KEINE Ausbildung vorsieht,1


erst ab Dezember 2005 und im Januar 2006 die Langzeitarbeitslosigkeit nochdramatischer steigen lassen.Nein, <strong>der</strong> Anstieg <strong>der</strong> Langzeitarbeitslosigkeit geht ganz allein zu Lasten einerverfehlten Arbeitsmarktpolitik <strong>der</strong> Bundesregierung.Wir haben heute in Deutschland Arbeitsagenturbezirke, in denen mehr als 50Prozent <strong>der</strong> Arbeitslosen seit mehr als einem Jahren arbeitslos sind : je<strong>der</strong>zweite Arbeitslose in einer Stadt, einer Region. Für eine Regierung, die 1998angetreten war, die Arbeitslosigkeit zu halbieren ist das eine unglaublicheBilanz!An dieser Stelle erwähne ich auch, dass wir mit Arbeitsmarktpolitik im Grundekeine echten Arbeitsplätze schaffen.Das kann nur eine gute Wirtschafts- und Finanzpolitik.Doch auch an <strong>der</strong> fehlt es. Seit 2002 hat die Wirtschaft wie<strong>der</strong>umhun<strong>der</strong>ttausende an Beschäftigten verloren. Auch das geht ganz überwiegendauf das Konto <strong>der</strong> Regierung. Und da komme man mir bitte nicht mit demPseudo-Beschäftigungsanstieg, <strong>der</strong> durch Verän<strong>der</strong>ungen bei 400 Euro-Jobsund durch Aufblähung <strong>der</strong> Ein-Euro-Arbeitsgelegenheiten auf dem Papier eineAufwärtsbewegung vortäuschen mag.Zurück zur Arbeitsmarktpolitik. Warum hat es die Bundesregierung zugelassen,dass 1,8 Millionen Menschen heute zum ganz harten Kern <strong>der</strong> Arbeitslosengehören? Es sollte mit den Hartz-Gesetzen doch schneller und effizientervermittelt werden.Ein jüngst erschienener Bericht des Bundesrechnungshofes kommt zu demErgebnis, dass 2003 die BA so erfolglos vermittelte wie nie zuvor. Nichts istschneller o<strong>der</strong> effizienter geworden.Wenn man sich fragt, warum die Arbeitslosigkeit steigt, warum vor allem dieLangzeitarbeitslosigkeit steigt, dann kommt man schnell auf die Entwicklung <strong>der</strong>Arbeitsmarktpolitik.Wie gesagt: Die Politik schafft keine Arbeitsplätze, aber sie hilft Menschenzeitweise o<strong>der</strong> dauerhaft zurück in Arbeit. Wenn man sie richtig einsetzt.Dabei soll die Arbeitsmarktpolitik nicht für diejenigen eingesetzt werden, diesich bestens selbst helfen können. Sie sollte für diejenigen eingesetzt werden,die Hilfe brauchen.Aber auch hier ist bei <strong>der</strong> BA durchgesickert, dass die "neue Steuerungslogik<strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit" dazu führte, dass vorerst diejenigen geför<strong>der</strong>twurden, die eigentlich keine Hilfe brauchen.Denn dann hat nämlich die Arbeitsagentur, die das macht, sozusagen einenErfolg zu verbuchen. Und gleichzeitig muss sie nicht viel Geld ausgeben fürdiesen "Fall". Dass das ausgegebene Geld für diese Person hätte gespartwerden können, ist dabei egal. Die neue BA soll eben nachweisen, dass mantatsächlich mit weniger Geld mehr positive Effekte erzielt. Und das geht optimalmit Leuten, die sich eigentlich selbst vermitteln können.3


Bildungsmaßnahmen, die Monate dauern und Problemgruppen tatsächlichHilfen geben, finden kaum noch statt. Die BA hat sich offensiv vom Konzepteiner "Politik für Zielgruppen des Arbeitsmarktes" verabschiedet.Ein im Januar publiziertes Diskussionspapier des Instituts für Arbeitsmarkt- undBerufsforschung belegt anhand einer Langzeitstudie, dass Qualifizierungdurchaus nachhaltig wirken kann.Diese Studie wurde bedauerlicherweise auf englisch veröffentlicht mit dem Titel"Long run effects of public sponsored training". Warum auf englisch? Vielleichtsollten deutsche Politiker das ja nicht lesen?Der Abbau <strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik, den die <strong>der</strong>zeitige Bundesregierung zuverantworten hat, war getragen <strong>von</strong> <strong>der</strong> Idee, dass wir die Menschen nurvermitteln müssen.Sehr geehrter Herr Brandner, ich freue mich ja, dass Sie heute hier sind und ichgebe Ihnen gerne zwei, drei Langzeitarbeitlose aus meinem Wahlkreis und bitteSie inständig, diese einfach so zu vermitteln. Sie werden dann wahrscheinlichsehen, dass die Vermittlungshemmnisse eher auf <strong>der</strong> qualifikatorischen Ebeneliegen. Das betrifft sowohl fachliche und vor allem auch soziale Defizite.Sie haben als SPD tapfer diese Zusammenhänge negiert und haben mit dazubeigetragen, dass die Bundesanstalt für Arbeit ihre Arbeitsmarktpolitikruntergefahren hat. Dann haben sie in einem Kraftakt die Bundesanstalt inBundesagentur umbenannt. Das war natürlich ein wesentlicher Schritt zurVerbesserung <strong>der</strong> Chancen <strong>von</strong> Arbeitslosen, könnte man spötteln.Und es hat Methode. So lese ich in einer Presseerklärung <strong>der</strong> Bundessagenturfür Arbeit vom 21. April 2005:"Was mit <strong>der</strong> Umbenennung <strong>der</strong> Bundesanstalt in die Bundesagentur für Arbeitam 1. Januar 2004 begonnen wurde, wird nun auch optisch konsequentfortgesetzt. Die BA gibt durch ein neues Erscheinungsbild den KundenOrientierung und signalisiert, dass sie im Kundenzentrum ein besserer Serviceerwartet."Herr Brandner, ich freue mich, dass die BA den Kunden Orientierung gibt. Aberdie Kunden <strong>der</strong> BA, die Arbeitslosen, brauchen in erster Linie einen Job. Unddamit sie den kriegen können, brauchen sie auch in vielen FällenQualifizierungsmaßnahmen.Herr Wendt, <strong>der</strong> Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Arbeit sagte am12. Mai in einer Talkshow im Fernsehen: "Wir müssen mehr in Bildunginvestieren". Das ist doch Ihr Parteifreund, <strong>der</strong> das sagt!Was tatsächlich geschehen ist, wird an den Zahlen <strong>der</strong> BA deutlich. Hatten wirim April 2002 noch 345.000 Arbeitslose in Qualifizierungsmaßnahmen <strong>der</strong>„beruflichen Weiterbildung“, so sind das heute nur noch 113.000. EineReduktion um 70 Prozent!4


Und die Zahl nimmt weiter drastisch ab:So begannen in den ersten 4 Monaten des Jahres 2002 185.000 Arbeitsloseeine Maßnahme <strong>beruflicher</strong> Weiterbildung. In den ersten 4 Monaten diesesJahres waren das nur noch 25.000 Personen. Eine Reduktion um fast 90Prozent.Ich sage damit nicht, dass wir zurück müssen zum Niveau <strong>von</strong> 2002. Das isteine an<strong>der</strong>e Diskussion, <strong>der</strong> ich mich gerne stelle: "Wie viel Arbeitmarktpolitikbraucht eine westliche Industrienation mit hoher Arbeitslosigkeit". Das ist heutenicht das Thema.Nein, ich stelle fest, dass die Probleme am Arbeitmarkt extrem angestiegensind - und weiter steigen. Ich stelle aber auch fest, dass die Bundesregierungmit ihrer Politik zu verantworten hat, dass GLEICHZEITIG dieArbeitsmarktpolitik zurückgefahren wird.Ich sehe nicht, dass sich mit ihren Hartz-Gesetzen irgendwas tatsächlichverbessert hat. Und einige dieser Gesetze sind nun schon drei Jahre alt!Statt vernünftig über die Wirkungszusammenhänge in einer funktionierendensozialen Marktwirtschaft nachzudenken, macht die Regierung momentan dasDümmste, was zu machen ist:Sie nimmt mit ihrer Reduktionspolitik bei <strong>der</strong> ArbeitsmarktpolitikMenschen die Chancen, in Arbeit zu kommen, wenn ein Aufschwungkommt.ABER schon heute ist doch klar: Wenn, zum Beispiel nach einemRegierungswechsel 2006 o<strong>der</strong> schon bald in NRW, ein Aufschwung auf demArbeitsmarkt spürbar wird, dann werden die Unternehmen schnell feststellen,dass die Arbeitslosen in hohem Maße NICHT zu ihren Stellen passen.Die Kluft zwischen den gefor<strong>der</strong>ten Qualifikationen für angebotene Stellen undden vorhandenen Qualifikationen <strong>der</strong> Arbeitslosen wird zwangsläufig so großsein, wie nie zuvor.Daher ist es im Grunde sehr traurig, wenn Bundesarbeitsminister Clement imMärz <strong>von</strong> einer „Trendwende am Arbeitsmarkt“ sprach. Wenn einBundesarbeitsminister nicht unterscheiden kann zwischen reinen Saison-Entwicklungen, die in jedem März o<strong>der</strong> April wirksam werden und einemrichtigen Aufschwung, dann ist zumindest seine Qualifikation fraglich.Das ist übrigens <strong>der</strong> gleiche Clement, <strong>der</strong> erst vor wenigen Wochen noch sagte:Die Arbeitslosigkeit wird nie wie<strong>der</strong> über 5 Millionen steigen. Aber Sie werdenim Oktober schon sehen, dass genau das eintritt.Zurück zur Arbeitsmarktpolitik <strong>der</strong> Bundesregierung. Zurück zurArbeitsmarktpolitik <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit. Um es klar zu sagen:Das sind ja keine getrennten Institutionen. Denn die Bundesagentur für Arbeitunterliegt <strong>der</strong> Rechtsaufsicht des Arbeitsministeriums. Zudem sitzenhochrangige Vertreter <strong>der</strong> Ministerien im Verwaltungsrat <strong>der</strong> BA.Die Agenturen für Arbeit machen nicht, was sie wollen.5


Sie machen, was sie sollen. Und das bestimmt das Arbeitsministerium.Und was sie machen ist bedenklich. Ich werde Ihnen kurz einige Beispielegeben.Die Qualifizierung wird fast auf Null gesetzt.Gleichzeitig erfährt die staunende Öffentlichkeit, dass das wirksamsteInstrumentarium <strong>der</strong> „Lohnkostenzuschuss“ ist. Der hat die größten Erfolge,Leute in Arbeit zu bringen.Aber dieses Instrument kann überhaupt nur eingesetzt werden, wenn einArbeitsloser auf einen Arbeitsplatz kommt.Das ist so, als wenn sie sagen: "Schimmel lassen sich <strong>von</strong> allen Pferden ambesten weiß einfärben". Interne Berechnungen <strong>der</strong> BA zeigen aber, dassLohnkostenzuschüsse ein vergleichsweise teures Instrument sind.Ordnungspolitiker meinen zudem, dass es sich bei Lohnkostenzuschüssen inhohem Maße um Mitnahmeeffekte handelt. Es ist zu vermuten, dassUnternehmen auch Arbeitslose einstellen würden, wenn es denLohnkostenzuschuss nicht gäbe.Die Existenzgründungszuschüsse. Das neue Instrument wurde gefeiert alsBeleg einer Gründungswelle in Deutschland. Ich glaube nicht, dass die bestenVoraussetzungen für die Gründung eines Unternehmens dann gegeben sind,wenn Arbeitslosigkeit eingetreten ist. Das alleine reicht nicht.Die ersten Forschungen zeigen auch, dass viele Personen nach Auslaufen <strong>der</strong>Gel<strong>der</strong> wie<strong>der</strong> arbeitslos waren. Einige sind nun auch überschuldet.Unter Grün<strong>der</strong>-Offensive stelle ich mir etwas an<strong>der</strong>es vor!Über Ein Euro-Jobs und <strong>der</strong>en möglicherweise stark negative Wirkung aufreale Arbeitsplätze brauchen wir hier nicht zu reden. Die Gefahr ist groß, dassdie Bundesregierung durch dieses Instrument Arbeitslosigkeit verursacht, diesie meint, damit zu vermeiden. Diese Diskussion hatten wir vor vielen Jahrenschon bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.Ich will hier aber nicht den ganzen BA-Instrumentenkasten durchgehen. Daswürde zu lange dauern.Gehen wir auf die neue Einkaufspolitik <strong>der</strong> BA ein.Natürlich vertrete ich auch die Meinung, dass Ausschreibungen notwendig sind,um die Vielfalt am Markt auszuschöpfen. Aber es kommt immer auch auf dieoptimale Administrierung <strong>der</strong> Ausschreibungen an!Die konkreten Erfahrungen mit Ausschreibungen <strong>von</strong>Arbeitsmarktdienstleistungen möchte ich auf den Punkt bringen: Qualitätspielt im Grunde keine Rolle. Es geht nur um den Preis.Würde Qualität eine Rolle spielen, dann wäre auch eine „Prüfqualität“ <strong>der</strong>Angebote erkennbar. Dann hätten wir nicht den Fall, dass das gleiche Konzeptin einem regionalen Einkaufszentrum als qualitativ gut, im an<strong>der</strong>en alsunzureichend bewertet würde.Doch nehmen wir einmal an, dass die Angebotsqualität wirklich einheitlichgeprüft würde. Dann haben wir noch das Problem mit dem Preis.6


Welches Wissen haben die Mitarbeiter <strong>der</strong> Arbeitsagenturen, um einen Preiswirklich beurteilen zu können? Ich habe Informationen über Preise, die nicht zurPrüfung abgelehnt wurden, die aber <strong>der</strong>art niedrig sind, dass eine qualitativgute Durchführung des Kurses überhaupt nicht zu vermuten war.Denn Preise können durchaus Informationen darüber geben, dass nur unterVerstoß gegen die <strong>der</strong> Ausschreibung zugrundeliegenden Verträge bei einem<strong>der</strong>art niedrigen Preis ein Kurs durchgeführt werden kann.Es ist komisch, aber je<strong>der</strong> Privatmensch weiß, dass ein guter Kühlschrank, neugekauft, für 45 Euro nicht zu haben ist. Der muss doch einen Fehler haben.Aber Trainingsmaßnahmen wurden <strong>von</strong> <strong>der</strong> BA schon für Preise "um einenEuro" gekauft. Da hätte ich an Stelle <strong>der</strong> Bundessagentur durchaus das sehrstarke Gefühl, dass dieser Preis vergleichbar ist mit dem Kühlschrank für 45Euro!Wenn künftig nun Qualität und Preis beachtet würden, dann wünsche ich mirnatürlich auch eine „Durchführungsqualität“. Die BA hat groß angekündigt, dassanlaufende Trainingsmaßnahmen geprüft werden. Wie oft passiert das denn?Ich habe oft genug gehört, dass die Agenturen vor Ort nicht glücklich sind mitden zentralen Ausschreibungen und dem zentralen Einkauf. Das hört mannatürlich nur hinter vorgehaltener Hand.Zwei Dinge lese ich hieraus:Erstens: Der Umbau <strong>der</strong> BA ist nicht gerade gelungen. Die Mitarbeiter sind inhohem Maße nicht „mitgenommen“ worden.Zweitens: Die Fachaufsicht <strong>der</strong> BA-Zentrale gegenüber ihren Agenturen wirdwohl nur sehr schlecht wahrgenommen.Mangelnde Fachaufsicht <strong>der</strong> Zentrale ist übrigens auch das Ergebnis deserwähnten Rechnungshofberichtes zu Vermittlungsaktivitäten <strong>der</strong> BA.Das ist ja nicht meine eigene Analyse!Doch selbst wenn Qualität und Preis vernünftig sind, wenn ein Zuschlag erteiltist, dann heißt das noch lange nicht, dass die eingekaufte Leistung auchbezahlt werden muss.Ich kenne Fälle, in denen Maßnahmen nach § 37 SGB III (das sindVermittlungsleistungen, die an ‚Dritte’ vergeben wurden) durchgeführt werdensollten.Die zuständige Agentur aber sagte dem beauftragten Dritten: Nun, einenZuschlag haben Sie, aber Arbeitslose werde ich Ihnen nicht zuweisen. Ich habekeine! Das passierte in einem Arbeitsagenturbezirk mit weitüberdurchschnittlicher Arbeitslosigkeit. Aber Arbeitslose gab es keine.Auch hier: Wo bleibt die Rechtsaufsicht? Wo bleibt die Fachaufsicht?Ich habe diese Beispiele nur benannt, um ein Gefühl dafür zu vermitteln, was imRahmen <strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik tatsächlich passiert. Und ich weiß, dass die hierAnwesenden diesen Erlebnisfundus bestimmt anreichern könnten.7


Sie versucht den Trick, den Herr Clement schon als NRW-Ministerpräsident gutbeherrschte:"Kündige Verbesserungen an - aber führe sie nicht durch. Das spart Geld."So wurde angekündigt, dass sich mit den Hartz-Gesetzen alles verbessert.Und Bundeskanzler Schrö<strong>der</strong> sagte in seiner Regierungserklärung vom 14.März 2003:Ich zitiere:"Einfach die aktive Arbeitsmarktpolitik, vor allem in den ostdeutschenBundeslän<strong>der</strong>n, zurückzufahren, noch bevor die neuen Strukturenaufgebaut sind, das kann nicht unsere Lösung sein. Und das werden wirauch nicht tun."Genau das hat er aber gemacht.Die Arbeitsmarktpolitik im Sinne des SGB III wurde zurückgefahren und fast aufNull gesetzt. Am meisten da<strong>von</strong> betroffen sind die ostdeutschen Län<strong>der</strong>. Ichkann keine "neuen Strukturen" erkennen.Es ist daher eine logische Folge, dass diese Tagung nun stattfindet.Denn die hier Anwesenden Menschen sind auch Teil <strong>der</strong> Struktur, die imAuftrag <strong>der</strong> Bundesagentur für Arbeit o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Kommunen Arbeitslosen helfenwill. Diese Strukturen sind heute stark gefährdet!Ich möchte aber auch klarstellen:Aus Sicht <strong>der</strong> FDP ist Arbeitsmarktpolitik NICHT dazu da, um die Strukturen<strong>von</strong> Bildungsträgern zu erhalten. Nein. Aber die FDP steht zur sozialenMarktwirtschaft.Wir müssen denen helfen, die sich nicht selbst helfen können. Insofernvertreten wir die Maxime des "For<strong>der</strong>ns und För<strong>der</strong>ns". Aber BEIDES muss esgeben. Momentan findet För<strong>der</strong>n kaum statt.Wenn nun diese Hilfe für diese Arbeitslosen, die immerhin 5 MillionenMenschen umfassen, die Unterstützung durch Bildungsträger erfor<strong>der</strong>t - denndie BA bietet Qualifizierung nicht selbst an - dann benötigen dieseBildungsunternehmen ein Minimum an Planungssicherheit.Ich könnte mir auch gut vorstellen, dass in Anbetracht des Finanzdesasters dieArbeitsmarktpolitik tatsächlich nur noch in kleinen Bereichen finanzierbar ist.Aber das würde drei Dinge erfor<strong>der</strong>n:‣ Erstens müsste das eindeutig kommuniziert werden. Dann soll die Politikdoch klar sagen: Wir haben nur noch Geld für das absolute Minimum.‣ Zweitens müsste das, was noch verfügbar ist, zielgerecht eingesetztwerden.‣ Drittens müsste genau analysiert werden, ob Kürzungen <strong>der</strong>Arbeitsmarktpolitik <strong>der</strong> BA o<strong>der</strong> Kommunen wirklich den Einspareffekthat, <strong>der</strong> erhofft wird - o<strong>der</strong> ob nicht an an<strong>der</strong>er Stelle, zum Beispiel beimArbeitslosengeldbezug o<strong>der</strong> beim "Arbeitslosengeld II" erheblich mehrausgegeben wird.9


Mit den Hartz-Gesetzen einher ging die Behauptung, dass die Arbeitslosigkeitsinkt - und das alles mit weniger Mittelaufwand....Dem stehen die aktuellen Arbeitsmarktzahlen entgegen. Die steigen.Und die letzte Schlagzeile stand vor einigen Tagen in <strong>der</strong> Presse: "Hartz IVwird 10 Mrd Euro teurer als vermutet." (Wie schon <strong>von</strong> mir erwähnt.)Die Bundesregierung hat ohne Sinn und Verstand Strukturen <strong>der</strong>Arbeitsmarktpolitik zerschlagen, ohne neue, wirklich zukunftsfeste zu schaffen.Ich selbst finde auch, dass wir nicht zurück müssen zu den extensivenFallzahlen <strong>der</strong> 90er Jahre.Aber ich vertrete noch einen Politikansatz, bei dem ein Problem‣ Zuerst analysiert wird‣ evaluiert‣ und dann eine Entscheidung zur Abhilfe getroffen wird.Die Bundesregierung hat ihre Politik "aus dem hohlen Bauch heraus" gemacht.Ohne Evaluation, ohne Analyse.So geht das nicht!Wie muss eine sinnvolle Politik für den Arbeitsmarkt zum Abbau <strong>der</strong>Arbeitslosigkeit aussehen?Wir müssen dringend Langzeitarbeitslosen helfen. Diese wachsende Zahl bildeteinen sozialen Sprengstoff, <strong>der</strong> momentan <strong>von</strong> allen Parteien unterschätzt wird.Langzeitarbeitslose müssen auch mit Qualifizierungsangeboten versorgtwerden. Das findet momentan in den für diese Gruppe zuständigen Agentureno<strong>der</strong> Optionskommunen kaum statt.Das Klientel des SGB III, das die Bundesagentur betreut, muss gleichfalls sehrgenau durchleuchtet werden. Ein vernünftiges Profiling ist dringend erfor<strong>der</strong>lich.Die Qualität des <strong>von</strong> <strong>der</strong> BA bislang vorgegebenen Profilingbogens ist sojämmerlich, dass niemand mit dem damit ermittelten Profil was anfangen kann.Das hat gleichfalls <strong>der</strong> Bundesrechungshof in seinem Bericht festgestellt!Hier bin ich wie<strong>der</strong> bei <strong>der</strong> Qualität <strong>der</strong> Arbeit <strong>der</strong> BA. Ich habe den Eindruck,dass die Entscheidungsqualität <strong>der</strong> BA dringend verbessert werden muss!Kennen sich die BA-Mitarbeiter wirklich mit den Instrumenten aus?Wissen sie, was <strong>der</strong> Einsatz in <strong>der</strong> Praxis bedeutet? O<strong>der</strong> haben sie nur vageIdeen da<strong>von</strong>?Wenn wir uns als Politiker dafür entscheiden, noch Arbeitsmarktpolitikeinzusetzen, dann müssen wir eine Professionalisierung auf allen Ebenenhaben.o Beim Gesetzgeber, <strong>der</strong> die Vorgaben macht.o Bei <strong>der</strong> BA, <strong>der</strong>en Mitarbeiter zumeist Leistungen einkaufen.o Und beim Umsetzer, <strong>der</strong> Trägerszene.10


Hier liegt noch viel im argen.Was wirklich lei<strong>der</strong> gelungen ist bei den Strukturreformen, die seit 2002 denArbeitsmarkt heimgesucht haben: Die Bundesagentur wurde wenigerprofessionell.Zwar stelle ich überall fest, dass die Mitarbeiter heute eine Sprache sprechen,die man <strong>von</strong> den Unternehmensberatern her kennt. Das ist auch nicht schlimm,WENN je<strong>der</strong> weiß, was die Worte bedeuten. Dann kann das auch helfen.Aber wenn BA-Mitarbeiter über „Wirtschaftlichkeit“ reden, dann habe ich oft denEindruck, dass sie nicht genau wissen, was das tatsächlich ist.Als Fazit dieser Ausführungen kann ich nur festhalten:Ich weiß nicht, um was es "Der Politik" beim Thema "Weiterbildung unterSparzwang" geht. Politik ist ein Abstraktum. Sie wird <strong>von</strong> Menschen gemacht.Aber als Politikerin <strong>der</strong> FDP kann ich sagen, um was es mir geht:Ich will Arbeitslosen helfen.Es muss aber vorab geklärt werden, wie viel Geld wir dafür aufwenden wollen.Das ist eine sehr politische Entscheidung, die abgeleitet wird aus denSpielräumen die wir haben - o<strong>der</strong> nicht haben.Bei diesen Entscheidungen müssen wir immer auch die Folgewirkungenabwägen. In Ihren finanziellen, wirtschaftlichen und zeitlichen Folgen.Wie schnell wirkt eine Absenkung des Beitrags zur Bundesagentur für Arbeit?Führt das zu neuen Arbeitsplätzen. Ich glaube schon.Dann sollten wir das machen!Es ist aber immer auch zu überlegen: Wie kostspielig ist eine Reduktion <strong>der</strong>Arbeitsmarktpolitik kurz-, mittel- und langfristig.Das ist ein schwieriger Prozess.Ich bin für "Wahrheit und Klarheit". Das vermisse ich bei <strong>der</strong> Regierung in Berlinund auch bei <strong>der</strong> Regierung in Düsseldorf.Wenn wir nicht genug Geld haben für aktive Arbeitsmarktpolitik, dann müssenwir das klar sagen. Und vor allem müssen wir in jedem Fall das vorhandeneGeld besser einsetzen.Da gibt es noch eine Vielzahl an Verbesserungsmöglichkeiten!Die Arbeitsmarktpolitik <strong>der</strong> letzten Jahre hat wesentlich zu einer Verkrustungam Arbeitsmarkt beigetragen...Langzeitarbeitslosigkeit ist ein Alarmsignal für jede Volkswirtschaft. In keinemeuropäischen Land ist sie so hoch wie in Deutschland.Wir brauchen eine Arbeitsmarktpolitik mit Augenmaß. Die basiert aufEvaluierungsergebnissen und nicht – wie heute üblich - aufVermutungstatbeständen.11


Ich verweise an dieser Stelle auf die Entwicklung <strong>der</strong>Personalserviceagenturen. Sie wurden einmal als „das Herz <strong>von</strong> Hartz“bezeichnet. Sie waren hochgelobt.Mittlerweile will die BA sie gar nicht mehr haben. Politiker undAgenturmitarbeiter meinen, dieses Instrument sei zu teuer. Das alles, obwohldie Evaluierung des Instrumentes noch läuft. Die Wissenschaftler forschennoch. Aber alle sagen schon: Das ist zu teuer.Das ist beeindruckend und läuft nach dem aus <strong>der</strong> Geschichte bekanntenMuster: "Die Erde ist eine Scheibe. Da muss man nichts erforschen."Ich will mehr Seriosität in <strong>der</strong> Arbeitsmarktpolitik!Und wir brauchen auch - wenn die BA erhalten bleiben soll, was man durchausbezweifeln darf (und meine Partei tut das) - eine tatsächliche Rechts- undFachaufsicht durch Ministerium und BA-Zentrale!Arbeitsmarktpolitik ist ein zu wichtiges Themenfeld, als dass man es einerRegierung überlassen sollte, die nur beim Zuwachs an Arbeitslosen die größtenWachstumsraten realisiert.Der Sparzwang ist in <strong>der</strong> Tat vorhanden. Aber es geht um "intelligentesSparen". Einsparungen mit <strong>der</strong> Abrissbirne führen zu nichts!<strong>Ingrid</strong> <strong>Pieper</strong>-<strong>von</strong> <strong>Heiden</strong>Mai 200512

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