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Skript zum Fortgeschrittenen-Praktikum Durchführung einer Einkristall

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312 Aufgaben 6912.1 Aufgaben im <strong>Praktikum</strong> 6912.2 Fragen, die im Protokoll beantwortet werden müssen 7013 Verwendete Programme 7114 Dateistruktur 7215 Empfohlene Literatur 7316 Schlußwort 73


41 VorwortDie Röntgenbeugung am <strong>Einkristall</strong> ist eine der genauesten Methoden zur Bestimmung der Strukturgrößerer Moleküle bis hin zu Biopolymeren, Proteinen oder Nucleinsäuren. Neben der Neutronenbeugungliefert keine andere Methode eine derartige Fülle detaillierter Strukturinformationen überKristalle. Neben der Struktur von Molekülen lassen sich aus deren Anordnung im Kristall wesentlicheInformationen über intermolekulare Wechselwirkungen gewinnen. Die Analyse der atomaren Auslenkungsparametergibt Auskunft über molekulare Dynamik in und zwischen Molekülen sowie überdie Ordnung in einkristallinen Verbindungen. Darüber hinaus offenbaren sehr genau durchgeführteRöntgenstrukturanalysen die Elektronendichteverteilung in Molekülen.Der relativ geringe experimentelle Aufwand für eine Routine-Röntgenstrukturbestimmung sowie dieRevolution auf dem Gebiet der Datenverarbeitung hat in den letzten Jahren hat zu <strong>einer</strong> enormenVerbreitung dieser Methode geführt, was sich beispielsweise darin dokumentiert, daß von weit über200.000 chemischen Verbindungen Strukturdaten in der Cambridge Structural Database (CSD)hinterlegt sind. Nahezu jede Veröffentlichung <strong>einer</strong> neuen Verbindung enthält auch die Daten zu deren<strong>Einkristall</strong>struktur. Fast jeder kommt im Verlauf seines Studiums, der Diplom- oder Doktorarbeit mit<strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>struktur mal in Berührung. Darüber hinaus ist die Kenntnis der Struktur <strong>einer</strong>Verbindung für ein tieferes Verständnis deren chemischer und physikalischer Eigenschaftenunabdingbar. Auf Grund der enormen Bedeutung der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse in der modernenForschung, sollte diese daher unbedingt Bestandteil <strong>einer</strong> modernen Chemieausbildung sein.Sie werden sich daher an zwei Tagen Ihres <strong>Fortgeschrittenen</strong>-<strong>Praktikum</strong>s mit den praktischen Grundlagender <strong>Einkristall</strong>-Röntgenstrukturanalyse beschäftigen. Da Praxis und Theorie der Röntgenstrukturanalysesehr umfangreich sind, ist es unmöglich Sie innerhalb dieser kurzen Zeit mit allenGrundlagen vertraut zu machen. Dies ist auch überhaupt nicht beabsichtigt. Wichtig ist nur, das Sie amEnde dieser Zeit in der Lage sind, das Prinzip <strong>einer</strong> Strukturbestimmung <strong>zum</strong>indest nachzuvollziehenzu können, gelernt haben welche Informationen die Röntgenstrukturanalyse dem praxisorientiertemChemiker zur Verfügung stellen kann und ein Gefühl dafür entwickelt haben, wo die Grenzen undMöglichkeiten dieser Methode liegen.Dennoch wird Ihnen in diesen zwei Tagen einiges abverlangt werden und es ist daher überaus wichtig,daß Sie engagiert mitarbeiten. Der Zeitrahmen ist so bemessen, daß Sie Ihre Aufgaben nur dann erledigenkönnen, wenn Sie konzentriert mitarbeiten. Dafür wird Ihnen in diesen zwei Tagen aucheiniges geboten. Sie werden mit den modernsten Geräten arbeiten und die aktuellsten Programme zurStrukturanalyse kennenlernen. Geräte, mit denen Sie im Verlauf eines Chemiestudiums nahezu ank<strong>einer</strong> anderen Universität in Berührung kommen. So können Sie sich schon jetzt ein Bild davonmachen wie moderne Festkörperforschung praktiziert wird. Wem dies alles noch nicht genug ist undwer noch mehr über die praktischen Aspekte der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse sowie deren theoretischenHintergrund erfahren möchte, dem kann ich meine Vorlesung “Praktische Aspekte der <strong>Einkristall</strong>-Röntgenstrukturanalyse“, welche jährlich stattfindet, bestens empfehlen.Da die Geräte zur Strukturbestimmung extrem teuer und empfindlich sind, werden Sie die Übungenam Diffraktometer ausschließlich in Gegenwart Ihres Betreuers durchführen. Dennoch bitte ich Sie,


9GoniometerkopfVerstellschraubezur HöhenjustierungVerstellschraubenzur SeitenjustierungAbb. 3.3Goniometerkopf zur Kristalljustierung.Die Justierung muß in der Art erfolgen, daß der Kristall bei Drehung um die Achse des Glasfadensnicht mehr präzediert (Abb. 3.4), da ansonsten Probleme während der Datensammlung auftreten.0° 90° 180° 270° 0° 90° 180° 270°RichtigLeider falschAbb. 3.3Richtige und falsche Justage des Kristalls im Mittelpunkt des Diffraktometers.4 Reflexsuche4.1 EinführungAlle weiteren Vorbereitungen des Kristalls für die eigentliche Messung werden mit einemDiffraktometer durchgeführt. Grundlage hierfür bildet das im Jahre 1912 von Max Felix Theodor vonLaue gefundene Phänomen der Röntgenbeugung. Wird ein Kristall mit Röntgenstrahlen bestrahlt, sowerden diese Röntgenstrahlen am Kristall gebeugt. Durch Interferenz der gebeugten Teilwellen kannes beispielsweise zur Verstärkung oder zur totalen Auslöschung der gebeugten Strahlung kommen.Die resultierende gebeugte Strahlung (Röntgeninterferenzen) kann beispielsweise auf einemfotografischen Film sichtbar gemacht werden (Abb. 4.1). Es werden einzelne “Spots“ sichtbar, die jenach Ausmaß der Interferenz eine unterschiedliche Intensität aufweisen.


10Abb.4.1Links: Schematische Darstellung der Röntgenbeugung an einem Kristall; Rechts:Röntgeninterferenzen auf einem fotografischen Film.Die Bausteine in einem Kristall sind in allen drei Raumrichtungen periodisch geordnet. Durch dieselassen sich sogenannte “Netzebenen“ legen (Abb. 4.2). Die Beugung kann nun vereinfacht als eineReflexion der eintreffenden Strahlung an diesen Ebenen aufgefaßt werden. Diese Netzebenen haben jenach Struktur einen bestimmten Abstand voneinander, der als d-Wert bezeichnet wird. Eine Beziehungzwischen dem Netzebenenabstand sowie der Wellenlänge der verwendeten Strahlung wurde von SirWilliam Laurence Bragg gefunden (Abb. 4.2). Diese Gleichung ist von fundamentaler Bedeutung fürdie <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse, da nun vorhergesagt werden kann, an welchen Stellen mit Beugungsmaximazu rechnen ist. Nach dem Braggschen Gesetz tritt Reflexion (Beugung) an Kristallen immernur dann auf, wenn das Produkt aus doppeltem Netzebenenabstand d und dem Sinus des Winkels θzwischen einfallendem Strahl und dieser Netzebene ein ganzzahliges Vielfaches der verwendetenWellenlänge λ ist. Dann, und nur dann, können Beugungsreflexe erhalten werden.EintretenderStrahlGebeugterStrahld hklθ θ θ θ Ebene hklEbene hkln · λ = 2 d sin θλ = Wellenlänged = Netzebenenabstandθ = Beugungswinkeln = 0, 1, 2, 3, 4,....AustretenderStrahlAbb.4.2Links: Mögliche Netzebenen in einem Kristall; Rechts: Braggsche Gleichung.In der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse werden zur Untersuchung des Beugungsverhaltens Diffraktometerverwendet, die je nach Hersteller geringfügige Unterschiede aufweisen. Im folgenden wird daher nurauf die Funktionsweise der in Ihrem <strong>Praktikum</strong> verwendeten Geräte eingegangen. Zur Detektion der


11Beugungsreflexe werden an Stelle von fotografischen Filmen Szintillationszähler oder ortsempfindlicheDetektoren verwendet. Je nach Detektor kommen unterschiedliche Geräte <strong>zum</strong> Einsatzund Sie werden in Ihrem <strong>Praktikum</strong> beide kennenlernen.Werden Szintillationszähler zur Intensitätsmessung verwendet, kommen 4-Kreis-Diffraktometer <strong>zum</strong>Einsatz. Herzstück dieser Geräte bildet eine Eulerwiege, welches vier voneinander unabhängige Drehsysteme(Kreise) besitzt und es gestattet jede beliebige Orientierung zwischen Kristall und dem Zählrohrherzustellen (Abb. 4.3). Dadurch kann jede beliebige Netzebene gemäß der BraggschenGleichung nacheinander in Beugungsbedingung gebracht werden. Die drei Kreise φ, ω und χ dienenhierbei zur Orientierung <strong>einer</strong> Netzebene, während der θ-Kreis das Zählrohr trägt (Abb. 4.3).SzintillationszählerEulerwiegeKristallRöhrengehäuseKristallKristallAbb. 4.3 Oben: 4-Kreis-Diffraktometer mit Eulerwiege; Unten: Unterschiedliche Stellung vonKristall zur Röntgenröhre und Szintillationszähler.Ist der Kristall am Goniometerkopf fixiert und mit Hilfe eines Mikroskops im Mittelpunkt der Eulerwiegedes Diffraktometers optisch zentriert, wird dieser nach Reflexen abgesucht. Die Suche erfolgthierbei zufällig, indem der Kristall um seine senkrechte Achse(φ-Kreis) bei verschiedenen Stellungen der drei anderen Kreise gedreht wird. Ist ein Reflex gefunden,d. h. wird Röntgenstrahlung im Zählrohr detektiert, wird die exakte Position des Reflexes, beschriebendurch die vier Winkel Theta, Omega, Phi und Chi, durch Zentrierung automatisch bestimmt. DieIntensität der gefundenen Reflexe wird am Bildschirm ausgegeben, so daß man sich ein Bild von demBeugungsvermögen des Kristalls machen kann. Die Intensität der Reflexe wird anschließend punktweisegemessen (Profile-Scan), um anhand des Reflexprofils die Qualität des <strong>Einkristall</strong>s abzu-


12schätzen (Abb. 4.4). Die Form eines derartigen Intensitätsprofils hängt überwiegend von folgendenFaktoren ab: der Dispersion der Wellenlänge, der Mosaikverteilung des Kristalls, der Divergenz derRöntgenquelle, der Anisotropie des Kristallformats sowie dem Vorliegen von Unordnung. Breite oderunsymmetrische Profile sind daher kein sicherer Beleg für die mindere Qualität eines Kristalls. Damitalle weiteren Vorbereitungen des Kristalls ohne Probleme vonstatten gehen, sollten <strong>zum</strong>indest 20 - 25Reflexe gefunden werden.Gutes Reflexprofilschlechtes ReflexprofilUnbrauchbarer “Reflex“(übertrieben gezeichnet)Mosaikblöcke (∅=10 3 Å)Idealschlechterimperfekter Kristall KristallHohe Perfektion(Perfekter Kristall)Abb. 4.4Links: Profil-Scan; Rechts: Reflexprofile für unterschiedliche Kristalle.Werden Szintillationszähler zur Intensitätsmessung verwendet, kann jeweils nur ein Reflex auf einmalgemessen werden kann. Eine Intensitätsmessung kann daher sehr lange dauern. Darüber hinaus kannes auf Grund der zufälligen Suche passieren, daß sehr schwache Reflexe, übersehen werden und damitwichtige Information für die gesamte Stukturbestimmung verloren geht.Bei modernen Geräten werden daher ortsempfindliche Detektoren verwendet, welche in der Lage sindmehrere Reflexe auf einmal zu detektieren. Als Detektoren werden entweder CCD-Chips oder Image-Plates verwendet. In Ihrem <strong>Praktikum</strong> werden sie auch an einem Gerät arbeiten, welches mit einemortsempfindlichen Detektor ausgerüstet ist. Das Herzstück dieses Gerätes bildet ein Flächendetektor,welcher aus <strong>einer</strong> flachen, lichtempfindlichen Platte besteht. Während <strong>einer</strong> Aufnahme, welche in derRegel nur wenige Minuten dauert, wird die vom Kristall emittierte Röntgenstrahlung vorübergehendauf dem Detektor gespeichert und dieser anschließend mit einem He-Ne-Laser bestrahlt. Dies führt zurEmission von Licht, dessen Intensität proportional zur Anzahl der von der Platte absorbiertenRöntgenphotonen ist. Ein in das Gerät integriertes optisches System detektiert diese Strahlung underlaubt in Kombination mit einem Photomultiplier sowie einem Analog-Digital-Wandler eine genaueMessung der Beugungsintensität. Bei diesem Vorgang wird die Platte punktweise abgerastert, so daßam Ende ein aus mehreren Millionen Pixeln bestehendes, digitalisiertes Bild entsteht. Der Schrittmotordes scannenden Systems ist mit dem AD-Wandler exakt synchronisiert und erlaubt dadurch die genaueOrtsbestimmung eines jeden Pixels. Nachdem die Platte ausgelesen ist, wird die auf ihr gespeicherteInformation durch Bestrahlung mit weißem Licht gelöscht und die Platte dadurch wieder in ihrenAusgangszustand versetzt. Nachdem der Kristall um einen bestimmten Betrag (Phi-Inkrement) um diesenkrechte Goniometerachse weiter gedreht worden ist, wird ein neues Bild aufgenommen.Die Verwendung dieses ortsempfindlichen Detektors hat gegenüber den bislang verwendeten Zählrohrenden Vorteil, daß die gesamte Beugungsinformation eines Kristalls erfaßt und wie auf einem


13Film festgehalten werden kann. Da bei dieser Methode bis zu mehreren hundert Intensitäten simultangemessen werden können, führt dies zu <strong>einer</strong> wesentlichen Verkürzung <strong>einer</strong> Strukturbestimmung.Laser+ PMPBildplatteKristallCCD-KameraGoniometerkopfAbb. 4.5Zwei unterschiedliche Ansichten des Imaging Plate Diffraction System (IPDS)(PMP = Photomultiplier).4.2 Praktische DurchführungNachdem der Kristall im Mittelpunkt der Eulerwiege zentriert worden ist, wird die Reflexsuchegestartet. Die vorbereitenden Messungen werden mit beiden Geräten, einem 4-Kreis-Diffraktometersowie dem Imaging-Plate-Diffraction System (IPDS) ausgeführt. Die eigentliche Messung findet ausZeitgründen jedoch nur mit dem IPDS statt. Da die Wahl der einzelnen Parameter von derKristallqualität abhängen und zur optimalen Eingabe doch einige Erfahrung notwendig ist, wird dieEingabe der Parameter direkt mit Ihrem Betreuer abgesprochen und die Suche gemeinsam gestartet.5 Indizierung5.1 EinführungNachdem die Suche nach Reflexen abgeschlossen ist, kann die eigentliche Vorbereitung der Messungbeginnen. Hierzu müssen wichtige Kristallparameter wie das Kristallsystem, die Laue-Symmetrie, denBravais-Typ und die Elementarzellabmessungen sowie die Orientierungsmatrix ermittelt werden,welche für die nachfolgende Messung unabdingbar sind. Im Gegensatz zu herkömmlichen Diffraktometernmit Szintillationszähler kann beim Imaging Plate Diffraction System auf diese Vorbereitungenverzichtet werden, da in der Regel ohnehin ausreichend Beugungsinformation gesammelt wird. Es istjedoch auch hier hilfreich, diese Parameter im Vorfeld zu ermitteln, damit die anschließende Meßstrategieoptimal gestaltet werden kann.


14Grundlage hierfür bildet das Konzept der Elementarzelle. Da ein Kristall aus dreidimensional, periodischangeordneten Bausteinen aufgebaut ist, kann eine kleinste Wiederholeinheit, die ElementaroderEinheitszelle, definiert werden, welche in allen drei Raumrichtungen aneinandergereiht, die vollständigeStruktur ergibt. Wird ein Kristall in einem Gedankenexperiment in immer kl<strong>einer</strong>e Stückezerteilt, so wird am Ende formal diese kleinste Einheit erhalten (Abb. 5.1).Abb. 5.1:Links: Elektronenmikroskopische Aufnahme eines Phtalocyanins, welche die periodischeAnordnung der Moleküle im Kristall zeigt; Rechts: Konzept der Elementarzelle.Die Elementarzelle ist durch die drei Achslängen a, b und c sowie die drei Winkel α, β und γ eindeutigdefiniert. Das Konzept der Elementarzelle ist insofern recht nützlich, da sich dadurch die <strong>Einkristall</strong>strukturanalysezunächst auf die Bestimmung des Zellinhaltes beschränkt. Alle bekannten Kristallelassen sich insgesamt sieben verschiedenen Achsensystemen, die als Kristallsysteme bezeichnetwerden, zuordnen. Aus diesen resultieren die unterschiedlichen Formen der Elementarzellen (Abb. 5.2und Tab. 5.1). Winkel und Achslängen der Elementarzelle (Gitterparameter) können direkt aus denPositionen der gefundenen Röntgenreflexe berechnet werden. Es sei jedoch schon an dieser Stelledarauf hingewiesen, daß das Kristallsystem nicht alleine durch die Kristallmetrik, d. h. die Gitterparameterbestimmt ist, sondern je nach Kristallsystem ganz bestimmte Beugungsreflexe eine identischeIntensität (Intensitätssymmetrie) aufweisen müssen.Die Kristallgitter, die den sieben Kristallsystemen zu Grunde liegen, werden als primitiv bezeichnet,da jeweils nur ein Baustein (Atom, Ion, Molekül) auf den Ecken der Elementarzelle angeordnet ist.Außer den primitiven Elementarzellen gibt es noch zentrierte Elementarzellen, welche sich von denprimitiven dadurch unterscheiden, daß noch zusätzliche Bausteine auf <strong>einer</strong> oder mehrerer Flächenoder in der Mitte der Elementarzelle angeordnet sind. Oft kann eine zunächst gefundene primitiveElementarzelle in eine zentrierte Elementarzelle mit einem dann größeren Volumen und höhererSymmetrie, d. h. mehrere Winkel bei 90°, oder mehrere identische Achslängen, transformiert werden.Aufgrund von bestimmten Konventionen wird in diesem Fall immer die höher symmetrische,zentrierte Elementarzelle gewählt. Die sieben Kristallsysteme zusammen mit den sieben zentriertenGittern ergeben insgesamt vierzehn mögliche Typen von Elementarzellen, welche als Bravais-Typenbezeichnet werden.


15Triklin Monoklin Orthorhombisch Tetragonalcα βγcβ 90o90 obcaba90 o 90 o90 oab90° 90°90°rhomboedrisch /trigonalcKubischc = aHexagonalcaβ αγb = aa90 o 90 o 90 o b = aa90 o90 oγ = 120 ob = aAbb. 5.2:Die sieben KristallsystemeKristallsystem a b c a b gtriklin beliebig beliebig beliebig beliebig beliebig beliebigmonoklin beliebig beliebig beliebig 90.00° beliebig 90.00°orthorhombisch beliebig beliebig beliebig 90.00° 90.00° 90.00°tetragonal beliebig = a-Achse beliebig 90.00° 90.00° 90.00°trigonal beliebig = a-Achse beliebig 90.00° 90.00° 120.00°hexagonal beliebig = a-Achse beliebig 90.00° 90.00° 120.00°kubisch beliebig = a-Achse = a-Achse 90.00° 90.00° 90.00°Tab. 5.1:Gitterparameter in den sieben Kristallsystemen (Achsensystemen)monoklinorthorhombischc-flächenzentriertc-flächenzentrierttetragonalinnenzentriertkubischflächenzentriertinnenzentriertinnenzentriertflächenzentriertAbb. 5.3:Mögliche zentrierte ElementarzellenOb eine zunächst gefundene primitive Elementarzelle in eine zentrierte Zelle transformiert werdenkann, wird von der Software des Diffraktometers automatisch erkannt und umgesetzt.


16Voraussetzung für die richtige Wahl der Elementarzelle ist, daß sich alle vom Diffraktometer gefundenenReflexe “indizieren“ lassen. Bei der Indizierung werden den einzelnen Reflexen vom Programmganz bestimmte Indizes (Millersche Indizes) zugeordnet, welche geradzahlig sein müssen und durchdie ein Beugungsreflex eindeutig beschrieben ist. Gebrochene Millersche Indizes weisen auf einefalsche Elementarzelle, eine Verzwilligung oder eine Verwachsung des Kristalls hin. Woher kommteigentlich der Millersche Indizes? Wie bereits in Kapitel 4 erwähnt, besteht ein Kristall aus periodischangeordneten Atomen durch die wir formal eine Vielzahl von Ebenen legen können auf denen dieAtome angeordnet sind. Der Beugungsvorgang kann nun vereinfacht als eine Reflexion der Röntgenstrahlenan diesen Ebenen verstanden werden. Jede dieser Ebenen, vorausgesetzt diese befindet sich inBeugungsbedingung, erzeugt einen Beugungsreflex. Der Millersche Indizes charakterisiert nun eindeutigdie Lage <strong>einer</strong> Ebene in der Elementarzelle und damit den von dieser erzeugten Beugungsreflex.Diese Indizes werden als h, k und l bezeichnet. Diese geben hierbei die reziproken Achsenabschnitte(a/h, b/k, c/l ) der Elementarzelle wieder. Eine Ebene die parallel zu y und zu z, d. h. parallelzur b- und zur c-Achse verläuft, diese Achsen also im unendlichen schneidet, erhält die Indizes(100), wohingegen eine Ebene welche die a-Achse auf der Hälfte (a/2), die c-Achse in einem Drittel(c/3) und die b-Achse in b (b/1) schneidet, die Indizes (213) erhält (Abb. 5.4).Abb. 5.4:Herleitung der Millerschen Indizes, welche die Lage <strong>einer</strong> Netzebene in derElementarzelle und damit einen Beugungsreflex eindeutig beschreiben.Ist eine sinnvolle Elementarzelle gefunden, d. h. sind alle Reflexe geradzahlig indizierbar, kann dieeigentliche Messung beginnen. Das Programm ist dann in der Lage die Position jedes gewünschtenReflexes anzufahren und dessen Intensität zu messen.5.2 Praktische Durchführung


17Imaging Plate Diffraction System (IPDS)Wie bereits erwähnt, muß die Indizierung der Reflexe sowie die Bestimmung der Gitterparameter beiVerwendung von Diffraktometern mit ortsempfindlichen Detektoren vor der Messung nicht unbedingterfolgen, da im Verlauf <strong>einer</strong> Messung in der Regel ausreichend Reflexe gemessen werden. Dennochsollten Sie die gesammelte Beugungsreflexe schon einmal analysieren und die Elementarzelle sowieden Bravais-Typ bestimmen. Auch hier führen Sie diese Schritte gemeinsam mit Ihrem Betreuer aus.Es empfiehlt sich auch zu diesem Zeitpunkt abzuschätzen, ob die gefundenene Elementarzelle sinnvollist, d. h. ihr Volumen groß genug für die untersuchte Verbindung ist. Dies kann relativ leicht anhand<strong>einer</strong> einfachen empirischen Regel erfolgen, die besagt, daß der Volumenbedarf jedes Atoms (Wasserstoffatomeausgenommen) rund 20 Å 3 beträgt. Je nach dem ob eine Struktur sehr dicht oder sehrlocker gepackt ist, werden auch Abweichungen von dieser Regel gefunden. Meist gilt diese Regeljedoch sehr gut. Wenden Sie diese Regel auf Ihre zu untersuchende Verbindungen an so müssen Siefolgendermaßen vorgehen:Berechnen Sie die Anzahl der Nicht-Wasserstoffatome aus der Summenformel der Verbindung undmultiplizieren Sie diese mit 20. Dieser Wert entspricht dem Volumenbedarf <strong>einer</strong> Formeleinheit in Å 3 .Da eine Elementarzelle immer <strong>zum</strong>indest eine Formeleinheit beinhalten muß, sollte die von Ihnengefundene Elementarzelle <strong>zum</strong>indest dieses Volumen aufweisen. Ist dies nicht der Fall haben sie einechtes Problem. Mit Hilfe dieser empirischen Regel können Sie auch die Anzahl der Formeleinheitenin der Elementarzelle (Z) abschätzen, welche eine wichtige Größe ist. Diese Zahl ergibt sich indem Siedas Elementarzellvolumen durch den von Ihnen abgeschätzten Volumenbedarf <strong>einer</strong> Formeleinheitdividieren:Z =Elementarzellvolumen20 . Anzahl der Schweratome pro FormeleinheitGl. 5.1Die Anzahl der Formeleinheiten pro Elementarzelle hängt von der in den verschiedenenKristallsystemen auftretenden Kristallsymmetrie ab. Der erfahrene Kristallograph kann und solltedaher schon vor der eigentlichen Messung abschätzen, ob die Anzahl der gefundenen Formeleinheitenpro Elementarzelle in einem bestimmten Kristallsystem überhaupt möglich ist. Wenn nicht, sind in derRegel die Elementarzellabmessungen oder das Kristallsystem falsch oder es handelt sich überhauptnicht um die gewünschte Verbindung. Auch das kommt gelegentlich vor.6.1 Datensammlung und Datenreduktion6.1 Einführung


18Sind die Elementarzellabmessungen sowie die Orientierungsmatrix bekannt, kann nun die Intensitätsbestimmungder Beugungsreflexe erfolgen. Grundlage hierfür bildet die Strukturfaktorgleichung (Gl.6.1), welche neben der Braggschen Beziehung mit die wichtigste Gleichung in der <strong>Einkristall</strong>strukturanalysedarstellt, da diese die Intensität eines Beugungsreflexes (F hkl ) mit den Koordinaten derAtome in der Elementarzelle (x, y, z) verknüpft. Der Strukturfaktor F hkl steht hier für die Intensitäteines Beugungsreflexes I, da diese dem Strukturfaktor proportional ist. Zur Bestimmung <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturist es daher nur notwendig, die gesamte integrale Beugungsintensität jedes einzelnenBeugungsreflexes so genau wie möglich zu messen. Der Rest wird überwiegend vom Computer erledigt.[ 2πi( hx + ky lz )]N2⎛ sin θ ⎞FhklΣ ⋅fj⋅expB ⋅exp2j j+j 1⎜−⋅⎟⎝ λ ⎠==Gl. 6.1Die Qualität des ausgewählten <strong>Einkristall</strong>s, die angestrebte Genauigkeit der Kristallstrukturbestimmungsowie die Stabilität der zu vermessenden Substanz legen die eigentliche Meßstrategie fest.Trotz des Bestrebens <strong>einer</strong> möglichst genauen Strukturbestimmung muß stets ein Kompromißzwischen ihrer Güte und Dauer gefunden werden, da eine doppelte Meßgenauigkeit eine ungefährvierfache Meßzeit erfordert.Wieviel Reflexe an einem Kristall vermessen werden können, hängt einzig und alleine von der demVolumen der Elementarzelle sowie dem maximalen Beugungswinkel ab bis zu dem gemessen werdensoll. Ob von allen theoretisch meßbaren Reflexen tatsächlich alle oder nur ein Teil davon gemessenwerden muß, hängt vom vorliegendem Kristallsystem ab. Wie bereits oben erwähnt, ist für die Wahleines Kristallsystems nicht die Kristallmetrik, d. h. die Länge der Achsen sowie die Winkel derElementarzelle, sondern die Kristallsymmetrie verantwortlich, die dazu führt, daß je nach Kristallsystemganz bestimmte Reflexe eine identische Intensität aufweisen müssen. Man bezeichnet dieseReflexe als symmetrie-äquivalent. Es versteht sich daher von alleine, daß der kluge Kristallographnicht die Intensität aller theoretisch meßbaren Reflexe bestimmt, sondern nur von denen, die er füreine Strukturbestimmung benötigt. Es sei jedoch vorweg genommen, daß immer <strong>zum</strong>indest einige derSymmetrieäquivalenten Reflexe gemessen werden sollten, um das Kristallsystem sicher bestimmen zukönnen. Dies läßt sich bei ortsempfindlichen Detektoren auch nicht vermeiden.Um einen Eindruck davon zu gewinnen, was denn nun gemessen werden muß und was nicht, soll imfolgendem ein kurzer Überblick über die Grundlagen der Kristallsymmetrie gegeben werden. Dies hatzusätzlich den Vorteil, daß der Begriff des Achsensystems (Kristallsystem) sowie die mit einemKristallsystem verbundenen Einschränkungen in den Längen und Winkeln deren Elementarzellenoffensichtlich wird.Neben der Periodizität der Bausteine in Kristallen ist das Auftreten von Symmetrie eine weiterewichtige Eigenschaft dieser Festkörper, welche offensichtlich wird, wenn das äußere Erscheinungsbild(Habitus) von natürlich gewachsenen Kristallen betrachtet wird (Abb. 6.1). Wird dies für mehrereKristalle getan, so wird offensichtlich, daß immer nur ganz bestimmte Symmetrieelemente an Kristallenauftreten (Tab. 6.1). Dies ist die Spiegelebene m, das Inversionszentrum i, die Drehachsen C i (i =1,2,3,4,6) und die Drehinversionsachse –4. Meist treten an einem Kristall immer mehrere Symmetrieelementegemeinsam auf. So finden sich in Abb. 7.1 beim Halit, auch wenn es sich nicht um einensehr schönen Kristall handelt, <strong>zum</strong>indest mehrere Spiegelebenen und 2-zählige Drehachsen. Es kanngezeigt werden, daß die Kombination aller an Kristallen auftretenden Symmetrielemente nur 32 ver-j


19schiedene Möglichkeiten ergibt, die als Kristallklassen bezeichnet werden (Tab. 6.1). Diese 32Kristallklassen lassen sich insgesamt 7 verschiedenen Achsensystemen (Kristallsystemen) zuordnen(Tab. 6.1). Dabei bestimmen die Symmetrieelemente der Kristallklassen das Koordinatensystem, daszu ihrer Beschreibung am besten geeignet ist. Im triklinen Kristallsystem der Kristallklasse –1 trittaußer dem Symmetriezentrum (Inversionszentrum) i = -1 kein weiteres Symmetrieelement auf. Daszur Beschreibung derartiger Kristalle geeignete Kristallsystem ist völlig frei wählbar, d. h. die dreiAchslängen a, b, c und die drei Winkel der Elementarzelle α, β und γ sind in k<strong>einer</strong> Weise festgelegt.Die bei den höher symmetrischen Kristallklassen auftretenden Symmetrieelemente führen dazu, daßim entsprechendem Kristallsystem und damit der Elementarzelle ganz bestimmte Beschränkungen derAchslängen und Winkel gelten. So müssen beispielsweise im monoklinen Kristallsystem die beidenWinkel α und γ 90° betragen (Abb. 6.2 und Tab. 6.1). Es ist hierbei nicht notwendig alle Kristallklassenauswendig zu lernen, auch ich muß gegebenenfalls im Buch nachschauen, es sollte jedoch derBegriff der Kristallklasse und des Kristallsystems klar seinAbb. 6.1:Links: Rauchquarz (SiO 2 ); Rechts: Halit (Natriumchlorid, NaCl)KristallsystemKristallklassentriklin 1, -1monoklin2/m, 2, morthorhombisch mmm, mm2, 222tetragonal4/m, 4, -4, 4m, -4m, 42, 42mtrigonal3, 3/m, -3, 3m, -3m2,hexagonal6, 6/m, 3/m, -6, 6m, -6m, 62, 62mkubisch23, m3, -23, 2m3, -43m, 432, m3mTab. 6.1Die 7 Kristallsysteme mit den dazugehörigen 32 KristallklassenWas hat dies alles nun damit zu tun, welche Reflexe wir messen müssen und welche nicht? Dies sei imfolgendem extrem vereinfacht dargestellt:


20Wie bereits vorher schon erwähnt, kann jedem Beugungsreflex ein sogenannter Millerscher Indizeszugeordnet werden, durch den dieser Beugungsreflex eindeutig definiert ist. Beugen wir also beispielsweisean der Netzebene (213), so erhalten wir einen Beugungsreflex, welcher als der 213-Reflexbezeichnet wird. Wird an der gegenüberliegenden Fläche gebeugt, so messen wir den –2 –3 –1-Reflex.Bis zu welchem maximalen Indizes, d. h. bis zur welchen maximalen Beugungsordnung wir messen,hängt von der Größe der Elementarzelle sowie vom maximalen Beugungswinkel ab. Je höher dieOrdnung ist bis zu der wir messen, desto genauer wird die Strukturbestimmung. Nehmen wir einmalan, das wir insgesamt nur bis <strong>zum</strong> 1. Beugungsmaximum messen wollen, so beinhaltet dies die in Tab.6.2 aufgeführten Reflexe. In diesem Fall haben wir alle an diesem Kristall auftretenden Beugungsreflexebis zur 1. Ordnung gemessen. In der Fachsprache nennen wir dies, daß “messen der ganzenKugel“.h k l -h -k -l h –k l -h k -l h k -l -h –k l -h k l h –k -l1 0 00 1 00 0 11 1 01 0 10 1 11 1 1-1 0 00 –1 00 0 –1-1 –1 0-1 0 –10 –1 –1-1 –1 –11 –1 00 –1 11 –1 1-1 1 00 1 –1-1 1 -11 0 -11 1 -1-1 0 1-1 -1 1 -1 1 1 1 -1 -1Tab. 6.2Mögliche Reflexe, wenn bis zur 1. Ordnung gemessen wird.Der Begriff hat seinen Ursprung darin, daß die Beugungsreflexe ja alle auf <strong>einer</strong> Kugeloberflächeliegen (Kapitel 4: Abb. 4.1). Für eine Messung der gesamten Kugel müssen wir daher alle Beugungsreflexebis <strong>zum</strong> n-ten Maximum messen, wobei alle Vorzeichen permutiert werden müssen (±h, ±k,±l). Es kann mehr oder weniger leicht ausgerechnet werden, wieviel Reflexe gemessen werdenmüßten, wollten wir die ganze Kugel bis <strong>zum</strong> 20. Beugungsmaximum vermessen.Die Symmetrie in Kristallen führt nun dazu, daß je nach Kristallsystem bzw. Kristallklasse, ganz bestimmteReflexgruppen eine identische Intensität (Intensitätssymmetrie) aufweisen. Für eine Strukturbestimmungmüssen wir daher nur einen der jeweils symmetrie-äquivalenten Reflexe vermessen. DieIntensität der anderen ist ja identisch. Diese Reflexe werden als “unabhängige Reflexe“ bezeichnet, einBegriff der bei <strong>einer</strong> Veröffentlichung <strong>einer</strong> Kristallstruktur in <strong>einer</strong> Fachzeitschrift regelmäßig imExperimentellen Teil auftaucht. Werden daher im Verlauf <strong>einer</strong> Strukturbestimmung mehr als dienotwendigen unabhängigen Reflexe gemessen, so handelt es sich hierbei um die insgesamt gemessenenReflexe, von denen nur ein Teil zur Strukturbestimmung notwendig, d. h. unabhängig ist.Woher weiß der Kristallograph nun welche Reflexe unabhängig sind, d. h. gemessen werden müssenund welche nicht?Zunächst einmal gilt das sog. Friedelsche Gesetz, welches besagt, daß die Intensität eines Reflexes F hklidentisch mit der eines Reflexes F -h-k-l ist. Paare von Reflexen, bei denen alle Vorzeichen vertauschtworden sind, werden daher als Friedel-Paare bezeichnet. Kompliziert ausgedrückt, besagt dies, daß der“reziproke Raum“ zentrosymmetrisch ist, wobei wir diesen Begriff gleich wieder vergessen. Obwohles hin und wieder Strukturen gibt in denen dieses Gesetz nicht ganz exakt gilt, reicht es doch fürunsere Betrachtungen zunächst einmal aus. Die Zentrosymmetrie der Reflexe führt nun zu <strong>einer</strong> drastischenReduzierung der Symmetriemannigfaltigkeit. Von den insgesamt 32 Kristallklassen besitzen


21nur 11 ein Inversionszentrum. Nur zwischen diesen 11 zentrosymmetrischen Kristallklassen, den sog.Lauegruppen, können wir bei <strong>einer</strong> Intensitätsmessung unterscheiden (Tab. 6.3).Das Kristallsystem sowie die dazugehörige Laue-Gruppe sagt uns nun, welche Reflexe wir messenmüssen und welche nicht. Nehmen wir an, ein triklines Kristallsystem liegt vor, so sagt uns die Lauegruppe–1, daß nur ein Inversionszentrum zu berücksichtigen ist. Alle Reflexe bei denen alle Vorzeichenumgekehrt werden (h, k, l und -h, -k, -l) zeigen also eine identische Intensität (Friedel-Paare). Esist daher nicht notwendig die gesamte Kugel zu vermessen, sondern es genügt wenn <strong>einer</strong> der dreiIndizes h, k, oder l während der Messung immer nur positiv ist. Wir messen also beispielsweise alleReflexe +h, ±k, ±l oder ±h, +k, ±l oder ±h, ±k, +l. Es ist offensichtlich, daß wir in diesem Fall nur dieHälfte aller möglichen Beugungsreflexe messen müssen, die anderen besitzen ja eine identische Symmetrie.In der Fachsprache wird dies als “Messen der halben Kugel“ bezeichnet. In den höher symmetrischenKristallsystemen reduziert sich die Anzahl der zu messenden Reflexe gewaltig. So muß beispielsweiseim monoklinen Kristallsystem nur ein Viertel der Kugel, im orthorhombischen Kristallsystemgar nur noch ein Achtel der gesamten Kugel gemessen werden. Im kubischen Kristallsystembleibt fast gar nichts mehr übrig, was wir messen müßten. Aus diesen Ausführungen geht daherhervor, daß derjenige, der sich mit der Symmetrie von Kristallen auskennt, viel Zeit sparen kann.Diejenigen, die keine Freude an derartigen Überlegungen haben, kaufen sich am besten mehrereDiffraktometer und messen immer die ganze Kugel. Dann kann praktisch nichts schiefgehen.KristallsystemLauegruppentriklin -1monoklin 2/morthorhombischmmmtetragonal4/m, 4/mmmtrigonal -3,hexagonal6/m, 6/mmmkubischm-3, m-3mTab. 6.3Die 7 Kristallsysteme mit den dazugehörigen 11 LauegruppenDer richtige Meßbereich ist bei der Verwendung herkömmlicher Diffraktometer mit Szintillationszählervon enormer Bedeutung, da mit diesen Geräten immer nur ein Reflex nach dem anderen gemessenwerden kann. Durch die Entwicklung moderner Flächendetektoren hat dieses Problem etwas anBedeutung verloren. Hier werden ja bei jedem Belichtungszyklus mehrere Beugungsreflexe vermessen.Je nach Kristallsystem muß dann insgesamt nur noch ein bestimmter Phi-Drehwinkel überstrichenwerden (Abb. 6.2). So sollte dieser bei Vorliegen eines triklinen Kristallsystems <strong>zum</strong>indest 180°betragen (formal halbe Kugel) im monoklinen genügen meist schon 90° (formal ein Viertel derKugel). In der Praxis wird in der Regel immer etwas mehr gemessen, so daß immer ausreichendBeugungsreflexe zur Verfügung stehen. Beträgt der überstrichene Phi-Drehwinkel immer mehr als180°, sind immer genügend symmetrie-äquivalente Reflexe vorhanden, um gegebenenfalls dieStruktur auch in einem niedriger symmetrischen Kristallsystem bestimmen zu können.


22MessbereichMessbereichMessbereichAbb. 6.2:Empfohlener Messbereich im (Links) kubischen, (Mitte) orthorhombischen und (Rechts)triklinem Kristallsystem (Enthält symmetrie-äquivalente Reflexe).Ist der Messbereich erst einmal ausgewählt, so gilt es nur noch die folgenden Parameter für dieMessung einzustellen:• Belichtungszeit pro Bild (Dies hängt vom Beugungsvermögen des Kristalls ab)• Phi-Inkrement (Um welchen Winkel wird der Kristall während der Belichtung eines Bildes weitergedreht),• Maximaler 2-Theta-Winkel (Dieser hängt vom Abstand zwischen Kristall und Detektor ab).Nach beendeter Messung, welche in der Regel zwischen 10 h und maximal 7 Tage dauert, müssen nurnoch die Intensitäten jedes einzelnen Beugungsreflexes ermittelt werden. Dies geschiehtvollautomatisch, indem ein Programm mit Hilfe der Orientierungsmatrix die Position jedes einzelnenBeugungsreflexes auf einem Bild berechnet und die Intensität jedes einzelnen Pixels in einem vorherbestimmten Bereich (Integrationsbox) summiert (Abb. 6.3).Abb. 6.3:Intensitätsprofil mit Integrationsbox (übertrieben gezeichnet) eines Beugungsreflexes,welcher auf einem ortsempfindlichen Detektor gemessen worden ist.Ist die Intensität jedes einzelnen Beugungsreflexes ermittelt, müssen diese unter Berücksichtigungeiniger Faktoren in die relativen Strukturfaktoren (⏐F hkl⏐ ) umgerechnet werden. Sämtliche


23Korrekturen werden automatisch von den in die Steuerungssoftware integrierten Datenreduktionsprogrammendurchgeführt. Zusätzlich wird jeder Reflex vom Programm mit sogenanntenRichtungscosini versehen, welche für jeden gemessenen Reflex Richtungsangaben über die relativeOrientierung des Kristalls <strong>zum</strong> Primärstrahl und <strong>zum</strong> Detektor enthalten und für eine Korrektur derAbsorption unerläßlich sind. Die Auswertung der Daten kann nun beginnen.6.2 Praktische DurchführungFühren Sie auch hier alle Schritte gemeinsam mit ihrem Betreuer durch. Zu diesem Zeitpunkt läuft dieeigentliche Messung mit dem Imaging Plate Diffraction System (IPDS) ja bereits. Alle wichtigenMessparameter sind ja bereits schon für die Reflexsuche eingegeben worden (Kapitel 4.2). Hier gilt esnur noch die Parameter für die Integration einzugeben. Dazu muß zunächst die Breite der Reflexprofileermittelt werden. Es werden vier unterschiedliche Reflexprofile, welche durch Mittelung überalle Bilder berechnet worden sind, verwendet (Abb. 6.4). Jedes einzelne Profil repräsentiert einenbestimmten Winkel-Bereich in 2-Theta, da die Ausdehnung der Reflexe vom Beugungswinkel abhängigsind. Je größer der Beugungswinkel um so größer ist die Ausdehnung der Reflexe.Abb. 6.4:Zu kleine, richtige und zu große Wahl der Integrationsbox.Im nächsten Schritt muß die sogenannte Mosaizität bestimmt werden. Dies klingt wesentlich komplizierterals es eigentlich ist. Da ein Reflex ja eine bestimmte Ausdehnung hat, können Sie sich vermutlichvorstellen, daß dessen Intensität bei Verwendung sehr kl<strong>einer</strong> Phi-Drehwinkel während derMessung auf mehrere Bilder verteilt ist. Auf wie vielen aufeinanderfolgenden Bildern sich die Intensitätverteilt, hängt daher vom Phi-Drehwinkel während der Messung sowie von der Breite der Reflexprofileab. Genau dies wird vom Programm bestimmt und als Mosaizität bezeichnet. “Gute“ Kristallebesitzen meist ein sehr schmales Reflexprofil, d. h. geringe Mosaizität, “schlechte“ Kristalle ein sehrbreites Reflexprofil und damit eine sehr hohe Mosaizität.Zuletzt müssen nur noch die Intensitäten der einzelnen Beugungsreflexe durch Integration ermitteltwerden. Am Ende führt das Programm automatisch eine Datenreduktion aus. Das Programm hat nunautomatisch eine Datei angelegt (Dateiname.HKL), in der die Indizes, die Intensität sowie dieStandardabweichung jedes einzelnen Beugungsreflexes abgespeichert ist. Mit dieser Datei können nunalle weiteren Auswertungen erfolgen.7 Durchführung der Absorptionskorrektur


247.1 EinführungDie mit einem Diffraktometers gemessenen Beugungsintensitäten sind in der Regel auf Grund vonAbsorptionseffekten noch fehlerhaft. Dies rührt daher, daß die Strecken die der Röntgenstrahl für jedengemessenen Reflex durch den Kristall zurücklegt, auf Grund des meist anisotropen Kristallformatesunterschiedlich sind. Die Intensität des gebeugten Röntgenstrahles wird daher unterschiedlichgeschwächt (Abb. 7.1). Nur bei einem ideal kugelförmigen Kristall oder <strong>einer</strong> Verbindung mit einemextrem kleinem Absorptionskoeffizienten können diese Effekte vernachlässigt werden.Kurze Strecke durch den KristallWenig Absorption(010)0.06 mmLange Strecke durch den KristallViel Absorption0.6 mm(100)(001)1 mmAbb. 8.1:Links: Unterschiedliche Absorption des Röntgenstrahls auf Grund unterschiedlicherWegstrecken des Röntgenstrahls durch den Kristall. Rechts: Indizierung der an einemKristall auftretenden Flächen.Zur Absorptionskorrektur stehen im Prinzip unterschiedliche Verfahren zur Verfügung. Das mitAbstand genaueste Verfahren ist eine flächenindizierte Absorptionskorrektur, die voraussetzt, daß dieIndizes der am Kristall auftretenden Flächen sowie der Abstand dieser Flächen voneinander (Kristallformatund Größe) bekannt sind. Dann kann ein Programm die effektiven Durchstrahllängen für jedeneinzelnen Reflex berechnen und mit Hilfe des Absorptionskoeffizienten die effektive Schwächungjedes einzelnen Beugungsreflexes ermitteln und somit deren Intensität für Absorption korrigieren(Abb. 7.1). Da die meisten untersuchten Kristalle eine sehr unregelmäßige Form mit sehr schwer zuindizierenden Flächen aufweisen, und die Größe meist nur sehr ungenau bestimmt werden kann,können die Flächen und die Kristallgröße mit <strong>einer</strong> Rechenroutine optimiert werden. Genau dies Verfahrenwird im vorliegendem Beispiel verwendet. Als Startwerte für die Kristallgestalt sowie die ausgebildetenFlächen dienen ideale Polyeder, wie beispielsweise der Dodekaeder oder Würfel, vondenen das Programm mehrere zur Verfügung stellt. Bei <strong>einer</strong> Absorptionskorrektur empfiehlt es sichimmer mehrere mögliche Polyeder als Startwerte zu verwenden, in ihrem Beispiel wird aus Zeitgründenjedoch nur <strong>einer</strong> dieser Polyeder verwendet. Das Programm XSHAPE verfügt im Prinzip übermehrere Optimierungsroutinen. Die Korrektur kann beispielsweise über symmetrie-äquivalenteReflexe erfolgen. Im Falle kugelförmiger oder sehr schwach absorbierender Verbindungen solltendiese ja eine identische Intensität aufweisen. Ist das Kristallformat stark anisotrop, treten zwischendiesen Intensitätsunterschiede auf. Genau diese Unterschiede werden für eine Korrektur ausgenutzt.Die Kristallgestalt wird vom Programm so lange optimiert, bis die in einem bestimmten Kristallsystemsymmetrie-äquivalenten Reflexe eine nahezu identische Intensität aufweisen. Dies wird quantitativ


26Aussuchen geeigneter Reflexe zur Durchführung der Flächenoptimierung.Sind keine Psi-Scan-Reflexe gemessen worden, es sich also um ein monoklines oder noch höhersymmetrisches Kristallsystem handelt, müssen Sie Ihren gemessenen Datensatz (Dateiname.HKL mitdem Programm XRED zunächst nach einigen geeigneten Reflexen durchsuchen, welche dann vomProgramm automatisch in eine Datei (Filename.EQV) abgespeichert werden. Sind Psi-Scan-Reflexegemessen worden, können Sie diesen Punkt überspringen und direkt zur Flächenoptimierung mit demProgramm XSHAPE übergehen.• Rufen Sie das Programm XRED durch anklicken des entsprechenden Symbols auf der Windows-Oberfläche auf.• Öffnen Sie die Datei Dateiname.CRS im entsprechendem Verzeichnis mit dem Befehl Open imMenüpunkt File. Sie müssen hierzu den entsprechenden Dateityp *.CRS auswählen.• Bestätigen Sie dreimal mit dem Befehl ok. Das Programm liest nun automatisch die HKL-Dateiein.• Rufen Sie die Korrekturroutine durch Auswählen des Befehls Process in der Menüleiste aus.• Wählen Sie die Auswahl geeigneter Reflexe durch Aktivieren des Symbols X-SHAPE im rechtenoberen Bereich des Fensters aus.• Bestätigen Sie mit OK. Das Programm durchsucht nun automatisch die Datei Filename.HKL nachgeeigneten Reflexen ab.• Verlassen Sie das Programm durch Anklicken des Kreuzes · in der rechten oberen Ecke.• Bestätigen Sie das Verlassen durch Anklicken mit der Maus.Das Programm hat nun eine Datei erstellt (Dateiname.EQV), welche Reflexe enthält, die für eineAbsorptionskorrektur über symmetrie-äquivalente Reflexe geeignet sind. Sie können nun dieFlächenoptimierung des Kristalls durchführen.Durchführung der Flächenoptimierung mit dem Programm XSHAPE.• Rufen Sie das Programm XSHAPE durch Auswählen des entsprechenden Symbols auf derWindows-Oberfläche auf.• Öffnen Sie die Datei Dateiname.CRS im entsprechendem Verzeichnis mit dem Befehl Open imMenüpunkt File.• Da noch kein Polyeder ausgewählt worden ist, meldet das Programm: “No crystal description“.Bestätigen Sie mit ok.• Wählen Sie den idealen Polyeder “Dodecahedron + Cube“ aus in dem Sie den Befehl Shape imMenüpunkt Setup ausführen.• Bestätigen Sie mit dem Befehl Okay.Eine Abbildung des ausgewählten Polyeders erscheint. Diesen können Sie auch während derOptimierung in alle drei Raumrichtungen drehen, indem Sie einen der 6 Buttons X(+), X(-), Y(+), Y(-), Z(+) oder Z(-) drücken.• Bestätigen Sie die Auswahl erneut mit dem Befehl Okay.• Wählen Sie den Befehl Optimisation im Menüpunkt Execute aus.• Lassen Sie die Flächen sowie die Flächenabstände optimieren, indem Sie Both (Distances first)auswählen.• Bestätigen Sie mit dem Befehl Okay.


27• Wenn Sie mit Hilfe von Psi-Scan-Reflexen optimieren möchten, wählen Sie Psi-Scans unterReflection Data aus. Soll die Korrektur über symmetrie-äquivalente Reflexe erfolgen, wählen SieEquivalents.• Starten Sie die Optimierung mit dem Befehl Start.Sollten Sie die Optimierung nicht direkt verfolgen können, klicken Sie auf den Button STOE X-SHAPE Version... im unterem Bildschirmrand.Sie können nun die Optimierung der Kristallflächen und Flächenabstände am Bildschirm verfolgen.Während der Optimierung können Sie den Kristall wie oben beschrieben drehen. Die Qualität derOptimierung können Sie verfolgen, indem Sie beobachten wie sich der interne R-Wert (R(int))während der Optimierung gegenüber dem Startwert (Initial R(int)) verbessert. Da die von ihnenuntersuchten Verbindungen meist nur einen kleinen Absorptionskoeffizienten aufweisen, wird der amEnde erhaltene interne R-Wert nur geringfügig gegenüber dem Startwert verbessert sein. Nachbeendeter Optimierung erscheint ein Fenster mit der Information “Optimisation completed“.• Bestätigen Sie mit dem Befehl Okay.• Verlassen Sie die Optimierungsroutine durch Auswählen des Befehls Exit.• Speichern Sie das CRS-File, welches nun die optimierten Kristallflächen und Flächenabständeenthält, durch Auswählen des Befehls Save im Menüpunkt File.Es erscheint ein Fenster mit der Information: “Overwrite existing CRS file“.• Bestätigen Sie mit dem Befehl Ja.• Verlassen Sie das Programm durch Anklicken des Kreuzes · in der rechten oberen Ecke.Das Programm XSHAPE hat nun die Flächen des von Ihnen zunächst willkürlich ausgewähltenidealen Polyeders opimiert und die Flächen sowie die Flächenabstände in der Datei Filename.CRSabgespeichert.Durchführung der Korrektur der HKL-Datei (Datendatei):Nun müssen Sie jeden Reflex in der Daten-Datei (Filename.HKL) entsprechend korrigieren. Diesgeschieht mit dem Programm XRED:• Rufen Sie das Programm XRED durch anklicken des entsprechenden Symbols auf der Windows-Oberfläche auf.• Öffnen Sie Ihre Datei Dateiname.CRS im entsprechendem Verzeichnis mit dem Befehl Open imMenüpunkt File. Sie müssen hierzu den entsprechenden Dateityp *.CRS auswählen.• Bestätigen Sie dreimal mit dem Befehl ok. Das Programm liest nun automatisch die HKL-Dateiein.• Rufen Sie die Korrekturroutine durch Auswählen des Befehls Process in der Menüleiste aus.• Wählen Sie eine flächenindizierte Absorptionskorrektur der Daten durch Aktivieren des SymbolsNumerical im linken oberen Bereich des Fensters aus.• Deaktivieren Sie das Symbol Merge Equivalents (An dieser Stelle sollen die symmetrieäquivalenteReflexe noch nicht gemittelt werden).• Bestätigen Sie mit OK. Das Programm führt nun automatisch die Korrektur der Reflexintensitätenaus und schreibt die Intensität der nun korrigierten Reflexe in die DateiFilename.HKC.


28Es erscheint automatisch ein Fenster in dem zusätzliche Informationen zur Korrektur stehen.Ignorieren Sie diese und schließen das Fenster durch Anklicken des Kreuzes · in der rechten oberenEcke.• Verlassen Sie das Programm durch Anklicken des Kreuzes · in der rechten oberen Ecke.• Bestätigen Sie das Verlassen durch Anklicken mit der Maus.Die Durchführung der Absorptionskorrektur ist hiermit beendet und Sie können sich der Bestimmungder Raumgruppe sowie anderer für die Strukturbestimmung notwendiger Parameter zuwenden.Alle weiteren Schritte führen Sie unter der MS-DOS-Eingabeaufforderung durch.Da das Programm XRED die für Absorption korrigierten Reflexe in eine Datei Filename.HKCgeschrieben hat, Sie aber für alle weiteren Berechnungen eine Datei mit der Endung HKL benötigen,müssen Sie die Datei Filename.HKC nach Filename.HKL kopieren. Dies geschieht am einfachstendurch Eingabe des folgenden Befehls in die Befehlszeile und Bestätigung mit der Eingabetaste:copy dateiname.hkc dateinname.hkl8 Bestimmung des Kristallsystems, des Bravais-Typs, der Laue-Gruppe, der Raumgruppeund des Inhaltes der Elementarzelle (Z = Anzahl der Formeleinheiten pro EZ)8.1 EinführungIn diesem Teil sollen die folgenden Parameter bestimmt werden, welche für die anschließenddurchzuführende Strukturlösung unbedingt notwendig sind:• Kristallsystem• Bravais-Typ• Laue-Gruppe• Raumgruppe• Anzahl der Formeleinheiten pro ElementarzelleDie Bestimmung erfolgt mit dem Programm XPREP, welches anhand der Gitterparameter, sowie dergemessenen Beugungsintensitäten automatisch die gewünschten Informationen berechnet und amEnde eine Datei erstellt, welche zur Strukturlösung verwendet wird. Das Programm greift hierbeiautomatisch auf die Datei Filename.HKL zurück, welche die Indizes, die Intensitäten sowie dieStandardabweichungen aller gemessenen Reflexe enthält.Zunächst wird vom Programm überprüft, ob die gefundene Elementarzelle unter Umständen eineZentrierung aufweist (Kapitel 5.1). Zentrierungen können leicht daran erkannt werden, daß bestimmteReflexe keine Intensität aufweisen, d. h. nicht beobachtet worden sind. In der <strong>Einkristall</strong>strukturanalysemüssen wir daher zwischen gemessenen und beobachteten Reflexen unterscheiden. EinenReflex zu messen bedeutet nichts anderes als mit einem Zählrohr die Intensität an gebeugter Strahlungan der Stelle zu messen, an der nach der Braggschen Gleichung einen Beugungsreflex erwartet wird.Ob dort tatsächlich Intensität gemessen werden kann oder nicht ist eine ganz andere Frage. Dies hängtbeispielsweise von dem Beugungsvermögen des untersuchten Kristalls ab. Sie können sich sehr leichtvorstellen daß ein Kristall beispielsweise auf Grund s<strong>einer</strong> geringen Größe nur sehr schlecht Röntgenstrahlenbeugt. Wir messen daher an dieser Stelle, detektieren jedoch keine Intensität, da der Reflex zuschwach ist. Erst wenn ausreichend Intensität gemessen wird ist der Reflex beobachtet. Was ist denn


29nun eigentlich unser Beobachtungskriterium. Ein Reflex wird dann als beobachtet bezeichnet wenndessen gemessene Intensität zweimal größer ist als dessen gemessene Standardabweichung, d. h. dannwenn I > 2σ(I) bzw. F > 4σ(F) ist. Die Standardabweichung σ wird aus der Intensitätsmessung bestimmt.Je länger wir einen Reflex belichten, desto größer wird das eben beschriebene Verhältnis, d. h.um so präziser wird dieser gemessen. Dieses Beobachtungskriterium findet sich immer im experimentellemTeil <strong>einer</strong> Strukturbestimmung und sollte auch in <strong>einer</strong> Veröffentlichung angegebenwerden. Sie haben daher bislang drei unterschiedliche Bezeichnungen für die im Verlaufe <strong>einer</strong>Strukturbestimmung gemessenen Reflexe kennengelernt.Gemessene Reflexe:Unabhängige Reflexe:Beobachtete Reflexe:Die während <strong>einer</strong> Datensammlung insgesamt gemessenen Reflexe.Die symmetrieunabhängigen Reflexe, d. h. die Reflexe welche für eineStrukturbestimmung unbedingt notwendig sind.Die Reflexe, die im Rahmen unseres Beobachtungskriterium auchtatsächlich beobachtet worden sind.Neben dem geringen Beugungsvermögens eines <strong>Einkristall</strong> können auch noch andere Gründe dafürvorliegen daß ein Reflex nicht beobachtet wird. Dies führt uns wieder <strong>zum</strong> Ausgangspunkt, denZentrierungen zurück. Liegt eine zentrierte Elementarzelle vor, weisen ganz bestimmte Reflexgruppenkeine Beugungsintensität auf. Diese Reflexe werden als “systematisch ausgelöscht“ bezeichnet.Nehmen wir den einfachsten Fall <strong>einer</strong> monoklinen, C-zentrierten Elementarzelle an, so führt dieAnwesenheit der C-Zentrierung dazu, daß alle Reflexe für die h+k ungerade ist, systematisch ausgelöschtsind. Für diese kann keine Beugungsintensität beobachtet werden. Alle anderen können, insofernder Kristall ausreichend beugt, beobachtet werden. In diesem Fall sind beispielsweise die Reflexe2 1 2, oder 2 3 2 (h+k = ungerade) systematisch ausgelöscht. Das Programm überprüft daher alle gemessenenReflexe, ob systematische Auslöschungen vorliegen, die auf eine zentrierte Elementarzellehinweisen. Damit ist der Bravais-Typ eindeutig festgelegt.Im nächsten Schritt wird überprüft, ob das gewählte Kristallsystem und die dazugehörige Laue-Gruppe richtig sind. Darüber entscheidet ja nicht die Metrik der Elementarzelle, d. h. deren Gitterparameter,sondern die Intensitätssymmetrie. Wie bereits erwähnt sollten ja immer mehr Reflexe gemessenwerden als zur Strukturbestimmung eigentlich notwendig sind. Diese dann symmetrie-äquivalentenReflexe sollten eine identische integrale Intensität aufweisen. Abweichungen hiervon deuten,soweit diese nicht auf systematische Fehler beispielsweise Absorption zurückgeführt werden können,auf eine niedrigere Kristallsymmetrie hin. Ob das Kristallsystem richtig ist wird anhand eines Gütekriteriums,dem internen R-Wert (R(int) überprüft. Dieser sollte möglichst klein sein (< 0.10).Anschließend wird versucht die Raumgruppe zu bestimmen. Diese ist ein charakteristisches Merkmal<strong>einer</strong> Kristallstruktur und deren Bestimmung unabdingbar für den weiteren Verlauf der Strukturbestimmung.Um den Begriff der Raumgruppe etwas näher zu erläutern, müssen wir uns etwas näher mitder Symmetrie in Kristallen beschäftigen.Sie haben bereits gelernt, daß die Kombination der an Kristallen auftretenden Symmetrieelementeinsgesamt 32 Kristallklassen ergibt, welche sich insgesamt 7 Kristallsystemen zuordnen lassen. Nebenden primitiven Elementarzellen finden sich noch zentrierte Elementarzellen was uns letztlich zu insgesamt14 unterschiedlichen Typen von Elementarzellen, den Bravais-Typen geführt hat. Neben denSymmetrieelementen in Kristallen die sie bereits kennengelernt haben, finden sich weitere Symmetrieelemente,welche durch Kombination dieser “einfachen“ Symmetrieelemente mit der in Kristallenauftretenden Translation der Baugruppen entstehen. Ein Kristall ist ja ein Festkörper, der aus in allen


30drei Raumrichtungen periodisch angeordneten Bausteinen besteht. Diese Festkörper weisen daher eineTranslationssymmetrie ihrer Bausteine auf. Diese zusammengesetzten Symmetrieelemente werdendaher als Translations-Symmetrieelemente bezeichnet. Zu diesen gehören die Schraubenachsen undGleitspiegelebenen. Welche Operation genau mit diesen Symmetrieelementen verbunden ist, soll hiernicht weiter aufgeführt werden. Wichtig ist nur, daß Sie sich merken, daß derartige Symmetrieelementeexistieren.Werden nun alle in Kristallen vorkommenden Translations-Symmetrieelemente mit den 32 Kristallklassenund den 14 Bravais-Typen kombiniert, eine Aufgabe die mir schier unlösbar erscheint, resultiereninsgesamt 236 unterschiedliche Kombinationen, die als Raumgruppen bezeichnet werden. Weres nicht glaubt, kann es ja nachrechnen. Dies bedeutet, daß jeder Struktur eindeutig eine dieser 236Raumgruppen zugeordnet werden kann. Da die Raumgruppe alle in <strong>einer</strong> Struktur vorkommendenSymmetrieelemente beinhaltet, ist diese eine Art Bauplan, wie wir ausgehend von dem Teil der Kristallstrukturden wir bestimmen diese Teile aneinander fügen müssen um die gesamte Kristallstrukturaufzubauen. Wie dies im einzelnen geschieht, werden Sie in einem späteren Kapitel kennenlernen.Die Wahl der richtigen Raumgruppe erfolgt in der Regel durch Suche nach zusätzlichen systematischenAuslöschungen, die immer dann Auftreten wenn bestimmte Symmetrieelemente vorliegen. DieSuche wird vom Programm automatisch durchgeführt. Von den in Kristallen vorkommenden Symmetrieelementenverursachen neben den Zentrierungen jedoch nur die oben genannten Translationssymmetrieelemente,d. h. Schraubenachsen und Gleitspiegelebenen systematische Auslöschungen.Sind beispielsweise nach <strong>einer</strong> Datensammlung alle Reflexe 00l mit l = ungerade systematisch ausgelöscht,deutet dies auf ein Vorhandensein <strong>einer</strong> 2 1 -Schraubenachse in Richtung der c-Achse hin. Inversionszentren,Drehachsen, Spiegelebenen und Drehinversionsachsen verursachen keine zusätzlichenAuslöschungen. Dies führt leider dazu, daß nicht alle Raumgruppen eindeutig bestimmbar sind und inmanchen Fällen die erfolgreiche Durchführung der Strukturlösung und Strukturverf<strong>einer</strong>ung letztendlichdie Wahl der richtigen Raumgruppe bestätigen.Ist die wahrscheinlichste Raumgruppe bestimmt, so wird am Ende noch der Zellinhalt, d. h. dieAnzahl der Atome in der Elementarzelle sowie die Anzahl der Formeleinheiten in der Elementarzelle(Z) bestimmt. Nach Eingabe der zu erwartenden Summenformel berechnet das Programm automatischZ sowie das Volumen pro Schweratom. Z muß immer geradzahlig sein, da Elementarzellen ja immervollständige Moleküle enthalten müssen. Bei der Berechnung geht das Programm ungefähr genausovor wie am Ende von Kapitel 5.2 beschrieben.8.1 Praktische DurchführungIm folgendem wird die praktische Durchführung am Beispiel eines Datensatzes gemessen an einemKristall von CuSO 4 · 5 H 2 O vorgestellt. Gehen Sie bei Ihrem Beispiel ganz genauso vor. Für Ihrenkonkreten Datensatz können hier und da kl<strong>einer</strong>e Unterschiede auftreten. Wenn Sie an <strong>einer</strong> Stelleüberhaupt nicht mehr weiterkommen, fragen Sie Ihren Betreuer.Notwendige Programme:• XPREPNotwendige Dateien:• Dateiname.HKL (Reflexdatei mit allen gemessenen, und für Absorption korrigiertenBeugungsreflexen)


31Zur Bestimmung sind darüber hinaus folgende Informationen notwendig:• Abmessungen der Elementarzelle (a, b, c, α, β, γ)• Chemische Zusammensetzung der untersuchten SubstanzDer Benutzer wird vom Programm automatisch durch alle Schritte geführt und in diesem einfachenBeispiel müssen die vom Programm vorgeschlagenen Schritte nahezu immer durch Betätigen derEingabetaste bestätigt werden. Vergessen Sie jedoch nicht vor dem Betätigen der Eingabetest den amBildschirm erscheinenden Text kurz durchzulesen.• Das Programm wird mit dem Befehl XPREP gestartet.• Geben Sie den Dateinamen ohne Extension ein, da ja eine HKL-Datei vorliegt.Nach Eingabe des Dateinamen fragt das Programm in welchem Format die gemessenen Datenvorliegen. Die HKL-Datei enthält Intensitäten, d.h. F 2 -Werte.• Bestätigen Sie Option Nr. 4 durch Betätigen der Eingabetaste.Anschließend müssen die Gitterparameter eingegeben werden (Enter cell). Dies erfolgt in derReihenfolge a, b, c, α, β, γ (Eingabe mit einem Punkt), wobei jeder Wert durch eine Leertaste getrenntsein muß.• Bestätigen Sie die Eingabe mit der Eingabetaste.Zunächst wird automatisch vom Programm überprüft ob systematische Auslöschungen vorliegenwelche vor der Messung nicht erkannt wurden, und auf das Vorliegen beispielsweise von zentriertenZellen hinweisen. Hierzu werden die Reflexe der HKL-Datei vom Programm nach ganz bestimmtenKriterien sortiert und eine Statistik erstellt, die ungefähr folgendermaßen aussieht:Lattice exceptions: P A B C I F Obv Rev AllN (total) = 0 2364 2334 2366 2342 3532 3122 3141 4695N (int>3sigma) = 0 1710 1917 2003 1930 2815 2627 2623 3920Mean intensity = 0.0 249.3 668.7 660.3 674.1 525.5 672.5 673.4 674.3Mean int/sigma = 0.0 22.2 47.2 46.8 47.3 38.7 47.4 47.3 47.3Lattice type [P, A, B, C, I, F, o(Obv.), R(rev. rhomb. on hex. axes]Die erste Zeile beinhaltet die Symbole für die entsprechenden Zentrierungen (C = C-Zentrierung; I =Innenzentrierung, etc.).N (total) beinhaltet die Anzahl der Reflexe, die systematisch ausgelöscht sein müßten, wenn eineentsprechende Zentrierung vorliegt.N (int>3sigma) beinhaltet die Anzahl an Reflexen, deren Verhältnis von Intensität zur gemessenenStandardabweichung größer 3 σ ist, d. h. Reflexe die eine signifikante Intensität aufweisen(Beobachtungskriterium).Mean Intensity beinhaltet die durchschnittliche Intensität dieser Reflexe.Mean int/sigma beinhaltet das durchschnittliche Verhältnis von Intensität zur gemessenenStandardabweichung dieser Reflexe.In diesem konkreten Beispiel sind insgesamt 4695 Reflexe gemessen worden, von denen 3920 Reflexebeobachtet wurden (I/σ (I)


32Würde z. B. eine C-Zentrierung vorliegen, sollten alle Reflexe mit h+k = ungerade systematisch ausgelöschtsein. Die Spalte C besagt daher, daß der Datensatz von den insgesamt 4695 gemessenenReflexen, 2366 beinhaltet, für die h+k ungerade ist. Würde eine C-Zentrierung vorliegen, sollte k<strong>einer</strong>davon eine signifikante Intensität aufweisen. 2003 dieser Reflexe weisen jedoch ein I:sigma(I)-Verhältnis von mehr als 3 auf, d. h. sind signifikant beobachtet. Die für eine C-Zentrierung notwendigesystematische Auslöschung ist daher sicherlich durchbrochen, eine C-Zentrierung liegt nicht vor.Wird in dieser Weise jede Spalte überprüft, wird festgestellt, daß keine zusätzlichen Auslöschungenvorliegen, d. h. es sich um ein primitives Gitter handelt ( P = primitiv führt zu keinen systematischenAuslöschungen).• Das gewählte Gitter – hier P) wird einfach durch Betätigen der Eingabetaste ausgewählt.Im nächsten Programmschritt wird vom Programm geprüft, ob sich die gefundene primitiveElementarzelle in eine Elementarzelle höherer Symmetrie, beispielsweise in eine zentrierte monoklineoder orthorhombische Zelle, transformieren läßt (Option H = Search for higher metric symmetrie).• Starten Sie die Suche durch Bestätigen mit der Eingabetaste.Search for higher METRIC symmetry-------------------------------------------------------------------------------Option A: FOM = 0.000 deg. TRICLINIC P-lattice R(int) = 0.028 [2740]Cell: 5.951 6.107 10.703 77.37 82.32 72.00 Volume: 360.09Matrix: 1.0000 0.0000 0.0000 0.0000 1.0000 0.0000 0.0000 0.0000 1.0000Select option AIn diesem konkreten Beispiel wird keine Transformation gefunden, d. h. die ursprünglicheElementarzelle wird beibehalten.• Diese Wahl wird durch Betätigen der Eingabetaste bestätigt.Wäre eine Transformation möglich, hätten wir dies sicherlich schon vor der Messung festgestellt, dadie Steuersoftware des Diffraktometers über ein ähnliches Programm verfügt.Das wichtigste Kriterium bei der Wahl eines bestimmten Kristallsystem ist nicht die Kristallmetrik, d.h. die Längen und Winkel der Elementarzelle, sondern ob die gemessenen Reflexe eine bestimmteIntensitätssymmetrie aufweisen. In diesem konkreten Beispiel, dem triklinen Kristallsystem, müssenalle Reflexe hkl sowie –h-k-l (Friedel-Paare) eine nahezu gleiche Intensität aufweisen. Der kleineinterne R-Wert R(int) von 0.028 (2.8%) bestätigt dies.Im folgendem Programmschritt wird die Raumgruppe bestimmt. Hierzu müssen zuvor dasentsprechende Kristallgitter und die entsprechende Kristallsymmetrie nochmals durch Betätigen derEingabetaste bestätigt werden.• Wählen Sie Option [S] (Determine or input SPACE GROUP).• Wählen Sie Option [S] (Determine SPACE GROUP).• Bestätigen Sie das trikline Kristallsystem mit Option [A]• Bestätigen Sie den primitiven Gittertyp mit Option [P].Space group determinationCrystal system A and Lattice type P selectedMean |E*E-1| = 0.904 [expected .968 centrosym and .736 non-centrosym]Chiral flag NOT set


33Systematic absences not required for triclinicOption Space Group No. Type Axes CSD R(int) N(eq) Syst. Abs. CFOM[A] P-1 # 2 centro 1 8646 0.017 2341 0.0 / 47.3 0.63[B] P1 # 1 chiral 1 700 0.017 2341 0.0 / 47.3 3.17Option [A] chosenIm triklinen Kristallsystem finden sich nur die beiden Raumgruppen P1 und P-1, welche sich nurdurch die An- bzw. Abwesenheit eines kristallographischen Inversionszentrum unterscheiden. Wiebereits erwähnt führt dieses Symmetrieelement zu keinen zusätzlichen Auslöschungen und die Raumgruppekann zu diesem Zeitpunkt nicht eindeutig bestimmt werden. Da es sich bei P1 um eine chirale(Nicht-zentrosymmetrische), bei P-1 um eine Zentrosymmetrische Raumgruppe handelt, kann hier diesog. Intensitätsstatistik einen ersten Hinweis auf die richtige Raumgruppe liefern. Hierzu berechnetdas Programm einen sog. E ⋅ E -1 -Wert, dessen Erwartungswert für eine zentrosymmetrische Struktur(z. B. P-1) ungefähr 0.968, für eine Nicht-zentrosymmetrische Struktur (z. B. P1) ungefähr 0.736 beträgt.Für diesen konkreten Fall wird vom Programm ein Wert von 0.904 berechnet, der näher an demErwartungswert für eine Zentrosymmetrische Struktur liegt. Das Programm schlägt daher als wahrscheinlichsteRaumgruppe P-1 vor. Es sei jedoch erwähnt daß dies kein eindeutiges Kriterium ist. DieWahl der richtigen Raumgruppe muß durch eine erfolgreiche Strukturlösung und Strukturverf<strong>einer</strong>ungbestätigt werden.• Bestätigen Sie diese Wahl mit der Option [A] und Betätigen der Eingabetaste.Im folgendem Programmschritt wird der Inhalt der Elementarzelle sowie Z (Anzahl derFormeleinheiten pro Elementarzelle) bestimmt.• Bestätigen Sie dies mit Option [C] (Define unit-cell contents) und Betätigen der Eingabetaste.Nach Auswahl der entsprechenden Option, muß die chemische Zusammensetzung der Verbindungeingegeben werden, wobei das zweite Elementsymbol jeweils klein geschrieben und jedes Elementmit dessen Multiplikationsfaktor durch Betätigen der Leertaste voneinander getrennt werden muß.• Bestätigen Sie dies durch Betätigen der EingabetasteIn diesem konkreten Fall führt dies zu folgender Ausgabe:Tentative Z (number of formula units/cell) = 2.0 giving rho = 2.303,non-H atomic volume = 16.4 and following cell contents and analysis:O 18.00 57.67 % H 20.00 4.04 %S 2.00 12.84 % Cu 2.00 25.45 %Auf Grund der eingegebenen Summenformel berechnet das Programm, das insgesamt 2 dieserFormeleinheiten pro Elementarzelle vorliegen. Daneben werden weitere Parameter wie die Dichte derVerbindung, das Nicht-H-Atomvolumen, die Anzahl aller Elektronen in der Elementarzelle (F000)sowie der Absorptionskoeffizient berechnet.• Verlassen Sie diese Routine und gehen zurück <strong>zum</strong> Hauptmenü indem Sie Option [E] (EXIT tomain menu wählen).Das Programm fragt nun ob eine Datei für die Strukturlösung mit SHELXS erstellt werden soll (SetupSHELXTL FILES).• Bestätigen Sie Option [F] durch Betätigen der Eingabetaste.


34• Bestätigen Sie den vorgeschlagenen Dateinamen (CUSO4) durch Betätigen der Eingabetaste.Anschließend erscheint der Inhalt der Datei auf dem Bildschirm:-------------------------------------------------------------------------------File cuso4.INS set up as follows:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.951 6.107 10.703 77.37 82.32 72.00ZERR 2.00 0.001 0.001 0.002 0.03 0.03 0.03LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2TREFHKLF 4END-------------------------------------------------------------------------------• Überschreiben Sie die bestehende HKL-Datei durch Eingabe von Y und Betätigen derEingabetaste.• Sie können das Programm nun mit der Option [Q] und Betätigen der Eingabetaste verlassen.Damit sind alle wichtigen Parameter bestimmt.9 Strukturlösung9.1 EinführungDas folgende Kapitel beinhaltet einen der wichtigsten Teile <strong>einer</strong> Kristallstrukturbestimmung, dieStrukturlösung. Das Ziel <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung und der Strukturlösung ist ja dieBestimmung der Position der Atome in der Elementarzelle. Ausgedrückt wird dies durch deren Lagekoordinatenx, y, z (Abb. 9.1). Der Ursprung unseres Koordinatensystems befindet sich in der Regelauf der Ecke unserer Elementarzelle. Ein Atom welches im Ursprung angeordnet ist erhält die Koordinaten0 0 0. Die Lage eines Atoms in der Elementarzelle wird dadurch erhalten, indem ausgehend vomUrsprung x ⋅ die Länge der a-Achse in Richtung a, y ⋅ die Länge der b-Achse in Richtung b und z ⋅ dieLänge der c-Achse in Richtung c abgetragen wird. Dies bedeutet, daß diese Koordinaten Anteile(Fraktionen) der Länge der Zellachsen beschreiben. Diese werden daher als fraktionelle Koordinatenbezeichnet. Eine Koordinate von 0.5 0.5 0.5 (½ ½ ½) bedeutet daher, daß 0.5 mal die Länge allerAchsen in Richtung dieser Achsen abgetragen werden muß. Dies entspricht genau dem Mittelpunktder Elementarzelle (Abb. 9.1). Es werden daher am Ende <strong>einer</strong> Strukturlösung “Atomlagen“ erhalten,welche durch ihre fraktionellen Koordinaten beschrieben sind. Sind diese Lagekoordinaten bekannt,können wichtige Strukturparameter wie Bindungslängen und Bindungswinkel berechnet werden.Es stellt sich nun die Frage, welcher Teil eines Moleküls nach <strong>einer</strong> Strukturlösung erhalten wird. Beider Einführung des Begriffs der Elementarzelle wurde ja erwähnt, daß dieses Konzept insofern sehrnützlich ist, da sich dann die Bestimmung der Kristallstruktur auf den Inhalt der Elementarzellebeschränkt. Bestimmen wir nun immer den Inhalt der gesamten Elementarzelle oder nur einen Teildavon? In dem hier vorgestellten Beispiel, der Bestimmung der <strong>Einkristall</strong>struktur von CuSO 4 ⋅ 5 H 2 O,ergab ja die Bestimmung der Anzahl der Formeleinheiten pro Elementarzelle, daß insgesamt 2Komplexe von CuSO 4 ⋅ 5 H 2 O in der Elementarzelle enthalten sein sollten. Müssen wir jetzt nach zweivollständigen Komplexen suchen? Um eine Antwort darauf zu finden, müssen Sie sich wieder inErinnerung rufen was Sie bislang über Symmetrie in Kristallen gelernt haben.


351,1,1 = 0,0,01,0,0 =0,0,01/2,0,0x,y,z1/2,1/2,1/21/2,1,1 =1/2,0,0ac0,0,0b0,y,0y,0,zAbb. 9.1: Links: Erläuterung des Begriffs “fraktionelle Koordinaten; Rechts: Lage eines Molekülsin der ElementarzelleCuSO 4 ⋅ 5 H 2 O kristallisiert vermutlich in der triklinen Raumgruppe P-1. Die Laue-Gruppe ist –1, d. h.in unserer Struktur und in unserer Elementarzelle sind Inversionszentren vorhanden. Dies führt dazu,daß die beiden Komplexe durch Inversion ineinander überführt werden können, d. h. die Struktur derbeiden Komplexe muß identisch sein. Diese beiden Komplexe werden als “symmetrie-äquivalent“bezeichnet. Es genügt daher, wenn die Lageparameter nur von einem der beiden symmetrieäquivalentenKomplexe bestimmt wird. Die des anderen werden ganz einfach durch Inversionerhalten. Eine Berechnung, die von einem Programm leicht ausgeführt werden kann. Unsere Bestimmungreduziert sich damit nicht auf den Inhalt <strong>einer</strong> Elementarzelle, sondern auf den Teil unsererStruktur, der durch Symmetrie nicht weiter erniedrigt werden kann. Dieser Teil wird als“asymmetrische Einheit“ bezeichnet.Asymmetrische Einheit:1 kristallographischunabhängiges Molekülin allgem<strong>einer</strong> Lagex, y, zInversionszentrum-1Symmetrie-equivalentesMolekül-x, -y, -zAbb. 9.2: Inhalte und Symmetriebeziehungen in <strong>einer</strong> triklinen Elementarzelle der Laue-Gruppe –1mit 2 Molekülen (Komplexen) in der Elementarzelle in allgemeinen Lagen.Wie aus Abb. 9.2 ersichtlich ist, befindet in diesem Fall das Inversionszentrum genau in der Mitte derElementarzelle und die asymmetrische Einheit besteht aus einem vollständigen Molekül. In diesemFall wird von einem kristallographisch unabhängigen Molekül in allgem<strong>einer</strong> Lage gesprochen. Unabhängigdeshalb, da die Lageparameter aller Atome unabhängig voneinander bestimmt werden müssen,die Symmetrie sich also nicht weiter erniedrigen läßt. Leider sind die Verhältnisse nicht immer soeinfach. Die asymmetrische Einheit muß nicht immer aus vollständigen Molekülen bestehen, sondernes besteht prinzipiell auch die Möglichkeit, daß diese nur aus einem Bruchteil eines vollständigenMoleküls besteht. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein Molekül auf einem oder um ein kristallo-


36graphischen(s) Symmetrieelement angeordnet ist. Bleiben wir bei unserem konkreten Fall, <strong>einer</strong>Struktur in der triklinen Raumgruppe P-1. Kristallisiert ein Molekül, welches an sich schon inversionssymmetrischist in dieser Raumgruppe, besteht die Möglichkeit daß die Elementarzelle nur ein einzigesvollständiges Molekül (Komplex) enthält (Z = 1), welches dann um ein Inversionszentrum angeordnetsein muß (Abb. 9.3). Die asymmetrische Einheit besteht in diesem Fall aus nur einem halbenMolekül (Komplex), die andere Hälfte wird durch Anwendung der Symmetrieoperation der Inversionerzeugt. Für diesen Fall müssen die Lageparameter x y z nur für die Hälfte aller Atome ermitteltwerden, da die anderen inversionssymmetrisch sind. Dies wird als ein halbes kristallographisch unabhängigesMolekül bezeichnet, welches sich in spezieller Lage befindet. Speziell deshalb, da es um einkristallographisches Symmetriezentrum angeordnet ist. Es versteht sich von selbst, daß in diesem Falldaß Molekül selbst Inversionssymmetrie aufweisen muß. Ansonsten würde die Anwendung des Inversionszentrumzu einem “strukturellen Chaos“ führen.1 krist.unabh. Molekülx, y, z 1/2 krist.-1SymmetrieequivalenterTeil-x, -y, -zunabh.Molekülx, y, z-1SymmetrieequivalenterTeil-x, -y, -z-1Abb. 9.3: Links oben: Ein kristallographisch unabhängiges Molekül in allgem<strong>einer</strong> Lage (Z = 2);Rechts: Ein halbes kristallographisch unabhängiges Molekül in spezieller Lage (Z = 1),Unten: Vervollständigung der asymmetrischen Einheit bei Z = 1.Um die Sache noch komplizierter zu machen, möchte ich noch erwähnen, daß die asymmetrischeEinheit auch aus zwei kristallographisch unabhängigen Molekülen bestehen kann. Beispielsweiseimmer dann, wenn deren Molekülstruktur signifikant unterschiedlich ist. Hierbei können sich diebeiden Moleküle z. B. in der Konformation <strong>einer</strong> Seitenkette unterscheiden. Sind die Konformationenzweier Moleküle verschieden, die Moleküle für sich jedoch inversionssmmetrisch, könnte die asymmetrischeEinheit aus zwei halben kristallographisch unabhängigen Molekülen bestehen, welche jedesfür sich um ein kristallographisches Inversionszentrum angeordnet ist. Warum erzähle ich Ihnen diesalles. Rechnen Sie einfach damit daß Sie in Ihrem praktischen Beispiel nach der Strukturlösung nichtimmer vollständige Moleküle oder Komplexe erkennen können, sondern unter Umständen auch halbeoder gleich mehrere davon.


37Nun, da wir jetzt alle wissen wonach während <strong>einer</strong> Strukturlösung gesucht werden muß,d. h. welche Koordinaten eigentlich bestimmt werden müssen, komme ich wieder <strong>zum</strong> eigentlichenThema, der Lösung <strong>einer</strong> Kristallstruktur zurück. Was beinhaltet dies eigentlich und was ist daseigentliche Problem hierbei. Eigentlich könnte doch alles so einfach sein. Wer sich an die Strukturfaktorgleichungerinnert (Gl. 6.1) weiß, daß die Lage der Atome in der Elementarzelle berechnetwerden kann, wenn die Intensität jedes einzelnen Beugungsreflexes richtig gemessen worden ist sowieZellparameter, Kristallsystem, Laue-Gruppe und Raumgruppe bekannt sind. Das Dumme ist nur, daßin dieser Gleichung die Phase jedes einzelnen Beugungsreflexes mit eingeht. Im folgendem wird daheretwas näher auf dieses Problem, welches in der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse als “Phasenproblem“bezeichnet wird, eingegangen. Die Theorie der Lösung dieses Problems ist äußerst komplex, immerhinsind dafür mehrere Nobelpreise vergeben worden, und ich werde mich daher auf das Nötigstebeschränken. Wichtig ist nur daß Sie sich merken, daß ein derartiges Problem existiert. Was ist dasdenn überhaupt für ein Problem? Bei der in unserem Experiment verwendeten Röntgenstrahlunghandelt es sich ja um eine elektromagnetische Wellenbewegung. Wer sich noch an die Physik derWellen erinnert, weiß, daß eine Welle durch folgende Parameter beschrieben ist (Abb. 9.4):• Die Wellenlänge, d. h. der Abstand zweier aufeinanderfolgender Wellenberge oder Wellentäler,• die Amplitude, d. h. die maximale Auslenkung <strong>einer</strong> Welle,• die Intensität, welche proportional <strong>zum</strong> Quadrat der Amplitude der Welle ist und• die Phase, d. h. der Abstand eines Wellenberges relativ <strong>zum</strong> Ursprung der Welle.Der Vollständigkeit halber sei hier auch die Frequenz, d. h. die Anzahl von Schwingungen proSekunde erwähnt, obwohl dies für unsere Betrachtungen k<strong>einer</strong>lei Rolle spielt.Phase relativ<strong>zum</strong> UrsprungAmplitudeNicht polarisiertpolarisiertAusbreitungsrichtungUrsprungAusbreitungsgeschwindigkeitWellenlängeWellenlänge= FrequenzIntensität: proportional <strong>zum</strong> Quadrat der AmplitudeAbb. 9.4:Kennzeichen <strong>einer</strong> elektromagnetischen Wellenbewegung.Sind alle möglichen Schwingungsebenen der Welle vorhanden, wird diese als Nicht-polarisiert bezeichnet.Sind dagegen alle Schwingsungsebenen bis auf eine herausgefiltert, wird dies als polarisiertesLicht bezeichnet. Wichtig ist nun daß diese Wellen, vorausgesetzt die einzelnen Teilwellen sindphasenverschoben, d. h. Berge und Täler aller Teilwellen liegen nicht übereinander, miteinander interferieren.Die Intensität der aus dieser Interferenz hervorgehenden Welle kann je nach Ausmaß derPhasenverschiebung, verstärkt sein, die ursprüngliche Intensität beibehalten oder vollständig ausgelöschtsein (Abb. 9.5). Auch die einzelnen Teilwellen unserer gemessenen Beugungsreflexe sind


38gegeneinander phasenverschoben. Dies rührt daher daß die Teilwellen der eingestrahlten Röntgenstrahlenwelche in Phase schwingen an unterschiedlichen Stellen in der Elementarzelle, den Atomengebeugt werden. Dadurch erhalten diese einen Gangunterschied, d. h. Wellentäler und Wellenbergekönnen nicht mehr zur Deckung gebracht werden. Diese Teilwellen sind phasenverschoben. Angegebenwird dies durch den Phasenwinkel α, der die Phasenverschiebung relativ <strong>zum</strong> Ursprung derElementarzelle angibt. Um jedoch aus der Intensität der gebeugten Strahlung auf die Anordnung undDimensionen, d. h. unsere Struktur der Atome rückschließen zu können benötigen wir die Phase jedeseinzelnen Beugungsreflexes der gemessen wurde. Ohne diese Information können wir die Lagen derAtome in der Elementarzelle nicht bestimmen. Das ist also das Phasenproblem.Zur Bestimmung der Phase der Beugungsreflexe existieren mehrere Verfahren, von denen diePatterson-Methode und die direkte Methode am verbreitetsten sind. Auf die Theorie diese Methodenwird an dieser Stelle nicht eingegangen, da diese äußerst kompliziert ist. Es sollen im folgenden nureinige wesentliche Kennzeichen dieser Methoden beschrieben werden. Allen Methoden gemeinsamist, daß möglichst viele Beugungsintensitäten gemessen und beobachtet werden müssen. Der Erfolgtsteht und fällt mit der Qualität der gemessenen Daten.SurferAbb. 9.5:Links: Interferenz einzelner Teilwellen; Rechts: Physikalische Grundlage desPhasenwinkels α.Die Patterson-Methode ist eine sog. Schweratom-Methode. Diese kann daher nur zur Anwendungkommen, wenn <strong>zum</strong>indest ein Schweratom in der Struktur, beispielsweise Kupfer oder Brom enthaltenist. Dies ist der Grund dafür daß die Chemiker in die ersten Verbindungen, welche strukturanalytischuntersucht worden sind, immer ein Schweratom einbauen mußten. Nur dann konnte die Struktur überhauptgelöst werden. Seit der Entwicklung der direkten Methode sind diese Zeiten vorbei. Mit diesemVerfahren können auch Strukturen gelöst werden, die ausschließlich aus leichten Atomen, beispielsweisedie in typischen organischen Verbindungen bestehen. Vereinfacht ausgedrückt bedeutet dies daßausgehend von einigen wenigen Reflexen, deren Phasen bekannt sind (Startreflexe), die unbekanntenPhasen der anderen Reflexe mit <strong>einer</strong> gewissen Wahrscheinlichkeit abgeschätzt werden können. DerBegriff der Wahrscheinlichkeit ist hier besonders wichtig, denn die Wahrscheinlichkeit, daß dieLösung der Struktur richtig ist, wächst mit der Anzahl der für die Lösung zur Verfügung stehendenReflexe. Sind nur wenige Reflexe gemessen und beobachtet worden da der Kristall beispielsweise sehrschlecht Röntgenstrahlung beugt, kann das Programm die richtige Lösung nicht oder nur sehr schwer


39finden. Natürlich kennt der erfahrene Kristallograph in den meisten Fällen noch Tricks und Kniffe dierichtige Lösung herauszuholen. Dennoch sind gute Daten sehr wichtig.Nun besteht der Teil der Strukturlösung wie Sie ihn im <strong>Praktikum</strong> ausführen nicht nur im Auffindender richtigen Phasen der Reflexe, sondern es schließt sich immer ein zweiter Schritt, nämlich dieBerechnung <strong>einer</strong> Elektronendichtekarte an. Beide Schritte werden von einem Programm ausgeführt.Was hat es denn nun auf sich mit dem Begriff der Elektronendichtekarte ?Ich hatte ja bereits erwähnt daß das Ziel <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung die Bestimmung derAtomlagen in der Elementarzelle beinhaltet oder genauer gesagt die Atomlagen in der asymmetrischenEinheit. Sind diese bekannt, kann die gesamte Struktur allmählich aufgebaut werden indem sämtlichein der betreffenden Raumgruppe vorkommenden Symmetrieelemente unter Berücksichtigung derTranslation auf die Atome in der asymmetrischen Einheit angewendet werden. Eigentlich ganz einfach.Die Frage ist nun ob wir am Ende <strong>einer</strong> Strukturlösung überhaupt Atome sehen, d. h. diese voneinanderunterscheiden können. Um eine Antwort geben zu können, müssen wir den Beugungsvorgangetwas detaillierter betrachten. An welchen Stellen im Kristall wird denn nun eigentlich dieRöntgenstrahlung gebeugt?Es ist nun so daß in der Röntgenbeugung die einfallende Röntgenstrahlung an den Elektronen derAtome gebeugt wird. Die einfallenden Röntgenwellen versetzen die Elektronen in Schwingung, wobeidiese zu oszillieren beginnen und ihrerseits Röntgenstrahlung emittieren. Diese emittierte Röntgenstrahlung(Röntgenreflex) wird mit einem Zählrohr gemessen. Dies bedeutet daß die eingestrahlteRöntgenstrahlung mit der Elektronenhülle der Atomkerne wechselwirkt. Im Gegensatz hierzu findetder Beugungsvorgang bei der Verwendung von Neutronenstrahlung (Neutronenbeugung) an denAtomkernen statt, da die Neutronen nicht mit den Elektronen sondern mit den Atomkernen wechselwirken.Dies hat für ganz bestimmte Anwendungen viele Vorteile. Da nun die Röntgenstrahlen mitden Elektronen der Atome wechselwirken erhalten wir in unserem Experiment daher ausschließlichInformationen über deren Elektronendichteverteilung. Die Elektronendichte in der Elementarzellewird sich natürlich an verschiedenen Stellen unterscheiden. Es wird Bereiche hoher Elektronendichtesowie Bereich niedriger Elektronendichte geben. An den Stellen, an denen die Elektronendichte sehrhoch ist, wir also Maxima erhalten, wird sich vermutlich ein Atom verbergen. Woher sonst sollte dieElektronendichte denn herkommen. Die Höhe des Elektronendichtemaximums wird natürlich davonabhängen über wieviel Elektronen ein Atom verfügt. Ein Uranatom wird natürlich ein viel höheresMaximum ergeben als beispielsweise ein Kohlenstoffatom. Um die Elektronendichteverteilung ausden gemessenen Intensitäten der Beugungsreflexe zu bestimmen, schließt sich also nach der eigentlichenStrukturlösung, d. h. der Berechnung der Phasen der Beugungsreflexe ein zweiter Schritt an(Abb. 9.6).Das Verfahren zur Berechnung der Elektronendichteverteilung ist sehr kompliziert und wird daherauch nicht näher erläutert. Es sei nur darauf hingewiesen daß es sich hierbei um eine Fourier-Synthesehandelt, welche die Berechnung <strong>einer</strong> dreidimensionalen Elektronendichtefunktion <strong>zum</strong> Ziel hat. Umdas Prinzip <strong>einer</strong> Strukturlösung zu verstehen, ist es auch überhaupt nicht notwendig alle Schritte imDetail nachvollziehen zu können. Wichtig ist nur daß Sie sich merken, daß das primäre Ergebnis <strong>einer</strong><strong>Einkristall</strong>strukturlösung unterschiedliche hohe Elektronendichtemaxima sind und daher a priori nichtentschieden werden kann, um welche Art von Atomen es sich handelt. Dies geschieht in einem weiterenSchritt, der Strukturverf<strong>einer</strong>ung


40Bestimmung der Phasender gemessenen F(hkl)Patterson-MethodenBerechnung <strong>einer</strong>ElektronendichtekarteFourier-SyntheseDirekte MethodenIsomorpher Ersatzetc.Abb. 9.6:Schematische Darstellung der beiden Schritte, welche im Rahmen <strong>einer</strong> Strukturlösungvom Programm ausgeführt werden müssen.Da die dreidimensionale Darstellung der Elektronendichteverteilung recht schwierig ist, werden in derRegel unterschiedlich breite Schnitte durch die Elementarzelle gelegt und innerhalb dieser Schnitte dieElektronendichte berechnet. Hierzu wird beispielsweise die c-Achse in lauter kleine Stücke zerlegt unddie Elektronendichte in der a-b-Ebene alle 0.3 Å berechnet. Daraus resultiert eine Art Höhenliniendiagramm,wie Sie es beispielsweise von Landkarten her kennen. Ein Berg entspricht einemElektronendichtemaximum, ein Tal hingegen einem Minimum der Elektronendichte (Abb. 9.7).Derartige Schnitte werden als Elektronendichtekarten (E-maps) bezeichnet. Mit etwas Glück undchemischen Sachverstand kann aus diesen Diagrammen ein Großteil der Struktur erkannt werden.Abb. 9.7:Elektronendichtekarten (E-maps) in Form von Höhenliniendiagrammen <strong>einer</strong> einfachenorganischen Verbindung.Nun ist die Zeit auch bei der Erstellung von Elektronendichtekarten nicht stehengeblieben und diemodernen Programme verfügen über “Peak-Such-Routinen“. Dabei wird die Elementarzelle bzw. die


41asymmetrische Einheit systematisch nach hohen Elektronendichtemaxima abgesucht und deren Lage,beschrieben durch die Koordinaten x, y und z automatisch in <strong>einer</strong> Datei abgespeichert. Da dieSummenformel der Verbindung sowie der Inhalt der Elementarzelle in der Regel bekannt ist, mußauch nicht nach unendlich vielen Maxima gesucht werden. Passen beispielsweise nur 10 Atome ineine Elementarzelle hinein, macht es wenig Sinn die Lage von 100 Elektronendichtemaxima zu bestimmen.Wichtig ist daß anhand der Höhe der Peaks abgeschätzt werden kann, ob es sich um einschwereres oder um ein leichteres Atom handelt. Die Lage der Peaks kann dann beispielsweise mit<strong>einer</strong> modernen Grafik-Software angeschaut werden. Das Ergebnis <strong>einer</strong> derartigen Peak-Suche ist inAbbildung 9.8 für Weinstein (Kaliumsalz der Weinsäure) gezeigt.Die Aufgabe des “Strukturlösers“ besteht nun darin, den gefundenen Elektronendichtemaxima sukzessiveAtome zuzuordnen, um so allmählich zu einem sinnvollen Strukturmodell zu gelangen. DenBegriff des Strukturmodells halte ich persönlich für außerordentlich wichtig, da dieser eine nicht allgemeinbekannte Tatsache in der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse beinhaltet. Im Gegensatz zu den beispielsweisemikroskopischen Methoden, in denen das Objekt welches Sie sich anschauen, direkt beobachtetwerden kann, ist dies in der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse nicht möglich. Was primär erhalten wirdAbb. 9.8:Ergebnis <strong>einer</strong> Peak-Suche in der Elektronendichteverteilung <strong>einer</strong> Messung vonWeinstein.ist eine Elektronendichteverteilung, der wir nach und nach Atome zuordnen. Wir erstellen daher einModell <strong>einer</strong> Struktur auf von dem wir glauben daß dies richtig ist und der tatsächlichen Struktur entspricht.Wir haben jedoch nahezu gar keinen Beweis dafür, daß es sich bei einem zugeordneten Atomtatsächlich um dieses Element handelt. Ob unser erstes Strukturmodell richtig ist oder nicht wird dernächste Schritt, die Strukturverf<strong>einer</strong>ung zeigen. Am Ende können wir Aussagen darüber machen wiezuverlässig unser Modell ist. Haben Sie daher k<strong>einer</strong>lei Skrupel bei der Zuordnung der Elemente.Sollten Sie in Ihrer Strukturbestimmung ein Atom falsch zuordnen und beispielsweise aus einemKupferatom ein Schwefelatom machen, so sind Sie sicherlich nicht die ersten denen etwas derartiges


42passiert. Sie erkennen aber aus diesen Ausführungen etwas wirklich wichtiges. Die Röntgenstrukturanalysekann nicht als Elementaranalyse herangezogen werden. In der Regel ist es überaus wichtig<strong>zum</strong>indest die Elementzusammensetzung zu kennen. Hierzu müssen Sie auf andere Methoden, beispielsweiseauf die EDX-Analyse zurückgreifen. Natürlich werden die Atome oder genauer gesagt dieElemente nicht willkürlich zugeordnet, dennoch kommen immer mal wieder Verwechslungen vor.Sind alle Elemente zugeordnet und die Elektronendichtemaxima denen kein sinnvolles Atom zugeordnetwerden konnte eliminiert, wird ein Bild erhalten, daß mit der erwarteten Struktur doch einegewisse Ähnlichkeit aufweisen sollte (Abb. 9.9).Was bedeutet hier eigentlich erwartet? Wir wollten doch eigentlich die Struktur bestimmen. Würdenwir diese schon kennen, müßten wir ja keine Strukturanalyse durchführen. Erwartet bedeutet in diesemZusammenhang daß bestimmte Geometrieparameter wie Bindungslängen und Winkel den Wertenentsprechen, die auch in anderen Verbindungen gefunden werden. Oftmals empfiehlt es sich auchdiese Werte mit denen zu vergleichen, die mit theoretischen Methoden berechnet worden sind. Entsprichteine Struktur ganz und gar nicht den Erwartungen, finden sich beispielsweise ungewöhnlichkurze oder lange Bindungslängen, bestehen im Prinzip zwei Möglichkeiten: Zum einen können Siejedem erzählen daß Sie für zwei bestimmte, aneinander gebundene Atome die kürzeste Bindungslängeder Welt gefunden haben. Vielleicht macht Sie das ja berühmt. Zum anderen können Sie, und ichpersönlich halte dies für den einzig vernünftigen Weg, ihre gesamten während der Strukturanalysedurchgeführten Schritte sowie die Elementzusammensetzung nochmals <strong>einer</strong> kritischen Prüfung unterziehen.Vielleicht hat sich ja irgendwo ein Fehler eingeschlichen. Es wäre nicht das erstemal daß einauf den ersten Blick ungewöhnlich anmutendes Ergebnis, bei erneuter Überprüfung auf ein vernünftigeszurückgeführt werden kann. Verstehen Sie daher selber etwas von der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse,können Sie sich selber ein Bild davon machen ob ein Strukturmodell vernünftig ist oder nicht. Siemüssen sich dann nicht ausschließlich auf “Expertenmeinungen“ verlassen.Abb. 9.9:Erste Zuordnung der Atome von Weinstein zu den im “Peak-Search“ gefundenenElektronendichtemaxima.9.1 Praktische DurchführungIm folgendem finden Sie den Gang <strong>einer</strong> Strukturlösung sowie des Aufstellens eines ersten Strukturmodellsam Beispiel von CuSO 4 · 5 H 2 O. Diese Vorgänge sind natürlich auf die von Ihnen zu bearbeitendeStruktur übertragbar. Wie Sie im folgendem sehen werden, ist die praktische Durchführung


43<strong>einer</strong> Strukturlösung wesentlich einfacher als die Theorie die sich dahinter verbirgt. Alles geschiehtganz automatisch und in der vom Programm berechneten Elektronendichtekarte verbirgt sich meist dierichtige Lösung. Ein gewisses Grundverständnis der Theorie der Strukturlösung ist jedoch sehr hilfreich,wenn sich eine Struktur nicht auf Anhieb lösen läßt. Nur dann weiß der Benutzer an welchenParametern im Programm er herum schrauben muß, um doch noch eine vernünftige Lösung zu erhalten.Die von Ihnen im <strong>Praktikum</strong> zu bearbeitende Struktur sollte das Programm jedoch problemloslösen können. Jetzt erst einmal viel Glück und Freude an der Strukturlösung.Notwendige Dateien:Dateiname.HKL (Datei mit den gemessenen Reflexintensitäten)Dateinname.INS (Datei, welche vom Programm XPREP erstellt worden ist und sämtliche Parameterund Befehle enthält, die das Strukturlösungsprogramm benötigt).Notwendige Programme:XS-94, XPDas Programm XPREP hat automatisch eine Datei erstellt (Dateiname.INS), welche alle notwendigenInformationen für eine Strukturlösung mit direkten Methoden enthält. Bevor Sie jedoch das Programmstarten, müssen sie diese Datei bearbeiten (Editieren). Dies geschieht wie folgt:Geben Sie den Befehl EDIT Dateiname.INS in die Eingabezeile ein und Bestätigen Sie durchBetätigung der Eingabetaste. Die Datei erscheint auf dem Bildschirm und sieht ungefähr wie folgt aus:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.951 6.107 10.703 77.37 82.32 72.00ZERR 2.00 0.001 0.001 0.002 0.03 0.03 0.03LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2TREFHKLF 4ENDDie in dieser Datei enthaltenen Befehle haben folgende Bedeutung:TITL:Beliebiger TitelCELL: Wellenlänge (MoKα) sowie Gitterparameter (a, b, c, α, β, γ)ZERR:Anzahl der Formeleinheiten (Z) sowie die Standardabweichungen der GitterparameterLATT: Bravais-Typ sowie Angabe zur Zentro- oder Nicht-Zentrosymmetrie der Struktur (LATT 1:SFAC:UNIT:TREF:HKLF:END:Primitives Gitter sowie zentrosymmetrische Struktur,. Raumgruppe P-1)Auflistung der in der Struktur enthaltenen Elemente (O, H, S, Cu)Anzahl der Atome in der gesamten Zelle (Summenformel der Verbindung mal Anzahl derFormeleinheiten pro Elementarzelle)Befehl für eine Strukturlösung mit direkten MethodenAutomatisches Einlesen der Daten in einem bestimmten Format aus der HKL-Datei.Ende des ProgrammsSollte es sich hierbei um eine monokline oder höher-symmetrische Raumgruppe handeln, so finden sienoch den Befehl “SYMM“, der zusätzliche Symmetrieelemente dieser Raumgruppe beinhaltet.


44Sie müssen nun die Standardabweichungen der Gitterparameter in der ZERR-Zeile aktualisieren, dadiese noch nicht mit den gemessenen Werten übereinstimmen. An die entsprechenden Stellen in derDatei gelangen Sie entweder mit der Maus oder mit Hilfe der Cursor-Tasten. Entfernen Sie einfach diealten Zahlen mit der Taste Entf auf Ihrer Tastatur. Die Aktualisierung der Standardabweichungen istdeshalb notwendig, da diese Werte in die Berechnung der Standardabweichungen der Strukturparameter(Bindungslängen und Winkel) mit eingehen. Dies ist insofern vernünftig, da schlecht bestimmteGitterparameter natürlich auch zu schlecht bestimmten Strukturparametern führen müssen. Wenn Siedie Werte geändert haben, müssen Sie die nun veränderte Datei Speichern indem Sie durch Betätigender linken Maustaste den Befehl Speichern im Menüpunkt Datei ausführen. Anschließend beendenSie das Editieren der Datei mit dem Befehl Beenden ebenfalls im Menüpunkt Datei.Sie können nun versuchen die Struktur mit Hilfe von direkten Methoden zu lösen:• Geben Sie in die Befehlszeile XS94 Dateiname ein und Betätigen Sie die Eingabetaste.Die Strukturlösung beginnt. Das Programm verwendet nun vollautomatisch die Datei Dateiname.INSsowie die Daten aus der Datei Dateiname.HKL. Sie können die Strukturlösung nun live am Bildschirmmit verfolgen, wobei dies für einen Anfänger ungefähr genauso spannend ist wie die Live-Übertragung des Musikanten-Stadels. Grämen Sie sich also nicht, wenn Sie nicht wissen was all dieZahlen bedeuten. Zum einen kommt es auf das Ergebnis an und <strong>zum</strong> anderen hoffe ich natürlich, daßIhnen das anschließende Knobeln Spaß macht. Das Programm versucht nun ausgehend vonbestimmten Startphasen, die Phasen anderer Reflexe abzuschätzen und berechnet anschließend 50beste, d. h. wahrscheinlichste Lösungen. Für eine davon wird anschließend eine Elektronendichtekarteberechnet. Das Ergebnis der Strukturlösung wird in <strong>einer</strong> Datei (Dateiname.RES) abgespeichert. DieseErgebnis-(Resultat) Datei sieht für CuSO 4 · 5 H 2 O ungefähr wie folgt aus:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.951 6.107 10.703 77.37 82.32 72.00ZERR 2.00 0.001 0.001 0.002 0.03 0.03 0.03LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 4BONDFMAP 2PLAN 20MOLE 1CU1 4 0.5000 0.5000 0.5000 10.500000 0.05CU2 4 0.5000 1.0000 0.0000 10.500000 0.05CU3 4 0.1268 0.9867 0.2867 11.000000 0.05Q1 1 0.1348 1.1389 0.3737 11.000000 0.05 203.89Q2 1 -0.1168 0.9595 0.2988 11.000000 0.05 192.14Q3 1 0.3454 0.8223 -0.0718 11.000000 0.05 190.42Q5 1 0.3553 1.2871 -0.1178 11.000000 0.05 187.82Q6 1 0.1713 1.0880 0.1515 11.000000 0.05 178.92Q7 1 0.3003 0.7473 0.3165 11.000000 0.05 177.02Q8 1 0.2126 0.4640 0.5930 11.000000 0.05 175.36Q9 1 0.4818 0.7570 0.5768 11.000000 0.05 147.28Q11 1 0.2655 0.7914 0.1787 11.000000 0.05 47.92Q12 1 0.2617 1.0622 0.4772 11.000000 0.05 45.22Q13 1 0.5098 0.9544 -0.2162 11.000000 0.05 44.77Q14 1 -0.1642 1.1417 0.2507 11.000000 0.05 43.02Q15 1 -0.2420 1.0353 0.2214 11.000000 0.05 42.98Q16 1 0.3275 1.1765 0.1154 11.000000 0.05 41.86


45Q17 1 -0.2636 1.1114 0.1607 11.000000 0.05 40.92MOLE 2Q4 1 0.1305 0.5676 0.1240 11.000000 0.05 188.09Q10 1 0.0053 0.6381 0.0504 11.000000 0.05 51.93MOLE 3HKLF 4ENDEinige Befehle in dieser Datei haben Sie bereits kennengelernt. Es sind jedoch einige neue hinzugekommen,die Sie für die weiteren Berechnungen, d. h. die Verf<strong>einer</strong>ung der Struktur benötigen. DieseBefehle werden daher erst im nächsten Kapitel näher erläutert. Hier ist nur das Ergebnis der vomProgramm berechneten Elektronendichtekarte wichtig, welches Sie im unterem Bereich dieser Dateifinden. Nachdem das Programm mit Hilfe der besten der 50 gefundenen Lösungen die Verteilung derElektronendichte (Elektronendichtekarte) in der Elementarzelle berechnet hat, sucht eine “Peaksuch-Routine“, nach ausgeprägten Maxima in der Elektronendichteverteilung. Diese Maxima entsprechen inder Regel den Atompositionen der gesuchten Struktur. Ob die Strukturlösung richtig ist oder nicht,kann vom Fachmann anhand bestimmter Gütekriterien abgeschätzt werden. Es ist jedoch nicht notwendigauf diese einzugehen. Wir gehen einmal davon aus, daß Sie einen wirklich guten <strong>Einkristall</strong>ausgesucht haben, Elementarzelle, Raumgruppe und Kristallsystem richtig bestimmt und einenwirklich fantastischen Datensatz gemessen haben. Ist dies der Fall, wird auch das Programm Ihnen innichts nachstehen und die richtige Lösung für Sie ermitteln.Der Ort eines Elektronendichtemaximums in der Elementarzelle wird durch seine fraktionellen Koordinatenx, y, z beschrieben. Diese werden vom Programm berechnet und das Ergebnis in die DateiDateiname.RES geschrieben. Sie sollten sich die Datei kurz ansehen indem Sie diese Editieren. Wiedies geschieht, haben Sie bereits gelernt. In diesem Fall hat das Programm 17 ausgeprägte Maximagefunden. Diese sind nach absteigender Elektronendichte geordnet. Die erste Position entspricht einemhohem Elektronendichtemaximum, d. h. vermutlich einem Atom mit vielen Elektronen (z. B. Kupferoder Schwefel), das letzte Maximum einem niedrigem Elektronendichtemaximum, d. h. einem Atommit wenig Elektronen (z. B. Sauerstoff). Die Elektronendichtemaxima der Wasserstoffatome(Wasserstoffatompositionen) werden bei <strong>einer</strong> Strukturlösung in der Regel nicht gefunden, da dereneinziges Elektron ein zu geringes Maximum hinterläßt. Sie werden sich daher im Zuge der Strukturverf<strong>einer</strong>ungauf die Suche nach den Wasserstoffatompositionen begeben müssen. Die Angabe derMaxima in den Dateien sieht wie folgt aus:Atom SFAC-Nr. x y z SOF U ijCU1 4 0.1281 0.9861 0.7864 11.000000 0.05Q1 1 0.1338 1.1380 0.8735 11.000000 0.05Am Anfang der Zeile steht die Bezeichnung des Atoms um das es sich handelt (Q steht ganz einfachfür ein beliebiges Elektronendichtemaximum). Danach folgt die sog. SFAC Nr., die dem Programmmitteilt, um was für ein Atom es sich handelt. Nach der Strukturlösung steht diese Zahl immer für daserste Atom in der SFAC-Zeile in der INS-Datei, hier also Sauerstoff. Anschließend werden diefraktionellen Koordinaten x, y, z des Elektronendichtemaximums angegeben. Nun folgt derBesetzungsfaktor (SOF = Site Occupation Factor), der angibt zu welchem Teil diese Position besetztist. Befindet sich das Elektronendichtemaximum (Atom) nicht auf einem Symmetrieelement (AllgemeineLage) so ist diese Position vollständig besetzt (11.00000). Befindet sich das Elektronendichtemaximum(Atom) auf einem Symmetrieelement (Spezielle Lage) so ist diese Position nur unvollständigbesetzt (z. B. 10.50000, d. h. zur Hälfte). Die letzte Zahl steht für den Temperaturfaktor, der ein


47strukturchemischer Erfahrung basiert, verbindet der Chemiker diese mit <strong>einer</strong> Linie und behauptet, daßes sich hierbei um eine bindende Wechselwirkung, d. h. eine Bindung handelt. Unabhängig davon obdies tatsächlich der Fall ist oder nicht. In den meisten Fällen trifft dies auch zu. Gelegentlich kannüber das Vorliegen <strong>einer</strong> Bindung jedoch durchaus gestritten werden. Hier empfiehlt es sich aufandere, beispielsweise spektroskopische Untersuchungen zurückzugreifen.Im folgenden lernen Sie einige wichtige Befehle kennen, die Sie im Verlaufe der Zuordnung mehrmalsanwenden müssen. In die Befehlszeile gelangen Sie in der Regel immer wieder durch Betätigungder Leertaste. Dies wird jedoch nicht jeweils erwähnt. Schauen Sie einfach in Ihrem <strong>Skript</strong> nachwelche Bedeutung jeder Befehl hat. So viele sind es gar nicht. Auch werde ich nicht jedes Detail derZuordnung erwähnen, da Sie die Struktur ja lösen sollen und nicht ich. Ich kann es nämlich schon. Siesollten sich zunächst einen ersten Überblick über die Lage der Elektronendichtemaxima verschaffen.• Verwenden Sie den Befehl PERS.Für einen Anfänger sieht das erste Bild vermutlich grauenvoll aus. Verlieren Sie jedoch nicht den Mutund tasten sich allmählich an die Struktur heran. Schauen Sie sich die Struktur in <strong>einer</strong> quasidreidimensionalen Darstellung an.• Verwenden Sie hierzu den Befehl PROJ (Projection).Sie können die Struktur nun drehen während Sie diese begutachten. Klicken Sie einfach mit der Mausin das entsprechende Menü auf der rechten Bildschirmseite. Durch nochmaliges Anklicken, könnenSie den Befehl rückgängig machen. Dort befindet sich auch ein Symbol um sich die Bezeichnungenanschauen zu können. Spielen Sie einfach einige Minuten mit diesem Menü. Möchten Sie die Strukturin <strong>einer</strong> Rot-Grün-Darstellung ansehen, klicken Sie einfach auf STEREO. Verwenden Sie dazu diebeiliegende Brille. Das Menü verlassen Sie durch Anklicken von EXIT, oder für die, die es besonderseilig haben, durch Betätigen der ESC-Taste.Haben Sie ihren Spieltrieb befriedigt, sollten Sie sich wieder daran erinnern zu welchem Zweck wirdas Programm ursprünglich aufgerufen hatten. Beginnen sie daher die Atome zuzuordnen. Vermutlichhaben Sie nicht viel erkannt und die graphische Unterstützung alleine reicht nicht aus. Ein vernünftigerWeg um zu <strong>einer</strong> Zuordnung zu gelangen ist es, sich die Umgebung der einzelnen Maxima anzusehen.Auch die bereits zugeordneten Atome, in diesem konkreten Fall das Kupfer, entsprechen nurElektronendichtemaxima und könnten auch falsch zugeordnet sein. Da diese ganz oben in unsererListe stehen, entsprechen diese großen Maxima der Elektronendichte. Durch den Befehl INFOverschaffen Sie sich einen Überblick über die Bezeichnung der gefundenen Maxima. Da dieWahrscheinlichkeit dafür daß auf der Position eines Maximums tatsächlich ein Atom lokalisiert ist umso größer ist je weiter oben es in der Liste steht, sollten Sie bei der Zuordnung mit diesen Maximabeginnen. Schauen Sie sich einfach die Umgebung um die höchsten Peaks an. Dies geschieht mit demBefehl ENVI (Environment).• Geben Sie ENVI Cu1 1.5 ein (Dessen Position entspricht hier dem höchsten Maximum).Das Programm gibt Ihnen nun Abstände und Winkel zu den nächsten Nachbarn an. Damit einesinnvolle Zuordnung erfolgen kann, ist es hilfreich nach charakteristischen Abständen zu suchen. Dadie Abstände zu diesem Zeitpunkt noch sehr ungenau sind, können auch geringfügige Abweichungenvon den “Idealwerten“ auftreten. Diese Abstände betragen:


48Cu-O: Zwischen 1.8 und 2.6 Å; S-O: Zwischen 1.4 und 1.6 Å; Intermolekularer O⋅⋅⋅O-Abstand (z. B.zwischen H 2 O-Molekülen: Zwischen 2.7 und 2.9 Å)Werden Abstände zwischen zwei Maxima gefunden die kl<strong>einer</strong> als 1.3 Å sind, kann eines der beidenMaxima k<strong>einer</strong> Atomposition entsprechen. Die einzigen Abstände die in dieser Struktur auftreten könnenund kl<strong>einer</strong> als 1.3 Å sind, sind die O-H-Abstände in den Wassermolekülen. Wasserstoffatompositionenkönnen Sie jedoch in der Regel zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkennen.Fragen Sie ihren Betreuer nach den charakteristischen, in ihrer konkreten Struktur auftretendenAbständen.Die Ausgabe nach Ausführung des Befehls ENVI könnte folgendermaßen aussehen:ENVIRONMENT OF Q1Q1Q5 1555 1.543Q6 1555 1.495 109.2In diesem Fall ist das Atom Q1 an zwei weitere (Q5 und Q6) gebunden, wobei die Abstände zu beidenAtomen rund 1.5 Å betragen. Die Zahl in der letzten Spalte gibt den Winkel zwischen Q6-Q1-Q5 an.Dieser beträgt hier 109.2° und entspricht daher einem Tetraederwinkel. Die Wasserstoffatome könnenhier noch nicht lokalisiert werden. Die Zahl 1555 direkt nach Angabe des Elektronendichtemaximumsbezieht sich auf die Symmetrieoperation mit der dieses Atom erzeugt werden kann. Immer wenn Siedort die Ziffer 1555 finden, kümmern Sie sich nicht darum. Dieses Atom ist in Ihrer Atom- bzw.Konnektivitätsliste (INFO) enthalten und kann auch mit dem Befehl PERS oder PROJ angeschautwerden. Die Sache kann jedoch auch etwas komplizierter werden. Im nächsten Beispiel erhalten Siefolgende Ausgabe:ENVIRONMENT OF Q1Q2 1555 2.034Q5 1555 1.976 90.00Q5 2666 1.976 90.00 180.00Q6 1555 2.034 90.00 90.00 90.00Q6 2666 2.034 90.00 90.00 90.00 180.00Obwohl jedes Maximum nur ein einziges Mal in der RES-Datei und der Atomliste (INFO) vorkommt,findet das Grafik-Programm plötzlich mehrere Abstände doppelt. Darüber hinaus steht dort an zweiterStelle 2666 an Stelle der gewohnten Zahl 1555 und wenn Sie ihre Struktur mit PROJ ansehen, könnenSie Q5 und Q6 nur einmal erkennen.Wer sich an die Ausführungen über Symmetrie und asymmetrische Einheit erinnert, kann sich schondenken was hier vorliegt. Das Programm verfügt ja über sämtliche Symmetrieoperationen der Raumgruppe,hier beispielsweise P-1 (Inversionszentrum). Dieses Programm ist ja in der Lage unsere gesamteKristallstruktur durch Anwendungen aller Symmetrieoperationen, hier Inversion und Translation,auf die asymmetrische Einheit anzuwenden und diese zu vervollständigen. Offensichtlich ist dasAtom Q1 an insgesamt fünf Atome gebunden von denen zwei symmetrie-äquivalent sind. DiesesAtom ist daher auf <strong>einer</strong> speziellen Lage, hier einem kristallographischem Inversionszentrum angeordnet.Das es sich tatsächlich um zwei symmetrie-äquivalente Atome handelt, erkennen Sie an derZiffer 2666, welche die entsprechende Symmetrieoperation repräsentiert. Die Ziffer bedeuten im einzelnen:2 als 1. Zahl steht für die 2. Symmetrieoperation nämlich der Inversion: -x, -y, -z)


496 als 2. Zahl bedeutet Wert der x-Koordinate +1, d. h. um eine Einheitszelle in Richtung der positivenx-Achse verschoben.6 als 3. Zahl bedeutet Wert der y-Koordinate +1, d. h. um eine Einheitszelle in Richtung der positiveny-Achse verschoben.6 als 3. Zahl bedeutet Wert der z-Koordinate +1, d. h. um eine Einheitszelle in Richtung der positivenz-Achse verschoben.Alle vorhandenen Symmetrieoperationen können mit dem Befehl SYMM abgerufen werden.Kümmern Sie sich jedoch nicht um diese Details. Achten Sie nur darauf ob nach dem Befehl ENVIdie Zahl 1555 oder irgendeine andere auftritt. Alle anderen Zahlen außer 1555 stehen für symmetrieäquivalenteAtome.Was die Winkel zwischen den Atomen in unserem Beispiel betrifft, so entspricht die Koordination umQ1 <strong>einer</strong> quadratisch-planaren Pyramide mit dem Atom Q2 an der Spitze der Pyramide und denAtomen Q5 und Q6 sowie deren symmetrie-äquivalenten Atome in der quadratischen Ebene.Wenn ein derartiger Fall auch bei Ihrer Strukturlösung auftritt, so ist es oftmals hilfreich, diesymmetrie-äquivalenten Atome mit dem Befehl SGEN zu erzeugen. Anschließend kann dievollständige Koordination mit PERS oder PROJ angeschaut werden. In dem oben erwähnten Beispielmüssen Sie folgendes in die Befehlszeile eingeben.SGEN Q5 Q6 2666Es werden die beiden symmetrie-äquivalenten Atome Q5 und Q6 auf einmal erzeugt. Diese erhaltendie Bezeichnungen Q5A und Q6A. Diese sind nun in der Konnektivitätsliste enthalten (INFO). MitPERS oder PROJ sind diese jetzt auch zu erkennen. Bei <strong>einer</strong> erneuten Abfrage der Umgebung vonQ1 tauchen die Atome Q5A und Q6A auf, wobei die Symmetrieoperation nun 1555 ist. Sie habendiese Atome ja bereits erzeugt. Denken Sie jedoch immer daran, daß es sich um symmetrieäquivalenteAtome handelt.Da der Chemiker in der Regel mit der Bezeichnung Q nichts anfangen kann, ist es langsam an derZeit, den bereits lokalisierten Atomen die richtigen Bezeichnungen zu geben. Dies ist auch notwendig,da nur dann das Verf<strong>einer</strong>ungsprogramm erkennen kann, um welches Element es sich handelt.Glauben wir in dem Maximum Q1 beispielsweise ein Kupferatom sowie in den Maxima Q2, Q5 undQ6 Sauerstoffatome zu erkennen so können wir diese mit dem Befehl NAME umbenennen.NAME Q1 Cu1NAME Q2 O1NAME Q5 O2NAME Q6 O3Schauen Sie sich anschließend die Struktur mit PERS an, so erkennen Sie daß die Atome nun eineandere Farbe aufweisen. Der Vollständigkeit halber können Sie auch die symmetrie-aquivalentenAtome umbenennen.NAME Q5A O2ANAME Q6A O2AElektronendichtemaxima, denen keine vernünftigen Atome zugeordnet werden können, werdeneinfach mit dem Befehl KILL gelöscht.


50KILL Q10 Q11, etc.Am Ende Ihrer Zuordnung sollten keine Elektronendichtemaxima mit der Bezeichnung Q übrig seinund die asymmetrische Einheit nur aus bereits zugeordneten Atomen bestehen. Anschließend solltenSie alle zugeordneten Atome noch sortieren. Ordnung muß sein. Dies geschieht durch den BefehlSORT.SORT Cu1 O1 O2 O3,.......................................Damit ist die Zuordnung beendet und Sie haben hoffentlich alles richtig gemacht.Die Koordinaten der nun zugeordneten Atome müssen anschließend in eine Instruktions-Datei(Dateiname.INS) geschrieben werden. Dies geschieht durch den Befehl FILE. Geben Sie daherfolgenden Befehl in die Befehlszeile ein:FILE Dateiname.INSDas Programm fragt anschließend, aus welcher RES-Datei die Daten stammen.• Geben Sie einfach ihren Dateinamen ein und Betätigen Sie die Eingabetaste.• Sie können das Programm nun mit dem Befehl EXIT verlassen.• Um zur MS-DOS-Eingabeaufforderung zurückzukehren, Klicken Sie einfach mit der Maus auf dasentsprechende Symbol im unterem BildschirmrandBevor Sie eine Instruktionsdatei erstellen, sollten Sie sich jedoch vorher unbedingt vergewissern,daß keine symmetrie-äquivalenten Atome enthalten sind. Jedes zugeordneteElektronendichtemaxima darf nur einmal vorkommen. Das Verf<strong>einer</strong>ungsprogramm weiß vonder Anwesenheit dieser Atome. Wären einige Atome doppelt vorhanden, würde dieanschließende Strukturverf<strong>einer</strong>ung nicht ordentlich funktionieren. Vergewissern Sie sich dahermit dem Befehl INFO. Die symmetrie-äquivalenten Atome erhalten bei deren Erzeugung mitdem Befehl SGEN einen zusätzlichen Buchstaben (meist A, insofern Sie dieses Atom nichtumbenannt haben) in ihrer Atombezeichnung.Wichtiger Tip für die Benutzung von XP.Im Rahmen der Zuordnung werden nach und nach den Elektronendichtemaxima Atome zugeordnet,symmetrie-äquivalente Lagen erzeugt, Bezeichnungen geändert und Maxima gelöscht. Sollten Siedaher an irgend<strong>einer</strong> Stelle einen Fehler machen, müßten Sie gegebenenfalls von vorne anfangen. Esempfiehlt sich daher nach jedem einzelnen Schritt (Befehl), die aktuelle Struktur zu sichern. Diesgeschieht durch den Befehl SAVE. Sichern Sie daher in regelmäßigen Abständen Ihre Struktur in demSie folgenden Befehl in die Befehlszeile eingeben:SAVE DateinameDie aktuellen Koordinaten und Bezeichnungen sind nun in <strong>einer</strong> Datei (Dateiname.SAV)abgespeichert worden. Löschen Sie beispielsweise in einem Ihrer Schritte versehentlich ein Atom, somüssen Sie nicht von vorne beginnen, sondern vom Standpunkt Ihrer letzten Datensicherung. Fürdiesen Fall geben Sie folgenden Befehl in die Befehlszeile ein:NEXT DateinameDer alte Zustand ist wieder hergestellt und Sie können an der Stelle weitermachen, an der Sie zudiesem Zeitpunkt waren.


51Je öfters Sie sichern, desto weniger Schritte müssen Sie wiederholen.Natürlich wird die gesamte Zeit Ihr Betreuer anwesend sein und für Fragen zur Verfügung stehen. Siesollten jedoch zunächst einmal alleine versuchen ob Sie die richtige Zuordnung finden. Ohne Fleißkein Preis.10 Strukturverf<strong>einer</strong>ung10.1 EinführungDie aus <strong>einer</strong> Strukturlösung mit nachfolgender Berechnung der Elektronendichtekarte hervorgegangenenLageparameter x, y und z der zugeordneten Atome sind noch recht ungenau. Um zu sehr guten,d. h. sehr präzisen und möglichst richtigen Strukturparametern, (Bindungslängen und Winkel) zu gelangen,müssen diese weiter verbessert, d. h. verf<strong>einer</strong>t werden. Dieser Schritt wird daher als Strukturverf<strong>einer</strong>ungbezeichnet. Diese dient dazu sehr präzise Lageparameter zu erhalten. Im Verlauf derStrukturverf<strong>einer</strong>ung werden zusätzliche Parameter eingeführt, welche die Anisotropie der Elektronendichteverteilungberücksichtigen, um eine bessere Beschreibung unseres Strukturmodells zu erhalten.Weiterhin werden die noch fehlenden Wasserstoffatompositionen bestimmt, da diese aus derersten Berechnung <strong>einer</strong> Elektronendichtekarte direkt nach der Strukturlösung in der Regel nicht zugänglichsind. Darüber hinaus läßt das Ergebnis der Strukturverf<strong>einer</strong>ung eine Aussage darüber zu, obes sich bei den von uns zugeordneten Elementen tatsächlich um die richtigen Elemente handelt.Ein Maß für die Güte <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung und damit der Zuverlässigkeit des verwendetenStrukturmodells stellt hierbei der R-Wert dar, welcher die Übereinstimmung zwischen den auf derBasis unseres Modells berechneten und den experimentell gemessenen Strukturfaktoren angibt. Dieserwird regelmäßig in wissenschaftlichen Veröffentlichungen von Kristallstrukturen angegeben und stelltein Maß für die Qualität der Strukturbestimmung dar. Was bedeutet dieser Wert konkret?Direkt nach der Strukturlösung sowie im weiteren Verlauf der Strukturverf<strong>einer</strong>ung werden denElektronendichtemaxima Elemente zugeordnet und deren Lageparameter verf<strong>einer</strong>t. Im Verlaufe <strong>einer</strong>Strukturverf<strong>einer</strong>ung werden daher immer mehrere Rechnungen durchgeführt, da das StrukturmodellSchritt für Schritt verbessert wird. Nach jeder durchgeführten Berechnung wird unter Verwendung deraktuellen Strukturparameter vom Programm mit Hilfe der Strukturfaktorgleichung theoretisch berechnetwelche Intensitäten die gemessenen Beugungsreflexe denn für dieses konkrete Strukturmodellaufweisen müßten. Hierbei wird vom Programm für jeden Beugungsreflex theoretisch dessen Intensitätberechnet. Diese Intensitäten werden dann mit denen verglichen, die tatsächlich in unseremExperiment gemessen worden sind. Ordnen wir daher beispielsweise in <strong>einer</strong> Struktur, welche aus 20Schweratomen (Elektronendichtemaxima) besteht nur zwei Atome zu und berechnen wir theoretischwelche Reflexintensitäten wir für diese, aus nur zwei Atomen bestehende Struktur erwarten würden,so würden zu den tatsächlich gemessenen Reflexintensitäten noch gewaltige Unterschiede existieren.Ordnen wir in einem weiteren Rechenzyklus weitere Atome zu, so wäre diese Übereinstimmung beider nächsten Berechnung noch besser. Am Ende <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung sollte die Übereinstimmungzwischen den gemessenen und den auf der Basis unseres Strukturmodells berechnetenReflexintensitäten sehr gut sein. In der Praxis werden jedoch nicht die Reflexintensitäten sondern diebereits erwähnten Strukturfaktoren, welche ja den Intensitäten proportional sind, verwendet.Im Klartext bedeutet dies daß im Verlauf <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung letztlich versucht wird, ein theoretischesModell der experimentell bestimmten Elektronendichteverteilung in der Art anzupassen, daß


52eine möglichst große Übereinstimmung zwischen theoretisch berechneten (F theor ) und gemessenenStrukturfaktoren (F exp ) erhalten wird. Quantitativ wird dies ausgedrückt durch den bereits erwähntenR-Wert, der wie folgt definiert ist:exp∑ Fhkl− F=exp∑ FhklberhklR (Gl. 10.1)Sehr gut bestimmte <strong>Einkristall</strong>strukturen weisen R-Werte von kl<strong>einer</strong> 0.03, d. h. 3% auf. Schlechtbestimmte einen von mehr als 0.10, d. h. 10%. An dieser Stelle sei jedoch noch darauf hingewiesendaß in der Literatur immer verschiedene R-Werte angegeben werden, je nach dem ob sich diese aufeine Verf<strong>einer</strong>ung gegen F, d. h. den Strukturfaktor oder gegen F 2 , d. h. dem Quadrat des Strukturfaktorsbeziehen. Erste werden in der Regel als R1 bezeichnet, letztere als WR2. Die WR2-Werte sindmeist 2-3 mal größer als die R1-Werte, was bedeutet daß eine Strukturbestimmung mit einem WR2-Wert zwischen 6 und 9% immer noch von sehr guter Qualität ist. Es ist hierbei auch noch darauf zuachten ob diese Werte für alle gemessenen oder nur für die während der Messung beobachtetenReflexe angegeben sind. Letztere sind natürlich immer besser. Orientieren sollte man sich jedochimmer am WR2-Wert für alle Reflexe. Am Ende dieses Kapitels werden Sie jedoch hören daß derkristallographische R-Wert nicht das einzige Gütekriterium für eine Strukturbestimmung darstellt,sondern noch weitere Kriterien existieren, mit deren Hilfe man sich ein Bild von der Qualität desStrukturmodells und damit der <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung machen kann.Nach jedem Rechenzyklus können nun mit den verf<strong>einer</strong>ten Phasen zwei verschiedene Fourier-Synthesenzur Bestimmung der restlichen, noch nicht zugeordneten Elektronendichte gerechnet werden.Eine mit den gemessenen sowie eine zweite mit den berechneten F hkl -Werten. Stimmt die auf der Basisder berechneten Strukturfaktoren ermittelte Elektronendichteverteilung mit derjenigen aus den gemessenenDaten überein, so würden beide zu identischen Ergebnissen führen. Abhängig vom jeweiligenStadium der Strukturverf<strong>einer</strong>ung ergeben sich Unterschiede in den Beträgen von F und F theor exp unddamit auch in den Elektronendichteverteilungen. Die Differenz zwischen diesen beiden Elektronendichteverteilungenwird als Differenzelektronendichte bezeichnet Mit Hilfe der Differenzfourier-Syntheseam Ende eines jeden Rechenzyklus kann die Positionen sehr leichter, sogar der Wasserstoffatomelokalisiert werden.In der Strukturverf<strong>einer</strong>ung stellt sich nun das Problem, unser Modell derart zu verbessern daß wireine möglichst gute Übereinstimmung zwischen beobachteten und berechneten Strukturfaktoren erzielen.Welche Parameter können wir denn nun ändern, um unser Modell zu verbessern.Zum einen sind dies die drei Lageparameter der Atome x, y, z, die Sie bereits kennengelernt haben.Zum zweiten sind dies die sog. Auslenkungsparameter (Temperaturfaktoren) der Atome, welche unteranderem ein Maß dafür darstellen, inwieweit ein Atom um seine Gleichgewichtslage schwingt. Imersten Schritt wird ein isotroper Temperaturfaktor als zu verf<strong>einer</strong>nder Parameter verwendet, der nurisotrope Schwingungen berücksichtigt. Da die Atome in Festkörpern in der Regel nicht isotrop,sondern meist in bevorzugte Richtungen schwingen, werden im weiteren Verlauf <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ungden Atomen anisotrope Schwingungsellipsoide zugeordnet. So ein Ellipsoid ist durch insgesamtsechs Parameter gekennzeichnet. Dies sind <strong>zum</strong> einen die Auslenkungen entlang der dreiHauptachsen des Ellipsoids, die als U 11 , U 22 und U 33 bezeichnet werden sowie die drei gemischtenParameter U 12 , U 13 und U 23 , welche die Orientierung der drei Hauptachsen zu den kristallographischen


53Achsen enthalten (Abb. 10.1). Es muß ja angegeben werden, in welche Richtungen unserer Strukturdie größten Auslenkungen stattfinden. Insgesamt werden also neuen Parameter pro Nicht-Wasserstoffatom verf<strong>einer</strong>t. Die Wasserstoffatome werden nur mit isotropen Temperaturfaktorenverf<strong>einer</strong>t, was bedeutet daß pro Wasserstoffatom nur vier Parameter zu verf<strong>einer</strong>n sind. In derStrukturverf<strong>einer</strong>ung stellt sich nun das Problem die verschiedenen Parameter (Lagekoordinaten undAuslenkungsparameter) <strong>einer</strong> Struktur <strong>einer</strong> großen Menge experimentell beobachteter Daten (F exp ),anzupassen. Immer dann wenn den zu bestimmenden Parametern eine große Anzahl von Meßdatengegenübersteht, kann die Methode der kleinsten Fehlerquadrate (Least-Squares-Methode) zurOptimierung dieser Parameter verwendet werden.Da in der Regel pro Nicht-Wasserstoffatom neun verschiedene Parameter verf<strong>einer</strong>t werden und füreine gute Least-Squares-Verf<strong>einer</strong>ung eine rund zehnfache Überbestimmung der Parameter angestrebtwird, sollten pro Nicht-Wasserstoffatom mindestens 100 Bragg-Reflexe gemessen werden. Bei derLeast-Squares-Methode erfolgt eine Minimierung der Summe aller quadratischen Abweichungenzwischen experimentell beobachteten Strukturfaktoren (F exp ) und den mit Hilfe der verschiedenenParameter berechneten Strukturfaktoren (F theor ). Um Konvergenz während der Least-Squares-Verf<strong>einer</strong>ungzu erhalten, müssen jeweils mehrere Zyklen iterativ gerechnet werden. Konkret bedeutet diesdaß während <strong>einer</strong> Rechnung (Job) mehrere Zyklen, meist zehn gerechnet werden, wobei bei jedemdieser Zyklen das Programm die Werte einzelner Parameter ändert. Das Programm verschiebt beispielsweiseim ersten Zyklus ein Atom, z. B. Kupfer um einen geringen Betrag in x und berechnetanschließend ob die Übereinstimmung von (F exp ) und (F theor ), d. h. der R-Wert besser geworden ist.Wenn nicht, wird ein Parameter in eine andere Richtung verschoben. So lange bis eine Anordnunggefunden worden ist, bei der die Übereinstimmung am besten ist. Dafür stehen in diesem konkretenFall 10 Zyklen zur Verfügung. Dies bedeutet daß die Übereinstimmung in der Regel von Zyklus zuZyklus besser wird.aU 11U 22U 33bcAbb. 10.1:Kennzeichen der anisotropen Schwingungsellipsoide.Ob ein Element richtig zugeordnet ist oder nicht, kann nicht verf<strong>einer</strong>t werden. Es wird immer davonausgegangen daß die Zuordnung richtig getroffen wurde. Ob dies tatsächlich der Fall ist, kann jedochin den meisten Fällen während der Strukturverf<strong>einer</strong>ung festgestellt werden. Ein Maß hierfür ist derTemperaturfaktor. Wie bereits erwähnt ist dieser ja nicht nur von der Temperatur abhängig, sondern esgehen hier auch noch andere Größen ein. Dessen Bezeichnung ist daher etwas mißverständlich. Umdies zu verstehen, müssen wir uns etwas näher mit dem Temperaturfaktor beschäftigen.


54Im Verlauf <strong>einer</strong> Strukturbestimmung passen wir ja ein Modell an eine experimentell bestimmteElektronendichteverteilung an. Die Größe der Elektronendichte am Ort eines Atoms hängt dabeiprimär von der Anzahl der Elektronen des betreffenden Elementes ab. Dies ist auch der Grund dafürdaß zwischen im Periodensystem benachbarten Atomen nur schwer unterschieden werden kann. Dieswird um so schwieriger, je mehr Elektronen diese Elemente besitzten. Schwingen jetzt die Atome umihre Gleichgewichtslage ist die Elektronendichte am Ort des Atoms über einen größeren Bereich verteilt(verschmiert) als wenn das Atom in völliger Ruhe wäre. Der Temperaturfaktor beschreibt nun dasAusmaß der Verschmierung. Je stärker ein Atom schwingt, d. h. je größer dessen Auslenkung ist, umso größer ist der Bereich, über den dessen Elektronendichte verteilt ist und um so größer ist dessenTemperaturfaktor. Der Temperaturfaktor eines Atoms hat, je nach Temperatur, charakteristischeWerte. Abweichungen davon deuten beispielsweise auf eine enorme Schwingung oder Unordnungdieses Atoms hin, oder geben Hinweise darauf, daß dem Elektronendichtemaximum eine falscheAtomsorte zugeordnet worden ist. Ordnen wir beispielsweise einem Elektronendichtemaximum,welches von einem Kohlenstoffatom herrührt ein wesentlich elektronenreicheres Element zu, soordnen wir dieser Position wesentlich mehr Elektronendichte zu, als tatsächlich dort lokalisiert ist.Dies führt dazu daß der Temperaturfaktor dieses Elements unrealistisch groß wird. Ordnen wir <strong>einer</strong>Position an dem sich ein extrem elektronenreiches Element befindet, ein sehr elektronenarmesElement zu, so wird der Temperaturfaktor zu klein berechnet. Dies schlägt sich auch in der Qualitätder Strukturverf<strong>einer</strong>ung, d. h. dem R-Wert nieder. Bei sehr guten Daten sollte dieser für eine falscheAtomsorte schlechter, d. h. größer sein, als für die richtige. Bei extrem schweren Elementen werdendiese Unterschiede jedoch meist so gering, daß weder über den Temperaturfaktor noch über den R-Wert sicher entschieden werden kann ob das Element richtig zugeordnet worden ist oder nicht. Hierkann nur eine Elementaranalyse helfen. Das bedeutet, daß der Wert des Temperaturfaktors in unsererStrukturverf<strong>einer</strong>ung nicht nur von der Temperatur, sondern auch von der dieser Positionzugeordneten Elektronendichte abhängt. Wenn dieser Sachverhalt genauer betrachtet wird, ist derBegriff des Temperaturfaktors noch aus einem zweiten Grund mißverständlich.Temperaturfaktoren (Temperaturparameter), welche aus <strong>einer</strong> Röntgenstrukturanalyse erhalten wordensind repräsentieren genaugenommen eine durchschnittliche Elektronendichteverteilung von Atomen,gemittelt über Raum und Zeit. Da sich ein Röntgenexperiment in der Regel über mehrere Tageerstreckt, kann nur eine über zahllose Anzahl von Schwingungsperioden gemittelte Struktur erhaltenwerden. Zusätzlich wird die verwendete Strahlung an Millionen von Elementarzellen gebeugt, vondenen angenommen wird, daß die Orientierung der darin enthaltenen Moleküle oder Atome in jederElementarzelle identisch ist. Da sich die Atompositionen von Elementarzelle zu Elementarzellegeringfügig unterscheiden können (Unordnung), wird auch hier eine ausschließlich gemittelte Strukturüber kleine sowie große Bereiche statischer Unordnung erhalten. Daher läßt sich allein auf Grund vonGröße und Richtung der anisotropen Auslenkungsparameter nicht a priori entscheiden ob es sich umeine tatsächliche Temperaturbewegung oder um eine statische Unordnung handelt (Abb. 10.2).


55SchwingungsrichtungRöntgenstrahlZeitResultierendeElektronendichte-VerteilungRöntgenstrahlElementarzellenAbb. 10.2:Verschmierung der Elektronendichte, d. h. große Auslenkungsparameter infolge vonTemperaturbewegung (oben) und Unordnung (unten).Neben der Festkörper-NMR-Spektroskopie können hier temperaturabhängige Bestimmungen derKristallstruktur mit Röntgen- oder Neutronenbeugung Aufschluß geben. Auf Grund des zu tieferenTemperaturen hin zunehmenden Einfrierens von Molekülschwingungen nehmen die Amplituden(MSDA; mean-square displacement amplitudes) der anisotropen Auslenkungsparameter wesentlichstärker ab, als dies bei statischer Unordnung der Fall sein sollte.Falsche Atomsorten, große Temperaturbewegung und Unordnung haben einen großen Einfluß auf diein unserem Experiment bestimmten “Bindungslängen“. Da in der Röntgenstrukturanalyse der Mittelpunktder Elektronendichteverteilung bestimmt wird und nicht etwa der Abstand der Atomkerne voneinander,können die berechneten Abstände der Atome nicht direkt mit den tatsächlichen Abständengleichgesetzt werden. Eine Änderung der Elektronendichteverteilung bringt unweigerlich eine Änderungdes Abstandes mit sich. Dies ist der Grund dafür, daß die X-H-Bindungslängen bei Röntgenstrukturanalysenin der Regel zu kurz bestimmt werden, da der Mittelpunkt der Elektronendichte einesWasserstoffatoms immer in Richtung des Schweratoms verschoben ist. Ist der Chemiker an genauenWasserstoffatomabständen interessiert, muß beispielsweise eine Strukturbestimmung mit der Neutronenbeugungerfolgen.Auch Schwingungen der Moleküle in einem Kristall besitzen einen Einfluß auf die Elektronendichteverteilungund damit auch auf die Atompositionen und beeinträchtigen dadurch die berechnetenBindungsabstände. Die Atomabstände sind hier in Richtung der Rotationsachse verschoben, was sichrelativ einfach zeigen läßt (Abb.10.3). Besitzt die Amplitude der Libration eines Atoms den Betrag ω,so errechnet sich dessen radiale Auslenkung zu dω 2 /2, wobei d den Abstand des Atoms von der Rotationsachsebezeichnet. Dies äußert sich darin daß die Bindungslängen, welche bei Raumtemperatur bestimmtwerden, meist zu kurz sind und sich zu tieferen Temperaturen hin normalisieren.


56ArtifizielleBindungsverkürzungAbb. 10.3:Artifizielle Bindungsverkürzung infolge von Libration (thermischer Bewegung) oderUnordnung.Die einzelnen Schritte <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung seien an dieser Stelle zusammenfassend dargestellt(Abb. 10.4). Den unmittelbar nach der Strukturlösung erhaltenen Maxima in der Elektronendichteverteilungwerden zunächst möglichst viel Schweratome zugeordnet. Es ist hierbei nicht nötig alle zuzuordnen,jedoch sollte der größte Teil zugeordnet sein. Anschließend wird eine erste Strukturverf<strong>einer</strong>ungder Atome unter Verwendung isotroper Temperaturfaktoren durchgeführt, die zu <strong>einer</strong> Verbesserungder Lage- und Thermalparameter und damit zu einem verbesserten R-Wert führen sollte. Sindalle Atome lokalisiert worden, folgt eine Strukturverf<strong>einer</strong>ung unter Verwendung anisotroper Temperaturfaktoren.Fehlen noch einige Atome, werden diese zunächst in <strong>einer</strong> Differenz-Fourier-Syntheselokalisiert und erst nach <strong>einer</strong> Rechnung mit isotropen Temperaturfaktoren anisotrop verf<strong>einer</strong>t. Sindalle Atomlagen anisotrop verf<strong>einer</strong>t, wird versucht aus <strong>einer</strong> Differenz-Fourier-Synthese die Positionender Wasserstoffatome zu lokalisieren. Diese werden dann in <strong>einer</strong> erneuten Rechnung isotrop verf<strong>einer</strong>t.Sind alle Elektronendichtemaxima zugeordnet, d. h. alle Atompositionen gefunden worden,werden so viele Rechnungen ausgeführt, bis k<strong>einer</strong> der zu verf<strong>einer</strong>nden Parameter mehr verschobenwird. Die Verf<strong>einer</strong>ung ist dann konvergiert und damit beendet.Erstes Strukturmodellaus StrukturlösungAtomkoordinaten undabgeschätzte isotropeAuslenkungsparameterIsotropeVerf<strong>einer</strong>ungVerbesserte Atomkoordinatenund isotropeAuslenkungsparameterAnisotropeVerf<strong>einer</strong>ungGenaue Atomkoordinatenund anisotropeAuslenkungsparameterOptimales “Strukturmodell“Lokalisierung vonH-AtomenVerbesserte Atomkoordinatenund anisotropeAuslenkungsparameter


57Abb. 10.4:Schematische Darstellung der einzelnen Schritte im Verlauf <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung.Im Verlaufe <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung wird ausgehend von <strong>einer</strong> Eingabedatei (*.INS) mitbestimmten Parametern eine Ausgabedatei (*.RES) mit nun verbesserten Parameter erzeugt. Eineweitere Rechnung muß daher mit den nun verbesserten Parametern der Ausgabedatei (*.RES)erfolgen. Diese muß daher in eine Eingabedatei (*.INS) umgewandelt werden und eine weitereRechnung mit dieser Datei gestartet werden (Abb. 10.5). Dies wird so lange wiederholt bis die zuverf<strong>einer</strong>nden Parameter nicht mehr verschoben werden, die Strukturverf<strong>einer</strong>ung also konvergiert ist.Start-Datei mitStrukturparametern:(Dateiname.INS)AtomkoordinatenAuslenkungsparameterBesetzungsfaktorenetc.Umwandlungin Start-DateiErgebnis-Datei mitStrukturparameter:(Dateiname.RES)AtomkoordinatenAuslenkungsparameterBesetzungsfaktorenetc.¾Strukturverf<strong>einer</strong>ungStrukturverf<strong>einer</strong>ungErgebnis-Datei mitStrukturparametern:(Dateiname.RES)AtomkoordinatenAuslenkungsparameterBesetzungsfaktorenetc.Umwandlungin Start-DateiStart-Datei mitStrukturparameter:(Dateiname.INS)AtomkoordinatenAuslenkungsparameterBesetzungsfaktorenetc.Abb. 10.5:Schematische Übersicht über eine Strukturverf<strong>einer</strong>ung.12.1 Praktische DurchführungNotwendige Dateien:Dateiname.HKL (Datei mit den gemessenen Reflexintensitäten)Dateiname.INS (Datei, welche durch Zuordnung der Atome zu den berechnetenElektronendichtemaxima mit Hilfe von XP erstellt worden ist).Dateiname.RES (Datei mit den Ergebnissen <strong>einer</strong> Rechnung).Dateiname.LST (Datei, welche zusätzliche Informationen zur durchgeführten Berechnung enthält.Immer wenn eine Rechnung gestartet wird, wird eine RES-Datei mit den nunaktuellen Parametern sowie eine LST-Datei erstellt. Bei der nächsten Berechnungwird diese überschrieben)Notwendige Programme:SHELXL-97 (Strukturverf<strong>einer</strong>ungsprogramm)Nachdem Sie alle Atome zugeordnet haben und mit Hilfe von XP eine Instruktionsdatei erstellt haben(Dateiname.INS), Editieren Sie die Datei wie Sie es gelernt haben. Einige Informationen und Befehlehaben Sie bereits kennengelernt. Die neu hinzugekommenen werden anschließend erklärt.Diese Datei sollte ungefähr folgendermaßen aussehen:


58TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.9510 6.1070 10.7030 77.370 82.320 72.000ZERR 2.00 0.0012 0.0012 0.0021 0.030 0.030 0.030LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 4BONDFMAP 2PLAN 20FVAR 1.00000CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.05000O1 1 0.30030 0.74730 0.31650 11.00000 0.05000O2 1 0.21260 0.46400 0.59300 11.00000 0.05000O3 1 0.48180 0.75700 0.57680 11.00000 0.05000CU2 4 0.50000 1.00000 0.00000 10.50000 0.05000O4 1 0.34540 0.82230 -0.07180 11.00000 0.05000O5 1 0.35530 1.28710 -0.11780 11.00000 0.05000O6 1 0.17130 1.08800 0.15150 11.00000 0.05000S 3 0.12680 0.98670 0.28670 11.00000 0.05000O7 1 0.13480 1.13890 0.37370 11.00000 0.05000O8 1 -0.11680 0.95950 0.29880 11.00000 0.05000O9 1 0.13050 0.56760 0.12400 11.00000 0.05000HKLF 4ENDL.S. 4Dieser Befehl weist das Programm an pro Rechnung (Job) insgesamt 4 Zyklen zu berechnen.• Ändern Sie bitte diese Zahl auf 10. Dies beansprucht nur unwesentlich mehr Rechenzeit.BONDFMAP 2Dieser Befehl weist das Programm an, eine Tabelle mit allen Bindungslängen undBindungswinkeln zu erstellen. Diese finden Sie im Anschluß an diese Rechnung imsog. Listing-File (CUSO4.LST)Dieser Befehl weist das Programm an eine Differenz-Fourier-Synthese zu berechnen.Das Ergebnis finden Sie in den Dateien CUSO4.LST und CUSO4.RES.PLAN 20 In der Differenz-Fourier-Synthese sollen die Lageparameter (Koordinaten) der 20FVARhöchsten Restelektronendichtemaxima ausgedruckt werden.Der Skalierungsfaktor.Anschließend folgen die Lageparameter (Koordinaten) der zugeordneten Atome.Beenden Sie das Editieren der Datei und speichern Sie diese. Führen Sie nun die erste, d. h.isotrope Strukturverf<strong>einer</strong>ung durch.• Starten Sie die Berechnung mit dem Befehl XL Dateiname und bestätigen Sie dies mit derEingabetasteDas Programm beginnt nun mit der isotropen Verf<strong>einer</strong>ung. Nach jedem durchgeführten der insgesamt10 Zyklen, werden die aktuellen R-Werte angezeigt. Die der letzten können Sie auf dem Bildschirmerkennen. Möchten Sie den Verlauf aller Berechnungen sehen, müssen Sie die Datei Dateiname.LSTeditieren. Jegliche Information, welche während der Berechnung über den Bildschirm rast, ist dortabgespeichert. Darin finden Sie auch noch zusätzliche Informationen.


59Es ist jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht notwendig in diese Datei hinein zu schauen. Für den Anfängerwäre dies überaus verwirrend .Damit Sie den Fortgang aller durchgeführten Berechnungen verfolgen können, bitte ich Sie die Wertefür die wichtigsten Gütekriterien nach jeder Berechnung auf nachfolgendem Vordruck zu notieren.Diese Informationen sollten sich noch auf Ihrem Bildschirm befinden. Sollten Sie zu den Menschengehören, die etwas tun bevor Sie alles gelesen haben und daher die LST-Datei schon Editiert haben,können Sie vermutlich nach Verlassen des Editors die Bildschirmanzeige nicht mehr erkennen. Indiesem Fall starten Sie die Berechnung mit dem Befehl SXL Dateiname nochmals und notieren danndie Werte.R1-Wert für alle Reflexe mit Fo > 4.sigma (Fo):R1-Wert für alle Reflexe:WR2-Wert für alle Reflexe:_____________________________________________________________________Sollte der WR2-Wert nicht unter 40%, d. h. 0.40 gefallen sein, ist irgend etwas enorm schiefgelaufen.Informieren Sie in diesem Fall bitte Ihren Betreuer.Um sich ein Bild davon zu machen, ob ihre Zuordnung der Elemente richtig getroffen wurde oder obsich falsche Atome in Ihre Verf<strong>einer</strong>ung eingeschlichen haben, editieren Sie bitte die Ergebnis-DateiDateiname.RES.Diese könnte für CuSO 4 · 5 H 2 O folgendermaßen aussehen:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.9510 6.1070 10.7030 77.370 82.320 72.000ZERR 2.00 0.0012 0.0012 0.0021 0.030 0.030 0.030LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 10BONDFMAP 2PLAN 20WGHT 0.100000FVAR 1.27612CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.00926O1 1 0.29616 0.75560 0.31758 11.00000 0.01696O2 1 0.20316 0.46532 0.59444 11.00000 0.02147O3 1 0.48139 0.75578 0.58313 11.00000 0.02480CU2 4 0.50000 1.00000 0.00000 10.50000 0.01030O4 1 0.34778 0.81915 -0.07303 11.00000 0.01991O5 1 0.35154 1.28860 -0.11803 11.00000 0.01567O6 1 0.17230 1.09246 0.15204 11.00000 0.01618S 3 0.12541 0.98708 0.28656 11.00000 0.00756O7 1 0.13722 1.13976 0.37209 11.00000 0.01833O8 1 -0.11517 0.95675 0.30130 11.00000 0.01723O9 1 0.12929 0.56542 0.12422 11.00000 0.02050HKLF 4ENDWGHT 0.0721 4.7165Q1 1 0.4639 0.5362 0.4666 11.00000 0.05 3.33Q2 1 0.4947 0.7073 0.6130 11.00000 0.05 2.28Q3 1 0.1757 0.4635 0.5640 11.00000 0.05 2.01Q4 1 0.4769 0.8037 0.5467 11.00000 0.05 1.79Q5 1 0.2333 0.4640 0.6442 11.00000 0.05 1.52Q6 1 0.1401 1.2064 0.3425 11.00000 0.05 1.18Q7 1 0.1661 0.5658 0.1629 11.00000 0.05 1.09Q8 1 -0.0972 0.9235 0.3383 11.00000 0.05 0.92Q9 1 0.3568 0.7967 0.3256 11.00000 0.05 0.85


60Q10 1 0.0824 0.6029 0.6017 11.00000 0.05 0.85Q11 1 0.1252 1.0889 0.4027 11.00000 0.05 0.84Q12 1 0.2062 1.3369 -0.1158 11.00000 0.05 0.83Q13 1 0.1202 1.0227 0.2425 11.00000 0.05 0.81Q14 1 0.3714 0.6192 0.4059 11.00000 0.05 0.81Q15 1 0.2813 0.7278 -0.0150 11.00000 0.05 0.80Q16 1 0.2491 0.7183 0.3044 11.00000 0.05 0.77Q17 1 0.1576 0.3216 0.6236 11.00000 0.05 0.76Q18 1 0.2218 1.1125 0.1842 11.00000 0.05 0.76Q19 1 0.1193 1.0553 0.1424 11.00000 0.05 0.73Q20 1 0.4036 1.3197 -0.1935 11.00000 0.05 0.71Achten Sie zunächst nur auf die Temperaturfaktoren in der siebten Spalte. Deren Werte sollten, insofernes sich tatsächlich um die von Ihnen ausgewählten Atome handelt zwischen 0.006 und 0.025 betragen.Ein zu hoher Wert deutet auf ein zu schweres Atom, ein zu niedriger auf ein zu leichtes Atomhin. Fällt ein Wert völlig heraus, löschen Sie dieses Atom am besten, speichern Sie die Datei unterdem Namen Dateiname.INS und starten Sie die Berechnung noch einmal mit XL Dateiname.Sollten Sie jedoch jeglichen Überblick verloren haben, rufen Sie nach Ihrem Betreuer.Sind alle Werte akzeptabel haben Sie das Schwierigste hinter sich. Der Rest ist ein Klacks. Am Endedieser Datei finden Sie zusätzliche Koordinaten, welche Sie bislang noch nicht kennengelernt haben.Direkt nach dem Befehl END werden die Lageparameter und Peakhöhen (Elektronen/Å 3 ) der in derDifferenz-Fourier-Synthese aufgefundenen Restelektronendichtemaxima angezeigt. Sollten Sie alsobei der ersten Zuordnung in XP ein Atom vergessen haben, so werden Sie hier ein ausgeprägtesMaximum finden. Die Höhen der Maxima befinden sich in der letzten Spalte und sind Fett unterlegt.Um Maxima bis hin zu 5 Elektronen/Å 3 müssen Sie sich zunächst keine Sorgen machen. Diese rührendaher daß wir zu diesem Zeitpunkt nur isotrope Temperaturfaktoren verwenden. Diese Maxima werdendaher in der Nähe unserer zugeordneten Atome lokalisiert sein und erst dann verschwinden, wennwir eine anisotrope Strukturverf<strong>einer</strong>ung durchgeführt haben. Sollten Sie mir nicht glauben, überzeugenSie sich selbst indem Sie das Grafikprogramm wie gelernt mit XP aufrufen und an Stelle vonREAD Dateiname, REAP Dateiname verwenden. Das Programm ignoriert nun das END in der RES-Datei und kennt nun auch die Koordinaten der Restelektronendichten (Q1 bis Q20). Fragen Sie dieUmgebung des höchsten Maximums mit ENVI Q1 ab. Der Abstand <strong>zum</strong> nächsten Nicht-Wasserstoffatom,sollte nur wenige Zehntel Å betragen. Anschließend verlassen Sie das Programm mit demBefehl EXIT und kehren wieder in die MS-DOS-Eingabeaufforderung zurück.Sollten Sie ein Atom bei der Zuordnung vergessen haben, sollte das erste Maximum <strong>zum</strong>indest rund10 Elektronen/Å 3 betragen. Um herauszukriegen um welche Art von Atom es sich handelt verwendenSie das Programm XP.• Rufen Sie XP auf.• Lesen Sie die Koordinaten auch der Restelektronendichtepeaks mit REAP Dateiname ein.• Fragen Sie die Umgebung des oder der Maxima ab welche eine Peak-Höhe von mehr als 10Elektronen/Å 3 betragen.• Ordnen Sie die Atome noch fehlenden Atome zu wie Sie es gelernt haben indem Sie den BefehlNAME verwenden.• Sind alle noch fehlenden Atome zugeordnet, eliminieren Sie die übrigenRestelektronendichtepeaks mit dem Befehl KILL $Q.• Erstellen Sie ein Instruktionsfile wie gelernt mit dem Befehl FILE Dateiname.INS.Die Daten müssen aus der Datei Dateiname.RES stammen.


61• Verlassen Sie das Programm mit dem Befehl EXIT.• Starten Sie eine erneute isotrope Verf<strong>einer</strong>ung mit dem Befehl XL Dateiname.Für den Fall daß Sie wie eben geschildert die isotrope Verf<strong>einer</strong>ung ein zweites mal durchführenmußten, notieren Sie bitte wiederum die Werte der am Ende erhaltenen Gütekriterien und machen einekurze Notiz, was diese von der vorherigen Rechnung unterscheidet.R1-Wert für alle Reflexe mit Fo > 4.sigma (Fo):R1-Wert für alle Reflexe:WR2-Wert für alle Reflexe:_____________________________________________________________________In der nun hoffentlich vollständigen RES-Datei ist ein neuer Befehl aufgetaucht den Sie bislang nochnicht kennengelernt haben. Es handelt sich hierbei um den Befehl WGHT. Dieser hat seinen Ursprungdarin daß während <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung die Reflexe mit unterschiedlichem Gewicht eingehen.So sind beispielsweise die Reflexe bei sehr kleinen Beugungswinkeln durch Fehler aufgrund vonAbsorption stärker betroffen als die bei größeren Beugungswinkeln. Bei extrem großen Beugungswinkelnhingegen sind die Reflexe sehr schwach und daher ungenauer gemessen. Dies wird in der Strukturverf<strong>einer</strong>ungin der Art berücksichtigt daß diese beide Reflexgruppen mit geringerem Gewicht indie Verf<strong>einer</strong>ung eingehen, als beispielsweise die bei mittleren Beugungswinkeln, welche sehr genaugemessen worden sind. In älteren Programmen mußte dieses “Wichtungsschema“ per Hand geändertwerden. In diesem Programm brauchen Sie die aktuellen Werte nicht berücksichtigen, da dasProgramm die Werte selber vorschlägt. Am unteren Ende der RES-Datei, hinter dem Befehl ENDsteht immer das neu optimierte Wichtungsschema, am Anfang der RES-Datei immer das aktuellverwendete. Ihre Aufgabe während der Strukturverf<strong>einer</strong>ung besteht also nur darin, das neu vomProgramm vorgeschlagene, hinter dem Befehl END befindliche Wichtungsschema an die Stelle desvorherig verwendeten Wichtungsschema einzufügen. In dem hier vorgestellten Beispiel müssen Siedaher den Befehl WGHT 0.10000 durch WGHT 0.0721 4.7165 ersetzen. Diesen Schritt müssen Sienach jeder Berechnung erneut durchführen.Sollten Sie nun alle Nicht-Wasserstoffatome lokalisiert haben und sind die Werte aller Temperaturfaktorenvernünftig, können Sie die Nicht-Wasserstoffatome anisotrop verf<strong>einer</strong>n. Hierzu fügen Sieeinfach eine neue Zeile oberhalb des ersten Atoms ein, in die Sie den Befehl ANIS X einsetzen. Xsteht hier für die Anzahl der anisotrop zu verf<strong>einer</strong>nden Schweratome, in unserem Beispiel also 12.Anschließend speichern Sie die Datei Dateiname.RES unter dem Namen Dateiname.INS ab. SolltenSie bereits aufgrund der Verwendung des Grafikprogramms XP eine INS-Datei erstellt haben, müssenSie diese natürlich entsprechend abändern. In jedem Fall sollte die Instruktionsdatei Dateiname.INSzur anisotropen Strukturverf<strong>einer</strong>ung ungefähr so aussehen:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.9510 6.1070 10.7030 77.370 82.320 72.000ZERR 2.00 0.0012 0.0012 0.0021 0.030 0.030 0.030LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 10BONDFMAP 2PLAN 20WGHT 0.0721 4.7165FVAR 1.27612ANIS 12CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.00926


62O1 1 0.29616 0.75560 0.31758 11.00000 0.01696O2 1 0.20316 0.46532 0.59444 11.00000 0.02147O3 1 0.48139 0.75578 0.58313 11.00000 0.02480CU2 4 0.50000 1.00000 0.00000 10.50000 0.01030O4 1 0.34778 0.81915 -0.07303 11.00000 0.01991O5 1 0.35154 1.28860 -0.11803 11.00000 0.01567O6 1 0.17230 1.09246 0.15204 11.00000 0.01618S 3 0.12541 0.98708 0.28656 11.00000 0.00756O7 1 0.13722 1.13976 0.37209 11.00000 0.01833O8 1 -0.11517 0.95675 0.30130 11.00000 0.01723O9 1 0.12929 0.56542 0.12422 11.00000 0.02050HKLF 4END• Sie können nun die anisotrope Strukturverf<strong>einer</strong>ung starten indem Sie XL Dateiname in dieBefehlszeile eingeben und mit der Eingabetaste bestätigen.Bitte tragen Sie auch am Ende dieser Rechnung die aktuellen, auf ihrem Bildschirm angezeigtenGütekriterien ein.R1-Wert für alle Reflexe mit Fo > 4.sigma (Fo):R1-Wert für alle Reflexe:WR2-Wert für alle Reflexe:_____________________________________________________________________Das Programm hat nach Beendigung der Rechnung wieder eine Resultat-Datei (Dateiname.RES)erstellt, die ungefähr folgendermaßen aussehen sollte:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.9510 6.1070 10.7030 77.370 82.320 72.000ZERR 2.00 0.0012 0.0012 0.0021 0.030 0.030 0.030LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 10BONDFMAP 2PLAN 20WGHT 0.072100 4.716500FVAR 1.26725CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.00690 0.00800 =0.01127 -0.00504 0.00345 -0.00385O1 1 0.29655 0.75580 0.31747 11.00000 0.01585 0.01147 =0.01539 -0.00026 -0.00055 0.00501O2 1 0.20216 0.46553 0.59378 11.00000 0.01059 0.01316 =0.03560 -0.00347 0.01178 -0.00399O3 1 0.48140 0.75564 0.58403 11.00000 0.01188 0.02182 =0.04512 -0.02640 0.00235 -0.00339CU2 4 0.50000 1.00000 0.00000 10.50000 0.00951 0.01005 =0.00893 -0.00146 -0.00230 -0.00284O4 1 0.34823 0.81763 -0.07320 11.00000 0.02085 0.02047 =0.01678 -0.00232 -0.00614 -0.01135O5 1 0.35101 1.28933 -0.11794 11.00000 0.01572 0.01638 =0.01114 0.00116 -0.00259 -0.00167O6 1 0.17324 1.09215 0.15190 11.00000 0.01843 0.01461 =0.01043 0.00147 0.00387 -0.00280S 3 0.12530 0.98688 0.28638 11.00000 0.00537 0.00597 =0.00797 -0.00225 0.00074 -0.00087O7 1 0.13673 1.14038 0.37208 11.00000 0.01363 0.01879 =0.02277 -0.01494 -0.00251 -0.00330O8 1 -0.11561 0.95655 0.30159 11.00000 0.00906 0.01724 =0.02109 -0.00732 0.00242 -0.00690O9 1 0.12848 0.56504 0.12493 11.00000 0.02088 0.01250 =0.02301 -0.00313 0.00136 -0.00458HKLF 4END


63WGHT 0.0696 0.3001Q1 1 0.2000 1.3310 -0.1179 11.00000 0.05 0.82Q2 1 0.1570 0.3390 0.6218 11.00000 0.05 0.75Q3 1 0.1939 0.5859 0.1819 11.00000 0.05 0.73Q4 1 0.1017 0.5855 0.6009 11.00000 0.05 0.70Q5 1 0.4112 1.2904 -0.1770 11.00000 0.05 0.61Q6 1 0.3649 0.8518 0.6028 11.00000 0.05 0.60Q7 1 0.2845 0.7295 -0.0172 11.00000 0.05 0.58Q8 1 0.6030 0.7952 0.5971 11.00000 0.05 0.54Q9 1 0.2513 0.8801 -0.1177 11.00000 0.05 0.53Q10 1 0.1769 0.4020 0.1419 11.00000 0.05 0.51Q11 1 0.2840 0.4883 0.5825 11.00000 0.05 0.51Q12 1 0.2722 1.5350 -0.1774 11.00000 0.05 0.40Q13 1 -0.1111 0.5772 0.1784 11.00000 0.05 0.37Q14 1 0.1578 0.4849 0.5417 11.00000 0.05 0.34Q15 1 0.1012 0.3636 0.7410 11.00000 0.05 0.34Q16 1 0.0585 0.3921 0.7202 11.00000 0.05 0.33Q17 1 0.3708 1.3139 -0.0971 11.00000 0.05 0.32Q18 1 0.3534 0.6128 0.4228 11.00000 0.05 0.32Q19 1 0.3922 1.2070 -0.0770 11.00000 0.05 0.32Q20 1 0.0452 0.5651 0.2200 11.00000 0.05 0.30Sie erkennen nun daß die Anzahl der zu verf<strong>einer</strong>nden Parameter zugenommen hat. Insgesamt sindnun 9 Parameter pro Nicht-Wasserstoffatom verf<strong>einer</strong>t worden. Zu den bislang bekannten Größen sinddie 6 Parameter für die anisotropen Auslenkungsparameter hinzugekommen. Diese sind im folgendemfett unterlegt.CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.00690 0.00800 =0.01127 -0.00504 0.00345 -0.00385Wenn Sie bislang alles richtig gemacht haben, sollte das größte Restelektronendichtemaximum Q1nicht mehr als 1 Elektron/Å 3 aufweisen. Wenn nicht, ist vielleicht noch ein Atom vergessen oderfalsch zugeordnet worden. In diesem Falle bitten Sie Ihren Betreuer um Hilfe oder versuchen Sieselber dem Fehler auf die Spur zu kommen.Scheint alles in Ordnung, können Sie sich auf die Suche nach evtl. vorhandenen Wasserstoffatomenbegeben. Dies geschieht am einfachsten mit dem Programm XP.• Starten Sie das Programm mit dem Befehl XP.• Lesen Sie die Koordinaten auch der Restelektronendichtemaxima mit dem Befehl REAPDateinamen ein.• Erstellen Sie eine Konnektivitätsliste mit dem Befehl FMOL.Sie können sich nun Ihre Struktur anschauen, indem Sie die Befehle PERS oder PROJ anwenden. DieZuordnung der Wasserstoffatome geschieht jedoch wieder am einfachsten mit dem Befehl ENVI.Fragen Sie mit dem Befehl ENVI die Umgebung jedes einzelnen Atoms ab an welchemWasserstoffatome gebunden sein sollten.• ENVI O1• ENVI O2• etc.Für die Wassermoleküle sollten die O-H-Abstände zwischen 0.6 und 1.0 Å betragen. Genauer könnendiese aus <strong>einer</strong> Fourier-Synthese nicht bestimmt werden. Der Winkel H-O-H sollte nahe demTetraederwinkel sein. Wundern Sie sich jedoch nicht, wenn die Winkel zu diesem Zeitpunkt zwischen80 und 120° betragen. Genauer geht’s nicht. Sollten Sie sich zwischen zwei Maxima sehr ähnlicher


64Geometrie nicht entscheiden können, sollten Sie immer das höhere Maxima verwenden (z.B. Q1 anStelle von Q10).• Benennen Sie die Wasserstoffatome mit dem Befehl NAME (z. B. NAME Q1 H1).• Sortieren Sie die Wasserstoffatome (SORT H1 H2 H3 H4 H5 H6 H7 H8 H9 H10).• Erstellen Sie ein INS-Datei mit dem Befehl FILE CUSO4.INS (Daten aus CUSO4.RES).Diese sollte ungefähr folgendermaßen aussehen:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.9510 6.1070 10.7030 77.370 82.320 72.000ZERR 2.00 0.0012 0.0012 0.0021 0.030 0.030 0.030LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 10BONDFMAP 2PLAN 20WGHT 0.072100 4.716500FVAR 1.26725CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.00690 0.00800 =0.01127 -0.00504 0.00345 -0.00385O1 1 0.29655 0.75580 0.31747 11.00000 0.01585 0.01147 =0.01539 -0.00026 -0.00055 0.00501O2 1 0.20216 0.46553 0.59378 11.00000 0.01059 0.01316 =0.03560 -0.00347 0.01178 -0.00399O3 1 0.48140 0.75564 0.58403 11.00000 0.01188 0.02182 =0.04512 -0.02640 0.00235 -0.00339CU2 4 0.50000 1.00000 0.00000 10.50000 0.00951 0.01005 =0.00893 -0.00146 -0.00230 -0.00284O4 1 0.34823 0.81763 -0.07320 11.00000 0.02085 0.02047 =0.01678 -0.00232 -0.00614 -0.01135O5 1 0.35101 1.28933 -0.11794 11.00000 0.01572 0.01638 =0.01114 0.00116 -0.00259 -0.00167O6 1 0.17324 1.09215 0.15190 11.00000 0.01843 0.01461 =0.01043 0.00147 0.00387 -0.00280S 3 0.12530 0.98688 0.28638 11.00000 0.00537 0.00597 =0.00797 -0.00225 0.00074 -0.00087O7 1 0.13673 1.14038 0.37208 11.00000 0.01363 0.01879 =0.02277 -0.01494 -0.00251 -0.00330O8 1 -0.11561 0.95655 0.30159 11.00000 0.00906 0.01724 =0.02109 -0.00732 0.00242 -0.00690O9 1 0.12848 0.56504 0.12493 11.00000 0.02088 0.01250 =0.02301 -0.00313 0.00136 -0.00458H1 2 0.19390 0.58590 0.18190 11.00000 0.05000H2 2 0.17690 0.40200 0.14190 11.00000 0.05000H3 2 0.15700 0.33900 0.62180 11.00000 0.05000H4 2 0.10170 0.58550 0.60090 11.00000 0.05000H5 2 0.36490 0.85180 0.60280 11.00000 0.05000H6 2 0.60300 0.79520 0.59710 11.00000 0.05000H7 2 0.28450 0.72950 -0.01720 11.00000 0.05000H8 2 0.25130 0.88010 -0.11770 11.00000 0.05000H9 2 0.20000 1.33100 -0.11790 11.00000 0.05000H10 2 0.41120 1.29040 -0.17700 11.00000 0.05000HKLF 4ENDAm Ende sind nun die Lagekoordinaten der Wasserstoffatome eingetragen. Diese werden nur isotropverf<strong>einer</strong>t. Die Wichtung ist bereits vom Programm XP aktualisiert worden.• Starten Sie eine erneute Verf<strong>einer</strong>ung durch Eingabe von XL Dateiname.Bitte tragen Sie auch am Ende dieser Rechnung die aktuellen auf ihrem Bildschirm angezeigtenGütekriterien ein.


65R1-Wert für alle Reflexe mit Fo > 4.sigma (Fo):R1-Wert für alle Reflexe:WR2-Wert für alle Reflexe:_____________________________________________________________________Editieren Sie die RES-Datei und überprüfen Sie ob die Temperaturfaktoren der Wasserstoffatome inOrdnung sind. Diese Datei sollte ungefähr folgendermaßen aussehen:TITL cuso4 in P-1CELL 0.71073 5.9510 6.1070 10.7030 77.370 82.320 72.000ZERR 2.00 0.0012 0.0012 0.0021 0.030 0.030 0.030LATT 1SFAC O H S CUUNIT 18 20 2 2L.S. 10BONDFMAP 2PLAN 20WGHT 0.072100 4.716500FVAR 1.27182CU1 4 0.50000 0.50000 0.50000 10.50000 0.00706 0.00814 =0.01137 -0.00500 0.00345 -0.00384O1 1 0.29654 0.75618 0.31745 11.00000 0.01629 0.01146 =0.01536 -0.00010 -0.00086 0.00497O2 1 0.20317 0.46527 0.59363 11.00000 0.01098 0.01119 =0.03839 -0.00363 0.01271 -0.00321O3 1 0.48134 0.75472 0.58391 11.00000 0.01042 0.02247 =0.04780 -0.02801 0.00218 -0.00353CU2 4 0.50000 1.00000 0.00000 10.50000 0.00964 0.01018 =0.00909 -0.00156 -0.00231 -0.00294O4 1 0.34879 0.81730 -0.07328 11.00000 0.02096 0.02112 =0.01633 -0.00098 -0.00653 -0.01158O5 1 0.35129 1.28899 -0.11744 11.00000 0.01560 0.01777 =0.01044 0.00112 -0.00202 -0.00130O6 1 0.17318 1.09229 0.15182 11.00000 0.01840 0.01446 =0.01074 0.00130 0.00405 -0.00261S 3 0.12532 0.98686 0.28639 11.00000 0.00547 0.00616 =0.00813 -0.00229 0.00075 -0.00086O7 1 0.13683 1.14032 0.37217 11.00000 0.01367 0.01897 =0.02255 -0.01458 -0.00254 -0.00340O8 1 -0.11578 0.95631 0.30158 11.00000 0.00914 0.01726 =0.02102 -0.00733 0.00246 -0.00688O9 1 0.12807 0.56554 0.12440 11.00000 0.02179 0.01248 =0.02299 -0.00356 0.00044 -0.00488H1 2 0.18353 0.58624 0.18253 11.00000 0.02724H2 2 0.14063 0.42549 0.13674 11.00000 0.06048H3 2 0.16207 0.34982 0.61711 11.00000 0.03902H4 2 0.12143 0.56730 0.60379 11.00000 0.02771H5 2 0.37501 0.85224 0.60370 11.00000 0.04670H7 2 0.28091 0.72401 -0.01992 11.00000 0.04933H6 2 0.59797 0.79935 0.59259 11.00000 0.03255H8 2 0.25583 0.88273 -0.12959 11.00000 0.03744H9 2 0.19139 1.35067 -0.13959 11.00000 0.05193H10 2 0.39353 1.29470 -0.17664 11.00000 0.04962HKLF 4ENDDie Temperaturfaktoren sollten Werte zwischen rund 0.02 und 0.08 aufweisen. Fällt ein Wert völligheraus, ist dieses Atom vermutlich falsch zugeordnet worden. Fragen Sie Ihren Betreuer was zu tun istoder gehen Sie genauso wie bei der isotropen Verf<strong>einer</strong>ung vor. Fehlen Ihnen noch Wasserstoffatome,müssen Sie sich in der vom Programm erstellten RES-Datei mit dem Programm XP auf die Suchemachen. Scheint alles in Ordnung zu sein, so müssen Sie nur noch so viele Berechnungendurchführen, bis die Struktur konvergiert ist.


66• Editieren Sie hierzu die RESULTAT-Datei Dateiname.RES• Aktualisieren Sie das Wichtungsschema indem Sie das hinter dem Befehl END befindliche nachoben kopieren und das alte Schema löschen.• Speichern Sie die Datei unter dem Namen Dateiname.INS• Starten Sie eine Strukturverf<strong>einer</strong>ung mit dem Befehl XL Dateiname.• Wiederholen Sie die eben beschriebenen Schritte so lange, bis sich das Wichtungsschema nahezunicht mehr ändert.Sie können nun Ihre letzte Strukturverf<strong>einer</strong>ung starten.• Editieren Sie hierzu die RESULTAT-Datei Dateiname.RES• Aktualisieren Sie das Wichtungsschema, indem Sie das hinter dem Befehl END Befindliche nachoben kopieren und das alte Schema löschen.• Ersetzen Sie die Befehle BOND, FMAP 2 und PLAN 20 durch den Befehl ACTA• Speichern Sie die Datei unter dem Namen Dateiname.INS• Starten Sie eine Strukturverf<strong>einer</strong>ung mit dem Befehl XL Dateiname.Bitte tragen Sie auch am Ende dieser Rechnung die aktuellen auf ihrem Bildschirm angezeigtenGütekriterien ein.R1-Wert für alle Reflexe mit Fo > 4.sigma (Fo):R1-Wert für alle Reflexe:WR2-Wert für alle Reflexe:_____________________________________________________________________Beträgt Ihr R1-Wert weniger als 4% (0.04), so haben Sie alles richtig gemacht und könnten meinenJob übernehmen. In diesem Fall werde ich kündigen und mich bei Microsoft als “Ghost-Writer“ fürBedienungsanleitungen bewerben. Herzlichen Glückwunsch. Da der R-Wert nicht das einzige Gütekriteriumfür eine <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung darstellt, sollten Sie am Ende eine umfassendereBeurteilung der Güte <strong>einer</strong> Strukturbestimmung vornehmen. Dies wird Gegenstand des nächstenKapitels sein.10.3 Beurteilung der Güte eines StrukturmodellsAm Ende <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung ist das gefundene Modell immer dann zufriedenstellendverf<strong>einer</strong>t wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:- Das Modell sollte in erster Linie chemisch vernünftig sein und den theoretischen Erwartungenentsprechen.Beim Auftreten ungewöhnliche Strukturparameter muß eine sorgfältige Überprüfung allerSchritte der Strukturbestimmung durchgeführt werden.- Die Übereinstimmung von berechneten (F theor ) und gemessenen (F exp ) Strukturfaktoren (R-Wert)sollte so gut wie möglich sein. Bei guten Strukturverf<strong>einer</strong>ungen wird in der Regel einZuverlässigkeitsfaktor R kl<strong>einer</strong> 5% gefunden. Was die Gütebeurteilung <strong>einer</strong> Strukturbestimmungbasierend auf dem R-Wert anbelangt, sollte folgendes berücksichtigt werden:Sind in <strong>einer</strong> Struktur neben wenigen Leichtatomen (z.B. C, N, O) ein oder mehrereSchweratome präsent, so dominieren diese die gemessenen Bragg-Intensitäten was dazu führt,


67daß der R-Wert relativ gut ist, wohingegen die Atompositionen und damit dieGeometrieparameter dieser Leichtatome relativ ungenau bestimmt sind.Der R-Wert wird in der Regel nur für diejenigen Daten angegeben, welche in derStrukturverf<strong>einer</strong>ung verwendet wurden. Da hierbei häufig ein Großteil der schwachen Reflexe(I < 2σ(I)) unterdrückt wird, ist dieses Gütekriterium nicht sehr repräsentativ. Es sollte daherzusätzlich immer der R-Wert für alle Daten angegeben werden.Wesentlich aussagekräftiger sind die Gütekritierien des gewichteten R-Wertes sowie desGoodness of Fit (GOOF), welche die unterschiedliche Wichtung der gemessenen Reflexe in derVerf<strong>einer</strong>ung berücksichtigen. Zusätzlich geht hier eine weitere Beobachtung, nämlich die dergeschätzten Standardabweichung der gemessenen Reflexe mit ein. Der gewichtete R-Wert füralle gemessenen Daten sollte keine zu großen Unterschiede <strong>zum</strong> R-Wert für die zurStrukturverf<strong>einer</strong>ung verwendeten Daten zeigen.- Die geschätzten Standardabweichungen sämtlicher Geometrieparameter sollten möglichstgering sein. Dies ist vor allem in Strukturen in denen neben wenigen leichten Atomen (C, N, O)Schweratome präsent sind, nur sehr schwer zu erreichen. Die Positionen der Schweratome sindhier in der Regel sehr gut bestimmt, wohingegen die Positionen der Leichtatome nur sehrschlecht bestimmt sind.- Die Restelektronendichte (Differenzelektronendichte) sollte keine signifikanten Maxima oderMinima aufweisen. Oftmals werden allerdings vor allem bei sehr gut bestimmten Strukturenkl<strong>einer</strong>e Maxima von rund 0.3 - 0.4 e/Å 3 auf der Verbindungslinie zweier Leichtatomegefunden. Diese sind meist auf die nicht gültige Annahme kugelsymmetrischerElektronendichteverteilung der Atome bei der Berechnung der Atomformfaktorenzurückzuführen und entsprechen daher den “Bindungselektronen“.- Sämtliche anisotrope Auslenkungsparameter sollten physikalisch sinnvoll sein und denvermutlichen Atombewegungen entsprechen. Dies ist immer dann gegeben wenn die Differenzder quadratischen Amplituden der Auslenkungsparameter zweier Atome in Bindungsrichtungnahezu Null beträgt.- Die zu verf<strong>einer</strong>nden Parameter sollten gut überbestimmt sein. Das Daten-Parameter-Verhältnissollte daher mindestens 10:1 betragen.Ein Punkt erscheint mir jedoch noch außerordentlich wichtig. Sie haben den R-Wert als Gütekriteriumfür eine Strukturbestimmung kennengelernt. Dieser wird regelmäßig im experimentellen Teil <strong>einer</strong>Veröffentlichung angegeben und stellt somit unbestritten ein wichtiges Gütekriterium dar. Leiderverhalten sich die meisten Chemiker so, als wenn dies das einzige und beste Gütekriterium für eine<strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung darstellen würde. Dies ist leider nicht immer so und ich könnte Ihnenmehrere Beispiele nennen wo dies nicht zutrifft. Ich möchte dies an Hand <strong>einer</strong> Strukturbestimmungverdeutlichen die ich vor einiger Zeit selber durchgeführt habe. Bei der Verbindung, von der eine<strong>Einkristall</strong>strukturanalyse angefertigt werden sollte, handelte es sich um KCuHo 2 S 6 . DasGütekriterium für diese Bestimmung war mit 2.40% sehr gut und viele andere hätten sich wohl beidiesem R-Wert k<strong>einer</strong>lei Sorgen gemacht. Dennoch gab es einige Unstimmigkeiten und dieVerbindung wurde erneut auf ihre Zusammensetzung hin untersucht. Diese ergab daß an Stelle vonHolmium das Element Cer enthalten war. Eine Strukturverf<strong>einer</strong>ung unter Verwendung desAtomformfaktors von Cer an Stelle des für Holmium ergab dann auch einen signifikant besseren R-Wert von 1.88%. Ich hatte anschließend mehrere Strukturverf<strong>einer</strong>ungen unter Verwendung der


68Atomformfaktoren für andere Lanthanoide durchgeführt, d. h. einfach mal angenommen die Strukturwürde ein anderes Element enthalten (Tab. 10.1).La Ce Nd Pm Sm Eu HoOrdnungszahl 57 58 59 60 61 62 63 64R1 für Fo>4sFo 0.0209 0.0188 0.0175 0.0171 0.0174 0.0184 0.0198 0.0240wR2 alle Daten 0.0575 0.0494 0.0445 0.0433 0.0447 0.0482 0.0527 0.0674Tab. 10.1:R-Werte für Strukturverf<strong>einer</strong>ungen mit unterschiedlichen Atomformfaktoren (Elemente).Überraschenderweise ergab sich das beste Gütekriterium wenn angenommen wurde daß die Strukturdas Element Neodym enthalten würde, was völlig absurd ist da wir die Zusammensetzung ja bereitssicher festgestellt hatten. Welche Gründe könnten hierfür vorliegen?Zum einen ist klar daß diese Elemente, vor allem dann wenn diese direkt benachbart sind und sichdaher nur um ein Elektronen unterscheiden, sehr schwer zu unterscheiden sind. Zum einen sind unseregemessenen Intensitäten mit Fehlern wie beispielsweise Absorption behaftet, welche wir versuchen zukorrigieren. Alle Fehler können wir jedoch nicht beseitigen. Zum anderen stecken auch noch Fehler inder Theorie. Die Atomformfaktoren, welche angeben welchen Streubeitrag ein Element liefert, werdenja theoretisch berechnet. Auch dies wäre eine mögliche Fehlerquelle. Zum anderen werden dieseAtomformfaktoren für kugelsymmetrische Atome berechnet. Tatsächlich sind diese jedoch nichtkugelförmig. Darüber hinaus werden Bindungselektronen bei unseren Berechnungen auch nichtberücksichtigt. All dies führt dazu daß wir niemals eine vollständige Übereinstimmung zwischenberechneten und gemessenen Strukturfaktoren erhalten werden. In dem hier diskutierten Fall kann esdaher sein daß die Fehler in unserem Datensatz oder der verwendeten Theorie durch die Wahl einesfalschen Elements besser kompensiert werden.Mit diesem Beispiel möchte ich die <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse natürlich keinesfalls in Verruf bringen,bin ich doch selber ein großer Anhänger dieser Methode. Ich möchte nur darauf aufmerksam machendaß wir bei jeder Methode die wir verwenden immer damit rechnen müssen daß etwas schiefgelaufenist und daß wir den R-Wert nicht als das Gütekriterium schlechthin verwenden. Das hat der gar nichtverdient.11 Auswertung11.1 EinführungAus den bei <strong>einer</strong> Strukturbestimmung gewonnenen fraktionellen Atomkoordinaten <strong>einer</strong> Verbindungkönnen nun die gewünschten Geometrieparameter wie Bindungslängen und -winkel sowieTorsionswinkel berechnet werden. Deren geschätzte Standardabweichungen (esd; estimated standarddeviations) ergeben sich automatisch unter Berücksichtigung der individuellen geschätzten Standardabweichungender Atomkoordinaten, diese wiederum aus den abgeschätzten Standardabweichungenfür die gemessene Reflexintensitäten.Alle zusätzlichen Berechnungen sowie die grafische Darstellung der erhaltenen Ergebnisse werden mitdem Programm XP durchgeführt welches Sie bereits kennengelernt haben. Mit Hilfe diesesProgramms sollten Sie einige Abbildungen der von Ihnen verf<strong>einer</strong>ten Struktur anfertigen.Darüber hinaus gehört zu <strong>einer</strong> ordentlichen Strukturbestimmung das Anfertigen eines Meßprotokolls,welches Bindungslängen und Bindungswinkel, Atomkoordinaten, isotrope sowie anisotropeAuslenkungsparameter sowie einige Daten zur Strukturverf<strong>einer</strong>ung enthält. Diese Tabellen werden


69mit Hilfe eines Programms erstellt und müssen anschließend noch in Word für Windows eingefügtwerden. Gleiches gilt für die Abbildungen aus XP.11.1 Praktische Durchführung• Zur Erstellung der Tabellen starten Sie bitte das Programm durch Eingabe des Befehls CIFTAB.• Geben Sie bitte den Dateinamen ein Dateiname (Ohne Extension)• Wählen Sie Option T (Crystal/atom tables from .CIF)• Bestätigen Sie den Dateinamen der CIF-Datei durch Betätigen der Eingabetaste.• Bestätigen Sie Option Y (Select data...) durch Betätigen der Eingabetaste.• Bestätigen Sie die Ausgabe <strong>einer</strong> TEX-Datei durch Betätigen der Eingabetaste.• Wählen Sie die Ausgabe der Bindungslängen in Å durch Eingabe von ANG und Betätigen derEingabetaste.• Erstellen Sie keine Tabellen mit Kristalldaten durch Eingabe von N und Betätigen derEingabetaste.• Erstellen Sie eine Tabelle mit Atomkoordinaten durch Bestätigen mit der Eingabetaste.• Erstellen Sie eine Tabelle mit Bindungslängen und Winkeln durch Bestätigen mit derEingabetaste.• Bestätigen Sie auch die Ausgabe aller Strukturparameter durch Betätigen der Eingabetaste.• Erstellen Sie eine Tabelle mit anisotropen Auslenkungsparametern durch Betätigen derEingabetaste.• Erstellen Sie eine Tabelle mit den Koordinaten der Wasserstoffatome durch Betätigen derEingabetaste.• Beenden Sie das Programm durch Eingabe der Option Q (Quit).Das Programm hat nun eine Datei Dateiname.TEX erstellt in der alle wichtigen Informationenenthalten sind. Diese wird anschließend in Word für Windows in die Datei Dateiname.DOC, welchesich bereits in Ihrem Verzeichnis befindet, eingefügt. Sollten Sie mit dem Programm Word fürWindows nicht umgehen können wird Ihnen Ihr Betreuer behilflich sein. Da die Datei Dateiname.TEXnoch einige überflüssige Informationen enthält, müssen diese in Word entfernt werden. Wie dieseDatei abgeändert werden muß erfahren Sie dann von Ihrem Betreuer. Das ordentliche Erstellen derTabellen führen Sie daher gemeinsam mit Ihrem Betreuer durch.Am Anfang des Dokumentes Dateiname.DOC finden Sie einen Vordruck für das Meßprotokoll,welches die wichtigsten Daten zur Strukturbestimmung und zur Strukturverf<strong>einer</strong>ung enthält. Siemüssen nur die aktuellen Werte in die entsprechenden Spalten eintragen. Welcher Datei Sie dieeinzelnen Werte entnehmen, erfahren Sie von Ihrem Betreuer.Sie sollten nun einige aussagekräftige Bilder Ihrer Struktur mit XP erstellen und diese am Ende insDokument einfügen. Da das Programm XP Grafiken leider nur im HPGL-Format erstellt, diese Wordfür Windows jedoch nicht bearbeiten kann, müssen Sie diese zunächst in Corel Draw einladen und vondort in Word exportieren. Auch hier wird Ihnen Ihr Betreuer behilflich sein.Die Abbildungen sollten <strong>zum</strong>indest folgende Ansichten enthalten:1. Eine Abbildung der durch Symmetrie vervollständigten asymmetrischen Einheit, welche dievollständige Koordinationssphäre ihres Zentralatoms mit Nummerierung zeigt.2. Ein Bild der gesamten Kristallstruktur mit Blick entlang <strong>einer</strong> kristallographischen Achse.


70Die Abbildung 1 sollte sog. ORTEP-Diagramme beinhalten in denen die anisotropen Auslenkungsparameter(Temperaturellipsoide) abgebildet sind. In <strong>einer</strong> graphischen Darstellung präsentieren dieseEllipsoide (Wahrscheinlichkeitsellipsoide) in der Regel eine 50%ige Aufenthaltswahrscheinlichkeit,was nichts anderes bedeutet als daß eine identische Chance besteht, das Atom inner- oder außerhalbdes Ellipsoides anzutreffen. Verrückt, oder ?. Die Abbildungen fertigen Sie am besten mit IhremBetreuer an. Damit sind Sie nun wirklich am Ende Ihrer Strukturbestimmung angelangt, und ich hoffedaß Ihnen diese <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung auch etwas Freude bereitet hat.12. Aufgaben12.1 Aufgaben im <strong>Praktikum</strong>sZu Ihren Aufgaben in diesem Teil des <strong>Praktikum</strong>s gehört die Durchführung <strong>einer</strong><strong>Einkristall</strong>strukturanalyse. Während der gesamten Zeit ist Ihr Betreuer zugegen um Ihnen mit Rat undTat zur Seite zu stehen. Haben Sie daher k<strong>einer</strong>lei Bedenken wenn Sie beispielsweise die Strukturnicht auf Anhieb lösen können. Dies wird ganz sicher nicht Teil <strong>einer</strong> Beurteilung sein. Sie sollen janicht <strong>zum</strong> Kristallographen ausgebildet werden, sondern sich nur einen Überblick über diese Methodeverschaffen. Wichtig ist nur daß Sie engagiert mitarbeiten und diskutieren. Fragen werden gernebeantwortet und zeugen eher von hohem Interesse als von zu wenig Sachkenntnis.Sie werden schnell bemerken daß Sie im Rahmen dieses Kurses mit <strong>einer</strong> ganzen Flut vonInformationen konfrontiert worden sind. Es ist überhaupt nicht notwendig und auch gar nicht möglichsich jedes Detail zu merken. Die Dinge sind nur deshalb so ausführlich beschrieben worden damit Sieall die Aufgaben nahezu alleine bewältigen können und einen Eindruck davon zu gewinnen, wie dieseMethode im Prinzip funktioniert. Nur dies sollte Ihnen klar geworden sein.Dennoch wird eine Überprüfung Ihres Wissensstands stattfinden. Hierzu müssen Sie am Ende Ihres<strong>Praktikum</strong>s ein Protokoll über diesen Versuch anfertigen und am Ende eine mündliche Prüfung ablegen.Die meisten Fragen können Sie alleine mit Hilfe dieses <strong>Skript</strong>s oder mit während des <strong>Praktikum</strong>sangefertigten Aufzeichnungen beantworten. Dennoch wird es einige Fragen geben, die Sie nur mitHilfe eines Buches oder mit der von Kollegen beantworten können. Fragen Sie die ruhig. Gegen einegemeinsame Diskussion welche die Beantwortung der Fragen zur Folge hat ist überhaupt nichts einzuwenden.Die zeigt nur daß Sie sich mit dem Gelernten auseinandersetzen. Am besten wäre jedochSie könnten die etwas anspruchsvolleren Aufgaben, deren Antwort nicht direkt im <strong>Skript</strong> steht, durchAnwendung des bereits Gelernten beantworten. Die Voraussetzungen dafür sind in diesem Kurs geschaffenworden. Ihr Protokoll wird am Ende des <strong>Praktikum</strong>s von Ihrem Betreuer begutachtet, mitIhnen in einem persönlichen Gespräch diskutiert und beurteilt. Dieses Gespräch bietet dann nochmalsdie Gelegenheit sich auf die mündliche Prüfung vorzubereiten.12.2 Fragen, die im Protokoll beantwortet werden müssen


71Schildern Sie in wenigen Sätzen die Durchführung <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse am Beispiel Ihrer<strong>Praktikum</strong>sverbindung. Welche wesentlichen Schritte müssen zur Bestimmung ausgeführt werden.Darüber hinaus sollten Sie versuchen auf die nachfolgenden Fragen eine Antwort zu geben. Ob Sie dieAntworten darauf <strong>zum</strong> Teil in Ihren Versuchsbericht einbauen oder extra beantworten bleibt Ihnenüberlassen.1. Welches sind die wesentlichen Kennzeichen <strong>einer</strong> kristallinen Verbindung?2. Benennen Sie ein beliebiges Experiment außer der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse welches Hinweiseauf die Periodizität der Bausteine in einem Kristall liefert.3. Warum kann zur Durchführung <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse keine Strahlung im sichtbaremBereich verwendet werden?4. Warum können in der Röntgenstrukturanalyse in der Regel keine amorphen Stoffe untersuchtwerden?5. Einem Reaktionsansatz entnehmen Sie einen Kristall zur Bestimmung der <strong>Einkristall</strong>struktur dervon Ihnen hergestellten Verbindung. Wie beweisen Sie daß dieser Kristall repräsentativ für denRest der Probe ist?6. Worin besteht der prinzipielle Unterschied zwischen <strong>einer</strong> Röntgen- und <strong>einer</strong> Neutronenbeugung?7. Was unterscheidet einen <strong>Einkristall</strong> von einem verwachsenen oder verzwillingten Kristall?8. Werden die mit Hilfe <strong>einer</strong> Röntgen-<strong>Einkristall</strong>strukturanalyse bestimmten Bindungslängen zutiefen Temperaturen hin länger oder kürzer? Geben Sie hierfür eine mögliche Erklärung.9. Die Abstände zu Wasserstoffatomen werden bei <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>-Röntgenstrukturanalyse in derRegel zu kurz bestimmt. Warum?10. Bei genauerer Betrachtung wird gefunden daß die C=O-Bindungslängen in Carbonylgruppen zulang bestimmt sind. Geben Sie eine mögliche Erklärung.11. Nehmen wir an sie sind an genauen Wasserstoffatomabständen interessiert. Welches Experimentführen Sie aus und aus welchem Grund?12. Warum ist der Begriff des “Temperaturfaktors“ mißverständlich?13. Von welchen Parametern hängt der “Temperaturfaktor“ ab?14. In der <strong>Einkristall</strong>-Röntgenstrukturanalyse kann wesentlich einfacher zwischen den imPeriodensystem benachbarten Elementen Stickstoff und Sauerstoff als zwischen Eisen und Cobaltunterschieden werden. Aus welchem Grund?15. Welche Strahlung würden Sie zur Unterscheidung von sehr schweren, im Periodensystembenachbarten Elementen verwenden und aus welchem Grund?16. Welchen Beweis haben Sie in der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse dafür daß ein von Ihnen zugeordnetesElement richtig ist?17. Werden in der <strong>Einkristall</strong>-Röntgenstrukturanalyse Bindungen sichtbar?18. Erklären Sie den Begriff des Strukturmodells.19. Wofür steht der kristallographische R-Wert.20. Nennen Sie andere Kriterien welche eine Aussage über die Güte <strong>einer</strong> Strukturbestimmungzulassen.21. Erlären Sie den Begriff der esd (estimated standard deviation)22. Worin besteht der Unterschied zwischen <strong>einer</strong> Strukturlösung und <strong>einer</strong> Strukturverf<strong>einer</strong>ung?23. Erklären Sie den Begriff der Elementarzelle.24. Erklären Sie den Begriff der “asymmetrischen Einheit“.


7225. Am Ende <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung finden sich bei sehr guten Bestimmungen meistRestelektronendichten die keinem Atom zugeordnet werden können und sich genau in der Mittezweier aneinander gebundener Atome befindet. Geben Sie hierfür eine mögliche Erklärung.27. Sie finden im Rahmen <strong>einer</strong> <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmung eine Zelle mit folgendenAbmessungen:a = 5.215 Å, b = 5.210 Å, c = 10.239 Å, α = 90.01°, β = 89.99°, γ = 90.02°.Welches Kristallsystem liegt Ihrer Meinung nach vor. Wie beweisen Sie dies.28. Nach jahrelanger Arbeit ist Ihnen offensichtlich die Synthese von C 62 geglückt. Das einzige wasSie noch vom einem Nobelpreis trennt, ist dessen <strong>Einkristall</strong>struktur. Bei der Indizierungermitteln sie folgende Gitterparameter: a = 8 Å, b = 8 Å, c = 8 Å, α = β = γ = 90°. Ist Ihnen derPreis sicher?13 Verwendete ProgrammeArt des ProgrammsFlächenindizierte AbsorptionskorrekturBenötigt PSI- und CRS-FileOptimiert die Kristallflächen und aktualisiert CRS-FileKorrektur der gemessenen BeugungsreflexeBenötigt korrigierten CRS- und unkorrigierten HKL-FileLiest HKL-File ein und erstellt korrigiertes HKC-File, sowie die beidenProtokollfiles *.CLG und *.XLGDas korrigierte HKC-Hile muss anschließend in *.HKL umbenannt werdenBestimmung des Kristallsystems, des Bravais-Typs, der Laue-Gruppe, derRaumgruppe und des Inhaltes der Elementarzelle (Z = Anzahl derFormeleinheiten pro EZ)Benötigt korrigierten HKL-FileErstellt INS-File zur Strukturlösung sowie das Protokollfile *.PRPLösung der Struktur und Berechnung <strong>einer</strong> ElektronendichtekarteBenötigt korrigierten HKL-File und INS-File aus XPREPErstellt RES-File mit Koordinaten der Elektronendichtemaxima sowie einProtokollfile (*.LST). Der RES-File muß nach Zuordnung von Atomen zu denElektronendichtemaxima in *.INS umbenannt werden.Verf<strong>einer</strong>ung der StrukturBenötigt korrigierten HKL-File sowie INS-File mit der Atomzuordnung aus derStrukturlösungErstellt RES-File mit verf<strong>einer</strong>ten Parametern ein Protokollfile (*.LST) und evtl.ein CIF-File sowie ein FCF-File zur Erstellung von Tabellen und FoFc-Listen.StartbefehlXSHAPEXREDXPREPXS94XL


73Erstellung von Abbildungen und graphische Unterstützung derStrukturbestimmungBenötigt RES- oder INS-File. Kann INS-Files zur Strukturverf<strong>einer</strong>ung erstellen.Abbildungen werden als PLT-Files abgespeichert.Erstellung von Tabellen sowie FoFc-ListenLiest CIF-File sowie FCF-File ein und erstellt TEX-File sowie SFT-File.+ Microsoft Word 6.0 und Corel-Draw 8.0XPCIFTAB14 DateistrukturExtension Art der Datei*.HKL Datendatei: Enthält die Indizes, die gemessenen Intensitäten und Standardabweichungenaller gemessenen Beugungsreflexe sowie die dazugehörigenRichtungscosine zur Absorptionskorrektur*.PSI Enthält die Indizes, die gemessenen Intensitäten und Standardabweichungen sowie dieRichtungscosine aller gemessenen Beugungsreflexe, welche für eineAbsorptionskorrektur verwendet werden müssen.*.SUM Protokolldatei: Enthält alle wichtigen Informationen zur Datensammlung(Gitterparameter, Meßbereich, etc).*.CRS Datei für die Absorptionskorrektur mit XSHAPEEnthält alle notwendigen Informationen zur Absorptionskorrektur wie Gitterparameter,Kristallsystem, Laue-Symmetrie und Absorptionskoeffizient*.CLG Protokoll-Datei zur Absorptionskorrektur*.XLG Protokoll-Datei zur Absorptionskorrektur*.PRP Protokoll-Datei zur Raumgruppenbestimmung*.INS Instruktions-Datei: Weist das Programm an was berechnet werden soll*.RES Result-Datei: Enthält die verf<strong>einer</strong>ten Parameter (Ergebnis) nach <strong>einer</strong> Rechnung*.LST Listing-Datei: Enthält zusätzliche Informationen über die Berechnung*.CIF Enthält alle Informationen der fertigen Strukturbestimmung im ASCII-Format. Wirdwährend der letzten Berechnung nach Eingabe des Befehls ACTA in den INS-Fileautomatisch vom Programm erstellt. Durch das Programm CIFTAB, können aus dieserDatei Tabellen mit Atomkoordinaten, Bindungslängen, etc. erstellt werden. Diese Dateimuß bei <strong>einer</strong> Publikation eingereicht werden.*.FCF Enthält die mit dem Diffraktometer berechneten Strukturfaktoren (Reflexintensitäten)und die mit SXL auf der Basis des Strukturmodells berechneten.*:TEX Enthält Tabellen mit Atomkoordinaten, Bindungslängen und -winkel, anisotropen undisotropen Auslenkungsparametern im ASCII-Format*.SFT Enthält die mit dem Diffraktometer berechneten Strukturfaktoren (Reflexintensitäten)und die mit SXL auf der Basis des Strukturmodells berechneten. Diese Liste muß bei<strong>einer</strong> Publikation eingereicht werden.*.PLT Von XPREP erstelltes File mit Abbildungen*.HPG Von XPREP umgewandeltes File <strong>zum</strong> Einlesen z. B. in Corel-Draw.


7415 Empfohlene LiteraturKristallstrukturbestimmungW. MassaTeubner Studienbücher ChemiePreis: rund 33,-- DMDas Buch von Massa kann nicht nur Anfängern empfohlen werden sondern auch denen die schonetwas vertrauter mit diesem Thema sind. Im Gegensatz zu den meisten Lehrbüchern berücksichtigtdieses Buch vor allem auch praktische Aspekte der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse. Diese sollten jaeigentlich immer im Vordergrund stehen. In diesem Buch wird der Leser auf nur wenigen Seiten innahezu alle Bereiche der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse eingeführt. Sympathisch ist der geringe Umfang,der niedrige Preis und daß das Buch in deutscher Sprache abgefasst ist.Crystal Structure Analysis for Chemists and BiologistsJenny P.Glusker, Mitchell Lewis, Miriam Rossi.VCH VerlagsgesellschaftPreis: rund 60,-- DMAllen diejenigen, die mit der Englischen Sprache nicht völlig auf Kriegsfuß stehen und sich auch nichtvon einem etwas dickeren Buch abschrecken lassen kann ich das Buch von Jenny P. Glusker nahezuuneingeschränkt empfehlen. Der Leser wird auf einem wirklich leicht verständlichen Niveau in alleAspekte der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse eingeführt. Dies hat vermutlich viel Mühe gekostet und auch zudem großen Umfang dieses Buches beigetragen. Wie auch im Buch von Massa kommen auch diepraktischen Aspekte nicht zu kurz. Darüber hinaus existieren mehrere Kapitel mit Themen, welcheüber die eigentliche Strukturbestimmung hinausgehen. Diese beschäftigen sich z. B. mit der Frage wasdenn überhaupt mit den vielen Strukturen anzufangen ist. Was kann aus diesen gelernt werden? Wiewerden Strukturergebnisse denn überhaupt ausgewertet? Wie können diese interpretiert werden? Alldiese Aspekte halte ich persönlich für außerordentlich wichtig da die Strukturbestimmung ja nichtSelbstzweck sein kann, sondern deren Ergebnis dem Chemiker Hilfestellung bei der Beantwortungchemischer Fragestellungen leisten sollte. Wer regelmäßig mit dieser Thematik zu tun hat, wer alsobeispielsweise selber <strong>Einkristall</strong>strukturbestimmmungen durchführt oder für sich durchführen läßt,sollte dieses Buch unbedingt im Schrank stehen haben. Unabhängig davon ist der Preis für ein derartumfangreiches Buch sehr gering.Ansonsten ist mir kein Buch bekannt, welches ich weiter empfehlen könnte.16 SchlußwortDie Bestimmung der Atomkoordinaten mit Hilfe der <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse beinhaltet das Messenvon Intensitäten, die Lösung des Phasenproblems, sowie die Verf<strong>einer</strong>ung der erhaltenen Koordinatenund Auslenkungsparameter. Alle durchgeführten Schritte sind mehr oder weniger mit Fehlernbehaftet, welche von der verwendeten Hardware ebenso abhängen wie von dem jeweiligen Benutzer.Teilweise basieren diese Fehler auch auf unzureichenden Theorien und Annahmen. Obwohl eineenorme Menge experimenteller Daten <strong>einer</strong> nur geringen Anzahl zu verf<strong>einer</strong>nder Parametern


75gegenübersteht, kann nicht davon ausgegangen werden daß sich alle Fehler herausmitteln, das heißtdiese statistisch verteilt seien.Es ist daher enorm wichtig daß Sie sich der vielen möglichen Fehlerquellen und Einschränkungen mitdenen die <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse behaftet ist bewußt sind und diese in alle weiteren Überlegungenmit einbeziehen. Oft ist es enorm wichtig eine oder mehrere andere Methoden zur Klärung einesbestimmten Sachverhaltes hinzuzuziehen. Nur dann können Sie sich wirklich sicher sein. Gerade dasist es was Sie in diesem Kurs lernen sollten. Stehen Sie den Dingen immer kritisch gegenüber. Wennnicht, wäre dies das Ende jeglichen Fortschritts.Dennoch, bei angemessener Berücksichtigung aller möglichen Fehlerquellen und gewissenhafterAnwendung ist die <strong>Einkristall</strong>strukturanalyse eine der genauesten Methoden zur Bestimmung derFestkörperstruktur kristalliner Verbindungern. Auf hohem Niveau durchgeführt bietet diese eineenorme Fülle von zusätzlichen Informationen und wird daher in den kommenden Jahren eher anBedeutung gewinnen.

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