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Prof. Dr. Heinz-Peter Mansel Albertus Magnus Platz ... - Europa

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21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 1<strong>Prof</strong>. <strong>Dr</strong>. <strong>Heinz</strong>-<strong>Peter</strong> <strong>Mansel</strong>Universität zu Köln<strong>Albertus</strong> <strong>Magnus</strong> <strong>Platz</strong>D-50923 KölnSUCCESSION AND WILLSPublic HearingMonday 21 November 2005 from 3.00 p.m. to 5.00 p.m.Meeting room: ASP 1G2European Parliament, rue Wiertz - 1047 Brussels,EUROPEAN PARLIAMENTCommittee on Legal AffairsQuestionnaire for the hearing on21 November 2005Stellungnahme <strong>Mansel</strong>


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 21. Do you consider it worthwhile for the European Community to adopta regulation on private international law relating to successions?Die gleichzeitige Vereinheitlichung des internationalen Erbrechts und derinternationalen Zuständigkeit für Erbschaftssachen sowie der Anerkennung vonerbrechtlichen Gerichtsentscheidungen in der Europäischen Gemeinschaft ist ineinem durch freien Personen- und Kapitalverkehr geprägten <strong>Europa</strong> derUnionsbürger heute sachlich erforderlich. Gerade die aus Art. 18 EG fließendenfreien Aufenthaltsrechte der Unionsbürger im gesamten Unionsgebietverlangen eine Absicherung ihres erbrechtlichen Status durch einheitlicheRegelungen. Gemeinschaftsweit sollten deshalb einheitliche Regeln für dasanwendbare Erbrecht, die dazugehörige internationale Gerichtspflichtigkeit(internationale Zuständigkeit) und die Urteilsanerkennung gelten.a. Kollisionsrechtsvereinheitlichungaa. Politischer oder räumlicher Anknüpfungspunkt:Staatsangehörigkeit oder gewöhnlicher AufenthaltDas Bedürfnis für die Kollisionsrechtsvereinheitlichung besteht, um demmobilen Unionsbürger eine sichere Nachlassplanung zu ermöglichen. Zur Zeitist das nur erschwert möglich, da die mitgliedsstaatlichen Kollisionsrechte sehrunterschiedlich ausgestaltet sind.15 Rechtsordnungen folgen dem Staatsangehörigkeitsprinzip: Deutschland,Estland, Finnland, Griechenland, Italien, Litauen; Österreich, Polen, Portugal,Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechische Republik, Ungarn9 Rechtsordnungen folgen dem Wohnsitzprinzip/domicile-Grundsatz: Belgien,Frankreich, Dänemark, Luxemburg bzw. Großbritannien, Irland, Malta; Zypern;differenzierend (Haager Erbrechts-Übereinkommen): Niederlande


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 3Lettland kennt nur eine einseitige Regelung des Erbstatuts, die an dieVermögensbelegenheit in Lettland anknüpft.bb.Nachlasseinheit oder NachlassspaltungDie meisten Mitgliedsstaaten, z.B. Deutschland und Österreich, gehen von dereinheitlichen Bestimmung des anwendbaren Rechts für den gesamten Nachlassaus (Nachlasseinheit). Allerdings kennen nicht wenige (z.B. Belgien,Frankreich, Dänemark, Luxemburg bzw. Großbritannien, Irland, Malta, ZypernFrankreich) eine unterschiedliche Anknüpfung für Mobiliar- undImmobilarnachlass (Nachlassspaltung). Im Fall der Nachlassspaltungunterstellen die genannten Staaten in ihrem autonomen Recht dasGrundvermögen erbrechtlich der lex rei sitae (Recht am Belegenheitsort desGrundstücks), während sie auf das sonstige Nachlassvermögen das Recht desletzten Wohnsitzes bzw. des domicile des Erblassers anwenden.Die Nachlassspaltung ist auch in einem für Deutschland geltendenStaatsvertrag mit der Türkei vorgesehen. Dabei wird an die lex rei sitae desNachlassgrundstücks und für den restlichen Nachlass an dieStaatsangehörigkeit des Erblassers angeknüpft. Im übrigen führt dieMöglichkeit der Wahl der lex rei sitae zum Erbstatut für in Deutschlandbelegene Grundstücke (Art. 25 Abs. 2 des deutschen EGBGB) zur partiellenNachlassspaltung. Auch bevorzugt Art. 3 Abs. 3 des deutschen EGBGB die lexrei sitae, wenn ein Nachlassgrundstück in einem Staat mit kollisionsrechtlicherNachlassspaltung und einer besonderen Belegenheitsanknüpfung desErbstatuts für Grundstücke liegt.cc.TestamentsformstatutVorteilhaft ist, dass das Haager Testamentsformübereinkommen von 1961 in16 EG-Staaten in Kraft ist. Das auf die Testamentsform anwendbare Recht wirddamit in diesen Staaten einheitlich bestimmt.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 4Für 9 EG-Staaten gilt das Übereinkommen nicht (Italien, Lettland, Litauen,Malta, Portugal, Slowakei, Tschechische Republik, Ungarn, Zypern).Es ließe sich eine gemeinschaftsweite IPR-Vereinheitlichung für dieTestamentsform bereits durch den Beitritt der Gemeinschaft oder dergenannten neun Staaten zum Übereinkommen erreichen. Das wäre für Zweckeder „Freizügigkeit“ von Testamenten in einem ersten Schritt anzustreben. Inder Verordnung könnte dann auf das Übereinkommen für die Testamentsformnur verwiesen werden.b. Zuständigkeits- und UrteilsanerkennungsregelnEinheitliche Zuständigkeits- und Urteilsanerkennungsregeln sind erforderlich,um einen einheitlichen erbrechtlichen Justizraum zu schaffen. Dieser istVoraussetzung für eine erleichterte Streitbeilegung und die Vermeidung vonunkoordinierten Möglichkeiten des „forum shopping“..c. Erleichterte NachlassabwicklungAus Gründen der einfacheren und kostengünstigen Nachlassabwicklung bedarfes auch der Schaffung eines einheitlichen Europäischen Erbscheins. Allerdingsverlangt ein entsprechendes Gemeinschaftsinstrument größere Anstrengungenund die Vorgabe umfassender Mindestanforderungen an die Ausgestaltung desautonomen mitgliedsstaatlichen materiellen Rechts und Verfahrensrechts.2. In particular, do you consider that the various rules at present inforce in the legal systems of the Member States constitute a barrier tofree movement and freedom of establishment?


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 5Die gerade in der Antwort zu Frage 1 geschilderten unterschiedlichenerbrechtlichen Kollisionsnormen, die Möglichkeit des forum shopping sowie dasFehlen eines einheitlichen Legitimationsnachweises für Erben erschwert diesichere Nachlassplanung für Unionsbürger, die von ihrer Niederlassungsfreiheit,der Personenverkehrsfreiheit und dem Recht auf freien Kapitalverkehrinnerhalb der EG ohne faktisch-rechtliche Behinderung Gebrauch machenwollen. Die spätere Nachlassabwicklung gestaltet sich deshalb besondersschwierig, wenn der Nachlass in mehreren Staaten belegen ist.3. What would be the legal basis for a regulation on privateinternational law relating to successions?a. Normen des Internationalen Privat- und VerfahrensrechtsArt. 61 lit. c i.V.m. Art. 65 EG bietet die Kompetenz zur Schaffung einheitlicherKollisionsnormen für das Erbrecht und die dazugehörigen einheitlicheninternationalverfahrensrechtlichen Regelungen.Der Binnenmarktbegriff in Art. 65 lit. b EG ist im Sinne von Art. 14 Abs. 2 EGmit Blick auf die Personenfreizügigkeit des Art. 18 EG weit zu verstehen (siehedazu Claudia Schmidt, Die Vereinbarkeit des kollisionsrechtlichenStaatsangehörigkeitsprinzips mit dem gemeinschaftsrechtlichenDiskriminierungsverbot, Dissertation Köln 2006; Herweg, Die Vereinheitlichungdes Internationalen Erbrechts im Europäischen Binnenmarkt, 2004, S.209 ff.).Er kann als Folge der Vergemeinschaftung der justiziellen Zusammenarbeit undder den Unionsbürgern mit Art. 18 EG gewährten Aufenthaltsrechte nicht aufdie rein wirtschaftliche Betätigung verengt werden, sondern ist als Binnenraumder Unionsbürger zu verstehen. Kollisionsrechtsvereinheitlichende Maßnahmen,die der Erleichterung der Personenfreizügigkeit im <strong>Europa</strong> der Bürger dienen,unterliegen daher der Kompetenz des Gemeinschaftsgesetzgebers.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 6b. Kompetenzprobleme für den Europäischen Erbschein und dasEuropäische NachlassverwalterzeugnisFür den Europäischen Erbschein und – eingeschränkt auch für das EuropäischeNachlassverwalterzeugnis – muss ein Gemeinschaftsinstrumentmateriellrechtliche und verfahrensrechtliche Regelungen vorsehen (sieheunten). Es ist fraglich, ob der Erlass dieser materiell- und verfahrensrechtlichenNormen noch unter Art. 61 lit. c und 65 EG gefaßt werden kann. Diese Frageder materiellrechtlichen Gesetzgebungskompetenz der Gemeinschaft kannunterschiedlich gesehen werden.Gegen die Gesetzeskompetenz für den Europäischen Erbschein und dasEuropäische Nachlassverwalterzeugnis spricht, dass Art. 61 lit. c, 65 EG sichdem Wortlaut nach allein auf die kollisions- undinternationalverfahrensrechtliche Vereinheitlichung beschränken.Allerdings sollen der Europäische Erbschein und das Nachlassverwalterzeugnisallein die materiellrechtliche Rechtslage nach dem Erbrecht bescheinigen, dasaufgrund der Kollisionsrechtsvereinheitlichung im Geltungsbereich derErbrechts-VO als anwendbar gilt. Diese Bescheinigung dient lediglich derErleichterung des Rechtsverkehrs. Daher ergibt sich eine beschränkte, aus Art.61 lit. c, 65 lit. b EG fließende Annexkompetenz für materiellrechtliche undverfahrensrechtliche Regelungen der Beweis-, Gutglaubens- undLegitimationsfunktion des Europäischen Erbscheins und desNachlassverwalterzeugnisses.Wer diese Auffassung nicht teilen kann, müsste die entsprechendemateriellrechtliche Ausgestaltung dem Recht des Ausstellerstaats überlassen.Allerdings könnte dann die Verordnung – ähnlich wie bei der Verordnung überden Europäischen Vollstreckungstitel – entsprechende materiellrechtlicheMindestanforderungen hinsichtlich der Voraussetzungen und Wirkungen dieserBescheinigungen vorsehen. Sollten die autonomen Normen diesen


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 7Verordnungsvorgaben nicht entsprechen, könnte die Bescheinigung nicht alsEuropäischer Erbschein bzw. Nachlassverwalterzeugnis eingestuft werden, sodass die Wirkungserstreckung aufgrund der Anordnungen der Erbrechts-VO aufdie anderen Verordnungsstaaten nicht greifen würde.Kompetenzrechtlich zulässig sowie sach- und praxisgerechter erscheint aberdie Aufnahme der ergänzenden materiell- und verfahrensrechtlichen Regelungin die Verordnung selbst.c. Regelungsinstrument der VerordnungAuch unter Berücksichtigung der Grundsätze der Subsidiarität undVerhältnismäßigkeit ist die Form der EG-Verordnung das geeignetsteRegelungsinstrument. Gerade die Kollisionsrechtsvereinheitlichung verlangtaus Gründen der Effizienz und Rechtssicherheit – soweit möglich –gemeinschaftsweit, unmittelbar und direkt geltende Kollisionsnormen, dieentgegenstehende autonome Regelungen verdrängen. Das gilt ungeachtet derTatsache, dass eine auf Art. 65 EG beruhende Verordnung nicht für Dänemarkgilt, Dänemark somit als <strong>Dr</strong>ittstaat einzustufen wäre. Mit Dänemark sollte dieEG eine inhaltsgleiche staatsvertragliche Regelung anstreben, wie es parallelzur EuGVVO auch vorgesehen ist.Im Vereinigten Königreich und Irland würde die Erbrechts-VO auch nur gelten,wenn diese beiden Staaten ihre Beteiligung an der Annahme und Anwendungder Verordnung gemäß Art. 3 des dem Vertrag über die Europäische Union unddem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügtenProtokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands schriftlichmitgeteilt haben. Ob sie das mit Bezug zu einer Erbrechts-VO ebenso tunwürden, wie sie es mit Bezug zu den internationalverfahrensrechtlichen EG-Verordnungen der Jahre 2001 – 2005 getan haben, ist offen.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 8In der Verordnung könnte für die Testamentsform eine Blockverweisung aufdas Haager Testamentsformübereinkommen von 1961 erfolgen, um in diesemsensiblen, für eine globale Nachlassplanung wichtigen Bereich eine in denmeisten EG-Staaten bereits bestehende Rechtslage gemeinschaftsweit weiterzu gewährleisten und auf alle Verordnungsstaaten zu erstrecken.d. Binnenmarktbeschränkte Regelung oder universelle RegelungFraglich ist, ob die Art. 61, 65 EG eine ausreichende Kompetenzgrundlagebilden, um das internationale Erbrecht umfassend, also für jeden Fall mitAuslandsbezug, zu vereinheitlichen. Es könnte zweifelhaft sein, ob eineErbrechts-VO auch <strong>Dr</strong>ittstaatenkonstellationen (Bezug zu nur einemMitgliedsstaat und einem oder mehreren Nichtmitgliedsstaaten) wirksam regelnkann.Art. 65 EG setzt voraus, dass die Regelung für das reibungslose Funktionierendes Binnenmarkts erforderlich ist. Das könnte dahin zu verstehen sein, dassArt. 65 EG eine tatsächliche Verbindung des Sachverhalts zu mindestens zweiMitgliedsstaaten verlangt. Das Problem ist von der EuropäischenGerichtsstand- und Vollstreckungs-VO (Brüssel I-VO, ABl EG Nr. L 12 v.16.1.2001, S. 1) und anderen Verordnungen her bekannt Dort stellt sich diegleiche Frage. Zu dem Parallelproblem für das Europäische Gerichtsstands- undVollstreckungsübereinkommen – das allerdings gerade nicht auf Art. 65 EGberuht, sondern staatsvertragliches Recht ist, – hat der EuGH in derRechtssache Owusu / Jackson am 1.3.2005 (IPRax 2005, 244, 247)entschieden, dass die einheitlichen Zuständigkeitsregeln nicht nur aufSachverhalte anzuwenden seien, die einen tatsächlichen und hinreichendenBezug zum Funktionieren des Binnenmarkts hätten. Ziel der Vereinheitlichungsei auch die Beseitigung bereits der Binnenmarkthindernisse, die allein aus derUnterschiedlichkeit der nationalen rechtlichen Regelung fürgrenzüberschreitende Sachverhalte erwachsen. Einen innergemeinschaftlichenAuslandsbezug hat er gerade nicht gefordert. Wendet man diesen allgemein


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 9formulierten Maßstab ebenso auf Art. 65 EG an, was die Art der Formulierungdes Urteils nahe legt, dann gewährt Art. 65 EG auchGemeinschaftskompetenzen für den Erlass von Kollisionsnormen mituniversellem räumlichen Anknüpfungsbereich. Der Binnenmarktbezug wirdauch durch die Verhinderung des forum shopping vor den Gerichten derMitgliedsstaaten und durch den Zwang der Mitgliedsstaaten zur erleichtertenUrteilsanerkennung der durch ein mitgliedsstaatliches Gericht erlassenenUrteile hergestellt (siehe zum Parallelproblem für das Scheidungskollisionsrecht<strong>Mansel</strong>, Das Staatsangehörigkeitsprinzip im deutschen undgemeinschaftsrechtlichen Internationalen Privatrecht: Schutz der kulturellenIdentität oder Diskriminierung der Person, in: Jayme (Hrsg.), KulturelleIdentität und IPR, 2003, S. 119, 145 ff.).Dementsprechend differenzieren auch die beiden Verordnungsvorschläge fürein europäisches internationales Privatrecht der vertraglichen bzw.außervertraglichen Schuldverhältnisse (Rom I bzw. Rom II) nicht zwischenBinnenmarktsachverhalten und reinen <strong>Dr</strong>ittstaatenkonstellationen, sondernformulieren Kollisionsnormen mit universeller Reichweite (allerdings hat dasEuropean Committee des House of Lords, 8th Report of Session 2003-04, TheRome II Regulation, Report with Evidence, House of Lords Paper 66, 2004, 22ff., deshalb Kompetenzbedenken; dagegen aber zu Recht Jayme/Kohler, IPRax2005, 481 f.).Ein Binnenmarktbezug ergibt sich etwa auch, wenn ein Nachlassverfahren ineinem <strong>Dr</strong>ittstaat anhängig ist und dessen internationales Erbrecht auf dasRecht eines EG-Verordnungsstaats verweist. Eine Verordnungsnorm darf auchGeltung für diesen Fall (der Rückverweisungsprüfung aufgrund einesdrittstaatlichen Verweisungsbefehls) beanspruchen. Man wird auch in dieserKonstellation einen für Art. 65 EG ausreichenden und damitkompetenzschaffenden Binnenmarktbezug annehmen müssen, um generelleine einheitliche Statusbeurteilung im Binnenmarkt sicherzustellen.Entsprechendes gilt auch für den Fall der Testamentserrichtung in einem


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 10<strong>Dr</strong>ittstaat durch einen Erblasser mit <strong>Dr</strong>ittstaatenaufenthalt und<strong>Dr</strong>ittstaatenangehörigkeit. Ein Binnenmarktbezug im Sinne von Art. 65 EG zumZeitpunkt der Testamentserrichtung fehlt jedenfalls nicht für eineVerordnungsnorm, welche das auf die Testamentserrichtung anwendbare Rechtregelt. Denn es ist ohne weiteres denkbar, dass der Erblasser nachTestamentserrichtung in das Binnenmarktgebiet einreist und dass er dann voneiner ihm später zugewachsenen Grundfreiheit, insbesondere derPersonenfreizügigkeit, Gebrauch machen möchte. Deshalb muss auch hier dieeinheitliche Bestimmung der materiellen und formellen Testamentswirksamkeitzum Errichtungszeitpunkt im Binnenmarkt durch einheitliche Kollisionsnormengewährleistet sein.Im übrigen wäre die Unterscheidung von reinen <strong>Dr</strong>ittstaatenkonstellationenund binnenmarktinternen Sachverhalten ohnehin nicht vorgegeben, sondernmüsste erst definiert werden. Sofern nur einer der Verfahrensbeteiligten dieStaatsangehörigkeit eines Verordnungsstaats, einen aktuellen oder einenfrüheren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in einem Verordnungsstaathat bzw. hatte und sofern Nachlassvermögen in einem Verordnungsstaatbelegen ist, könnte bereits das Vorliegen eines reinen <strong>Dr</strong>ittstaatensachverhaltsverneint werden. Daher wäre auch dann, wenn man eineNormsetzungskompetenz gemäß Art. 65 EG restriktiver als der Verfasserinterpretiert, der räumlich-personale Anwendungsbereich der Erbrechts-VOsehr weit.4. Should the future regulation deal with successions and matrimonialproperty relationships?Es ist ein wichtiges Ziel, auch das internationale Ehegüterrecht zuvereinheitlichen. Denn die Beteiligung des überlebenden Ehegatten an demVermögen des verstorbenen Ehegatten und der genaue Nachlassumfang kannim Falle eines verheirateten Ehepartners nach den allermeistenRechtsordnungen nur durch eine Zusammenschau von anwendbarem Erb- und


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 11Ehegüterrecht bestimmt werden. Auch bestehen vielfachKoordinierungsschwierigkeiten zwischen beiden Statuten, wenn verschiedeneRechtsordnungen als Erb- und als Ehegüterstatut berufen werden.Es ist aber fraglich, ob ein umfassendes erb- und ehegüterrechtlichesGemeinschaftsinstrument in einem überschaubaren Zeitrahmen ohneQualitätsverluste erreicht werden kann. Deshalb sollte in einem ersten Schrittzuerst das erbrechtliche Gemeinschaftsinstrument entwickelt und in Kraftgesetzt werden. Die dann weiterhin bestehenden Koordinierungsprobleme sindvon ihrer Art her auch de lega lata bekannt. Mittelfristig sollte aber – wie derAktionsplan es auch vorsieht – das Ehegüterkollisionsrecht vergemeinschaftetund mit dem internationalen Erbrecht abgestimmt werden.Keine Erleichterung brächte es, wenn eine Erbrechts-VO den bzw. einemEhegatten erlaubte, als (gemeinsames) Erbstatut das Recht desEhegüterstatuts zu wählen. Da einheitliche Kollisionsnormen für dasEhegüterrecht in der EG (noch) fehlen, gibt es auch kein einheitlichesEhegüterstatut. Jeder Mitgliedsstaat bestimmt das Ehegüterstatut nach seinemeigenen internationalen Privatrecht. Man müsste somit eine Metakollisionsnormbilden, die den Mitgliedsstaat festlegt, dessen autonomes IPR dasEhegüterstatut für die Zwecke der Wahl des Erbstatuts benennt.Es könnte daran gedacht werden, für diese Zwecke das internationaleEhegüterrecht des Staates heranzuziehen, dessen Erbrecht nach der Erbrechts-VO das objektiv bestimmte Erbstatut bildet. Diese Vorgehensweise wäre aberfür den Rechtsverkehr zu kompliziert und unsicher. Zudem gewänne in diesemFall das autonome Kollisionsrecht der Mitgliedsstaaten einen nichtgerechtfertigten Einfluss auf das durch Rechtswahl bestimmte subjektivegemeinschaftsrechtliche Erbstatut.Daher ist die Vereinheitlichung des Ehegüterstatuts auch unabdingbareVoraussetzung für die Einräumung eines Rechts des Erblassers zur Wahl des


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 12Ehegüterstatuts zum Erbstatut. Ist eine solche ehegüterrechtliche IPR-Vergemeinschaftung erfolgt, dann sollte das beschriebene Wahlrecht aber aufjeden Fall dem Erblasser gewährt werden, damit er bei der Nachlassplanungeinen Gleichlauf zwischen Erb- und Ehegüterstatut herstellen kann, umAnpassungsprobleme zu vermeiden. Diese Anknüpfungskoordination würdeerst ermöglicht, wenn das Ehegüterstatut unwandelbar bestimmt würde (wienach Art. 15 des deutschen EGBGB) oder wählbar wäre.5. The future regulation will have to deal solely with jurisdiction andthe recognition and enforcement of judgments or will it also have tocover conflict-of-law rules for successions?Eine Vereinheitlichung allein des internationalen Erbrechts wäre für sichgenommen schon ein Fortschritt. Eine Vereinheitlichung allein desinternationalen Zuständigkeits- und vor allem allein des Anerkennungsrechtohne einheitliches Kollisionsrecht wäre grundsätzlich nicht zu verantworten.Weil das internationale und das materielle Erbrecht in der EG uneinheitlichsind, würde eine Anerkennungspflicht bei nicht vereinheitlichtemErbkollisionsrecht im Ergebnis eine nur durch zuständigkeitsrechtlicheWertungen gerechtfertigte und deshalb kollisionsrechtlich ungerechtfertigteVerdrängung des IPR des Anerkennungsstaats durch das IPR des Erststaatsbedeuten.6. What heads of jurisdiction are most appropriate in the sphere ofsuccession?Eine Zuständigkeitsregelung ohne Kollisionsrechtsvereinheitlichung machtewegen der großen Erbrechtsdivergenzen in der Europäischen Gemeinschaftkeinen Sinn (siehe Frage 5).


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 13Es sollte für den Regelfall ein Gleichlauf zwischen internationalerZuständigkeit und auf den Erbgang anwendbarem Recht bestehen. Da alsAnknüpfungsfaktor für das anwendbare Recht der gewöhnliche Aufenthaltdes Erblassers im Todeszeitpunkt empfohlen wird (siehe Frage 10), solltedie internationale Regelzuständigkeit bei diesem Gericht liegen. (Ähnlichwie bei Art. 5 EuGVVO könnte das Gemeinschaftsinstrument mit derinternationalen auch die örtliche Zuständigkeit an den letztenErblasseraufenthalt anknüpfen.)Für diese Anknüpfung der internationalen Zuständigkeit sprechen:- Kostengründe: Das Gericht kann im Regelfall sein eigenes Rechtanwenden.- Einfache Abwicklung: Es besteht die Vermutung, dass derHauptnachlass im Regelfall im Aufenthaltsstaat belegen sein wird.Lag der letzte gewöhnliche Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereichs desgeplanten Gemeinschaftsinstruments (zum Geltungsbereich siehe Antwortauf Frage 3. unter c.), sollte das Gemeinschaftsinstrument selbst dieErsatzzuständigkeit regeln und nicht dem autonomen internationalenVerfahrensrecht überlassen. Durch die einheitliche Regelung wird der Zugangzum zuständigen Gericht für die Betroffenen erleichtert. Sitzen die Erben ineinem Verordnungsstaat und ist der Nachlass in einem oder mehreren anderenVerordnungsstaaten belegen, könnte es ohne einheitliche Regelung zupositiven oder negativen Kompetenzkonflikten kommen.Liegt der letzte gewöhnliche Aufenthalt des Erblassers außerhalb desGeltungsbereichs der Erbrechts-VO, so sollten hilfsweise die Gerichte desVerordnungsstaats zuständig sein, in welchem der Erblasser seinengewöhnlichen Aufenthalt hatte, bevor er ihn in den <strong>Dr</strong>ittstaat verlegt hat.Hatte der Erblasser nie einen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich derErbrechts-VO so sollten weiter hilfsweise die Gerichte des Heimatstaats


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 14des Erblassers international zuständig sein, sofern der Erblasser einemVerordnungsstaat angehört. Auf diese Weise kommt es innerhalb desGeltungsbereichs des Gemeinschaftsinstruments zur Verfahrenskonzentration.Gehörte der Erblasser keinem Verordnungsstaat an, dann können äußersthilfsweise die Gerichte des Verordnungsstaats international zuständig sein, inwelchem Nachlassteile belegen sind. Ist der Nachlass auch in anderenVerordnungsstaaten belegen, dann sollte eine Verfahrenskonzentration amzuerst angerufenen EG-Belegenheitsgericht erfolgen. DasGemeinschaftsinstrument müsste dabei eine autonome Regelung des Begriffsder Nachlassbelegenheit enthalten.Hatte der Erblasser nie einen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich derVO, gehörte er zudem nie einem der Verordnungsstaaten an und befindet sichkein Nachlass im Geltungsbereich des Gemeinschaftsinstruments, dannerscheint eine Zuständigkeitsbegründung mangels Rechtsschutzbedürfnisentbehrlich.7. In particular, it is necessary to provide for a sole competent court oris it possible to confer jurisdiction on more than one court? In thelatter case, what relationship should there be between the variousheads of jurisdiction?Für alle Verfahren, die regelmäßig nach dem Tod des Erblassers denErbgang als solchen betreffen, sollte es bei den zu Frage 6 dargestellteninternationalen Zuständigkeiten bleiben. Darunter fallen insbesondere folgendeVerfahren:- Testamentseröffnung- Inventarerrichtung, Inventarstreit- Nachlassverwalterbestellung (siehe noch Frage 13)- Erteilung, Einziehung Kraftloserklärung des die Erben undErbquoten ausweisenden Europäischen Erbscheins (siehe Frage 17)


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 15- Testamentsanfechtung, Erbvertragsanfechtung- Nachlassverwalterbestellung, -abberufung- Streit der (potentiellen) Erben über die Berufung als Erbe und überdie jeweiligen Erbquotenund ähnliche Verfahren, die in der Verordnung genau zu bezeichnenwären.Gerichtsstandsvereinbarungen zwischen den Erben und demErblasser sollten nicht zugelassen sein, da die Verfahren dieNachlasszuordnung insgesamt betreffen und damit nicht nur dieVerfahrensbeteiligten, sondern mittelbar auch den Rechtsverkehr der<strong>Dr</strong>itten (insbesondere Nachlassgläubiger und Gläubiger derVerfahrensbeteiligten) betreffen.Zivilprozesse zwischen- Erben und Nachlassgläubigern- Erben und den Erbprätendenten, die die Zugehörigkeit einzelnerNachlassgegenstände zum Nachlass bestreiten,- Erblasser und Erben/Erbvertragspartner über die Wirksamkeit einesErbvertragssollten der Brüssel I-VO unterstellt werden (teilweise fallen sie bereits heutedarunter; ansonsten wäre der Anwendungsbereich der Brüssel I-VO über Art. 1Abs. 2 Nr. 1 Brüssel I-VO zu erweitern). Es sollte neben dem durch Art. 2Brüssel I-VO eröffneten allgemeinen Gerichtsstand am Beklagtenwohnsitz nochein besonderer Gerichtsstand (entsprechend den Ersatzzuständigkeitenunter Frage 6) vorgesehen werden, der in Art. 5 Brüssel I-VO seinensystematischen <strong>Platz</strong> finden könnte. Insoweit wären auchGerichtsstandsvereinbarungen entsprechend Art. 23 Brüssel I-VO möglich.Denkbar wäre es aber auch, alle Zuständigkeitsfragen in der Erbrechts-VO (mit Ausnahme der Streitigkeiten der Erben/Nachlassverwalter mit


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 16Nachlassgläubigern oder Eigentumsprätendenten, weil hier eine Abgrenzungzur Brüssel I-VO aufwendig wäre) zu konzentrieren und hinsichtlich deseinstweiligen Rechtsschutzes die Regelungen der Brüssel I-VO fürentsprechend anwendbar zu erklären.Zu sachenrechtlichen Vollzugsfragen und entsprechenden Zuständigkeitensiehe Frage 14.8. What rules are most appropriate in relation to the recognition andenforcement of judgments relating to successions?Soweit es um Urteilsanerkennung und -vollstreckung geht, sollten dieVorschriften der Brüssel I-VO entsprechend gelten, so dass eineAnerkennungs- und Vollstreckungsversagung etwa aus Gründen des ordrepublic im Anerkennungs-Verordnungsstaat möglich ist. Darunter könnte auchdie Entscheidung über die Bestellung eines Nachlassverwalters gefasst werden.Die Anerkennung eines Erbscheins sollte anderen Regeln folgen (siehe Frage9).9. What rules are most appropriate in relation to the recognition andenforcement of public acts regarding successions?Mangels materieller Rechts- oder Bestandskraft (verfahrensrechtlicheFeststellungs-, Gestaltungswirkung) und mangels Vollstreckungswirkung ist einEuropäischer Erbschein (Fragen 17) oder ein Nachlassverwalterzeugnis(Frage 13) nicht als anerkennungsfähige (Frage 8) gerichtlicheEntscheidung oder ähnlich Art. 57 Brüssel I-VO vollstreckbare Urkundeanzusehen. Eine verfahrensrechtliche Anerkennung oder Vollstreckungscheidet damit aus.Vielmehr hat die Erbrechts-VO durch materiellrechtliche Vorschriften (zurKompetenz siehe Frage 3) zu bestimmen, dass den Zeugnissen eine


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 17materiellrechtliche Beweis-, Legitimations- und Gutglaubenswirkung inden anderen Verordnungsstaaten als dem Ausstellerstaat zukommt, wenn derEuropäische Erbschein bzw. das Nachlassverwalterzeugnis dieTatbestandsvoraussetzungen der Erbrechts-VO erfüllen.Auch hinsichtlich dieser Rechtswirkungen des Erbscheins undVerwalterzeugnisses sollte der allgemeine ordre public-Einwand (siehedazu Frage 10) im Einzelfall (ähnlich Art. 6 des deutschen EGBGB) zulässigsein.10. What connecting factors are most appropriate in the matter ofsuccessions?a. Nachlasseinheit: Einheitliches ErbstatutDas Erbstatut sollte einheitlich für das gesamte Nachlassvermögen, also ohneRücksicht auf Art und Belegenheit der Nachlassgegenstände, gleich obbeweglich oder nicht, bestimmt werden (Nachlasseinheit). Bei derNachlassspaltung überwiegen die Nachteile. Sie erfordert unter Umständenbesondere Ausgleichsregeln, wenn der Erblasser Erbquoten bezogen auf dengesamten Nachlass testamentarisch festgesetzt hat, aber der Nachlassgetrennt je nach unterschiedlich anwendbarem Erbstatut zu verteilen ist unddie Pflichtbeteiligungen übergangener Berechtigter unterschiedlich ausfallen.Außerdem verkompliziert die Nachlassspaltung die Nachlassabwicklung, damehrere Erbrechtsordnungen zu ermitteln, anzuwenden und aufeinanderabzustimmen sind.Zuzugeben ist, dass auch Staaten der Nachlasseinheit, dann, wenn ihreKollisionsnormen auf das Recht eines Staats mit Nachlassspaltung verweisen,Fälle der Nachlassspaltung rechtlich bewältigen können. So kennt gerade auchdas deutsche Recht, das stark von dem Gedanken der Nachlasseinheit geprägt


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 18ist, in Sondersituationen eine partielle Bevorzugung der Nachlassspaltung(siehe Antwort auf Frage 1 unter 1 a bb).Betont man aber das Ziel einer erleichterten Nachlassabwicklung imBinnenmarkt, dann überwiegen die Argumente für eine einheitlicheBestimmung des Erbstatuts für alle Nachlassgegenstände.bb. Gesamtstatut: Weiter Anwendungsbereich des ErbschaftsstatutsIn den Rechtsordnungen der EG-Staaten hat das Erbstatut einenunterschiedlich weiten sachlichen Anwendungsbereich. Probleme stellen sichinsbesondere gegenüber dem Ehegüterrecht (dazu siehe Antwort auf Frage4), dem Gesellschaftsstatut, dem Sachstatut (siehe sogleich unter (1) undferner z.B. zur Problemstellung des Vindikationslegats bei einem deutschenSach- und einem belgischen oder französischen Erbstatut, dazu Süß, DasVindikationslegat im Internationalen Privatrecht, RabelsZ 65 [2001] 24) undhinsichtlich der gesonderten Anknüpfung von einzelnen Rechtsfragen.(1) Gesonderte Anknüpfung von Erbfolge und ErbgangIn den nationalen Kollisionsrechten einiger EG-Staaten lebt dierömischrechtliche Unterscheidung zwischen titulus (Erbfolge,Erbschaftsberufung) und modus (Erbgang, Art und Weise desErbschaftserwerbs) fort und wirkt sich auch im internationalen Erbrecht aus.Beispielsweise richtet sich der Erbschaftserwerb dann, wenn eine sogenannteVerlassenschaftsabhandlung in Österreich erfolgt, nach der österreichischen lexfori (§ 28 Abs. 2 österreichisches IPR-Gesetz). Davon unabhängig ist § 32österreichisches IPR-Gesetz. Die Vorschrift beruft für Art und Weise desErwerbs unbeweglichen Nachlasses nicht das auf die Erbfolge anwendbareRecht des Erbstatuts, sondern ausschließlich das Recht des jeweiligenLageorts. Als weiteres Beispiel kann das italienische Recht genannt werden.Hier finden Rechtsprechung und Rechtslehre eine restriktive Auslegung des Art.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 1951 Abs. 2 italienisches IPR-Gesetz und beurteilen den modus desNachlasserwerbs generell nach dem Sachstatut (also der lex rei sitae).(2) Nachlassabwicklung und Erbenhaftung nach der lex foriEin Ausdruck der gesonderten Anknüpfung von Erbfolge und Erbgang ist auchdie Sonderanknüpfung der Nachlassabwicklung und Nachlasshaftung. Sorichtet sich z.B. in den common law-Staaten die Nachlassabwicklung nach dereigenen lex fori, wenn die eigenen Gerichte den personal representative(gerichtsbestimmter administrator oder testamentarisch benannter executor)eingesetzt haben. Auch an die unter (1) genannte österreichische Regelung istzu erinnern.Nicht selten wird in diesen Rechtsordnungen, etwa dem englischen oderösterreichischen (so § 28 österreichisches IPR-Gesetz) Recht, dann auch dieErbenhaftung dem Nachlassabwicklungsstatut (lex fori) und nicht demErbstatut unterstellt.(3) Einheitliches und umfassendes ErbstatutEin Gemeinschaftsinstrument sollte einen weiten Anwendungsbereich desErbstatuts vorsehen und keine Sonderanknüpfungen desErbschaftserwerbs, der Nachlassabwicklung und Nachlasshaftung vorsehen,denn ansonsten stellen sich Abgrenzungs- und Koordinierungsschwierigkeiten,wie ein Blick in die Rechtsprechung der Staaten mit solchenSonderanknüpfungen zeigt. Dadurch würde eine zügige und vorhersehbare,berechenbare Nachlassabwicklung gefährdet.Das Erbstatut sollte auch das Kollisionsrecht des Erbvertrags und dergemeinschaftlichen Testamente regeln, ohne dass damit eineVorentscheidung darüber getroffen wäre, ob das berufene anwendbarematerielle Erbrecht beide Rechtsinstitute auch als wirksam erachtet.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 20b. Objektive AnknüpfungEin der Mobilität und der europäischen Identität der Unionsbürger gerechtwerdender Anknüpfungspunkt ist der letzte gewöhnliche Erblasseraufenthalt.Zwar spricht für die Anknüpfung an die letzte Staatsangehörigkeit desErblassers vieles (siehe <strong>Mansel</strong>, Personalstatut, Staatsangehörigkeit undEffektivität, 1988, S. 41 ff.; ders., Das Staatsangehörigkeitsprinzip imdeutschen und gemeinschaftsrechtlichen Internationalen Privatrecht: Schutzder kulturellen Identität oder Diskriminierung der Person, in: Jayme (Hrsg.),Kulturelle Identität und IPR, 2003, S. 119, 130 ff.), vor allem auch eineDemokratieüberlegung. Der Erblasser hat in aller Regel das Recht, dasgesetzgebende Parlament seines Heimatstaats durch Wahl mitzubestimmen.Damit beeinflusst er auch mittelbar das Erbrecht seines Heimatstaats. Wirddieses Recht auf ihn angewendet, hat es somit eine erhöhte individuelleLegitimation (<strong>Mansel</strong>, aaO, in: Kulturelle Identität, S. 119, 135 ff.).Dennoch sollte auf den letzten gewöhnliche Erblasseraufenthalt abgestelltwerden (fehlt dieser, dann hilfsweise auf seine Staatsangehörigkeit imZeitpunkt seines Todes; ist er staatenlos, dann hilfsweise auf den schlichtenAufenthalt).Gegen eine Staatsangehörigkeitsanknüpfung im europäischen internationalenPrivatrecht (siehe ausführlich <strong>Mansel</strong>, aaO, in: Kulturelle Identität, S. 119,140ff.), ist einzuwenden, dass die Staatsangehörigkeit in der EuropäischenGemeinschaft für Binnensachverhalte wegen des ausdrücklichenDiskriminierungsverbots des Art. 12 EG als Differenzierungsmerkmalrechtspolitisch zurücktritt. Die Norm begründet allerdings kein unmittelbaresVerbot der kollisionsrechtlichen Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit (siehedazu <strong>Mansel</strong>, aaO, in: Kulturelle Identität, S. 119, 147 ff.; eingehend: ClaudiaSchmidt, Die Vereinbarkeit des kollisionsrechtlichen


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 21Staatsangehörigkeitsprinzips mit dem gemeinschaftlichenDiskriminierungsverbot, Dissertation Köln 2006). Gegen dieStaatsangehörigkeitsanknüpfung spricht auch die Globalisierung und Mobilitätder Menschen, die vermehrt zu übernationalen Lebensläufen, Transnationalitätoder Bikulturalität führen. Die Mobilität gerade im Binnenmarkt ist eine von derEuropäischen Gemeinschaft als erwünscht angesehene Entwicklung. Hier findetaber eine eindeutige Zuordnung des Menschen zu einer Kultur bzw. einemStaat immer weniger statt. Das Staatsangehörigkeitsprinzip geht jedoch davonaus, dass die Anknüpfungsperson (idealtypischer Weise) einen „Heimat“staatbesitzt. Daher sollte das Europäische Kollisionsrecht aufenthaltsrechtsorientiertsein.Für eine Aufenthaltsanknüpfung im internationalen Erbrecht spricht, dass dasAufenthaltsrecht das Recht ist, welches am letzten Lebensmittelpunkt desErblassers gilt. An diesem Ort wird in aller Regel auch sein Nachlassüberwiegend belegen sein. Dadurch wird zum einen eine Anknüpfung gewählt,welche die rechtliche Integration der Bürger in das Recht derWohnbevölkerung sicherstellt, die dadurch auch in erbrechtlicher Hinsichtgleich behandelt werden. Zudem wird der Gleichlauf zwischen anwendbaremRecht und gerichtlicher internationale Zuständigkeit (siehe Frage 6)sichergestellt, der es dem Gericht erlaubt, seine eigene lex fori anzuwenden.Das reduziert die Nachlassabwicklungskosten und erhöht die Qualität derRechtsfindung.Die Verordnung sollte eine Legaldefinition des gewöhnlichen Aufenthaltsenthalten. Auszugehen wäre von der „Wohnsitz“-Definition des EuGH, die auchals Umschreibung des gewöhnlichen Aufenthalts angesehen werden kann. DerEuGH sieht als den „Wohnsitz“ einer Person den Ort an, den der Betroffene alsständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in derAbsicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen, wobei für dieFeststellung dieses Wohnsitzes alle hierfür wesentlichen tatsächlichen


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 22Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind (EuGH 15.9.1994, Rs. C-452/93 –Pedro Magdalena Fernandez/Kommission, Slg. 1994 I, S. 4301, Tz. 22).Diese Definition des gewöhnlichen Aufenthalts sollte dem Begriff desenglischen domicile angenähert werden, um eine gewisse Stabilität desAnknüpfungspunkts (und eine erhöhte Akzeptanz der Anknüpfung in dencommon law-Mitgliedsstaaten – siehe Frage 1) zu erreichen.Daher sollte die Legaldefinition ausdrücklich bestimmen, dass ein Erblasser niemehr als einen gewöhnlichen Aufenthalt hat.Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit sollte die Aufenthaltsdefinition nochum die Vermutungsregel ergänzt werden, dass im Zweifel derUrsprungsaufenthalt, insbesondere wenn er im Heimatstaat lag,beibehalten wird, wenn nicht eindeutig der Wille zur dauerhaften oder zeitlichunbestimmten anderweitigen Ansiedlung nachgewiesen ist. Die deutschenRentner mit Wintersitz in Spanien, aber regelmäßigem Aufenthalt inDeutschland, hätten danach weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt inDeutschland und nicht in Spanien.Es sollte wegen der Orientierung am domicile–Konzept ferner auf die Angabeeiner Mindestaufenthaltsdauer verzichtet werden. Zudem erschiene jedeFristsetzung willkürlich. Sie böte nur Anlass zu nachträglich schwer zuklärenden Friststreitigkeiten nach dem Tod des Erblassers.c. RechtswahlfreiheitWegen der in allen Rechtsordnung der Mitgliedsstaaten anerkanntenTestierfreiheit sollte der Erblasser (nicht aber die Erben) das Recht haben,das Erbstatut durch ausdrückliche oder stillschweigende, aber mithinreichender Sicherheit bestimmbare Rechtswahl zu bestimmen.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 23Gegen die Wahlberechtigung der Erben spricht, dass diese sonst durcheine zielgerichtete Wahl die Rechte der Nachlassgläubiger und – im Einzelfall –die Realisierung des Erblasserwillens beeinträchtigen könnten.Die Wahl sollte nur einheitlich für den gesamten Nachlass möglich sein, umeine Nachlassspaltung infolge einer differenzierten Rechtswahl zu vermeiden.Die Wahl sollte aus Zwecken der Beweiserleichterung und zur Warnung nur intestamentarischer Form erfolgen können.Der Kreis der wählbaren Rechte sollte begrenzt sein, zudem sollten nurstaatliche Rechte als Wahlerbstatut in Betracht gezogen werden (diedann als staatliches Recht allerdings etwa auf religiöse Rechteverweisen könnten). Wählbar sollten sein alternativ:- Das Heimatrecht des Erblasserso im Zeitpunkt der Abgabe der Wahlerklärung.o im Zeitpunkt seines Todes (im letzten Fall würde dann abstraktdas „Heimatrecht zum Todeszeitpunkt“ gewählt).- Das Recht des gewöhnlichen Erblassersaufenthalts im Zeitpunktder Abgabe der Wahlerklärung oder – dann als abstrakte Wahl ohneBenennung des Rechts selbst – im Zeitpunkt des Todes. (Die Wahldes gewöhnlichen Aufenthalts schlösse bei <strong>Dr</strong>ittstaatenaufenthalt denrenvoi aus, zu diesem siehe sogleich unter d.)Dadurch kann auch ein besonders mobiler Erblasser eine sichere undberechenbare Nachlassplanung vornehmen, ohne fürchten zu müssen, mitjedem grenzüberschreitenden Umzug ergebe sich ein Wechsel seinesErbstatuts, womöglich mit Folgen für die materielle Wirksamkeittestamentarischer Verfügungen. Das Optionsrecht wäre zudem ein Ausdruckder Anerkennung der Diversität möglicher Lebenskonzepte (dazu <strong>Mansel</strong>, aaO,in: Kulturelle Identität, S. 119, 142 f.).


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 24Solange das internationale Ehegüterrecht nicht vereinheitlicht ist, scheidet eineRegelung, welche die Wahl des auf das Ehegüterrecht anwendbaren Rechtszum Erbstatut erlaubt, aus (siehe Frage 4).Eine auf die Nachlassabwicklung beschränkte Rechtswahl derNachlassberechtigten, wie sie etwa Art. 46 Abs. 3 italienisches IPR-Gesetzkennt, sollte nicht eingeräumt werden. Dafür könnte zwar ein Interesse derErben an der erleichterten Nachlassabwicklung sprechen. Allerdings würde einesolche Teilrechtswahl zum einen zu komplizierten Abgrenzungsfragen zwischenErbstatut und Abwicklungsstatut führen. Die Nachlassabwicklung berührthäufig auch die Rechte <strong>Dr</strong>itter, insbesondere der Nachlassgläubiger. Diesekönnen aber nicht zur über die Bestimmung des anwendbaren Rechts mittelbargesteuerten Disposition der Nachlassberechtigten stehen. Zudem würde einsolches Wahlrecht die Einigung aller Nachlassberechtigten auf die Rechtswahlvoraussetzen, die bei den gerichtslastigen Fällen aber gerade regelmäßigfehlen dürfte. Eine solche Rechtswahl würde daher kaum gerichtspraktischwerden.d. Binnenmarkt- und <strong>Dr</strong>ittstaatenregelungEs spricht einiges dafür, in dem Bereich des Personalstatuts einheitlicheVerweisungsregeln für drittstaatenbezogene und rein gemeinschaftsbezogeneSachverhalte vorzusehen. Es sollte also kein interlokales europäischesVerweisungsrecht geschaffen werden. Denn zum einen ist im Zeitalter derMobilität und Globalisierung schwer verständlich zu machen, dass eine einerGruppe eröffnete räumliche Anknüpfung wie die an den gewöhnlichenAufenthalt nur den Unionsbürger, die sich auf die Personenfreizügigkeit desArt. 18 EG berufen können, nicht aber anderen, offen stehen sollte (dazuallgemein <strong>Mansel</strong>, aaO, in: Kulturelle Identität, S. 119, 144 f.).


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 25Zudem ist die Abgrenzung eines innergemeinschaftsrechtlichen Erbfalls voneinem Erbfall mit <strong>Dr</strong>ittstaatenbezug im einzelnen oft nur unter Verwendungwillkürlich gewählter Kriterien möglich.Daher sollte das Instrument einheitliche Kollisionsregeln für alleerbrechtlichen Sachverhalte, nicht nur für binnenmarktbezogene Erbfällevorsehen (zur Frage der Kompetenz siehe Antwort auf Frage 3 unter d).Die Verweisungen sollten dann, wenn sie auf drittstaatliches Recht (bzw.das Recht Dänemarks) verweisen, als Gesamtverweisungen ausgestaltetwerden, so dass im Interesse des internationalen EntscheidungseinklangsRück- und Weiterverweisungen zu beachten sind. Eine dabei durch einendrittstaatlichen renvoi verursachte Nachlassspaltung wäre – entsprechend derüberwiegenden Lage de lege lata in den Mitgliedsstaaten – hinzunehmen.e. Ordre public-KlauselDie Verordnung sollte eine ordre public-Klausel enthalten, die das materielleErbstatut im Einzelfall einschränken kann. Bezugspunkte dieser ordre public-Klausel sollten sein:- Der ordre public der jeweiligen autonomen lex fori. Das istregelmäßig das Recht am letzten gewöhnlichen Aufenthaltsort desErblassers, weil die Gerichte des so bestimmten Aufenthaltsstaatsregelmäßig international zuständig sein werden.- Sind aber im Einzelfall – z.B. für Sicherungsmaßnahmen oder densachenrechtlichen Nachvollzug erbrechtlich veranlassterRechtsänderungen – die Gerichte eines anderen Landesinternational zuständig, dann werden diese Gerichte den ordre publicihrer lex fori geltend machen.- Grenze des autonomen ordre public ist – siehe die EUGH-Entscheidung in Sachen Krombach (EuGH v. 28.3.2000 - Rs. C-7/98 -


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 26Dieter Krombach/André Bamberski, IPRax 2000, 406) – dereuropäische ordre public.- Der europäische ordre public greift einmal ein, wenn Primär- undSekundärrecht gegen das nationale materielle Erbrecht zurAnwendung zu bringen ist.- Teil des europäischen ordre public ist zum anderen – ähnlich wie Art.6 deutsches EGBGB mit Blick auf die Grundrechte des deutschenGrundgesetzes für den deutsche ordre public formuliert – dieEinhaltung der europäischen Grundrechte, wie sie durch dieRechtsprechung des EuGH auf der Grundlage der EMRK, derüberlieferten Verfassungstraditionen der Mitgliedsstaaten und auchder Europäischen Grundrechte-Charta festgestellt bzw. erkanntwerden oder künftig durch den Gemeinschaftsgesetzgeber bestimmtwerden.11. The future regulation will have to contain specific rules tosafeguard the so-called "reserve", that is to say, the part of thedeceased's estate attributed by some legal systems to close relationsof the deceased irrespective of the latter's wishes?Eine Sonderanknüpfung von Nachlassmindestbeteiligungsrechten(Pflichtteil, reserve, Noterbrecht etc.) ist abzulehnen. Die allgemeine ordrepublic-Klausel erscheint als Schutzinstrument ausreichend. Das ist wie folgtzu begründen:Die Sicherung der unentziehbaren und bedarfsunabhängigenNachlassbeteiligung (im folgenden: Nachlassmindestbeteiligung) vonEhegatten und Abkömmlingen oder anderen nahestehenden Personen gegenden Erblasserwillen erfolgt im Kern gemeinschaftsweit. Allerdings gibt esbedeutende Unterscheide:


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 27- Unterschiedlich ist der Kreis der Berechtigten (z.B. Deutschland: inaufsteigender Linie nur Eltern; Niederlande: in aufsteigender Linieauch die Großeltern).- Unterschiedlich sind die einzelnen Quoten.- Unterschiedlich ist die Art der Nachlassmindestbeteiligung:o Bedarfsunabhängige Beteiligung: Noterbrecht,Pflichtteilsanspruch, Nachlassnießbrauch, legal right (Irland) etc.o Bedarfsabhängige Unterhaltssicherung bei Bedürftigkeit durchGewährung von Unterhaltsansprüchen (z.B. nach dem englischenRecht).Insbesondere die Stellung der überlebenden Ehegatten istunterschiedlich ausgestaltet (z.B. Frankreich: Unterhaltsanspruch,England: Notunterhaltsanspruch, Belgien: Nachlassnießbrauch,Deutschland: Pflichtteilsrecht, Italien: Noterbrecht)In den meisten Mitgliedsstaaten gehört die Sicherung dieser unentziehbarenund bedarfsunabhängigen Teilhabe am Nachlass zum ordre public. Teilweiseist sie verfassungsrechtlich geschützt, so in Deutschland über dieErbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (BVerfG v. 19.4.2005 - 1 BvR1644/00 und 1 BvR 188/03).Die unterschiedliche Art und Weise der Nachlassmindestbeteiligung erscheintgrundsätzlich unbedenklich. Ein Recht auf eine bestimmte Teilhabeform dürftein keinem Mitgliedsstaat zum ordre public gehören.Auch erscheint die allgemeine orde public-Klausel (siehe Frage 10)ausreichend, um dann, wenn das Gericht nicht sein eigenes materiellesErbrecht anwendet, sondern aufgrund einer Rechtswahl oder drittstaatlichenRückverweisung fremdes Erbrecht anzuwenden hat, die Vorstellungen der lexfori hinsichtlich der Zwangsteilhabe durchzusetzen. Dabei wird regelmäßig aufden nationalen ordre public abzustellen sein, da sich eingemeinschaftsrechtlicher ordre public hinsichtlich der


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 28Nachlassmindestbeteiligung (noch) nicht herausgebildet hat. Somit kann dasim Regelfall zuständige Gericht des letzten gewöhnlichen Erblasseraufenthaltsseinen ordre public durchsetzen.Werden nicht die Gerichte am letzten gewöhnlichen Erblasseraufenthaltangerufen, sondern in anderen Staaten (z.B. im Staat von Nachlassbelegenheitzur Durchführung von Sicherungsmaßnahmen oderGrundbuchumschreibungen), so haben diese Gerichte den ordre public ihrer lexfori bezogen auf den streitgegenständlichen Nachlassteil anzuwenden.Zweifelhaft ist, ob noch der ordre public eines Nichtgerichtsstaats zuberücksichtigen ist, insbesondere ob die Vorschriften des Heimatstaats über dieNachlassmindestbeteiligung anzuwenden sind, wenn das Heimatrecht nichtzum Erbstatut gewählt wurde (so z.B. im Grundsatz zugunsten derBerechtigten mit gewöhnlichem Aufenthalt in Italien Art. 46 Abs. 2 S. 3italienisches IPR-Gesetz und in Art. 79 Abs. 1 S. 3 belgisches IPR-Gesetz).Der ordre public des Heimatstaats, der nicht auch Gerichtsstaat ist, solltedurch die zuständigen Gerichte, also in der Regel die Gerichte des letztengewöhnlichen Erblasseraufenthalts, nicht zu beachten sein. Wenn sich dieVerordnung gegen die Anknüpfung an die Erblasserstaatsangehörigkeitentschieden hat, geht sie davon aus, dass das Aufenthaltsrecht das Recht ist,welches die engste Beziehung des Erblassers zur einer Rechtsordnung anzeigt.Die Gründe, welche für diese Anknüpfung ins Feld geführt werden, sprechendann gegen die Sonderanknüpfung der zwingenden Nachlassbeteiligung nachdem Heimatrecht.Verfassungsrechtliche Probleme dürften wegen der Nichtanwendung desdeutschen Pflichtteilsrecht auf deutsche Erben bzw. Erblasser jedenfalls nachArt. 14 GG wohl nicht auftreten. Art. 14 GG gilt nicht nur für deutscheStaatsangehörige, sondern auch für Ausländer. Daher wäre dieStaatsangehörigkeit kein allein ausreichendes Kriterium um den


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 29Gewährleistungsbereich des Art. 14 GG zu bestimmen (siehe bereits <strong>Mansel</strong>,NJW 1986, 625ff). Das deutsche Bundesverfassungsgericht hat immer wiederin Fällen mit Auslandsbezug betont, dass die Grundrechte in ihrerGewährleistungsintensität von der Intensität des Deutschlandbezugsabhängen. Bei einem gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb Deutschlands und derEntscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers gegen das erbrechtlicheStaatsangehörigkeitsprinzip erscheint die Durchsetzung deutschenPflichtteilsrecht nicht durch Art. 14 GG als zwingend geboten.Problematisch erscheinen lediglich die Fallkonstellationen, in welchen derErblasser seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt allein zur Umgehungerbrechtlicher Mindestteilhaberechte der Angehörigen und seinesEhegatten wählt. Hier tauscht er die als Erbstatut anwendbarenMindestteilhaberechte durch einen Wechsel seines bisherigen Aufenthaltsaus.Allerdings ist auf folgendes hinzuweisen: Täuscht der Erblasser einenneuen gewöhnlichen Aufenthalt lediglich vor (etwa um dann das Rechtseines vorgetäuschten gewöhnlichen Aufenthalts als Erbstatut zu wählen),dann kann der vorgetäuschte Aufenthalt nicht berücksichtigt werden. Denn derbisherige gewöhnliche Aufenthalt besteht in diesem Fall weiter.Begründet er einen neuen Aufenthalt nur zum Zweck der Befreiung von dembisherigen Aufenthaltsrecht, dann wird der neue Aufenthalt erst dann alsgewöhnlicher Aufenthalt angesehen werden können, wenn auch einetatsächliche soziale Integration erfolgt ist. In diesem Fall lässt die sozialeIntegration den Motivationsmakel aber durch Zeitablauf verblassen. Mit dersozialen Integration in den neuen schwindet die Bindung zum altenAufenthaltsstaat.Daher wird vorgeschlagen, auf eine Sonderanknüpfung derNachlassmindestbeteiligung von Angehörigen, Ehegatten und anderen


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 30nahestehenden Personen an die Staatsangehörigkeit des Erblassers oder anseinen früheren gewöhnlichen Aufenthalt auch dann zu verzichten, wenn derfrühere gewöhnliche Aufenthalt länger bestanden hat als der neue.Wer dagegen Art. 14 GG ins Feld führt, muss begründen, weshalb im Rahmeneine gemeinschaftsrechtlichen Verordnung die deutschen PflichtteilsrechteVorrang vor den Mindestbeteiligungsformen anderer Rechtsordnungenbeanspruchen können sollen, auch wenn in concreto kein deutsches Gerichtinternational zuständig ist. Einziges nicht willkürliches Abgrenzungskriteriumkönnte der Bezug des Sachverhalts zu Deutschland sein. Dieser ist in derdiskutierten Konstellation – wie gerade aufgezeigt – aber schwächer als zudem nichtdeutschen Aufenthalts- und/oder Gerichtsstaat.12. In your opinion, in view of the fact that assets are frequentlytransmitted in common law countries using a trust, should the futureregulation also deal with this institution?Der trust ist den meisten kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen nichtbekannt. Das Haager Trustübereinkommen von 1985 ist in der EG nur fürItalien, Luxemburg, Malta, Niederlande und Großbritannien in Kraft(unterzeichnet, aber nicht in Kraft ist das Abkommen für Franreich undZypern).Dennoch sollte eine Regel über den trust in die Verordnung aufgenommenwerden, da Erbschaftstrusts zunehmend Verbreitung finden könnten. Zudemsollte die Verordnung die wichtigsten mitgliedsstaatlichen erbrechtlichenRechtserscheinungen erfassen.Allerdings sollte das Recht zur Begründung eines trust nur den Erblassernoffen stehen, welche die Staatsangehörigkeit eines Staats (auch <strong>Dr</strong>ittstaats)besitzen, dessen Recht den trust als Rechtsfigur kennt, oder die ihrengewöhnlichen Aufenthalt in einem solchen Staat im Zeitpunkt der Begründung


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 31des trust haben. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass eine ausreichendenge Beziehung des Erblassers zu einer trustfreundlichen Rechtsordnungbesteht.Das auf den trust selbst anwendbare Recht sollte entsprechend demHaager Trustabkommen (Art. 6 Abs. 1, 7) bestimmt werden. Danach ist dasvon dem Erblasser als anwendbar gewählte Recht, hilfsweise das Recht derengsten Verbindung zum trust, anzuwenden. In der Verordnung könnte dieVermutung des Art. 7 Abs. 2 lit. a Trustabkommen zur Bestimmung derengsten Verbindung des trust als Regelvermutung festgelegt werden. Somitwürde die engste Verbindung im Zweifel durch den Ort der trust-Verwaltungkonkretisiert werden.13. Should the future regulation take account of the fact that, undersome legal systems, the liquidation and/or transmission of the assetscomprising the estate is entrusted to a third party (e.g., personalrepresentative in England, Gerichtskommissär in Austria)? If so, inwhat way?Die Nachlassverwaltung – und abwicklung sollte sich nach dem allgemeinenErbstatut richten. Nur dann werden die Erben, deren Gläubiger und dieNachlassgläubiger einheitlich behandelt, gleich wo der Nachlass sich befindet.Ein Recht des Erblassers oder der Erben zur Wahl des Verwaltungs- undabwicklungsstatuts sollte zum Schutz der Gläubiger nicht gewährt werden(siehe bereits Antwort auf Frage 10 unter c).Denkbar wären Vorschriften über die Ausstellung eines Nachlassverwalter-Zeugnisses. Das setzt aber zwingend die Vereinheitlichung deserbrechtliche Kollisionsrechts voraus. Denn nur in diesem Fall steht in allenVerordnungsstaaten (= alle EG-Mitgliedsstaaten mit Ausnahme Dänemarks)einheitlich fest, nach welchem Recht sich die Nachlassverwaltung richtet.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 32Das Nachlassverwalterzeugnis sollte die nach dem anwendbaren Erbrechtbestehenden Verwalterbefugnisse und die Person des Verwaltersbezeichnen. Das Zeugnis unterrichtet den Rechtsverkehr über dieVerwalterrechte.Es sollte von dem Gericht (Behörde, Notar) ausgestellt werden, dass auchden Europäischen Erbschein ausstellt (Frage 16). Es ist nach denselben Regelnund mit denselben Grenzen wie ein Europäischer Erbschein in den anderen EG-Mitgliedsstaaten wirksam (Frage 15).Ähnlich der für die Art. 12 bis 19 der EG-Verordnung über den EuropäischenVollstreckungstitel für unbestrittene Forderungen verwendetenGesetzgebungstechnik, sollte das Nachlassverwalterzeugnis nur Wirkung inanderen EG-Staaten entfalten können, wenn das materielle Recht deszuständigen Ausstellerstaats Mindestanforderungen hinsichtlich- Bestellung und Abberufung des Verwalters- Rechtsbehelfen der von der Nachlassverwaltung betroffenen Personengegen die Berufung/Abberufung des Verwalters und sonstigeVerwaltungsmaßnahmenerfüllt.14. In order to govern the transmission of the assets comprising theestate, the future regulation will have to take account of the mode ofconveyance of property provided by the law of the State in which theproperty is situated where it is different from the law applicable to thesuccession? How and to what extent?Sofern das Recht des Belegenheitsstaats für den Eigentumsübergang desNachlasses auf die nach dem allgemeinen Erbstatut berechtigten Personenoder allein für dessen Publizität (z.B. Grundbucheintragung in das deutscheGrundbuch bei in Deutschland belegenen Grundstücken) die Mitwirkung einer


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 33staatlichen Behörde oder eines Gerichts vorsieht, sollte die Erbrechts-VO eineinternationale Zuständigkeit des Belegenheitsstaats nur für dieseergänzenden sachenrechtlichen Vorgänge, die dem durch das internationaleSachenrecht des Belegenheitsstaats bestimmten Sachenrecht unterstehen,vorsehen. Das Gericht des Belegenheitsstaats wäre jedoch an dieerbrechtlichen Feststellungen in dem von dem Aufenthaltsstaat ausgestelltenEuropäischen Erbschein gebunden und könnte sie nicht durch eigeneerbrechtliche Feststellungen ersetzen (zum Eingreifen des ordre public desBelegenheitsstaats siehe aber Antwort zu Fragen 10, 11).15. Should the future regulation introduce a "European inheritancecertificate", that is to say, a uniform instrument of substantive lawwhich identifies, in a binding manner for all Member States, the lawapplicable to the succession, the beneficiaries of the succession, thepersons responsible for administering the estate and the assets goingto make it up?Der Europäische Erbschein setzt zwingend die Vereinheitlichung derKollisionsnormen in der EG voraus (zur Begründung kann auf dieentsprechenden Erörterungen zu Frage 13 verwiesen werden).Er sollte die erbrechtliche Rechtslage (Erblasser, Erben, Erbquoten,erbrechtliche Verfügungsbeschränkungen, Verfügungsberechtigte)entsprechendem dem Erbstatut bezeichnen.Fraglich ist, ob eine gemeinschaftsrechtliche Kompetenz besteht,gemeinschaftsrechtliche materiellrechtliche Vorschriften zu schaffen, welchedie materiellrechtlichen Tatbestandswirkungen des Erbscheins einheitlichfür den Geltungsbereich des Gemeinschaftsinstruments regeln (Legitimations-,Beweis- und Gutglaubenswirkung, siehe dazu Dörner/Hertel/Lagarde/Riering,Auf dem Weg zu einem europäischen Internationalen Erb- und


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 34Erbverfahrensrecht, IPRax 2005, 1, 8). Zur Frage der entsprechendengemeinschaftsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz für die materiell-und verfahrensrechtlichen Vorschriften siehe Frage 3.Die drei genannten Tatbestandswirkungen betreffen den Nachweis derErbrechtslage und die Bindung an diesen Nachweis. Im einzelnen:Legitimationswirkung meint den Ausweis der materiellrechtlichenErbrechtslage. Unter der Beweiswirkung ist die Rechtsanordnung zuverstehen, dass der Erbschein bis zum Beweis des Gegenteils als richtiganzusehen ist. Die Gutglaubenswirkung stellt fest, dass ein gutgläubiger<strong>Dr</strong>itter auf die Verfügungsbefugnis des im Erbschein als Berechtigtenausgewiesenen vertrauen darf.Die einheitliche Regelung der Tatbestandswirkungen in der Erbrechts-VOselbst ist erforderlich, um dem Europäischen Erbschein im gesamtenVerordnungsgebiet dieselbe einheitliche Wirkung zuzuerkennen, anderenfallsstellten sich Substitutionsfragen, die in jedem Verordnungsstaatunterschiedlich beantwortet werden könnten. Rechtssicherheit durchRechtseinheit wäre nicht erreicht.Weiter wäre sicherzustellen, dass im Ausstellungsstaat ausreichendeRechtsbehelfe zur Verfügung stehen, die einem einheitlichen Mindeststandardentsprechen, damit die von dem Erbfall betroffene Personen, insbesondere die(potentiellen) Erben die Änderung oder Einziehung des EuropäischenErbscheins durch die Ausstellungsstelle erstreiten können.Auch hier sollte aber den Gerichten anderer Staaten als dem Ausstellerstaat imEinzelfall die Berufung auf den ordre public (siehe allgemein zu Frage 10, 11)ermöglicht werden, wenn sie prüfen, welche Wirkungen der EuropäischeErbschein entfaltet.


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 35Um dem Rechtsverkehr Sicherheit und Klarheit über die grenzüberschreitendeWirkung von Erbrechtsbescheinigungen zu geben, sollte die Verordnungbestimmen, dass grenzüberschreitende Beweis-, Legitimations- undGutglaubenswirkung außerhalb des Ausstellerstaats in anderenVerordnungsstaaten allein der Europäische Erbschein (und nicht auch eineBescheinigung allein nach nationalem Recht) entfalten kann.16. If so, who should issue such certificates?International zuständig sollte – wie in allgemeinerem Zusammenhang oben zuFrage 6 ausgeführt – das Gericht (Behörde, Notar) am gewöhnlichenAufenthaltsort des Erblassers im Todeszeitpunkt sein. Liegt dieser außerhalbdes Geltungsbereichs der Erbrechts-VO, so sollten die Gerichte desVerordnungsstaats zuständig sein, in welchem der Erblasser seinengewöhnlichen Aufenthalt hatte, bevor er ihn in den <strong>Dr</strong>ittstaat verlegt hat.Hatte der Erblasser nie einen gewöhnlichen Aufenthalt in einemVerordnungsstaat, so sollten die Gerichte seines Heimatstaats internationalzuständig sein, sofern es ein Verordnungsstaat ist. Hatte der Erblasser nieeinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Verordnungsstaaten und war erauch nicht Staatsangehöriger eines Verordnungsstaats, dann sollte das Gerichtder Vermögensbelegenheit im Geltungsbereich der Erbrechts-VO internationalzuständig sein. Bei Belegenheit in mehreren Verordnungsstaaten sollte daszuerst angerufene Gericht zuständig für die Erteilung eines EuropäischenErbscheins betreffend den gesamten Nachlass sein, auch soweit er außerhalbdieses Verordnungsstaats belegen ist.Soweit das zuständige Gericht ein anderes Erbrecht als sein eigenesanzuwenden hat (etwa aufgrund einer Rechtswahl des Heimatrechts desErblassers oder aufgrund eines <strong>Dr</strong>ittstaatenaufenthalts im Todeszeitpunkt),sollte es – sofern das Erbstatut das materielle Recht eines Verordnungsstaats


21.11.2005 <strong>Mansel</strong> 36ist – ein Auskunftsersuchen über die Erbrechtslage an die Gerichte diesesVerordnungsstaats richten können.17. Do you consider that a "European Register of Wills" should becreated?Es sollte kein "European Register of Wills" geschaffen werden. Vielmehr sollteein dezentrales Netzwerk mitgliedsstaatlicher zentralerRegisterbehörden auf elektronische Basis geschaffen werden. Im Netzwerkkönnten die mitgliedsstaatlichen Stellen Auskunftsersuchen an die anderenmitgliedsstaatlichen Stellen richten.Die Convention on the Establishment of a Scheme of Registration of Wills des<strong>Europa</strong>rats von Basel (16.5.1972) erleichtert die Kommunikation. Sie giltmittlerweile in den folgenden EG-Staaten: Belgien, Finnland, Frankreich,Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Spanien und Zypern. Es ist zuüberlegen, ob die anderen EG-Staaten oder die EG selbst das Abkommen auchfür sich in Kraft setzen.Vorteilhaft an dieser Netzwerk-Vorgehensweise ist die dezentraleVerwaltungsstruktur. Zudem werden die Mehrzahl derRegisterauskunftsersuchen trotz der heutigen Mobilität rein nationaleErsuchen sein. Deshalb sollten die Registerauskunftsersuchen zuerst nationalbearbeitet werden.Schließlich kann in den dezentralen Strukturen besser der einzelstaatlicheDatenschutz beachtet werden.18. If the ideas set forth in the Green Paper were to be implemented,what would the tax implications be?Wohl keine Änderungen gegeben.

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