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Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 1 von 55<br />
Einleitung<br />
Skript Waldmesslehre<br />
von J. Nagel<br />
Das Verständnis der Waldmesslehre ist eine wichtige Voraussetzung für die Beschaffung<br />
forstlicher Informationen. Die Grundlagen können Sie in dem Standardwerk Holzmesslehre<br />
von Prodan (1965) aber auch z. B. in dem Leitfaden von Kramer und Akca (1982) nachlesen.<br />
In den letzten Jahren wurden in Folge der technischen Entwicklung zahlreiche neue Geräte<br />
und leistungsfähige Computersysteme eingeführt. Mit diesen können die Messungen genauer,<br />
komfortabler, kostengünstiger und schneller durchgeführt und die Meßwerte umfassender und<br />
einfacher ausgewertet werden.<br />
Dieses Skript soll nicht die vorhanden Lehrbücher ersetzen. Es ist vielmehr dazu gedacht, die<br />
wichtigsten Grundlagen und Verfahren in der Waldmesslehre in konzentrierter Form<br />
vorzustellen. Dabei wird verzichtet, viele ältere und z.T. überholte Verfahren zu beschreiben.<br />
Zusätzlich sollen aber einige ökologische Meßgrößen angesprochen werden.<br />
Für die Fälle, in denen die Berechnungen üblicherweise mit forstlicher Software durchgeführt<br />
werden, werden die Hintergründe kurz erklärt. Die dazu notwendigen Software Programme<br />
sind auf der CD-ROM Forest Tools (Nagel u. Gadow 2000) zusammengefaßt und<br />
dokumentiert.<br />
Weitere Online-Textbücher zur Waldmesslehre und Dendrochronologie im Internet:<br />
Brack, Chris: Department of Forestry, Australian National University, Canberra, Australia<br />
http://www.anu.edu.au/Forestry/mensuration/home.htm<br />
Zuuring, Hans, School of Forest Missoula, Montana, USA<br />
http://www.forestry.umt.edu/academics/courses/For202/main.htm<br />
University of Arizona, Tucson, Arizona, USA<br />
http://www.ltrr.arizona.edu/dendrochronology.html<br />
Messungen am Baum und liegendem Stamm<br />
Durchmesser- und Stärkemessung<br />
Die wohl wichtigste Größe von Einzelbäumen ist der Durchmesser. Er wird zur Beschreibung<br />
der Baumdimension in einer definierten Höhe (z.B. Brusthöhe 1,3m ) und eines<br />
Stammstückes als Mitten- oder Zopfdurchmesser angegeben. Die Schaftform eines Baumes<br />
läßt sich mit einer Reihe von Durchmessermessungen, die über den gesamten Stamm<br />
erfolgen, beschreiben.<br />
Am liegenden Stamm und im unteren erreichbaren Bereich von Stämmen werden<br />
Durchmesser meist mit einer Kluppe gemessen. Die Kluppe besteht aus einer Schiene einer<br />
Skala (cm oder mm) und aus zwei parallelen Schenkeln. Einer der Schenkel ist beweglich, der<br />
andere fest mit der Kluppe verbunden. Es gibt sehr unterschiedliche Kluppen, die jeweils für<br />
ihre spezielle Anwendung geschaffen sind. Heute werden auch zunehmend elektronische
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 2 von 55<br />
Kluppen eingesetzt, bei diesen kann der Meßwert direkt mit einem Tastendruck auf einen<br />
Datenträger übertragen werden.<br />
Kluppe aus Prodan (1965)<br />
Elektronische Kluppe aus Grube Online-Shop<br />
Vor der Arbeit mit einer Kluppe sollte immer geprüft werden, ob diese auch für den<br />
speziellen Einsatz geeignet ist. So sollte z.B. für die Aufnahme von Starkholz die Kluppe groß<br />
genug sein. Grundsätzlich gilt, dass die Schiene grade, stabil und genügend lang sein muß.<br />
Die Schenkel lotrecht zur Schiene und untereinander parallel verlaufen. Der bewegliche<br />
Schenkel sollte leicht verschiebbar sein.<br />
Da der Stammquerschnitt in der Regel kein Kreis ist, gibt eine einmalige Messung eines<br />
Stammes mit einer Kluppe nicht den durchschnittlichen Baumdurchmesser wieder. In der<br />
Praxis wird diesem Problem häufig Rechnung getragen, indem bei stärkerem Holz eine<br />
Kluppung über Kreuz durchgeführt und als Meßwert der Mittelwert verwendet wird. In<br />
machen Ländern, im Versuchswesen und bei extrem starken Bäumen wird daher auch auf die<br />
Kluppe verzichtet und statt dessen der Stammumfang mit einem Maßband gemessen. Speziell<br />
für forstliche Zwecke gibt es sogenannte Umfangmessbänder, deren Skala die Kreisformel<br />
berücksichtigt und Durchmesserwerte anzeigt.<br />
Kreisfläche :<br />
2 ⎟ ⎛ d ⎞<br />
g = π ⋅ ⎜<br />
⎝ ⎠<br />
[1]<br />
Kreisumfang: u = π ⋅ d [2]<br />
Symbol Bezeichnung Maßeinheit<br />
d Durchmesser cm<br />
g Grund- bzw. Kreisfläche m²<br />
u Umfang cm<br />
Der Stammdurchmesser an stehenden Bäumen kann in größeren Höhen z.B. mit dem Barr und<br />
Stroud Dendrometer oder dem photografischen Verfahren nach Dehn (1987) durchgeführt.<br />
Derartige Messungen sind aber aufwendig und können meist nur in besonderen Fällen<br />
durchgeführt werden.<br />
Brusthöhendurchmesser<br />
Für die Durchmessermessung im Bestand wird allgemein 1.3m (Brusthöhe) als Bezugshöhe<br />
verwendet. Diese Meßhöhe sollte während der Aufnahme eingehalten werden. Dazu kann an<br />
der Kleidung der messenden Person eine Markierung angebracht werden, oder es kann kann<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 3 von 55<br />
einen Meßstab verwendet werden. Die Definition der Brusthöhe ist in der folgenden<br />
Abbildung definiert:<br />
1,3 m<br />
1,3 m<br />
1,3 m<br />
BHD=f(d i )<br />
(d 1 +d 2 )/2<br />
1,3 m<br />
1,3 m 1,3 m<br />
Am Hang wird die Meßhöhe von der oberen Seite ermittelt. Bei Stammbeulen oder ähnlichen<br />
Anomalien führt man ober- und unterhalb dieser ein Messung durch. Der BHD ergibt sich aus<br />
den beiden Meßwerten. Bei schiefstehenden Bäumen wird die Messhöhe entlang der<br />
Stammachse festgelegt. Bäume mit starker Fäule (z.B. Rotfäule) können nicht in 1.3m Höhe<br />
gemessen werden. Bei diesen Stämmen muß die Messung höher im gesunden Bereich<br />
erfolgen. Der BHD kann dann mit Hilfe einer Schaftformfunktion oder Ausbauchungsreihe<br />
nährungsweise ermittelt werden. Beginnt die Verzwieselung eines Baumes unterhalb von<br />
1,3m, so werden die beiden Zwiesel wie zwei Bäume aufgenommen und gemessen.<br />
Höhenmessung<br />
Als Baumhöhe wird meist das Lot von der Baumspitze zum Boden definiert. Bei schief<br />
stehenden Bäumen ist also die Baumhöhe kleiner als die Baumlänge.<br />
Höhe
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 4 von 55<br />
Die Höhe ist die zweitwichtigste Meßgröße in der Waldwachstumskunde. Die Höhe kleinerer<br />
Verjüngungspflanzen wird am besten mit einem Zollstock oder einer Meßlatte erfaßt. Bis zu<br />
einer Höhe von ca. 6 m können jüngere Bäume mit einer sogenannten Teleskopmesslatte<br />
gemessen werden. Für die Messung mit der Teleskoplatte sind zwei Personen notwendig, eine<br />
Person, die die Latte bedient, und eine die aus einer gewissen Entfernung beobachtet, ob die<br />
Spitze der Teleskoplatte und der Baumspitze sich in gleicher Höhe befinden.<br />
Zur Höhenmessung größerer Bäume bedient man sich dagegen gewöhnlich Verfahren die<br />
trigonometrische Funktionen nutzen.<br />
Baumhöhenmessung mit trigonometrischem Prinzip<br />
Bei den gängigen Höhenmessern Blume-Leiss, Haga, Suunto und Vertex wird die Baumhöhe<br />
nach dem trigonometrischen Prinzip gemessen. Der billigste der Höhenmesser ist das Gerät<br />
von Suunto. Der Haga und der Blume-Leiss Höhenmesser kosten in etwa das 3-4-fache. Der<br />
Vertex Höhenmesser ist unter den Geräten das modernste Gerät, welches in Verbindung mit<br />
einem automatischen Entfernungsmesser arbeitet. Sein Preis ist etwa 12-13-fach der des<br />
Suunto-Höhenmessers.<br />
Blume-Leiss BL8<br />
aus Grube Online-Shop<br />
Haga<br />
Suunto<br />
Vertex III und Transponder<br />
Die Bestimmung der Baumhöhe beruht auf der Winkelmessung von einem Bezugspunkt zur<br />
Baumspitze und zum Baumfuß. Die Entfernung (e) vom Baum zum Bezugspunkt muß<br />
bekannt sein.<br />
α 1<br />
α 2<br />
+<br />
-<br />
e<br />
h 1<br />
h 2<br />
h
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 5 von 55<br />
Die beiden Höhen h1 und h2 berechnen sich mit Hilfe des Tangens:<br />
h<br />
h<br />
1<br />
2<br />
= e ⋅<br />
= e ⋅<br />
( )<br />
tan α<br />
1<br />
( )<br />
tan α<br />
h = h − h<br />
1<br />
Die Entfernung (e) vom Standpunkt zum Baum kann z.B. mit einem Maßband gemessen<br />
werden. Die Höhenmesser Blume-Leiss, Haga und Suunto verfügen über die Möglichkeit<br />
einer optische Distanzmessung. Dazu muß an den Baum eine Meßlatte gehängt werden. Bei<br />
der optischen Distanzmessung können nur feste Distanzen 10m, 15m, 20m, 30m und 40m je<br />
nach Gerät gemessen werden. Der Vertex Höhenmesser verfügt über einen Transponder mit<br />
dem es möglich ist beliebige Entfernungen zu messen.<br />
Befindet sich der Baumfuß höher als das Auge des Messenden, so muß die Höhe h2 von der<br />
Höhe h1 abgezogen werden.<br />
α 1<br />
Die Höhenberechnung ist in diesem Fall:<br />
e<br />
α 2<br />
h = h − +<br />
1<br />
2<br />
2<br />
( h )<br />
In hängigem Gelände muß die Entfernung (entf) auf die horizontale Entfernung (e) korrigiert<br />
werden, wenn dies nicht automatisch der Höhenmesser wie das Gerät Vertex durchführt.<br />
Dazu peilt man vom Standpunkt aus einen Punkt an, der sich in Augenhöhe am Stamm<br />
befindet.<br />
2<br />
h 1<br />
h 2<br />
h
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 6 von 55<br />
entf<br />
e =<br />
cosα<br />
Die Genauigkeit der Höhenmessung läßt sich durch die Beachtung folgender Punkte<br />
verbessern:<br />
1. Bei Laubbäumen sollte man durch die Krone visieren, um den Kronenmittelpunkt zu<br />
messen.<br />
2. Für beide Visuren muß das Auge der messenden Person an der gleichen Stelle sein, d.h.<br />
Kopfbewegungen sind zu vermeiden.<br />
3. Die Entfernung (e) zum Baum sollte in etwa der Baumhöhe entsprechen.<br />
4. Im hängigen Gelände sollte möglichst hangparallel gemessen werden.<br />
5. Bei stürmischen Wetter kann die Höhenmessung problematisch sein.<br />
6. Die Ablesung oder das Auslösen des Messvorganges am Höhenmesser sollte ruckfrei<br />
erfolgen.<br />
7. Der Baum muß gut zu sehen sein.<br />
• Zur Übung am Schreibtisch bzw. Computer wird das Programm HMesser (Forest Tools) empfohlen.<br />
Baumhöhenmessung mit trigonometrischem Prinzip ohne Entfernungsmessung<br />
Bei dieser Form der Höhenmessung wird im Gegensatz zu der oben beschriebenen auf die<br />
Entfernungsmessung verzichtet und statt dessen eine Meßlatte verwendet, die an den Baum<br />
gestellt wird. Es sind die 3 Winkel (s. Abb.) Baumspitze, Lattenspitze und Baumfuß zu<br />
bestimmen. Für die Winkelbestimmung kann man die Höhenmesser Blume-Leiss, Haga,<br />
Suunto und Vertex verwenden.<br />
α 1<br />
α 3<br />
Für die Herleitung der Baumhöhe gilt:<br />
e<br />
α 2<br />
h = h1<br />
− h2<br />
h 1 = e ⋅ tan( α1)<br />
[1]<br />
[2]<br />
h = e ⋅ tan α [3]<br />
2<br />
( )<br />
3<br />
x<br />
L<br />
h 1<br />
h 2<br />
h
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 7 von 55<br />
( )<br />
x = e ⋅ tan α2<br />
[4]<br />
x = h2<br />
− L [5]<br />
5 in 4 eingesetzt, nach h2 ausgelöst: h L − ( ) ⋅ e<br />
gleichgesetzt mit 2, nach e aufgelöst:<br />
in 1 Gl. 2,3 und e eingesetzt :<br />
Baumhöhe:<br />
⋅<br />
=<br />
tan<br />
L<br />
h<br />
L ⋅<br />
h = h1<br />
− h2<br />
=<br />
tan<br />
( tan(<br />
α3<br />
) − tan(<br />
α2<br />
) )<br />
( α ) − tan(<br />
α )<br />
2<br />
2 = tan α 2<br />
L<br />
e =<br />
tan α<br />
1<br />
( α ) − tan(<br />
)<br />
2<br />
( tan(<br />
α3<br />
) − tan(<br />
α 2 ) )<br />
( α ) − tan(<br />
α )<br />
Der Vorteil dieses Verfahrens ist, daß man die Bäume bequem von beliebigen Punkten aus<br />
messen kann. Allerdings ist es auch mit einigen gravierenden Nachteilen verbunden, da<br />
1. die Baumhöhe nicht direkt abgelesen werden kann, man braucht einen Rechner<br />
2. Der Winkel α2 sehr kritisch zu messen ist, es sei denn man hat eine lange Meßlatte dabei<br />
Baumhöhenmessung nach dem geometrischen Prinzip<br />
Bei der Höhenmessung nach dem geometrischen Prinzip ist keine Entfernungsmessung nötig.<br />
Der Dendrometer nach Kramer („kleiner Kramer“) arbeitet nach diesem Prinzip.<br />
c<br />
d<br />
b<br />
A<br />
c<br />
d<br />
b<br />
Das Dendrometer besteht aus einem Metallstreifen, welcher am Rand oben und unten eine<br />
Aussparung hat. Bei 1/10 dieser Aussparung ist eine Meßmarke angebracht. Das Dendrometer<br />
wird am Band vor dem Auge so gehalten, daß der Baum gerade zwischen die Aussparung<br />
paßt. Durch die Veränderung des Abstandes zum Baum und die Entfernung des Dendrometers<br />
e<br />
2<br />
1<br />
1<br />
C<br />
D<br />
B
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 8 von 55<br />
zum Auge kann dieser Zustand erreicht werden. Man peilt dann über die Messmarke und<br />
merkt sich die Position am Stamm oder an der Meßlatte. Die Baumhöhe leitet sich aus der<br />
Ähnlichkeit der Dreiecke ABC und Abc sowie ABD und Abd ab. Es verhält sich<br />
bc<br />
=<br />
BC<br />
bd<br />
BD<br />
Das Verhältnis der Strecken bd zu bc beträgt 1/10. Folglich errechnet sich die Baumhöhe,<br />
indem man den auf der Meßlatte abgelesenen oder am Stamm gemessenen Wert mal Faktor<br />
10 nimmt.<br />
Der Vorteil des Dendrometers ist in seiner einfachen Herstellung und seinem Preis zu sehen.<br />
Darüber hinaus braucht man nicht unbedingt eine Meßlatte. Nachteilig ist, das beim<br />
Anvisieren durch kleinste Bewegungen Fehler entstehen können und das Ablesen bzw. das<br />
Merken der Stelle am Baum, die mit Punkt d übereinstimmt, aus größeren Entfernungen zu<br />
ungenau wird.<br />
Baumhöhenmessung ohne Höhenmesser Hilfsverfahren<br />
Hat man keinen Höhenmesser zur Verfügung, so kann man die Baumhöhe auch mit einem<br />
einfachen geraden Stock messen. Die Länge des Stockes sollte der Entfernung Auge zu Faust<br />
entsprechen.<br />
A<br />
c<br />
b<br />
Bei ausgestrecktem Arm muß die messende Person den Stock senkrecht vor das Auge halten,<br />
den Baum anvisieren und die Entfernung zum Baum durch Vor- und Zurückgehen so<br />
verändern, bis die Stockspitze und die Baumspitze sich decken. Gleichzeitig merkt man sich<br />
den Verlängerungspunkt (B) Auge zu Faust am Baum. Nach dem Strahlensatz verhält sich:<br />
Ab<br />
=<br />
AB<br />
bc<br />
BC<br />
C<br />
B<br />
D
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 9 von 55<br />
Da die strecken Ab und bc gleich sind, müssen auch die Strecken AB und BD gleich sein. Die<br />
Baumhöhe ergibt sich somit aus<br />
h = AB +<br />
Die Strecke AB kann durch Schrittmaß und BD am Stamm geschätzt werden.<br />
Bestimmung des Volumens<br />
Die Schaftkurve ist die äußere Begrenzungskurve des Stammes. Bei einer erwachsenen Fichte<br />
verläuft sie von ca. 1/10 der Baumlänge konvex und von da an bis zum Kronenansatz konkav<br />
zur Schaftachse. Der Stammfuß entspricht in etwa einem Neiloidstumpf eines kubischen bis<br />
quadratischen Paraboloids. Die Schaftspitze bildet eine Zwischenform von quadratischem<br />
Paraboloiden und gradseitigem Kegel.<br />
Walze 2<br />
v = π ⋅ r ⋅ l<br />
v = Volumen; l = Länge;<br />
r = Radius<br />
Neiloidstumpf ⋅l<br />
2 2 2<br />
v = ( r1<br />
+ 4 ⋅ r2<br />
+ r3<br />
)<br />
6<br />
π v = Volumen; l = Länge;<br />
r1,r2,r3= Radius oben, mitte, unten<br />
Paraboloid<br />
⋅ r ⋅l<br />
v =<br />
2<br />
π v = volumen; l = Länge;<br />
r = Radius an der Basis<br />
Kegelstumpf ⋅ l 2<br />
v = ⋅ ( r1<br />
+ r1<br />
⋅ r2<br />
3<br />
2<br />
+ r2<br />
)<br />
π v = volumen; l = Länge;<br />
r1,r2 = Radius oben u. unten<br />
Kegel<br />
2<br />
⋅ r ⋅ l<br />
v =<br />
3<br />
π<br />
v = volumen; l = Länge;<br />
r = Radius an der Basis<br />
Die Stammform eines Einzelbaum hängt im speziellen von der Baumart, seiner Entwicklung<br />
im Bestand, anderen Umwelteinflüssen und von seiner Genetik ab.<br />
Das genaue Volumen läßt sich nur durch Tauchen ermitteln, dieses Verfahren ist aber wegen<br />
seines enormen Aufwandes fast unmöglich. Im Versuchswesen und zur genauen Ermittlung<br />
wird die Schaftform durch eine Vielzahl von Durchmessermessungen in 1m bis 2m<br />
Abständen beschrieben. Dieses Verfahren wird Sektionsmessung genannt. Meist werden<br />
Sektionsmessungen an liegenden Bäumen vorgenommen. Die Messung zahlreicher<br />
Durchmesser an einem stehendem Stamm ist dagegen ungleich aufwendiger.<br />
Das Volumen einer solchen Sektion kann mit Hilfe einfacher Inhaltsformel bestimmt werden.<br />
Es bietet sich als Modellkörper ein Kegelstumpf bzw. die Form einer einfachen Walze an. In<br />
dem Fall, indem man das Stammvolumen aus den Sektionen mit der Form einer Walze<br />
kalkuliert berechnet sich das Volumen wie folgt:<br />
v =<br />
n<br />
2<br />
∑ π ⋅ ri<br />
⋅l<br />
i , wobei ri der mittlere Radius und li die Länge der Sektion i ist<br />
i=<br />
1<br />
BD
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 10 von 55<br />
Im Forstbetrieb werden für die Voluminierung einzelner Stammstücke häufig vereinfachte<br />
Formel verwendet. Dies sind:<br />
HUBERsche Formel : v g m l ⋅ =<br />
g o + g u<br />
SMALIANsche Formel: v = ⋅ l<br />
2<br />
g o + 4 ⋅ g m + gu<br />
NEWTONsche Formel: v =<br />
⋅l<br />
6<br />
Definitionen:<br />
g = Grundfläche m=Mitte, o= oben u= unten, l= Länge<br />
Schaftholz gesamte Masse eines Schaftes ohne Äste<br />
Schaftderbholz Masse eines Schaftes über 7 cm Durchmesser mit Rinde<br />
Derbholz Masse des Schaftes und der Äste eines Baumes über 7cm Durchmesser<br />
mit Rinde<br />
Baumholz gesamte oberirdische Masse eines Baumes, also Derbholz und Reisig<br />
Formzahl Verhältnis des tatsächlichen Volumens zum einer Walze<br />
abholzig echte Formzahl unter 0.52<br />
vollholzig echte Formzahl größer 0.52<br />
Formzahl u. Volumenfunktionen<br />
Formzahl- und Volumenfunktionen dienen der Schätzung des Baumvolumens über leichter zu<br />
erhebende Variablen wie den BHD und die Höhe. Mit einer Volumenfunktion kann das<br />
Volumen direkt geschätzt werden, während die Formzahl als der Faktor definiert ist, der sich<br />
ergibt, wenn man das Volumen des Baumes in Bezug zum Volumen einer Walze setzt. Man<br />
unterscheidet echte und unechte Formzahlen. Bei echten Formzahlen wird der<br />
Mittendurchmesser des Stammes als Eingangsgröße verwendet. Bei unechten Formzahlen ist<br />
der BHD die Eingangsgröße.<br />
Trägt man in einer Grafik die Volumen von mehreren sektionsweise kubierten Stämmen über<br />
dem Durchmesser und der Höhe auf, so stellt man fest, daß es eine Beziehung zwischen dem<br />
Volumen und dem Durchmesser bzw. der Höhe gibt.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 11 von 55<br />
Das Volumen steigt mit zunehmendem BHD und zunehmender Höhe exponentiell an. Diese<br />
Beziehung kann man nun ausnutzen, um das aufwendig zu messende Volumen mit der<br />
einfach meßbaren Variable BHD bzw. Höhe zu schätzen. Zu diesem Zweck könnte man an<br />
die Daten eine Potenzfunktion anpassen.<br />
Wir sehen, dass die angepaßte Potenzfunktion im größeren Durchmesserbereich<br />
Schwierigkeiten hat die Volumenwerte zu schätzen. Durch Einsetzen der BHD-Werte für x (s.<br />
Grafik) kann man die Volumenwerte (y) auch berechnen (s. Tabelle). Subtrahiert man den mit<br />
der Potenzfunktion geschätzten Wert von dem tatsächlich beobachteten Wert, so erhält man<br />
die Residualwerte oder Residuen.<br />
BHD Höhe Volumen Potenzfunktion Residuen<br />
7.3 5.2 0.0056 0.0098 0.0042<br />
11.9 8.1 0.0358 0.0450 0.0092<br />
11.7 14.3 0.0559 0.0427 -0.0132<br />
15.6 14.7 0.1174 0.1046 -0.0128<br />
15.7 17.6 0.1399 0.1067 -0.0332<br />
23.1 20.2 0.4050 0.3556 -0.0494
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 12 von 55<br />
23.7 26 0.5237 0.3852 -0.1385<br />
27.3 20.3 0.5634 0.5986 0.0352<br />
27.4 23.7 0.6450 0.6054 -0.0396<br />
27.7 29.2 0.8137 0.6263 -0.1874<br />
31.1 23 0.8555 0.8985 0.0430<br />
31.6 27.5 0.9662 0.9443 -0.0219<br />
39.3 26.3 1.5240 1.8633 0.3393<br />
43 29.3 2.1028 2.4664 0.3636<br />
47.3 32.2 2.7910 3.3195 0.5285<br />
51 32.6 3.2987 4.1977 0.8990<br />
In der folgenden Grafik sind die Residuen für das Beispiel über dem BHD aufgetragen. Man<br />
erkennt auch in dieser Grafik, dass die Schätzfunktion bei größeren BHD-Werten zu einer<br />
deutlichen Überschätzung des Volumens neigt und das der Fehler mit zunehmendem BHD<br />
steigt.<br />
In einem solchem Fall muß die Schätzfunktion verworfen werden, und es sollte versucht<br />
werden, mit einem anderem Modell zu genaueren Schätzwerten und besser verteilten<br />
Residualwerten zu kommen.<br />
Im folgenden wird ein Volumenmodell nach Madsen an die Daten mittels multipler linearer<br />
Regression angepaßt. In diesem Modell sind die abhängige Variable v und die unabhängigen<br />
Variablen d und h mit dem natürlichen Logarithmus (ln) transformiert. Mit einer derartigen<br />
Transformation kann man bewirken, das zwischen abhängiger Variable und den<br />
unabhängigen Variablen eine lineare Beziehung entsteht (s. Abb.).
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 13 von 55<br />
Die Ergebnisse der schrittweisen multiplen Regression sind in den folgenden SPSS –<br />
Ausdrucken wiedergegeben. An dieser Stelle soll nicht die statistische Auswertung mit dem<br />
Programm SPSS besprochen werden, hier soll lediglich das Verfahren dargestellt werden, mit<br />
dem viele Volumenfunktionen aufgestellt wurden.<br />
Die abhängige zu schätzende Variable ist der natürliche Logarithmus des Volumen (lnv). In<br />
der schrittweisen linearen Regression erweist sich die Variable lnd (nat. Logarithmus des<br />
BHD in cm) als die Variable, die den höchsten Erklärungsgrad hat.<br />
Block Number 1. Method: Stepwise Criteria PIN .0500 POUT .1000 LND LNH<br />
Variable(s) Entered on Step Number 1.. LND<br />
Multiple R .99044 Analysis of Variance<br />
R Square .98097 DF Sum of Squares Mean Square<br />
Adjusted R Square .97961 Regression 1 44.69486 44.69486<br />
Standard Error .24885 Residual 14 .86698 .06193<br />
F = 721.72986 Signif F = .0000<br />
------------------ Variables in the Equation ------------------ ------------- Variables not in the Equation --------<br />
-----<br />
Variable B SE B Beta T Sig T Variable Beta In Partial Min Toler T<br />
Sig T<br />
LND 3.116703 .116013 .990440 26.865 .0000 LNH .343118 .955304 .147505 11.651<br />
.0000<br />
(Constant) -10.834370 .373418 -29.014 .0000<br />
Im zweiten Schritt wird auch die Variable lnh (nat. Logarithmus der Höhe (m) gewählt. Beide<br />
Variablen sind hoch signifikant.<br />
Variable(s) Entered on Step Number 2.. LNH<br />
* * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * * *<br />
Multiple R .99917 Analysis of Variance<br />
R Square .99834 DF Sum of Squares Mean Square<br />
Adjusted R Square .99808 Regression 2 45.48608 22.74304<br />
Standard Error .07634 Residual 13 .07577 .00583<br />
F = 3902.13438 Signif F = .0000<br />
------------------ Variables in the Equation ------------------<br />
Variable B SE B Beta T Sig T
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 14 von 55<br />
LND 2.119792 .092669 .673637 22.875 .0000<br />
LNH 1.172320 .100617 .343118 11.651 .0000<br />
(Constant) -11.174452 .118218 -94.524 .0000<br />
* * * * M U L T I P L E R E G R E S S I O N * * * *<br />
Equation Number 1 Dependent Variable.. LNV<br />
End Block Number 1 POUT = .100 Limits reached.<br />
Die Schätzung hat einen Standard Error von 0.07634 und ein Bestimmtheitsmaß von 0.999,<br />
d.h. 99,9% der Variabilität kann durch das Modell erklärt werden. Die endgültige Funktion<br />
lautet:<br />
() v = −11.<br />
174 + 2.<br />
120 ⋅ ln(<br />
d ) + 1.<br />
172 ⋅ ln( )<br />
ln h<br />
In den beiden folgenden Grafiken sind die Residualwerte den Variablen d und h<br />
gegenübergestellt. Es zeigt sich, das die Verteilung der Werte gleichmäßiger, als im Fall der<br />
Potenzfunktion um den Wert streuen.<br />
Stellt man geschätzten Werte den tatsächlichen gegenüber, so sollte sich im besten Fall eine<br />
Grade die durch den Nullpunkt geht und eine Steigung von 1 hat ergeben. Dieser Fall wurde<br />
durch die Anpassung des Modells annähernd erreicht. Die zusätzlichen Linien zeigen das 95%<br />
Quantil der Streuung.<br />
In der Literatur lassen sich für fast alle Baumarten Formzahl- oder Volumenfunktionen<br />
finden.<br />
Beispiel : Für eine Buche mit einem BHD von 30cm und einer Höhe von 25m errechnet sich nach der<br />
Formfunktion Buche Derbholz (Bergel 1973) folgendes Volumen:<br />
1.<br />
1267 118.<br />
188<br />
fd =<br />
0. 4039 + 0.<br />
0017335 ⋅ h + − + 0.<br />
0000042 ⋅ d<br />
3<br />
h d<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 15 von 55<br />
1.<br />
1267 118.<br />
188<br />
fd = 0. 4039 + 0.<br />
001725*<br />
25 + − + 0.<br />
0000042 ⋅30<br />
3<br />
25 30<br />
fd = 0 . 4039 + 0.<br />
04334 + 0.<br />
045068 − 0.<br />
0043773 + 0.<br />
00378 =<br />
⎛ BHD ⎞<br />
V = π ⋅⎜<br />
⎟ ⋅ h ⋅ fd<br />
⎝ 2 ⎠<br />
2<br />
2<br />
⎛ 0.<br />
30m<br />
⎞<br />
V = π ⋅ ⎜ ⎟ ⋅ 25m<br />
⋅ 0.<br />
4917 = 0.<br />
869m³<br />
⎝ 2 ⎠<br />
Massentafeln<br />
[engl.: volume tables]<br />
2<br />
0.<br />
4917<br />
In früheren Zeiten, als es noch eine Rechner gab, hat man aus den Diagrammen die Formzahlbzw.<br />
Volumenwerte abgelesen und in Tabellenform aufgeschrieben. Eine der bekanntesten<br />
Massentafel ist die von Grundner und Schwappach (1942). Heute hat die Anwendung solcher<br />
Tafeln nur noch für einzelne Bäume ein Berechtigung, da der Aufwand das Volumen per<br />
Hand aus den Tafeln zu ermitteln schlicht zu hoch ist. Dafür kann man heute<br />
Tabellkalkulationsprogramme wie z.B. Excel einsetzen. Die Formzahl und<br />
Volumenfunktionen kann man natürlich auch anders herum in Tabellenform darstellen. Das<br />
folgende Beispiel wurde mit dem Programm Volumen (Nagel u. Gadow 2000) erstellt.<br />
Massentafel für Fichte Schaftholz /Bergel 1973<br />
BHD[cm] Höhe[m]<br />
5.0 6.0 7.0 8.0 9.0 10.0 11.0 12.0 13.0 14.0 15.0<br />
7.0 0.0124 0.0140 0.0158 0.0178 0.0199 0.0221 0.0244 0.0268 0.0291<br />
8.0 0.0157 0.0178 0.0201 0.0227 0.0254 0.0282 0.0311 0.0341 0.0371 0.0402 0.0434<br />
9.0 0.0194 0.0220 0.0249 0.0281 0.0314 0.0349 0.0385 0.0422 0.0460 0.0498 0.0537<br />
10.0 0.0266 0.0301 0.0339 0.0380 0.0422 0.0466 0.0510 0.0556 0.0602 0.0650<br />
11.0 0.0315 0.0357 0.0403 0.0451 0.0501 0.0553 0.0606 0.0660 0.0715 0.0771<br />
12.0 0.0417 0.0471 0.0527 0.0585 0.0646 0.0708 0.0772 0.0836 0.0902<br />
13.0 0.0481 0.0543 0.0608 0.0676 0.0746 0.0817 0.0891 0.0965 0.1041<br />
14.0 0.0619 0.0694 0.0771 0.0851 0.0933 0.1017 0.1102 0.1189<br />
15.0 0.0700 0.0784 0.0872 0.0962 0.1055 0.1150 0.1247 0.1345<br />
16.0 0.0879 0.0978 0.1079 0.1183 0.1290 0.1398 0.1509<br />
17.0 0.0979 0.1088 0.1202 0.1318 0.1437 0.1558 0.1681<br />
18.0 0.1204 0.1329 0.1458 0.1590 0.1724 0.1860<br />
19.0 0.1325 0.1463 0.1604 0.1749 0.1897 0.2047<br />
20.0 0.1601 0.1756 0.1915 0.2077 0.2242<br />
21.0 0.1745 0.1914 0.2087 0.2264 0.2443<br />
22.0 0.2077 0.2265 0.2457 0.2652<br />
23.0 0.2245 0.2449 0.2657 0.2868<br />
24.0 0.2639 0.2863 0.3091<br />
25.0 0.2834 0.3075 0.3320<br />
26.0 0.3294 0.3556
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 16 von 55<br />
• Eine Sammlung forstlicher Volumenfunktionen für Nordwestdeutschland enthält das Programm Volumen<br />
(Forest Tools)<br />
Schaftform<br />
[engl. taper]<br />
Formzahl- und Volumenfunktionen sind in ihrer Anwendung relativ begrenzt, da mit ihnen<br />
"nur" das Volumen bestimmen kann. Heute möchte man aber oft zusätzliche Informationen,<br />
z.B. möchte man Wissen, wieviel Volumen ein Bestand an Holz mit einem bestimmten<br />
Mittendurchmesser und einer vorgegebenen Länge hat. Man möchte z.B. die Derbholzgrenze<br />
beliebig verändern oder das Volumen eines gebrochenen toten Stammes ermitteln können Um<br />
diese Fragen zu beantworten, muß man für den Einzelstamm die Stammform einschätzen<br />
können.<br />
Bevor es die Möglichkeit gab dies mit Computer zu berechnen, hat man die Schaftformen,<br />
wie sie aus den Sektionsmessungen bekannt sind, grafisch ausgeglichen und davon Tabellen<br />
erstellt, mit denen man den Durchmesser in einer bestimmten Höhe schätzen kann. Die<br />
Tabellenwerke sind unter dem Namen Ausbauchungsreihen (z.B. Schober 1952) bekannt. In<br />
den Ausbauchungsreihen wird ein Prozentwert des BHD angegeben. Die Eingangsgrößen sind<br />
die Baumhöhe und die Höhe, in der der Durchmesser am Stamm bestimmt werden soll.<br />
Ausbauchungsreihe für Buche Schober (1952)<br />
Beispiel: Ein Baum hat einen BHD von 30 cm und eine Höhe von 26m. Gesucht ist sein Durchmesser in 10m<br />
Höhe.<br />
Die Ausbauchungsreihe liefert einen Wert von 77% für 26m Höhe und 10m über dem Boden.<br />
Der BHD ist 30cm, folglich ist der gesuchte Durchmesser in 10m Höhe = 30cm*0.77= 23.1cm<br />
Mit den verbesserten Möglichkeiten der EDV wurden dann Schaftformfunktionen entwickelt,<br />
mit den man aus dem BHD und der Höhe und zum Teil weiterer Variablen die Schaftform<br />
beschreiben kann. Berechnet man die Fläche unter der Kurve, also das Integral, für einen<br />
Rotationskörper, so ergibt sich das Volumen oder für Stammabschnitte das Teilvolumen. In<br />
der Literatur sind verschiedene Ansätze auf der Basis von Splinefunktionen, der
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 17 von 55<br />
Brinkfunktion und als lineares Schaftmodell zu finden. An dieser Stelle soll das Prinzip der<br />
Schaftformfunktionen an dem linearen Schaftmodell nach Sloboda (1985) erläutert werden.<br />
Das Prinzip des linearen Schaftformmodells nach Sloboda beruht darauf, daß zwischen dem<br />
BHD und dem Durchmesser in einer bestimmten relativen Höhe (hr=0 Baumspitze, hr=1.0<br />
Stammfuß) eine lineare Beziehung besteht. Zur Parametrisierung der Funktion werden dafür<br />
die sektionsweise vermessenen Stämme relativiert und der Durchmesser für 20 relative<br />
Positionen am Stamm ermittelt. Anschließend wird aus dem Material aller Bäume für jede der<br />
20 relativen Höhen eine lineare Regression des Durchmessers zum BHD berechnet und der<br />
Interzept und die Steigung notiert. Die 20 Interzepte und die 20 Steigungen werden dann<br />
jeweils mit einem Polynom (im Beispiel 6. Grades) ausgeglichen.<br />
r r<br />
= a + b ⋅ BHD , wobei<br />
d hr<br />
r<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
a : = a1<br />
⋅ hr + a2<br />
⋅ hr + a3<br />
⋅ hr + a4<br />
⋅ hr + a5<br />
⋅ hr + a6<br />
⋅ hr<br />
r<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
b : = b1<br />
⋅ hr + b2<br />
⋅ hr + b3<br />
⋅ hr + b4<br />
⋅ hr + b5<br />
⋅ hr + b6<br />
⋅ hr<br />
hr = relative Höhe am Baumschaft; hr=0 Baumspitze, hr=1.0 Stammfuß<br />
Koeffizienten für Fichte:<br />
a1:=-3.834; a2:=92.150; a3:=-338.09; a4:=510.960; a5:=-333.230; a6:=73.280;<br />
b1:=1.803; b2:=0.713; b3:=-13.276; b4:=34.554; b5:=-38.817; b6:=16.133;<br />
Möchte man nun den Durchmesser eines Baumes in einer bestimmten Höhe ermitteln, so muß<br />
zunächst die relative Höhe (hr) bestimmt werden. Mit hr kann man dann die Werte für a und b<br />
berechnen und diese in die Grundgleichung einsetzen.<br />
Beispiel: Baumhöhe = 30 m, BHD =40 cm, gesucht der Durchmesser in 10m Baumhöhe<br />
hr = 1-(10/30)=0.7<br />
a = -2.683+45.153-115.96+122.68-56.005+8.621 = 1.806<br />
b = 1.2621+0.349-4.5536+8.2964-6.5239+1.8980 = 0.728<br />
d0.7 = 1.806+0.728 * 40cm= 30.92 cm<br />
Schwieriger ist es, die Baumhöhe eines bestimmten Durchmessers zu bestimmen. Dazu kann<br />
man sich aber einer iterativen, numerischen Lösung bedienen. Man schätzt zunächst den<br />
Durchmesser bei halber Stammlänge (hr=0.5). Ist dieser kleiner als der gewünschte<br />
Durchmesser so addiert das halbe verbleibende Intervall (hr=0.5+0.25=0.75) und bestimmt an<br />
dieser Stelle den Stammdurchmesser. Danach prüft man erneut, ob der BHD größer oder<br />
kleiner ist und addiert bzw. subtrahiert erneut das halbe verbliebene Intervall. Auf diese<br />
Weise kann man in 7 bis 9 Schritten die relative Höhe am Baum bestimmen, an der der<br />
gesuchte BHD sich mit einer Toleranz von 1cm befindet.<br />
Das Volumen läßt sich mit dem Modell aus dem Integral des Rotationskörpers berechnen:<br />
1<br />
⋅ h ⎛<br />
v = ⋅ ⎜ F1<br />
⋅ BHD<br />
4 ⎝<br />
π<br />
2<br />
[ b(<br />
x,<br />
b)<br />
] dx<br />
r<br />
F1 = ∫ ⋅<br />
0<br />
1<br />
= ∫<br />
0<br />
2<br />
BHD F3<br />
⎞<br />
+ F2<br />
⋅ + ⎟<br />
100 10000 ⎠<br />
r r<br />
[ a(<br />
x,<br />
a)<br />
⋅ b(<br />
x,<br />
b)<br />
] dx<br />
F ⋅<br />
2<br />
1<br />
[ a(<br />
x a)<br />
] dx<br />
F3 = ∫ , ⋅<br />
r<br />
0<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 18 von 55<br />
Mit den Schaftformfunktionen lassen sich auch Sortimente ableiten. Langholz wird nach<br />
Mittenstärken oder nach der Heilbronner Sortierung ausgehalten. Im ersten Fall ist der<br />
Mittendurchmesser für die Stärkeklasse ausschlaggebend. Bei der Heilbronner Sortierung ist<br />
eine Mindestlänge und ein Mindestzopfdurchmesser o. Rinde für die Klassifizierung<br />
entscheidend.<br />
Beispiel: Fichte BHD=40cm und Höhe=30m<br />
Gesucht das Gesamtvolumen, Volumen der unteren 2m, Volumen von 2m bis 8m<br />
Volumen hrunten hroben F3 F2 F3 Volumen<br />
Gesamt 1.000 0.000 0.384 0.934 2.345 1.631 m³<br />
0 bis 2m 1.000 0.933 0.066 0.109 0.187 0.270 m³<br />
2 bis 8m 0.933 0.666 0.162 0.422 1.103 0.693 m³<br />
• Das lineare Schaftformmodell nach Sloboda ist in dem Programm Stammteil (Forest Tools) implementiert.<br />
Mit ihm können die Volumina verschiedener Stammabschnitte geschätzt werden. Weitere<br />
Schaftformmodelle enthalten die Programme Holzernte, BWINPro und Silva.<br />
Rinde<br />
Die Rinde kann je nach der Baumart eine erhebliche Stärke haben. Daher wird im<br />
Forstbereich wird auch häufig das Volumen ohne Rinde angegeben. Dazu werden in der<br />
Praxis z.T. pauschale Abzüge verwendet (Kramer 1982) oder es wird das Rindenvolumen mit<br />
Hilfe von Funktionen eingeschätzt. Die Aufstellung der Rindenfunktionen erfolgt nach dem<br />
gleichen Schema, wie es bereits beim Volumen angesprochen wurde.<br />
Für die Messung der Rindenstärke am stehenden Baum gibt es einen Rindenstärkemesser.<br />
(aus Grube Online Shop)<br />
Meist wird die Rindenstärke aber im Zuge von Bohrkern- und Stammanalysen mitgemessen.<br />
Die im deutschsprachigen Raum bekanntesten Rindenfunktionen sind die von Altherr .<br />
Baumkrone<br />
Für waldbauliche, waldwachstumskundliche und ökologische Untersuchung ist die Erfassung<br />
der Baumkronen von besonderer Bedeutung.<br />
Die Baumkrone wird vertikal durch die Baumhöhe und den Kronenansatz definiert. Für die<br />
Messung des Kronenansatzes werden die gleichen Verfahren wie für die Baumhöhe<br />
eingesetzt. Dennoch ist die Messung der Baumhöhe in der Regel mit einem deutlich höherem<br />
Fehler behaftet. Dies liegt meist an der Schwierigkeit den Kronenansatz klar zu definieren. Im<br />
Versuchswesen wird bei Nadelholz unter Kronenansatz der unterste Quirl mit 3 grünen Ästen<br />
und bei Laubholz der Ansatz des ersten Primärastes verstanden. Da diese Definition zwar<br />
nachvollziehbar aber nicht immer befriedigend ist, wird der Kronenansatz zum Teil auch als<br />
der Punkt eingeschätzt, in dem durchschnittlich das Laub bzw. die Nadeln beginnen. Eine
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 19 von 55<br />
weitere wichtige Kronenvariable ist die Höhe der größten Kronenbreite, denn an dieser Stelle<br />
befindet sich ungefähr der Übergang von der Licht zur Schattenkrone.<br />
Kronenspiegel (aus Grube Online-Shop)<br />
Die horizontale Ausdehnung der Krone wird durch das<br />
Abloten der längsten Äste mit einem Kronenspiegel<br />
gemessen. Das Abloten von Baumkronen durch bloßes<br />
Hochschauen führt dagegen zu erheblichen Fehlern. Im<br />
Versuchswesen werden die Kronen auf zwei verschiedene<br />
Arten abgelotet. Im einen Fall erfaßt man die größten<br />
Kronenradien und im anderen Fall wird die Krone an<br />
vorgegebenen Winkeln abgelotet. Letzteres Verfahren ist<br />
weniger subjektiv und läßt sich insbesondere bei<br />
Wiederholungsaufnahmen besser vergleichen.<br />
h = Höhe<br />
kb = Kronenbreite<br />
kr = Kronenradius<br />
ks = Kronenschirmfläche<br />
kl = Kronenlänge<br />
klo = Kronenlänge der Lichtkrone<br />
klu = Kronenlänge der Schattenkrone<br />
Aus den genannten Kronenmessgrößen lassen sich verschiedene Größen ableiten:<br />
Kronenlänge Höhe - Kronenansatz<br />
Kronenprozent 100*Kronenlänge/Höhe<br />
Bekronungsgrad Kronenlänge/Höhe<br />
Kronenbreite durchschnittliche horizontale Ausdehnung<br />
Kronenradius 1/2 Kronenbreite<br />
Kronenschirmfläche Projektionsfläche der abgeloteten Kronenausdehnung<br />
Kronenmantelfläche Kronenoberfläche, dazu wird ein Modellkörper unterstellt (z.B.<br />
Paraboloid)<br />
Kronenvolumen Volumen des unterstellten Modellkörpers<br />
Kronenindex Kronenlänge/ Kronenbreite<br />
Plumpheitsgrad Kronenbreite/ Kronenlänge<br />
Ausladungsverhältnis Kronenbreite/ BHD<br />
Spreitungsgrad Kronenbreite/ Baumhöhe<br />
Blätter und Nadeln
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 20 von 55<br />
Die Blattorgane der Bäume werden wegen des großen Aufwandes nur in Einzelfällen<br />
gemessen. Das Vermessen einzelner Blätter bzw. Nadeln erfolgt nach der Probenahme<br />
entweder mit einem speziellen Blattflächenmessgerät oder durch Bildauswertungssysteme.<br />
Bei ersteren Geräten wird die Blattfläche über einen optischen Sensor abgetastet.<br />
Die Blattmasse und -anzahl läßt sich an kleineren Bäumen durch Auszählen bestimmen. An<br />
größeren Bäumen kann dies nur stichprobenartig durchgeführt werden. Bei stehenden<br />
Bäumen werden häufig auch Laubsammeler eingesetzt, die einen Wert für die Laubmasse<br />
eines Bestandes liefern können. Will man Informationen über die Blattmasse eines einzelnen<br />
stehenden Baumes gewinnen, so muß ein Baum gewählt werden, der nur von Bäumen anderer<br />
Arten umstanden ist.<br />
Eine wichtige Größe für viele ökophysiologische Untersuchungen ist der Blattflächenindex<br />
LAI (engl.: Leaf Area Index) . Dieser gibt die Blattfläche eines Bestandes im Verhältnis zur<br />
Bestandesfläche an.<br />
Biomasse<br />
Biomasseuntersuchungen wurden in Deutschland bisher nur in Ausnahmefällen durchgeführt,<br />
ob wohl diese Angaben besonders für Untersuchungen zum Nährstoffhaushalt von besonderer<br />
Bedeutung sind.<br />
aus Pellinen (1986)<br />
Das Verfahren zur Herleitung von Biomassefunktionen und -tabellen entspricht weitgehend<br />
dem Vorgehen zur Aufstellung einer Volumenfunktion. Zuerst werden Probebäume bestimmt<br />
und in verschiedene Kompartimente wie Stamm, Astholz, Stockholz, Laub Wurzeln<br />
aufgeteilt. Danach werden Stichproben gewonnen, die vermessen und für die<br />
Gewichtsermittlung getrocknet werden. Mittels Regressionsrechnung oder Ratioschätzern
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 21 von 55<br />
werden dann Beziehungen zwischen den verschiedenen Variablen hergestellt und funktional<br />
ausgeglichen (Rademacher 2001).<br />
Die Biomassentafel von Pellinen (1986) für einen Kalkbuchenwald zeigt, daß das Derbholz<br />
im Schnitt einen Anteil von ca. 70 % am Gesamtgewicht des Baumes hat.<br />
In einigen Untersuchungen wurden die Baumproben auch verascht und die Elementgehalte<br />
bestimmt. Auf diese Weise können dann die Nährstoffe abgeschätzt werden, die in einem<br />
Bestand gebunden sind, oder die im Zuge einer Durchforstung genutzt werden.<br />
Zuwachsmessungen<br />
Der Zuwachs eines Baumes kann aus der Differenz von Messungen zu zwei Zeitpunkten<br />
ermittelt werden. Im forstlichen Versuchswesen werden etwa die Bäume auf den<br />
Versuchsparzellen alle 3 bis 7 Jahre gemessen. Der Aufnahmeturnus hängt von der Baumart,<br />
dem Alter und der Fragestellung ab. Bei wiederholten Aufnahmen ist jedoch zu beachten, daß<br />
der Meßfehler kleiner als der durchschnittliche Zuwachs sein sollte.<br />
Für spezielle Untersuchungen möchte man aber z.B. den Stärkenzuwachs in kürzeren<br />
Zeiträumen messen. Dies ist mit sogenannten Zuwachsmessbändern möglich. Es handelt sich<br />
dabei um Stahl bzw. Plastikbänder, die am Stamm befestigt werden und deren eines Ende mit<br />
einer Feder das Band stramm um den Baum hält. Bei der Verwendung dieser Zuwachsbänder<br />
ist zu beachten:
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 22 von 55<br />
(aus Grube Online Shop)<br />
• Nach der Anbringung sollte man eine gewisse Periode<br />
warten, damit das Band richtig am Baum anliegt.<br />
• Negativer Zuwachs ist möglich, da die Bäume je nach<br />
der Witterung schwinden und quellen<br />
• Die Bänder sollten regelmäßig kontrolliert werden, damit<br />
ihre Funktionstüchtigkeit gewährleistet ist und sie nicht<br />
in den Baum einwachsen.<br />
Den Zuwachs der zurückliegenden Jahre kann man mit Hilfe von Bohrspan und<br />
Stammanalysen messen.<br />
Bohrkernanalysen<br />
[engl.: increment core]<br />
Bohrkernanalyse werden in der Literatur häufig auch Bohrspananalysen genannt. Die Begriffe<br />
können synonym verwendet werden.<br />
Zuwachsbohrer aus Grube Online Shop<br />
Mit Hilfe des Zuwachsbohrers lassen sich aus dem Stamm<br />
kleinere Holzproben (Bohrspäne) entnehmen, mit denen man das<br />
Alter und den Radialzuwachs von Bäumen analysieren kann. Der<br />
Zuwachsbohrer besteht aus einem hohlen Bohrer, der möglichst<br />
horizontal auf die Markröhre hin in den Baum gebohrt wird. Hat<br />
der Bohrer die nötige Tiefe erreicht, so wird eine Metallschiene<br />
(-zunge) in den hohlen Bohrer geschoben und der Bohrkern für<br />
das Herausdrehen arretiert. Der Bohrkern ist dann besonders<br />
vorsichtig und deutlich beschriftet aufzubewahren, weil die<br />
Bohrkerne leicht brechen können. Das Bohrloch sollte mit<br />
Baumwachs gut verschlossen werden, um das Eindringen von<br />
Fäule zu verhindern. Mehrfache Bohrungen in derselben Höhe<br />
sollte man möglichst vermeiden. Auf Versuchsflächen sollte eine<br />
Bohrung nicht im BHD Messbereich erfolgen, da es zu<br />
Wundreaktionen des Baumes kommen kann, die<br />
Durchmesserentwicklung beeinflussen können.<br />
Für die reine Altersbestimmung können die Bohrkerne unter einem Binokular, wenn nötig<br />
ausgezählt werden. Die Vermessung der Jahrringe sollte mit einem Jahrringmessgerät<br />
erfolgen. Ein Jahrringmessgerät besteht aus einem Binokular einem Bohrspanhalter und<br />
einem Meßtisch, welcher manuell oder mit einem Motor den Bohrspan für die Messung unter<br />
dem Binokular bewegt. Neuere Geräte arbeiten mit einer Genauigkeit von 1/100 mm und<br />
bieten die Möglichkeit einer automatischen Datenspeicherung. Für das bessere Erkennen der<br />
Jahrringgrenzen sollte der Bohrkern mit einem Skalpell abgezogen werden. Bei einigen
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 23 von 55<br />
Baumarten empfiehlt sich auch die Verwendung eines Färbungsmittels. Bei Eiche hat sich<br />
auch Kreide bewährt.<br />
Jahrringaufbau eines Nadelbaums (University of Arizona)<br />
Jahrringaufbau von ringporigen Laubholz (University of Arizona)<br />
Jahrring<br />
Frühholz Spätholz<br />
Ein Jahrring besteht aus Frühholz und Spätholz. Wie auf dem Bild zu erkennen ist, sind die<br />
Jahrringgrenzen nicht immer eindeutig.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 24 von 55<br />
3 Jahrringe<br />
4 Jahrringe<br />
ganzer Jahrring<br />
falscher Jahrring<br />
In diesem Beispiel sieht man oben 3 Jahrringe und darunter 4<br />
Jahrringgrenzen ausgeprägt. Ob es sich wirklich um einen vierten<br />
Jahrring handelt, ist an einem Bohrspan nur schwer zu erkennen.<br />
In diesem Beispiel wird die Jahrringgrenze eines sogenannten<br />
Scheinjahrrings gezeigt.<br />
Die in den Beispielen gezeigten Unstimmigkeiten lassen sich nur durch die Synchronisiation<br />
(cross- dating) des Bohrspans aufklären. Dazu wird die Variation und die Ausprägung der<br />
Jahrringe verschiedener Bohrspäne miteinander verglichen. Zusätzlich werden<br />
Standardkurven verwendet, die aus vielen Bohrspänen einer Region erstellt wurden, und die<br />
die typischen Weiserjahre aufzeigen.<br />
(aus Riemer 1994)<br />
Nach der Messung müssen Bohrkerne synchronisiert und datiert werden, d.h. sie werden mit<br />
durchschnittlichen Werten anderer Bohrkerne verglichen. Für den Vergleich nutzt man<br />
spezielle Weiserjahre in denen entweder sehr schlechte oder sehr gute Wuchsbedingungen<br />
geherrscht haben, um die Datierung der Jahrringgrenzen zu überprüfen. Die Überprüfung ist<br />
notwendig, da es z.T. vorkommt, das einzelne Jahrringe nicht ausgeprägt sind, oder die<br />
Jahrringgrenzen bei der Messung nicht richtig erkannt wurden.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 25 von 55<br />
Stammanalyse<br />
[engl.: stem analysis]<br />
Mit der Stammanalyse kann man die Entwicklung , Höhen- und Durchmesserwachstum, eines<br />
Baumes nachvollziehen. Da die Stammanalyse relativ aufwendig ist, wird sie meist nur für<br />
wissenschaftliche Untersuchungen eingesetzt.<br />
Nachdem man je nach Untersuchungsziel die Probebäume bestimmt hat, muß man Festlegen,<br />
wie viele Stammscheiben entnommen werden sollen. Die Anzahl der Stammscheiben und ihr<br />
Abstand voneinander hängt ebenfalls vom Untersuchungsziel ab. Es empfiehlt sich jedoch zu<br />
späteren Vergleichen eine Scheibe in BHD-Höhe und eine möglichst in Höhe des<br />
Fällschnittes zur Altersbestimmung zu entnehmen. Am Probebaum sollte zusätzlich versucht<br />
werden, die letzten Jahrestriebe zurück zu messen. Die Scheiben sollten etwa 2 bis 4 cm stark<br />
sein und kühl bzw. gefroren für die Messung gelagert werden. Vor der Messung müssen die<br />
Scheiben geschliffen und die Messradien mit einem Skalpell bearbeitet werden. Für eine<br />
genaue Grundflächenbestimmung werden 4 bis 8 Messradien empfohlen, wobei der erste<br />
Messradius 22,5 Grad vom größten Durchmesser gelegen sein sollte. Die eigentliche Messung<br />
erfolgt mit einem Jahrringmessgerät, welche in der Regel mit einer Genauigkeit von 1/100<br />
mm arbeiten. Automatische Verfahren auf der Basis von Bildverarbeitungssystemen haben<br />
sich bisher in Mitteleuropa nicht durchsetzen können, da die Erkennung der Jahrringgrenzen<br />
bei einigen Baumarten wie Ahorn sehr schwierig ist. Darüber hinaus erschweren Fäule und<br />
ausgefallene Jahrringe eine eindeutige Erkennung.<br />
Digitalpositiometer nach Johann<br />
Nach der Messung der Jahrringe müssen diese synchronisiert und datiert werden (s. auch<br />
Bohrspäne). Auf jeder Scheibe sollte für jeden Radius die gleiche Anzahl von Jahrringen<br />
bestimmt worden sein. In einem Diagramm können dann die Meßwerte gleicher Jahre<br />
verbunden und aus ihnen eine Schaftformkurve abgeleitet werden. Die Baumhöhe jedes<br />
Jahres kann man mit Hilfe von linearen oder Spline- Interpolationen schätzen. Für die<br />
Auswertung empfiehlt sich ein Programm zur Stammanalyse.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 26 von 55<br />
• Stammanalysen lassen sich z.B. mit dem Programm Stanly (Forest Tools) auswerten. Mit dem Programm<br />
kommen auch einige Beispiel.<br />
Totholz<br />
Das Volumen liegender Totholzstücke läßt sich mit den Formeln von Huber und Smalian<br />
berechnen.<br />
+3m<br />
-3m<br />
Baumhöhe Bei stehendem Totholz kann entweder eine Volumen- oder<br />
Schaftholzfunktion verwendet werden. Bei Stümpfen (gebrochenen<br />
stehenden Totholzstämmen) kann mit einer Schaftformfunktion das<br />
Volumen eingeschätzt werden, in dem die ehemalige Baumhöhe des<br />
Stumpfes am Restbestand einschätzt und die obere Kante des Stumpfes<br />
mißt (Nagel 1999).<br />
Stumpfhöhe<br />
BHD<br />
Bei Totholz ist aber nicht nur das Volumen von Bedeutung, vielmehr sollte auch der<br />
Zersetzungsgrad eingeschätzt werden. Dafür bietet sich die Klassifizierung von Albrecht<br />
(1990) an.<br />
Zersetzungsgrade (nach Albrecht 1990)<br />
Z° 1 = frisch tot (1 bis 2 Jahre)<br />
Z° 2= beginnende Zersetzung: Rinde lose, Holz noch<br />
beilfest, Kernfäule < 1/3 D
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 27 von 55<br />
Z° 3= fortgeschrittene Zersetzung: Splint weich, Kern<br />
nur noch teilweise beilfest, Kernfäule > 1/3 D<br />
Z° 4 = stark vermodert: Holz durchgehend weich,<br />
Umrisse aufgelöst<br />
• Für die Voluminierung stehender Baumstümpfe kann das Programm Stammteil (Forest Tools) verwendet<br />
werden.<br />
Bestandeswerte<br />
[engl.: stand values]<br />
Werden die Meßgrößen nicht nur einzelnen Bäumen sondern an allen Bäumen eines<br />
Bestandes erhoben, so lassen sich aus diesen Bestandeswerte herleiten.<br />
Flächengröße<br />
[engl.: stand size]<br />
Ein Bestand ist eine Anzahl von Bäumen, die zu einer Flächeneinheit gehören. Daher sind<br />
viele Bestandesvariablen auch auf diese Flächeneinheit bezogen.<br />
Wie man die Koordinaten einer Bestandesfläche im Gelände ermittelt wird ausgiebig in der<br />
Vermessungskunde behandelt. Dabei können ganz unterschiedliche Verfahren und Geräte,<br />
von GPS über Totalstationen und Theodoliten bis hin zu bloßen Maßbändern und<br />
Winkelspiegeln eingesetzt werden. Am Ende der Flächenvermessung werden jedoch<br />
Koordinaten der Eckpunkte vorliegen. Dies gilt auch für die Flächenermittlung von einer<br />
Karte, bei der man heute allgemein ein Digitalisierungstabellet benutzt. In dem Fall kann man<br />
die Flächenermittlung über die Formel von Gauss durchführen.<br />
Beispiel:<br />
y<br />
P4(4,6)<br />
x<br />
A =<br />
1<br />
2<br />
N<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
P3(10,4)<br />
P1(1,1) P2(10,1)<br />
x<br />
i<br />
⋅<br />
( y y )<br />
i+<br />
1 −<br />
i−1<br />
1<br />
A =<br />
=<br />
2<br />
, wenn i=1 dann i-1=N<br />
( 1⋅<br />
( 1−<br />
6)<br />
+ 10⋅<br />
( 4 −1)<br />
+ 10⋅<br />
( 6 −1)<br />
+ 4⋅<br />
( 1−<br />
4)<br />
) 31.<br />
5m²
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 28 von 55<br />
Stammzahl<br />
[engl.: number of stems]<br />
Mit der Stammzahl (N) wird die Anzahl der Baumstämme auf der Fläche angegeben. Diese<br />
wird auf die Bestandesfläche oder pro Hektar bezogen. Die Stammzahl wird auch als<br />
Dichteweiser verwendet.<br />
Durchmesserverteilung<br />
[engl.: diameter distribution]<br />
Aus den gemessenen Durchmessern eines Bestandes läßt sich eine Durchmesserverteilung<br />
ableiten. Dazu werden die Bäume in Durchmesserklassen gleicher Breite eingeteilt, z.B. 1cm,<br />
2cm usw.. Die unterschiedlichen Baumarten können durch verschiedene Farben oder<br />
Schraffuren dargestellt werden. Die Durchmesserverteilung gibt eine Information über den<br />
Bestandesaufbau. Die nächsten drei Durchmesserverteilungen zeigen drei typische<br />
Verteilungsformen.<br />
Plenterwald – Nationalpark Harz<br />
In Plenterwäldern steigt die Durchmesserverteilung mit abnehmendem Durchmesser<br />
exponentiell an.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 29 von 55<br />
Buchen- Edellaubholzbestand Forstamt Bovenden<br />
Der Buchen-Edellaubholzbestand zeigt eine zweigipfelige Verteilung, weil er aus einem<br />
Ober- und Unterstand besteht.<br />
Fichtenreinbestand Westerhof 131b P3 8.Aufn.<br />
Der einschichtige Bestand hat eine eingipfelige Verteilung, die z.t. leicht linksschief oder<br />
rechts schief ausgeprägt ist.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 30 von 55<br />
Durchmesserverteilungen lassen sich auch mit Funktionen beschreiben. Am häufigsten wird<br />
dazu die Weilbullverteilungsfunktion verwendet. Die Dichtefunktion der 3-parametrigen<br />
Weibullfunktion lautet:<br />
γ −1 γ<br />
γ ⎛ x −α<br />
⎞ ⎛ ⎛ ⎞⎞<br />
⎜ ⎜ ⎛ x −α<br />
⎞<br />
f ( x;<br />
α,<br />
β,<br />
γ ) = ⎜ ⎟ exp − ⎜ ⎟ ⎟⎟<br />
für x>=0<br />
β ⎝ β ⎠ ⎜ ⎜ ⎟⎟<br />
⎝ ⎝ ⎝ β ⎠ ⎠⎠<br />
Der Parameter α beschreibt die Lage bzw. die untere Grenze, der Paramter β die Skalierung<br />
und der Parameter γ die Form der Verteilung. Die Parameter werden am besten mit Maximum<br />
Likelihood geschätzt.<br />
Für die Durchmesserverteilung ergeben die Parameter a=13, b=2.23 und c=15 der<br />
Weibullverteilung folgende Werte der Tabelle:<br />
Bestandesdurchmesser<br />
c<br />
c<br />
⎡ ⎛<br />
⎞ ⎛<br />
⎞⎤<br />
⎢ ⎜ ⎛ x − a − w ⎞ ⎟ ⎜ ⎛ x − a + w ⎞<br />
n = N ⋅ exp −<br />
− −<br />
⎟<br />
⎜<br />
⎜ ⎟ exp<br />
⎟ ⎜<br />
⎜ ⎟<br />
⎟<br />
⎥<br />
⎢⎣<br />
⎝ ⎝ b ⎠ ⎠ ⎝ ⎝ b ⎠ ⎠⎥⎦<br />
Will man eine Aussage über den Durchmesser verschiedener Bestände treffen oder die<br />
zeitliche Entwicklung beschreiben, so kann man den arithmetischen Mitteldurchmesser nur<br />
verwenden, wenn die Durchmesserverteilung einer Normalverteilung unterliegt. Dieses ist in<br />
der Realität aber nur sehr selten der Fall. Darüber hinaus ist man gewöhnlich mehr an den<br />
stärkeren Stämmen interessiert als an den kleinen unterständigen Bäumen eines Bestandes.<br />
Aus diesen Gründen gibt es eine Reihe von definierten Bestandesmittelstämmen, von den die<br />
wichtigsten in Folgendem beschrieben werden sollen.<br />
Als Beispiel für die Berechnung der Mittelstämme wir die Durchmesserverteilung des<br />
Fichtenbestandes Westerhof 131b genommen. Im Gegensatz zur vorhergehenden Grafik<br />
wurde jedoch 1 cm Durchmesserklassen gebildet. Würde man die Mittelstämme mit einem<br />
Computerprogramm wie z.B. BWINPro oder Silva 2.2 herleiten, so ist es nicht nötig, eine<br />
Durchmesserklassenbildung durchzuführen. Dies wurde hier nur der Übersichtlichkeit wegen<br />
getan.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 31 von 55<br />
Der arithmetische Mittelstamm entspricht dem Mittelwert aller Durchmesser des Bestandes.<br />
Arithmetischen Mittelstamm (dar) [engl.: mean or average diameter]:<br />
d<br />
ar<br />
1<br />
=<br />
n<br />
n<br />
1<br />
n<br />
∑di= ∑<br />
k<br />
i=<br />
1 i=<br />
1<br />
n ⋅d<br />
k<br />
k<br />
=<br />
22412<br />
836<br />
= 26.<br />
81cm<br />
Vergleiche mit dem arithmetischen Durchmesser sind dann angebracht, wenn die<br />
Durchmesserverteilung einer Normalverteilung gleich kommt. Dies gilt für Jungbestände und<br />
statistische Untersuchungen. Der arithmetrische Durchmesser ist besonders anfällig<br />
gegenüber einer rechnerischen Verschiebung in Folge einer Hoch- oder Niederdurchforstung.<br />
Der Grundflächenmittelstamm entspricht dem Durchmesser eines Baumes im Bestand, der die<br />
durchschnittliche Kreisfläche repräsentiert. Dieser Mittelstamm orientiert sich somit mehr am<br />
Volumen und Wert des Bestandes.<br />
Grundflächenmittelstamm (dg) [engl.: quadratic mean diameter]
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 32 von 55<br />
d<br />
g<br />
= 2⋅<br />
n<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
⎛ π<br />
⎜ ⋅ d<br />
⎝ 4<br />
n<br />
π<br />
2<br />
i<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
=<br />
n<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
n<br />
d<br />
2<br />
i<br />
= 27.<br />
47cm<br />
Der Grundflächenmittelstamm wird in den meisten Ertragstafeln und als Eingangsgröße für<br />
Massentarife (Krenn) verwendet. Bei einer Niederdurchforstung kommt es meist zu einer<br />
starken rechnerischen Verschiebung.<br />
Kreisflächenzentralstamm (Dz) ist der Durchmesser bei dem die Grundfläche in zwei gleiche<br />
Teile geteilt wird.<br />
Bestandesgrundfläche : 49.550<br />
½ Bestandesgrundfläche 24.775<br />
Stufe 28 cm 24.600<br />
Differenz zu Stufe 28cm 0.175<br />
Breite Stufe 29 cm 1.850<br />
0.175/1.850 0.095<br />
Dz 28.095<br />
Er läßt sich auch über die Median-Formel berechnen:<br />
dz = d<br />
zu<br />
⎛ G<br />
⎜ −<br />
⎜ 2<br />
+ b ⋅<br />
⎜<br />
⎜<br />
⎝<br />
wobei: dzu = untere Grenze der Durchmesserklasse in der sich dz befindet, b = Stufenbreite, G= Grundfläche, k =<br />
Durchmesserklasse, Gz = Grundfläche der Durchmesserklasse in die dz fällt.<br />
Der Grundflächenzentralstamm wird für die Bonitierung, Massenermittlung und<br />
Formhöhenreihen verwendet.<br />
Oberhöhen- und Spitzenhöhen unterliegen kaum einer rechnerischen Verschiebung bei<br />
Niederdurchforstung. Die Höhen haben eine biologische Aussagekraft, da sie die herrschende<br />
Baumschicht repräsentieren. Sie lassen sich gut aus Luftbildern messen, unterliegen aber einer<br />
rechnerischen Verschiebung bei einer Hochdurchforstung.<br />
Durchmesser der Weise’sche Oberhöhe [engl.: dominant height] ergibt sich aus dem<br />
Grundflächenmittelstamm der 20% stärksten Stämme eines Bestandes.<br />
nk<br />
∑<br />
k = 1<br />
Stammzahl 836<br />
20% der Stammzahl 167.2<br />
Stufe 33 cm 160.0<br />
Differenz zu Stufe 33cm 7.2<br />
Mittlere G Stufe 32 cm 0.080m²<br />
G<br />
n<br />
z<br />
k<br />
⋅ g<br />
k<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎟<br />
⎠
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 33 von 55<br />
7.2 Stämme Stufe 32 cm 0.576m²<br />
G bis Stufe 33 cm 16.410m²<br />
Gesamte Grundfläche 16.986m²<br />
Dow 35.97 cm<br />
Durchmesser der Spitzenhöhe [engl.: top height] d100 ergibt sich aus dem<br />
Grundflächenmittelstamm der 100 stärksten Stämme pro Hektar eines Bestandes.<br />
Stammzahl /ha 836<br />
100 100<br />
Stufe 35 cm 88<br />
Differenz zu Stufe 35cm 12<br />
Mittlere G Stufe 34 cm 0.091m²<br />
12 Stämme Stufe 32 cm 1.092m²<br />
G bis Stufe 32 cm 10.04m²<br />
Gesamte Grundfläche 11.132m²<br />
D100 37.65 cm<br />
Bestandesgrundfläche<br />
[engl.: basal area]<br />
Die Bestandesgrundfläche ist ein wichtiger Weiser zu Beschreibung der Bestockungsdichte<br />
eines Bestandes. Sie ergibt sich aus der Summe der Stammquerflächen in Brusthöhe der<br />
Einzelbäume.<br />
Bestandeshöhe<br />
Bestandeshöhenkurven<br />
[engl.: stand height curves]<br />
G =<br />
N<br />
∑ g i<br />
i=<br />
1
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 34 von 55<br />
In der forstlichen Praxis und im Versuchswesen wird seit langem die Tatsache ausgenutzt,<br />
daß zwischen der Baumhöhe und dem Durchmesser eine enger Zusammenhang gegeben ist.<br />
Daher wird meist nur an einem Teil der Bestandesglieder die Baumhöhe gemessen, um<br />
Kosten und Zeit zu sparen. Fehlenden Werte über Bestandeshöhenkurven hergeleitet werden.<br />
Die Bestandeshöhenkurven werden im allgemeinen für jede Baumart getrennt erstellt. Sind in<br />
einem gemischten Bestand für eine Baumart keine Messungen vorhanden, wird häufig die<br />
Bestandeshöhenkurve einer Baumart mit vergleichbarem Höhenwachstum verwendet.<br />
Für die Herleitung der Baumhöhen aus den Durchmessern werden meist die folgenden 6<br />
Funktionen verwandt. Es handelt sich um die bei SCHMIDT (1968) beschriebenen Funktionen:<br />
2<br />
- Parabel h= a0 + a1⋅ d + a2⋅d d<br />
- Prodan h − 13 . =<br />
a + a ⋅ d + a ⋅d<br />
2<br />
0 1 2<br />
d<br />
- Petterson h = 13 , + ( )<br />
a + a ⋅d<br />
,<br />
- Korsun h= e<br />
0 1<br />
30<br />
a + a ⋅ ln( d) + a ⋅ln<br />
( d )<br />
0 1 2<br />
- logarithmisch h= a0 + a1⋅ln( d)<br />
a0+ a1⋅ ln( d) + a2⋅d - Freese h= e<br />
wobei a 0 ..a 2 = Regressionskoeffizienten<br />
2 2<br />
Als Bestandeshöhenkurve sollte die Funktion mit der besten Anpassung an die Daten<br />
ausgewählt werden, d.h., es sollte die mittlere quadratische Abweichung möglichst gering, das<br />
Bestimmtheitsmaß (r²) hoch und die Residualstreuung gleichmäßig sein. Das<br />
Bestimmheitsmaß errechnet sich aus der Summe der Abweichungsquadrate der Regression<br />
durch die Summe der gesamten Abweichungsquadrate.<br />
r<br />
N<br />
∑<br />
2 i=<br />
1 = N<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
2<br />
( yˆ<br />
− y)<br />
i<br />
( y − y)<br />
i<br />
2<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 35 von 55<br />
Im Forstlichen Versuchswesen und der Praxis wird im allgemeinen die Forderung gestellt,<br />
daß die Bestandeshöhe mit zunehmendem Durchmesser nicht wieder kleiner werden darf.<br />
Die Parabel eignet sich meist für gleichaltrige Nadelholzbestände mit geringer<br />
Durchmesserstreuung. Die zweite Funktion wurde von Prodan für Plenterwälder entwickelt:<br />
Sie hat sich auch gut für gestufte Bestände bewährt. Die Funktion von Petterson hat eine<br />
horizontale Aymptote und verläuft im Durchmesserbereich ähnlich wie die von Prodan. Die<br />
halblogarithmische Funktion ist relativ starr und eignet sich besonders als Ausgleichsfunktion<br />
von Teilbereichen der Durchmesser- Höhenbeziehung.<br />
Höhenkurve Prodan: b0= 0.026 b1=0.3715 b2=9.6675 n= 67 RMSE=3.10 r²=0.98
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 36 von 55<br />
Höhenkurve Parabel: b0= 0.4934 b1=0.8949 b2=-0.0054 n= 67 RMSE=3.53 r²=0.96<br />
Im Laufe der Zeit verlagert sich die Bestandeshöhenkurve. Trägt man die Höhenkurven<br />
verschiedener Aufnahmen in einem Diagramm auf, so liegen diese geschichtet über einander.<br />
Der Verlauf der Höhenkurven ist bei jüngeren Beständen steiler als bei älteren. Bei der<br />
Auswertung von Versuchsflächen und der Zuwachsbestimmung wird daher darauf geachtet,<br />
daß sich die Höhenkurven zweier Aufnahmen nicht überschneiden. Dies kann in den meisten<br />
Fällen erreicht werden, in dem die gleiche Höhenkurvenfunktion verwendet wird. Es gibt aber<br />
auch die Ausgleichsverfahren von Röhle (1993) und Flewelling & DeJong (1994) (siehe auch<br />
Klädtke 1995) bei denen die Höhenmessungen mehrerer Aufnahmen gleichzeitig bzw.<br />
aufeinander abgestimmt ausgeglichen werden.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 37 von 55<br />
aus Klädtke 1995<br />
• Für die Berechnung der Höhenkurven kann das Programm Hkurve (Forest Tools) verwendet werden. Mit<br />
den Programme BWINPro, Silva, Walddat und Waldsim lassen sich ebenfalls automatisch Höhenkurven<br />
berechnen.<br />
Einheitshöhenkurve<br />
[engl.: uniform height curves]<br />
Für den Fall, daß keine Höhenmessungen vorliegen, wurden Einheitshöhenkurve entwickelt.<br />
Dabei handelt es sich Funktionen, die für größere Gebiete aus Höhenmessungen<br />
parametrisiert wurden und mit denen man die Höhe eines Einzelbaumes schätzen kann, wenn<br />
dessen Durchmesser und meist der Durchmesser und die Höhe eines Mittel- bzw.<br />
Oberhöhenstammes bekannt sind. Als Einheitshöhenkurvenfunktion wird hier der Ansatz von<br />
SLOBODA (GAFFREY 1988) gezeigt. Als Einhängung in die Einheitshöhenkurve empfiehlt<br />
GAFFREY (1988) den arithmetischen Mittelstamm. In dieser Arbeit wird der Durchmesser<br />
(Dg) und Höhe (Hg) des Kreisflächenmittelstamms verwendet.<br />
h = 13 , + ( Hg−13 , ) ⋅e<br />
i<br />
1 1<br />
−( a0⋅ Dg+ a1)<br />
⋅( − )<br />
d Dg<br />
i
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 38 von 55<br />
wobei a 0 und a 1 = Koeffizienten sind<br />
Beispiel: Gesucht die Einheitshöhe einer 30cm starken Buche. In dem Bestand hat der Bestandesmittelstamm Dg<br />
einen Durchmesser von 35cm und eine Höhe von 28 m. Die Koeffizieten a und a haben Werte von<br />
0 1<br />
0.20213 bzw. 5.64023.<br />
h = 1.<br />
3+<br />
( 28m<br />
−1.<br />
3)<br />
⋅e<br />
1 1<br />
−(<br />
0.<br />
20213⋅35cm+<br />
5.<br />
64023)<br />
⋅(<br />
− )<br />
30 35cm<br />
= 26.<br />
4m<br />
• Für Norddeutschland ist in dem Programm BWINPro die Einheitshöhenkurve nach Sloboda für<br />
verschiedene Baumarten integriert.<br />
Bestandesvolumen<br />
[engl.: stand volume]<br />
Sind die Durchmesser und Höhen aller Bäume bekannt, bzw. wurden diese über<br />
Durchmesserverteilungen und/oder Höhenkurven hergeleitet, so kann das Bestandesvolumen<br />
aus der Summe der Einzelbaumvolumina gebildet werden.<br />
V<br />
=<br />
N<br />
∑ vi<br />
i=<br />
1<br />
Ist nur der Durchmesser des Grundflächenmittelstammes Dg bekannt, so kann man ihn auch<br />
zur Berechnung des Bestandesvolumens verwenden, da er ungefähr dem Massenmittelstamm<br />
entspricht.<br />
Eine weitere Möglichkeit die Bestandesmasse zu schätzen, ist die Verwendung eines<br />
Formhöhentarifs, etwa wie er auf dem Dendrometer nach Kramer zu finden ist. In diesem Fall<br />
muß man lediglich die Formhöhe mit der Grundfläche G multiplizieren.<br />
Bestandesbonität<br />
[engl.: site class]<br />
Die forstliche Bonitierung ist die Einschätzung der Leistungsfähigkeit von vorhandenen oder<br />
noch zu begründenen Beständen. Die Bonität kann direkt über den Standort oder indirekt über<br />
den auf dem Standort stockenden Bestand festgestellt werden. Die Einteilung und Festlegung<br />
forstlicher Bonitäten gehört zu den Aufgaben der Waldwachstumskunde. Bei der direkten<br />
Bonitierung wird die Leistungsfähigkeit aus Standortsvariablen oder mit Hilfe der<br />
Bodenvegetation geschätzt. In der Forsteinrichtung wird in Deutschland meist die indirekte<br />
Bonitierung des Standortes verwendet, in dem die Leistungsfähigkeit mit der Höhe und dem<br />
Alter des Bestandes beschrieben wird. Als Maßstab wird dazu die Höhenentwicklung von<br />
Ertragstafeln benutzt. Die Leistungsfähigkeit des Bestandes wird ausgedrückt, als
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 39 von 55<br />
1.) Ertragsklasse. Hierbei handelt es sich um einen relativen Maßstab. Die Ertragsklasse wird<br />
in römischen Ziffern angegeben, wobei die I. Ertragsklasse die höchste Leistung angibt.<br />
Häufig wird die Ertragsklasse auf 1/10 inter- bzw. extrapoliert.<br />
2.) absolute Höhenbonität. In diesem Fall wird als Bezugsmaßstab die Höhe angegeben, die<br />
ein Bestand im Bezugsalter, in Europa meist 100 Jahre, hat.<br />
3.) dGZ-Bonität. Das bedeutet, welche durchschnittliche Gesamtwuchsleistung ein Bestand<br />
pro Jahr und Hektar leistet.<br />
4.) Leistungsklasse. Dies ist die der maximale durchschnittliche Gesamtwuchsleistung zum<br />
Zeitpunkt des Kulmination des dGZ.<br />
In der Regel benutzt man zur Bonitierung die Ober- oder Spitzenhöhe, da diese weniger durch<br />
die Bestandesbehandlung beeinflußt wird. In Mischbeständen wird die Bonitierung durchaus<br />
kontrovers diskutiert, in der Praxis wird jedoch für jede Baumart einzelnd die Bonität<br />
ermittelt.<br />
Beispiel 1: Ein 55-järiger Fichtenbestand hat eine Spitzenhöhe (h100) von 21.3 m.<br />
Nach der Ertragstafel für Fichte Wiedemann (Schober 1975) entspricht das einer II. Ertragsklasse und<br />
einer absoluten Oberhöhenbonität von 31,2 m.<br />
Beispiel 2: Ein 72-jähriger Buchenbestand hat eine Spitzenhöhe von 25,1 m.<br />
Mit der Ertragstafel für Buche von Schober muß man in diesem Fall eine 3-fache Interpolation<br />
durchführen:<br />
Ertragsklasse I. I. I. (interpoliert)<br />
Alter 70 75 72<br />
H100 25.8 27.1 26.2<br />
Ertragsklasse II. II. II. (interpoliert)<br />
Alter 70 75 72<br />
H100 22.4 23.6 22.8<br />
Ertragsklasse I. II. I.3<br />
Alter 72 72 72<br />
H100 26.2 22.8 25.2<br />
Der Buchenbestand hat eine Bonität der I.3 Ertragsklasse.<br />
Bestockungsgrad<br />
[engl.: degree of stocking]<br />
Der Bestockungsgrad gibt an, wie dicht ein Bestand im Verhältnis zu einer Ertragstafel der<br />
mäßigen Durchforstung bestockt ist. Die Dichte wird in der Forsteinrichtung auf die<br />
Grundfläche bezogen.<br />
Der Bestockungsgrad ist ein wichtige Größe für die forstliche Planung und für Beschreibung<br />
waldbaulicher Maßnahmen.<br />
Beispiel: Ein 40-jähriger Kiefernbestand der II. Ertragsklasse hat eine Bestandesgrundfläche von 31.6 m². In der<br />
Ertragstafel Kiefer (Wiedemann) II. Ertragsklasse mäßige Durchforstung wird eine<br />
Bestandesgrundfläche von 28,7 m² angegeben.<br />
Der Bestockungsgrad ist daher 31,6m²/28,7m² = 1,1 . Der Bestand ist im Vergleich zur Ertragstafel<br />
deutlich überbestockt und müßte dringend durchforstet werden.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 40 von 55<br />
Anteilfläche<br />
In Mischbeständen wird im Rahmen der klassischen Forsteinrichtung die Anteilfläche, die<br />
den einzelnen Baumarten am gesamten Bestand zugeordnet wird,und nach einem besonderen<br />
Verfahren berechnet, in dem man die Grundfläche auf die Ertragstafelwerte für einen<br />
Bestockungsgrad von 1.0 bezieht.<br />
Beispiel: In einem 60-jährigen Fichten/Buchen-Mischbestand, in dem die Fichte eine Bonität der I. Ertragsklasse<br />
und die Buche eine Bonität der II. Ertragsklasse aufweist, wird für die Fichte eine<br />
Bestandesgrundfläche von 30m²/ha und für die Buche von 10m²/ha gemessen.<br />
Die Anteilfläche ergibt sich nach folgendem Rechenschema:<br />
Beispiel 2:<br />
Alter EKL G gemessen<br />
m³<br />
G nach<br />
Ertragstafel<br />
m³<br />
vollbestockt<br />
ha<br />
Mischanteil<br />
%<br />
Flächenanteil<br />
ha<br />
Fichte 60 I. 30.0 41.9 0.72 0.63 0.63<br />
Buche 60 II. 10.0 23.4 0.43 0.37 0.37<br />
1.15 1.00<br />
Zuerst ermittelt man die Kreisfläche für die Ertragsklassen der Baumarten nach den Ertragstafeln für<br />
mäßige Durchforstung. Diese Werte werden in Beziehung zu den gemessenen Werten gesetzt, in dem<br />
man die gemessene Grundfläche durch die Grundflächenangabe nach der Tafel teilt. Man berechnet<br />
also, welche Fläche die gemessene Grundfläche bei voller Bestockung einnehmen würde. Danach<br />
kann man den Mischanteil berechnen, der sich ergibt, wenn man die Summe "vollbestockt" auf 1.0<br />
reduziert. Wenn man den prozentualen Mischanteil mit der Bestandesfläche multipliziert erhält man<br />
den Flächenanteil der Mischbaumart.<br />
Alter EKL G gemessen<br />
m³<br />
G nach<br />
Ertragstafel<br />
m³<br />
vollbestockt<br />
ha<br />
Mischanteil<br />
%<br />
Flächenanteil<br />
ha<br />
Fichte 60 I. 50.0 41.9 1.19 0.73 0.73<br />
Buche 60 II. 10.0 23.4 0.43 0.27 0.27<br />
1.62 1.00<br />
Ertragstafelschätzung<br />
Im Zuge der klassischen Forsteinrichtung wird für die Bestände meist nur die Bonität und die<br />
Bestandesgrundfläche ermittelt. Aus diesen Größen wird dann mit Hilfe der Ertragstafeln oder<br />
daraus abgeleiteter Hilfstafeln die Bestandesmasse und der Zuwachs geschätzt. Dazu wird<br />
unterstellt, daß das Bestandesvolumen in etwa proportional zur Bestandesgrundfläche ist. Für<br />
die Schätzung wird der Bestockungsgrad berechnet und dieser mit dem Volumen der<br />
Ertragstafel multipliziert. Für die Einschätzung des Volumenzuwachses innerhalb der<br />
nächsten 10 Jahre wird für Bestockungsgrade von 1.0 und größer der Volumenzuwachs der<br />
Ertragstafel unterstellt. Bei Bestockungsgraden von unter 1.0 werden<br />
Zuwachsreduktionsfaktoren verwendet. Diese sind von den Landesforstverwaltungen z. T.<br />
unterschiedlich stark festgelegt.<br />
Beispiel 1: 80-jähriger Fichtenbestand I. Ertragsklasse mit einer Bestandesgrundfläche von 51.4 m²/ha.<br />
Der Bestand hat einen Bestockungsgrad von 1.1 und somit ein Bestandesvolumen von<br />
1.1*681=749m³/ha. Der laufende jährliche Zuwachs nach der Ertragstafel liegt bei 13,6m³/ha, das sind<br />
136m³/ha in den nächsten 10 Jahren.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 41 von 55<br />
Beispiel 2: 80-jähriger Fichtenbestand I. Ertragsklasse mit einer Bestandesgrundfläche von 32.7 m²/ha.<br />
Der Bestand hat einen Bestockungsgrad von 0.7 und somit ein Bestandesvolumen von<br />
0.7*681=477m³/ha. Der laufende jährliche Zuwachs nach der Ertragstafel liegt bei 13,6m³/ha bei voller<br />
Bestockung. Da der Bestockungsgrad aber nur bei 0.7 liegt, wird für die Zuwachsschätzung in<br />
Niedersachen eine Zuwachsreduktionsfaktor von Kramer angewendet, der bei Fichte 0.9 beträgt. Der<br />
Volumenzuwachs für die nächsten 10 Jahre wird daher mit 136*0.9=122m³/ha angegeben.<br />
Die Zuwachsreduktionsfaktoren sind pauschale Erfahrungswerte, die aber in letzten Jahren<br />
kaum überprüft wurden. Daher führt die Verwendung moderner Einzelbaumwachstumsmodelle<br />
in der Regel zu besseren Ergebnissen. Die Einzelbaummodelle zeigen<br />
darüber hinaus, daß bei einem Bestockungsgrad von 1,0 der meisten Ertragstafeln für mäßige<br />
Durchforstung noch nicht der maximale Volumenzuwachs erreicht wird und bei<br />
Bestockungsgraden von größer 1.0 der Zuwachs durchaus höher als in der Ertragstafel sein<br />
kann.<br />
Stichproben von Bestandeswerten:<br />
In der Praxis lassen sich nur in sehr großen Ausnahmefällen alle Durchmesser eines<br />
Bestandes messen. Wenn überhaupt eine genaue Bestandesaufnahme durchgeführt werden<br />
soll, so wendet man Stichprobeverfahren an, um Zeit, Aufwand und Kosten zu sparen. Im<br />
folgenden werden einige Verfahren zur Stichprobenerhebung vorgestellt, die auch Hektar<br />
bezogene Werte liefern können.<br />
Die Stichproben können in einem Bestand natürlich nicht willkürlich bestimmt und gemessen<br />
werden. Dann könnte es nämlich vorkommen, daß das Aufnahmeteam sich möglichst die<br />
Bestandesteile heraussucht, in denen wenige Bäume stehen und die leicht zu begehen sind.<br />
Das Ergebnis wäre dann mit einem systematischen (gerichteten) Fehler belegt. Daher müssen<br />
Stichproben zufällig im Bestand etabliert werden. Darüber hinaus kann dann auf die<br />
Stichprobentheorie zur Berechnung des Ergebnisses und seiner Güte zurückgegriffen werden.<br />
Bei einer Zufallsstichprobe ist:<br />
Mittelwert<br />
Varianz<br />
Standardabweichung<br />
Fehler d. Mittelwerte, Standardfehler<br />
x<br />
S<br />
n<br />
∑<br />
i=<br />
= 1<br />
2<br />
x<br />
x<br />
=<br />
n<br />
x<br />
n<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
S = ±<br />
S<br />
x<br />
= ±<br />
Konfidenzintervall x ± tS x<br />
2 2<br />
Stichprobenumfang n =<br />
x<br />
2<br />
t<br />
E<br />
i<br />
( x − x)<br />
S<br />
i<br />
n −1<br />
S<br />
⋅ S<br />
x<br />
2<br />
x<br />
n<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 42 von 55<br />
Eine völlig zufällige Bestimmung der Stichprobepunkte hat jedoch den Nachteil, dass sie<br />
einen sehr hohen Einmessvorgang erfordert, der mehr Zeit benötigen kann als die eigentliche<br />
Messung. Stellen wir uns vor, wir überziehen einen Bestand mit einem ganz engen Gitternetz<br />
mit einer Rasterweite von 10cm. Für jeden im Bestand liegenden Gitterpunkt schreiben wir<br />
ein Los mit seinen Koordinaten und tun alle Lose in eine Urne. Anschließend ziehen wir z.B.<br />
40 Gitterpunkte. Diese Gitterpunkte müssen dann für die Aufnahme aufgesucht werden.<br />
Um das lästige Einmessen der Punkte im Gelände zu vermeiden, verwendet man für solche<br />
Erhebungen meist eine systematische Anlage der Stichprobepunkte. D.h. man wählt einen<br />
zufälligen Startpunkt und führt dann in einem gleichmäßigen Raster die Erhebungen durch.<br />
Derartige Raster sind viel leichter im Gelände einzumessen. Allerdings sollte man beachten,<br />
daß eine Rasterlinie nicht gerade auf eine Besonderheit z.B. eine Bachlauf trifft, da es so zu<br />
systematischen Verzerrungen der Ergebnisse führen könnte.<br />
Da bei der Bestandesaufnahme meist nicht nur eine Zustandsvariable von Interesse ist,<br />
sondern häufig mehrere gleichzeitig erhoben werden sollen, sollte man vor der Anlage und<br />
Durchführung einer Stichprobe sich darüber klar werden, welches die Zielgrößen sind und mit<br />
welcher Genauigkeit man sie erfassen möchte.<br />
Probeflächen<br />
Bei der Erhebung von Bestandeswerten, die einen flächigen Bezug voraussetzen, werden<br />
häufig Probeflächen verwendet. Probeflächen können eine quadratische, rechteckige oder<br />
kreisförmige Form haben. Für Bestandesaufnahmen werden meist Probekreise angelegt und<br />
bei Verjüngungsaufnahmen benutzt man rechteckige Probeflächen.<br />
Die Größe einer Probefläche bezieht sich stets auf die horizontale Bezugsebene. Am Hang<br />
ergibt die horizontale Projektion eines Kreises daher eine Ellipse. Man nun entweder den<br />
Kreis als Ellipse einmessen, dann ist die kurze Halbachse<br />
⋅cos(<br />
α)<br />
a = r<br />
Und senkrecht dazu die längere Halbachse:<br />
r<br />
b =<br />
cos<br />
Mit einem Bandmaß kann man aber auch die Probefläche in der Größe einer Ellipse am Hang<br />
festlegen. Dann ergibt sich ein Radius von:<br />
r<br />
r '=<br />
Probekreisaufnahme<br />
( α)<br />
cos(<br />
α)<br />
Eine Möglichkeit um Bestandesinformationen aufzunehmen ist es systematische Probekreise<br />
im Bestand einzumessen. Für jeden Probekreis wird dann die Bestandeswerte pro Hektar<br />
berechnet, was als 1 eine Beobachtung gilt.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 43 von 55<br />
Die systematische Verteilung der Probeflächen führt etwa zu der gleichen Verteilung wie die<br />
zufällige Verteilung der Probeflächen im Bestand. Sie systematische Verteilung läßt sich aber<br />
in der Praxis wesentlich leiter realisieren. Die Größe der Probekreise hat einen Einfluß auf die<br />
Genauigkeit. Die Streuung nimmt mit zunehmender Probekreisgröße ab. Gleichzeitig wird der<br />
Standardfehler von der Anzahl der Probekreise beeinfußt. Er ist deutlich geringer, wenn z.B.<br />
die doppelte Anzahl von Probekreisen im Bestand aufgenommen wird. Größere Probekreise<br />
und höhere Anzahlen von aufgenommenen Proebkreisen bedeuten jedoch einen höheren<br />
Messaufwand und höhere Kosten.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 44 von 55<br />
Beispiel einer Probekreisaufnahme<br />
Probekreis G m²/ha<br />
1 19.5<br />
2 25.1<br />
3 23.7<br />
4 22.4<br />
5 26.5<br />
6 21.0<br />
138 . 2<br />
G = =<br />
6<br />
2 34<br />
SG<br />
= = 6.<br />
6 −1<br />
Mittelwert: 23.<br />
0<br />
Varianz : 8<br />
6.<br />
8<br />
=<br />
6<br />
Standardfehler : S 1.<br />
06<br />
G<br />
=<br />
Konfidenzintervall (95%) : G ± 2. 447⋅1.<br />
06<br />
Das heißt, der wahre Grundflächenmittelwert liegt mit einer Irrtumwahrscheinlichkeit von 5% zwischen 20.4<br />
und 25.6 m²/ha. Wollte man diesen Wert genauer +-1.0m²/ha aufnehmen, so kann man den nötigen<br />
Stichprobenumfang herleiten.<br />
2<br />
t ⋅ S<br />
n =<br />
E<br />
2<br />
x<br />
2<br />
2<br />
2 ⋅6.<br />
8<br />
= = 27<br />
2<br />
1.<br />
0<br />
Um das Konfidenzintervall entsprechend einengen zu können würde man ca. 27 Probekreise benötigen.<br />
.<br />
Winkelzählprobe<br />
Die Winkelzählprobe wurde von Bitterlich entwickelt. Bei ihr werden idelle Probekreise<br />
verwendet, d.h. die Probekreisgröße ist abhängig vom BHD des auzunehmenden Baumes und<br />
damit variabel für verschiedene Durchmesser. Bei der Winkelzählprobe visiert man über ein<br />
Meßplättchen, welches sich an einer Schnurr befindet alle im Umkreis stehenden Bäume an.<br />
Ist der BHD eines Baumes breiter als das Meßplättchen, so zählt der Baum als ein<br />
Probebaum.<br />
A<br />
l<br />
b<br />
R i<br />
α/2<br />
α/2<br />
Ist die Schnurr (l) z.B. 50 cm lang und das Meßplättchen (b) 1 cm breit ("kleiner Kramer"), so<br />
darf der Baum mit einem Durchmesser di bis zu 50*di vom Standpunkt entfernt sein, damit er<br />
noch gezählt wird. Es gilt also:<br />
B<br />
d i /2<br />
M
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 45 von 55<br />
b 1 di<br />
= = oder Ri = 50 ⋅ di<br />
l 50 Ri<br />
wobei Ri der Grenzradius ist, bei dem di noch gemessen wird. Wird nun die Grundfläche des<br />
Baumes auf die Fläche bezogen, so ergibt sich:<br />
π ⋅ di<br />
4<br />
π ⋅ R<br />
2<br />
2<br />
i<br />
π ⋅ d<br />
=<br />
4<br />
π ⋅<br />
2<br />
i<br />
π ⋅ d<br />
4<br />
2<br />
i<br />
1m<br />
m<br />
= 1<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
( 50d<br />
) π ⋅ 2500 ⋅ d 10000 ⋅ d ⋅π<br />
10000m<br />
ha<br />
i<br />
=<br />
i<br />
Ein gezählter Baum repräsentiert also in diesem Fall (Schnurrlänge 50cm, Meßplättchenbreite<br />
1cm) eine Grundfläche von 1m²/ha. Die Ableitung gilt mit einer großen Annährung aber nicht<br />
streng, da ein Baum ein Rotationskörper und keine flache Scheibe ist. Nimmt man für Ri die<br />
Formel<br />
R =<br />
i<br />
=<br />
d<br />
i<br />
2sin<br />
so ist die strenge Beziehung für den Grenzwinkel α<br />
α<br />
2<br />
d<br />
2<br />
i<br />
⋅π<br />
⎛ ⎞<br />
/ ha = ∑ ni<br />
⋅10000<br />
⋅ sin ⎜ ⎟ = ∑ n ⋅ k<br />
⎝ 2 ⎠<br />
2 α<br />
G i<br />
Der Faktor k, der mit der Anzahl der gezählten Bäume multipliziert, wird ist der sogenannte<br />
Zählfaktor [engl: basal area factor].<br />
In dem Beispiel des kleinen Kramer ist<br />
k = 10000 ⋅ sin<br />
⎛α ⎞ 0.<br />
5<br />
sin ⎜ ⎟ = =<br />
⎝ 2 ⎠ 50<br />
⎛<br />
⎜<br />
⎝<br />
2 α<br />
2<br />
⎞<br />
⎟<br />
⎠<br />
0.<br />
01<br />
Man kann sich die Winkelzählprobe vielleicht auch ganz verdeutlichen, wenn man sich<br />
vorstellt, daß es nur Bäume mit genau 10, 20 und 30 cm Durchmesser gibt. Führt man nun<br />
eine Winkelzählprobe mit einem Zählfaktor von 1 durch, so werden die Bäume entsprechend<br />
ihres BHDs auf drei verschieden großen Probeflächen aufgenommen.<br />
Der Grenzradius für 10cm betragt 50*10cm = 500 cm=5m, für BHD 20cm beträgt<br />
50*20=10m und für BHD 30cm 50*30=15m. Die entsprechenden Probeflächengrößen sind<br />
daher 78,5m², 314m² und 706m². Unterstellen wir, daß 4 Bäume mit 10cm, 3 Bäume mit<br />
30cm und 2 Bäume mit 30 cm gezählt wurden. Für die 3 Probekreise ergeben sich folgende<br />
Grundflächen pro ha :<br />
i<br />
=<br />
2<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 46 von 55<br />
10000 ⎛ 10 ⎞<br />
2<br />
BHD 10cm: G / ha = ⋅ 4 ⋅π<br />
⋅⎜<br />
⎟ = 4.<br />
00m<br />
/ ha<br />
78.<br />
5 ⎝ 200 ⎠<br />
10000 ⎛ 20 ⎞<br />
2<br />
BHD 20cm: G / ha = ⋅ 3⋅<br />
π ⋅⎜<br />
⎟ = 3.<br />
00m<br />
/ ha<br />
314 ⎝ 200 ⎠<br />
10000 ⎛ 30 ⎞<br />
2<br />
BHD 30cm: G / ha = ⋅ 2 ⋅π<br />
⋅⎜<br />
⎟ = 2.<br />
00m<br />
/ ha<br />
706 ⎝ 200 ⎠<br />
2<br />
2<br />
2<br />
Addiert man die Werte der 3 Probekreise zusammen, so erhält man genau den Wert der<br />
Winkelzählprobe. Mit anderen Worten kann man die Winkelzählprobe als n-konzentrische<br />
Probekreise auffassen.<br />
Winkelzählproben lassen sich, wie es in dem Beispiel bereits erläutert wurde, mit einfachen<br />
Dendrometern, wie dem von Kramer durchführen. In der Praxis werden für die<br />
Winkelzählprobe aber auch häufig das Spiegelrelaskop oder Prismen eingesetzt. Beim<br />
Spiegelrelaskop besteht die Möglichkeit einer automatischen Korrektur der Hangneigung.<br />
Spiegelrelaskop<br />
(aus Grube Online-Shop)<br />
Dendrometer II nach Kramer<br />
(Foto Chris Brack)<br />
Wedge - Prismen<br />
(aus Ben Meadows Online-Shop)<br />
Cruise Angle<br />
(aus Ben Meadows Online-Shop)<br />
Crusing Primen<br />
(aus Ben Meadows Online-Shop)<br />
Cruiser’s crutch<br />
(aus Ben Meadows Online-Shop)<br />
Die Herleitung der Bestandeswerte, erfolgt mit den gleichen Formeln der Zufallsstichprobe.<br />
Winkelzählproben haben den großen Vorteil, daß bei der Erfassung der Grundfläche die<br />
Bäume in Abhängigkeit von ihrem Durchmesser aufgenommen werden. D.h. kleine Bäume<br />
werden nicht so häufig aufgenommen, wodurch sich die Arbeitszeit und der Aufwand<br />
reduzieren läßt. Will man die Grundflächenanteile in einem Mischbestand den Baumarten
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 47 von 55<br />
zuordnen, so für man mehrere Probekreismessungen durch und zählt jeweils die gültigen<br />
Bäume der betreffenden Art.<br />
Wird die Winkelzählprobe mit dem Spiegelrelaskop von Bitterlich aufgenommen, so ist am<br />
Hang keine Korrektur notwendig. Bei den anderen Geräten muß die Winkelzählprobe auf die<br />
horizontale Ebene bezogen werden. Die Bezugsflächen sind um den Faktor cos(α) kleiner.<br />
Beispiel: Auf einem Probekreis einer Winkelzählprobe sind 30 Bäume bei einem Zählfaktor von 1 gezählt<br />
wurden. Die Hangneigung beträgt 25%.<br />
Neigungswinkel α = arctan(25/100) = 14° .<br />
Korrekturfaktor 1/cos(α) = 1/cos(14°) =1.03 .<br />
Grundfläche: G = 30*1.03=30.9 m²/ha<br />
Strukturmaße<br />
Die Struktur einer Pflanzengesellschaft im ökologischen Sinne wird durch die vertikale und<br />
horizontale räumliche Organisation der Pflanzen charakterisiert (Kimmins, 1987, S.340). Die<br />
unterschiedlichen Schichten in einem Waldökosystem bezeichnet Kimmins als Untereinheiten<br />
der Vegetation bezüglich der Pflanzenhöhe und berücksichtigt somit auch die<br />
Dimensionsunterschiede der Systemelemente. Die Bestandesstruktur im waldbaulichen Sinn<br />
umfaßt die räumliche Gliederung der Bäume, Sträucher und Bodenpflanzen als<br />
Strukturmerkmale (Dengler, 1992, S.25 ff). Struktur ist gekennzeichnet durch die<br />
Baumpositionen, die Durchmesserdimensionen, die Artendiversität und die vertikale Struktur<br />
in Form von Bestandesschichten. Diese Strukturmerkmale sind von waldbaulichen<br />
Maßnahmen beeinflußt und durch Durchforstungseingriffe veränderbar.<br />
Die Bestandesstruktur beeinflußt stark die Bestandesstabilität und sie ist Ausdruck und<br />
Ergebnis ökologischer Diversität und Vielfalt (Altenkirch, 1977, S.198). Ferner ist der Einfluß<br />
der Bestandesstruktur auf das Baumwachstum allgemein anerkannt. Ihrer möglichst exakten<br />
Erfassung kommt daher besondere Relevanz zu.<br />
Die Vielzahl an strukturbeschreibenden Indizes läßt sich unterteilen in die Gruppe der<br />
abstandsunabhängigen Parameter und die Gruppe der Variablen, zu deren Berechnung die<br />
einzelnen Baumpositionen bekannt sein müssen. Die Gruppe der positionsabhängigen<br />
Strukturindizes läßt sich noch einmal gliedern in Parameter auf der Basis eines paarweisen<br />
(nächster Nachbar) Vergleichs und in Variablen, die auf kleinräumigen<br />
Nachbarschaftsbeziehungen (n-nächste Nachbarn) beruhen. Die Abbildung gibt einen<br />
systematischen Überblick.
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 48 von 55<br />
Übersicht der Bestandesstruktur beschreibenden Elemente und die Gruppen der Analysemethoden.<br />
Neben der Struktur des Gesamtbestandes als Ganzem spielt die exakte Beschreibung der<br />
kleinräumigen Struktur über Nachbarschaftsbeziehungen eine zunehmend stärkere Rolle im<br />
Informationsbedarf für waldbauliche und forstplanerische Fragestellungen (Spellmann, 1995;<br />
Gadow und Puumalainen, 1998; Albert, 1999). Die kleinflächige Raumstruktur bezeichnet die<br />
Unterschiede bezüglich der Arten und Dimensionen in Baumgruppen.<br />
Shannon-Index<br />
Die Beschreibung von Diversität, ein Begriff, der in seiner allgemeinen Bedeutung die innere<br />
Vielfalt der Strukturen und Elemente eines Systems bezeichnet (Haeupler, 1982, S. 227), muß<br />
nach Kimmins (1987, S.375) stets die Artenvielfalt und die Artendominanz umfassen. Zur<br />
Beschreibung der Diversität im Sinne von Abundanzverschiedenheiten der Arten eines<br />
Ökosystems ist der Shannon-Index (Shannon, 1949) allgemein akzeptiert:<br />
wobei pj: Wahrscheinlichkeit, daß ein zufällig ausgewählter Baum der<br />
Art j angehört,<br />
n : Anzahl der vorkommenden Baumarten im Bestand .<br />
Der Shannon-Index berücksichtigt die Tatsache, daß ein Mischbestand umso vielfältiger ist, je<br />
mehr Arten vertreten sind und daß die Diversität mit abnehmender Variabilität in den<br />
Baumartenanteilen ebenfalls zunimmt (Pielou, 1977, S.293 ff). Für forstliche Anwendungen<br />
können sowohl baumartspezifische Stammzahlanteile als auch Grundflächenanteile zur<br />
Berechnung des Shannon-Index verwendet werden. Setzt man den Shannon-Index H´ ins<br />
Verhältnis zum im Bestand erreichbaren Maximalwert hmax=ln(n) mit pj=1/n, so erhält man<br />
ein Maß E, mit dem Bestände trotz unterschiedlicher Artenzahl bezüglich der Diversität<br />
vergleichbar sind (Pielou, 1977, S.307). Den standardisierten Shannon-Index E nennt man<br />
Evenness.<br />
Beispiel 1 : In einem Bestand werden 200 Buchen, 100 Eschen und 50 Bergahorn gezählt.<br />
pBuche = 200/350=0.57<br />
pEsche = 100/350=0.29<br />
pBAhorn= 50/350=0.14<br />
n<br />
( p ) = −[<br />
0.<br />
57 ⋅ −0.<br />
56 + 0.<br />
29 ⋅ −1.<br />
24 + 0.<br />
14 ⋅ −1.<br />
97]<br />
H ' − p ⋅ ln<br />
=0.95<br />
= ∑<br />
i=<br />
1<br />
i<br />
i
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 49 von 55<br />
H<br />
' max<br />
= ln()<br />
n = 1.<br />
10<br />
H '<br />
Eveness = E =<br />
H '<br />
max<br />
0.<br />
95<br />
= =<br />
1.<br />
10<br />
0.<br />
86<br />
Beispiel 2 : In einem Bestand werden 300 Buchen, 49 Eschen und 1 Bergahorn gezählt.<br />
pBuche = 300/350=0.857<br />
pEsche = 49/350=0.140<br />
pBAhorn= 1/350=0.003<br />
n<br />
( p ) = −[<br />
0.<br />
57 ⋅ −0.<br />
56 + 0.<br />
29 ⋅ −1.<br />
24 + 0.<br />
14 ⋅ −1.<br />
97]<br />
H ' − p ⋅ ln<br />
=0.51<br />
H<br />
= ∑<br />
i=<br />
1<br />
' max<br />
i<br />
= ln()<br />
n = 1.<br />
10<br />
H '<br />
Eveness = E =<br />
H '<br />
i<br />
max<br />
0.<br />
51<br />
= =<br />
1.<br />
10<br />
Index von Clark und Evans<br />
0.<br />
47<br />
Generell dienen Indizes der Charakterisierung einer vorliegenden Verteilung der<br />
Baumpositionen im Bestand, indem sie anzeigen, ob und gegebenenfalls wie eine gegebene<br />
Struktur von der Zufallsverteilung abweicht. Diese Indizes zur Charakterisierung der<br />
horizontalen Baumverteilung lassen sich nach ihrer Bezugsbasis in Zählquadratmethoden<br />
(quadrat sampling methods) und Abstandsverfahren untergliedern.<br />
Der Index von Clark und Evans (1954) beschreibt die räumliche Verteilung der Individuen auf<br />
der Fläche, indem der mittlere berechnete Abstand zwischen einem Baum und seinem<br />
nächsten Nachbarn mit dem mittleren zu erwartenden Abstand bei Zufallsverteilung ins<br />
Verhältnis gesetzt wird. Folgende Formeln erklären den mathematischen Hintergrund.<br />
Mittlerer beobachteter Abstand:<br />
N<br />
1<br />
rA<br />
= ri<br />
N<br />
∑<br />
i=<br />
1<br />
wobei N=Stammzahl<br />
ri= Abstand von Baum i zum nächsten<br />
Nachbarn.<br />
Erwarteter mittlerer Abstand bei Zufallsverteilung:<br />
1<br />
rE =<br />
2 p<br />
Index von Clark und Evans:<br />
wobei r = Bestandesdichte<br />
(Individuenanzahl/Bestandesfläche).
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 50 von 55<br />
r<br />
R =<br />
r<br />
wobei R < 1 Tendenz zur Klumpenbildung<br />
R = 1 völlige Zufallsverteilung<br />
R > 1 Tendenz zur Regelmäßigkeit<br />
Ausgleich des Randeffektes durch Donnelly (1978):<br />
( r )<br />
E A<br />
=<br />
0.<br />
5<br />
A<br />
N<br />
+<br />
A<br />
E<br />
0.<br />
0514<br />
⋅<br />
P<br />
N<br />
P<br />
+ 0.<br />
041⋅<br />
N<br />
wobei A = Größe der Versuchsfläche (m²),<br />
N = Anzahl der Bäume auf der Fläche,<br />
P = Länge der Außengrenzen der<br />
Versuchsfläche (m).<br />
Auf diese Weise erhält man Aussagen über die Abweichung der räumlichen<br />
Individualverteilung von der Poissonverteilung (R=1).<br />
Der größte Nachteil vieler Indizes zur Individualverteilung, sowohl auf der Basis der<br />
Zählquadratmethode als auch Abstandsverfahren, ist die Zusammenfassung der<br />
Verteilungsstruktur der betrachteten Bäume zu einem einzigen Wert. Bei einer Vollaufnahme<br />
des Bestandes charakterisiert der Indexwert die räumliche Verteilung aller Bäume, ohne<br />
Aussagen über kleinräumige Unterschiede in der Bestandesstruktur zu liefern. Wendet man<br />
die Indizes auf Teilflächen im Rahmen einer Stichprobeninventur an, so kann die Variation<br />
der Parameterwerte zwischen den Stichprobenpunkten erste Aufschlüsse über kleinräumige<br />
Strukturunterschiede geben. Weitere Nachteile sind in vielen Fällen die aufwendigen<br />
Abstandsmessungen und die Mehrdeutigkeit. Beim Clark und Evans-Index zum Beispiel<br />
können die gleichen Indexwerte unterschiedliche Baumverteilungen repräsentieren (vgl. dazu<br />
Cox, 1971).<br />
Durchmischung M, Durchmesserdifferenzierung T und Dimensionsdominanz DD<br />
Baumartenreichtum und Dimensionsvielfalt können anhand von Strukturparametern ohne<br />
Raumbezug beschreiben werden. So quantifiziert der Shannon-Index (Shannon, 1949) auf der<br />
Basis von Baumartenanteilen die Artenvielfalt eines Ökosystems und die BHD-Verteilung<br />
liefert Aufschlüsse über die Variation der Durchmesser. Diese distanzunabhängigen Größen<br />
können entweder für den Gesamtbestand berechnet werden, wobei dann keine kleinräumigen<br />
Strukturunterschiede erkannt werden können. Oder die Struktur kann auf mehreren kleinen<br />
Probeflächen im Bestand mit den Parametern charakterisiert werden. Die Variation in den<br />
Strukturwerten zwischen den Probeflächen kann dann erste Aufschlüsse über die<br />
Raumstruktur geben. Das angewandte Stichprobenverfahren und die -größe haben dabei einen<br />
entscheidenden Einfluß auf die Strukturwerte (Pelz und Lübbers, 1998). Distanzabhängige<br />
Strukturparameter wie zum Beispiel Pielous Segregations-Index (1977, S.227 f) haben den<br />
großen Nachteil eines eventuell beträchtlichen Stichprobenfehlers durch den Randeffekt auf<br />
kleinen Probeflächen (Nagel, 1998; Sterba, 1998). Die nachbarschaftsbezogenen<br />
Strukturparameter Durchmischung, Differenzierung, Dimensionsdominanz und das<br />
Winkelmaß sind hingegen beim Stichprobenverfahren Strukturelle Vierergruppe (Füldner,<br />
1996) trotz Abstandsabhängigkeit nicht durch Randeffekte belastet.<br />
3<br />
2
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 51 von 55<br />
Die kleinräumige Baumartenverteilung charakterisiert Füldner (1995) über die<br />
Durchmischung. Die Durchmischungskonstellation des i-ten Baumes beruht auf einem<br />
Baumartenvergleich mit den n nächsten Nachbarn. Die Variable Durchmischung M ist wie<br />
folgt definiert:<br />
1<br />
M i =<br />
n<br />
n<br />
vij<br />
∑<br />
j=<br />
1<br />
wobei Vij = 0 : j-te Nachbar gehört zur gleichen Art wie i<br />
Vij = 1 : j-te Nachbar gehört zu einer anderen Art<br />
In Übereinstimmung mit dem Inventurverfahren Strukturelle Vierergruppe wird die<br />
Durchmischungskonstellation des Bezugsbaumes mit seinen drei nächsten Nachbarn<br />
berechnet. Demnach ergeben sich vier mögliche Werte: 0; 0,33; 0,67; 1. Der Maximalwert 1<br />
wird erreicht, wenn alle Nachbarn einer anderen Art angehören als der Bezugsbaum i. Der<br />
Minimalwert 0 beschreibt eine artreine Baumgruppe. Für die Durchmischung M bietet die<br />
Häufigkeitsverteilung der Einzelwerte für die Interpretation der Artendurchmischung des<br />
Gesamtbestandes oder einzelner Kollektive detaillierte Aussagemöglichkeiten.<br />
Dimensionsunterschiede von benachbarten Bäumen lassen sich mit Hilfe der Differenzierung<br />
quantifizieren (Füldner, 1995).<br />
T = 1−<br />
r<br />
i<br />
wobei Wenn BHDi >= BHDj dann rij=BHDj/BHDi<br />
sonst rij=BHDi/BHDj<br />
mit dem<br />
Wertebereich<br />
0
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 52 von 55<br />
haben die Nachbarn sehr ähnliche Dimensionen wie der Bezugsbaum, oder die<br />
Größenunterschiede zwischen kleineren und größeren Nachbarn gleichen sich aus.<br />
Die Abbildung zeigt eine hypothetische Aufnahmeeinheit der Strukturellen Vierergruppe und<br />
die korrespondierenden Werte der Strukturattribute Mi, Ti und DDi für den Bezugsbaum i.<br />
Strukturattribut Rechenbeispiel Interpretation für i<br />
Durchmischung: Mi=(0+0+1)/3=0.33 einer der drei Nachbarn ist<br />
von einer anderen Art<br />
BHD-Differenzierung: Ti1=1-20/25=0.2<br />
Ti2=1-25/25=0<br />
Ti3=1-25/30=0.17<br />
Dimensionsdominanz: T = ( 0.<br />
2 + 0)<br />
/ 2 = 0.<br />
1<br />
Gi<br />
TKi<br />
TGi<br />
= ( 0 + 0.<br />
17)<br />
/ 2 =<br />
= ( 0.<br />
1−<br />
0.<br />
085)<br />
=<br />
0.<br />
085<br />
0.<br />
015<br />
20% größer als Nachbar 1,<br />
gleiche Dimension wie<br />
Nachbar 2 und 17% kleiner als<br />
Nachbar 3<br />
Indifferenz; hier: Nachbar 1<br />
und Nachbar 3 neutralisieren<br />
sich<br />
Die Strukturvariablen Durchmischung, Differenzierung und Dimensionsdominanz für den Bezugsbaum i und<br />
seine drei nächsten Nachbarn.<br />
Die Bestandesstruktur kann mit Hilfe der vier vorgestellten Parameter anhand von<br />
Häufigkeitsverteilungen der Einzelwerte jedes Baumes im Bestand ziemlich genau<br />
beschrieben werden. Auch Stichprobenerhebungen mit dem Inventurverfahren Strukturelle<br />
Vierergruppe (Füldner, 1996) oder dem modifizierten Stammabstandsverfahren<br />
(Pommerening und Schmidt, 1998) in Kombination mit einer Eingriffsinventur (Gadow und<br />
Stüber, 1993) liefern gut interpretierbare Erkenntnisse über die aktuelle Bestandesstruktur und<br />
deren durchforstungsbedingte Veränderung.<br />
Segregationsindex S<br />
Die oben genannten Diversitätsmaße Shannon-Index und Evenness berücksichtigen nicht die<br />
räumliche Konstellation der Arten zueinander. So können Bestände bei gleichem Wert des<br />
Shannon-Index ganz unterschiedliche Strukturen bezüglich der räumlichen<br />
Artendurchmischung aufweisen (vgl. z.B. Füldner, 1995, S.53). Der bekannte<br />
Segregationsindex S von Pielou (1977, S. 227 ff.) beschreibt anhand des Verhältnisses von<br />
tatsächlich beobachteten und erwarteten gemischten Baumpaaren im Bestand die räumliche<br />
Artendurchmischung. Für einen Bestand mit zwei Baumarten kann der Segregationsindex S<br />
wie folgt berechnet werden:<br />
S<br />
= 1−<br />
( b + c)<br />
N ⋅<br />
m ⋅ s + n ⋅ r
Skript Waldmesslehre J. Nagel Fassung 27. Juni 2001 Seite 53 von 55<br />
mit<br />
nächster Nachbar<br />
Art 1 Art 2 å<br />
Ausgangs<br />
-<br />
Art 1 a b m<br />
baum Art 2 c d n<br />
å r s N<br />
wobei a,d : Anzahl der Paare gleicher Baumart<br />
b,c : Anzahl der gemischten Paare (unterschiedliche<br />
Baumarten)<br />
Indexwerte größer Null deuten auf eine räumliche Trennung der beiden Arten hin, die Anzahl<br />
der beobachteten gemischten Paare ist niedriger als erwartet. Ziehen sich die<br />
unterschiedlichen Arten gegenseitig an, so steigt die Anzahl der gemischten Paare über die<br />
erwartete Anzahl an, und der Segregationsindex nimmt negative Werte an. Die zufällige<br />
räumliche Verteilung der Arten im Bestand wird durch S=0 angezeigt. Ob die Indexwerte<br />
tatsächlich eine signifikante Abweichung von einer Zufallsverteilung anzeigen, kann mit Hilfe<br />
der von Upton und Fingleton (1985, S. 243) vorgeschlagenen c ²-verteilten Teststatistik<br />
überprüft werden (vgl. auch Pretzsch, 1993, S.29 ff.). Kommen in einem Mischbestand mehr<br />
als zwei Baumarten vor, so liefert der Segregationsindex S Aussagen über die Anziehung<br />
bzw. Abstoßung der Individuen einer bestimmten Baumart gegenüber den Bäumen aller<br />
übrigen Arten.<br />
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