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Lese-Rechtschreibst ö rung (LRS) im Sprachenvergleich und im ...

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4OriginalarbeitSSG/697/9.8.2007/MacmillanBei chinesischen Probanden hingegen wurde be<strong>im</strong> <strong>Lese</strong>n englischerW ö rter eine Aktivie<strong>rung</strong> in der mittleren Stirnhirnregion<strong>und</strong> der Hinterhauptsregion beobachtet, einem Aktivie<strong>rung</strong>smusterwie es f ü r die Analyse chinesischer Schriftzeichen charakteristischist.Aus den Erfah<strong>rung</strong>en mit unauff ä lligen Kindern <strong>und</strong> Erwachsenen,dass ein enger Zusammenhang zwischen den F ä higkeitenin der Muttersprache <strong>und</strong> dem Erfolg be<strong>im</strong> Fremdsprachenerwerbbesteht, zog Sparks [32] den Schluss, dass Schwierigkeitenbe<strong>im</strong> Erlernen einer Fremdsprache Folge von offenenoder verdeckten Problemen in der Muttersprache sind (LinguisticCoding Differences Hypothesis – LCDH). Die Existenz einer„ Fremdsprachen-<strong>LRS</strong> “ , d. h. einer umschriebenen Schw ä chebe<strong>im</strong> Erwerb einer Zweitsprache ohne Schw ä chen in der Muttersprache,wie sie <strong>im</strong>mer wieder diskutiert wird, wird bezweifelt.Dass nicht nur bei unauff ä lliger Entwicklung, sondern auch be<strong>im</strong>Vorliegen einer <strong>Lese</strong>-<strong>Rechtschreibst</strong> ö <strong>rung</strong> eine enge Beziehungzwischen Leistungen in der Mutter- <strong>und</strong> der Fremdsprache besteht,konnte durch Romonath et al. [33] nachgewiesen werden.Bei Jugendlichen <strong>und</strong> jungen Erwachsenen mit einer <strong>LRS</strong> fandensich ä hnlich hohe Korrelationen zwischen den <strong>Lese</strong>- <strong>und</strong> Rechtschreibleistungenin beiden Sprachen (r = 0,79 – 0,88) wie bei denKontrollpersonen ohne Entwicklungsauff ä lligkeiten.Der Annahme einer generellen Ü bereinst<strong>im</strong>mung zwischenSchwierigkeiten be<strong>im</strong> Schriftspracherwerb in der Mutter- <strong>und</strong>der Fremdsprache steht allerdings die Erfah<strong>rung</strong> gegen ü ber,dass nicht jedes <strong>LRS</strong>-Kind <strong>im</strong> Fremdsprachenunterricht versagt.Aus der Literatur sind Einzelf ä lle bekannt, dass Kinder mit einerschweren <strong>LRS</strong> eine Fremdsprache unauff ä llig erwerben konnten[34, 35] . Solche Beispiele sind allerdings die Ausnahmen. In derRegel ist davon auszugehen, dass Schwierigkeiten be<strong>im</strong> Schriftspracherwerbin der Mutter- <strong>und</strong> in Fremdsprachen in ä hnlicherAuspr ä gung auftreten, wenn die Lernst ö <strong>rung</strong> Folge einer <strong>LRS</strong> <strong>im</strong>Sinne einer umschriebenen Entwicklungsst ö <strong>rung</strong> ist.Probleme be<strong>im</strong> Fremdsprachenerwerb betreffen bei <strong>LRS</strong>-Kinderndas <strong>Lese</strong>n, das Rechtschreiben <strong>und</strong> das Erlernen grammatischerRegeln, w ä hrend das Lernen neuer Vokabeln wenigerschwer f ä llt [28] . Die Art der Fehler, die den Kindern unterlaufen,sind nicht <strong>LRS</strong>-spezifisch. Sie entsprechen denen unauff ä lligentwickelter Kinder, treten aber sehr viel h ä ufiger <strong>und</strong> wesentlichl ä nger auf.Da bei <strong>LRS</strong>-Kindern Probleme be<strong>im</strong> Erlernen einer neuen Sprachezu erwarten sind, bed ü rfen sie <strong>im</strong> Fremdsprachenunterrichteiner ä hnlichen Unterst ü tzung wie <strong>im</strong> Deutschunterricht. In denLegasthenie-Erlassen einiger B<strong>und</strong>esl ä nder ist deshalb festgeschrieben,dass <strong>LRS</strong>-Kindern <strong>im</strong> Fremdsprachenunterricht einvergleichbarer Nachteilsausgleich wie <strong>im</strong> Deutschunterricht zugew ä hren ist. Spezifische F ö rderprogramme wurden bislangaber nicht entwickelt. Empfehlungen f ü r die Unterst ü tzung von<strong>LRS</strong>-Kindern be<strong>im</strong> Fremdsprachenerwerb sind ü berwiegend unspezifischeRatschl ä ge, die auch f ü r den Umgang mit anderweitiglernschwachen Kindern gelten. So wird u. a. auf die Notwendigkeiteiner guten Strukturie<strong>rung</strong> des Unterrichts, eines systematischenVorgehens, einer Untergliede<strong>rung</strong> in kleine Schritte,h ä ufiger Wiederholungen, der Einbeziehung mehrerer Sinnesmodalitä ten sowie positiver R ü ckmeldungen hingewiesen[36 – 37] . F ü r den Fremdsprachenerwerb spezifischer sind die in Tab. 1 aufgef ü hrten unterrichtsdidaktischen Ratschl ä ge.Hilfreich k ö nnen auch Hinweise einer franz ö sischen Sprachtherapeutin[38] sein, die ihre eigenen <strong>LRS</strong>-Erfah<strong>rung</strong>en in Empfehlungenf ü r Betroffene zusammengefasst hat ( Tab. 2 ).Tab. 1 Empfehlungen f ü r den Fremdsprachenunterricht– Vermeidung der Lautschrift– Erkl ä <strong>rung</strong>en in der Muttersprache– Vermittlung des Schreibens <strong>und</strong> Aussprechens neuer W ö rter ingetrennten Schritten– Vermittlung metakognitiver StrategienTab. 2 Ratschl ä ge f ü r Kinder mit einer <strong>LRS</strong> f ü r den Fremdsprachenerwerb [37]– Fremdsprachen erst dann lernen, wenn es unvermeidbar ist– Dre<strong>im</strong>al so viel Zeit <strong>und</strong> h ä ufiges Wiederholen einplanen– Lernstoff schon vorbereiten, bevor dieser <strong>im</strong> Unterricht behandelt wird– Betonung, Beispiele, Eselsbrücken <strong>und</strong> Instruktionen sorgfältig protokollieren– unlogisch erscheinende Regeln der Fremdsprache ohne Rebellionakzeptieren– zentrale Regeln auf einem Blatt zusammenfassen <strong>und</strong> visualisieren– ständiges Wiederholen wichtiger Regeln– Computerlernprogramme nutzenIn der Betreuungspraxis wird von Eltern h ä ufig die Frage gestellt,welche Fremdsprache f ü r ihr <strong>LRS</strong>-Kind besonders geeignet sei.Obwohl es sich um ein Problem, vor das alle <strong>LRS</strong>-Kinder fr ü heroder sp ä ter gestellt werden, handelt, gibt es bislang keine empirischenStudien, die sich mit dieser Frage ausf ü hrlicher befassth ä tten <strong>und</strong> deren Ergebnisse eine Entscheidungshilfe seink ö nnten. Eine Beratung der Kinder <strong>und</strong> Eltern muss sich auf <strong>im</strong>Schulalltag gesammelte Erfah<strong>rung</strong>en <strong>und</strong> auf theoretische Ü berlegungenst ü tzen, die von den besonderen Anforde<strong>rung</strong>en einerSprache ausgehen.Am h ä ufigsten werden an deutschen Schulen Englisch, Franz ö -sisch <strong>und</strong> Latein gelehrt. Hinsichtlich des Englischen ist zu bedenken,dass es wenig lauttreu ist <strong>und</strong> hohe Anforde<strong>rung</strong>en andie orthographische Bewusstheit stellt. Franz ö sisch ist gleichfallswenig transparent <strong>und</strong> erfordert wegen sehr ä hnlich klingenderLaute eine gute Lautdifferenzie<strong>rung</strong>sf ä higkeit <strong>und</strong> zudemeine hohe grammatische Kompetenz, da sich mancheSchreibung aus grammatischen Beziehungen, die nicht herauszuhö ren sind, ergibt. Latein ist zwar sehr lauttreu, verlangtaber eine exakte <strong>Lese</strong>f ä higkeit (Sinn ä nde<strong>rung</strong> schon bei min<strong>im</strong>alerVerschiebung der Buchstabenfolge) <strong>und</strong> ein Verst ä ndnisf ü r abstrakte grammatische Zusammenh ä nge, das erst in h ö -heren Schulklassen zu erwarten ist. Als zus ä tzlich erschwerendsind wenig Kontextunterst ü tzung <strong>und</strong> das weitgehende Fehlendes Lernens in Kommunikationssituationen zu nennen.Eine f ü r alle <strong>LRS</strong>-Kinder besonders gut geeignete Fremdsprachegibt es also nicht. Die Entscheidung muss nach pragmatischenGesichtspunkten (Bedeutsamkeit der Sprache f ü r die sp ä tereBerufswahl, Fremdsprachenangebot einer Schule mit Verständnis für lese-rechtschreibgestö rte Kinder u. a.) <strong>und</strong> nach denindividuellen St ä rken <strong>und</strong> Schw ä chen des Kindes getroffen werden.Generell l ä sst sich allenfalls sagen, dass Englisch wegen derAlltagsrelevanz <strong>und</strong> der M ö glichkeit, durch Kommunikation zulernen, als erste Fremdsprache auch f ü r <strong>LRS</strong>-Kinder in der Regeldie sinnvollste Wahl ist.Fazit&Unser derzeitiges Wissen ü ber Gemeinsamkeiten <strong>und</strong> Unterschiedeeiner <strong>Lese</strong>-<strong>Rechtschreibst</strong> ö <strong>rung</strong> in unterschiedlichenSprachsystemen ist begrenzt. Ob eine <strong>LRS</strong> auf einer in allen Sprachenidentischen Gr<strong>und</strong>st ö <strong>rung</strong> beruht oder ob es kulturspezi-Suchodoletz Wv. <strong>Lese</strong>-<strong>Rechtschreibst</strong>ö<strong>rung</strong> (<strong>LRS</strong>) … Sprache · St<strong>im</strong>me · Gehör 2007; 31: 1 –6

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