magazin - Kreuznacher Diakonie
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(gh) Im Frühjahr 2003<br />
hatte der Ethikausschuss<br />
der Stiftung kreuznacher<br />
diakonie einen Wettbewerb<br />
für alle Mitarbeitenden<br />
ausgeschrieben: „Wie<br />
soll das zukünftige Hospiz<br />
heißen ? Reichen Sie<br />
Ihren Namensvorschlag<br />
ein.“ Es wurden über 100<br />
Vorschläge eingesandt, die<br />
von „Haus Abendsonne“<br />
über „Morgenröte“ bis zu<br />
„Friedenshorst“ reichten.<br />
Auch ich, Gabriele Holzhäuser,<br />
tätig bei der MAV,<br />
machte mir ein paar Gedanken.<br />
Und da kam mir die Idee, das Hospiz<br />
nach der ersten Oberin des Diakonissen<br />
Mutterhauses, Eugenie Michels, zu benen-<br />
(nw) An diesem grauen Montag im November<br />
genießt Herr K.* sein Mittagessen besonders.<br />
Vor ihm steht ein Teller mit paniertem<br />
Kotelett, Gemüse und Salzkartoffeln – alles<br />
in mundgerechte Stücke geschnitten. „Ach,<br />
wenn die Uschi in der Küche steht, dann<br />
schmeckt’s immer besonders gut“, sagt er,<br />
lächelt ihr zu und nimmt mit dem Strohhalm<br />
einen Schluck Apfelschorle. „Und außerdem<br />
wollen wir doch schönes Wetter,<br />
nicht so ein Schneetreiben wie gestern. Deshalb<br />
muss ich den Teller ja leer essen.“ Und<br />
das tut Herr K. Genau wie das Schälchen mit<br />
Schokopudding zum Nachtisch. Er will diesen<br />
Tag nutzen. Denn heute geht es ihm einigermaßen<br />
gut, viel besser als noch vor 24<br />
Stunden. Da konnte er das Bett kaum verlassen.<br />
Er will jeden Tag nutzen, um sich zu unterhalten,<br />
um zu lachen, um zu leben. Denn<br />
jeder Tag könnte sein letzter sein.<br />
Herr K. ist einer von neun Menschen, die an<br />
diesem Novembertag im Eugenie Michels<br />
Hospiz der Stiftung kreuznacher diakonie<br />
wohnen. Er hat Krebs im fortgeschrittenen<br />
titel leben im hospiz leben im hospiz<br />
titel<br />
Kreativität der Mitarbeitenden gefragt<br />
Wie das Eugenie Michels Hospiz zu seinem Namen kam<br />
Diakonisse Eugenie Michels<br />
war von 1894 bis 1931<br />
Vorsteherin des II. Rheinischen<br />
Diakonissen Mutterhauses<br />
nen. Nun hieß es abwarten,<br />
wie sich der Ethikausschusses<br />
entscheidet.<br />
Und siehe da, die Mehrheit<br />
stimmte für meinen Vorschlag.<br />
Und so gibt es seit<br />
2004 das Eugenie Michels<br />
Hospiz in der kreuznacher<br />
diakonie.<br />
Jetzt interessiert Sie sicher,<br />
wie ich zu meiner Idee kam.<br />
Das war so: In einem Gespräch<br />
mit Pfarrer Theodor<br />
Waschke, der bis in die<br />
1970er Jahre Bereichsleiter<br />
des damaligen Körperbehindertenbereiches<br />
war,<br />
erwähnte ich unter anderem den Namenswettbewerb.<br />
Wir ließen in unseren Erinnerungen<br />
über die Zeit unserer Mitarbeit in der<br />
Ein Tag im Hospiz<br />
Ein Ort voller Wärme und Dankbarkeit<br />
Stadium, Heilung unmöglich. Austherapiert,<br />
wie es im Fachjargon heißt. Herr K. ist hierher<br />
gekommen, um zu sterben. Doch so oft<br />
es geht, verlässt er sein Zimmer, das hier<br />
übrigens Appartement heißt, um am Leben<br />
teilzuhaben. Im Gemeinschaftsraum kann er<br />
sich aus der kleinen Bibliothek etwas zum<br />
Lesen holen. Er erzählt den Mitarbeitenden<br />
von seinen Enkeln, die weit weg in Berlin<br />
wohnen. „Schön ist es auch, unseren Vögeln<br />
beim Singen zuzuhören“, sagt er und versucht<br />
die Vogelstimmen mit einem Pfeifen<br />
zu imitieren. Seit dem Sommer 2008 steht<br />
der große Vogelkäfig mit Finken und Kanarienvögeln<br />
im Wintergarten. „Das kommt<br />
so gut an, dass wir uns jetzt auch noch ein<br />
Aquarium anschaffen möchten“, erzählt<br />
Diakon Bernd Eichenauer, der Leiter des<br />
Eugenie Michels Hospizes. Er schaut nur kurz<br />
im Gemeinschaftsraum vorbei: „Ich muss<br />
eine Bewohnerin versorgen. Das schafft die<br />
Schwester allein nicht. Wir müssen zu zweit<br />
sein.“ Rund um die Uhr sind die insgesamt<br />
15 hauptamtlichen Mitarbeitenden des Eugenie<br />
Michels Hospizes abwechselnd für die<br />
Stiftung viele Menschen vor dem inneren<br />
Auge Revue passieren. Aber da kein Name<br />
eines noch lebenden Menschen genommen<br />
werden sollte, gingen wir weiter zurück in<br />
die Geschichte der kreuznacher diakonie.<br />
Und so kamen wir in Verbindung mit dem<br />
Namen des Hauses, in dem ich bis vor drei<br />
Jahren arbeitete – dem Hugo Reich Haus –,<br />
auf Schwester Eugenie Michels. Sie hat mit<br />
dem Gründer der kreuznacher diakonie,<br />
Pfarrer Hugo Reich, die Anfänge unserer<br />
Stiftung maßgeblich mitgestaltet. Schwester<br />
Eugenie Michels wird als couragierte<br />
und sehr engagierte Frau beschrieben, die in<br />
37 Jahren als Oberin wesentlich die damaligen<br />
<strong>Diakonie</strong> Anstalten sowie die Schwesternschaft<br />
und deren Arbeit geprägt hat.<br />
Was lag also näher, nun auch ihr einen zeitlosen<br />
Platz in der kreuznacher diakonie zu<br />
geben ? l<br />
Seit Sommer<br />
2008 bereichern<br />
Kanarienvögel<br />
und Finken mit<br />
ihrem fröhlichen<br />
Gezwitscher das<br />
Eugenie Michels<br />
Hospiz<br />
Bewohnerinnen und Bewohner da – immer<br />
in den Schichten früh, spät und nacht. Dazu<br />
kommen 24 ehrenamtliche Hospizhelfer/innen.<br />
143 Bewohner /-innen hatte das Eugenie<br />
Michels Hospiz 2008. „Die durchschnittliche<br />
Verweildauer liegt bei etwa zwölf Tagen“,<br />
sagt Eichenauer. 138 Mal hieß es für<br />
ihn und die Mitarbeitenden im vergangenen<br />
Jahr Abschied nehmen. Wie schafft man<br />
das ? „Man muss die Professionalität von<br />
Nähe und Distanz lernen. Das ist ein Spagat,<br />
der mal besser und mal weniger gut<br />
klappt“, so Eichenauer. Es sei manchmal sehr<br />
schwer. Besonders bei Bewohnern, die eine<br />
Hier wird Gemeinschaft großgeschrieben: Jeden Morgen frühstücken die Mitarbeitenden zusammen,<br />
auch Bewohner/-innen und Angehörige sind herzlich willkommen<br />
gewisse Nähe zuließen. „Wir müssen immer<br />
ein offenes Ohr haben, auch für Angehörige.<br />
Gleichzeitig müssen wir aufpassen, dass<br />
nicht alles bei uns abgeladen wird.“ Im Kreis<br />
der Kolleginnen und Kollegen werde viel gesprochen<br />
und sich ausgetauscht. „Wir weinen<br />
und lachen zusammen.“<br />
Herr K. gönnt sich nach dem Mittagessen etwas<br />
Ruhe in seinem Appartement. An den<br />
Wänden hängt ein Familienfoto, vor seinem<br />
Bett liegt ein bunter Teppich. „Den hat meine<br />
Frau geknüpft. Der hat zu Hause in unserem<br />
Schlafzimmer gelegen“, sagt er leise.<br />
Auch den schwarzen Fernsehsessel und<br />
die beiden Alpenveilchen hat Herr K. von daheim<br />
mitgebracht. „Die Fensterbilder haben<br />
mir meine Enkel geschenkt. Ich habe es mir<br />
so richtig gemütlich gemacht.“ Genau das<br />
ist es, was Diakon Bernd Eichenauer und seine<br />
Mitarbeitenden möchten: eine individuelle<br />
Betreuung und Begleitung. Eichenauer<br />
erinnert sich noch gut an eine Opernsänge-<br />
(nw) „Leben in Würde bis zuletzt“ lautet das<br />
Motto des Eugenie Michels Hospizes in Bad<br />
Kreuznach, „Anfang oder Ende“ das des Paul<br />
Marien Hospizes in Saarbrücken. Ziel der<br />
Hospizarbeit in den beiden Einrichtungen<br />
der Stiftung kreuznacher diakonie ist es,<br />
ganzheitliche, individuelle, kreative Betreuung<br />
und Therapie anzubieten, um die bestmögliche<br />
Lebensqualität für Bewohner /-innen<br />
und Familie zu gewährleisten.<br />
In der Hospizarbeit gilt es einerseits, alles<br />
zu tun, um Leben zu schützen, ohne andererseits<br />
Leben um jeden Preis künstlich zu<br />
verlängern. „Wir achten die Würde und das<br />
rin, die im Hospiz ihre letzte Zeit verbracht<br />
hat. „Wir haben ihr ganz oft Opern-CDs vorgespielt.<br />
Das machte sie glücklich.“ Er vergleicht<br />
das Hospiz mit einer Blume. „Der Bewohner<br />
ist der Blütenstempel, und wir sind<br />
die Blütenblätter. Mal ist die Blüte ganz offen<br />
und der Blütenstempel eigenständig.<br />
Dann braucht er unsere Hilfe kaum. Ein anderes<br />
Mal benötigt er den Schutz und die<br />
Unterstützung durch die Blütenblätter.“ Die<br />
Situation kann sich von einem auf den anderen<br />
Moment ändern. Darauf müssen sich<br />
die Mitarbeitenden einstellen können. Auch<br />
nach dem Tod geht die individuelle Betreuung<br />
weiter. Wie etwa bei einem Mann, der<br />
als Pilot gearbeitet hatte. „Er wünschte sich,<br />
in seiner Pilotenuniform begraben zu werden.<br />
Selbstverständlich sind wir seinem<br />
Wunsch nachgekommen und haben sie ihm<br />
angezogen.“<br />
Im Gästebuch neben dem Klavier im Flur mit<br />
den apricotfarbenen Wänden schreiben An-<br />
Grundsätze der Hospiz-Arbeit in der Stiftung kreuznacher diakonie<br />
Was will stationäre Hospizarbeit ?<br />
Selbstbestimmungsrecht des Menschen“,<br />
erklärt Bernd Eichenauer, Leiter des Eugenie<br />
Michels Hospizes. Im Mittelpunkt der Hospizarbeit<br />
steht, dass die Mitarbeitenden den<br />
Bewohnerinnen und Bewohnern Angebote<br />
machen, die genutzt werden können, aber<br />
nicht müssen.<br />
Haupt- und ehrenamtliche Mitarbeitende<br />
ergänzen sich im Dienst für die Bewohner<br />
/-innen und Angehörigen und unterstützen<br />
sich gegenseitig. „Wir wissen um unsere<br />
Grenzen, Stärken und Schwächen. Das prägt<br />
unser Miteinander“, sagt Ute Seibert, Leiterin<br />
des Paul Marien Hospizes. Angehörige<br />
werden in die Betreuung der Bewohner /-in-<br />
gehörige ihre Gedanken nieder. „Liebe Engel<br />
gibt es nicht nur im Himmel, sondern auch<br />
auf Erden. Vielen Dank für eure Fürsorge und<br />
Hilfe in diesen schweren Stunden“, heißt es<br />
da auf einer Seite. Die Einträge ähneln sich<br />
alle, strahlen Wärme und Dankbarkeit aus.<br />
So, wie das Hospiz selbst und seine Mitarbeitenden.<br />
Einer davon ist Bernd Butzbach,<br />
ein ehrenamtlicher Helfer, der seit fünf Jahren<br />
im Eugenie Michels Hospiz arbeitet. „Wir<br />
nehmen die Menschen hier so an, wie sie<br />
sind, mit all ihren Stärken und Schwächen.<br />
Und dafür bekommen wir ganz viel von ihnen<br />
zurück. Ich empfinde die Arbeit hier als<br />
sehr bereichernd und erfüllend.“<br />
An diesem grauen Montag im November<br />
heißt es wieder einmal Abschied nehmen.<br />
Als Zeichen, dass ein Bewohner verstorben<br />
ist, zündet Bernd Eichenauer im Flur eine<br />
große Kerze an. „Sie symbolisiert Christus als<br />
Licht der Welt und brennt so lange, bis der<br />
Verstorbene aus dem Hospiz abgeholt wird.“<br />
Herr K. weiß, dass auch für ihn bald die<br />
Kerze brennen wird. Trotzdem hat er die<br />
Lebensfreude nicht verloren. Er ist sich<br />
sicher: „Morgen wird die Sonne scheinen.<br />
Und dann setze ich mich auf meine Terrasse<br />
und genieße den Tag.“ l<br />
*Name von der Redaktion geändert<br />
nen mit einbezogen und haben die Möglichkeit,<br />
Tag und Nacht im Hospiz zu bleiben.<br />
Die Zimmer können individuell gestaltet<br />
werden, eigene Möbel sind genauso erlaubt<br />
wie Bilder und Haustiere. Bewohner /-innen<br />
können ihre vertraute hausärztliche Betreuung<br />
in Anspruch nehmen, Fachärzte werden<br />
– sofern notwendig – hinzugezogen.<br />
Außerdem werden Dinge wie Krankengymnastik,<br />
Fußpflege oder Beschäftigungstherapie<br />
angeboten. Schwerpunkt ist die palliative<br />
(Maßnahmen, die nicht auf die Heilung<br />
einer Erkrankung, sondern auf die Linderung<br />
der durch sie ausgelösten Beschwerden ausgerichtet<br />
sind) Pflege. l<br />
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