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Partnerschaft & Teilhabe

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FGQ<br />

FÖRDERGEMEINSCHAFT DER QUERSCHNITTGELÄHMTEN IN DEUTSCHLAND e.V.<br />

<strong>Partnerschaft</strong> &<strong>Teilhabe</strong>


Das passende Hilfsmittel...<br />

Pflege erleichternde Hilfen,<br />

Wund- und Schmerzmanagement,<br />

Medizinische Nahrungsergänzung<br />

Orthopädietechnik, Inkontinenzund<br />

Stomaversorgung,<br />

Therapiehilfsmittel<br />

…ist der wichtige Baustein für mehr Lebensqualität. Wir möchten Ihnen helfen, Ihre Selbstbestimmtheit zu<br />

erhalten, Stärken zu fördern und Ihre Defizite auszugleichen. Alle Standorte sind für die individuelle Anpassung und<br />

Erprobung mit dem neuesten Stand der Technik auf Sie eingerichtet, inkl. Montage- und Werkstattservice vor Ort.<br />

Bei der Erledigung der Formalitäten sind wir Ihnen gerne behilflich. Rufen Sie uns an oder besuchen Sie uns:<br />

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Druckentlastung und für das Stehtraining


Mitten im Leben<br />

Liebe Leserin, lieber Leser,<br />

in der Politik gibt es Begriffe, die<br />

viele nicht verstehen und oft auch<br />

als Geschwätz einordnen. Viele<br />

behinderte Menschen haben z.B.<br />

das Wort „Integration“ für wertlos<br />

gehalten. Das könnte auch inhaltliche<br />

Gründe gehabt haben. Ein Freund<br />

von mir sagte gern, er wolle gar nicht<br />

integriert sein. Ich wusste genau was<br />

er meinte. Integriert sein heißt sich anzupassen,<br />

so zu funktionieren, dass man das übliche Spiel<br />

mitspielen kann. Übersetzt heißt es für behinderte<br />

Menschen, dass sie klaglos die Barrieren überwinden<br />

müssen und zusätzliche Kräfte aufwänden, um eine<br />

Leistung (z.B. im Arbeitsleben) zu erbringen wie alle<br />

anderen auch.<br />

„Inklusion“ ist ein sperriges Wort, hört sich auch<br />

irgendwie merkwürdig an. Aber der Gedanke<br />

dahinter ist richtig. Die UN-Konvention über die<br />

Rechte von Menschen mit Behinderungen, die jetzt<br />

auch in unserem Land gilt, verlangt, dass unsere<br />

Bedürfnisse lebenslang in staatliche Planungen<br />

mit einbezogen werden, dass eine schulische<br />

Ausbildung ohne Aussonderung genauso möglich<br />

ist wie eine Teilnahme am regulären Arbeitsmarkt.<br />

Dass sich das Recht auf <strong>Partnerschaft</strong>, letztendlich<br />

auch auf Sexualität, nicht individuell einklagen lässt,<br />

liegt allerdings auf der Hand. Grundsätzlich gilt das<br />

Recht auf <strong>Teilhabe</strong> aber umfassend von politischen<br />

Grundsätzen bis hin zu privatesten Bereichen.<br />

Wir versuchen mit dieser Broschüre einen großen<br />

Bogenzuschlagen.EssindsehrvieleThemenbereiche,<br />

die eine Rolle dabei spielen, wenn es darum geht,<br />

z.B. Menschen mit einer Querschnittlähmung zu<br />

befähigen ein selbstbestimmtes Leben mitten in der<br />

Gesellschaft zu führen. Einer Gesellschaft, die immer<br />

kälter und materialistischer wird, in der es immer<br />

Editorial<br />

mehr ums Geld und immer weniger um den Wert<br />

des menschlichen Lebens geht.<br />

Es wird also schwerer, unmöglich ist es nicht. Viele<br />

Menschen mit einer Querschnittlähmung behaupten<br />

sich auch in diesen Zeiten, leben ein integriertes und<br />

aktives Leben mit einem intakten Umfeld, einer<br />

<strong>Partnerschaft</strong>, mit gemeinnützigem Engagement<br />

oder einer erfolgreichen Berufstätigkeit.<br />

Es kann aber auch nicht schaden, dass die<br />

internationale Politik z.B. mit der UN-Konvention,<br />

aber auch mit Diskriminierungsverbot im<br />

Grundgesetz oder Gleichstellungsgesetzen die<br />

Bürgerrechte behinderter Menschen fordert. Wir<br />

sollten diese Rechte nutzen und sie vor Gericht<br />

und in der öffentlichen Diskussion einklagen. Denn<br />

Papier allein ist nur zu geduldig. Wir werden alle<br />

daran mitarbeiten müssen unsere Rechte aus den<br />

Gesetzen in die Lebenswirklichkeit zu holen. Meine<br />

Lebenserfahrung sagt mir: Ohne teils auch erbitterte<br />

Kämpfe wird es nicht funktionieren …<br />

Die vollwertige <strong>Teilhabe</strong> der Betroffenen am<br />

Leben war und ist immer noch das Ziel der<br />

Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten in<br />

Deutschland e.V. (FGQ), unserem bundesweiten<br />

Selbsthilfeverein mit jahrzehntelanger Erfahrung.<br />

Wenn Sie einen Rat brauchen oder wissen möchten,<br />

welche Erfahrungen andere mit dieser Behinderung<br />

bereits gemacht haben, kommen Sie zu uns. Wir<br />

wissen wie man mit Querschnittlähmung lebt. Und<br />

wenn Sie zu uns kommen wollen, um Ihre gemachten<br />

Erfahrungen an andere weiter zu geben – herzlich<br />

willkommen. Kontaktadressen finden Sie am Ende<br />

dieser Broschüre.<br />

Peter Mand, FGQ Schriftführer<br />

3


4<br />

6<br />

9<br />

14<br />

18<br />

24<br />

30<br />

34<br />

39<br />

Inhalt<br />

Editorial 3<br />

Bestandsaufnahme:<br />

Mehr Rechte statt Almosen<br />

Integration durch Technik:<br />

Auto-Mobilität<br />

Unterstützung bei der <strong>Teilhabe</strong>:<br />

Ergotherapie – Training für den Alltag<br />

<strong>Partnerschaft</strong> & Sexualität<br />

Das Wunder des Lebens<br />

44 Wohnen für alle<br />

50<br />

Schadensersatzforderungen –<br />

Behindertengerechtes Wohnen<br />

Mitten im Leben<br />

UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen:<br />

Die Freiheit der Selbstbestimmung<br />

Gesetz und Wirklichkeit:<br />

Mit dem Rolli zur Schule<br />

Inkontinenz beherrschen<br />

mit dem „Blasenstimulator“


56<br />

Zuzahlungen in der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung<br />

62 Befreiung von den Rundfunkgebühren<br />

65 Arbeitsgemeinschaften<br />

66 FGQ / Impressum<br />

Markt<br />

Titelfoto<br />

www.emanuelbloedt.de<br />

11<br />

22<br />

36<br />

43<br />

47<br />

48<br />

Inhalt<br />

Kleine Schule des guten Stehens<br />

KADOMO sucht nach der besten Lösung:<br />

Autoumrüstung – einfach gut<br />

Richtig selbst katheterisieren:<br />

So lassen sich Infekte vermeiden<br />

Auszeichnung für PARAVAN-Chef<br />

Roland Arnold<br />

Kathetersysteme<br />

R-Klasse mit besonderem Umbau<br />

5


6<br />

Bestandsaufnahme:<br />

Mehr Rechte statt Almosen<br />

Es fehlt in Deutschland nicht grundsätzlich an Hilfen für behinderte Menschen. Doch in<br />

Skandinavien und USA gibt es weniger Ausgrenzung als hierzulande.<br />

In den USA war es kein Problem, dass zwei<br />

Präsidenten mit dem Namen Roosevelt<br />

sichtbar schwer behindert waren: Franklin D.<br />

war durch Kinderlähmung Rollstuhlfahrer und<br />

Theodore wegen Asthma deutlich geschwächt.<br />

Daneben gab es den nach einem Attentat<br />

querschnittgelähmten Gouverneur von Ala-<br />

bama, George Wallace. Der blinde britische<br />

Innenminister David Blankett, galt bis zu<br />

seinem Rücktritt als erfolgreichstes Mitglied<br />

im Kabinett von Tony Blair.<br />

Bei diesen Menschen zählten die Fähigkeiten<br />

und Leistungen, wobei die Behinderung eine<br />

untergeordnete Rolle spielte. Leider ist das in<br />

Deutschland nicht so der Fall. Hier werden<br />

Menschen mit Behinderungen gern in eine<br />

bestimmte Ecke gedrängt und von vornherein<br />

als leistungsgemindert eingestuft.<br />

1997 stelle der Stern nach einem Interview mit<br />

Wolfgang Schäuble auf dessen Wunsch folgen-<br />

de Frage: „Ein Krüppel als Bundeskanzler?“ Der<br />

1990 durch ein Attentat querschnittgelähmte<br />

damalige Fraktionschef wurde als Nachfolger<br />

von Helmut Kohl gehandelt. (Anm.d.Red.:<br />

Die auf einem Zitat Schäubles beruhende o.e.<br />

Formulierung wurde 2010 erneut benutzt,<br />

um am Stuhl des vorübergehend erkrankten<br />

Finanzministers zu sägen. Dadurch wurde<br />

nicht nur seine Behinderung als Waffe gegen<br />

ihn benutzt, sondern gleich eine ganze<br />

Bevölkerungsgruppe beleidigt.)<br />

Immer noch Ausgrenzung<br />

Es gibt laut Gesetzgeber keine Krankheit, die<br />

das „Aus-dem-Verkehr-ziehen“ rechtfertigt,<br />

aber das scheint in das Bewusstsein vieler<br />

Menschen noch nicht vorgedrungen zu sein.<br />

Ängste und Missverständnisse bestimmen noch<br />

für viele die Begegnung mit körperlichen,<br />

geistigen und seelischer Behinderung. Jede<br />

Abweichung vom „Normalen“ wird als eine Art<br />

Makel betrachtet. Auch wenn es keiner nach<br />

außen hin zugeben mag, findet eine gewisse<br />

gesellschaftliche Ausgrenzung statt.<br />

Aus diesem Grunde war es für Behinderte in<br />

Deutschland – im Gegensatz zu Skandinavien


und den USA – mit vielen Schwierigkeiten<br />

verbunden, ihre Interessen bei den Einrich-<br />

tungen in öffentlichen Gebäuden und Ver-<br />

kehrsmitteln durchzusetzen. Über viele Jahre<br />

gab es in der Bahn weder geeignete Abteile<br />

noch Toiletten. Nach vielen Protesten wurden<br />

behindertengerechte Abteile und Toiletten<br />

angeschafft. Da aber automatische Ein- und<br />

Ausstieghilfen fehlten, können Rollstuhlfahrer<br />

ohne fremde Hilfe weder ein- noch aussteigen.<br />

In einem Teil der Nahverkehrszüge setzt<br />

die Bahn AG inzwischen Rampen ein, die<br />

auf Knopfdruck ein- und ausfahren, aber<br />

immer noch werden Fahrgäste im Rollstuhl<br />

mit primitiven Handkurbelkonstrukten in<br />

hypermoderne Fernzüge verladen.<br />

Hilfe bekamen die deutschen Behinderten<br />

von den behinderten Regierungsvertretern der<br />

Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush.<br />

Auf seinen Reisen durch die Bundesrepublik<br />

erläuterte der Behindertenbeauftragte<br />

beider Präsidenten, der Rollstuhlfahrer Justin<br />

Dart, die Vorzüge des weltweit als Vorbild<br />

geltenden US-Antidiskriminierungs- und<br />

Gleichstellungsgesetzes behinderter Menschen<br />

„The Americans with Disabilities Act“ vom<br />

Juli 1990. Die konsequente Anwendung<br />

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das allround toiletten system<br />

Einsetzbar als<br />

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Armlehnen abschwenkbar.<br />

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verstellbar. Faltbarer Rahmen<br />

aus rostfreiem Edelstahl.<br />

Umfangreiches Zubehör!<br />

hat den behinderten Menschen in den USA<br />

Gelegenheit gegeben, am gesellschaftlichen<br />

Geschehen teilzuhaben, und dadurch viele<br />

Dollar zusätzlicher Einnahmen in den Wirt-<br />

schaftskreislauf gespült.<br />

In USA haben Menschen mit Behinderung<br />

einklagbare Bürgerrechte, mit denen sie<br />

Barrieren einreißen können. Allerdings ist es<br />

mit den sozialen Zuwendungen und einer<br />

umfassenden Sozialversicherung im Vergleich<br />

zur Bundesrepublik nicht gerade zum Besten<br />

bestellt. Hier gibt es diese Leistungen. Trotz<br />

Benachteilungsverbot im Grundgesetz und<br />

Gleichstellungsgesetzen müssen die Behin-<br />

derten bei uns aber noch um Beseitigung von<br />

Hindernissen und Diskriminierungen ringen.<br />

Länderübergreifendes<br />

Bewusstsein schaffen<br />

In Bundesministerien, Behörden und gesetz-<br />

lichen Krankenkassen müssten die Internet-<br />

seiten seit Januar 2006 für Menschen mit und<br />

ohne Behinderungen gleichermaßen zugäng-<br />

lich sein. Das Allgemeine Gleichbehand-<br />

lungsgesetz vom 17. August 2006 verbietet<br />

Diskriminierung der Menschen auch wegen<br />

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8<br />

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ihrer Behinderung. Betroffene sollten sich<br />

darauf verlassen können, dass sie nicht länger<br />

wegen ihres Handikaps aus Restaurants und<br />

Läden ausgeschlossen werden und dass<br />

Banken, Versicherungen, Reiseanbieter, Haus-<br />

und Wohnungsvermittler ihnen Verträge nicht<br />

verweigern.<br />

Aber kaum ein Gesetz hat zu der Beseitigung<br />

von Mauern zwischen Menschen mit und<br />

ohne Behinderungen beigetragen. So<br />

bewerteten einige Urlauber die Anwesenheit<br />

von Behinderten in Ferienhotels wiederholt als<br />

„Urlaubsfreuden mindernd“. Es wurde ihnen<br />

sogar Schadenersatz zugesprochen.<br />

Immer noch müssen Städteplaner, Architekten,<br />

Verkehrsbetriebe und Ladenbesitzer mühsam<br />

davon überzeugt werden, dass ebenerdige<br />

Aufzüge, über eine Rampe erreichbare Läden,<br />

Bahnen und Busse mit automatisch ein- und<br />

ausfahrbaren Rampen und stufenlosen Zugang<br />

nicht nur den Mobilitätsbeeinträchtigten zu<br />

Gute kommen, sondern auch kleinen Kindern<br />

und Müttern mit Kindern das Leben erleichtern<br />

würden.<br />

Integration in Europa?<br />

In den USA haben die auf Pflege und Assistenz<br />

angewiesenen Menschen mit Unterstützung<br />

durch den obersten Gerichtshof ihreEinweisung<br />

in Pflegeheime verhindert. Die Richter haben<br />

den Wohnkommunen aufgegeben, mit<br />

ambulanten Hilfen diesen Menschen das<br />

Verbleiben in den eigenen vier Wänden zu<br />

ermöglichen. In Deutschland bevorzugen<br />

die Sozialhilfe und Pflegeversicherung den<br />

Heimaufenthalt. Aus diesem Grunde streiten<br />

sich die Betroffenen, die in den eigenen vier<br />

Wänden leben und als Arbeitgeber selbst<br />

ihre Hilfskräfte anstellen möchten, mit den<br />

Sozialämtern vor Verwaltungsgerichten.<br />

Im zusammenwachsenden Europa sollten die<br />

Staaten voneinander lernen und das über-<br />

nehmen, was sich bei den Nachbarn be-<br />

währt hat. Durch die Überzeugungskraft<br />

des blinden Abgeordneten David Blankett<br />

hat England nach US-Vorbild ein Antidis-<br />

kriminierungs- und Gleichstellungsgesetz be-<br />

schlossen. Zusammen mit der Reform der<br />

Sozialsysteme wird es dem Menschen mit<br />

Behinderungen in wenigen Jahren die<br />

vollkommene berufliche und gesellschaftliche<br />

Integration ermöglichen, ist das Europäische<br />

Behindertenforum in Brüssel überzeugt.<br />

Text: Heike Stüvel<br />

Foto: www.emanuelbloedt.de


UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen:<br />

Die Freiheit der Selbstbestimmung<br />

Das seit März auch in Deutschland geltende Abkommen verlangt eine möglichst große<br />

<strong>Teilhabe</strong> an der Gesellschaftohne Ausgrenzung. Auch der neue Behindertenbeauftragte<br />

der Bundesregierung Hubert Hüppe fordert radikale Veränderungen in Schulen<br />

und Behörden. Er will zur Umsetzung der UN-Konvention über Menschen mit<br />

Behinderungen bald einen Beirat einsetzen. Darin sollen Betroffene die Mehrheit<br />

haben. Denn für Hüppe gilt der Grundsatz: „Nichts über uns – ohne uns“ (– der aus<br />

der Behindertenbewegung von 1981 stammt; Anm.d.Red.)<br />

Deutschland hat eine UN-Konvention unter-<br />

zeichnet, die zwingend vorschreibt, dass be-<br />

hinderte Kinder auf die dieselben Schulen<br />

gehen dürfen wie nicht behinderte Kinder<br />

und das Schulsystem umgebaut werden muss.<br />

Eines der Hauptanliegen der Behinderten-<br />

Verbände ist der gemeinsame Unterricht von<br />

behinderten und nicht behinderten Kindern.<br />

Deutschland ist hier europäisches Schlusslicht:<br />

Nur 15,7 Prozent der behinderten Kinder be-<br />

suchen eine Regelschule. Von mehr als 400 000<br />

an Förderschulen (den früheren Sonderschulen)<br />

unterrichteten Kindern verlassen mehr als<br />

77 Prozent die Schule ohne Abschluss.<br />

Der gemeinsame Unterricht für behinderte<br />

und nicht behinderte Kinder nützt beiden:<br />

Die soziale Kompetenz wächst und Vorurteile<br />

werden abgebaut. Zudem werden behinderte<br />

Kinder herausgefordert, ihren nicht behin-<br />

derten Mitschülern zu zeigen, was sie alles<br />

können. Wichtig dafür ist qualifiziertes Perso-<br />

nal an den Regelschulen. Es müssen ent-<br />

sprechende Rahmenbedingungen geschaffen<br />

werden, denn 30 Schüler und eine Lehrkraft,<br />

das ist kaum befriedigend. Hüppe ist davon<br />

überzeugt, dass gemeinsames Lernen nicht<br />

Gleichmacherei bedeutet, sondern die<br />

Leistungsfähigkeit der Schüler steigert. Er er-<br />

wartet noch in diesem Jahr von allen Län-<br />

dern, dass Maßnahmen ergriffen werden,<br />

um behinderten Kindern den Besuch der<br />

Regelschule zu ermöglichen, wie es die<br />

UN-Konvention will.<br />

Wissenschaftler haben herausgefunden, dass<br />

die Leistungen der Schüler umso schlechter<br />

sind, je früher sie auf eine Förderschule<br />

gehen und je länger sie dort verweilen.<br />

Schüler wachsen mit den Ansprüchen, die<br />

man an sie stellt. Wenn ständig speziell dafür<br />

ausgebildete Pädagogen ihre Hand schützend<br />

über die Schüler halten, gibt es kaum<br />

Herausforderungen, und es entsteht keine<br />

Atmosphäre, an der ein Kind wachsen kann.<br />

Ein Leistungsgefälle ist nötig, um den Ehrgeiz<br />

der Schüler anzuspornen.<br />

Auf Augenhöhe<br />

Auf dem Papier scheint Deutschland ein<br />

sehr behindertenfreundliches Land zu sein<br />

und hat einige positiv klingende Gesetze<br />

verabschiedet in den vergangenen Jahren. Es<br />

gibt das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz,<br />

das Behindertengleichstellungsgesetz und das<br />

Sozialbuch mit der Nummer IX, ein Regelwerk,<br />

das Selbstbestimmung und <strong>Teilhabe</strong> verspricht.<br />

Auch im Grundgesetz sind die Rechte Behin-<br />

derter inzwischen verankert: „Niemand darf<br />

9


10<br />

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wegen seiner Behinderung benachteiligt<br />

werden“, steht seit 1994 in Artikel 3, Absatz<br />

3. Aber wie sieht es in der Realität aus?<br />

Behinderte besuchen in der Regel immer<br />

noch nicht nur besondere Schulen, sondern<br />

arbeiten oft auch in besonderen Betrieben<br />

wie Behindertenwerkstätten. Sie werden<br />

ausgegrenzt, werden aus Unsicherheit häufig<br />

höflich übersehen, angestarrt oder nur<br />

verstohlen beäugt. Man weiß nicht genau,<br />

wie man sich natürlich gegenüber einem<br />

Behinderten verhalten soll, weil der Anblick<br />

dieser Menschen ein Tabu berührt. Es ist die<br />

Unsicherheit gegenüber dem Fremden und<br />

das Unbekannte, was den Leuten Angst<br />

macht. Menschen mit Behinderungen werden<br />

immer noch häufig in Heimen untergebracht.<br />

Es gibt aber auch gute Beispiele wie in der<br />

Autoindustrie, wo schon mehr behinderte<br />

Mitarbeiter beschäftigt sind als die fünf<br />

Prozent, die das Gesetz vorschreibt. Aber<br />

mehr als drei Viertel aller privaten Betriebe<br />

in Deutschland, die mehr als 20 Mitarbeiter<br />

beschäftigen, kommen dieser Vorschrift nicht<br />

in dem gewünschten Maße nach. Bei ungefähr<br />

30 000 Unternehmen arbeitet kein einziger<br />

Schwerbehinderter…<br />

(Anm.d.Red.: Querschnittgelähmte arbeiten<br />

selten in der Schwerindustrie, auch in den<br />

behindertenwerkstätten sind sie eine kleine<br />

Minderheit. Aber das grundsätzliche Problem<br />

gilt für sie auch: Wenn Gewinnmaximierung<br />

der einzige Maßstab ist, haben Menschen<br />

mit einem Handikap in der Wirtschaft kaum<br />

Chancen. Dabei geht Potential verloren –<br />

wer mit einer Behinderung leben lernt, hat<br />

Fähigkeiten erworben, die durchaus erwarten<br />

lassen, dass er auch schwierigste Aufgaben und<br />

härtesten Bedingungen lösen kann …)<br />

Noch viel zu oft leben und arbeiten Menschen<br />

mit Behinderungen in Sondereinrichtungen.<br />

Artikel 19 der UN-Menschenrechtskonvention<br />

legt das Recht auf unabhängige und<br />

selbstbestimmte Lebensführung verbindlich<br />

fest. Der Staat soll mit Hilfe gemeindenaher<br />

Unterstützungsdienste und persönlicher<br />

Assistenz allen Menschen mit Behinderung<br />

ein Leben in der Wohnung ihrer Wahl und<br />

an einem Ort ihrer Wahl ermöglichen. Die<br />

Beseitigung von Barrieren aller Art soll das<br />

vorurteilsfreie Zusammenleben aller erreichen.<br />

Der Traum von einem selbstbestimmtem Leben<br />

und der Integration hinsichtlich Arbeit, Beruf<br />

und Gesellschaft, könnte bald wahr werden.<br />

Text: Heike Stüvel


Kleine Schule des guten Stehens<br />

Als ich vor 17 Jahren als Physiotherapeutin in der Klinik mit querschnittgelähmten<br />

Patienten zu arbeiten begann, lernte ich gerade noch die „alte Schule“ des Stehens<br />

mit Hilfsmitteln kennen: Sobald ein Patient ausreichend Armkraft hatte, um sich in<br />

den Stand hochzudrücken, wurden ihm „Schienenschellenapparate“ angefertigt und<br />

los ging es! Mit Hilfe dieser Schienen wurde verhindert, dass die Kniegelenke im<br />

Stand einknickten. Selbst bei komplett gelähmter Rumpfmuskulatur erlernte auf<br />

diese Weise jeder Patienten im Gehbarren das Stehen und Gehen ohne Rücksicht<br />

auf die unphysiologisch starke Belastung vieler Gelenke. Seitdem hat sich die<br />

Philosophie des Stehens zum Glück erheblich verändert.<br />

„Nicht um jeden Preis“ ist heute die Devise.<br />

Es wird darauf geachtet, dass beim Stehen<br />

Folgeschäden durch Überlastung von<br />

Gelenken, Bändern und anderen passiven<br />

Strukturen vermieden werden. Die besondere<br />

körperliche Belastung im Alltag eines<br />

Querschnittgelähmten ist sehr hoch und sehr<br />

einseitig. Entsprechend verantwortungsvoll<br />

sollte mit den körperlichen Ressourcen<br />

umgegangen werden, aber auch nichts<br />

ungenutzt bleiben. In diesem Beitrag möchte<br />

ich das Stehtraining aus orthopädischer Sicht<br />

beleuchten.<br />

Durch die einseitige sitzende Position für<br />

Rollstuhlfahrer ist die Stehfunktion eine wich-<br />

tige Ausgleichsposition fürdie Muskelelastizität,<br />

Gelenkbelastung und Elastizität des Kapsel-<br />

Bandapparates der Gelenke im Sinne der<br />

Kontrakturprophylaxe (Vorbeugung gegen<br />

Muskelverkürzung). Besonderes Augenmerk<br />

ist auf die Beckeneinstellung zu legen. Die<br />

Beckenposition bildet die Basis und definiert<br />

die Wirbelsäuleneinstellung in der Stehposition.<br />

In der Sitzposition eines Rollstuhlfahrers sind<br />

die hüftbeugenden Muskelgruppen ange-<br />

nähert. Das natürliche Bestreben eines Mus-<br />

Markt<br />

kels ist es, sich zusammenzuziehen. Schon<br />

bald nach dem Ereignis einer Querschnitt-<br />

lähmung/Bewegungsverlustes beginnen sich<br />

diese Muskelgruppen zu verkürzen, wenn<br />

sie nicht regelmäßig täglich durch eine Ver-<br />

änderung der Ausgangsstellung in Form des<br />

Stehtrainings verlängert bzw. gedehnt wer-<br />

den. Muskelverkürzungen treten besonders<br />

dann auf, wenn nur eine Funktion der hüft-<br />

beugenden Muskulatur besteht, aber der Ge-<br />

genspieler zur Hüftstreckung nicht aktiv ist.<br />

Moderne Sitz- / Stehtrainer sind so konzipiert,<br />

dass sie von der sitzenden Position in den Stand<br />

führen. Das Becken ist als Schlüsselpunkt durch<br />

die Sitzbeine auf der Sitzfläche verankert.<br />

Unterhalb des Beckens bilden die Oberschenkel<br />

einen Abstützpunkt und oberhalb die<br />

Brustpelotte – über die Wirbelsäule. Im Sitzen<br />

sind die Abstützpunkte winklig einander<br />

zugeordnet. Während des Aufrichtens kommt<br />

es zur zunehmenden lotrechten Ausrichtung.<br />

Das Aufstehen aus dem Sitz entspricht prinzi-<br />

piell dem natürlichen Verhalten von Fuß-<br />

gängern und die Zuordnung der Abstütz-<br />

punkte beschreibt räumlich den gleichen Weg.<br />

Der Unterschied liegt allerdings in der<br />

11


12<br />

Markt<br />

Stehen ohne ... ... und mit Entlordosierung<br />

Beckendrehbewegung bzw. Kippung nach<br />

hinten. Bei einem Fußgänger ist das Becken<br />

frei für diese entscheidende kleine Drehung<br />

um die Querachse und das führt zu dieser<br />

Rückkippung des Beckens. Sie wird automa-<br />

tisch muskulär geführt und findet kurz vor<br />

Erreichen des Standes statt. Die Lenden-<br />

wirbelsäule wird so natürlich gestreckt.<br />

Schwächstes Glied der Kette<br />

Wenn ein Rollstuhlfahrer mit einem Stehgerät<br />

in den Stand wechselt, drückt die Sitzfläche<br />

das Becken ebenso nach vorne. Aber die<br />

in die Sitzfläche eingetauchten Sitzbeine<br />

verhindern diese Rückkippung des Beckens,<br />

also die Drehung um die Querachse. Die<br />

Lendenwirbelsäule wird in ein starkes<br />

Hohlkreuz gezwungen – im Fachjargon<br />

auch „Hyperlordose“ oder „übertriebenes<br />

Hohlkreuz“ genannt. Die übrige Wirbelsäule<br />

stellt sich wie ein zu scharf gebogenes „S“ ein.<br />

Diese Hyperlordose führt zu einer Kompression<br />

in den Wirbelgelenken und längerfristig zur<br />

Lockerung der Bandstrukturen und anderen<br />

Sekundärproblemen. Normal wäre aber<br />

ein lang gestrecktes, abgeflachtes „S“. Zur<br />

Vermeidung dieser Hyperlordose müsste eine<br />

„entlordosierende“ Bewegung durch das<br />

Becken über eine Bewegung der Sitzfläche<br />

bewirkt werden.<br />

Wenn nun Verkürzungen der Hüftbeuger auch<br />

nur im geringsten Maße noch hinzukommen,<br />

wird der Effekt der Beckenrückkippung oder<br />

„Entlordosierung“ zusätzlich behindert. Eine<br />

Hüftstreckung wird trotz der Stehposition<br />

nicht erzielt und somit auch kein Aufdehnen<br />

der Hüftbeuger. Es geben also die vielen<br />

Gelenke der Wirbelsäule nach und werden<br />

zum schwächsten Glied der Kette.<br />

In unserer Physiotherapieabteilung haben<br />

wir verschiedene Systeme von allen<br />

marktführenden Stehgeräteherstellern. Nach<br />

individueller Auswahl und optimaler Anpassung<br />

können die Patienten die Systeme während des<br />

Klinikaufenthaltes im eigenverantwortlichen<br />

Training erproben. Für die häusliche Versorgung<br />

wird nach einer längerfristigen Erprobung, eine<br />

auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtete<br />

Stehversorgung verordnet.<br />

Becken richtig stellen<br />

In den vielen Jahre meiner Arbeit mit<br />

querschnittgelähmten Patienten ergab<br />

sich allerdings bei der Anpassung der<br />

Stehversorgungen immer wieder die<br />

Problematik der Beckenpositionierung.<br />

Bei den bisherigen Stehgeräten am<br />

Markt besteht nicht die Möglichkeit der<br />

physiologischen Beckenpositionierung im<br />

Sinne der Rückkippung zur Entlordosierung<br />

der Lendenwirbelsäule. Dies lässt sich nur<br />

unter therapeutischer Hilfestellung korri-<br />

gieren, wodurch die Selbstständigkeit und<br />

Eigenverantwortlichkeit stark eingeschränkt


wird. Es bedarf eines Entlordosierungssystems,<br />

die den Schlüsselpunkt „Becken“ an den<br />

Sitzbeinen in die Rückkippung führt. Weiterhin<br />

sollte der Abstand der Abstützpunkte oberhalb<br />

und unterhalb des drehenden Beckens um<br />

die Querachse durch die mobile Sitzfläche<br />

nicht zu groß sein. Statt einer Brustpelotte,<br />

die zu viele bewegliche Gelenke inkludiert,<br />

ist eine Abstützung durch eine Bauchpelotte<br />

erheblich günstiger zur Entlordosierung der<br />

Lendenwirbelsäule. Mit einem solchen System<br />

wäre eine Entlastung der passiven Strukturen<br />

zur verbesserten Wirbelsäuleneinstellung zu<br />

erreichen.<br />

Gemeinsam mit der Firma EasyStand habe<br />

ich Lösungen zu dieser biomechanischen<br />

Problematik erarbeitet, worauf hin das<br />

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Bild zeigt: Neue 6-Wege-Sitzverstellung für Kleinbusse.<br />

DIE MOBILITÄTSMANUFAKTUR<br />

Behindertengerechter Fahrzeugumbau zum Anfassen!<br />

oben beschriebene Entlordosierungssystem<br />

entwickelt wurde, um eine optimale Becken-<br />

einstellung in den EasyStand Stehtrainern zu<br />

erzielen.<br />

Mit dem neu entwickelten „Entlordosierungs-<br />

system“ ist eine entscheidende Verbesserung<br />

für das Stehtraining Querschnittgelähmter und<br />

neurologisch betroffener Patienten gefunden<br />

worden, welche nahezu jedem Patienten<br />

die Möglichkeit gibt, seine Gesundheit und<br />

Lebensqualität in Eigentherapie zu schützen<br />

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Text: Annette Ocker, Physiotherapeutin<br />

KADOMO GmbH • Bundesweiter Service • Beratung unter: 02173-2044600 • www.KADOMO.de<br />

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Ansprechpartner:<br />

Frank Rösner<br />

Tel. 02173-2044620<br />

Hakki Yavuzyasar<br />

Tel. 02173-2044617<br />

Udo Späker<br />

Tel. 02173-2044615


14<br />

Gesetz und Wirklichkeit:<br />

Mit dem Rolli zur Schule<br />

Seit Anfang 2009 gilt auch in Deutschland die UN-Behindertenkonvention. Sie fordert<br />

so genannte „inklusive Schulen“, in denen Kinder mit und ohne Behinderungen<br />

gemeinsam miteinander und voneinander lernen. Um solche Schulen zu unterstützen,<br />

wurde im letzten Jahr der „Jakob Muth-Preis für inklusive Bildung“ als ein Projekt<br />

der Bertelsmann-Stiftung ausgeschrieben und zum ersten Mal verliehen.<br />

Djamal und seine Mutter müssen häufig gemeinsam<br />

Hindernisse überwinden.<br />

Gleich drei Schulen sind die gleichberechtigten<br />

Preisträger: die Erika-Mann-Grundschule (Ber-<br />

lin), die Integrierte Gesamtschule Linden<br />

(Hannover) und die Sophie-Scholl-Schule<br />

(Gießen). Für ihren vorbildlichen gemeinsamen<br />

Unterricht von behinderten und nicht be-<br />

hinderten Kindern erhalten die drei Schulen<br />

jeweils ein Preisgeld von 3 000 EURO.<br />

Es gibt sie also doch, die empfehlenswerten<br />

Schulen, die sich auf den Weg gemacht haben,<br />

um inklusive Schulen zu werden. Das tröstet<br />

ein wenig. In normalen Schulen ist der Alltag<br />

für Kinder im Rollstuhl nämlich nicht unbedingt<br />

empfehlenswert. Der 11-jährige Djamal aus<br />

Potsdam zum Beispiel erfährt gerade, dass<br />

er als Rollstuhlfahrer nicht so einfach von der<br />

Grundschule auf das Gymnasium wechseln<br />

kann. Bisher geht er als Integrationskind in<br />

die evangelische Grundschule der Hoffbauer-<br />

Stiftung. Die meisten seiner Freunde werden<br />

im Sommer in das Gymnasium der Stiftung<br />

wechseln, das nur ein paar Kilometer entfernt<br />

auf der Halbinsel Hermannswerder liegt. Ein<br />

schönes altes Gebäude, das leider unter<br />

Denkmalschutz steht. Ein behindertengerechter<br />

Umbau ist offenbar nicht möglich oder<br />

jedenfalls von den Kosten her nicht realisierbar.<br />

Schulen haben andere<br />

Prioritäten<br />

Also machten Djamal und seine Mutter Karin<br />

Lehnert sich auf die Suche nach Alternativen.<br />

Im Ortsteil Kirchsteigfeld gibt es zwar eine<br />

barrierefreie Gesamtschule, aber die beiden<br />

fühlten sich in dem dortigen Umfeld spontan<br />

nicht richtig wohl.Das nächsterollstuhlgerechte<br />

Gymnasium liegt in Kleinmachnow, einer zu<br />

Berlin gehörenden Gemeinde. Die Schule


ist bestens für Rollstuhlfahrer geeignet und<br />

„einfach cool“, wie Djamal zugibt. Vor allem<br />

gefällt dem Technikfreak die Ausstattung<br />

mit Notebooks, SMART Boards und höhen-<br />

verstellbaren Tischen.<br />

Andererseits würde ein Schulbesuch in<br />

Kleinmachnow für Djamal bedeuten, dass er<br />

sehr früh vom Fahrdienst abgeholt werden<br />

müsste. Noch wichtiger ist vielleicht, dass<br />

der Kontakt zu den bisherigen Freunden<br />

wahrscheinlich abbrechen würde. Das alles<br />

ließe sich durch den Bau eines Aufzuges<br />

vermeiden, eine eigentlich relativ einfache<br />

Angelegenheit. „Das Problem betrifft ja nicht<br />

nur uns“, beschreibt Djamals Mutter. „Es<br />

gibt doch auch Eltern im Rollstuhl, die zum<br />

Beispiel Elternsprechstunden besuchen wollen.<br />

Aber die Schulen haben leider einfach andere<br />

Prioritäten“.<br />

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Was ist Inklusion?<br />

Bei den Schulen, die den „Jakob Muth-<br />

Preis für inklusive Bildung“ erhalten haben,<br />

ist das anders. Für den Preis haben sich<br />

144 Schulen beworben. Bei ihnen steht der<br />

Integrationsgedanke an erster Stelle. Hier<br />

wird Kindern vermittelt, dass sie mit ihren<br />

Bedürfnissen nicht unwichtig sind, auch<br />

wenn sie im Rollstuhl sitzen oder andere Be-<br />

sonderheiten haben. Im Gegenteil: das ge-<br />

meinsame Lernen steht hier an erster Stelle.<br />

Seit Anfang 2009 ist die UN-Behinderten-<br />

konvention auch in Deutschland verbindlich.<br />

Sie fordert in Artikel 24 ein inklusives<br />

Schulsystem, eine Schule, in der Kinder mit<br />

und ohne Behinderung wohnortnah und ge-<br />

meinsam gemäß ihrer individuellen


16<br />

Die Erika Mann-Grundschule Berlin arbeitet „inklusiv“.<br />

Bedürfnisse unterrichtet werden. Mit Inklusion<br />

ist etwas anderes gemeint als mit der in<br />

Deutschland bekannten Integration. Bei der<br />

Integration soll sich der behinderte Mensch<br />

anpassen, um in Schule und Gesellschaft mit<br />

dabei sein zu können. Eine inklusiveGesellschaft<br />

grenzt behinderte Menschen mit ihren<br />

Bedürfnissen gar nicht aus, sondern bezieht<br />

sie von Anfang an ein. Sie geht nicht von der<br />

so genannten Normalität aus, sondern von der<br />

Individualität und Vielfalt der Menschen.<br />

Die Forderung nach einem inklusiven<br />

Schulsystem ist damit rechtlich verbindlich.<br />

Deutschland ist von diesem Ziel allerdings noch<br />

weit entfernt: Bei uns finden nur 15 Prozent<br />

der jungen Menschen mit Behinderungen<br />

einen Platz in einer allgemeinen Schule. Vor<br />

allem in Gymnasien und Realschulen sind<br />

behinderte Jungen und Mädchen selten,<br />

„nahezu unbekannt“, wie Marianne Demmer,<br />

stellvertretende Vorsitzende und Schulexpertin<br />

der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

es ausdrückt. Djamal hat mit seinem Bedürfnis<br />

nach einem barrierefreien Gymnasium schon<br />

dafür gesorgt, dass er nicht mehr unbekannt<br />

ist. In Potsdamer Zeitungen wurde viel über<br />

ihn und die Notwendigkeit von Aufzügen<br />

geschrieben. Ein erster Schritt in Richtung<br />

Inklusion?<br />

Text: Ruth Auschra<br />

Fotos: Auschra, Ulfert Engelkes


18<br />

Integration durch Technik:<br />

Auto-Mobilität<br />

Während bei den meisten der Autokäufer Spritverbrauch, PS oder Komfort Ent-<br />

scheidungskriterien sind, stehen bei Autofahrern mit Mobilitätseinschränkungen<br />

ganz andere Fragen im Vordergrund. So unterschiedlich wie die Wünsche und<br />

Vorstellungen dieser Autokäufer, sind oftmals die körperlichen Beeinträchtigungen.<br />

Für die technische Umsetzung der individuellen Umrüstlösungen arbeiten einige<br />

Autohäuser mit Spezialfirmen wie „Paravan“ zusammen. Ford forciert Spezialfahr-<br />

zeug-Verkäufe. Starke Wettbewerber auf dem Markt sind auch Opel, Volkswagen,<br />

Fiat und der französische Konzern PSA (Citroen, Peugeot).<br />

Erik Stelzer, Arnold Schnelle, Michael Süfke,<br />

Erich Mundolf, Nedjet Muran, Siegmund<br />

Neumann und Sven Markgraf kämen niemals<br />

auf die Idee, sich der Spezialeinbauten zu<br />

schämen, die in die Papiere eingetragen<br />

wurden. Sie haben ihre Behinderung<br />

angenommen und genießen in ihrem speziellen<br />

Auto die Freiheit der Mobilität.<br />

Erik fährt einen Zafira Nivo 1.9 CDTI, der<br />

als Absenkauto konzipiert ist: Über die<br />

hinteren Stoßdämpfer kann der 110 kW/150<br />

PS starke Kompaktvan abgesenkt und eine<br />

Ford C-Max, u.a. mit Joystick Lenkung.<br />

Rampe ausgeklappt werden. Der sehr flache<br />

Steigungswinkel ermöglicht eine bequeme<br />

Einfahrt mit dem Rollstuhl ins Fahrzeug.<br />

Arnold fährt einen Ford C-Max mit Joystick<br />

Lenkung und einem „Blibber“ (Knopf für den<br />

linken Fuß, mit dem er Blinken, Aufblenden<br />

und Scheibenwischen kann). Ohne fremde<br />

Hilfe kann er aus dem Fahrersitz in den<br />

Rollstuhl wechseln. Erich bedient sich in seinem<br />

C-Max des Rollstuhlverladesystems durch eine<br />

Schwenktür, welche die normale Hintertür auf<br />

der Fahrerseite ersetzt. Ohne Hilfe kann er<br />

aus dem Fahrersitz in den Rollstuhl wechseln.<br />

Nedjet schwört auf seinen Focus Turnier mit<br />

Handbedienung für Gas und Bremse, Dreh-<br />

knopf für die Lenkung und einem ortho-<br />

pädischen Recaro-Fahrersitz.<br />

Michael fährt einen Mondeo-Diesel mit<br />

Handgas und -bremse sowie Lenkdrehknopf<br />

und verfügt über einen Lifter, der den<br />

Rollstuhl auf dem Dach verstaut. Siegmund<br />

steuert einen Tourneo Connect, der über eine<br />

Auffahrtsrampe mit Bodenverankerung für<br />

seinen Rollstuhl verfügt und Sven freut sich<br />

über seinen Ford Fusion, bei dem er mit der<br />

Hand Gas, Bremse und Lenkung bedienen


kann. Er nutzt von der Fahrertür aus eine<br />

Verladehilfe, die den Rollstuhl vollautomatisch<br />

hinter dem Fahrersitz verstaut.<br />

Zuschüsse für Kauf und Umbau<br />

Ford beschränkte sich im behindertengerech-<br />

ten Tagungszentrum Pforzheim-Hohenwart<br />

nicht nur auf die Präsentation von bei Ford<br />

gebauten behindertengerechten Fahrzeugen,<br />

sondern lieferte auch Beratung, was die<br />

Finanzierung eines solchen Autos angeht.<br />

„Die Bundesagentur und Rentenversicherung<br />

unterstützen Behinderte bei der Anschaffung<br />

und dem Umbau eines Fahrzeugs“, so<br />

Günter Sührer, Leiter des Technischen<br />

Beratungsdienstes von der Bundesagentur<br />

für Arbeit. Jeglicher Zuschuss zum Kauf<br />

oder zum Umbau eines Autos für einen<br />

Behinderten muss nach den Vorschriften der<br />

KfzHV (Kraftfahrzeughilfeordnung) vor der<br />

Anschaffung beantragt werden, da es sonst<br />

kein Geld gibt. Folgende Voraussetzungen<br />

müssen für die Unterstützung erfüllt sein: Der<br />

Behinderte darf nicht nur vorübergehend auf<br />

die Benutzung seines Fahrzeugs angewiesen<br />

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sein. Der Antragsteller benötigt das Fahrzeug,<br />

um zu seinem Arbeits- bzw. Ausbildungs-<br />

platz zu kommen.<br />

Auch für Nichtberufstätige ist es möglich,<br />

durch einen entsprechenden Antrag finanzielle<br />

Unterstützung beim Kauf eines Autos zu<br />

bekommen. (Allerdings handelt es sich um<br />

„Kann-Bestimmungen“, angesichts leerer<br />

Kassen steht eine Bewilligung eher in den<br />

Sternen; Anm.d.Red.) Voraussetzung ist<br />

dabei immer, dass der Betroffene durch Art<br />

und Schwere des Handikaps zwingend auf<br />

ein Auto angewiesen ist, um überhaupt am<br />

öffentlichen und kulturellen Leben teilnehmen<br />

zu können. Außerdem muss gewährleistet<br />

sein, dass der behinderte Mensch entweder<br />

selbst fahren kann, oder dass jemand anders<br />

als Fahrer fungiert. Der Kaufpreis des Autos<br />

(ohne behindertengerechte Ausstattung) wird<br />

mit maximal 9 500 € bezuschusst, wobei<br />

das Einkommen berücksichtigt wird. Die<br />

behindertengerechte Ausstattung wird in voller<br />

Höhe übernommen. Finanzielle Unterstützung<br />

gibt es auch zum Erreichen der Fahrerlaubnis.<br />

Der Antrag auf Kostenbeteiligung und zur<br />

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19


20<br />

Erlangung der Fahrerlaubnis muss vor-<br />

her gestellt werden. Eine mögliche Steuer-<br />

befreiung beziehungsweise die Höhe einer<br />

Steuerermäßigung für das persönlich genutzte<br />

Fahrzeug richtet sich nach dem Vermerk im<br />

Schwerbehindertenausweis.<br />

Auch wer noch keinen Führerschein hat,<br />

kann ihn trotz körperlicher Einschränkungen<br />

in Angriff nehmen. Durch den „Antrag auf<br />

Fahrerlaubnis“ wird geprüft, wer unter welchen<br />

Bedingungen am Straßenverkehr teilnehmen<br />

darf. Ratsam ist aber, diese Aufgabe der<br />

Fahrschule zu übergeben, da sie über das<br />

nötige Hintergrundwissen verfügt und schon im<br />

Vorfeld klären kann, ob bestimmte Gutachten<br />

und Tests notwendig sind.<br />

Ausführliche Informationen zur Rechtslage,<br />

Führerscheinerwerb, Voraussetzungen der<br />

Kostenübernahme sowie nötigen Gutachten<br />

finden sich auch in der Opel-Broschüre „Mehr<br />

Mobilität. Mehr Möglichkeiten.“ Diese und<br />

weitere Infobroschüren liegen bei den Opel-<br />

Handelspartnern für alle Interessierten bereit.<br />

Selbstständigkeit und<br />

Unabhängigkeit<br />

Mobil heißt weit mehr als bloße<br />

Ortsveränderung von A nach B. Es bedeutet,<br />

aktiv am Leben teilnehmen zu können, einen<br />

Beruf auszuüben, soziale Kontakte zu pflegen,<br />

etwas mit der Familie zu unternehmen und<br />

kulturelle Kontakte zu pflegen. Mobilität<br />

bedeutet nicht zuletzt Selbstständigkeit und<br />

Unabhängigkeit. Ein Instrument für diese<br />

Verwirklichungen ist das Auto.<br />

Die Gruppe der Autofahrer mit Mobilitäts-<br />

einschränkungen umfasst in Deutschland ca.<br />

1,6 Mio. Aufgrund umfangreicher Forschungs-<br />

Opel Insignia Sportstourer.<br />

aktivitäten, beispielsweise zur Ergonomie, ist<br />

Fords Modellfamilie nach eigenen Angaben<br />

bestmöglich auf die Bedürfnisse dieses Perso-<br />

nenkreises zugeschnitten. Alle Modelle sollen<br />

sich für behindertengerechte Umbauten eig-<br />

nen, für die das Unternehmen einige Part-<br />

ner anbietet. Interessenten kaufen bei Ford<br />

ihr Fahrzeug und lassen es dann umbauen.<br />

2008 hat das Unternehmen 4 700 Behin-<br />

dertenfahrzeuge verkauft und will diese<br />

Menge im Jahre 2009 auf 5400 erhöhen. Dabei<br />

erfreut sich der Focus der größten Beliebtheit.<br />

Mit einem großen Produktangebot und<br />

individuellen Umbaumöglichkeiten für alle<br />

gängigen Fahrzeugmodelle sämtlicher Her-<br />

steller bietet der Spezialist REHA Group<br />

Automotive Menschen mit Bewegungsein-<br />

schränkungen jeglicher Art kompetente Hilfe<br />

an. Die Kooperation mit Opel macht es dem<br />

Betroffenen noch einfacher, sein Wunschfahr-<br />

zeug bedarfsgerecht auszustatten. Ob Pkw<br />

oder Nutzfahrzeug – das Hildener Unter-<br />

nehmen realisiert Umbauten für die gesamte<br />

Opel Modellpalette.<br />

Neben der bereits intensiven Beratung zu<br />

Umbaumöglichkeiten der Fahrzeuge und den<br />

allgemeinen rechtlichen Bestimmungen und<br />

Voraussetzungen haben die REHA-Experten<br />

einen speziellen Kfz-Schutzbrief für behinderte<br />

Menschen entwickelt, der für eine erweiterte


Mobilität sorgt. Sowohl das Auto als auch der<br />

Kunde selbst werden direkt zum jeweiligen<br />

Spezialumbauer gebracht – unabhängig von<br />

dessen Standort – und nicht nur zum nächst-<br />

gelegenen Händler. Zudem wird eine Fahrzeug-<br />

Versicherung angeboten, die eine kostenfreie<br />

Mitversicherung des Fahrzeugumbaus bis zu<br />

150 000 € einschließt. Bei weitergehenden<br />

Rechtsfragen konnte der Verein „Mobil durchs<br />

Leben“ gewonnen werden. Fachkundige An-<br />

wälte bieten damit für Behinderte eine<br />

Interessenvertretung. Durch diese Bausteine<br />

erhält der Kunde bei der REHA-Group<br />

Automotive sein individuelles Produkt sowie<br />

Dienstleistungen aus einer Hand.<br />

Das schwäbische Unternehmen Paravan baut<br />

Fahrzeuge so um, dass man seinen genau<br />

auf die eigene Behinderung abgestimmten,<br />

„Maßanzug“ auf Rädern bekommt. Welches<br />

Fahrzeug gewählt wird, ist nur eine Frage<br />

des Geschmacks und des Geldbeutels. Den<br />

Löwenanteil des Umsatzes erzielt das Unter-<br />

nehmen damit, dass Vans auseinandergesägt<br />

und mit einem besonderen Unterbau bestückt<br />

werden, so dass Rollstuhlfahrer über eine<br />

Rampe ins Fahrzeug gelangen. Auch können<br />

Querschnittgelähmte, Einarmige, Menschen<br />

ohne Beine oder Kleinwüchsige, mit einem Joy-<br />

stick ihre individuelle elektronische Steuerung<br />

für das Auto bekommen. Diese Technologie<br />

kommt aus dem Flugzeugbau. Paravan hat<br />

sie sich unter dem Namen „Space Drive“<br />

patentieren lassen. Tobias Schönleber, Leiter<br />

für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei<br />

Paravan: „Wer damit fahren will, muss ziemlich<br />

umdenken, aber Paravan bietet auch einen<br />

Verkehrsübungsplatz zum Austesten an.“<br />

Text: Heike Stüvel<br />

Fotos: Hersteller<br />

-Anzeige-


22<br />

Markt<br />

KADOMO sucht nach der besten Lösung:<br />

Autoumrüstung – einfach gut<br />

Rollstuhlfahrer nutzen ihre Hände, um ihr Auto zu lenken, beschleunigen oder<br />

abzubremsen. Laut Führerschein sollen sie auch noch blinken und hupen können<br />

ohne das Lenkrad loszulassen.<br />

Die Firma KADOMO („…und Du KAnnst DOch<br />

MObil sein“) aus dem rheinischen Monheim<br />

verwendet zur Lösung dieses Problems einen<br />

am Handbediengerät befestigten „Plug<br />

& Play Commander“, der alle Licht- und<br />

Wischerfunktionen auf Fingertipp ausführen<br />

kann, ohne dass man das Steuer oder die<br />

Bremse aus der Hand geben muss. Die einfach<br />

zu installierende Technik bietet gleich mehrere<br />

Vorteile: Zur Zeitersparnis beim Einbau, die<br />

für den Endkunden weniger Kosten verur-<br />

sacht, kommt noch der je nach Fahrzeug-<br />

modell geringe bis ausbleibende Eingriff in<br />

die Kfz-Verkabelung.<br />

Die junge Umrüstfirma, die erst Anfang 2009<br />

gegründet wurde, hat schon jetzt eine hohe<br />

Kundenbindung. Das liegt an der Erfahrung<br />

der Mitarbeiter des Unternehmens, immerhin<br />

zwei von ihnen selbst querschnittgelähmt,<br />

einer davon Marketing-Mann Udo Späker.<br />

Soziales Gewissen<br />

Am Anfang einer Pkw-Umrüstung steht oft der<br />

Kundenwunsch: „Ich will selbst Auto fahren.“<br />

KADOMO siehtsich hier in derBeratungspflicht,<br />

will auch dem Betroffenen helfen, notwendige<br />

Voraussetzungen zu klären: Wie ist es z.B. um<br />

die körperliche Fähigkeiten bestellt, etwa die<br />

Sitzstabilität oder die Greiffunktion. Dann gilt<br />

es einen Weg aufzuzeigen, um die gewünschte<br />

Mobilität zu erreichen. Wichtig ist es nun in alle<br />

Richtung zu informieren und die verschiedenen<br />

technischen Möglichkeiten abzuwägen. Auch<br />

wenn das bedeutet, nicht jeden EURO aus<br />

dem Auftrag heraus zu holen, gilt: „Die<br />

beste Lösung ist meist nicht die teuerste“,<br />

betont Udo Späker. Auch Fragen nach einem<br />

evtl. Kostenträger z.B. bei Berufstätigen,<br />

evtl. aber auch bei regelmäßig gemeinnützig<br />

engagierten Kunden wollen geklärt werden,<br />

eine Rechtsberatung ist allerdings nicht<br />

zulässig. Gerade Menschen, die eigentlich<br />

nicht genug Geld für ein eigenes Auto haben,<br />

können Zuschüsse z.B. von Stiftungen helfen.<br />

KADOMO begreift sich als Firma mit sozialer<br />

Verantwortung, erläutert Späker.<br />

So gibt es auch für die wachsende Gruppe<br />

der Selbstzahler günstige Lösungen. Selbst<br />

Menschen mit ganz kleinem Geldbeutel<br />

soll Mobiliät ermöglicht werden, z.B. mit<br />

günstigen, einfach aber gut und sinnvoll<br />

konstruierten Handbedienungen für Gas und<br />

Bremse. Udo Späker nennt ein Beispiel: Ein<br />

Paraplegiker wollte die Handbedienung aus<br />

seinem alten Auto mitnehmen, hatte bereits<br />

ablehnende Antworten von anderen Anbietern<br />

bekommen. Mit etwas Geschick und geringen<br />

Modifikationen war der Umbau letztlich doch<br />

kostengünstig realisierbar.<br />

„Klarheit und Transparenz“<br />

So lautet das Prinzip der „Mobilitäts-<br />

manufaktur“, wie sich KADOMO auch nennt.<br />

Eine großzügige Verglasung zur Werkstatt hin<br />

symbolisiert diesen Anspruch. Bescheidenheit<br />

gehört auch zum Stil, man will nicht der


Firmensitz in Monheim.<br />

Größte sein, nicht überall der Beste, sondern<br />

ein zuverlässiger Partner, wo man gern wieder<br />

hingeht. Zusammenarbeit mit allen Anbietern<br />

von Umrüstlösungen, auch Mitbewerbern,<br />

sowie die Verwendung von gebrauchten Teilen<br />

istdie Voraussetzung für optimale Flexibilität. So<br />

lassen sich Gesamtlösungen zusammenstellen,<br />

die für den Kunden die besten sind. Oft<br />

entsteht dabei eine familiäre Verbindung, Nähe<br />

erleichtert die Kommunikation. Es ist schließlich<br />

von Vorteil, wenn man dem Autoumrüster<br />

nicht erst erklären muss, dass z.B. eine auf<br />

den ersten Blick nicht sichtbare verdrehte<br />

Wirbelsäule ein Spezial-Polster erfordert.<br />

Stolz ist man bei KADOMO auf einige<br />

Spezialumrüstungen. So wurde in einem<br />

Opel-Insignia-Kofferraum ein elektrisch heraus<br />

fahrbarer Boden mit einem Kran für einen<br />

„Minitrac“ konstruiert und installiert. Eine<br />

andere Besonderheit ist die Auswahl von<br />

fünf kompakten Elektrorollstühlen, mit denen<br />

Tetraplegiker direkt hinters Lenkrad fahren<br />

können, um ihr Fahrzeug selbst zu steuern.<br />

Ein weiteres Beispiel ist der Kleinbus für eine<br />

Mutter mit zwei querschnittgelähmten Kindern:<br />

Zwei Sitze links und rechts schwenken aus dem<br />

Fahrzeug und bewegen sich elektrisch auf und<br />

ab, damit sie die beiden nicht ständig selbst<br />

heben muss. Inzwischen ist KADOMO auch<br />

Hersteller. Ganze 10 Produkte gibt es ohne<br />

Markt<br />

Zwischenhandel direkt beim Produzenten<br />

– kostengünstig für Endkunden und ohne<br />

Verzicht auf Qualität.<br />

Als Lob empfindet die Firma auch die Zerti-<br />

fizierungen, z.B. „ISO 9001.2008“ durch<br />

den TÜV Nord. Dafür müssen strenge<br />

Anforderungen erfüllt werden, etwa repro-<br />

duzierbare Prozesse, stetige Verbesserung,<br />

Dokumentation, Kundenbefragungen, Entwick-<br />

lungen. Auch die Qualitätsanforderungen des<br />

französischen Herstellers „Agrément Carrossier<br />

Renault“ wurden erfüllt. Zu guter Letzt wurden<br />

die Monheimer jetzt auch noch „Qualified<br />

Partner Van Mercedes-Benz“.<br />

Text: Peter Mand<br />

Fotos: KADOMO<br />

Kontakt:<br />

Mobilitätsmanufaktur<br />

KADOMO GmbH<br />

Am Kieswerk 2<br />

40789 Monheim am Rhein<br />

Tel.: 0 21 73-20 44 600<br />

E-Mail:<br />

u.spaeker@kadomo.de<br />

www.kadomo.de<br />

KADOMO-Marketing-Mann<br />

Udo Späker.<br />

23


24<br />

Unterstützung bei der <strong>Teilhabe</strong>:<br />

Ergotherapie – Training für den Alltag<br />

„Ergotherapie“ stammt von dem griechischen Wort „ergon“ ab und bedeutet tun,<br />

handeln, arbeiten. Damit umreißt die Bezeichnung das wesentliche Merkmal des<br />

Berufsbildes: Jemanden dazu befähigen, zu handeln und damit so selbstbestimmt<br />

wie möglich seinen Alltag zu gestalten. Die Wiedergewinnung von Selbstständigkeit,<br />

Lebensqualität sowie die <strong>Teilhabe</strong> am Leben in der Gesellschaft sind wesentliche Ziele<br />

der Rehabilitation.<br />

Ergotherapie wird vom behandelnden Arzt<br />

verordnet und er entscheidet, wann sie be-<br />

ginnen kann. Insgesamt gilt auch hier: Je<br />

eher, desto besser. Die Befundaufnahme und<br />

Therapie kann bereits bei einem frisch ver-<br />

letzten Querschnittgelähmten auf der Intensiv-<br />

station starten.<br />

Rehabilitation bedeutet Teamarbeit: Ergo-<br />

therapeuten arbeiten eng mit allen Berufs-<br />

gruppen zusammen, die auch mit der Reha-<br />

bilitation des Querschnittgelähmten zu tun<br />

haben. Es finden regelmäßige fachliche<br />

Austausche statt, um gemeinsam das Optimale<br />

für den Betroffenen zu bewirken. So erfolgt<br />

eine Abstimmung der Therapie z.B. mit dem<br />

behandelnden Arzt, dem Pflegepersonal,<br />

dem Physiotherapeuten, Logopäden, Sozial-<br />

arbeitern und dem Psychologen. Auch mit der<br />

Orthopädie- und Medizintechnik, dem Archi-<br />

tekten, dem Arbeitsamt, einem Handicap-<br />

Fahrlehrer sowie externen Spezialfirmen<br />

werden die Behandlungsschwerpunkte koor-<br />

diniert. Nur mit einer guten Teamarbeit ist<br />

das primäre Rehabilitationsziel, das Wieder-<br />

erlangen der größtmöglichen Selbstständig-<br />

keit im Alltag zu erreichen.<br />

Am Anfang der Therapie wird immer eine<br />

intensive Befundaufnahme durchgeführt. Ge-<br />

meinsam mit dem Patienten werden Nah-<br />

und Fernziele besprochen. Es werden ver-<br />

lorengegangene Fähigkeiten wieder trainiert<br />

oder Ersatzstrategien zur Kompensation er-<br />

arbeitet. Häufig ist der Einsatz von Hilfsmitteln<br />

notwendig, deren Anwendung intensiv ein-<br />

geübt wird. Die Therapie kann sowohl in<br />

Einzel- als auch Gruppentherapie stattfinden.<br />

Die Behandlungen können in der Klinik, in<br />

einer ergotherapeutischen Praxis oder beim<br />

Patienten zuhause stattfinden. Die Behand-<br />

lungsdauer beträgt ca. 45 Minuten. Nach<br />

Möglichkeit sollten die Angehörigen in die<br />

ergotherapeutische Behandlung mit einbe-<br />

zogen werden. Bei der Beratung und der<br />

Anleitung sollen auch sie unterstützt werden<br />

mit der neuen Situation umzugehen und<br />

den querschnittgelähmten Patienten nicht zu<br />

bevormunden.<br />

Therapieziele<br />

Wichtige Voraussetzungen sind das Erreichen<br />

einer Sitzbalance, die Fähigkeit zum Lage-<br />

wechsel und das Greifen und Loslassen von<br />

Gegenständen auf verschiedene Art und<br />

Weise. So ist zum Beispiel bei einer Lähmung<br />

der Hand- und Fingerfunktion entscheidend,<br />

dass die Hände von Anfang an richtig mit<br />

Lagerungsschienen gelagert werden. Die


Gelenke werden mobilisiert und eine Funk-<br />

tionshand ausgebildet. Ist die Läsion unter-<br />

halb von (Halswirbel) C 6 kann eine aktive<br />

Funktionshand trainiert oder die Handha-<br />

bung der Funktionsschienen gezeigt werden.<br />

Es werden außerdem Sinnes- und Körper-<br />

wahrnehmung geschult, krankhafte Bewe-<br />

gungsmuster gehemmt und normale Bewe-<br />

gungsabläufe erarbeitet.<br />

Aktivitäten des täglichen<br />

Lebens<br />

Das Wiedererlangen der Kontrolle über die<br />

primären Aktivitäten des täglichen Lebens<br />

ist ein zentrales Ziel in der Rehabilitation<br />

von querschnittgelähmten Patienten. Schon<br />

in der Klinik übt der Ergotherapeut mit dem<br />

Patienten:<br />

-Anzeige-<br />

•die Selbsthilfe im Badezimmer: Hierzu zählt<br />

zum Beispiel die Körperpflege wie Zähne<br />

putzen, waschen, Haare kämmen, rasieren<br />

und eincremen<br />

•das An- und Ausziehen<br />

•Ess- und Schlucktraining<br />

•Übung von sicheren Transfers in und aus<br />

dem Rollstuhl und seine Handhabung<br />

Hilfsmittel, die bei diesen Verrichtungen des<br />

Alltags helfen können, sind u.a. die sogenannte<br />

Tetraschlaufe, eine Rückenbürste, ein Dusch-<br />

oder Toilettenrollstuhl, das Rutschbrett, die<br />

Sockenanziehhilfe, eine Greifzange und in-<br />

dividuell adaptiertes Besteck. Im Rahmen der<br />

Ergotherapie wird der Patient über Hilfsmittel<br />

beraten und deren Anwendung trainiert.<br />

Individuelle Kompensationsbewegungen wer-<br />

den erarbeitet.<br />

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26<br />

Vorbereitung auf den Alltag<br />

zuhause<br />

Anpassung von der Wohnung/dem Haus und<br />

der Wohnumgebung: Bevor die Entlassung aus<br />

der Klinik in das häusliche Umfeld stattfindet,<br />

informiert sich die Ergotherapeutin über die<br />

individuelle Wohn- und Lebenssituation des<br />

Patienten. Hierzu zählt z.B. die Abklärung,<br />

ob es sich im Fall einer Wohnung um eine<br />

Eigentums- oder Mietwohnung handelt. In<br />

dem Gespräch sollte mit einem Architekten,<br />

dem Betroffenen, dessen Angehörigen sowie<br />

dem Wohnungseigentümer eine Abklärung<br />

der Wohnsituation vor Ort stattfinden. Hierbei<br />

werden die baulichen Gegebenheiten wie<br />

zum Beispiel der Hauszugang, die Türbreiten,<br />

Schwellen, Treppen, die Höhe der Steckdosen<br />

und Schalter und der Wenderadius in den<br />

Räumen begutachtet.<br />

Der Ergotherapeut kennt die funktionellen<br />

Fähigkeiten des Patienten und kann dessen<br />

künftige Möglichkeiten abschätzen. Er kann<br />

vor Ort sehen, welche Hilfsmittel und welche<br />

Umbaumaßnahmen voraussichtlich notwendig<br />

sind, um die individuellen Bedürfnisse des<br />

Patienten zu erfüllen (z.B. Treppenlift, Ram-<br />

pen, Haltegriffe). Diese sind auch abhängig<br />

von den Tätigkeiten des Querschnittgelähmten<br />

im Alltag. Auch Aspekte wie das Alter, kultu-<br />

relle und finanzielle Gegebenheiten werden<br />

bei der Besichtigung und Bedarfsabklärung<br />

mit einbezogen. Dadurch soll sichergestellt<br />

werden, dass alle notwendigen Maßnahmen<br />

Auch die Bewältigung des<br />

Haushalts kann trainiert werden.


getroffen werden und der Patient seine<br />

Tätigkeiten im häuslichen Umfeld wieder so<br />

selbstständig wie möglich ausführen kann<br />

und so wenig wie möglich auf die Hilfe von<br />

anderen angewiesen ist.<br />

Bei der Begutachtung wird neben der Woh-<br />

nung bzw. dem Haus auch die Wohnumge-<br />

bung betrachtet. Neben dem Zurechtkommen<br />

in den eigenen vier Wänden ist es auch<br />

wichtig, möglichst problemlos zu ihr zu<br />

gelangen. Aspekte wie der Bodenbelag vor<br />

dem Eingang (Kies, Sand, Plattenbeläge), die<br />

Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel und<br />

die Parkmöglichkeit mit dem Auto zählen<br />

hierzu.<br />

Koch- und Haushaltstraining: Beim Kochtrai-<br />

ning wird das Zubereiten einer Mahlzeit, das<br />

Transportieren einer heißen Pfanne und das<br />

Kochen am Herd aus einer neuen Perspektive<br />

erlernt. Im Rahmen der Ergotherapie werden<br />

Kompensations-, und Trickbewegungen als<br />

auch Hilfsmittel wie der Knietisch vorgestellt<br />

und zusammen mit dem Patienten praktisch<br />

erprobt. Zusätzlich zur Einzeltherapie wird<br />

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z.T. auch Kochen in einer Gruppe angeboten.<br />

Der gegenseitige Erfahrungsaustausch und das<br />

Lernen voneinander sind auch für die Psyche<br />

gut.<br />

Sehr wichtig ist auch das Haushaltstraining,<br />

bei dem Tätigkeiten wie das Staubsaugen<br />

und Bügeln sowie der Umgang und Gebrauch<br />

mit Alltagshilfen erarbeitet oder verbessert<br />

werden. Neben Trickbewegungen sind auch<br />

bei diesen Tätigkeiten Hilfsmittel erhältlich wie<br />

z.B. ein bananenförmiges Bügelbrett. Bereits<br />

im Klinikalltag wird der Patient auf die für<br />

ihn notwendigen Tätigkeiten im Haushalt<br />

vorbereitet. Dadurch soll vermieden werden,<br />

dass er mit der Komplexität der Anforderungen<br />

zu Hause überfordert wird. Fensterputzen und<br />

Vorhänge abnehmen erfordert aber immer die<br />

Hilfe einer Drittperson.<br />

In manchen Reha-Zentren gibt es eine<br />

Übungswohnung, in der die Benutzung von<br />

Badezimmer und Küche geübt werden kann<br />

und ersichtlich wird, welche Hilfsmittel in der<br />

Anschaffung sinnvoll sind. Notwendig kann<br />

z. B. der Einsatz von höhenverstellbaren<br />

27


28<br />

Wandschränken, unterfahrbaren Küchenmö-<br />

beln (Kochfeld, Spüle etc.) werden oder die<br />

Anschaffung neuer Haushaltsgeräte (Wäsche-<br />

trockner).<br />

Einkaufen und Stadttraining: Für viele Roll-<br />

stuhlfahrer ist Einkaufen eine Herausforderung:<br />

Die Einkaufswägen sind zu hoch, durch die<br />

engen Gänge zu manövrieren fällt schwer<br />

und schmale Türen, hohe Schwellen oder<br />

Stufen machen den alltäglichen Einkauf zum<br />

unüberwindbaren Hindernis. Im Rahmen der<br />

Ergotherapie kann auch ein Einkaufs- und<br />

Stadttraining stattfinden. Beim Einkaufen wird<br />

u.a. das Transportieren von Lebensmitteln, das<br />

sichere Manövrieren auf engstem Raum im<br />

Rollstuhl und das Einladen der Lebensmittel in<br />

den Kofferraum geübt. Behindertenparkplätze<br />

sind vor vielen Supermärkten vorhanden.<br />

Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) Selbst-<br />

hilfe Behinderter Rheinland- Pfalz hat damit<br />

begonnen, Zielvereinbarungen mit Lebensmit-<br />

telmärkten zu schließen. Mittlerweile exis-<br />

tieren in Rheinland- Pfalz vier Supermärkte<br />

mit besonders breiten Gängen. Sie haben<br />

Einkaufswagen für Rollstuhlfahrer, Rollatoren<br />

für Gehbehinderte und Lupen für Sehbehin-<br />

derte zum Anstecken an den Einkaufswagen.<br />

Beim sogenannten Stadttraining wird die<br />

Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln,<br />

das Überwinden von Treppenabsätzen und<br />

Bordsteinkanten, Steigungen und Neigungen<br />

und das Befahren von Kopfsteinpflastern<br />

geübt. Auch ist das Befahren einer Rolltreppe,<br />

mit und ohne Begleitperson hilfreich, denn<br />

nicht immer ist ein Aufzug in der Nähe.<br />

Da unsere Umwelt häufig nicht rollstuhlgerecht<br />

ist, gehört auch das Fragen um Hilfe, das<br />

Annehmen von Unterstützung durch Fremde<br />

und deren Anleitung zum Training dazu.<br />

Besteht der Wunsch selber Auto zu fahren,<br />

ist zunächst ein Gutachten vom behandeln-<br />

den Arzt erforderlich. Die Motorisierungs-<br />

abklärungen und die damit verbundene Auto-<br />

anpassung sind ein Teil der ergotherapeuti-<br />

schen Arbeit. Zum Beispiel stehen in der<br />

Praxis für Ergotherapie am Klinikum Wolfs-<br />

burg Therapie-Fahrzeuge zur Verfügung, die<br />

mit speziellen Einbauten ausgestattet sind.<br />

Hierzu gehören ein Lenkraddrehknauf, Gas-<br />

kombihebel oder ein Dreh-Schwenksitz. Die<br />

Abwicklung der Umrüstung des eigenen<br />

Fahrzeuges entsprechend der Behinderung<br />

findet in Zusammenarbeit mit Spezialfirmen<br />

und der Fahrschule statt. Neben Übungs-<br />

und Vorbereitungsfahrten sollte die Be-<br />

hindertenfahrschule Hilfe im Umgang mit den<br />

Behörden anbieten und bei der Abwicklung<br />

der Eignungsfeststellung beim TÜV helfen. Für<br />

viele stellt die Motorisierung einen weiteren<br />

wichtigen Schritt zur Selbstständigkeit und<br />

Wiedereingliederung in das gesellschaftliche<br />

Leben dar.<br />

Schule, Studium, Beruf &<br />

Freizeit<br />

Zusammen mit dem Patienten und dem<br />

Arbeitsamt werden Möglichkeiten zur beruf-<br />

lichen Wiedereingliederung erarbeitet. Der<br />

bisherige oder auch zukünftige Arbeitsplatz<br />

sollte bei Bedarf barrierefrei angepasst wer-<br />

den. Befindet sich der Patient in der Schule<br />

oder im Studium, werden der Zugang zu den<br />

Gebäuden, die Lage der Unterrichts-, bzw.<br />

Vorlesungsräume und die Zugänglichkeit zur<br />

Toilette abgeklärt. Außerdem wird darauf<br />

geachtet, ob das Gebäude für den Patienten<br />

mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbar ist.<br />

Der Ergotherapeut geht auf die individuellen<br />

Fertigkeiten des Patienten ein und berät<br />

diesen bei Bedarf, welche Hilfsmittel ihm bei


der Arbeit behilflich sein können. Dies wären z.B. ein elek-<br />

trisch verstellbarer Arbeitstisch, spezielle Computeradap-<br />

tionen, Blattwendegeräte oder Hilfsmittel zur Tele-<br />

kommunikation.<br />

Auf dem Gebiet der Freizeit klärt der Ergotherapeut, wel-<br />

che Freizeitaktivitäten der Patient wieder durchführen<br />

möchte. Für Sportarten gibt es viele Hilfsmittel, wie das<br />

Handbike, verschiedene Sportrollstühle, Monoskiing mit<br />

individuell angepasster Sitzschale bis hin zum angepassten<br />

Segelboot und Wasserski. Im kreativen Bereich existieren<br />

Hilfsmittel für Tetraplegiker wie der sog. Vertikaltisch<br />

und eine Pinselhalterung. Auch das Suchen nach einem<br />

passenden Verein in der Umgebung kann durch den<br />

zuständigen Ergotherapeuten stattfinden.<br />

Häufig bieten Kliniken auch einen Raum an, in dem mit<br />

Ergo-, oder Kunsttherapeuten gestalterische Tätigkeiten<br />

durchgeführt werden. Für Pferde-, und Hundefreunde gibt<br />

es auch tiergestützte Therapien wie das therapeutische<br />

Reiten.<br />

Es gibt verschiedene Gesetze, auf die man sich berufen<br />

kann, damit man Leistungen zur <strong>Teilhabe</strong> erhält. Hierzu<br />

zählen u.a. Gesetze des Sozialgesetzbuches (z.B. das SBG IX<br />

„Gleichberechtigte <strong>Teilhabe</strong> am Leben in der Gesellschaft“)<br />

sowie das Behindertengleichstellungsgesetz (BGB).<br />

Fazit: Ergotherapie unterstützt Menschen mit einer Quer-<br />

schnittlähmung bei der Durchführung für sie bedeu-<br />

tungsvoller Betätigungen. Hierbei dienen spezifische Akti-<br />

vitäten, Umweltanpassung und Beratung dazu, dem Men-<br />

schen Handlungsfähigkeit im Alltag, gesellschaftliche<br />

<strong>Teilhabe</strong> und eine Verbesserung seiner Lebensqualität zu<br />

ermöglichen.<br />

(Die Autorin, Ergotherapeutin seit 2008; Bachelor of<br />

Health (NL) seit 2010, ist schwerpunktmäßig im Bereich<br />

Neurologie & Pädiatrie tätig.)<br />

Text: Evi Spreth<br />

Foto: www.emanuelbloedt.de<br />

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30<br />

<strong>Partnerschaft</strong> & Sexualität<br />

Grundsätzlich unterscheiden sich Menschen mit einer Behinderung in ihren Bedürfnisse<br />

nicht von anderen. Auch sie wollen geliebt werden. Am Beispiel Querschnittlähmung<br />

lässt sich gut zeigen, welcher Zusammenhang besteht zwischen der vollständigen<br />

Annahme der eigenen Person einschließlich des Körpers und der Fähigkeit einen<br />

anderen Menschen zu lieben.<br />

Liebe ist lebensverlängernd.


Ist die Behinderung noch frisch, das Trauma,<br />

die Erschütterung, scheinen die Grundlagen für<br />

eine Beziehung zu fehlen. Oft genug wird der<br />

eigene Partner weggeschickt, weil nacheigener<br />

Einschätzung die Grundlage der <strong>Partnerschaft</strong><br />

künftig fehlt. Rehabilitanden fühlen sich nicht<br />

mehr als Männer oder Frauen. Die Reaktionen<br />

auf diese vorübergehende Verwirrung sind<br />

unterschiedlich, aber viel geweint wird in<br />

Männer- und Frauenzimmern. Der Gedanke an<br />

Selbstmord ist weit verbreitet, 80 % fassen ihn,<br />

realisiert wird er fast nie, die Krise geht vorüber.<br />

Es stellt sich heraus, ob die <strong>Partnerschaft</strong> der<br />

Belastung gewachsen ist, dass sich eine Partei<br />

völlig neu wieder definieren muss – nicht nur<br />

als geschlechtliches Wesen.<br />

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Schon in der Klinik wird Sex wenigstens bei<br />

den Männern relativ offen schnell wieder<br />

Thema Nr. 1, im Speisesaal und auf den<br />

Fluren. Ratlosigkeit herrscht vor. Der eigene<br />

Körper ist fremd geworden, muss erst wieder<br />

in Besitz genommen werden, um damit leben<br />

zu können. Es gibt eine verbreitete Neigung<br />

zu überstürzt aufgenommenen Liebschaften,<br />

denen keine große Zukunft beschieden sein<br />

wird. Irgendwann ändert sich das Bewusstsein,<br />

mit großer Verspätung dämmertdie Erkenntnis,<br />

dass ein anderes Leben begonnen hat. Den<br />

eigenen Körper wieder zu mögen, sich darin<br />

zu Hause und geborgen zu fühlen, wenigstens<br />

zeitweise, bringt unsereinen wieder näher an<br />

die Liebe.<br />

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31


32<br />

Partner finden<br />

Nur eine kleine Minderheit nicht behinderter<br />

Menschen ist bereit einen behinderten<br />

Partner ernsthaft in Erwägung zu ziehen.<br />

Nur zählt diese kleine Minderheit eben<br />

immer noch nach Millionen. Und in der<br />

Realität kann auch ein liebessehnsüchtiger<br />

behinderter Mensch einen Mann oder eine<br />

Frau finden für eine kurze Liebschaft oder<br />

für länger. In Betrieben, in Universitäten, im<br />

Freundeskreis oder bei Freizeitaktivitäten lässt<br />

sich Zweisamkeit erreichen. Rollstuhlsport- und<br />

Selbsthilfegruppen sind wichtig für die Identität,<br />

aber wenig geeignet als Mittel gegen drohen-<br />

de Einsamkeit. Und Einsamkeit ist ungesund.<br />

Sie verschlechtert nicht nur die seelische, son-<br />

dern nachweislich auch die körperliche Konsti-<br />

tution. Hingegen sind Menschen mit einer<br />

Beziehung insgesamt gesünder und zufrie-<br />

dener. Warum sollte das für Querschnitt-<br />

gelähmte nicht gelten?<br />

Frauen, die sicheinen Mann wünschen, der dem<br />

gängigen Rollenmuster nicht entspricht, landen<br />

vielleicht bei einem mit Handikap. Nicht dass<br />

es keine Machos auf Rädern gäbe. Ein kluger<br />

Mann im Rollstuhl wird auf diesem Gebiet aber<br />

weniger als andere zu Übertreibung neigen.<br />

Die Mehrheit der Menschen aber folgt nach wie<br />

vor (bedauerlicherweise) alten Rollenmustern,<br />

gebrochen höchstens durch einen guten Anteil<br />

Verunsicherung. Das bedeutet, dass auch der<br />

behinderte Mann Stärke vermitteln soll. Es<br />

gibt behinderte Männer, die als Rentner den<br />

Haushalt besorgen. Dass es diese Rolle nicht<br />

einfacher macht, gesellschaftlich akzeptiert<br />

zu werden, können auch Nichtbehinderte<br />

bestätigen.<br />

Gerade starke behinderte Frauen beklagen<br />

häufig, dass sie bei der Partnerwahl<br />

benachteiligt seien. Es scheint so zu sein,<br />

dass ihr Kampfesmut ihre Attraktivität in<br />

den Augen der potenziellen Partner mindert.<br />

Schade eigentlich, es gibt schließlich keinen<br />

Grund, vor ihnen Angst zu haben. Mir<br />

geht es häufig so, dass ich mit behinderten<br />

Frauen <strong>Partnerschaft</strong>sprobleme auf einer<br />

Ebene austauschen kann. In diesem Fall<br />

ist die Behinderung verbindender als das<br />

Geschlecht. Das hört natürlich auf, wenn<br />

in einer Beziehung beide behindert sind. In<br />

einer solchen Verbindung ist das Handikap<br />

das Verbindende, aber gleichzeitig auch das<br />

doppelt Belastende.<br />

Erfüllte Sexualität<br />

Querschnittgelähmte Frauen wurden immer<br />

schon schwanger, auch ohne ärztliche Hilfe.<br />

Als zeugungsfähig gilt heute die Mehrheit der<br />

betroffenen Männer, wenn auch meist nur mit<br />

Hilfe medizinischer Techniken, die sich zum Teil<br />

auch zu Hause anwenden lassen.<br />

Potenz muss nicht, aber kann ein<br />

Problem behinderter Männer sein. Bei<br />

Querschnittgelähmten gibt es meist lediglich<br />

eine Reflex-Erektion (durch Berührung aus-<br />

gelöst, nicht durch etwa optische Reize), die<br />

auch nicht immer für den Beischlaf ausreicht.<br />

Nun hat es sich ja herumgesprochen, dass<br />

es noch andere, für beide Seiten durchaus<br />

befriedigende Möglichkeiten gibt. Allerdings<br />

kann die Potenz zu einer Frage des männlichen<br />

Selbstbewusstseins, gar der Identität werden.<br />

Viele betroffene Männer nutzen Viagra©.<br />

Zwar sollte der Einsatz von Medikamenten<br />

kritisch gesehen werden, wenn er nicht<br />

gesundheitlich notwendig ist. Aber eine (auch


subjektiv) erfüllte Sexualität gehört zu einer<br />

vollständigen Gesundheit.<br />

Gewalt entsteht da, wo Kräfte nicht im<br />

Gleichgewicht sind. Manche Pflegebedürftige<br />

werden misshandelt, das ist keine Neuigkeit.<br />

Auch Frauen misshandeln, wenn sie stärker<br />

sind, auch Männer sind Opfer, wenn sie sich<br />

nicht wehren können. Bei einer Trennung zählt<br />

oft das Gesetz der Stärkeren. Es kommt vor,<br />

dass Frauen das Auto oder die rollstuhlgerecht<br />

umgebaute Immobilie aus der Ehe mitnehmen<br />

– die für den behinderten Partner umgerüstet<br />

und bezuschusst worden sind.<br />

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Mediziner, Psychologen und Therapeuten<br />

haben zum Thema „Behinderte Sexualität“<br />

sicher in den letzten Jahren viel dazu gelernt.<br />

Besonders hilfreich kann ihre Unterstützung<br />

sein, wenn sie sich erstens auf die Erfahrungen<br />

Betroffener bezieht und zweitens die<br />

Selbstbestimmung ihrer Patienten nach Kräften<br />

fördert – was sie im Idealfall nach einiger Zeit<br />

entbehrlich macht ...<br />

Text: Peter Mand<br />

Behindertengerechte Fahrzeugumbauten<br />

für Rollstuhlfahrer, Selbstfahrer oder Beifahrer<br />

und Familien mit behinderten Kindern<br />

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leicht in das Auto ein- und aussteigen.<br />

Mit dem Rollstuhl einfach in das Fahrzeug<br />

hinein fahren.<br />

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33


34<br />

Das Wunder des Lebens<br />

Dem Wunsch nach Kindern und einer eigenen Familie steht auch für Frauen im<br />

Rollstuhl nahezu nichts im Wege. Denn es gibt gute Möglichkeiten zur Entbindung<br />

querschnittgelähmter Schwangerer – wie im Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke.<br />

Seit 1987 besteht am Gemeinschaftskran-<br />

kenhaus Herdecke die Abteilung für Rücken-<br />

markverletzte, und seit 15 Jahren bringen<br />

hier querschnittgelähmte Frauen ihre Kinder<br />

zur Welt. Ein fachübergreifendes Ärzteteam<br />

aus Paraplegiologen, Gynäkologen, Pädiatern,<br />

Urologen und Anästhesiologen berät und<br />

betreut die werdenden Mütter. Die Ärzte<br />

arbeiten darüber hinaus vertrauensvoll mit<br />

den Hebammen, den Säuglingsschwestern<br />

der Milchküche, Ergo- und Physiotherapeuten<br />

sowie Sozialarbeitern zusammen. „Mit diesem<br />

ganzheitlichen Konzept entbinden wir hier<br />

regelmäßig Mütter mit Querschnittläsionen –<br />

darunter gab es auch schon Zwillingsgeburten“,<br />

freut sich Dr. Susanne Föllinger, Oberärztin<br />

in der Querschnittabteilung des Gemein-<br />

schaftskrankenhauses Herdecke.<br />

Meist unkomplizierte<br />

Geburten<br />

Die Geburtsvorbereitung im Gemeinschafts-<br />

krankenhaus Herdecke beginnt auf Wunsch<br />

der Querschnittgelähmten meist schon in<br />

einem frühen Stadium der Schwangerschaft<br />

mit einem Beratungsgespräch. Darauf folgt<br />

ein ambulanter Untersuchungstermin. Je nach<br />

Verfassung wird die Schwangere zwei bis vier<br />

Wochen vor dem errechneten Geburtstermin<br />

stationär aufgenommen und entsprechend<br />

behandelt. „In der Regel verlaufen Geburten<br />

von Frauen mit Rückenmarkläsion spontan und<br />

unkompliziert – auch ohne die Möglichkeit<br />

der Mutter mit zu pressen“, erläutert Dr.<br />

Susanne Föllinger. „Denn die Wehentätigkeit<br />

wird überwiegend hormonell, also unabhängig<br />

vom Rückenmark, ausgelöst und gesteuert.<br />

Auch die Indikation für einen Kaiserschnitt<br />

unterscheidet sich nicht von der bei gesunden<br />

Frauen.“<br />

Selbstverständlich dürfen der Vater oder<br />

vertraute Personen im Kreißsaal dabei sein.<br />

Damit sich die neue Familie von Anfang<br />

an wohl fühlt, legte die Klinik in Herdecke<br />

Wert auf eine ansprechende Gestaltung der<br />

Geburtsräume: Warme Farben, eine individuell<br />

einstellbare Beleuchtung und die mitgebrachte<br />

Lieblingsmusik sorgen für eine entspannte<br />

Atmosphäre während der Geburt.


Auch nach der Entbindung ist für die junge<br />

Familie bestens gesorgt. Sind Mutter und<br />

Kind wohlauf, werden beide schnellst möglich<br />

auf die Querschnittstation verlegt. „Für die<br />

Neugeborenen haben wir ein spezielles<br />

Bettchen entwickelt, dass den Rollstuhl-<br />

Müttern den Umgang mit ihren Kleinen<br />

erleichtert“, so Dr. Susanne Föllinger weiter.<br />

Das Bett ist 100 x 50 Zentimeter groß und<br />

hat an einer der Längsseiten eine Flügeltür.<br />

Die Konstruktion erlaubt es der Mutter, mit<br />

dem Rollstuhl das Bettchen zu unterfahren, um<br />

zum Beispiel das Baby zu wickeln. Das Bett der<br />

Querschnittgelähmten und das Kinderbettchen<br />

werden auf gleiche Matratzenhöhe gebracht,<br />

so dass die Mutter ihr Neugeborenes ganz<br />

leicht zu sich herüberholen kann. Zur Sicherheit<br />

wird nachts die Flügeltür geschlossen und auf<br />

der anderen Seite das Gitter heruntergelassen.<br />

Für jeden Fall gerüstet<br />

Gibt es bei einer Geburt jedoch einmal<br />

Komplikationen oder gehört das Kind zu einer<br />

Risikogruppe, beispielsweise Frühchen oder<br />

Zwillinge, ist hierfür bestens vorgesorgt. Rund<br />

um die Uhr stehen Narkose- und Kinderärzte<br />

bereit, die speziell für die Behandlung<br />

von Frühchen oder anderen Risikokindern<br />

ausgebildet sind. Außerdem verfügt das<br />

Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke über<br />

die neuesten technischen Möglichkeiten. „Uns<br />

liegt sehr am Herzen, dass Mutter und Kind<br />

nicht getrennt werden“, erklärt Dr. Susanne<br />

Föllinger. Muss ein Säugling vorübergehend<br />

auf der Neugeborenen-Intensivstation über-<br />

wacht werden, kann die kleine Familie dort<br />

ein spezielles Mutter-Vater-Kind-Zimmer be-<br />

ziehen und so auch die ersten Tage gemein-<br />

sam verbringen.<br />

Zu einer umfassenden Betreuung gehört auch<br />

eine gut strukturierte Nachsorge. Hierfür<br />

arbeiten das Personal der Wochenbettstation<br />

und die Säuglingsschwestern in Herdecke eng<br />

zusammen. „Wie fast jede andere Mutter<br />

wollen auch die meisten querschnittgelähmten<br />

Frauen stillen“, weiß Dr. Susanne Föllinger. „Im<br />

Allgemeinen gibt es dabei keine Probleme.<br />

Trotzdem nehmen wir uns Zeit für eine<br />

ausführliche Stillanleitung. Falls die Muttermilch<br />

in den ersten Tagen noch nicht ausreicht,<br />

bekommen die Neugeborenen Fencheltee oder<br />

Stutenmilch. Mütter, die nicht stillen, versorgen<br />

ihre Babys mit Säuglingsnahrung.“<br />

Durch die Pflege ihres Kindes kommen auf<br />

querschnittgelähmte Frauen neue körperliche<br />

Belastungen und Herausforderungen beim<br />

Umgang mit dem Rollstuhl zu. Von den<br />

Ergotherapeuten erhalten die Mütter wichtige<br />

Ratschläge, wie sie ihr Kind richtig halten<br />

und tragen, um Schultergürtel und Rücken zu<br />

entlasten. Die Physiotherapeuten helfen bei<br />

der Rückbildungsgymnastik und zeigen den<br />

Frauen, wie sie ihr Baby sicher im Rollstuhl<br />

mitnehmen. Vor der Entlassung stehen die<br />

üblichen Abschlussuntersuchungen für Mutter<br />

und Kind an. Und danach geht es für die neue<br />

Familie nach Hause.<br />

Text: OÄ Dr. med. Susanne Föllinger<br />

Foto: GKH Herdecke<br />

Weitere Informationen<br />

Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke<br />

Gerhard-Kienle-Weg 4<br />

58313 Herdecke<br />

Dr. Susanne Föllinger<br />

Sekretariat: Marlis Mielke<br />

Tel.: 0 23 30-62 34 25<br />

E-Mail:<br />

querschnitt@gemeinschaftskrankenhaus.de<br />

35


36<br />

Markt<br />

Richtig selbst katheterisieren:<br />

So lassen sich Infekte vermeiden<br />

Das selbstständige Katheterisieren der Harnblase, im Fachjargon als intermittierender<br />

Selbstkatheterismus (ISK) bezeichnet, erleichtert das Leben Betroffener erheblich: Ein<br />

großes Maß an Eigenständigkeit und Mobilität kehrt zurück, wenn man gelernt hat,<br />

unabhängig von pflegerischer Hilfe die Blase zu entleeren. Etwas Sachkenntnis und<br />

penible Sorgfalt sind allerdings vonnöten, um das Risiko von Harnwegsinfekten gering<br />

zu halten.<br />

Normalerweise herrscht im Harntrakt des<br />

Menschen eine klare Einbahnstraßenregelung:<br />

Über die Harnleiter fließt der Harn aus den<br />

Nieren in die Blase, von dort aus wird er über die<br />

Harnröhre ausgeschieden. Die Gegenrichtung<br />

ist nicht vorgesehen – aus gutem Grund,<br />

denn insbesondere der Harnröhrenausgang<br />

ist von vielen Keimen besiedelt, die dort zwar<br />

ungefährlich sind, im Körperinneren jedoch<br />

Entzündungsreaktionen hervorrufen können.<br />

Typische Symptome dafür sind Blut im Harn,<br />

erhöhte Körpertemperatur und gegebenenfalls<br />

Schmerzen im Unterbauch; schlimmstenfalls<br />

kann eine Blasenentzündung sogar zur<br />

dauerhaften Schädigung der Nieren führen.<br />

Nun kommt man allerdings nicht umhin,<br />

mit einem Katheter den Weg „nach<br />

oben“ einzuschlagen, wenn die natürliche<br />

Blasenentleerungsfunktion zum Beispiel durch<br />

eine Querschnittslähmung gestört ist, denn nur<br />

so kann der Harn aus der Blase herausgeleitet<br />

Intelligentes Prinzip: Der<br />

Katheter mit Vorlaufspitze<br />

(Simplycath®) schützt<br />

die eigentliche Katheterspitze,<br />

die erst nach<br />

Einführung in die Harnröhre<br />

Richtung Blase<br />

vorgeschoben wird und<br />

deshalb mit der keimbelastetenHarnröhrenöffnung<br />

nicht in Berührung<br />

kommt.<br />

werden. Wie schafft man es trotzdem,<br />

Blasenentzündungen zu verhindern?<br />

Unverzichtbar: gründlichste Hygiene<br />

An erster Stelle steht sicherlich die gründliche<br />

Hygiene. Jedes Katheterisieren beginnt mit<br />

einer gründlichen Reinigung des Intimbereichs<br />

und der Hände. Die deutsche Gesellschaft für<br />

Urologie empfiehlt zudem eine Desinfektion<br />

der Schleimhäute mit einem geeigneten Mittel.<br />

Speziell bei Frauen liegen After und Harnröhre<br />

sehr nah beieinander, sodass Keime leicht in die<br />

Nähe des Harntrakts gelangen. Jeder Kontakt<br />

des Katheters mit der Anal- und Genitalregion<br />

muss sorgfältig vermieden werden, deshalb<br />

sind eine gründliche Vorbereitung des<br />

Katheterisierens und eine ruhige Atmosphäre<br />

so wichtig. Der Einmalkatheter sollte erst direkt<br />

vor dem Gebrauch aus der Folienverpackung<br />

genommen werden und auch tatsächlich nur<br />

einmal zur Anwendung kommen.<br />

Dazu, dass möglichst aseptische Bedingungen<br />

erreicht werden, kann auch der Katheter<br />

selbst viel beitragen. In der Regel sind die für<br />

den intermittierenden Selbstkatheterismus<br />

hergestellten Katheter mit einem sterilen<br />

Gleitmittel überzogen. So gelingen das Ein-<br />

führen in die Harnröhre und das Vorschieben<br />

leicht. Abgerundete Katheteraugen schonen<br />

die empfindliche Harnröhreninnenhaut und


eugen Verletzungen vor, die wiederum das<br />

Infektionsrisiko nach oben treiben. Einen be-<br />

sonders intelligent konstruierten und dabei<br />

einfach anzuwendenden ISK-Katheter bie-<br />

tet UROMED, eines der führenden Unter-<br />

nehmen für urologische Instrumente in<br />

Deutschland. Der Simplycath ® ist mit einer<br />

Vorlaufspitze ausgestattet, die das Risiko der<br />

Keimeinschleusung erheblich reduziert. Der<br />

Grund: Die meisten Keime befinden sich auf<br />

den ersten 1,5 Zentimetern des Harnröhren-<br />

eingangs, und mit diesem Bereich kommt die<br />

eigentliche Katheterspitze des Simplycath ®<br />

dank der Vorlaufspitze nicht in Berührung.<br />

Katheterschutz = Infektionsschutz<br />

Wie eine Art Schutzhülse wird die<br />

Vorlaufspitze in die Harnröhre eingeführt,<br />

bis nach 1,5 Zentimetern ein kleiner Teller<br />

die Harnröhrenöffnung berührt und das<br />

System an der richtigen Position hält. Nun<br />

wird die innenliegende Katheterspitze weiter<br />

vorgeschoben, bis sie in der Blase ankommt<br />

und der Harn fließt. Das Herausziehen nach<br />

der Blasenentleerung erfolgt wie gewohnt.<br />

Mehrere internationale Studien konnten<br />

nachweisen, dass sich bei Menschen, die<br />

Katheter dieses Prinzips benutzten, die Zahl der<br />

Harnwegsinfekte deutlich verringerte.<br />

Die Beachtung wichtiger Hygieneregeln und die<br />

Benutzung eines idealen Katheters sind zwei<br />

von drei Faktoren, mit denen der Anwender<br />

sein persönliches Infektionsrisiko positiv<br />

beeinflussen kann. Das dritte Drittel gehört dem<br />

richtigen Trink- und Ernährungsverhalten. Wer<br />

konsequent daran denkt, täglich ausreichend<br />

Wasser zu trinken – bei einem durchschnittlich<br />

großen und schweren Erwachsenen sind es<br />

mindestens zwei Liter –, sorgt für eine gute<br />

Durchspülung der Harnorgane, sodass eventuell<br />

vorhandene Keime zumindest nicht allzu lange<br />

in Kontakt mit der Schleimhaut der Blase oder<br />

Markt<br />

der Harnröhre kommen. Auch bewirkt ein<br />

möglichst saurer Harn, dass sich Bakterien nur<br />

schwer vermehren können. Die Aminosäure L-<br />

Methionin, die als Nahrungsergänzungsmittel<br />

erhältlich ist, kann dafür unterstützend ein-<br />

gesetzt werden.<br />

Als sanfter und sogar wohlschmeckender In-<br />

fektionsschutz hat sich die Cranberry bewährt,<br />

die amerikanische Verwandte der Preiselbeere.<br />

Sie ist reich an Vitamin C und stärkt damit<br />

allgemein die Abwehrkräfte. Darüber hinaus<br />

hemmen einige ihrer Substanzen nachweislich<br />

die Ansiedlung von Keimen an der Blasenwand.<br />

Die Cranberry-Wirkstoffe gibt es als Kapseln<br />

zum Einnehmen, für Genießer empfehlen sich<br />

die frischen oder getrockneten Früchte pur, in<br />

diversen Gerichten oder gepresst als leckerer<br />

Saft.<br />

Die meisten Bakterien (hier gelb gekennzeichnet) befinden<br />

sich im Bereich der äußeren 1,5 Zentimeter der<br />

Harnröhre. Ein Katheter mit Vorlaufspitze minimiert das<br />

Risiko, dass Keime mit der Katheterspitze in die Blase<br />

transportiert werden.<br />

So lassen sich Harnwegsinfekte vermeiden:<br />

•Gründliches Händewaschen mit Wasser und<br />

Seife<br />

•Reinigung und Desinfektion des Intim-<br />

bereichs<br />

•Ruhige, überlegte Vorgehensweise<br />

•Einmalkatheter unbedingt nach dem Ge-<br />

brauch entsorgen<br />

•Katheter mit Vorlaufspitze bevorzugen<br />

•Auf genügende Trinkmenge achten<br />

•Über Nahrungsergänzungsmittel für ein ge-<br />

sundes Harnmilieu sorgen<br />

www.simplycath.de<br />

37


Ich möchte »B-Kids«, das Journal<br />

für junge Körperbehinderte und ihr Umfeld, abonnieren.<br />

4 Ausgaben jährlich für 15 € (Ausland 20 E) inkl. Porto & Versand.<br />

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Ihr Rücktrittsrecht: Diese Bestellung kann innerhalb von 8Tagen (Poststempel) schriftlich widerrufen<br />

werden. Diesen Hinweis habe ich zur Kenntnis genommen und bestätige dies durch meine<br />

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bargeldlos durch Bankeinzug<br />

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Beantworten Sie bitte noch diese Fragen bevor Sie die Abo-Karte<br />

ausgefüllt an uns senden:<br />

Wo haben Sie »B-Kids« kennengelernt?<br />

Welche Ausgabe von »B-Kids« liegt Ihnen vor?<br />

B-Kids –<br />

Journal für junge Körperbehinderte<br />

und ihr Umfeld<br />

Es gibt etwa 266 000 schwerbehinderte Menschen unter<br />

25 Jahren in Deutschland. Fast ebenso viele Familien sind<br />

von den Problemen mit betroffen, die ein Leben mit<br />

Handikapmit sich bringt.<br />

Noch immer gibt es viele Schulen,andenen behinderte<br />

Schüler nicht gern gesehen sind. Hilfsmittelversorgung<br />

und Pflege sind weitere Beispielefür Themen,über die wir<br />

sprechenwollen.<br />

Auch die schönen Seiten des Lebens sollen nicht zu kurz<br />

kommen, Lebensfreude ist nicht vom Grad der Behinderung<br />

abhängig.<br />

Unsere Autoren wissen, wovon sie reden.<br />

Wir zählen auf Ihre Unterstützung –abonnieren Sie B-Kids!<br />

Ständige Themen:<br />

Schule Integration ist machbar.<br />

Alltag Grau bis bunt?<br />

Unterwegs Dem Alltag entfliehen.<br />

Menschen Portraits.<br />

Hilfsmittel Richtig anpassen!<br />

Zu unserem Programm gehören auch<br />

»Paraplegiker« für Menschen mit Körperbehinderungen<br />

»K« -Journal Mensch und Krebs<br />

»FGQ-Info« Informationsbroschüre der Fördergemeinschaft<br />

für Querschnittgelähmte in Deutschland<br />

Bei Interesse fordern Sie bitte ein Probeheft an<br />

oder informieren Sie sich telefonisch beim Verlag.<br />

Humanis<br />

Verlag für Gesundheit GmbH<br />

Silcherstraße 15<br />

67591 Mölsheim<br />

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Abotelefon: 0 62 43 - 90 07 04


Inkontinenz beherrschen mit dem<br />

„Blasenstimulator“<br />

Laien sprechen vom „Brindley-Stimulator“, einer „Blasenstimulator-OP“ oder gar<br />

vom „Blasenschrittmacher“. Der letztgenannte Ausdruck ist unzutreffend, denn es<br />

handelt sich nicht um einen Schrittmacher mit einer eigenen Energiequelle wie z. B.<br />

ein Herzschrittmacher. Die anderen Begriffe berücksichtigen nicht den wichtigsten<br />

Teil dieses Behandlungsverfahrens, die sakrale Deafferentation.<br />

Die gesunde Harnblase hat zwei Funktionen:<br />

Speichern (Reservoir) und Entleeren (Miktion).<br />

99 % der Zeit ist die Blase ein Reservoir. Die<br />

Miktion ist eine kurzdauernde Funktions-<br />

phase mit Druckerhöhung, die max. 1 % der<br />

Tageszeit andauert. Das funktioniert durch<br />

ein fein aufeinander abgestimmtes Steue-<br />

rungssystem in Zentren des Gehirn und des<br />

Rückenmarks. Dabei kommt es während der<br />

Blasenentleerung zu einer Kontraktion (Zu-<br />

sammenziehung) der Blasenmuskulatur mit<br />

Öffnung des Blasenhalses und gleichzeitiger<br />

Entspannung des äußeren Schließmuskels, so<br />

dass eine koordinierte, zügige und restharn-<br />

freie Entleerung stattfindet.<br />

Anders die gelähmte Harnblase: Nach Über-<br />

winden des spinalen Schocks mit schlaffer<br />

Lähmung aller Körperfunktionen ändert sich<br />

je nach Schädigungshöhe des Rückenmarks<br />

das Blasenlähmungsbild. Bei Schädigungen<br />

etwa vom ersten Lendenwirbel und darunter<br />

entwickelt sich eine schlaffe Blasenlähmung.<br />

Bei Schädigungen oberhalb kommt es zu<br />

einer spastischen Blasenlähmung. (Misch-<br />

formen sind möglich.) Bei kompletter Läh-<br />

mung ist die Steuerung über das Blasen-<br />

reflexzentrum vollständig ausgefallen. Für die<br />

genaue Klassifizierung der Blasenlähmung ist<br />

die Video-Urodynamik das wichtigste diag-<br />

nostische Werkzeug. Dies ist eine Kombi-<br />

nation aus Blasendruckmessung und Rönt-<br />

gendarstellung der Harnblase mit Kontrast-<br />

mittel.<br />

Eine spastische Blasenlähmung führt zur<br />

Reflexharninkontinenz. Dabei besteht ein<br />

erhöhtes Risiko von Harnwegsinfektionen<br />

(HWI) und längerfristig das Risiko der<br />

Schädigung der Nierenfunktionen. Es kommt<br />

zur spastischen Kontraktion des äußeren<br />

Schließmuskels (externer Sphinkter), so dass<br />

die Harnentleerung durch den Aufbau<br />

eines hohen Entleerungswiderstandes behin-<br />

dert oder sogar verhindert wird (Detrusor-<br />

Sphinkter-Dyssynergie). Bei Querschnittläh-<br />

mungen oberhalb von Th 6 können autono-<br />

me Dysreflexien auftreten, d. h. es kommt<br />

durch die spastische Aktivität der Harnblase<br />

zu abrupten heftigen krisenhaften Blutdruck-<br />

steigerungen, meist verbunden mit Schwitzen<br />

und heftigsten Kopfschmerzen. Je nach<br />

Lebensalter bedeutet das ein erhöhtes<br />

Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Dies<br />

ist eine lebensbedrohende Situation. Solch<br />

eine autonome Dysreflexie gilt in der Neuro-<br />

Urologie als ein Notfall.<br />

Die Operationsmethode<br />

Brindley forschte 1969–1978 an der Entwick-<br />

lung eines Implantates und der externen<br />

39


40<br />

Steuerung zur Sakralwurzelstimulation, um so<br />

eine Implantat gesteuerte Blasenentleerung<br />

zu erreichen. Zu Beginn wurden die sakralen<br />

Vorder- und Hinterwurzeln soweit möglich<br />

nur voneinander getrennt, u. a. S 2 und S 3.<br />

Sauerwein war der erste Operateur, der die<br />

sensiblen Hinterwurzeln von S 4 und wenn<br />

notwendig auch von S 5 separieren konnte<br />

und durchtrennte, ohne dabei die motorischen<br />

Vorderwurzeln zu verletzen (Sept.1986). Die<br />

vollständige Separation und Durchtrennung<br />

der sensiblen Hinterwurzeln S 2 bis S 5 wird<br />

als sakrale Deafferentation bezeichnet (SDAF).<br />

Heute ist die SDAF und die SARS ein etab-<br />

liertes Verfahren. Nach erfolgreicher SDAF<br />

von S 2 bis S 5 auf beiden Seiten wird die<br />

spastische Harnblasenreaktion vollständig<br />

ausgeschaltet (Prof. D. Sauerwein). Damit<br />

wird die Reservoirfunktion der Harnblase<br />

wieder hergestellt und Harnkontinenz<br />

erreicht. Durch das Einlegen von Elektroden<br />

in den offenen Wirbelkanal, in die die<br />

motorischen Vorderwurzeln gelegt werden,<br />

wird eine kontrollierte Blasenentleerung<br />

durch Elektrostimulation (SARS) möglich. Die<br />

angeschlossenen Elektroden werden hierzu<br />

mit einem unter die Haut platzierten Emp-<br />

fänger verbunden. Die Harnblasenentleerung<br />

erfolgt durch Auflegen des Senders auf die<br />

Haut exakt über dem implantierten Emp-<br />

fänger, der über die Kabel zu den Elektroden<br />

mit den Sakralnerven in Verbindung steht.<br />

Die Elektrostimulation erfolgt über ein<br />

Steuergerät. Die Programmierung findet nach<br />

der Operation und nach abgeschlossener<br />

Wundheilung statt. Die Blasenentleerung<br />

durch Triggern ist dann nicht mehr möglich.<br />

Unabhängig von der Vorderwurzelstimulation<br />

bleibt dem Querschnittgelähmten die<br />

Möglichkeit der Harnblasenentleerung durch<br />

intermittierenden Katheterismus (ISK) erhalten<br />

(z. B. für Notfälle, bei Defekt des Steuergerätes<br />

oder Funktionsverlust des Implantates).


Indikationen<br />

➜Drohender, fortschreitender Verlust von<br />

Nierenfunktion und/oder<br />

• Reflexharninkontinenz<br />

• häufig wiederkehrende, insbesondere fie-<br />

berhafte Harnwegsinfektionen<br />

• strukturelle Schädigungen des unteren<br />

Harntraktes (z.B. Christbaumblase) und/<br />

oder des oberen Harntraktes (z. B. Harn-<br />

stauung, Reflux)<br />

• autonome Dysreflexie (Bluthochdruckkrisen)<br />

➜Fehlschlag konservativer Therapiemaßnah-<br />

men (anticholinerge Therapie und inter-<br />

mittierender Katheterismus)<br />

➜Fehlschlag minimalinvasiver Behandlungen<br />

(Schließmuskeleinkerbung bei querschnitt-<br />

gelähmten Männern, Botulinum-Toxin-A-<br />

Injektionen (Botox®) mit intermittierendem<br />

Katheterismus)<br />

Patientenauswahl<br />

➜Motorisch und sensibel komplette Quer-<br />

schnittlähmung, (in Ausnahmefällen auch<br />

inkomplette Läsionen nach einer detaillier-<br />

ten neurologischen Untersuchung)<br />

➜Intakter sakraler Reflexbogen S2–S5: spas-<br />

tische Blasenlähmung<br />

➜Intakte Blasenmuskelfunktion:<br />

• normale Dehnungsfähigkeit der Harnblase<br />

• kein bindegewebiger Umbau der Blasen-<br />

wand (Fibrosierung)<br />

• keine myogene Schädigung (keine Über-<br />

dehnungsschädigung)<br />

➜Sicheres Langzeitkonzept der medizinischen<br />

und sozialen Versorgung des Querschnitt-<br />

gelähmten<br />

Komplikationen<br />

Diese Darstellung kann und will nicht das<br />

notwendige Beratungsgespräch mit einem<br />

erfahrenen Neuro – Urologen ersetzen.<br />

Deshalb wird hier nur auf einige wichtige<br />

Komplikationsmöglichkeiten eingegangen.<br />

Frühkomplikationen:<br />

➜Infektion<br />

• Trotz Beachtung von makellosen Hautver-<br />

hältnissen, einer voroperativen Ganzkör-<br />

perdesinfektion und einer perioperativen<br />

antibiotischen Prophylaxe sind bakterielle<br />

Infektionen im Operationswundgebiet und<br />

am Implantat nicht zu 100 Prozent zu<br />

verhindern.<br />

• Wenn es zu einem solchen Ereignis<br />

kommt, muss das Implantat entfernt wer-<br />

den, um Folgeerkrankungen, wie Hirn-<br />

hautentzündung, Gehirnentzündung oder<br />

Knochenentzündung zu vermeiden.<br />

• Die Entfernung des Implantates führt<br />

zum Verlust der SARS, aber die Wirkung<br />

der SDAF wird nicht aufgehoben. Die<br />

Blasenentleerung muss dann durch Ein-<br />

malkatheterismus stattfinden.<br />

• Nach Ausheilung der Infektion ist eine<br />

Neueinpflanzung eines Implantates mög-<br />

lich.<br />

➜Liquorfistel<br />

• Das Gehirn und das Rückenmark sind<br />

innerhalb der Hirnhäute schwimmend vor<br />

Stößen geschützt im Hirnwasser (Liquor)<br />

gelagert.<br />

• Die Elektrodenkabel werden durch eine<br />

Art “Schornstein“ hindurch aus dem Wir-<br />

belkanal ausgeleitet. Um den “Schornstein“<br />

herum werden die Hirnhäute durch eine<br />

wasserdichte Naht verschlossen.<br />

• Kommt es hier zu einer Heilungsstörung,<br />

tritt Liquor aus (Liquorfistel). Eine Zweit-<br />

operation, um diese Fistel zu verschließen,<br />

kann erforderlich werden, sofern Kopftief-<br />

lagerung nicht zu einem Spontanver-<br />

schluss führt.<br />

41


42<br />

Spätkomplikationen:<br />

➜Implantatdefekte (Spätkomplikation):<br />

• Defekte am Empfänger oder Kabelbrüche.<br />

• Geeignete Untersuchungen lassen Defekte<br />

des Steuergerätes und des Implantates<br />

unterscheiden.<br />

• Bei plötzlichem Funktionsausfall muss<br />

durch Einmalkatheterismus eine Überdeh-<br />

nungsschädigung der Blasenmuskulatur<br />

vermieden werden. (Volumen kleiner als<br />

500 ml!)<br />

• Je nach Art des Defektes kann durch<br />

Austausch des Empfängers, durch Kabel-<br />

reparatur oder durch Einsetzen eines<br />

kompletten neuen Implantates die Funk-<br />

tion wieder hergestellt werden.<br />

➜Überdehnungsschädigung<br />

• Der Blasenfüllungszustand wird von Quer-<br />

schnittgelähmten nicht oder nur durch<br />

sehr unbestimmte Signale wahrgenom-<br />

men. So kann es zur Überfüllung der<br />

Harnblase mit Überdehnung der Blasen-<br />

muskulatur kommen und die Blasenent-<br />

leerung mittels SARS kann versagen.<br />

• Dann Einmalkatheterismus bis sich die<br />

Harnblase von der Überdehnung erholt<br />

hat. Dies kann Tage aber auch Wochen<br />

dauern.<br />

Nachsorge<br />

Die erste Nachsorge findet 6 Monate nach<br />

der Operation statt. Meistens müssen<br />

die Stimulationsparameter sowohl für die<br />

Blasenentleerung als auch für die Stuhl-<br />

regulierung nachjustiert werden. Im wei-<br />

teren Verlauf sind regelmäßige jährliche<br />

Nachsorgeuntersuchungen anzuraten, um<br />

die vollständige SDAF und die regelrechte<br />

Funktion der SARS zu überprüfen und je<br />

nach Notwendigkeit Korrekturen vorzuneh-<br />

men. Harnwegsinfektionen sind in aller Regel<br />

nur noch ein seltenes Problem.<br />

Es gibt in der Medizin leider keine Erfolgs-<br />

quote von 100 %. Nach der letzten Auswer-<br />

tung der Bad Wildunger Ergebnisse in 2007<br />

gelang eine vollständige Deafferentation<br />

in 95,2 % (464 Operationen). Die mittlere<br />

Blasenkapazität lag danach bei 476 ml. Bei<br />

83 % der Patienten bestand Kontinenz.<br />

95 % der Patienten nutzten die SARS für<br />

die Blasenentleerung und 91 % für die<br />

Stuhlregulierung. Die HWI-Rate fiel von 6,3<br />

Infektionen pro Jahr vor Durchführung der<br />

SDAF auf 1,2 HWIs pro Jahr nach der Opera-<br />

tion.<br />

Von allen Behandlungsmethoden bei spasti-<br />

scher Blasenlähmung infolge einer erwor-<br />

benen Querschnittlähmung ist die SDAF und<br />

SARS die dauerhaft verlässlichste. Für eine<br />

erfolgreiche Diagnostik, Patientenauswahl,<br />

Durchführung der Operation und Nachbe-<br />

handlung sowie auch für die Beherrschung<br />

von möglichen Komplikationen ist ein er-<br />

fahrenes Team Voraussetzung. Der Autor<br />

und sein chefärztlicher Partner Dr. med. B.<br />

Domurath sowie das ganze Mitarbeiterteam<br />

stehen gerne zur weiteren Beratung zur<br />

Verfügung.<br />

Text:<br />

Dr. med. J. Kutzenberger<br />

Facharzt für Urologie<br />

Chefarzt Klinik für Neuro-Urologie<br />

An der Werner Wicker Klinik<br />

34537 Bad Wildungen<br />

E-Mail:<br />

jkutzenberger@werner-wicker-klinik.de


Markt<br />

Auszeichnung für PARAVAN-Chef<br />

Roland Arnold<br />

Im festlichen Ambiente des Neuen Schloss zu Stuttgart wurde PARAVAN-Gründer<br />

und Inhaber Roland Arnold mit der Wirtschaftsmedaille in Gold für herausragende<br />

Leistungen und Verdienste für die baden-württembergische Wirtschaft ausgezeichnet.<br />

Besonders beeindruckt zeigte sich die hoch-<br />

karätige Jury, die auf Anregung und der<br />

Expertise des ehrenbeurkundeten Gerichts-<br />

sachverständigen des Öffentlichen Rechts,<br />

Oliver Raach, das Prüfverfahren durchführte,<br />

von Arnolds Innovationsstreben zum Wohle<br />

aller mobilitätseingeschränkten Menschen.<br />

Evolutionäre Produkte, alles aus einer Hand,<br />

erleichtern den Einstieg in eine unbegrenzte<br />

Mobilität für behinderte Menschen enorm.<br />

Von der neuen, bereits viel bestaunten Roll-<br />

stuhl-Familie PR 10, PR 30 und PR 50, über<br />

die hautnah der Behinderung angepassten<br />

Automobile bis hin zum weltweit ersten<br />

straßenzugelassenen Joysticklenksystem SPACE<br />

DRIVE auf drive-by-wire Basis mit doppelter<br />

Sicherheit. Sogar für Menschen ohne Arme<br />

und ohne Beine ermöglicht der mit 28 Staats-<br />

und Innovationspreisen ausgezeichnete Mo-<br />

bilitätspark das Autofahren.<br />

„Die PARAVAN Produkte sind perfekte Be-<br />

gleiter für mobilitätseingeschränkte Men-<br />

schen im Alltag, in der Freizeit und bei der<br />

Arbeit“, so der Wirtschaftsminister Pfister bei<br />

seinem Unternehmensbesuch. Auch Bundes-<br />

kanzlerin Angela Merkel und die SPD-Be-<br />

hindertenbeauftragte Silvia Schmitt zeigten<br />

sich von Firmengründer Roland Arnold und<br />

seinem PARAVAN-Team in Berlin beeindruckt.<br />

Auf der neuen Internetpräsenz kann man<br />

bereits erste Eindrücke des Unternehmens<br />

sammeln. Ein Besuch auf der Schwäbischen<br />

Alb ist jedoch durch nichts zu ersetzen. „Was<br />

hier geboten wird, ist faszinierend“, so der<br />

einhellige Tenor der PARAVAN Kunden und<br />

Interessenten. Innovativ, kompetent, freundlich<br />

und zuvorkommend. So sind die sympathischen<br />

Paravaner.<br />

„Sie, Herr Roland Arnold, sind ein Vorbild<br />

für andere Unternehmer. Unsere Wirtschaft<br />

ist heute mehr denn je auf leistungsstarke<br />

Unternehmerpersönlichkeiten wie Sie ange-<br />

wiesen. Setzen Sie dieses ideenreiche und<br />

rührige Wirken sowie den konsequenten<br />

und löblichen Weg auch in Zukunft fort. Ich<br />

habe nunmehr die Ehre, Ihnen, lieber Herr<br />

Arnold, die Wirtschaftsmedaille des Landes<br />

Baden-Württemberg zu überreichen“, so der<br />

Wirtschaftsminister in seiner Laudatio.<br />

Weitere Informationen gibt es auf<br />

www.paravan.de<br />

43


44<br />

Wohnen für alle<br />

Anfang des Jahres hatten wir eine Wohnung zu räumen, weil deren langjährige<br />

Bewohnerin mit fast neunzig Jahren in ein Seniorenheim umziehen musste.<br />

Beeindruckend wurde dabei deutlich, dass „Wohnen“ mehr ist, als nur „behaust sein“.<br />

Wohnen ist Leben, und das Leben hinterlässt seine Spuren – auch in einer Wohnung.<br />

Sich eine Wohnung teilen, heißt auch stets Teil zu haben am Leben der anderen.<br />

Niemand soll ausgegrenzt werden vom gemeinsamen (Er-)Leben in den eigenen<br />

vier Wänden, weder ganz noch teilweise, dauernd oder auch nur vorübergehend.<br />

Das haben inzwischen auch die Architekten<br />

und Bauträger, Mietervereine und Woh-<br />

nungsunternehmen kapiert und in der Fol-<br />

ge damit begonnen, neue Wohnformen zu<br />

entwickeln: Wohngruppen, Wohngemein-<br />

schaften oder so genannte Generationen-<br />

häuser wollen Lebensraum bieten für die<br />

verschiedensten Bewohner mit den unter-<br />

schiedlichen Bedürfnissen und Vorausset-<br />

zungen. Doch auch im privaten Wohnungs-<br />

bau und sogar in der kleinen Mietwohnung<br />

lassen sich Wohnsituationen entwickeln, bei<br />

denen niemand ausgegrenzt werden muss –<br />

ob behindert oder nicht, alt oder jung, gesund<br />

oder krank.<br />

Dass es dabei keine Patentlösungen gibt,<br />

weil eben jeder Mensch anders ist, ist eine<br />

Binsenweisheit. Doch auch eine einmal<br />

gefundene Lösung muss nicht für immer gültig<br />

sein. Menschen werden älter und verändern<br />

sich, und mit ihnen ihre Bedürfnisse. „Das<br />

biologische Alter – ob 50 plus, 60 plus oder<br />

70 plus – ist kein guter Indikator für das Ver-


halten“, meint Gundolf Meyer-Hentschel,<br />

Gründer und Inhaber eines Forschungsinsti-<br />

tuts für Seniorenmarketing in Saarbrücken,<br />

„sicher ist aber eines: Je älter Menschen wer-<br />

den, desto unterschiedlicher werden sie.“<br />

Aber auch wenn die Menschen sich im Alter<br />

heute durchschnittlich zehn Jahre jünger<br />

fühlen als sie tatsächlich sind, so ändern<br />

sich mit zunehmendem Alter doch objektiv<br />

Verhalten und Wahrnehmung und es stellen<br />

sich Defizite ein. Das können sein:<br />

• Verminderte Fingerfertigkeit<br />

• Einschränkung der Beweglichkeit<br />

• Kraftverlust<br />

• Hörstörungen<br />

• Blendempfindlichkeit<br />

• Änderung des Farbempfindens<br />

Schon ab ca. 35 Jahren verschlechtert sich<br />

das Blickfeld eines Menschen. Mit 60 Jahren<br />

empfängt die Netzhaut nur noch 45 Prozent<br />

des Lichts im Vergleich zu der eines 20<br />

jährigen. Darauf sollte man bei der Gestaltung<br />

von Wohn- und Geschäftsräumen unbedingt<br />

Rücksicht nehmen, umso mehr natürlich wenn<br />

sich Behinderte und Nichtbehinderte eine<br />

gemeinsame Wohnung teilen müssen.<br />

Normen gegen Barrieren<br />

Treppen, Schwellen und Stufen bilden oft<br />

Barrieren für alle und ganz besonders für<br />

diejenigen, die durch physische Ursachen,<br />

Gepäck oder andere Lasten geh- oder be-<br />

wegungsbehindert sind. In unserem Wohn-<br />

umfeld, am Arbeitsplatz, im Öffentlichen<br />

Nahverkehr und auch in der Freizeit und<br />

auf Reisen sind Zugänge, Aufgänge oder<br />

Übergängeoft erst über eine Stufezuerreichen.<br />

Wenn diese Tatsachen schon Hindernisse<br />

für nichtbehinderte Menschen darstellen,<br />

sind es besonders für alte und behinderte<br />

Menschen unüberwindbare Barrieren. Für<br />

deren Bedürfnisse gibt es die entsprechen-<br />

den Bauvorschriften der Länder und<br />

-Anzeige-<br />

45


46<br />

natürlich die DIN-Normen<br />

18025 Teil 1und 2„Barrierefreie<br />

Wohnungen“ und DIN 18024,<br />

Teil 2 „Öffentlich zugängige<br />

Gebäude und Arbeitsstätten“<br />

mit detaillierten Vorgaben<br />

über Wegegestaltung, Breite<br />

von Türen und Durchgängen,<br />

Gestaltung von Bedienungs-<br />

einrichtungen usw. Die Vor-<br />

schriften sollen im Laufe des<br />

Jahres 2010 von der DIN-<br />

Norm 18030 abgelöst werden, über die schon<br />

seit Jahren gestritten worden ist, und in der<br />

jetzt neu festgelegt werden soll, was einen<br />

barrierefreien Lebensraum ausmacht. Viele der<br />

Einrichtungen für Rollstuhlfahrer kommen na-<br />

türlich allen Bewohnern eines barrierefreien<br />

Wohnraums zugute.<br />

Vorhandene Sachkenntnis<br />

nutzen<br />

In der AG Bauen und Umwelt der FGQ<br />

stehen mit Dirk Michalski und Frank Opper<br />

zwei kompetente Ansprechpartner bei der<br />

Vorbereitung von Wohnungsum- und Neu-<br />

bauten zur Verfügung, die auf langjährige<br />

Erfahrung im barrierefreien Wohnungsbau<br />

zurückgreifen können und die den Begriff<br />

„barrierefrei“ großzügig auslegen: „Der Be-<br />

griff ‚barrierefrei’ sollte sich auf alle Behin-<br />

derungen beziehen und allen Menschen<br />

gleichermaßen zugute kommen.“. Die AG<br />

Bauen und Umwelt möchte deshalb in<br />

erster Linie einem häufig bestehenden In-<br />

formationsdefizit bezüglich barrierefreiem<br />

Planen und Bauen entgegen treten. „Es hat<br />

sich gezeigt, dass die vorhandenen Infor-<br />

mationen und Ressourcen (Fachplaner) häufig<br />

aus Unkenntnis nicht abgerufen werden.“<br />

Wie durch baulich-technische<br />

Maßnahmen bestehende Woh-<br />

nungen an die Bedürfnisse<br />

älterer oder behinderter Men-<br />

schen angepasst werden kön-<br />

nen, beschreibt unter an-<br />

derem auch die Artikelserie<br />

„Barrierefrei Planen – Bauen –<br />

Wohnen“ seit 2006 in den<br />

Zeitschriften des zur FGQ ge-<br />

hörenden HUMANIS Verlages<br />

(bis Ende 2008 im „B-Journal“<br />

und seit Anfang 2009 im „Paraplegiker“).<br />

Wer ältere Artikel über bestimmte Gewerke<br />

nachlesen möchte, findet diese in der<br />

„REHADAT“-Datenbank des Institut der deut-<br />

schen Wirtschaft in Köln unter der URL<br />

www.rehadat.de.<br />

Kontakt: AG Bauen & Umwelt (siehe S. 65)<br />

Text: Raimund Artinger<br />

Fotos: Schwörerhaus


Kathetersysteme<br />

Der SafetyCat® Sicherheitskatheter verfügt<br />

über innen und außen weich abgerundete<br />

Katheteraugen. Die abgerundeten Augen<br />

schützen die sensible Harnröhrenschleimhaut<br />

und minimieren das Verletzungsrisiko erheb-<br />

lich. Der flexible und dennoch stabile Ergo-<br />

than-Katheterkopf passt sich der Anatomie<br />

der Harnröhre optimal an. Damit bietet der<br />

SafetyCat® Sicherheitskatheter alle Voraus-<br />

setzungen für eine sanfte und schonende<br />

Katheterisierung.<br />

Medical Service bietet gelbasierte und<br />

hydrophile Kathetersysteme an. Das hydro-<br />

phile Kathetersystem Liquick® Base ermög-<br />

licht eine einfache Anwendung bei gleich-<br />

zeitig bewährter Sicherheit. Das integrierte<br />

Sachet lässt sich leicht öffnen und die<br />

Kochsalzlösung gelangt sofort in den<br />

Katheterkanal. In wenigen Sekunden ist das<br />

Kathetersystem gebrauchsfertig. Mit Hilfe der<br />

praktischen Schutzhülle kann der Katheter<br />

berührungsfrei aus der Packung entnommen<br />

werden, um ihn in die Blase einzuführen.<br />

Liquick® Base ermöglicht eine leichte und<br />

schnelle Anwendung, da die Kochsalzlösung<br />

bereits im System integriert ist.<br />

Das gelbasierte Kathetersystem Libero Plus<br />

bietet durch den integrierten Urinauffang-<br />

beutel ein ideales System für unterwegs. Aber<br />

auch zu Hause garantiert er eine sichere und<br />

aseptische Katheterisierung. Das integrierte<br />

Sachet kann durch leichten Druck geöffnet<br />

Markt<br />

Medical Service stellt seit über 20 Jahren hochwertige urologische Medizinprodukte<br />

her, die Menschen mit neurogener Blasenfunktionsstörung mehr Mobilität garantieren.<br />

Das Basisprodukt der Kathetersysteme ist der SafetyCat® Sicherheitskatheter. Er hat<br />

besondere Merkmale, die eine sanfte und schonende Katheterisierung garantieren.<br />

werden. Das austretende Gleitmittel benetzt<br />

den SafetyCat® Sicherheitskatheter der Länge<br />

nach. Anschließend kann der Katheter leicht<br />

aus dem Auffangbeutel herausgeschoben<br />

werden und die Katheteroberfläche wird<br />

durch die Dosierhülse gleichmäßig mit Gleit-<br />

mittel benetzt. Der integrierte Auffangbeutel<br />

sammelt den Urin sicher. Anhand der Füll-<br />

mengenangabe kann die Urinmenge kon-<br />

trolliert werden. Nach der Katheterisierung<br />

kann der Urinbeutel dicht verschlossen und<br />

problemlos entsorgt werden.<br />

Nähere Informationen zu verschiedenen Ka-<br />

thetersystemen unter www.medical-service.de.<br />

Medical Service GmbH<br />

A Teleflex Medical Company<br />

Luisenstraße 8, 75378 Bad Liebenzell<br />

Tel.: 0 70 52-403-100, info@medical-service.de<br />

www.medical-service.de<br />

www.teleflexmedical.com<br />

47


48<br />

Markt<br />

R-Klasse mit besonderem Umbau<br />

Die Fa. Sodermanns in Wassenberg (www.handicapfahrzeuge.eu) ist der erste Um-<br />

rüster für Behinderten gerechte Fahrzeugumbauten, der in einen Mercedes R 350 4Matic<br />

einen Ladeboy S2 Maxi eingebaut hat.<br />

Dieter Ehinger hat nach umfangreicher und<br />

detaillierter persönlicher Beratung durch Frank<br />

Sodermanns den Auftrag erteilt in seinen<br />

Mercedes R 350 4Matic einen Ladeboy S2 Maxi<br />

sowie einen Multifunktionslenkraddrehknauf<br />

einzubauen. Das Besondere daran ist, dass es<br />

sich zum einen hierbei um den ersten Umbau<br />

dieser Art in einen Mercedes Typ R-Klasse<br />

handelt und dass zum zweiten die Ausführung<br />

in Perfektion und optischer Anpassung ihres<br />

gleichen sucht.<br />

So wurden alle technischen Raffinessen und<br />

Feinheiten genutzt, um den Rollstuhl Sopur<br />

Easy Load 300 mit einem Gewicht von 36 kg<br />

inklusive Fußstützen verladen zu können und<br />

die serienmäßige Optik so weit wie möglich<br />

bei zu behalten. Die serienmäßige hintere<br />

Tür, die zur Schiebe-Kipptür umfunktioniert<br />

wurde, stimmt in Spaltmaßen exakt mit der<br />

Serie überein. Die Türverkleidung mit Holz-<br />

bzw. Carbonoptik wurde zu 80 % erhalten, der<br />

gesamte Bodenbereich, an dem verschiedene<br />

Halter und Verstrebungen montiert wurden,<br />

blieb mit Teppichboden bzw. Kunstleder<br />

versehen und passt perfekt in die Ästhetik und<br />

Optik des Fahrzeugs. Insgesamt stehen auch<br />

nachdemUmbaunochviervollwertigeSitzplätze<br />

zur Verfügung. Die Einbindung des Multifunk-<br />

tionslenkraddrehknaufes zur Bedienung der<br />

wichtigsten Sekundärfunktionen wie Blinker,<br />

Hupe, Licht etc. in das vorhandene elektro-<br />

nische Can-Daten-Bus-Bordnetz war eine be-<br />

sondere Herausforderung, wurde aber eben-<br />

falls perfekt gelöst.<br />

Die Übergabe beinhaltete selbstverständlich<br />

eine fahrzeugspezifische Bedienungsanleitung,<br />

die nicht nur die Anwendung und Bedienung<br />

beschrieb, sondern ebenfalls mit Fotos aus-<br />

gestattet die einzelnen Einbauorte der wich-<br />

tigsten Gerätschaften, besonders der Siche-<br />

rungen darstellte. Diese detaillierten Beschrei-<br />

bungen sind bei Sodermanns für jeden Um-<br />

bau selbstverständlich, um dem Qualitäts-<br />

sicherungssytem ISO 9001/9002 gerecht zu<br />

werden, eine einwandfreie Bedienung zu ge-<br />

währleisten, und um bei<br />

einem eventuellen Ausfall<br />

einem „fremden“ Techniker<br />

eine entsprechende Grund-<br />

lage zu liefern.<br />

Info:<br />

Fa. Sodermanns<br />

www.handicapfahrzeuge.eu<br />

Tel.: 0 24 32-2 01 04<br />

E-Mail: info@autohaus-sodermanns.de


PARAPLEGIKER –<br />

Zeitschrift für Menschen mit<br />

Körperbehinderung<br />

Das offizielle Nachrichtenmagazin der Fördergemeinschaft<br />

der Querschnittgelähmten erscheint jetzt im vereinseigenen<br />

HUMANIS Verlag.<br />

Menschen mit Körperbehinderung haben viele gemeinsame<br />

Interessen, deshalb sollte der Blick auch über den Zaun der<br />

eigenen Betroffenheit hinausgehen.<br />

der „Para“ bietet einen Mix aus Information, Kultur, Politik und<br />

Unterhaltung.<br />

Ständige Themen:<br />

Hilfsmittel Rollstuhl & Co – Test the Best<br />

Pflege Organisation, Finanzierung und Hilfsmittel<br />

Urlaub In Nah und Fern<br />

Auto Solange es rollt – Vom kleinen Flitzer bis<br />

zum großen Van<br />

Recht Tipps vom Anwalt<br />

Menschen Portraits, Sport und Spiel, Beruf<br />

Planen und<br />

Bauen Barrierefrei und alltagstauglich<br />

Zu unserem Programm gehören auch<br />

»B-Kids« für behinderte junge Menschen<br />

»K« -Journal Mensch und Krebs<br />

»FGQ-Info« Informationsbroschüre der Fördergemeinschaft<br />

für Querschnittgelähmte in Deutschland<br />

Bei Interesse fordern Sie bitte ein Probeheft an<br />

oder informieren Sie sich telefonisch beim Verlag.<br />

Humanis<br />

Verlag für Gesundheit GmbH<br />

Silcherstraße 15<br />

67591 Mölsheim<br />

e-mail: fgq-mölsheim@t-online.de<br />

www.fgq.de<br />

oder faxen an: 0 62 43 - 90 35 69<br />

Abotelefon: 0 62 43 - 90 07 04<br />

Ich möchte »PARAPLEGIKER«, die Zeitschrift für Menschen<br />

mit Körperbehinderung abonnieren,<br />

4 Ausgaben jährlich für 15 € (Ausland 20 E) inkl. Porto & Versand.<br />

Vorname:<br />

Name:<br />

Straße / Hausnummer:<br />

PLZ / Ort:<br />

Ihr Rücktrittsrecht: Diese Bestellung kann innerhalb von 8Tagen (Poststempel) schriftlich widerrufen<br />

werden. Diesen Hinweis habe ich zur Kenntnis genommen und bestätige dies durch meine<br />

2. Unterschrift.<br />

bargeldlos durch Bankeinzug<br />

Konto-Nr.:<br />

BLZ<br />

Name und Sitz der Bank:<br />

gegen Rechnung (bitte Rechnung abwarten)<br />

Unterschrift<br />

Beantworten Sie bitte noch diese Fragen bevor Sie die Abo-Karte<br />

ausgefüllt an uns senden:<br />

Wo haben Sie den »PARAPLEGIKER« kennengelernt?<br />

Welche Ausgabe des »PARAPLEGIKER« liegt Ihnen vor?


50<br />

Schadensersatzforderungen –<br />

Behindertengerechtes Wohnen<br />

Rollstuhlfahrer haben andere Bedürfnisse an das Wohnumfeld als Fußgänger – das ist<br />

klar. Fraglich ist jedoch immer, in welchem Umfang sich eine Haftpflichtversicherung<br />

nach Unfall oder Kunstfehler an den Umbaukosten zu beteiligen hat.<br />

Zunächst vorab aber ein Hinweis. Kein Unfall-<br />

opfer muss ins Pflegeheim! Nach dem<br />

deutschen Schadenersatzrecht hat jeder be-<br />

hinderte Mensch das Recht auf behinder-<br />

tengerechte Unterbringung in den eigenen<br />

vier Wänden, es sei denn die Kosten über-<br />

stiegen die Kosten einer alternativen Heim-<br />

unterbringung derart exorbitant, dass dies<br />

völlig unvertretbar sei. Mir ist kein Fall aus<br />

dem letzten Jahrzehnt bekannt, in dem ein<br />

Gericht zu diesem Ergebnis gekommen wäre.<br />

In den meisten Fällen hat der Geschädigte<br />

sogar Anspruch darauf, in unmittelbarer Um-<br />

gebung seiner bisherigen Wohnung zu blei-<br />

ben, da sich dort meist auch der Lebens-<br />

mittelpunkt befindet (z.B. die Kinder in die<br />

Schule gehen oder der Ehepartner in der<br />

Nähe arbeitet) und muss sich nicht in eine<br />

billigere Wohngegend verweisen lassen.<br />

Dennoch sind bei der Wahl der behin-<br />

dertengerechten Wohnung oder beim Um-<br />

fang des behindertengerechten Neubaus die<br />

Grundsätze des Schadenersatzrechts natür-<br />

lich anzuwenden. Von besonderer Bedeu-<br />

tung ist hier der Grundsatz, dass der Ge-<br />

schädigte durch die Schadenersatzleistung<br />

nicht besser gestellt sein darf als vorher. Er-<br />

setzt wird also das notwendige und nützliche,<br />

nicht aber der Luxus.<br />

Grundsätzlich ist die Schadenersatzzahlung<br />

am Einzelfall zu bemessen, jedoch kann man<br />

was die notwendige Mehrfläche anlangt,<br />

auch als Einstieg auf Anlage zu den so<br />

genannten „Gemeinsamen Richtlinien der<br />

Verbände der Unfallversicherungsträger über<br />

Wohnungshilfe“ zurückgreifen.<br />

Wohnflächen in m² üblich rollstuhlgerecht Mehrfläche<br />

Freisitz/<br />

Mehrfläche<br />

1 Personenhaushalt 48,50 69,00 20,50 4,50/0,50<br />

2 Personenhaushalt 62,00 80,00 18,00 4,50/0,50<br />

3 Personenhaushalt 76,00 98,00 22,00 6,00/1,00<br />

4 Personenhaushalt 95,00 111,00 16,00 8,00/1,00<br />

5 Personenhaushalt 113,50 136,00 22,50 9,00/1,00<br />

6 Personenhaushalt 124,00 144,50 20,50 11,00/1,00


Einschlägig sind hier folgende Vorschriften:<br />

2.2.1 Behindertenbedingte Mehrfläche<br />

(Grundbedarf)<br />

Beim Wohnungsmehrbedarf ist zur Ermitt-<br />

lung der behindertenbedingten Mehrwohn-<br />

flächen (für rollstuhlbedingte Bewegungs-<br />

flächen, einschließlich Sanitätsraum) von fol-<br />

genden Flächenwerten auszugehen:<br />

Richtgrößen für Wohnungen mit 1 Rollstuhl-<br />

fahrer (unter Einbeziehung der DIN 18025<br />

Teil 1)<br />

siehe Tabelle<br />

-Anzeige-<br />

BEHINDERTENGERECHTE FAHRZEUGUMBAUTEN<br />

PARAVAN auf der RehaCare<br />

Rollstuhl: Halle 4 Stand E16 / Fahrzeuge: Halle 6 Stand C71<br />

Individueller Lifestyle trifft perfekt angepasste Mobilität<br />

•<br />

•<br />

In 2.2.2 findet sich dann zusammengefasst<br />

folgendes: Ist eine zusätzliche Wohnfläche<br />

als Individualraum aus rehabilitativen Grün-<br />

den notwendig, sind weitere 15 m² anzu-<br />

setzen. Weiterhin können Mehrflächen für<br />

einen Pkw-Stellplatz von 6 m² (Differenz aus<br />

der behindertengerechten Abmessung von<br />

21 m² zur Standardabmessung von 15 m²)<br />

und als Aufzugsgrundfläche 3,2 m² je er-<br />

forderlicher Etage in Frage kommen. Wenn<br />

ein besonderer Raum als Schlafraum für<br />

eine Pflegeperson benötigt wird, sind wei-<br />

tere bis zu 15 m² anzusetzen.<br />

Hat man nunmehr auf diese Weise den<br />

Mehrflächenbedarf ermittelt, so ist es re-<br />

lativ einfach, gegenüber einer Haftpflicht-<br />

Unbegrenzte Freiheit und Selbstständigkeit<br />

Der Partner für Ihre individuelle Freiheit<br />

PARAVAN® GmbH . Paravan-Straße 5-10 . 72539 Pfronstetten-Aichelau . Telefon +49 (0)7388 9995 91 . info@paravan.de<br />

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51


52<br />

versicherung oder konsequenterweise auch<br />

gegenüber einem Gericht begründen zu<br />

können, weswegen ein Umzug in eine<br />

barrierefreie, aber auch größere Wohnung<br />

notwendig ist. Aus der Notwendigkeit resultiert<br />

dann auch logischerweise die Pflicht der<br />

Haftpflichtversicherung die Differenz zwischen<br />

alter und neuer Miete zu übernehmen.<br />

Gleiches gilt auch für den Neuerwerb. Ein<br />

guter Architekt kann stets Auskunft darüber<br />

geben, wie teuer 1 m² bebaute Fläche in der<br />

Gegend, in der gebaut werden soll, kostet.<br />

Alternativ bietet sich für Eigentümer, deren<br />

Wohnung/Haus nicht umbaubar ist und die<br />

deswegen umziehen müssen, auch ganz<br />

einfach folgende Berechnung an:<br />

Kosten behindertengerechter Neubau ./. Wert<br />

der alten Wohnung/des alten Hauses = Mehr-<br />

bedarf.<br />

Will ein Mieter nunmehr (beispielsweise un-<br />

ter zu Hilfenahme des Schmerzensgeldes)<br />

Wohneigentum begründen, kann man auch<br />

folgendes Berechnungsmodell wählen:<br />

Kosten behindertengerechter Neubau ./. Ka-<br />

pitalwert der bisherigen Miete auf Lebenszeit<br />

anhand einschlägiger Kapitalisierungstabellen<br />

(zu finden u.a. in Gerhard Küppersbusch,<br />

Ersatzansprüche bei Personenschaden, 10. Auf-<br />

lage 2009).<br />

Besonders in Fällen, in denen aus einer<br />

Mietwohnung in ein eigenes Haus umgezogen<br />

wird, wird stets erbittert um die Notwendigkeit<br />

von Gartenflächen (welche ja in der Wohnung<br />

nicht vorhanden waren) gestritten. Insoweit<br />

kann damit argumentiert werden, dass es für<br />

einen Rollstuhlfahrer wesentlich aufwändiger


ist, einen Ausflug ins Grüne zu machen als für<br />

einen Fußgänger. Der Rollstuhlfahrer ist also<br />

umso mehr auf ein schnell und ohne große<br />

Verladeaktionen zu erreichendes Stück Natur,<br />

also den eigenen Garten angewiesen.<br />

Kosten für Umbauten<br />

Während in vielen Fällen ein Umzug<br />

unumgänglich ist, sind manche frischverletzte<br />

Rollstuhlfahrer in der glücklichen Lage, dass ihre<br />

bisherige Wohnung (meist ein Haus auf dem<br />

Land) umbaubar ist. Hier stellt sich natürlich<br />

ebenso wie beim Umzug die Frage, welche<br />

Kosten auf die Behinderung zurückzuführen<br />

sind und welche Kosten einen effektiven<br />

Mehrwert darstellen.<br />

Stets behinderungsbedingt und daher<br />

regelmäßig übernommen werden die Kosten<br />

von Aufzügen. Insoweit sollte, falls möglich,<br />

der Aufzug immer an das Haus angebaut<br />

werden, Treppenlifte o.ä. sind anderen<br />

Familienmitgliedern oft im Weg und nehmen<br />

unnötig Platz weg, oft zerstören sie auch den<br />

Charme eines Hauses.<br />

Zusammen mit dem Anbau des Liftes sollte<br />

auch an einen generellen Anbau gedacht<br />

werden, da Rollstuhlfahrer normalerweise einen<br />

Therapieraum benötigen. Ein Therapieraum<br />

erklärt sich von selbst, irgendwo muss die<br />

Krankengymnastik und Physiotherapie auch<br />

stattfinden, irgendwo müssen Motomed,<br />

Stehtrainer und die verschiedenen Rollstühle<br />

auch gelagert werden.<br />

Für den Fall, dass Pflegepersonen im Haushalt<br />

untergebracht werden sollen, brauchen diese<br />

einen eigenen Rückzugsbereich mit Wasch-<br />

und Kochgelegenheit, dieser kann im Anbau<br />

untergebracht werden.<br />

Auch für ein eigenes Bad gibt es gute<br />

Argumente, die ein Gericht überzeugen:<br />

Bekanntermaßen verbringen viele Rollstuhl-<br />

fahrer viel mehr Zeit im Bad als Fußgänger,<br />

allein schon wegen der verschiedenen<br />

zeitaufwändigen Methoden des Abführens.<br />

Nichts kann in einer Familie zu mehr Reibe-<br />

reien führen, als ein andauernd belegtes<br />

Bad. Das Bad selbst ohne Duschwanne ist<br />

auch von Fußgängern nicht so gut benutz-<br />

bar und benötigt nach Benutzung auch<br />

mehr Reinigungsaufwand als ein normales Bad.<br />

Natürlich sind auch die Außenanlagen roll-<br />

stuhlgerecht umzubauen, auch der Garten<br />

soll wieder für den Betroffenen voll nutzbar<br />

sein, umso mehr als der Garten oft die ein-<br />

zige einfache Möglichkeit darstellt, schnell<br />

und unkompliziert ins Grüne zu kommen.<br />

Großes Augenmerk sollte auch darauf gelegt<br />

werden, dass ein überdachter Stellplatz, am<br />

besten eine Garage, zur Verfügung steht, die<br />

vom Haus aus direkt oder auf überdachten<br />

Wegen – wichtig v.a. bei Eis und Schnee – zu<br />

erreichen ist.<br />

Diese Punkte werden alle regelmäßig un-<br />

problematisch von Haftpflichtversicherungen<br />

übernommen, sofern eine ordentliche Pla-<br />

nung (inklusive Ausschreibung) stattfindet<br />

– hier sollte auf jeden Fall ein Architektur-<br />

büro für behindertengerechtes Bauen ein-<br />

gesetzt werden – und die Qualität der Um-<br />

baumaßnahmen sich am Lebensstandard des<br />

Betroffenen vor Unfall orientiert. D.h., dass<br />

nur wer vorher in einem Schloss gewohnt<br />

hat, einen fürstlichen Umbau bekommt, ein<br />

eher armer Geschädigter wird sich indes<br />

mit einem einfacheren funktionalen Umbau<br />

begnügen müssen.<br />

53


54<br />

Anspruch auf Privatsphäre<br />

Problematisiert werden allerdings meistens<br />

die folgenden Punkte. Insbesondere bei<br />

schwerstbehinderten Tetraplegikern, die je-<br />

denfalls rund um die Uhr eine Pflegeper-<br />

son im Haus haben, wird oft argumentiert,<br />

dass aufwändige Umweltsteuerungssysteme<br />

und eine behindertengerechte Küche nicht<br />

benötigt werden, da Dinge wie Kochen und<br />

Mobilität jedenfalls regelmäßig von Dritten<br />

übernommen werden. Hier ist darauf zu<br />

verweisen, dass auch noch ein Rest Privat-<br />

sphäre vorhanden sein sollte und es ins-<br />

besondere aus psychischen und rehabilitati-<br />

ven Gesichtspunkten heraus sinnvoll ist, wenn<br />

sich der Betroffene jedenfalls im Einzelfall<br />

selbst helfen kann.<br />

Oft wenden Versicherer auch ein, dass das<br />

Haus durch die Umbauten ja einen Mehrwert<br />

bekommen würde, der vom Betroffenen<br />

selbst zu tragen sei. Den Mehrwert bei<br />

behindertengerechten Umbauten kann ich<br />

nicht erkennen. Oft ist ein barrierefreies<br />

Haus mit Aufzug und entsprechendem Bad<br />

nicht marktüblich zu verkaufen, weil einfach<br />

keine Interessenten da sind.<br />

Auch das oft gebrachte Argument, dass<br />

teilweise Dinge einfach neu zu machen seien,<br />

wenn sich beim Teilentkernen herausstellt,<br />

dass irgendwo die Mauersubstanz oder der<br />

Dachstuhl nicht mehr gängigen Standards<br />

entsprach und so ein Renovierungsmehrwert<br />

entstünde, greift nicht, da es sich ja (wenn<br />

denn überhaupt) um eine aufgedrängte<br />

Bereicherung handelt, also eine Aufwendung,<br />

die der Betroffene den normalen Verlauf der<br />

Dinge betrachtet überhaupt nicht getätigt<br />

hätte.<br />

Wartungskosten<br />

Nicht vergessen sollte man auch, dass die<br />

behindertengerechten Umbauten – hier<br />

vor allem der Aufzug – Strom verbrauchen<br />

und Wartungskosten verursachen und dass<br />

der Anbau auch zu heizen ist. All dies sind<br />

Positionen, die regelmäßig anfallen und vom<br />

Haftpflichtversicherer in Rentenform oder<br />

Kapitalabfindung zu ersetzen sind.<br />

Ebenso muss auch klar sein, dass Menschen,<br />

die im Kindesalter verunfallen, einen Anspruch<br />

auf einen weiteren Umbau bei Volljährigkeit<br />

haben, nämlich dann, wenn sie nach dem<br />

gewöhnlichen Verlauf der Dinge das elterliche<br />

Haus verlassen hätten.<br />

Anmerkung zum Autor: Der Rechtanwalt<br />

und Fachanwalt für Verkehrsrecht Oliver<br />

Negele, Mitarbeiter der AG-Recht der FGQ,<br />

bearbeitet derzeit ca. 30 Fälle aus dem Bereich<br />

Großpersonenschaden im Jahr.<br />

Foto: www.emanuelbloedt.de<br />

Kontakt:<br />

RA Oliver Negele<br />

Bgm.-Fischer-Str. 12<br />

86150 Augsburg<br />

Tel.: 08 21-32 79 88 10<br />

E-Mail: kontakt@arge-recht.de


56<br />

Zuzahlungen in der Gesetzlichen<br />

Krankenversicherung<br />

Inzwischen haben sich die Patienten daran gewöhnt, dass viele Leistungen der<br />

Krankenkassen nur noch zur Verfügung stehen, wenn sie aus dem eigenen Geldsäckel<br />

etwas beisteuern. Unklarheiten gibt es aber immer noch. Der Hinweis von Sanitätshaus<br />

oder Apotheke, dass individuelle Fragen mit der Krankenkasse zu klären sind, führt<br />

aber noch lange nicht immer zur gewünschten Klarheit. Darum hier einiges im<br />

Klartext, speziell für Menschen mit einem Stoma und bei Inkontinenz, aber auch mit<br />

anderen Behinderungen. Sie sind „chronisch krank“ im Sinne des Gesetzes (SGB V).<br />

Deshalb gilt für sie die reduzierte Belastungsgrenze von 1 % des Familieneinkommens<br />

statt 2 % (allgemeine Belastungsgrenze).<br />

Was heißt „chronisch kranke Menschen“? Die<br />

Krankheit muss ein volles Jahr lang bestehen<br />

und in dieser Zeit von einem Arzt mindestens<br />

einmal pro Quartal behandelt worden sein.<br />

Darüber hinaus muss eines der folgenden<br />

Kriterien erfüllt sein:<br />

• Der Patient ist pflegebedürftig nach<br />

Pflegestufe II oder III.<br />

• Der Patient ist aufgrund seiner Erkrankung<br />

mindestens zu 60 Prozent erwerbsgemin-<br />

dert oder behindert. Die Erwerbsminde-<br />

rung beziehungsweise Behinderung muss<br />

durch diese Erkrankung begründet sein.<br />

• Wegen der Krankheit ist eine kontinuier-<br />

liche medizinische Versorgung erforderlich,<br />

ohne die nach ärztlicher Einschätzung<br />

eine lebensbedrohliche Verschlimmerung<br />

der Erkrankung zu erwarten ist oder eine<br />

Verminderung der Lebenserwartung oder<br />

eine dauerhafte Beeinträchtigung der Le-<br />

bensqualität.<br />

• Bei Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe II<br />

oder III in der gesetzlichen Pflegever-<br />

sicherung (SGB XI) wird nach Ablauf<br />

eines Jahres seit dem Beginn der Pflege-<br />

bedürftigkeit nach einer dieser Pflegestu-<br />

fen das Vorliegen einer Dauerbehand-<br />

lung unterstellt.<br />

Entsprechende Bescheinigungen stellen die<br />

Hausärzte aus, Formulare liegen dort vor.<br />

Wenn mindestens ein – auch als Familien-<br />

mitglied – gesetzlich versicherter Angehöriger<br />

des Familienhaushalts schwerwiegend chro-<br />

nisch krank ist, reduziert sich die Zuzah-<br />

lungsgrenze für alle Angehörigen des<br />

Familienhaushalts auf 1 Prozent der jährlichen<br />

Familienbruttoeinnahmen im Kalenderjahr.<br />

Die Absenkung der Grenze gilt ab dem<br />

1. Januar des Kalenderjahres, in dem die<br />

Behandlung der chronischen Erkrankung ein<br />

Jahr andauert. Sollte der chronisch Erkrankte<br />

nicht bei der Krankenkasse versichert sein,<br />

die einen Befreiungsausweis (für ein anderes<br />

Familienmitglied) erstellen soll, benötigt diese<br />

eine Kopie des Bescheids der Krankenkasse, bei<br />

der er versichert ist.<br />

Beispiel: Der Patient befindet sich seit 11. Juni<br />

2008 wegen einer Querschnittlähmung in


Behandlung. Wenn er bis zum 10. Juni 2009<br />

wenigstens einmal im Quartal wegen dieser<br />

Krankheit in ärztlicher Behandlung war, liegt<br />

eine Dauerbehandlung vor. Die einprozentige<br />

Zuzahlungsgrenze gilt dann rückwirkend ab<br />

dem 1. Januar 2009.<br />

Einkommen<br />

Dazu zählen alle Einnahmen, also auch Ren-<br />

ten, Mieterträge und Zinserträge. Nicht dazu<br />

zählen Renten nach dem BVG und Pflegegeld<br />

(Pflegeversicherung, Landespflegegeld, Hilfe<br />

zur Pflege nach SGB XII). Sind Angehörige<br />

zu berücksichtigen, werden vom Einkommen<br />

Freibeträge von 4599 E für den Partner bzw.<br />

6024 E je Kind abgesetzt. Diese setzen sich<br />

zusammen aus 3864 E Freibetrag nach SGB V<br />

und dem gesetzlichen Freibetrag für Betreu-<br />

ung, Erziehung und Ausbildung von 2160 E<br />

je Kind bei zusammen veranlagten Ehepart-<br />

nern (BSG-Urteil vom 30.6.2009 AZ B 1 KR<br />

17/08 R). Bei Alleinerziehenden berücksich-<br />

tigt die Krankenkasse für das erste Kind den<br />

höheren Freibetrag, der sonst für den Ehe-<br />

gatten oder Lebenspartner gelten würde, also<br />

4536 E und 1080 E,als gesetzlichen Freibe-<br />

trag für Betreuung, Erziehung und Ausbil-<br />

dung je Kind, insgesamt also 5616 E für das<br />

-Anzeige-<br />

erste und 4 944 E für jedes weitere Kind<br />

(Stand Februar 2010). Dieser Freibetrag von<br />

2160 bzw. 1080 E kann bei der Krankenkasse,<br />

wie übrigens jede Zuzahlungserstattung, auch<br />

noch rückwirkend geltend gemacht werden.<br />

Denn Ansprüche im Sozialrecht verjähren<br />

erst nach vier Jahren, beginnend mit dem<br />

Ende des Jahres, in dem sie entstanden sind.<br />

Erstattungen sind in 2010 also noch rückwir-<br />

kend für die Jahre 2006 bis 2009 möglich. Bei<br />

einer vierköpfigen Familie sind das immerhin<br />

86,40 E (bei „chronisch Kranken“ die Hälfte,<br />

also 43,20 E) pro Jahr. Für Alleinerziehende<br />

reduziert sich der mögliche Erstattungsbetrag<br />

auf die Hälfte.<br />

Für Familien gilt: Nach § 62 SGB V Abs. 2<br />

werden die Zuzahlungen und die Brutto-<br />

einnahmen gemeinsam ermittelt, d. h. sobald<br />

die Zuzahlungen aller Familienangehörigen<br />

insgesamt 1 % erreichen, kann ein Befreiungs-<br />

nachweis von der Krankenkasse angefordert<br />

werden. Mit dem Befreiungsausweis, den<br />

die Krankenkasse dann zuschickt, sind keine<br />

Zuzahlungen mehr zu leisten. Das gilt auch<br />

für Ehepartner und familienversicherte Kin-<br />

der. Evtl. schon geleistete Überzahlungen<br />

erstattet die Kasse, meist auf Antrag, manch-<br />

mal auch unaufgefordert.<br />

57


58<br />

Als Angehörige gelten der Ehepartner bzw.<br />

der Lebenspartner nach dem Lebenspartner-<br />

schaftsgesetz (gleichgeschlechtliche Paare)<br />

und darüber hinaus die ebenfalls im ge-<br />

meinsamen Haushalt lebenden Kinder. Kin-<br />

der von getrennt lebenden oder geschie-<br />

denen Ehepartnern werden bei dem Eltern-<br />

teil berücksichtigt, bei dem sie wohnen,<br />

unabhängig davon, bei wem die Familien-<br />

versicherung besteht. Selbst versicherte Kin-<br />

der gehören nicht dazu. Umgekehrt ist ihr<br />

Einkommen auch nicht zu berücksichtigen.<br />

Bei Empfängern von Hilfe zum Lebensunter-<br />

halt nach SGB XII („Sozialhilfe“, nicht Hilfe<br />

zur Pflege!), von Arbeitslosengeld II und<br />

von Grundsicherung im Alter und bei Erwerbs-<br />

minderung, wird jeweils nur der Regelsatz<br />

des Haushaltsvorstands als Bruttoeinkommen<br />

für die gesamte Bedarfsgemeinschaft gezählt,<br />

das heißt der jährliche Zuzahlungsgesamtbe-<br />

trag beträgt (2009) bei chronisch Kranken<br />

43,08 E, allgemein 86,16 E.<br />

Belege: Immer dann, wenn eine Zuzahlung<br />

zu leisten ist, gibt es eine Quittung, auf der<br />

auch der Name des Zahlers vermerkt sein<br />

muss. Das ist wichtig weil die Krankenkasse<br />

die Belege sonst nicht anerkennt. Manche<br />

Kassen und Apotheken verschenken auch<br />

kleine Büchlein, in denen die Zahlungen<br />

quittiert werden. Damit spart man das Bele-<br />

ge sammeln. Keine Angst, zusätzliche Belege<br />

kann man trotzdem mit dem formlosen<br />

Begleitbrief einreichen, mit dem man um die<br />

Befreiung von der Zuzahlung und die Rück-<br />

überweisung schon zu viel gezahlter Beträge<br />

bittet.<br />

Fast alle Krankenkassen bieten ab dem<br />

zweiten Jahr der Befreiung zum Jahresan-<br />

fang ihren Mitgliedern die Möglichkeit, durch<br />

Zahlung eines Betrages, der auf dem<br />

Familieneinkommen des Vorjahrs basiert,<br />

direkt den Nachweis zur Befreiung für das<br />

laufende Jahr zu bekommen, so dass keine<br />

Belege mehr gesammelt und möglicherweise<br />

überzahlte Beträge zurück überwiesen wer-<br />

den müssen. Die übliche Praxis ist, dass nach<br />

Jahresende dann trotzdem ein Einkommens-<br />

nachweis verlangt wird. Dieser gilt dann aber<br />

nicht zur nachträglichen Verrechnung des<br />

abgelaufenen Jahres sondern als Grundlage<br />

für eine Zahlung, die dann für das folgende<br />

Jahr die Befreiung bewirkt. Eine rückwirkende<br />

Verrechnung wäre unwirtschaftlich. Umge-<br />

kehrt ist mit dieser Praxis der Nachteil<br />

verbunden, dass auch keine Rückerstattung<br />

erfolgt z. B. wenn man weniger als erwartet<br />

verdient hat oder wenn eine versicherte Per-<br />

son im Laufe eines Jahres verstorben ist. Die<br />

Vorteile für beide Seiten, Krankenkasse und<br />

Mitglied rechtfertigen diese Handhabung<br />

aber. Ob die Krankenkassen das BSG-Urteil<br />

(siehe oben) zum Anlass nehmen, von<br />

sich aus rückwirkend die Beträge von zu<br />

43,20 E bzw. 21,60 E je Kind zu erstatten,<br />

ist zu diesem Zeitpunkt noch unklar. Es lohnt<br />

sich auf jeden Fall, das zu beantragen und<br />

vor allem im kommenden Jahr weniger pau-<br />

schale Zuzahlungen zu akzeptieren.<br />

Wofür gelten Zuzahlungen?<br />

Verschreibungspflichtige Arzneimittel:<br />

Bis zur Belastungsgrenze keine Sonder-<br />

regelungen. Nicht verschreibungspflichtige<br />

Arzneimittel müssen voll bezahlt werden.<br />

Ausnahme: Nicht verschreibungsfähige Arz-<br />

neimittel, die bei bestimmten Krankheiten<br />

als „anerkannter Therapiestandard“ gelten,<br />

können wie bisher auch mit Angabe der<br />

Diagnose auf der Verordnung weiter zu<br />

Lasten der Kassen verordnet werden.


Dazu gehören u. a. auch bei neurogener<br />

Darmlähmung (wie bei Querschnittlähmung)<br />

Abführmittel, Mittel gegen Verstopfung,<br />

Desinfektionsmittel bei ISK (Katheterisieren)<br />

oder methioninhaltige Medikamente zur<br />

Vorbeugung von Nierensteinen (Harnan-<br />

säuerung) und manche Vitamine. Besonder-<br />

heiten: Harn- und Blutteststreifen sind stets<br />

zuzahlungsfrei. Für Trink- und Sondennah-<br />

rung sowie Verbandmittel bemisst sich die<br />

Zuzahlung am Wert pro Verordnungszeile.<br />

Hilfsmittel aller Art:<br />

Hier müssen 10 % Zuzahlungen geleistet<br />

werden; mindestens 5 E, maximal 10 E, je-<br />

doch nie mehr als das Hilfsmittel selbst kostet.<br />

(z. B. Rollstühle, Bettschutzeinlagen usw.)<br />

Auch hier sind einige Besonderheiten zu<br />

berücksichtigen:<br />

• Bei Hilfsmitteln, die zum Verbrauch be-<br />

stimmt sind (z. B. Katheter) beträgt die<br />

maximale Zuzahlung insgesamt 10 E /<br />

Monat, egal wieviel und welche Hilfsmittel<br />

dafür benötigt werden. Auch bei zwei<br />

unterschiedlichen Indikationen (z. B. Ka-<br />

theterisierung und Stoma wird dieser Be-<br />

trag nur einmal fällig.<br />

-Anzeige-<br />

• Reparaturen von Hilfsmitteln/Ersatzteile<br />

sind keine eigenständigen Hilfsmittel. Es<br />

ist deshalb keine Zuzahlung zu leisten.<br />

• Auch Pflegehilfsmittel nach SGB XI (bei<br />

festgestellter Pflegestufe in der Pflege-<br />

versicherung) wie Einmalhandschuhe, Un-<br />

terlagen etc. fallen nicht unter dieses<br />

Gesetz. Es ist keine Zuzahlung zu leisten.<br />

• Es gibt auch Hilfsmittel, die sowohl zum<br />

Verbrauch bestimmte Hilfsmittel als auch<br />

Pflegehilfsmittel sein können je nach Indi-<br />

kation. Beispiele: Einmal-Bettschutzein-<br />

lagen, Einmalhandschuhe.<br />

Heilmittel (KG, MTT, Ergotherapie):<br />

Es sind 10 E / Verordnung und 10 % / Leis-<br />

tung zu zahlen. Das heißt, bei Verordnungen<br />

für 3 oder 6 mal Krankengymnastik ist es<br />

teurer als vor 2004, bei der Verordnung von<br />

20, 30 oder 50 Behandlungen – „außerhalb<br />

des Regelfalls“ – ist die Zuzahlung jetzt<br />

niedriger. (Anmerkung: Die heiß diskutierte<br />

„Unterbrechung“ von 6 oder 12 Wochen ist<br />

bei Verordnungen außerhalb des Regelfalls –<br />

„V.a.d.R.“ – nicht vorgesehen. Diese werden<br />

auch nicht auf das Arztbudget angerechnet.<br />

Das sollte jeder Arzt wissen!)<br />

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59


60<br />

Fahrtkosten:<br />

Nach den „Krankentransport-Richtlinien“ über-<br />

nehmen die Kassen die Kosten nicht nur<br />

für Personen, die einen Schwerbehinder-<br />

tenausweis mit den Merkzeichen „aG“, „Bl“<br />

oder „H“ haben oder in der Pflegeversiche-<br />

rung in die Pflegestufe II oder III eingestuft<br />

sind, sondern auch für Menschen, die „mit<br />

einem durch die Grunderkrankung vorge-<br />

gebenen Therapieschema behandelt werden,<br />

das eine hohe Behandlungsfrequenz über<br />

einen längeren Zeitraum aufweist“. Dazu<br />

zählen z. B. (aber nicht nur) Bestrahlungen,<br />

Chemobehandlungen oder Dialyse, wenn die<br />

Behandlung mindestens einmal wöchentlich<br />

erfolgen soll (das ist neu ab 2009 – BSG-<br />

Urteil, früher mindestens zweimal pro<br />

Woche). Auch hier werden Zuzahlungen<br />

fällig und zwar 10 % pro Fahrt, mindestens<br />

5 E, maximal 10 E. Fährt man mit dem<br />

privaten PKW und es ergibt sich dabei Kilo-<br />

metergeld, das unter der Zuzahlungsgrenze<br />

liegt, sollte man diese Fahrten trotzdem nach-<br />

weisen, weil diese Beträge bei der Ermitt-<br />

lung der Belastungsgrenze mit berücksichtigt<br />

werden. Das gleiche gilt für Fahrten mit<br />

öffentlichen Verkehrsmitteln. Da reichen die<br />

Fahrscheine aus.<br />

Krankenhausbehandlung, AHB, Kuren:<br />

Bei einer vollstationären Krankenhausbehand-<br />

lung sind 10 E je Kalendertag für maximal<br />

28 Tage im Kalenderjahr zu entrichten. Das<br />

gleiche gilt für eine Anschlussheilbehand-<br />

lung unter Einbeziehung vorheriger Kranken-<br />

hausaufenthalte. Anders sieht es bei stationä-<br />

ren Vorsorge- und Rehabilitationskuren aus<br />

(gilt auch für Mütter-Kind-Kuren): Bei ihnen<br />

sind zeitlich unbegrenzt pro Tag 10 E Zuzah-<br />

lung fällig. Bei ambulanten Kuren fallen als<br />

Zuzahlung 10 % der Kosten für Heilmittel<br />

sowie 10 E je Verordnung an, wie auch sonst<br />

bei Heilmitteln.<br />

Zuhause:<br />

Für häusliche Krankenpflege sind 10 % der<br />

Kosten zu übernehmen, begrenzt auf 28 Tage<br />

je Kalenderjahr, außerdem zusätzlich 10 E je<br />

Verordnung. Für eine Haus-haltshilfe beträgt<br />

die Zuzahlung zeitlich un-begrenzt 10 % der<br />

täglichen Gesamtkosten, mindestens 5 Eund<br />

höchstens 10 E pro Ka-lendertag,<br />

Praxisgebühr:<br />

Auch die Praxisgebühr von 10 E / Quartal<br />

zählt zu den anrechenbaren Zuzahlungen<br />

und ist bei einer Befreiung nicht mehr zu<br />

zahlen.<br />

Kinder bis zum vollendeten 18. Lebensjahr:<br />

Sie sind von allen Zuzahlungen befreit,<br />

damit auch von den Praxisgebühren. Einzige<br />

Ausnahme: Zu den Fahrkosten muss auch bei<br />

ihnen eine Zuzahlung geleistet werden.<br />

Was man nicht anrechnen kann: Der Eigen-<br />

anteil bei einer zahnärztlichen Versorgung<br />

lässt sich ebenso wenig geltend machen wie<br />

(bis auf ganz seltene Ausnahmen) die Kosten<br />

für Brillen, Kontaktlinsen und die Pflegemittel<br />

dazu.<br />

Die „wirtschaftliche<br />

Aufzahlung“ …<br />

... ist der Betrag, den man aus eigenem<br />

Portemonnaie zahlen muss, wenn man nicht<br />

das Arzneimittel oder das Hilfsmittel haben<br />

möchte, das die Krankenkasse in voller Höhe<br />

übernehmen würde, weil man glaubt, dass<br />

die teurere Alternative den Zweck besser er-<br />

füllt oder (z. B. ein Rollstuhl) besser aussieht.


Ob man bereit ist, dafür Geld auszugeben,<br />

muss jeder selbst entscheiden. Allerdings<br />

sollte man sich dann nicht abwimmeln<br />

lassen, wenn die Kasse die Zahlung ganz<br />

verweigert. Den anteiligen Betrag, den das<br />

von der Kasse vorgeschlagene Hilfsmittel<br />

oder Medikament gekostet hätte, muss diese<br />

auch übernehmen. Manchmal kommt es<br />

auch zu einer wirtschaftlichen Aufzahlung,<br />

weil ein Sanitätshaus oder eine Apotheke<br />

anders kalkuliert als andere Anbieter. Dann<br />

sollte man überlegen, ob dieser Lieferant<br />

so wichtig oder so viel zuverlässiger ist als<br />

andere, dass einem der Aufpreis das wert ist<br />

oder ob man zur Konkurrenz wechselt.<br />

Einen „Musterpatienten“ gibt es nicht. Ein<br />

Gesetz ohne Auslegungsprobleme noch viel<br />

weniger. Deshalb kann dieser Artikel nur<br />

wichtige Punkte (Stand Februar 2010) erläu-<br />

tern und klarstellen. Er soll zur Information<br />

selbst betroffener Menschen (und Familien)<br />

-Anzeige-<br />

dienen, um ihnen in Gesprächen mit ihren<br />

Krankenkassen mehr Sicherheit zu geben,<br />

wenn diese, aus welchem Grund auch immer,<br />

einen Anspruch anders beurteilen. Und das<br />

geschieht immer wieder. Denn Kranken-<br />

kassen sind genauso parteiisch wie ich.<br />

Kontakt:<br />

Herbert Müller<br />

Freiherr-vom-Stein-Str. 47<br />

56566 Neuwied-Engers<br />

Tel.: 0 26 22-8 89 6 32<br />

Fax: 0 26 22-889 636<br />

E-Mail:<br />

h.mueller@engers.de<br />

Herbert Müller,<br />

FGQ-Sozialrechtsexperte.<br />

61


62<br />

Befreiung von den Rundfunkgebühren<br />

Früher wurde meist in den Schwerbehindertenausweis zu den Stempeln aG, H, B<br />

auch noch RF für die Rundfunkgebührenbefreiung gestempelt. Das hat sich schon seit<br />

einiger Zeit geändert und die ausstellenden Behörden streiten vor den Gerichten um<br />

die Vergabe dieses Merkzeichens vehement.<br />

Seit dem 1.4.2005 wurde der Rundfunk-<br />

gebührenstaatsvertrag geändert. Seitdem<br />

sind nicht mehr die Länder und Kommunen<br />

für die Befreiung von den Gebühren zustän-<br />

dig. Anträge sind jetzt generell bei der GEZ<br />

(Postfach 11 03 63, 50403 Köln) zu stellen.<br />

Der Antrag muss grundsätzlich schriftlich<br />

gestellt werden. Formulare kann man bei<br />

der GEZ anfordern. Das ist auch im Internet<br />

unter www.GEZ.de möglich. Dort kann man<br />

sogar ein PDF-Formular online ausfüllen und<br />

ausdrucken. Man sollte dem Antrag eine<br />

beglaubigte Kopie des Bewilligungsbescheides<br />

für die Hilfe zur Pflege nach dem BHSG oder<br />

für Landespflegegeld beifügen.<br />

Befreit werden können der Haushaltsvor-<br />

stand, dessen Ehegatte und andere Haus-<br />

haltsangehörige für von ihnen selbst zum<br />

Empfang bereit gehaltene Geräte.<br />

Die Voraussetzungen für eine Befreiung sind<br />

bundeseinheitlich in zehn Punkten neu gere-<br />

gelt:<br />

1.) Empfänger von Sozialhilfe (Hilfe zum<br />

Lebensunterhalt nach SGB XII) oder von<br />

Leistungen nach § 27a oder 27 d des<br />

Bundesversorgungsgesetzes.<br />

2.) Empfänger von Grundsicherung im Alter<br />

oder bei Erwerbsminderung (Grundsiche-<br />

rungsgesetz).<br />

3.) Empfänger von ALG II und Sozialgeld ein-<br />

schließlich Leistungen nach § 22, aber<br />

nur dann, wenn keine Zuschläge nach<br />

§ 24 SGB II gezahlt werden.<br />

4.) Empfänger von Leistungen nach dem<br />

Asylbewerberleistungsgesetz.<br />

5.) BAFÖG-Empfänger, die nicht bei den<br />

Eltern leben.<br />

6.) Sonderfürsorgeberechtigte nach § 27 e<br />

des Bundesversorgungsgesetzes.<br />

7.) a) Blinde oder nicht nur vorübergehend<br />

wesentlich sehbehinderte Menschen mit<br />

einem GdB von mindestens 60 % alleine<br />

wegen der Sehbehinderung<br />

b) Hörgeschädigte Menschen, die gehör-<br />

los sind oder denen eine ausreichende<br />

Verständigung über das Gehör auch mit<br />

Hörhilfen nicht möglich ist.<br />

8.) Behinderte Menschen mit einem GdB<br />

von wenigstens 80 %, die deshalb an<br />

öffentlichen Veranstaltungen ständig<br />

nicht teilnehmen können. Wann das der<br />

Fall ist, bleibt nach wie vor umstritten<br />

und gehört zu den Fragen, die in der<br />

Vergangenheit oft von den Gerichten zu<br />

entscheiden waren – und daran wird sich<br />

voraussichtlich in der Zukunft auch nichts<br />

ändern.<br />

9.) Empfänger von Hilfe zur Pflege nach<br />

dem Siebten Kapitel SGB XII oder von<br />

Hilfe zur Pflege als Leistung der Kriegs-


opferfürsorge oder von Pflegegeld nach<br />

den landesgesetzlichen Vorschriften.<br />

10.) Empfänger von Pflegezulagen nach § 267<br />

Absatz 1 des Lastenausgleichsgesetzes<br />

oder Personen, denen wegen Pflege-<br />

bedürftigkeit nach § 267 Absatz 2 Satz<br />

1 Nr. 2 Buchstabe c dieses Gesetzes ein<br />

Freibetrag zuerkannt wird.<br />

Daneben gibt es noch besondere Härtefälle<br />

wegen persönlicher oder sachlicher Unbilligkeit,<br />

auf die hier aber nicht eingegangen wird,<br />

weil die Bedingungen nur für sehr spezielle<br />

Sonderfälle gelten. Geringes Einkommen ist z.<br />

B. kein Befreiungsgrund.<br />

-Anzeige-<br />

Gepflegt Radiohören<br />

Neben der Information für Leistungsemp-<br />

fänger nach Hartz IV und nach dem<br />

Grundsicherungsgesetz, für die das jetzt<br />

eindeutig geregelt wurde, ist Punkt 9 der<br />

Auflistung besonders interessant:<br />

a) Empfänger von Hilfe zur Pflege nach<br />

dem BSHG können jetzt erfolgreich die<br />

Befreiung beantragen, auch wenn für sie<br />

Punkt 8 nicht zutrifft. Das gilt auch für<br />

diejenigen, die diese Leistung wegen der<br />

Besitzstandswahrung beim Inkrafttreten<br />

der Pflegeversicherung zum 1.1.1995 ne-<br />

ben Leistungen der Pflegeversicherung<br />

weiterhin bekommen.<br />

63


64<br />

-Anzeige-<br />

b) Mancher erhält weiterhin als Besitz-<br />

standsleistung Pflegegeld nach den Vor-<br />

schriften des jeweiligen Bundeslandes,<br />

entweder weil keine Pflegestufe festge-<br />

stellt wurde oder weil das Landespflege-<br />

geld den Betrag der Pflegestufe I in<br />

Höhe von 205 Euro überstiegen hat/<br />

übersteigt. Auch er/sie kann die Be-<br />

freiung von den Rundfunkgebühren be-<br />

antragen. Da es keine Ausschlusstat-<br />

bestände gibt, gilt das auch in den<br />

Bundesländern wie Rheinland-Pfalz oder<br />

Brandenburg, in denen Landespflege-<br />

geld nicht vom Einkommen abhängig ist.<br />

Stempel kostet nichts<br />

Dem Antrag ist eine beglaubigte Kopie des<br />

Bewilligungsbescheides für die Hilfe zur<br />

Pflege nach dem BHSG oder für Landes-<br />

pflegegeld beizufügen. Was viele nicht<br />

wissen: eine Kopie kann von jeder „Siegel<br />

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führenden“ Stelle beglaubigt werden, also<br />

auch vom Ortsbürgermeister, vom Ortsbeirat,<br />

von der Polizei, der Schule oder auch von<br />

den Krankenkassen. Dieser Stempel kostet<br />

nichts. Diese Stellen sind verpflichtet, eine<br />

Beglaubigung vorzunehmen, können das<br />

also nicht ablehnen. Meistens ist dort auch<br />

ein Kopiergerät vorhanden. Notfalls macht<br />

man die Kopien selbst im Copy-Shop oder<br />

mit dem Scanner über den PC. Nur mit ein-<br />

fachen Faxgeräten, die mit hitzeempfind-<br />

lichem Papier arbeiten, geht das nicht. Solche<br />

Kopien verblassen zu schnell und sind nicht<br />

„registraturfähig“.<br />

Text: Herbert Müller<br />

Foto: Peter Mand<br />

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FGQ-Rechtsbeistand im Sozialrecht<br />

Herbert Müller<br />

Freiherr-vom-Stein-Straße 47, 56566 Neuwied-Engers<br />

Tel.: 0 26 22-88 96-32; Fax -36<br />

E-Mail: h.mueller@engers.de<br />

Öffentlichkeitsarbeit<br />

Peter Mand<br />

Felbelstraße 15, 47799 Krefeld<br />

Tel.: 0 21 51-62 17 000<br />

E-Mail: peter.mand@t-online.de<br />

Recht/Schadensersatzrecht<br />

Gottfried Weller<br />

Oliver Negele<br />

Dr. Loeffelladstr. 127, 86609 Donauwörth<br />

Tel.: 09 06-83 34; Fax: 99 99 715<br />

E-Mail: gottfriedweller@arcor.de<br />

Schmerz bei Querschnittlähmung<br />

Margarete Gritli Blickensdörfer<br />

Gottfried-Keller-Straße 54, 40474 Düsseldorf<br />

Tel.: 02 11-38 73 69 67<br />

E-Mail: gblickensdoerfer@ish.de<br />

Schule & Studium<br />

Karen Fischer<br />

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Tel.: 02 31-75 97 55<br />

Urlaub<br />

Johann Kreiter<br />

Laubeweg 1, 70565 Stuttgart<br />

Tel.: 07 11-715 64 90<br />

E-Mail: jnkreiter@aol.com


IMPRESSUM<br />

Herausgeber<br />

Fördergemeinschaft der Querschnittgelähmten<br />

in Deutschland e.V.<br />

Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim<br />

Tel.: (0 62 43) 52 56<br />

Fax: (0 62 43) 905 920<br />

fgq-moelsheim@t-online.de<br />

www.fgq.de<br />

Spendenkonto<br />

Deutsche Bank Ludwigshafen<br />

Kontonr. 0 179 200<br />

BLZ 545 700 94<br />

Mildtätigkeit anerkannt beim Finanzamt Worms<br />

Aktenzeichen: GEM 44.0237<br />

HUMANIS<br />

Verlag für Gesundheit GmbH<br />

Silcherstraße 15, D-67591 Mölsheim<br />

Tel.: (0 62 43) 900 704<br />

Fax: (0 62 43) 903 569<br />

info@humanis-verlag.de<br />

www.humanis-verlag.de<br />

Sekretariat<br />

Silcherstraße 15, 67591 Mölsheim<br />

Tel.: (0 62 43) 52 56<br />

E-Mail: fgq-moelsheim.de<br />

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Vorstand<br />

Erster Vorsitzender:<br />

Prof. Dr. med. Hans Jürgen Gerner<br />

Stellvertretender Vorsitzender: Christian Joachimi<br />

Schatzmeister: Franz Kniel<br />

Schriftführer: Peter Mand<br />

Beisitzer: Herbert Müller<br />

Verlagsleitung<br />

Roger Kniel<br />

Marketingleitung<br />

Gisela Werner<br />

Anzeigenbetreuung<br />

Rolf Schneider<br />

Layout<br />

NINO Druck GmbH<br />

Redaktionsleitung<br />

Peter Mand<br />

Der gesamte Inhalt der Broschüre ist urheberrechtlich<br />

geschützt, jede unzulässige Verwertung ohne<br />

Zustimmung des Verlages wird verfolgt.<br />

Druck<br />

NINO Druck GmbH<br />

Im Altenschemel 21, D-67435 Neustadt/Weinstraße<br />

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