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kleines PDF, 12 MB - Aktion Bleiberecht

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FreerkHuiskenDie Bedeutung d'e r regierungsamtlichen Ausländerdiskriminierungfür die Ausbreitung von Rassismus undAusländerfeindlichkeit in der BRDI.Die regierungsamtliche . Ausländerfeindlichkeitin der BRD ist nicht aneine bestimmte Par t e ipol t ik gebunden,sondern ergibt sich aus den Prinzipien-diesesStaatswesens.Der bundesdeutsche Staat belegt zunächst einmalprinzipiell alle Ausländer mit demVerdacht, sie würden die "Belange der BundesrepublikDeutschland beeinträchtigen" (AusiG§ 2). Deswegen behält er sich bei jedem Ausländerdas Recht vor, ihm den Aufenthalt inder Bundesrepublik zu verwehren. Dieser imAusländergesetz § 2 festgeschriebene Verdachtkann sich nicht aus einer Begutachtungder um eine Aufenthaltserlaubnis nachsuchendenIndividuen ergeben. Er wäre sonst nichtderart prinzipiell ausgefallen. Vielmehr erklärter sich aus dem Sta tus dieser Menschenals Ausländer. Sie sind Bürger eines anderenLandes und damit der Gewalt eines anderen,konkurrierenden Staates untertan. Den Ver~dacht, den die Bundesrepublik (wie jedes andereStaatsgebilde auch) gegenüber jeder fremdenStaatsgewalt in unterschiedlicher Weisehegt, sie könne ihre Souveränität auf Kostender bundesrepublikanischen vermehren wollen,überträgt das Ausländerrecht auf deren Bürger.Es faßt sie zunächst einmal unterschieds- .los als etwas auf, was sie nicht sind, nämlichals Repräsentanten einer konkurrierenden(bis feindlichen) Staatsgewalt: Irgendwiegilt es als eine Selbstverständlichkeit,daß sichjeder Bürger mit seinem Staat identifiziert;folglich der Bürger eines fremdenStaates sich nicht mit den Belangen der BRDidentifiziert: Das reicht für den Verdacht. DasAusländerrecht verfährt folglich rassistisch:"Nütz liehe" Ausländer: Das Ausländergesetz macht das Aufenthaltsrecht für Ausländer alleinabhängig von ihrem "Nutzen" für die "Belange der BRD".


Seite 6kom men Ausländer, die Geld hier lassen (Touristen),die Geld hier anlegen (Geschäftsleute),die wirtschatliche Beziehungen politisch vorbereiten(Diplomaten) oder den "Schutz der'Nachkriegsordnung ;, gewährleisten (Truppenwestlicher Sieger machte) ebenso in den Genußdieser Ausnahmeregelungen wie Künstler,Wissenschaftler oder Sportler.Auch ausländische Arbeitnehmer ("Gastarbeiter")gehörten ehemals in diese Kategorie.Den "Belangen der Bundesrepublik" sollten sienicht durch Reichtümer, sondern umgekehrtdurch ihre Armut dienen: Sie waren gefragtund angeworben zum Zwecke der Auffüllungder "Reservearmee" an Arbeitskräften für dasbundesdeutsche Geschäftsleben. Heute sindsie in dieser Eigenschaft bekanntlich nichtmehr gefragt, weil ein stattliches Heer anbundesdeutschen Arbeitslosen als Arbeits":'kraftreserve gute 'Di enst e leistet.Auch das grundgesetzlich gewährte Asylrecht,welches "politisch Verfolgte genießen"(GG, Art. 16.2), stellt keine Ausnahme dar.Denn ob jemand als "politisch Verfolgter" inder BRD Anerkennung findet, das ergibt sichnicht aus der objekti ven Bedrohung, welcherer in seiner Heimat unterliegt. Das hängtvielmehr davon' ab, wie diese Bedrohung vonden bundesdeutschen Ämtern und Gerichtenbeurteilt wird. Dabei werden "politisch Verfolgte",deren Heimatstaat sich die Feindschaftder BRD zugezogen hat (SozialistischeStaaten, Afghanistan, Vietnam ... ), eher alsAsylanten anerkannt als politisch Verfolgte,deren Heimat.szu den politisch, militärischoder ökonomisch Verbündeten der BRD gehört(vgl. Urteile über Türken und Kurden). Der (au-Ben-Jpolitische Nutzen, den die BRD mit derGewährung von Asyl für "politisch Verfolgte"anstrebt, liegt damit auf der Hand: Diese verfolgtenMenschen sind ihr das Material, anwelchem sie ihre Differenzen-mit den fremdenStaaten austrägt. Sie dienen bundesdeutscherPolitik als Instrument der Anklage für "unmenschlicheSysteme" und stehen für die Untermauerungeines selbstgefertigten Rechtsauf Einmischung in die "Belange" fremderStaaten. Daß es bundesdeutscher Asylpolitiknicht um "Menschlichkeit" zu tun ist, beweisenobendrein hinlänglich die im Asylverfahrensgesetz,Arbeitsförderungsgesetz usw. festgeschriebenenPrinzipien für den Umgang mitAsylbewerbern (Arbeitsverbot, Verbot politischerBetätigung, Einschränkung der Freizügigkeit,Unterbringung ... ).Man sollte mit der Kritik, die bundesdeutscheAsylpolitik sei 'unmenschlich', sehr vorsichtigsein: Daß Asylpolitik und -praxis 'unmenschlich'sind, darüber kann man sich viel-leicht im Kreise von Kritikern der Ausländerpolitikschnell verständigen. Aber als Kritik ander Asyl- und Ausländerpolitik taugt diesesUrteil in doppelter Weise nichts. Sie kreidetden Ausländerpolitikern nämlich 1. ihre Tatenals Versäumnisse an, wo diese doch selbstnach ihren eigenen Maßstäben gar nichts versäumthaben. Warum sind etwa 1980 die Asylverfahrensvorschriftenverschärft worden,warum sollen das Ausländerrecht und der Asylgrundsatzverschärft werden? Was da mit politischemWillen und parlamentarischen Mehrheitensehr absichtsvoll in die Wege geleitetwird, als Versäumnis zu charakterisieren, istnicht nur fahrlässig, sondern lebt von dem 'Beschluß'der Kritiker, den Politikern ihre Tatenals Abweichungen von ihrem eigenen politischenWillen vorzurechnen; folglich darauf zubauen, daß sie schon anderes tun würden, wennman sie nur oft genug auf ihre "Versäumnisse"aufmerksam machen würde. So erhält man sichdie Politik als Instanz, bei der man seine eigenenVorstellungen einklagen könne. 2. sollman sich einmal darauf besinnen, was mit demMaßstab 'menschlich' eigentlich alles angestelltwird. Als 'unmenschlich' gilt z.B, einSystem, das sich gegen kapitalistisches Privateigentumzur Wehr setzt, das bei sich keineArbeitslosigkeit zulaßt und eine lohnabhängigeGrundversorgung aller Menschen durchgesetzthat. Unter 'Unmenschlichkeit' firmiert hieralles, was nicht "westliche Freiheit" ist; es istder moralische Titel des Antikommunismus.Zusammenfassend läßt sich sagen: Wo es umNutzen und Schaden für die "Be lang e derBundesr epubl ik" geht, spielen Nutzen undSchaden der "pol it isch Verfolgten 11 in jedemFall keine Rolle. Das erfahren die Asylberechtigtennach erfolgter Anerkennung: Sierücken aus dem öffentlichen Interesse und habenhier nur noch ein Lebensrecht, sofern siesich wie jeder eigentumslose Inländer auch für"bundesdeutsche Belange" nützlich machen.Das darf eigentlich niemanden in Erstaunenversetzen, denn die Notlage, in welche Asylbewerberin ihren Heimatländern gebracht werden,verdankt sich in der Regel der Außenpolitikjener Länder oder Länderverbände, bei denenviele von ihnen jetzt um Asyl nachsuchen.In westlichen Staaten wird diesen Menschenvon ihrer Herrschaft das Leben schwer gemacht,wenn sie ihr Land zur politischen, ökonomischenoder militärischen Benutzung fürdie Staaten der I. Welt zurichten und dabeinicht zimperlich mit ihrer Bevölkerung umgehen,wenn' es um IWF- oder andere Auflagengeht.Man muß schon mit ziemlicher Blindheit geschlagensein, wenn man darauf setzt, daß jene


Seite 7politischen Kräfte, die auf der Welt das Elendanrichten, welches Millionen in die Fluchttreibt - sofern sie noch fliehen können - , ausgerechnetihre Opfer dann, wenn sie hier anklopfen,hätscheln würden.3·über Ausländerfeindlichkeit unterdeutschen Bürgern kann sich nur derjenigewundern, der die Ausländerpolitikder Bundesrepublik nicht zurKenntnis genommen hat. Ausländerfeindlichkeitund Rassismus im deutschenVolk haben ihren Grund allein inder Ausländerpolitik dieses Staats.Das heißt nicht, daß automatisch alledeutschen Bürger zu Ausländerfeindenwerden. Sondern: Die Ausländerfeindschaftbundesdeutscher Politikverfängt bei Bürgern, denen die deutscheStaatsbürgerschaft als ihr wichtigstesWesensmerkmal gilt; sie verfängtbei Nationalisten. .Es sind also nicht Erziehung, "aufgestauteTriebe", Vorurteile über Ausländer oder gardie Ausländer selbst der Grund der Ausländerfeindlichkeit,sondern die' ausländerfeindlichePolitik der Bundesrepublik. BundesdeutscheBürger teilen die Sortierungskriterien undden prinzipiellen Verdacht der Ausländerpolitik.Sie folgen dabei bekanntlich sehr untertänigsogar den wechselnden Konjunkturen, denendieser Verdacht unterliegt: So wurden'nach dem 2. Weltkrieg aus den "Franzmännern"schnell "Freunde", obwohl sich nur dasVerhältnis der beiden Staaten zueinander,nicht aber das ihrer Bürger irgendwie geänderthatte. Und die "Gastarbeiter"-Feindlichkeitnahm ihren Aufschwung nicht zufällig mitder Kehrtwende in der "Gastarbeiter"-Politik:Ausländische Arbeitskräfte wurden nicht mehrangeworben, sondern es wurde ab 1975 ihre"Rückkehr gefördert". .Diese Konjunkturen von Ausländerfeindlichkeitder Bundesrepublik kann man nur teilen,wenn man Nationalist ist, d.h. wenn man derAuffassung anhängt, daß bundesdeutsche Poli-:tik ganz prinzipiell um die Wohlfahrt deutscherBürger besorgt sei, man es also mit einerbesonderen, deutschen Staatsgewalt letztlichgut getroffen habe. Diese, für die Mehrzahlbundesdeutscher Bürger kaum zu begründendeAuffassung von der Volksnützlichkeit deutscherStaatsgewalt erlaubt es den bundesdeutschenNationalisten nicht, die tatsächlichenGründe all jener Probleme zu ent-Am 08.08.89 tötet ein offensichtlich in die Engegetriebener liberianischer Flüchtling zweiPolizisten. Das Unglück wird zur Schürung vonNationalismus mißbraucht. Der Stuttgarter06 Rommel erklärt, beim Staatsakt für dieGetöteten habe er massive Ausländerfeindlichkeitgespürt. Seine Außerung, das hätteauch ein Schwabe machen können, löst Morddrohungenaus. - Protest zug gegen die Tötungder Polizisten. Auch Ausdruck "deutscher"Empörung: Die Polizei läßt die Leiche desFlüchtlings stundenlang auf der Straße liegen.


Seite 8decken, mit denen sie sich täglich herumschlagenmüssen: zu teure Mieten, zu geringerLohn, Arbeitslosigkeit, zu teure Gesundheit,sinkende Sozialleistungen zu höheren Kostenusw. Für Anhänger der Auffassung, mit dembundesdeutschen Staat irgendwie schon einenHauptgewinn gezogen zu haben" können für alljene Sorgen folglich nur Ausländer, nichtdeutscheKräfte verantwortlich sein. UndAusländerfeinde werden schnell fündig, wennes um Schuldige geht: Asylanten, "Gastarbeiter"und Aussiedler konkurrieren mit ihnenin der Tat auf dem Wohnungs- und Arbeitsmarkt.Dieser Tatbestand reicht Nationalistenaus, um ausgerechnet in solchen Menschen, diesich in der gleichen unerfreulichen ökonomischenLage befinden wie sie selbst, dieVerantwortlichen für ihre Misere zu entdecken.Als Nationalisten erklären sie sich ihrebeklagte materielle Lage falsch: Ihr Beschluß,daß es nicht an deutscher Politik liegenkönne, wenn es ihnen an ziemlich Vielemfehlt, läßt für sie als Erklärung nur noch Ausländischesoder Ausländer zu. (Zur Kritik dieserfalschen Auffassung vgl. F. Huisken, Ausländerfeindeund Ausländerfreunde. EineStreitschrift wider den geächteten und den geachtetenRassismus. Hamburg 1987, S. 30 H.)4·Wenn bundesdeutsche Politiker sichüber die Zunahme von Ausländerfeindlichkeitbei ihr en Bürgern erschrockengeben, dann erfüllt dies objektivden Tatbestand der Heuchelei.Sie, die politischen Praktiker von kalkulierterAusländerfeindlichkeit,können und wollen Ausländerfeindlichkeitim deutschen Volk nicht kritisieren.Sie geben ihr vielmehrrecht. Allenfalls stört es sie, wenndeutsche Bürger mit ihrer Ausländerhetzenicht so kalkuliert umgehen wiesie selbst, d.h, nicht zwischen Asylantenund Aussiedlern unterscheidenwollen.Nach dem relativen Wahlerfolg der Republikanerin Westberlin gaben sich alle Parteienschockiert und beschlossen, sich verstärkt demThema "Ausländer" zuzuwenden. Sie - SPD,FDP, CDU und CSU - waren nicht verärgertüber Ausländerhetze in Westberlin, sonderndarüber, daß es eine kleine rechtsextreme Parteigeschafft hatte, ihnen mit der Zugnummer11 Ausländer raus" Stimmen abzuwerden. Seitder Berlinwahl versuchen die großen politisehenParteien mit viel Aufwand, das verloreneTerrain zurückzuerobern. Dabei hofierensie auf verschiedene Weise die Ausländerfeindlichkeitihrer Bürger, für die sie selbstmit ihrer Ausländerpolitik den Grundstein gelegthaben:- In der CDU und CSU gibt es die Beschwerde,daß die Republikaner Teile ihres Wahlprogrammsvon der CDU/CSU abgeschrieben hatten,daß also die Ausländerfeinde eigentlichdie falsche Partei gewählt hätten. Ihre wahreHeimat - so lautet diese Werbung - sei dieCDU/CSU.- H. Geißler warnt dagegen seine Partei vo~allzu offenkundiger Imitation der Republikaner,Weil er das außenpolitische Ziel "BinnenmarktEuropa" durch ausländerfeindliche Parolenbeeinträchtigt sieht. Er plädiert für einekalkulierte Zurückhaltung, um jene Ausländer'nicht zu verprellen, welche die bundesdeutscheGeschäftswelt doch in Europa für ihrWirtschaftswachstum benutzen will.- Die SPD gibt den Klagen, daß Ausländer anWohnungs- und Arbeitsplatznot schuld seien,recht, wenn sie sich im Namen der deutschenAusländerfeinde bei den Regierungsparteienüber verfehlte Wohnungs- und Arbeitsplatzpolitikbeschwert. Ihr Rezept lautet: Wählt dieSPD, dann bemühen wir uns um mehr Wohnraumund Arbeitsplätze für Deutsche.- Außerdem hat sich die SPD das kommunaleAusländerwahlrecht einfallen lassen, das nurauf den ersten Blick ausländerfreundlichwirkt. Wenn es nämlich erstens nur solchenAusländern gewährt werden soll, die bereitsacht Jahre unbescholten in der Bundesrepublikgearbeitet haben; und wenn es zweitens nur eineWahl betrifft, in der es selbst nach Auffassungder SPD nicht um wichtige nationale Fragengeht, dann bleibt selbst von der beabsichtigtenAusländerfreundlichkeit nur noch derSchein.- Alle Parteien sind sich einig darin, daßRechtsextremismus und Ausländerfeindlichkeitdas Ansehen der Bundesrepublik beeinträchtigen,zumal die BRD doch mit ihrer antifaschistischenHaltung überall auf der WeltPunkte machen-möchte. Diese "Kritik" an Ausländerfeindlichkeitgilt also ebenfalls garnicht dem ausländerfeindlichen Umgang mitBürgern anderer Staaten, die hier leben möchten.Vielmehr gilt sie nur den "braunen. Tönen" und dies auch nur deshalb, weil PolitikerAuswirkungen auf ihre Glaubwürdigkeit inder Welt befürchten. So machen sie auf der einenSeite - mit Einführung von Visum zwang,mit Kürzung von Sozialhilfe und Verschärfungdes Asylrechts - den unerwünschten Auslan-


Seite 10Die Abschreckung, so die richtige Auskunft,ist politisch gewollt. Andererseits nimmt derFR diesen Befund dadurch wieder zurück bzw.selbst nicht recht ernst, wenn er so tut, alshätten die verantwortlichen Stellen sich nurVersäumnisse in Sachen vmenschenwürdigerUnterkunft" zuschulden kommen lassen; so daßmit Appellen an das "gute Herz" (Zitat ausFR-Material) von politisch Verantwortlichendiese Praxis zu korrigieren sei. Wer jedoch einLager gerade so einrichten will, daß von ihmein Abschreckungseffekt ausgeht, der fühltsich durch die Diagnose, das Lager "zer störe"Menschen, nicht kritisiert, sondern bestätigt:Sein Zweck ist damit gerade erreicht. AlsVorwurf trifft ihn die Diagnose vom "unmenschlichenLager" gar nicht. Der FR mußsich an dieser Stelle entscheiden: Entweder erhält an dem richtigen Befund über den gewolltenAbschreckungseffekt der Asylpraxis fest,, dann muß er aber einsehen, daß die Ausländerpolitikernicht die Adressaten seiner Forderungen- was immer man von denen auchhalten mag - sind; sondern die Repräsentantender ausländerfeindlichen Politik.Oder der FR will es sich partout nichtnehmen lassen, vertrauensvoll in hiesiger Ausländerpolitikden Ansprechpartner für alle Beschwerdenzu sehen bzw. den Ausländerpolitikerimmer in.den Politiker (mit 11bö sen Absiehten")und den Menschen (mit "gutem Herzen"). zu zerlegen. Dann muß er aber sein Urteil über-den Abschreckungseffekt durchstreichen. Imletzten Fall muß er sich überlegen, wieviel ihmeigentlich das Vertrauen in deutsche Ausländerpolitikwert ist. Solch ein Vertrauen istnämlich nicht zu haben ohne die entsprechenden- inländischen und ausländischen - Opferdieser Politik.Übrigens ist dieser Idealismus - d.h. dieserIrrglaube, deutsche Politiker, die auf der ganzenWelt mit dafür sorgen, daß es diese Flüchtlingsbewegungengibt, seien zuständig für dieBeseitigung des Elends der Flüchtlinge - aucheine Spielart von Nationalismus. Es handeltsich um alternativen Nationalismus: Manmöchte in jedem Stück deutscher Politik, dasman heftig kritisiert, doch immer nur ein Versäumnisdeutscher Politik sehen, d.h. eineAbweichung von dem, was sich nach Auffassungdes Kritikers eigentlich für eine deutscheAusländerpolitik - "gerade wir mit unsererVergangenheit" - gehört. Man kann sicheben auch im Namen Deutschlands aus deutscherPolitik ein Gewissen machen, d.h. sichdamit - zumindest ideell - für deutsche Politikzuständig erklären (s. F. Huisken, Auslau-- derfeinde und Ausländerfreunde, S. 163 ff.).Freerk Huisken ist Professor für Pädagogikan der Universität Bremen. Seine Arbeitsschwerpunktesind Marxsche Theorie, Friedenserziehungund Politische Ökonomie desAusbildungssek tors. Zur Ausländerpolitikhat er 1987 das Buch "Ausländerfeinde undAusländerfreunde. Eine Streitschrift gegenden geächteten wie den geachteten Rassismus"veröffentlicht. Die vorliegenden Thesenhat er auf dem "Hearing gegen Sarnrnellagerund ZAST-Neubau" am 18\.03.89 inKarlsruhe vorgetragen."Gefahr liehe Ausländer": "Zur Sicherheit der Anwohner" demonstriert die Polizei "Präsenz" ind~r und um die Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Kar lsruhe, berichten die BadischenNeuesten Nachrichten am 25.°7.85.


Seite IIDokumentiertRede des Flüchtlingsrats beim"Hearing gegen Sammellager und ZAST-Neubau"am 18.03.89in KarlsruheIm Namen des FlüchtlingsratesKarlsruhe (und der Landtagsfraktionder Grünen Baden-Württembergs)möchte ich alle hier zum Hearinggegen Sammellager und ZAST -NeubauErschienenen herzlich begrüßen.Zu Beginn möchte ich kurz den Kontextherstellen, in dem für die Veranstalterdieses Hearing steht.Der Oberburgermeister der StadtKarlsruhe hat auf einen an ihn gerichtetenProtestbrief zur Asylpolitikgeantwortet, von einer Abschreckungspolitikder Landesregierungsei ihm nichts bekannt. Dazupaßt dann auch, daß Vertreter offiziellerStellen mit Verweis auf denTitel dieses Hearings, welcher mitdem Wort "gegen" eine Oppositionshaltungkundtut, sich veranlaßt sahen,das Aufhängen von Plakatenzum Hearing zu verbieten und heutenicht persönlich zu erscheinen. DiesesVerhalten und diese Argumentationsind zynisch und gänzlich undemokratisch.Der Titel des Hearingsist ganz bewußt so gewählt, denn erdrückt unsere Position zur herrschendenLagerpolitik aus: Wir sindgegen Lager in Baden- Württembergund begreifen die Sammellager alsAusdruck menschenverachtenderAbschreckungspolitik!Wir wollen deshalb heute auchnicht über Sammellager reden, sonderndeutlich gegen diese PolitikStellung beziehen und die Ursachenund Auswirkungen von Sammellagernoffenlegen. Die Flüchtlingesind in diesen Lagern vielfältigerRepression ausgesetzt. Wie systematischdie zuständigen Behördensowohl persönliche Kontakte zwischenDeutschen und Flüchtlingen,wie auch deren politische Zusammenarbeitbehindern, ze igen diejüngsten Reaktionen auf einenEssensboykott in der ZAST. Flüchtlinge,die mit Plakaten vor dem Speisesaalder ZAST demonstrativ dasEssen verweigerten, wurden umgehendin andere Lager verteilt -Flüchtlinge, die im Lager für 2 DM!Stunde arbeiteten und sich am Boykottbeteiligten, haben jetzt auchlagerintern Arbeitsverbot - beobachtendeMitglieder des FlüchtlingsratKarlsruhe erhielten Hausverbot.Dies sind alles politischeMaßnahmen, die Menschen entmuti-Der Vertreter des Flüchtlingsrats bei seiner Einführung ..gen sollen, für ihre, ihnen hier in Baden-Württemberg vorenthaltenen,grundlegenden Rechte zu kämpfen.Derartige Behandlungsmaßnahmensind natürlich bestens geeignet, dieohnehin schon ernormen Belastungender Flüchtlinge weiter zu verstärken.Die Landesregierung hat in denvergangenen Jahren mit ihrer diffamierendenAusländerpolitik in Baden-Württembergwie auch mit Initiativenauf Bundesebene gezieltAusländerfeindlichkeit und Fremdenhaßerzeugt. Daß diese Saat jetztdabei ist aufzugehen, zeigen nichtzuletzt die jüngsten Wahlergebnisseder rechtsextremistischen Parteien.Trotzdem fährt das Land Baden-Württemberg damit fort, weitereSammellager zu errichten, kürzt zugewiesenenAsylbewerbern die Sozialhilfemit offen rassistischen Begründungenund diskutiert eine beschränkteArbeitserlaubnis für Mangelberufe,was nichts anderes zeigt,als daß Flüchtlinge für die VerantwortlichenMittel zum Zweck fürbundesdeutsche Wirtschaftsinteressendarstellen. An die Mitschuld, diedie bundesdeutsche Wirtschaftspolitikan Fluchtbewegungen gerade derLänder der Dritten Welt trägt, werdensie natürlich nur ungern erinnert..Die Bedeutung des ZAST -Neubausist eine doppelte:- Zum einen erklärt sich die StadtKar/sruhe damit bereit, das Samrnellagerkonzeptde.s Landes zu unterstützenund die Aufgaben der zentralenAnlauf- und Abschiebestellezu übernehmen. Sie ist dazu natürlichgerne bereit, denn mit der Übernahmeder ZAST umgeht die Stadtdas Problem der Zuweisung vonFlüchtlingen. Karlsruhe bleibt somit- noch dazu nach der Verlegung desLagerkomplexes in ein Gebiet außerhalbjeglicher Wohnbebauung - weitestgehendfrei von Flüchtlingen.- Andererseits darf die landesweiteBedeutung nicht vergessen werden.Mit der Wohnsitzpflicht für alle Folgeantrags teller Baden- Württembergsin der ZAST und der beabsichtigtenErrichtung einer zentralenAbschiebestelle beim RegierungspräsidiumKarlsruhe entsteht ein Instrument,das die immer wieder gcforderterigorose Abschi ebung vonFlüchtlingen - auch in Krisengebiete- unbürokratisch ermöglicht.In der ganzen Auseinandcrsetzungzwischen Stadt Karlsruhe undFlüchtlingsra t Karlsruhe um denZAST-Neubau hat die Stadt immerwieder betont, bei diesem Problemnicht zuständig zu sein und uns andas Land Baden- Württemberg verwiesen.Deshalb unser Entschluß, dieProblematik im Rahmen eines landesweitenHearings zu diskutierenund die Gelegenheit zu nutzen, dieZusammenarbeit derjenigen Gruppenund Organisationen zu verstärken,die - solidarisch mit denFlüchtlingen - der herrschendenAsylpolitik ablehnend gcgcniibcrstchen.- (jürn, Flüchtlingsrat KA)


Seite <strong>12</strong>Dokurn.entier tDie Stadt, will die ZAST aus der Oststadt weghabenMit dem Verweis auf "die Zuständigkeitdes Landes" hat der Gemeinderatin den letzten Jahren jede Verantwortungfür die Lebensbedingungender Flüchtlinge in Karlsruhe zu':rückgewiesen. Einen Antrag derGrünen Liste anlaßlieh der erstenZAST-Neubaudebatte im März 86;die Sammellager und damit di,e,ZAST ,aufzulösen und die Flüchtlinge inWohnungen oder Wohnheimen unterzubringen,wischte der damaligeOberbürgermeister Dullenkopf lapidarvom Tisch: "Die Unterbringungin der ZAST (sei) ausschließlich Angelegenheitdes Landes und' Karlsruhe(habe) kein Mitspracherecht"(a mtsblattv z r.o j.Sö). _Niemand wird die juristische Zuständigkeitdes Landes für die 'ZentraleAnlaufsteIle bestreiten wollen,entschieden bestreiten muß man allerdingsdie Behauptung der Stadt,sie habe keinerlei Möglichkeiten" aufdie Lebensbedingungen der Flüchtlingeim Stadtgebiet Einfluß zu nehmen.Tatsächlich hat die Stadt in derVergangenheit Einfluß genommenund tut dies auch jetzt, allerdingsnicht gerade im Interesse derFlüchtlinge. Wir wollen dies am Beispielder Durchsetzung des ZAST-Neubaus belegen.Die ZAST wird 'weggeplant'In die öffentliche Diskussion kommtein ZAST -Neubau erstmals im Oktober1985. Aufgrund der totalenÜberbelegung der ZAST mit über1000 Flüchtlingen - es gibt nur <strong>12</strong>Duschen, in i y-qm-Zirnmern wohnen4 Leute - kommt es zu einem Hungerstreik,der durch die Verlegungder Streikenden gebrochen wird. DieForderungen nach besserer Unterbringungin der ZAST werden nichterfüllt. Allerdings machen sich jetzt. \plötzlich' Anwälte' der Flüchtlingebemerkbar: Die FDP-GemeinderatsundLandtagsfraktion verlangen:"Die ZAST muß aus der WolfartsweiererStraße verschwinden. Dafür sollan anderer Stelle ein neues Übergangslagergebaut werden" (BadischeNeueste Nachrichten, BNN,08.10.85). Nur so ließen sich die Problemelösen.Die Stadt scheint auf die Forderungdirekt anzuspringen. Schon imJanuar 86 wird der ehemalige Tiefbauhofam Gaskessel als Bauplatzfür die neue ZAST präsentiert, alshumanitärer Durchbruch, verstehtsich. Das Amtsblatt rühmt: "MenschenwürdigesLager für Asylbewerbergeplant" (arntsblatt, 31.01.86).Nur wenigen wird dabei aufgefallensein, daß mit der Überbelegung deralten ZAST, die für 840 Leute ausgelegtist, die Notwendigkeit einerneuen, menschenwürdigen ZAST begründetwird, die aber nur für 600Menschen geplant wird.In die freudigen Berichte über dieschnelle Lösung ZAST -Neubau fließeneher beiläufig Bemerkungen ein,die offen legen, daß die Stadt schon1984, also lange vor der Uberbelegungder ZAST, ein Grundstück füreinen Neubau gesucht hat (BNN, 24.01.86). Fertige Neubaupläne liegen,selbstverständlich "verwaltungsintern",schon 1985 vor, zu einem Zeitpunktalso, als die 'Idee' eines Neu":baus gerade geboren wird, um humanitäreProbleme zu lösen (BNN, 08.10.85)·Spätestens seit 1982 mit dem Wiederaufbaudes Gottesauer Schlossesbegonnen worden ist, ist für dieStadt klar, daß einer 'Aufwertung'der Schloßgegend die Flüchtlinge imWege stehen. Schon 1984 findet einstadteplaner ischer Wettbewerb füreinen Oststadtpark rund um SchloßGottesaue seinen Abschluß, denStadt und Land gemeinsam ausgeschriebenhaben und der die ZASTnicht mehr vorsieht (Der Oststadtbürger,April 84).Motive für die GettoisierungDie angeführten Gesichtspunkte belegen,daß die Initiative für die Verlegungder ZAST eindeutig von derStadt Karlsruhe ausgegangen ist undzwar lange bevor die ZAST in der öffentlichenDiskussion als 'Problem'gehandelt wurde. Diese Initiatorenschafthat Oberbürgermeister Seiler'selbst bekundet. In den BNN vom27.08.86 wird deutlich, daß die StadtKarlsruhe die Übernahme der Zencralsrellefür die Bearbeitung allerFolgeanträge 'direkt an die Bedingunggeknüpft hat, daß das Land dieZAST an die Durlacher Allee verlagert:"In der Folge des Kabinettsbeschlusseshofft das Stadtoberhaupt,daß das Drängen der Stadt auf dieVerlagerung der AnlaufsteIle aus derOststadt in die Nähe der Autobahnbeim Gaskessel bei den zuständigenMinisterien in der Landeshauptstadt'Unterstützung finden wird.", .Sozialdemagogisch erklärt Seiler,dies sei "sowohl, im Interesse desUmfeldes von Schloß Gottesaue undder Oststadt als auch im Interesse. der Asylanten zu sehen" (BNN, 27.08.86). Dieses "Interesse der Asylanten"sieht der Oberbürgermeister allerdingskeiner Erwähnung mehrwert, als er. den Mitgliedern des Bürgervereinsder Oststadt anlaßliehdes 9O-jährigen Vereinsjubiläumsstolz verkündet: "... und ich binnach meinem im Juli mit dem HerrnMinisterpräsidenten geführten Gesprächvoll Hoffnung, daß die ZentraleAnlaufsteIle für Asylbewerberbald an der Haltestelle-am Weinwegeine neue Bleibe finden wird. Dann'wird es möglich sein, daß das Gesamtarealum das GottesauerSchloß, das nun bald wiederaufgebautin neuem Glanz erstrahlen wird,nach preisgekröntem Entwurf gestaltetund zu einem neuen Anziehungspunktder .Oststadt werdenwird" (Der Oststadtbürger, Dezember86).Weniger offenherzig verkündet dieStadt in Gestalt ihres Baudezernen-:ten, Sack, ihre noch weitergehendenMotive. Sie entspringen offensichtlichVorstellungen einer 'Sozialhygiene'.Sack, auch fUr das ZAST-Neubau-Grundstück verantwortlich,hat sich im Zusammenbang mit derSüdstadtsanierung. .die zur Vertreibungvon Ausländern führen wird, diedie Mieten nicht mehr zahlen können,geäußert. Das Amtsblatt vom16.10.87 berichtet: "Ausführlichging der Baudezernent ... auf dieAusländersitua tion in der Südstadtein. Dabei gebe es eine 'Schmerzgrenze',die auszuloten sei, um einreibungsloses Zusammenleben zugewährleisten." 198-5wohnten in derSüdstadt 2443 Ausländer, in der Oststadt3449, ein Indiz dafür, daß auchin der Oststadt die 'Schmerzgrenzenübedegungen'eine Rolle gespielthaben.'Tatsächlich werden sie bei' derStandortwahl für die ZAST sichtbar.Hier hat die Stadt bisher jede Kritikzurückgewiesen und erklärt, sie habekein geeigneteres Grundstück gefunden,Fragt sich nur, welche Bedingungennach Ansicht der Stadt einGrundstück aufweisen muß, um geeignetzu sein? Hier gibt das Amtsblattselber Aufschluß: "Allen Beteiligtenwar klar, daß die Asylbewerbernicht weitab von der Stadt 'aufder grünen Wiese' wie in einemGhetto untergebracht werden dürfen:'Andererseits müßte die neue


Seite 13ZAST von der Wohnbebauuung soweit entfernt liegen, daß nicht vonvornherein Reibereien mit den Anwohnernvorprogrammiert sind. Deshalberscheint auch Bernd Aker dervorgeschlagene Bauplatz besondersgeeignet" (arntsblatt, 31.01.86).Gefunden wurde, was gesucht wurde:ein Ghetto. Zwar nicht auf der'grünen Wiese', die es in der Stadt jaeh nicht gibt, aber außerhalb jeglicherWohnbebauung. Mit keinem Gedankenwurde auf die Vorschläge derGrünen Liste eingegangen, dieFlüchtlinge dezentral in Wohnungenbzw. Wohnheimen unterzubringen.Begründung: Die vorprogrammiertenReibereien mit den Anwohnern. Diegab es allerdings 1984 zum Zeitpunk tder Planung des Neubaus noch garnicht, wie die Untersuchung derzeitlichen Abfolge von Planung und'Diskussion' ergeben hat. Drängtsich als weitere Frage auf: Wurdendie Reibereien vielleicht wirklichprogrammiert, um die Flüchtlingeaus der Oststadt zu vertreiben?Um ein Problem beseitigenzu können,muß man es erst habenen überwiegend Analphabeten sind.über die beobachtete Prostitutionkonnten wir bereits einmal berichten"(OSB, April 85). Die Vergehender Ausländer, die hier ausgemachtwerden, beschränken sich auf ihreFremdheit, die allerdings ausreicht,die Redakteure des OststadtbürgersSchlimmes vermuten zu lassen.Das Bildungserlebnis BNN zeitigtdarüberhinaus schon im August 85überzeugendere Früchte der Denunziation:"Bei ca. 20 verschiedenenVolksgruppen herrscht allein sprachlichein babylonischer Wirrwarr, vomreligiösen, kulturellen und politischenUnterschied ganz abgesehen... Lagerstreß heizt die Gemüterauf, führt von emotionalen Zorn- undWutausbrüchen zu Schlägereien. DiePolizei kann davon ein Lied singen.Schließlich verleitet die Einrichtungvon Selbstbedienungsläden zu Ladendiebstahlsdelikten"(OSB, August85)·Erst mit einer gezielten, monatelangenPressekampagne, die sich aufi\ußerungen der Stadt und des Regierungsprosidiumsstützen kann, gelingtes, ein "Ausländerproblem" inder Oststadt zu kreieren, eine Scharvon Ausländerfeinden gegen dieZAST zu mobilisieren.1m Oststadt-Die Bürgervereinszeitschrift "Der bürgerverein hat dabei die CDU einOststadtbürger" (OSB) fühlt der Oststadtkräftiges Wort mitzureden. Im Vor-den Puls. Ihr entgeht nichts. stand sitzen der CDU-StadtratWeder die Notwendigkeit eines HundeklosMünch, der Vorsitzende des CDUsienoch das 'große Übel' der, wie Verbands Oststadt und sein Stellver-es nennt, 'Bordsteinschwalben '. treter. Erwähnt werden muß allerdingsMan kann daher der Zeitschrift mitauch die Mitgliedschaft desgutem Gewissen glauben: wenn sie SPD-Stadtrats und DGB-Kreisvorsitzendendas ganze Jahr 1984 nichts über dieHarald Schöpperle im er-ZAST zu berichten weiß, dann gab es weiterten Vorstand des Vereins.nichts zu berichten. Jedenfalls keine Erst jetzt, im August 85 wird imvorprogrammierten Reibereien. Erst "Oststadtbürger" die Verlegung derdie Hetzkampagne der BNN, die im ZAST verlangt (OSB, August 85). DieJanuar 85 mit dem Artikel "Das LagerStimmung ist so angeheizt, daß einiwohnergleicht einer Müllkippe - Angefanatisierte Oststadtbürger in ei-protestieren gegen Zustände ner Unterschriftensammlung "Wegin Asylanten-Anlaufstelle" einsetzt, mit der ZAST aus einem WohngebietJmobilisiert die. aufmerksamen RedakteureVerstärkt die Polizeikontrollen!"des 'Oststadtbürgers': "In fordern und mit "Selbsthilfe" drohen·den BNN waren kritische Anmerkungen(OSB, Dezember 85). Die von denzur Überbelegung des Karlsruher Reaktionären programmierten "Rei-Asylantenlagers zu lesen, die u.a, bereien" sind da und dienen der Stadtauf den Vergleich mit einer Müllkippeals Begründung, die längst fertigenhinweisen" (OSB, April 85).Der halbseitige BNN-Artikel beschränktsich zwar auf nur zwei Zeugen,er beschränkt sich aber keineswegsin der Wiedergabe volksverhetzenderBeschuldigungen: Als 'Vergehen'werden u.a, großangelegterFahrraddiebstahl und Prostitutionbehauptet. Der "Oststadtbürger"kann trotz bester Beziehungen in derOststadt und sicherlich aufrichtigemBemühen zunächst nichts Vergleichbaresaufweisen. Trotzdem steht erselbstverständlich nicht abseits: "Eskönnten viele Beispiele angeführtwerden, z.B. auf die Mentalität vonLebensart, Religion und Kultur derEritreer und Ghanaesen, deren Frau- Parole an einem Nachbargebäude der ZAST.Pläne der Ghettoisierung der Flüchtlingeals "Problem lösung" und "BUrgerwunsch"zu präsentieren.Die Möglichkeiten der StadtWenn an der Durlacher Allee einFlüchtlingsghetto entsteht, dann istdafür einzig und allein die StadtKarlsruhe verantwortlich, die diesesAreal ausgesucht hat und die Mehrheitim Gemeinderat, die dem entsprechendenBebauungsplan zugestimmthat (CDU, FPD, SPD). DieseMehrheit im Gemeinderat hat sichmit der Übernahme der ZAST imStadtgebiet direkt die Zusage desLandes erkauft, daß die Stadt selberkeine Flüchtlinge aufnehmen muß.Entsprechend der Zuweisungsquotevon 2,3 Flüchtlingen auf 1000 Einwohnerwären das 626 Flüchtlinge,die die Stadt mit Wohnraum versorgenund denen sie Sozialhilfe zahlenmüßte. Das sind etwa genausovieleFlüchtlinge wie in der neuen ZASTaufgenommen werden sollen (BNN,31.01 .86). Der Unterschied bestehtnur darin, daß die Stadt Karlsruhejetzt für die Flüchtlinge überhauptnichts aufbringen muß.Wenn es der Stadt mit menschenwürdigenLebensbedingungen derFlüchtlinge ernst wäre, könnte siejederzeit die Weitedührung derZAST in Karlsruhe an Bedingungnknüpfen: etwa der dezentralen Unterbringungund Gleichstellung der >Flüchtlinge mit deutschen Sozialhilfeempfängern.Ansonsten könnte siedie Weiterführung der ZAST ablehnenund 626 Flüchtlinge entsprechendder Zuweisungsquote aufnehmen.Dabei könnte sie in eigener Regiedemonstrieren, wie menschenwürdigeLebensverhältnisse aussehenmüssen. Dies wäre zudem eineMöglichkeit, der vom Gemeinderatim Sommer 87 einstimmig verabschiedetenResolution gegen Rassismusund Fremdenfeindlichkeit praktischeKonsequenzen folgen zu lassen.- (bab, Flüchtlingsrat KA, Gegendruck,März 88)


Seite 14DiskussionsbeitragDie Regierungspolitik begibt sich In zunehmendoffenen Ge ge ns a t z zum christlichen MenschenbildIn den zwei Jahren nach der Bundestagswahl 1987 ist es Bundesinnenminister Zimmermann nichtgelungen, zwei der zentralen 'Reforrnvorhaben' der Regierung durchzusetzen: die 'umfassendeNeuregelung' des Ausländerrechts und die 'Harmonisierung' des Asylrechts auf europäischerEbene. Die z.T. offen rassistische Begründung seiner Ausländer- und Asylpolitik hat den Widerstandvon Christen bis hinein in die Reihen der CDU mobilisiert und hat zu einer Annäherung vonKirchen und Gewerkschaften geführt, die sich in mehreren Erklärungen gegen diese Politik ausgedrückthat.Die Ablösung Zimmermanns, die gerade in christlichen Kreisen mit Erleichterung und derHoffnung auf Entspannung in der Ausländerpolitik aufgenommen wurde, stellt aber keineswegsein Zugeständnis an diesen Widerstand dar, sondern den Versuch, ihn auszuschalten. Die erstenMaßnahmen Schäubles im Bereich der Asylpolitik, die sogenannte 'Lockerung' des Arbeitsverbotsund die bundesweite Umsetzung des Karlsruher Modells zur Beschleunigung der Asylverfahren,greifengezielt die Schwächen des christlichen Widerstands gegen die Asylpolitik auf und versuchen,diesen Teil der Opposition abzuspalten bzw. zu lähmen. Die Regierungspolitik stellt sichdabei in immer offeneren Gegensatz zum christlichen Menschenbild, aus dem sich der christlicheWiderstand hauptsächlich speist.Zimmermann fordert de nchristlichen Widerstand herausAm 20. Februar 1989 findet in Bonn eine Anhörungdes Bundestags-Innenausschusses zumThema Asyl statt, mit der die öffentliche Meinungfür eine Grundgesetzänderung gewonnenwerden soll. Geladen sind Vertreter der Kirchen,der Wohlfahrtsverbände, von Menschenrechtsorganisationen,Vertreter der Kommunen,der Justiz und der Regierungen sowie einigeProfessoren.Das Bundesinnenministerium läßt Stimmungmachen: Der Direktor des Bundesamts für dieAnerkennung ausländischer .Flüchtlinge erklärt,1989 sei mit 150000 Flüchtlingen zurechnen, d.h. 50 % mehr als 1988. Ein Vertreterdes Bundesinnenministeriums begründet dieNotwendigkeit der Grundgesetzändetung mitder 'Gefahr', daß die BRD sonst 1992 zum Reserveasyllandin der EG werde.Das bayrische Innenministerium lanciert denVorschlag einer Grundgesetzänderung, nachder nur noch zwei Instanzen mit der Frage derAsylgewährung befaßt wären: das Bundesamtund ein Beschwerdeausschuß des Bundestags.Flüchtlingen soll bei einer Ablehnung durchdas Bundesamt dann nur noch das Gnadengesuchan einen solchen Beschwerdeausschußbleiben, der Rechtsweg soll ausgeschlossensein (FR, 21.02. und 22.02.89).Die Sprecher der Wohlfahrtsorganisationenwenden sich in der Anhörung geschlossen gegenjede Grundgesetzänderung. Im Vordergrundihrer Kritik steht das Arbeitsverbot, daszu schweren psychischen Belastungen führe.Die Vertreter in des Deutschen ParitätischenWohlfahrtsverbandes erklärt: IIDas fünf jährigeArbeitsverbot trägt zur Persönlichkeitszerstörungbei. 11 Prälat Wöste 'von den DeutschenBischofskonferenz nennt die fünf Jahre "unertraglieh" lang: IIWerso lange hier ist, muß seinLeben selbst in die' Hand nehmen" (FR, 21.02.89)·Mehrere Experten weisen auf den Zusammenhangvon Hunger, Not, politischer Verfolgungund Flucht hin. Die BRD wird angegriffen,für die Flüchtlingsströme mitverantwortlichzu sein aufgrund ihrer Unterstützung vonDiktaturen und infolge ihrer Waffenexporte.Der Vertreter des UNHCR verlangt von derBRD, in die Asylverfahren die Genfer Flüchtlingskonventioneinzubeziehen und kritisiert,die Bundesregierung verbreite irreführendeZahlen (FR, 21.02.89).Trotz dieser scharfen Gegensätze herrschtbei den Beteiligten der Anhörung doch "weitgehendeÜbereinstimmung ll darüber, "daß dieVerfahren zur Anerkennung so schnell wiemöglich ablaufen sollen" (BNN, 21.02.). DieKritik an den schlimmen Wirkungen des "lan-


Seite 15gen Arbeitsverbots" wird damit zu einer Forderungennach "kurzen Verfahren".Die FDP greift die Ergebnisse der Anhörungsofort auf: Sie erklärt sich gegen eine Änderungdes Grundgesetzes, stattdessen müßtendie Verfahren und die Abschiebungen beschleunigtwerden (BNN, 22.02. und 27.02.89).Der CDU-Abgeordnete Gerster kündigt an,noch vor Ostern solle eine Arbeitsgruppe vonInnenpolitikern der Koalition Vorschläge zurVerkürzung der Verfahren und zur konsequentenAbschiebung vorlegen (BNN, 24.02.89).. Am 02.03.89 greifen die Cfrl.l-Soz.ialausschüsseZimmermann in ihrer Zeitschrift "SozialeOrdnung" scharf an. Er habe mit aufgeblasenenZahlen über den Ausländerzustromdie Bevölkerung verunsichert und den Radikalismusherbeigeredet. Er habe die Flüchtlingein eine "Schmarotzerrolle gezwungen." Gefordertwird, die "Panikmache" aus dem Innenministeriumzu beenden, den Mißbrauch dort zubekämpfen, wo er tatsächlich vorkomme: "Dazugehöre eine Beschleunigung der Verfahren"(FR,06.03·89)·Zimmermann verschärft die Konfrontationmit seinen christlichen Kritikern: In gleichlautendenBriefen an die Kirchen und die CDAwirft der Staatssekretär im Innenministerium,Spr anger, den Organisationen vor, "kraft ihresAnsehens oder eines selbst erhobenen Anspruchsein 'unredliches Verwirrspiel' mit Zahlenund Fakten zu betreiben." Die Vertreterder Kirchen äußern ihr starkes Befremden überden Brief, er sei in einem "erstaunlichen Tongehalten, der im Umgang zwischen Bundesregierungund Kirchen bisher einzigartig ist"(FR, 11.03.89).Als Reaktion auf den Brief Sprangers schlägtdie SPD Mitte März dem Bundeskanzler einAllparteiengespräch zur Ausländer- und Asylpolitikvor, zu dem sich FDP und Grüne bereiterklären. Die FDP verlangt mit Bezug auf denSprangerbrief, die Kirchen daran zu beteiligen.Die SPD signalisiert, sie sei zu "differenziertenAntworten" in der Asylfrage bereit.Kohl lehnt ab (BNN, 15.03'/16.03., FR, 15.03.).Am 19. März geht die FDP daraufhin zumoffenen Angriff auf Zimmermann über: Zimmermannverhindere mit seinem Beharren aufeiner Grundgesetzänderung "realisierungsfahigeVerfahrensbeschleunigungen" (BNN undFR, 20.03.). Verlangt wird die Einrichtung eines"Sonderbeauftr agten'' zur Überprüfung derAsylverfahren.Am gleichen Tag spricht sich der Präsidentdes Deutschen Caritasverbandes im Südwestfunkgegen das "strikte Arbeitsverbot" fürAsylbewerber aus. "Dieses Verbot sei inhuman,da es den arbeitswilligen und arbeitsfähigenMenschen daran hindere zu arbeiten. DerMensch verkomme dabei, und die Bevölkerung,die das sehe, sage, 'die Asylanten lungern aufunsere Kosten herum'" (BNN, 20.03.89)Am 21. März kritisieren FDP und. SPD inübereinstimmenden Erklärungen, Zimmermannsei für die lange Dauer der Asylverfahrenverantwortlich, da er das Bundesamt fürdie Anerkennung der Asylbewerber nicht entlasteund die Verwaltung nicht straffe (FR,22.03·)·Zimmermann vertritt demgegenüber dieAuffassung, "alle Möglichkeiten zur Verkürzungder Asylverfahren seien erschöpft", da"die Verfassungslage wie eine Zwangsjackewirke" (FR, 23.03.). Mit Verweis auf die in denersten Monaten gestiegenen Asylbewerberzahlenversucht er, die Grundgesetzänderungzu erzwingen. Auf die Frage, ob er beim Scheiternseiner Forderung zurücktreten werde, erklärtZimmermann: "Sehr viele in dieser Republiksetzen ihre Hoffnung auf mich und meinenKurs" (BNN, 23.03.). - Am 13.04. übernimmtder 'liberale Badener' Schäuble das Innenressort.Zimmermann hat mit seinem Beharrenauf dem Vorran der Grundgesetzänderun den'iders rucn von Cfiristen zur eglerungspo i-tik vertieft una sie in ie 0 oSltlon e ne en,statt sicn ie in esc rän tneit inrer ritlsowohl am Arbeitsverbot a s auch an der Län eder Verfahren zunutze zu macnen. Schaualesaßna men setzen genau ier an.Bleibt die Zwangsarbeit als Ergebnisdes Kampfs gegen dasArbeitsverbot?Es ist schon erstaunlich: Die Kirchen, alleWohlfahrtsverbände, Flüchtlingsini tia ti ven,sogar Leute in der CDU bekämpfen das Arbeitsverbotals persönlichkeits- oder mensehenzerstörend.Die Regierung präsentiertPläne für einen Arbeitseinsatz von Flüchtlingenzu völlig rechtlosen Bedingungen (mit Barackenunterbringungdirekt am Acker). Sie betontausdrücklich, es gehe keineswegs um eineirgendwie geartete Verbesserung der Lebensbedingungenvon Flüchtlingen, sondern alleinum die Bedürfnisse der Wirtschaft, deren Bedarfan billigen Arbeitskräften befriedigt werdensolle. Und trotzdem erlebt die Regierungkeinen Sturm der Entrüstung: "Pro As 1", einZusammenschluß vieler der ODen genanntenOrganisationen erklärt vielmehr, "daß an _esichtsder 'trostlosen age der Flücht in e' jeder ef smöi!hc eit 'zu b _ üßen' sem-'wenn auch "Sparge lstechen . und Erdbeerpflücken... nicht die seelischen Schäden hei-)


Seite 16'len (könnten), die das fünf jährige Arbeitsverbotfür Asylbewerber anrichtet" (FR, 26.06.89). Die Grünen im Stuttgarter Landtag verlangenwie auch SPD und FDP ein Einlenkender baden-württembergischen Landesregierungauf die Schauble-Linie (BNN, 13.07.89).Schäubles Pläne werden ungeachtet ihres Charaktersund ihrer Begründung als Schritt in dierichtige Richtung gesehen.Ein weiterer Widerspruch muß aufgeklärtwerden: Obwohl CSU-Minister Kiechle, dasArbeitsministerium wie auch der Landesvorsitzendedes Bundes der Selbständigen in Ba-.den- Württemberg einen Einsatz von Flüchtlingenin der Landwirtschaft, der Gastronomieund Bauwirtschaft befürworten, lehnt dieSpath-Regierung, die in den letzten Jahren dieAbschreckungspolitik wesentlich konzipierthat,' die Schäuble-Pläne ab (FR, 27.06.89;BNN, <strong>12</strong>.07.89). - Es fragt sich, warum geradeZimmermann der Wirtschaft die Nutzung derbilligen Arbeitskraft der Flüchtlinge verweigerthat, und warum zudem entschiedene Verfechtereiner harten Abschreckungspolitik wieSpäth und Mayor-Vorfelder an dieser Weigerungfesthalten wollen?1111IArbeitsverbot gegen IntegrationIm Februar 89 greifen mehrere baden-württembergischeCDU-Politiker die christlicheKritik an der Asylpolitik auf. FraktionschefTeufel spricht sich für eine Lockerung des Arbeitsverbotsaus: "Wer das C im Namen führt,der kann sich nur zur Gleichheit und Brüderlichkeitaller Menschen bekennen." Der BundestagsabgeordneteGraf von Waldburg-Zeilwendet sich gegen Späths 'Scheinasylanten'-Hetze:Jeder zweite in der BRD abgelehnteAsylbewerber sei im Sinne der GenferFlüchtlingskonvention ein Flüchtling (FR, 23.02.89)·Auf dem CDU-Landesparteitag am 28.0 .8in Karlsruhe kommt es in er Frage der Asylpolitikzu einer heftigen Kontroverse. Da keinWortprotokoll vorliegt, kann die Diskussionnur aufgrund des Antragsmaterials, der SpäthundRomrnel-Rede sowie Presseberichtennachvollzogen werden. Hau t egenstand derAuseinandersetzung sin as A.r eitsverbq,tund die e lante Sozialhilfekürzun um 20 %.-Der Entschließungsantrag des Lande vo -stands ''''DeutSche Aussie


. Seite.r S. ~. ",Debatte um die Schäuble-Pläne und die eingeschränkteKritik, daß das Arbeitsverbot kaputtmache,jetzt zum Anlaß, die massenhafte Verpflichtungvon Flüchtlingen zur Sozialhilfezwangsarbeitdurchzusetzen, nach dem zynischenMotto: Arbeit könnt ihr haben! Die baytischenBezirke haben sich dafür ausgesprochen,Asylbewerber ab sofort ihre Sozialhilfein Kommunen und Krankenhäusern "abarbei-~en" zu' assen FR, 02.....0~8...8-9.) - Gleiche P äneexisti.er~n in Baden-Württemberg. lnnenministetSc lee at re Sozia ni feträger ausdrücklichaufgefordert, "verstärkt Angebotezur gemeinnützigen Arbeit für Asylbewerberzu machen .... Falls eine Ausweitun der e-meinnützigeb Täti keit nur über eine Anderü"ng.des Bundessozialhilfe esetzes möglichSei, müsse eine ents rec e de Initiative imBundesr'at eingebracht werden" (Wochendienst3I/32/I989, S.2 .AbschreckungWeltordnungspolitikMan muß davon ausgehen, daß für Regierungund Wirtschaft die Abschreckung der Flüchtlinge,d.h. ihre Abwehr von bzw. Vertreibungaus der BRD absoluten Vorrang hat, nicht ihreNutzung als billige Arbeitskräfte, sei es durchSozialhilfezwangsarbeit oder Saisonzwangsarbeit.Spath hat sich in seiner Rede auf dem.Landesparteitag überhaupt nicht mit der Fragebefaßt, was mit den Flüchtlingen hier ge-. schehen soll, sondern einzig damit, wie manverhindert, daß sie hierher kommen bzw. wiernan sie wieder los wird: "Davon abgesehen,frage, ich mich wirklich, worin die HumanitätI bestehen soll; pro forma erst alle Asylbewerber",. "j ins Land zu lassen und sie dann in einemSchnellverfahren, mit juristischen Tricks, wiederhinauszuwerfen" (Spath-Rede vor dem, - CDU-'tandesparteitag am 28.04.89 in Karlsruhe,S. 39).Warum liegt der Regierung so viel daran, dienach ihren eigenen Angaben maximal 600000Flüchtlinge. aus dem Land hinauszuwerfen, wodie Unternehmer doch gleichzeitig von einemschier unerrneßlichen Arbeitskräftebedarf für~ie nächst~~ Jahre ausgehen, der nach ihrerAnsicht auch mit den Aussiedlern nicht zu befriedigensein wird (Wirtschaftswoche Nr. 7,10.02.89)? Wenn man Späths Ausführungenfolgt, so sieht er im wesentlichen ein ordnungspolitischesProblem. Was wäre, wennsich all die Opfer der Ausplünderungs- undVerelendungspolitik, wie sieu.a. die BRD gegenüberder Dritten Welt betreibt, in Bewegungsetzen 'würden, um zu sehen, ob es sichalsam Ausgangspunkt ihres Elends nicht besserleben ließe: "Wir können die Not der DrittenWelt nicht dadurch lindern, daß wir alle bei unsaufnehmen, die ihr entfliehen wollen. Wir müssenvor Ort, an der der Quelle des wirtschaftlichenund sozialen Elends, helfend eingreifen.Und wir könnten das in viel größerem Umfangtun, wenn wir das Asylrecht wieder auf denKern zurückführen würden, den es nach demWillen der Väter des Grundgesetzes haben soll.Die Länder und Gemeinden mußten 1988 2,5Milliarden Mark allein für Asylbewerber aufwenden,davon 2,] Milliarden Mark für politischNichtverfolgte. Für Projekte der Entwicklungshilfehaben die Länder letztes Jahrrund 100 Millionen Mark ausgegeben. Waskönnte mit einer Milliarde Mark zusätzlicherEntwicklungshilfe bewirkt werden!" (Späth-Rede,S·39) .Im Unterschied zu den 'Gastarbeitern' undden 'Aussiedlern' handelt es sich ei denFlücht in en um von der BRD unkontro lierteBevölker gs n erun en: Die Menscnen setzensich aufgrund eigener Interessen in Bewegungund bestimmen ihren Aufenthaltsort entsprechenddieser Interessen. Sie entziehen sichdabei ihrer eigenen staatlichen Gewalt, warumnicht auch jeder anderen, wenn es nötig ist.Die BRD hat diesen Bevölkerun sbewegungennicht die Stru tur i rer eigenen wirtsclia t 1-SiemensVolkswagenHoechstBayerBoschDairnler- BenzBASFMannesmannAEGThyssenGutehoffnungshüne'HenkelVarta"GrundigAuslandsbeschäftigtegroßer bundesdeutscherIndustrieunternehmen1980 1981 19821983. (Beschäftigte in 10(0).109,099,185,980,245,337,229,<strong>12</strong>8,827,523,820,515,014,6<strong>12</strong>,6108,086,684,379,842,638,928,828,224,324,020,116,313,510,7104,081,182,780,241,136,628,3,29,016,521,619,816,2<strong>12</strong>,911,1101,075,481,879,139,933,628,026,613,421,221,315,911,49,8- 7,3- 23,9- 4,8- 1,4- 11,9. - 9,7- 3,8- 7,6- 51,3- 10,9+ 3,9+ 6,0- 21,9- 22,2So hat die Welt ihre Ordnung: die Maschinen zuden Menschen! Die westdeutschen Konzernekönnen in der Dritten Welt elendste Standardsbzgl. Lohn, Arbeitsschutz und Arbeitszeitdurchsetzen. (Tabelle aus R. Falk, Die heimlicheKolonialmacht, Köln 1985, S.II2)


Seite 19Die Bündnislinie mi t Schäubleheißt: Abschreckende ArbeitDie Badischen Neuesten Nachrichten berichtenam <strong>12</strong>.°7.89 die baden-württembergiseheCDU wolle auf dem Bremer Bundesparteitagder CDU im September "Front gegen dieLockerung des Arbeitsverbots" machen:"Schäuble war mit seinen Lockerungsplänenbereits bei einem Landesparteitag Ende Aprilin Karlsruhe gegen eine Mehrheit um MinisterpräsidentSpäth und Schlee unterlegen. Derdamalige Parteitagsbeschluß soll als Antragdem Bundes,parteitag vorgelegt werden" (BNN,<strong>12</strong>'°7.89).Der Eindruck, der hier erweckt wird, ist'falsch: die Vorstellungen von' Späth undSchäuble in der Frage des Arbeitsverbots sindnicht unüberbrückbar. Die Entschließung desCDU-Landesparteitags, wie sie nach der kontroversenDebatte am 28.04;89 verabschiedetworden ist, beinhaltet bereits die Schäuble-Pläne. Der ursprüngliche Antrag des Landesvorstands(Festhalten am Arbeitsverbot; keinewirtschaftlichen Anreize, in die BRD zu kommen;Ausweitung der gemeinnützigen Arbeit)wurde um folgende Passage ergänzt: "Asylbewerbern,die unter die Genfer Flüchtlingskonventionfallen und die daher auch bei einemnegativen Ausgang ihres Asylverfahrens nicht


Seite 20sondern rivaten Unternehmern. Der S at,..benutztsein Gewa tmono 01 um freie Mensche-die sic in einer Notsituation zu ihremSchutz· sdner Gewalt unterworfen a en zu,ZWIn en zu e -'l1g1111gez ar eiten uf dieEipfluß zu neh e er ibnen er staatlicherGewalt verwehrt. Das DiKtat aller Bedingungenurc 'Ie nternehmer ist dadurch gesichert,daß der Zugang zum' 'freien' Arbeitsmarktversperrt ist. Schäuble knüpft mit seinerSaisonzwangsarbeit am faschistischen Arbeitsdienstan.Die "Welt ll argumentiert im übrigen überh.a.uptnicht aus.länderfeindlich: sie überlegtganz grundsätzlich, daß es nicht einzusehenist, daß einer, der arbeiten kann, "alirnentiert",d.h. durchgefüttert wird. Das Bundesarbeitsrninisteriurnist schon dabei, dieser Drohunggegenüber allen Armen (auch bei 'deutscher'Not) Taten folgen zu lassen: Gegenwärtigwird bei den Arbeitsämtern die Handhabungder Zumutbarkeitsklauseln überprüft.CSU-Staatssekretär Seehofer: Es sei nicht ein-rzusehen, warum die 700000 Langzeitarbeitslosen"nicht für Tätigkeiten vermittelbar sind,die offensichtlich jeder von außerhalbDeutschlands erledigen kannll-(BNN, 27.06.89).Das Argument verdeutlicht die Dringlichkeit,umgekehrt dafür einzutreten, daß bestimmteTätigkeiten eben niemandem zuzumuten sind.. Damit tun sich Christen schwer...I·.··'···;.. :::?•.~.~J . :,. "-::~Gewerkschaftsaktion für die gesellschaftlicheAchtung unzumutbarer Arbeitsverhältnisse.:'.Arbei tsverbot zerstört -macht Arbeit frei?Flüchtlingsinitiativen, Kirchen und Wohlfahrtsverbändehaben die Kritik am Arbeitsverbotins Zentrum ihrer Kritik der Abschreckungsmaßnahmengestellt. Neben derLagerunterbringung scheint es auch die entscheidendeAbschreckungsmaßnahme zu sein.Das Arbeitsverbot verhindert eine eigenständigeLebensführung, begründet die vollkommeneAbhängigkeit der Flüchtlinge und diestaatliche Despotie bis in die intimsten Bereichedes Lebens. Die erzwungene Untätigkeitund das jahrlange Warten hat viele krank gemacht.Der Ausschluß aus der Gesellschaft ist abernicht einfach ein Ergebnis der Arbeitsverweigerung,sondern der Verweigerung von Geld,eines ausreichenden Lebensunterhaltes. MancherFlüchtling würde vermutlich gern auf Arbeitverzichten (zumal bekannt ist, welche ArbeitenFlüchtlinge überhaupt bekommen) wenner 1000-1500 DM im Monat hätte. Solche Forderungennach einer bestimmten Summe Geld,die man hier mindestens zum Leben braucht,werden aber überhaupt nicht erhoben.Eine Kritik an, Arbeitsverbot, die nicht diedämit erzwungenen ce ens eain ungen alszerstörerisch kennzeichnet, sondern den Aus- .•.chluß von der Arbeit a sicli,_\Le IttelteiilBild von er Arbei ,_das in der Vorstellungsweltvon Akademikern anzutreffen ist: Arbeitals individuelle Selbstverwirklichung, als Entfaltungder Persönlichkeit. Lohn una- Arbeitsbedinungen spielen hier eIne untergeordneteRolle. ntscnel ena ist ie mit em Beruf verbunene Stellung bei der Arbeit, in der Gesellschaftund die konzeptionelle und leitende Tätigkeit:der Berufsstolz des Arztes, der aus derHierarchie erwächst, tröstet über mancheÜberstunde hinweg; Lehrer nehmen gern Einschränkungenihres Einkommens hin, wenn dieReduktion des Deputats es ihnen ermöglicht,vom Schulbucheinpaukunterricht wegzukommenund stattdessen wissenschaftlich zu arbeiten.Eine solche Kritik des Arbeitsverbots spiegeltalso die Erfahrungswelt akademisch gebildeterLeute wieder, nicht die von ausländischenArbeitern, die unter schlimmsten Bedingungenund zu den schlechtesten Löhnen arbeitenmüssen. Die vollkommene Trennung dieserverschiedenen Sphären des Arbeitsmarktsspiegelt sich dann in einer MlulJg.[;)aJ;lIn.e wider,wie sie Pro As 1 abg~ eben hat: wo 1I"ede_Arbeitsmöglichle.it..:..b~e:grüßt wir . a.,......


Seite 22Gegensatz zum Staat, wo er die Interessen der Flüchtlinge in ihrer Gegenwehr zu unterstut-Flüchtlinge über die des Staates stellt. Dies ist zen (und damit auch die Verfahren zu verlän-'nicht nur der Fall, wenn Flüchtlinge versteckt gern) und hat es vielen ermöglicht, sich derund illegal über die Grenze gebracht Werden. Abschiebung zu entziehen {Schäuble: "NachDie Maßnahmen der Betreuung (Sprachunter- einem Aufenthalt von fünf bis sechs Jahren seiricht etc.) sind auf "Integration" der Flüchtlin- eine Abschiebung nur noch schwer durchzusetgegerichtet, sie laufen der Politik der Ab- zen", BNN 18.05.89).schreckurig diametral entgegen. Der Versuch, Die Beschleunigung der Verfahren, die die.mit diesen Maßnahmen die soziale Isolation bundesweite Einführung des 'Karlsruher ModerFlüchtlinge aufzubrechen, hat der Entfes- dellsl ab 01.10.89 bringen soll, zielt darauf, dieselung der Exekutive und damit der rassisti- Unterstützung der Flüchtlinge in ihrem AsylsehenNormenbildung gewisse Schranken ge- verfahren zu unterbinden und durch kurze Versetzt.In der eigenen Gewißheit, eine höhere fahren Verbindungen zu Initiativen erst garMoralität zu vertreten, treten Christen der nicht entstehen zu lassen, so daß die sozialestaatlichen Gewalt z. T. recht ungeniert und Isolation die Bewegungsmöglichkeiten dermutig als Kritiker und Anwälte der Humanität Flüchtlinge in der BRD so einschränkt, daß siegegenüber. Man sollte nicht unterschätzen, auch abgeschoben werden können, wenn siewie unangenehm es den Beamten der Auslän- fabgelehnt sind. .derpolizei und des Regierungspräsidiums ist, Der Flüchtling muß nach seiner Ankunft inals Unmenschen angegriffen zu werden. Schon der BRD bei 'der Ausländerbehörde zunächstdas Gefühl, unmoralisch, im Prinzip verbre- den Antrag stellen, er wird dann von der Auscherischzu handeln, schränkt die rechte Freu- länderbehörde über Fluchtgründe, Fluchtweg,de beim Geschäft ein. Aufenthaltsort etc. angehört. Die MitschriftDie immer weitere Einschränkung des Asyl- dieser Anhörungwird an das Bundesamt für dierechts konnte durch die Arbeit der Flucht- Anerkennung der Flüchtlinge weitergeleitet,lingsinitiativen nicht verhindert werden, in das dann seinerseits eine Anhörung des Flüchtdenletzten Jahren sind die Anerkennungsquo- lings über seine Verfolgung durchführt und datenauf jetzt unter 10 % gesenkt worden. Das nach entscheidet.Die Entscheidung wird derNetz an Kontakten, Verbindungen und Unter- Ausländerbehörde dann mitgeteilt, sie muß diestützungen hat aber mit dazu beigetragen, die Ausreiseaufforderung etc. erlassen. {Erst nachEtwa 60 Leute, vorwiegend aus christlichen Gruppen, demonstrieren im Herbst 1986 mit einerBegrüßungsaktion ihre Solidarität mit Flüchtlingen, die in ein Wohncontainerlager im StuttgarterStadtteil Heumaden einziehen müssen. Zuvor hatten Wohnungseigentümer mit Flugblättern"Bürger wehrt Euch!" Stimmung gegen die Asylbewerber gemacht, weil ihren Eigentumswohnungeneine 20 prozentige Wertminderung drohe (Stuttgarter Zeitung, 23.08., 29·08., 05.09.). .


Seite 23dem Abschluß dieses Verfahrens werden dieGerichte angerufen.) Dieses Verfahren hat bisher<strong>12</strong> bis 14 Monate gedauert. In Baden- Würt-.temberg waren 119 kommunale Ausländerbehördenmit den Anträgen und Anhörungen befaßt,alle Akten mußten zur Entscheidung nachZirndorf weitergeleitet werden und gingendann wieder zurück, damit die AusländerbehördenAbschiebungen anordnen konnten.Die entscheidende Anhörung beim Bundesamtfand so erst einige Monate nach Ankunftdes Flüchtlings statt, er konnte dann schon etwasDeutsch, hatte Kontakte zu erfahrenenFlüchtlingen und evtl. Initiativen. Das KarlsruherModell reduziert dieses Verfahren aufmaximal 4 Wochen. Alle Erst- und Folgeanträgewerden nur noch in der Zentralen Anlaufstelledes Landes {ZAST)gestelit. Alle am Verfahrenbeteiligten Behörden sind im Lager zusammengefaßt.Die Anhörung bei der Polizeifindet innerhalb von 3 Tagen nach Ankunft imLager statt. Eine Außenstelle des Bundesamts,die ebenfalls in der ZAST direkt neben derAusländerbehörde angesiedelt ist, führt dasentscheidende Interview schon in der folgendenWoche durch und entscheidet noch in dergleichen Woche. Die Flüchtlinge haben so inder Regel keinerlei Kenntnisse über das Verfahrenund keinen Rechtsbeistand. Sie wissenhäufig nicht, daß ihr Antrag "unbeachtlich" ist,wenn sie sich bereits in einem anderen Landdrei Monate aufgehalten haben. Sie wissenauch nicht, daß er "offensichtlich unbegründet"ist, wenn sie geflohen sind, um einer "Notsituationoder einer kriegerischen Auseinandersetzungzu entgehen" (§ II Asylverfahrensgesetz,06.0L87). Von der ZAST in Karlsruheist bekannt, daß Beamte Flüchtlinge 'mitfühlend'fragen, ob es ihnen zu Hause schlecht gegangensei und ob sie sich in der BRD eine Besserungihrer Situation erhofften. Wenn Flüchtlingediese Fragen bejahen, werden sie als'Wirtschaftsflüchtlinge' qualifiziert.Den Ausschluß va eratung.ur» nformationhaben sowohl der Bundesamtschef voniedin Spiegel Nr. 24 89, <strong>12</strong>.06.89) als auchie B amten ia.de ruhe Z T zum Wesentlichendes Karlsruher M delis erklärt.amit können "unbeachtliche" und "offensichtlichunbegründete 11 Anträge nach Beliebenproduziert werden, die Gerichte stützensich in ihren Entscheidungen sehr stark aufdiese Bewertungen des Bundesamts: "Auf unsereEinwendungen, die Flüchtlinge hättenkaum Chancen, sich entweder mit einem Sozialarbeiteroder mit einem Rechtsanwaltüber ihre Asylsituation zu unterhalten, wurdeDurch das sogenannte "Karlsruher Loch" werdendie Akten der Asylbewerber sofort nachder Anhörung bei der Ausländerbehörde "zumBundesamt weitergereicht. Das "Loch" stehtfür die Tendenz der Verschmelzung "unabhängiger"Prüfungsinstanzen im Asylverfahrens.uns geantwortet, daß ein Flüchtling umsowahrhaftiger ("eclit seme sy grün e aar:-ste e e weniger er zuvor e egen elt esessenhabe OZiäläFl5el ern, Recn sanwättenoder Ehrenamtlichen aus s)' kreisen seinen~Fall darzustellen nd "t" nen durc zu is u:-leren~~"JErklärung des AK Asyl Ba en- ürttemberge.V. zum Karlsruher Modell nach einemBesuch am 06.07.89 in der ZAST).Schäuble hat schon erklärt, "bei offensichtlichunbegründeten Anträgen ... könnten Verwaltungsgerichtein Eilverfahren entscheidenund abgewiesene Bewerber somit schon nachwenigen Monaten abgeschoben werden. 11 "DerMinister betonte, daß die schnelle Abschiebungnicht im Gegensatz zur Rechtsmittelgarantiedes Grundgesetzes stehe. Eine Klage {gegen die Entscheidung sei auch vom Herkunftslandher möglich" (BNN, 05.06.89 und •18.°5.89).Baden-Württemberg hat zum OL07.89 bereitszwei zentrale Abschiebestellen in Stuttgartund Karlsruhe eingerichtet, die für dieAbschiebung aller abgelehnten Asylbewerberzuständig sind. Sie sollen sicherstellen, daßkommunale Ausländerbehörden auf jeden Fallabschieben, wenn dies rechtlich möglich ist.Die Zentralisierung soll sicherstellen, daßFlüchtlingsinitiativen keine Möglichkeiten haben,durch Druck auf die Kommunen, Abschie-


Seite 24bungen zu verhindern.Die Tragweite des Angriffs, der mit demKarlsruher Modell sowohl auf das Asylrecht alsauch auf die Unterstützungsarbeit durchFlüchtlingsinitiativen stattfindet, wird vonden Flüchtlingsinitiativen kaum gesehen. Jahrelanghaben sie die Beschleunigung der Verfahrenverlangt, aus der Erfahrung, daß vieleFlüchtlinge kaputt gehen, wenn sie lange unterso elenden Bedingungen leben müssen. Beschleunigungder Verfahren kann aber bei einerRechtsprechung, wie sie in der BRD inzwischendurchgesetzt ist, nur heißen, daß die Abschiebungden Flüchtling-en noch schnellerdroht, daß die Bedingungen, sich dieser zu entziehen,aber extrem verschlechtert werden.. .Das christliche Menschenbildbildet eine Schrankegegen den RassismusDer Entschließungsantrag "Deutsche Aussiedler- Ausländer - Asylbewerber", den derCDU-Landesvorstand dem Landesparteitagam 28.04.89 vorgelegt hat, wird folgendermaßeneingeleitet: "Die Politik der CDU beruhtauf dem christlichen Verständnis vom Menschen.Das christliche. Menschenbild beinhaltetdie Gleichheit aller Menschen, denen dieMenschenrechte unabhängig von ihrer Nationalitätoder Herkunft zukommen und die Verpflichtungzur Solidarität gegenüber allen Mitmenschen."Der CDU-Landesarbeitskreis "Aussiedler/Übersiedler" hat die folgende Abänderung desPassus beantragt: "Das christliche Menschenbildgeht von der gleichen Würde aller Menschen,denen die Menschenrechte unabhängigvon ihrer Nationalität und Herkunft zustehen,und der Verpflichtung zur Solidarität gegenüberallen Menschen aus." (Antrag Nr,A 1.Ir. I) Zur Begründung wurde ausgeführt:"Das christliche Menschenbild geht von derGleichheit aller Menschen vor Gott bei Vielfaltder Charaktere, Leistungen, Rassen, usw.aus. Hier geht es aber um die Stellung der Menschenin der Gesellschaft, also nicht umGleichmacherei, sondern um die gleiche Würdealler, die Differenzierung nach Rechten, Leistungen,usw. nicht ausschließt. Wäre es einegesellschaftliche Gleichheit, so wären die inder Entschließung dann folgenden Differenzierungender Rechte nicht möglich." - Die Xnderungwurde (unter Beibehaltung des ersten Satzesdes ursprünglichen Antrags) beschlossen.Der Landesarbeitskreis "Aussiedler/Übersiedler"hat recht, wenn er darauf hinweist,daß die Einleitung des Vorstandsantrags im'Widerspruch zum weiteren Inhalt steht. EinBezug auf die Gleichheit des Menschen, selbstdie Gleichheit vor dem Gesetz, ist darin nichtenthalten, stattdessen wird er von rassistisehenVorstellungen durchzogen: Die Haltunggegenüber den Aussiedlern wird allein aus ihremDeutschsein abgeleitet, deshalb werden'sie zur Bereicherung für Staat und Gesellschafterklärt, gegenüber den "Ausländern"wird umgekehrt erklärt, daß die BRD kein Einwanderungslandsei und man keine Rechte anzumeldenhabe, soweit man nicht Deutschersei. Die Sozialhilfekürzung für Flüchtlingewird verlangt, "damit die Sozialhilfeleistungen 'für Deutsche und Asylbewerber in einem angemessenenVerhältnis stehen": Selbst derärmste Deutsche soll noch die Herrenmenschengarantiebekommen, daß es dem armenAusländer auf jeden Fall schlechter geht.Während der Antrag der Landesvorstandsüber den Widerspruch, in den.die CDU zu ihreneigenen programmatischen Grundlagen gerät,einfach hinweggeht, verlangt der Landesarbeitskreiseine Revision dieser Grundlagen, einenbegründeten Angriff auf die Gleichheit.Die "Definition" des christlichen Menschenbildes,die der Landesarbeitskreis geliefert unddie der CDU-Parteitag übernommen hat, bedeutettatsächlich aber eine' Abkehr vomchristlichen Menschenbild.Das zweite vatikanische Konzil hat sich1965 in der "pastoralen Konstitution über dieKirche in der Welt von heute 'Gaudium etspes'" ausführlich zur christlichen Vorstellungvom Menschen geäußert: "Da alle Menscheneine geistige Seele haben und nach Gottes Bildgeschaffen sind, da sie dieselbe Natur und denselbenUrspruch haben, da sie, als von ChristusErlöste, sich derselben göttlichen Berufungund Bestimmung. erfreuen, darum muß diegrundlegende Gleichheit aller Menschen immermehr zur Anerkennung gebracht werden"(Karl Rahner, Kleines Konzilskompendium, S.475). Dieses Wesen des Menschen, seinen Ursprungund sein Ziel in Gott zu haben, erhebeihn über die ganze Dingwelt, verleihe ihm eine"erhabene Würde" und mache ihn zum Träger"unverletzlicher Rechte und Pflichten": "Es.muß also alles dem Menschen zugänglich gemachtwerden, was er für ein wirklich menschlichesLeben braucht, wie Nahrung, Kleidungund Wohnung, sodann das Recht auf eine freieWahl des Lebensstandes und auf Familiengründung,auf Erziehung, Arbeit, guten Ruf, Ehreund auf geziemende Information; ferner das


Seite 25Recht zum Handeln nach der rechten Normseines Gewissens, das Recht auf Schutz seinerprivaten Sphäre und auf die rechte Freiheitauch in religiösen Dingen. Die gesellschaftlicheOrdnung und ihre Entwicklung müssen sichdauernd am Wohl der Personen orientieren;denn die Ordnung der Dinge muß der Ordnungder Personen dienstbar werden und nicht umgekehrt"(S. 473).Trotz der grundlegenden, in Gott begründetenGleichheit des Menschen geht die Kirchedurchaus von einer natürlichen Ungleichheitaus: "Gewiß, was die verschiedenen physischenFähigkeiten und die unterschiedlichen geistigenund sittlichen Kräfte angeht, stehen nichtalle Menschen auf gleicher Stufe. Doch jedeForm einer Diskriminierung in den gesellschaftlichenund kulturellen Grundrechten derPerson, sei es wegen des Geschlechts oder derRasse, der Farbe, der gesellschaftlichen Stellung,der Sprache oder der Religion muß überwundenund beseitigt werden, da sie dem PlanGottes widerspricht. ... Obschon zwischenden Menschen berechtigte Unterschiede bestehen,fordert ferner die Gleichheit der Personenwürdedoch, daß wir zu humaneren undder Billigkeit entsprechenden Lebensbedingungenkommen" (S. 476). Das Konzil erklärt,es wolle die Achtung vor dem Menschen "einschärfen".Alle müßten ihren Nächsten als ein"anderes Ich" ansehen und auf "sein Leben unddie notwendigen Voraussetzungen eines menschenwürdigenLebens bedacht" sein: "Sonstgleichen sie jenem Reichen, der sich um denarmen Lazarus gar nicht kümmerte" (S. 474).Der Christ wird zu tatkräftiger Hilfe aufgerufengegenüber Alten und Verlassenen, dem"Fremdarbeiter, der ungerechter Geringschätzungbegegnet", Heimatvertriebenen etc. und-zu Widerstand gegenüber allem, was "zum Lebenselbst in Gegensatz steht" oder die Unantastbarkeitder menschlichen Person verletzt.Hier wird u.a. genannt: Mord, Völkermord, Abtreibung,Euthanasie, Verstümmelung, körperlicheund seelische Folter, unmenschliche Lebensbedingungensowie unwürdige Arbeitsbedingungen,"bei denen der Arbeiter als bloßesErwerbsmittel und nicht als freie und verantwortlichePerson behandelt wird" (S. 474 ff.).Es ist ganz offensichtlich, daß es der Kirchedarum geht, aus ihrer Vorstellung vom MenschenOrdnungsprinzipien der menschlichenGesellschaft abzuleiten. Die Feststellung dergrundlegenden Gleichheit des Menschen wirdsofort an die Forderung gekoppelt, ihr "immermehr zu Anerkennung" zu verhelfen. Bei aller"natürlichen" Ungleichheit muß die Gesellschaftder Tatsache Rechnung tragen, daß dieMenschen darin gleich sind, Abbild Gottes zusein, wie auch in ihrem Ziel, durch die Überwindungder Sünde die "Gottebenbildlichkeit"zu erreichen. Die Gesellschaft darf sich demPlan Gottes nicht dadurch widersetzen, daß sieselber (durch Diskriminierung) Ungleichheitschafft oder den Menschen zur Sache herabwürdigt.Die christliche Vorstellung vom Men-'sehen bejaht durchaus, gesellschaftliche Ungleichheitals etwas 'Natürliches' zu sehen, sieerlaubt aber auch (verlangt es sogar: Lazarus),für ihre Abmilderung einzutreten und versprichtden Armen und Verlassenen Schutz gegenDegradation zur Sache, Bewahrung ihresMenschseins im Bewußtsein, vor Gott gleich zusein.Auch die CDU Baden- Württemberg sprichtvon der Gleichheit vor Gott, sie gibt ihr abereine ganz andere Bedeutung. Die Gleichheitvor Gott wird nicht aus der tatsächlichengrundlegenden Gleichheit des Menschen abgeleitet,diese wird vielmehr bestritten. Die Ungleichheitwird zum Bestimmenden des Menschenerklärt. Ungleichheit wird deshalb auchzum bestimmenden Ordnungsprinzip der Ge-·sellschaft gemacht. Die Differenzierung nachLeistungen und Rechten wird so praktisch zueiner Forderung der "Natur" des Menschen,alles andere wäre "widernatürliche" Gleich-Antirassistisches Plakat der EvangelischenJugend in Nordrhein-Westfalen.


Seite 26macherei. ,Wenn Gott die Menschen als gleich betrachtet,obwohl sie ungleich sind, so ist das alleinseine Angelegenheit, sozusagen eine göttlicheLaune. Ansprüche an die Gesellschaft könnendaraus nicht abgeleitet werden. Mit der striktenTrennung der gesellschaftlichen und dergöttlichen "Sphäre" soll sichergestellt werden,daß das christliche Menschenbild nicht herangezogenwerden kann, um die Differenzierungder Gesellschaft zu kritisieren. Die Gleichheitvor Gott wird so, ebenso wie die gleiche Würdedes Menschen, zu einer bloßen Fiktion, aus derder Gläubige Trost schöpfen kann, aber keineMaßstäbe zur Beurteilung der Gesellschaft ableitendarf.Geht es dem christlichen Menschenbild darum,mit der Betonung der gleichen Würde desMenschen bestimmte Schranken gegen die Ungleichheitzu setzen, sie abzumildern, Versöhnungzu propagieren will die CDU gerade solcheSchranken einreißen. Eine 'Politik der ungezügeltenDifferenzierung der Gesellschaftmuß jeden Gedanken an Gleichheit zurückweisen.Das Lazarus-Gleichnis mit seiner Verpflichtungfür den Reichen, dem Armen zu helfen,geht der CDU dabei schon zu weit, diffamiertes doch den ungetrübten Genuß desReichtums als Unrecht und räumt dem ArmenHilfsansprüche gegenüber dem Reichen ein.Die CDU-"Umdefinition" des christlichenMenschenbilds, die die gleiche Würde des Menschenvon allen tatsächlichen Lebensbedingungenloslöst, stellt den Versuch dar, dieses alsmit dem Rassismus vereinbar hinzustellen undChristen in ihrer Kritik des Rassismus zu entwaffnen.Der christliche Humanismusverbindet Gesellschaftskritikund Staatstreuechristliche Menschenbild Ungleichheit als etwasNaturgegebenes faßt, macht seine Bedingtheitaus. Die gesellschaftlichen Unterschiedewerden ganz bruchlos aus der Tatsachehergeleitet, daß Menschen eben unterschied-Iich sind. Wenn die Kirche erklärt, es gebe "berechtigteUnterschiede" zwischen den Menschen,man müsse aber IIZU humaneren und derBilligkeit entsprechenden Lebensbedingungen- kornrnen" , fordert sie zwar 'die Gesellschaft'auf, die Folgen 'natürlicher Ungleichheit' ab--zumildern, die Abgrenzung aber, wo Unterschiede"unberechtigt" sind, wann Lebensbedingungen"unbillig" sind, läßt \ sie voll kom men'offen. -Die Kritik der gesellschaftlichen Ungleichheitwird mit Bedacht geführt und mit Bedacht'beschränkt geführt, Das erste hemmt die Reaktion,das zweite bietet ihr Einfallstore. DieAuffassung gesellschaftlicher Unterschiedeals 'natürlich' vorhandene beinhaltet die Unmöglichkeit,sie wirklich zu beseitigen: aus ihrkann nie ein Recht der Unterdrückten abgeleitetwerden, sich -zu befreien, den Widersprucharm/reich endgültig aufzuheben. Ihr entsprichtvielmehr der Appell an den Reichen,dem armen Lazarus zu helfen, das Programm_einer Versöhnung der Klassen.Die Herleitung des Humanismus und de'rRechte des Menschen aus dem persönlich gedachtenGott, der in der Schöpfung sei n e Interessenverwirklicht, engt den Entfaltungsanspruchdes Menschen drastisch ein. Der einzelneMensch darf die Berechtigung seiner Interessennur aus ihrer Identität mit dem "Schöpfungsplan"begründen, das' entzieht den Humanismusdem Zugriff des Menschen. Es wirdihm das Recht bestritten, aus seinen konkretenBedürfnissen heraus die Ans()[üche zu formulieren(und evtl. sogar in DM zu fassen), wasmenschenwürdiges Leben ausmacht. Warum'sollte man dies nicht auch in "menschlichen"Gesetzen festschreiben können?In der Weigerung, die Bedürfnisse des Men-, sehen selbst zum alleinigen Maßstab des Humanismuszu machen, birgt der christlicheHumanismus ein inhumanes Element. Indem'der Mensch in Gott sein Ziel findet und nicht inDie christliche Kritik der Ungleichheit erschwertdie Abwehr dieses Angriffs. Die Kircheerklärt: "Durch kein menschliches Gesetzkönnen die personale Würde und die Freiheitdes Menschen so wirksam geschützt werden seiner eigenen Entfaltung, indem 'das konkretewie durch das Evangelium Christi, das der Kircheanvertraut ist" (Pastorale Konstitution, S. 'wird, begründet der christliche HumanismusLeben dem fiktiven 'ewigen' untergeordnet488). Tatsächlich scheint das christliche Men- einen Asketismus, der es Christen schwermacht,Positionen gegen ein Leben auf Sozial-I sehenbild mit seinem Festhalten an der grundlegendenGleichheit des Menschen, unabhängig hilfeniveau zu entwickeln und sich für materielleForderungen einzusetzen, die ein entfal-von aller Ungleichheit, einen bedingungslosenHumanismus zu vertreten und damit einen tetes Leben möglich machen.wirksamen Schutz gegen Unmenschlichkeitdarzustellen. Die Tatsache, daß aber auch das (Barbara Bütikofer, Flüchtlingsrat Karlsruhe)


Seite 28)''Dok urn en tiertDie Bilanz der Zentralen AnlaufsteIle für Asylbewerber (ZAST). Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhe hat in seiner Sitzung am 15.<strong>12</strong>.87 eine Anderung des Flächennutzungsplans beschlossen,die einen ZAST-Neubau an der Durlacher Allee vorsieht. Sind bereits die jetzigen Lebensbedingungen derAsylbewerber in der Wolfartsweiererstraße völlig unakzeptabel, wird der geplante Neubau eine weitere Verschärfungder Situation der Flüchtlinge und deren nahezu vollständige Isolierung von der Karlsruher Bevölkerung zurFolge haben., Flüchtlinge zweiter KlasseAuf eine mittlerweile fast vierzigjährigeGeschichte kann der Gebäudekomplexin der Wolfartsweier erstraße,in dem momentan noch dieZentrale AnlaufsteIle für Asylbewerber(ZAST) untergebracht ist,''l,urückschauen. 1949 erbaut, dientendie tristen Wohnblocks zunächst alsUnterkunft für deutsche Flüchtlingeund Spataussiedler, Menschen, dieaufgrund von Repressalien aus ihrerHeimat flüchten mußten. Auf eng-.stern Raum wurden bis zu zwei Fa-milien in kleinen Wohnungen mit Kücheund Waschgelegenheit untergebracht.Eine wesentliche Veränderung derZAST trat ein, als ab 1980 Flüchtlingeaus 3. Welt-Ländern ebenfallsin den Gebäuden untergebracht wurden.Durften diese Menschen nochvorher in Städten und Gemeinden lebenund durch Arbeit für den Unterhaltin ihrem Exil selbst sorgen, wurdensie mit der Anderung des Asylverfahrensgesetzesvom 2. Januar1980 restringenten Maßnahmen unterworfen.Hierbei zeichnete sichdas Land Baden-Wür tternberg mitseiner christlichen Landesregierungdurch eine besonders rigide Behandlungder Asylbewerber aus. Nebeneiner Vielzahl von Verschärfungsmaßnahmenwurde insbesondereauch eine Gemeinschaftsverpflegungeingeführt. Um dies durchzu-, setzen, wurden die Küchen in derWolfartsweiererstraße herausgerissenund damit den Menschen oftmalsdie einzige Möglichkeit der Aufrechterhaltungeigener kulturellerGepflogenheiten weggenommen. Diedeutschen Spätaussiedler wurdengleichzeitig aus der ZAST ausgelagertund in mehreren kleinen Einheitenin der Stadt untergebracht.Obwohldas Grundgesetz nach Artikel3d jegliche Benachteiligung vonMenschen wegen ihrer Rasse, Religion,Abstammung oder politischenAnschauung verbi etet, wurden aufdiese Art und Weise eine zweiteKlasse von Flüchtlingen, die ebenfallsvor Repressalien aus ihren Heimatländerngeflohen waren, geschaffen.Späth'scheAbschreckungSeptember 1985: Libanesen werden von Sendereinsatzkommandos aus der'lAST "evakuiert", nachdem es zu einer Messerstecherei gekommen ist. Inder ZAST, die für die Aufnahme von maximal 800 Leuten ausgelegt ist, leben'zu diesem Zeitpunkt ca. 1 100 Flüchtlinge. .Die konsequente Durchführung derSpäth Ischen Abschreckungsstrategiemit der ausnahmslosen Unterbringungder Asylbewerber in Sammelunterkünftenführte zu einer zunehmendenÜberbelegung des zur Verfügunggestellten Wohnraums. EngsteLebensbedingungen (4 Personen ineinem 15 qm kleinen Raum, ca. 950Betten für nahezu <strong>12</strong>00 Flüchtlinge),unvorstellbare hygienische Verhältnisse(<strong>12</strong> Duschen für alle Flüchtlinge)und das geballte, Aufeinandertreffenuntersch iedlichster Kulturenmit daraus folgenden Verständigungsschwierigkeitenführten imSommer 1985 zu heftigen Auseinandersetzungenzwischen den Asylbewerbern.Anstatt sich jedoch endlichum die unmenschlichen Lebensbedingungenund damit um die Ursachenfür die Gewalttätigkeiten imLager zu kümmern, brachten dieCDU-Stadträte lngrid Kosian, MarianneKrug, Günther Rüssel und Dr.Elmar Kolb einen Antrag "zur Wiederherstellungder Sicherheit derOststadtbürger" in den Gemeinderatein, der einen massiven Einsatz von


Seite 29Polizeikräften mit Hundestaffelnund ständigen Kontrollen der Asylbewerberin der ZAST zur Folge hat-,te (BNN 25.7.85)'Diese massive Polizeipräsenz, dieder Öffentlichkeit suggerierte, daßdie ZAST eine Bastion von Kriminellensei, konnte jedoch nicht verhindern,daß sich die hochexplosiveStimmung im Lager am 6.9.1985 ineiner Messerstecherei entlud, in derenVerlauf ein Inder getötet wurde.Hungerstreiks in mehreren Sammelunterkünftenin Baden- Württemberg,die die menschen verachtendenLebensbedingungen in den Lagernanprangerten und ein weiterer Todesfalleines Asy Ibewerbers in Hof,führten im Oktober 85 endlich dazu,daß das bereits am 27.6.85 reaktivierteAsylzuweisungsgesetz vom3.4.79 angewandt wurde und einGroßteil der Flüchtlinge auf Gemeindenverteilt wurde. Es mußtenerst Menschen ihr Leben lassen, bevorsich die Landesregierung zu einerEntschärfung des Konf liktsherabließ.Die heutige SituationSeit am 26.8.86 die ZAST mit derAbwicklung aller Folgeanträge inBaden- Württemberg beauftragtwurdevbeirn Regierungspräsidium inStuttgart gleichzeitig eine zentraleAbschiebestelle eingerichtet wurde,und seit im März 87 auch die Ausländerpolizeibehördeauf das mitDrahtzäunen umgebene Areal verlegtwurde, ist Karlsruhe zur Endstationvieler politisch verfolgterMenschen geworden. Mit diesemperfektionierten Zusammenspielzwischen Verwaltungsbehörde, Bundesamtfür die Anerkennung von hen. Außerdem sollen wiederum diepflegung der Asylbewerber vorgese-Asylbewerbern und Abschiebungsbehördewerden nun Abschiebungen un-und die Lagerverwaltung auf demAusländerbehörde, das Bundesamtter völligem Ausschluß der Öffentlichkeitdurchgeführt.werden. Neben diesen Punkten, dieumzäunten Gelände untergebrachtAngesichts dieser Tatsachen könnendie von Lagerleiter Heinz Raißledie Lebenssitua tion der Flüchtlingeunmittelbar berühren, zeigt einhervorgehobenen VerbesserungenBlick auf den Stadtplan weitere,wie z.B. Neuanstrich der Zimmer,Verbesserung des Aufenthaltsraumsweitaus schlimmere Konsequenzenetc. nur als öffentlichkeitswirksamerAblenkungsversuch von den un-Die das Gelände umgebenden Ver-der Neubauplanung.glaublichen Bedingungen politisch kehrswege - Durlacher Allee mitverfolgter Menschen in Baden-Württembergaufgefaßt werden.Bahnlinie Karlsruhe-Mannheim mitüber 60000 Fahrzeugen am Tag,über 50 Zügen am Tag, AutobahnDer ZAST-NeubauKarlsruhe-Frankfurt und die BahnlinieKarlsruhe-Stuttgart - werdendafür sorgen, daß die Flüchtlinge einerpermanenten LärmbelästigungUm das Areal um das renovierteSchloß Gottesaue besser zur Geltung ausgesetzt werden. Hinzu kommt,bringen zu können, wurde von der daß diese Verkehrswege eine totaleStadtverwaltung und auch vom Abgrenzung des Lagers von jeglichenStadtrat die Verlegung der jetzigen weiteren Wohngebieten bewirken,ZAST von der Wolfartsweierer Straßeauf das Gelände östlich der Bahn-Asylbewerber von der übrigen Bevöl-was zur vollständigen Isol ierung derlinie Karlsruhe-Mannheim beschlossen(siehe Gegendruck März 88). . Diese massiven Kritikpunkte, diekerung führt.Dieser Neubau wird für die betroffenenMenschen nur oberflächlich ge-des Gemeinderats, Bürgermeistervom Planungsausschußvorsitzendensehen Verbesserungen wie z.B. Zentralheizungin den Räumen, geplante lapida ren Begründungen be isei tcge-Sack, auf einer Ausschußsitzung mitSportanlagen etc. bringen. Bei nähererBetrachtung der Planung wird je- _ mals, mit ausführlichen Erläuterunwischtwurden, wurden nun noch-doch offensichtlich, daß sich die 'Situation der Flüchtlinge eher noch rung nach dezentraler Unterbringender Kritikpunkte und der Forde-verschlechtern wird.gung der Flüchtlinge, allen Stadträtenzugeschickt. Die Resonanz aufGeplant ist ein Lager für 800Flüchtlinge, von denen 480 Personen diese <strong>Aktion</strong> wird zeigen, wie ernstin 4- und 6-Bettzimmern mit einer es die Stadt und deren Vertreter mitFläche von 4,5 qm/Person untergebrachtwerden sollen. Wie bereits deten Resolution gegen Ausländer-der im letzten Sommer verabschie-jetzt schon, ist auch in dem neuen feindlichkeit meint. - (dev, FlüchtlingsratKA, Gegendruck, Mai Gebäudekomplex keine Selbstver-88)1Der Standort für den Neubau der ZAST: zwischen Bahndamm, Gaskessel und einer der meistbefahrenen StraßenKarlsruhes - weitab von Wohngebiet.


, Seite 30-. "MichaelRös sl e r, .~,"Die BRD stellt sich mit ihrer Asylpolitik an dieSpitze beim Ausbau der Festung Eur op a," . Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Freunde,arn Gründungskongreß des CEDRI im Jahre'! 1982 wurden wir von Freunden aus der BRD auf, . die Situation in den Abschreckungslagern auf-, merksarn gemacht. Daraufhin beschlossen wir," I .eine internationale Delegation in die Lager zuc , entsenden, nachdem diese Abschreckungspoli-.,,' :.'tik von humanitären und kirchlichen. Organisationenscharf kritisiert worden war. Der Berichtder Delegation wurde dem UNO-Hochkommissariatzugestellt, das daraufhin eigeneRecherchen anstellte und die deutsche Lagerpolitikscharf kritisierte. Damals kam es zumEklat zwischen dem damaligen UNO-Hochkommissar, .. -für Flüchtlinge Hartling und Bun-desinnenminister Zimmermann. Zimmermannweigerte sich, Hartling zu empfangen. Was hatsich seitdem getan?Da die BRD einen beträchtlichen finanziellenBeitrag an das UNO-Hochkommissariatleistet, wurde nicht mehr darüber geredet. Eineganze Auflage der Zeitschrift des UNO-Hochkommissariats, in der ein angeblich zukritischer Bericht über die Abschreckungspolitikin der BRD bereits abgedruckt war, wurdeeingestampft. Die Abschreckungs- und Abschiebepolitikin der BRD hat sich, wie Sie wissen,seitdem weiter verschärft und ähnlicheMethoden wurden von anderen europäischenLändern übernommen. Eine sogenannte "Harmonisierung"in der europäischen Asyl- undAusländerpolitik findet statt. Die Festung Europaist im Entstehen begriffen: Nach außen" .'~"'" ' . . ~11 , Türkisches Militär im Einsatz gegen kurdische Befreiungskämpfer in Ost-Anatolien. Für die BRDil' ' sind kurdische Flüchtlinge "Terroristen" oder "Wirtschaftsflüchtlinge". Durch Militärhilfe ist sie! 1 direkt in den Krieg gegen die Kurden verwickelt.I .I


Seite3Iabgeschottet gegen Flüchtlinge und Imrnigr anenaus Diktaturen bzw. Hungergebieten derDritten Welt und aus der Türkei, nach innen diepolizeiliche Vernetzung, die Vermischung vonAntiterror- Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik.Wie kam es zu dieser Entwicklung?Bis Ende der siebziger Jahre wurde eine relativliberale Flüchtlingspolitik in ganz Europapraktiziert. Die Mehrheit der Flüchtlinge kamzu diesem Zeitpunkt aus Osteuropa. Für diechilenischen Flüchtlinge nach dem PutschI973 gestaltete sich die Situation bereits vielschwieriger. Jedoch durch eine breite Volksbewegung(Beispiel Freiplatzaktion Schweiz)konnte' erreicht werden, daß einige tausendFlüchtlinge in Europa Aufnahme fanden. Mitdem Staatsstreich der türkischen Militärs imJahre I980 beginnt eine grundlegende ~nderungin der deutschen Flüchtlingspolitik. Eineandere Grundhaltung wird von oben verordnetund propagiert: Türken sind nicht assimilierbar,da sie aus einer anderen Kultur stammen;alle Flüchtlinge werden als politisch gefährlicheingestuft. Die in der Türkei verfolgteMinderheit der Kurden existiert für die Behördennicht.Erste Abwehrmaßnahmen gegen die Flüchtlingewerden in Form von Gesetzesänderungenund Verschärfungen zum Teil von sozialdemokratischenRegierungen (z , B. BRD) ergriffen.Die wirtschaftliche Krise und die europaweiteArbeitslosigkeit dienen als Rechtfertigungdieser Politik. Mit der Bonner "Wende' wirddie aggressive Abschreckungspolitik eingeläutet.Begriffe des Kalten Krieges werden aufFlüchtlinge und Gastarbeiter angewandt, siewerden die Sündenböcke für alles. Das Abschreckung,sarsenalwird eingerichtet: Lager,skandalöse Rechtsprechung (u.a. wird Folterals Asylgrund nicht mehr anerkannt), Hetze inden Medien, Verwendung eines Vokabularsauch in Regierungskreisen - das bis dahinrechtsradikalen Bewegungen vorbehalten war- nunmehr dank Regierungsvertretern wieZimmermann und Spranger gesellschaftsfähiggemacht wurde. Das heutige Aufkommen derAlt- und Neo-Faschisten wurde damit erst ermöglicht.Die Zusammenarbeit diverser Polizei-und Geheimdienste mit den "befreundeten"Diensten in den Herkunftsländern gegendie Flüchtlinge wird etabliert. Auslieferungentrotz politischer Verfolgung gehören seitdemzur Tagesordnung. Wir erinnern uns alle in diesemZusammenhang an Cemal Altun. Die wirtschaftlicheund militärische Zusammenarbeitzwischen der BRD und der Türkei wird durchdie polizeiliche perfektioniert. •Mit dieser Politik stellt sich die BRD europaweitan die Spitze. In der Folge wird auf andereStaaten Druck in verschiedenster Form(von Propaganda bis Diplomatie) ausgeübt.Durch Umlenkung von Flüchtlingen (zum Beispielvon Türken und Kurden Richtung Frankreich)wird erreicht, daß mittels sozialer Destabilisierungauch dort die gewünschte Abschreckungspolitikeingeführt wird. Die bishereher liberale Schweiz beginnt ebenfalls, sicham Modell Deutschland zu orientieren. Folterwird nicht mehr automatisch als Asylgrund akzeptiert,die Ausschaffungshaft wird eingeführt;seit letztem Jahr gibt es zentrale Bundeslager, wo die Asylsuchenden in einemSchnellverfahren rigoros selektioniert werden.Die Einrichtung der Bundeslager widersprichteigentlich völlig dem traditionellen Föderalismusder Schweizer und wurde aufgrund der europäischenKoordination der Polizeiministervon einer mafia-ähnlichen Politikerkastedurchgesetzt. Die zuständige Ministerin ElisabethKopp mußte wegen einer Drogengeldwaschaffärezurücktreten, doch ihre Flüchtlingspolitikwird vorläufig weiterbetrieben.Doch zum Unterschied zu anderen europäischenLändern, gibt es in der Schweiz einebreite Bewegung des zivilen Ungehorsams, dieTeilerfolge verbuchen kann. So wurde ein vorläufigerAusschaffungsstop von Tamilen erreicht;die evangelischen Landeskirchen derSchweiz stellen sich hinter Pfarrer, die Kir-Demonstration gegen die Abschiebung vonKurden.


Seite 32chenasyl gewähren. ~hnlich wie für die Tamilen,regt sich jetzt die Solidarität für die Kurden.Ab Mitte der Soer Jahre wird eine europäischeGeheimpolitik der Innen- und Polizeiministerbetrieben, in verschiedenen Zusammenschlüssen.Einer davon ist die sogenannte TRE-VI-Gruppe: Sie umfaßt die Innen- und Justiz- .ministerien der EG-Staaten, als Beobachterauch einige Länder außer halb der EG. Die ursprünglicheAufgabenstellung, die "Bekämpfungdes Terrorismus, Extremismus, Radikalismusund internationale Gewalt" wurde umden Bereich Einwanderungs- und Asylpolitikerweitert. Die sogenannte Schengener Gruppebildet sich aus dem harten Kern der nördlichenEG, Länder, die dem laxen Süden zutiefst mißtrauen.Die sogenannten Gerzensee-Nachfolgekonferenzenumfassen den Chefbeamtenkreisaus ganz Europa und einigen Ilberseelandern.Diese europäische Geheimpolitik entbehrtjeglicher legalen Basis. Selbst Forderungenvon Institutionen wie dem EuropäischenParlament, das sich entschieden für eine anderePolitik aussprach {Bericht von Heinz Oskar, Vetter} wurden nicht einmal beantwortet .. Gelingt es nicht, dagegen ein europäisches Gegengewichtzu schaffen, droht das vielbesungeneEuropa 1992 zu einer Neuauflage MetternichscherPolizeistaatpolitik und einer "HeiligenAllianz" nach innen zu werden.Aus einem Artikel in "Le Monde" vom <strong>12</strong>.März 89 geht hervor, wie sich die Innenministerder EG-Länder ihre zukünftige Sicherheitspolitikvorstellen. Anläßlich ihrer Sitzungam 9. März in Sevilla, beschlossen sie die Harmonisierungder Grenzkontrollen nach außen,die Ausarbeitung einer gemeinsamen Asylpolitikund eine aufeinander abgestimmte Praxisder Ausstellung von Visa und langfristig eineAngleichung der Strafgesetzgebung. Zu diesemZweck wird ein ständiges Büro geschaffen,das zu einem späteren Zeitpunkt auch 'über eine europäische Datenbank verfügensoll. Gegen den Versuch, eine "europäische Polizeieinheit"zu schaffen, gibt es vorläufignoch Widerstand aus Großbritannien. Konntesich die BRD in letzter Zeit stets auf Nachbarnberufen, "die ja zu den gleichen Maßnahmengefunden haben", werde~jetzt neue Initiativenergriffen: Die geplante Anderung des Auslän- ..derrechts in der BRD soll dazu dienen, europaweitdenkbar schlechteste Bedingungen fürImmigranten und Flüchtlinge zu schaffen, diedann den anderen Ländern aufgezwungen werdensollen. Wie sieht es heute aus? Heute wirdversucht, die Asylsuchenden und Immigrantenin zwei Kategorien zu trennen: EinerseitsWirtschaftsflüchtlinge, andererseits "Terrori-sten". Die ersteren werden mit allen Mittelnaus Europa vertrieben (juristische Schritte biszur Zuhilfenahme xenophober Propaganda},die als politisch gefährlich Eingestuften werdenmit allen Mitteln des Staatsschutzarsenalsbekämpft.Anlaßlieh eines Staatsbesuches des za ir i-sehen Diktators Mobutu in der Schweiz, kam eszu einem Gespräch zwischen dem FlüchtlingsdelegiertenPeter Arbenz und einem SicherheitsberaterMobutus. Daraufhin wurde dasMitglied der zairischen Exilregierung MatthieuMusey mit seiner Familie durch eine quasimilitärisch organisierte Ausschaffung gegenalle Widerstände aus der Bevölkerung direktnach Zaire ausgeflogen. Es ging den Behördendarum, die Solidarit'ätsbewegung für dieDemonstration in Karlsruhe gegen das von derBundesanwaltschaft als "Terroristenprozeß"deklarierte Verfahren gegen 20 Kurden.Flüchtlinge zu brüskieren und in die Resignationzu treiben, andererseits wollte man Mobutu,der Milliarden auf Schweizer Bankkontenangehäuft hat, einen Dienst erweisen. Nachdem Sturz der Polizei- und JustizministerinElisabeth Kopp kritisierte die Geschäftsprüfungskommissiondie Handlungsweise von PeterArbenz in den Fällen Musey und Masa. DieSuspendierung des Flüchtlingsdelegierten undallgemein die Aufhebung dieser Funktion istim Moment in öffentlicher Diskussion. Derzairische Flüchtling Alfonse Masa wurde aufInitiative des Flüchtlingsdelegierten währendWochen in Abschiebehaft gefangen gehalten,wofür es zu diesem Zeitpunkt keine gesetzlicheGrundlage gab. Auf die Intervention derAnwälte hin, beschaffte sich Peter ArbenzRückendeckung durch. die Bundesanwaltschaft,die Masa im nachhinein zum Sicher-J


Seite 33heitsrisiko erklärte. Gründe dafür wurden keineangegeben. Auf öffentlichen Druck hinkonnten Masa und seine Familie schlußendlichin ein Drittland ihrer Wahl ausreisen.Charakteristisch für das Vorgehen derSchweizer Bundesanwaltschaft - der "Dunkel-.karnmer der Nation" - ist die Berufung auf dasSicherheitsrisiko für den Staat, damit könnenalle Verteidigungsmöglichkeiten des Betroffenenausgeschaltet werden. Die Vorwürfe werdengeheimgehalten und sind damit keiner demokratischenKontrolle unterworfen. DasStaatsgeheim-nis ist ein Feind der Demokratie.Was unter diesem Deckmantel geschieht, kannnicht nur das wehrloseste Mitglied der Gesellschaft-den Flüchtling - treffen, sondern jedenkritischen Bürger. Das sollten wir uns stetsvor Augen halten. Wenn wir den Wehrlosenverteidigen, verteidigen wir uns selbst ..In der BRD sind es die Kurden, die der Inquisitionzum Opfer fallen sollen. GeneralbundesanwaltRebmann hat Anklage gegen 16 Kurdenerhoben. Die meisten von ihnen sind seit Anfang1988 in Untersuchungshaft, gestützt aufden <strong>12</strong>9 a. Dazu ist zu bemerken, daß der <strong>12</strong>9 aeindeutig dem europäischen rechtlichen Mindeststandardwiderspricht. Für den zu erwartendenProzeß, soll in Düsseldorf ein eigenesGerichtsgebäude für 4,5 Millionen Mark gebautwerden - aus Sicherheitsgründen. Worumgeht es dabei? Der gesamte Widerstand derKurden soll kriminalisiert werden. Wir müssenhier der deutschen Justiz das Recht absprechen,über eine kurdische Befreiungsbewegungzu urteilen und diese als Terroristen abzu-stempeln. Den älteren Mitbürgern, die hier zugegensind, muß ich sicherlich nicht in Erinnerungrufen, daß während der Naziherrschaftalle Widerstandsgruppen als Terroristen bezeichnetwurden. Heute jährt sich das Giftgasmassakerin Halabja (Irakisch-Kurdistan). Warumdieses Schweigen? Unter diesem Titel findetheute -eine Demonstration in Bern statt.Jeder der schweigt, ist mitschuldig. Unsererechtsstaatliehen Demokratien haben allenGrund zu schweigen. Und die Inquisition, auchdie sogenannt rechtsstaatliche, sollte ein füralle Mal ins Mittelalter zurückverbannt werden.Werden wir der Schaffung der, "FestungEuropa" tatenlos zusehen, oder werden' auchwir uns über die Grenzen hinwegsetzen und ungeachtetideologischer Meinungsverschiedenheiteneinen gemeinsamen Weg finden?Michael Rössler ist stellvertretender Generalsekretärdes C.E.D.R.I. (InternationalesKomitee zur Verteidigung der Flüchtlingeund Immigranten) mit Sitz in der Schweiz,in Basel. Das C.E.D.R.I. vereinigt Mitgliederaus allen Kontinenten und sieht seinemomentanen Arbeitsschwerpunkte im Widerstandgegen· die "Festung Europa" zurAbschottung gegen Flüchtlinge. Bereits1982 organisierte C.E.D.R.I. die Reise einer.internationalen Untersuchungskommissionin Sammellager Bayerns und Baden- Württembergs.Der Vortrag wurde am 18.03.89bei dem "Hearing gegen Sammellager undZAST-Neubau" in Karlsruhe gehalten.L"Stop der Militärhilfe für die Türkei". Allein seit dem Putsch 1980 flossen mehr als 2,5 Mrd. DMMilitärhilfe aus der BRD an das türkische Regime.


Seite 34j,Dokumentiert"Die Stadt plant ein Getto!"Rede des Flüchtlingsrats beim Ausländerfest der St adt Ka rl sr uh e. am 01.10.88Liebe Karlsruher Bürger, liebe Festbesucher,liebe Freunde!. IArtikel.rö, Absatz 2 des Grundgesetzesbesagt: "Politisch Verfolgtegenießen Asyl". Schlicht und einfachsteht dieser Satz im Gesetzestext,ohne Erläuterungen, ohne jeglicheEinschränkungen. Dieses Grundrechtentstand aus der bitteren Erfahrungvon über 600.000 Deutschen, diewährend der nationalsozialistischenGewaltherrschaft in anderen Ländernum Asyl'bitten mußten T und esauch z.T. erhielten.Das Wort Asyl ist in den letztenJahren zum Gegenstand kontroverserDiskussionen geworden, in derdie Meinungen von Politikern, diedieses Grundrecht gänzlich abschaffenwollen und Befürwortern, denendie heutige Handhabung diesesRechts völlig unzureichend ist, hartaufeinander getroffen sind. Hierbeiwurde offensichtlich oftmals vergessen,daß hinter diesem Wort AsylMenschen stehen, die aus. Not ihreHeimat verlassen mußten und deshalbhier bei uns um Schutz bitten.Wie sieht die Situation dieser Menschenhier in Karlsruhe aus? Im Juliletzten Jahres verabschiedete derGemeinderat der Stadt Karlsruhe alseines der ersten-Gerneindepar larnenteder BRDdie "Erklärung des EuropäischenParlaments, des EG-Rats.und der EG-Kommission gegen Rassismusund Fremdenfeindlichkeit".Ein guter Schritt, wie man meinenmöchte - doch im Hinblick auf dieSituation' von Asylbewerbern inKarlsruhe, stellt sich dieser Beschlußals Farce dar,ja es muß sogarder Vorwurf erhoben werden, daßdurch die Politik der Stadt KarlsruheAusländerfeindlichkeit geradezu.provoziert wird.Womit läßt sich dieser schwereVorwurf begründen? Bereits seit.1985 werden von der Stadtverwal-. tung Vorkehrungen getroffen, dieZentrale AnlaufsteIle für Asylbewerber(ZAST) in der Wolfartsweiererstraße aus dem Blickfeld desmittlerweile restaurierten' SchloßGottesaue zu entfernen, um diesemPrunkstück .städtebaulicher Tätigkeitein "würdigeres" Umfeld zu verschaffen.Am 15. Dezember 1987wurde hierzu im Gemeinderat eine~nderung des Flächennutzungsplanesdes Gebietes südlich der DurlacherAllee, imBereich des Gaskesselsbeschlossen, der diesen Bereichals neuen Standort der ZAST vorsieht.Einige der Stadträte brachtenEinsprüche gegen diesen Neubauplatzvor, da es sich dabei um einenghettoartigen Standort handle, diestarke Verkehrsdichte der DurlacherAllee, der Bundesbahnhauptlihie'Karlsruhe-Mannheirn und der nahegelegenenAutobahn zu einer sehrstarker Lärmbelastung führe unddurch die total isolierte Unterbringungvon 800 Menschen auf engstemRaum psychische Störungen bei denFlüchtli ngen auftreten könnten .Diesen Einwänden trat Herr OberbürgermeisterSeiler mit dem Argumententgegen, daß die durchschnittliche'Verweildauer derFlüchtlinge in Karlsruhe ja sowiesonur maximal zwei Wochen betragenwürde und somit diese Belastung den'\Der "Schandfleck" ZAST muß dem Prunkstück Schloß Gottesaue weichen.


, Seite 35Personen zuzumuten wäre. DiesesArgument warund ist falsch! Wie eineUntersuchung des FlüchtlingsratsKarlsruhe ergab, befinden sich über90 % dieser Menschen nach den besagtenzwei Wochen .noch in derZAST, 70 % sind länger als zwei Monatedort, 35 % länger als vier Monate,10% sogar länger als ein halbesJahr. Diese Zahlen wurden durch eineErhebung des Innenrniruster iumsim März dieses Jahres bestätigt. Wärendiese Zahlen, die der Stadtverwaltungüber das Regierungspräsidiummit Sicherheit zur Verfügungstanden, in der Sitzung genannt worden,hätten sich vielleicht doch mehrStadträte gegen diesen Flächennutzungsplanausgesprochen, auf dessenGrundlage nun ein abgekapseltesWohnghetto für Flüchtlinge errichtetwerden soll. Allein schon wegenseiner eindeutigen Trennung von übrigenWohngebieten werden dieAsylbewerber einer allgemein feindlichenGrundstimmung ausgesetztsein.Aber wie müssen die Menschen nunkonkret in diesem Lager leben? Inder jetzigen ZAST sind momentanetwa 100 Flüchtlinge untergebracht,deren Wohnraumfläche 4,5 qm proPerson beträgt, womit den einzelnenMenschen keinerlei Intimbereich zugestandenwird. Zum Vergleich: einGastarbeiter muß <strong>12</strong> qm Wohnraumvorweisen, um überhaupt eine Arbeitserlaubnisin Baden- Württemberg~u erhalten. Das Taschengeldbeträgt 70 DM im Monat, wovonsämtliche persönlichen Gegenständewie z.B, Seife, Zigaretten, Tempotaschentueheretc, gekauft werdenmüssen. Es besteht ein absolutesKochverbot, das Essen wird vonaußerhalb angeliefert, es ist' keineEssensauswahl möglich, obwohl bekanntist, daß die Ernährungsgewohnheitender einzelnen Nationalitätenz.T. grundlegend verschiedensind.Neben diesen direkten Einschränkungen,die die Flüchtlinge erduldenmüssen, wirkt sich jedoch besondersdie z.T. unmenschliche, ja man mußschon fast sagen, die menschenverachtendeBehandlung durch Angestellteder Lagerverwaltung und derPolizeibehörde, sehr negativ auf diepsychische Verfassung der Menschenaus. Oder wie soll man es anders nennen,wenn man mit eigenen Augenmitbekommt, wie ein Asylbewerbervon einer Sekretärin in der Polizeibehördeauf rüde Art und Weise angefahrenwird, weil er sich "erdreistet",darauf hinzuweisen, daß ereine Bestätigung nicht unterschreibenwerde, weil er den auf deutschabgefaßten Text nicht lesen kann.Oder wenn man erlebt, wie eine Frauvon einem Hausmeister angeschrienwird, weil sie zwei Minuten zu spätzum Bettwäschewechsel kommt?Anhörung eines Flüchtlings bei der Ausländerpolizeibehörde in der ZAST.Oder wenn man erfährt, daß Menschennachts von der Polizei aus denBetten gezerrt werden und z.T. ohnedaß sie ihre persönlichen .Gegenstandemitnehmen können in Abschiebehaftgenommen werden? Ich könntenoch mehr solcher Beispiele men-'schenunwürdiger Behandlung nennen,die auf dem Gebiet der StadtKarlsruhe Tag für Tag geschehen unddie im krassen Widerspruch zu derverabschiedeten Resolution stehen.Diese Behandlung führt dazu, daßbetroffene Asylbewerber in einemInterview zum Ausdruck brachten :"Viele von uns sind jetzt verrückt".Sicher, in der neuen ZAST wird esbuntereFarben geben als bisher, eswird hier und dort ein Baum gepflanztwerden, es sind sogar einVolleyball feld und ein Bolzplatz geplant.Aber an der grundsätzlichenKonzeption der Unterbringung derMenschen, an der Behandlung derFlüchtlinge wird sich nichts, aberauch gar nichts ändern. Der StadtKarlsruhe sind die gemachten Vorwürfebekannt. Allen Stadträtenwurde der Einspruch des Flüchtlingsratesgegen denneuen Flächennutzungsplanzugesandt. Von den Stadtbehördenwurde darauf bisher nurerwidert, daß der lAST -Neubau ausschließlichLandessache sei und deshalbnicht in Gemeindegremien behandeltwerden könne. Auch diesesArgument ist falsch! Die Ausländerpolizeiist eine städtische Behörde:auf die Behandlung der Flüchtlingeauf dieser Dienststelle könnte derOberbürgermeister jederze it Einflußnehmen. In einem Gespräch mit demVertreter des Regierungspräsidiu.msund dem Baudezernenten Herrn Sackkam zudem zur Sprache, daß dieStadt Karlsruhe für den Neubauplatznoch ein viel entlegeneres Gebietbevorzugt hätte und daß sie ein vehementesInteresse für die Verlagerungder ZAST vom jetzigen Stand-:ort geltend gemacht hat. Wo ist alsoder lAST-Neubau ausschließlich eineLandessache?Und übrigens, wer zwingt die StadtKar lsruhe dazu, auf ihrem Geländedie lAST unterzubringen, zuzulassen,daß Menschen entgegeh der verabschiedetenResolution gegen Rassismusund Fremdenfeindlichkeitmenschenunwürdig behandelt werden?Niemand zwingt sie dazu! Siekönnte bei der Landesregierung klarstellen,daß es in .dieser Stadt Maßstäbegibt, die für eine menschenwürdigeUnterbringung von Personenangewandt werden, egal ob es sichhierbei nun um deutsche Staatsbürger,Gastarbeiter oder Flüchtlingehandelt. Sie könnte klarstellen, daßsie nicht gewillt ist, die vom Landpraktiz ier te Abschreckungspolitikgegenüber Flüchtlingen in ihrenStadtgrenzen zuzulassen. Sie könntedie lAST an das Land zurückgebenund dafür gemäß der luteilungsrateFlüchtlinge aufnehmen.Schon letztes Jahr hat der Flüchtlingsratzum Ausdruck gebracht L daßdie verabschiedete Resolution sehrschnell zu einem schalen Lippenbekenntniswerden kann. Das Verhaltender Stadt im Fragenkomplex lAST-Neubau ha t diese düstere Prognoseleider bestätigt. - (de v, FR KA)


EberhardVorbrodtLager zerstören Meusche nPhysische und psychische Auswirkungen derLagerunterbringungvon FlüchtlingenBevor ich mich dieses im wahrsten Sinne leidvollenThemas annehme,ob und wie LagerMenschen zerstören, möchte ich schon zu Anfangeinige Feststellungen treffen, die eigentlichan den Schluß meiner Ausführungen gehörten.Es drängt mich jedoch zu dieser Umkehrung,denn was anderes als die Bestätigungmeiner Thesen könnte wohl unterdem Schlußstrichstehen? Zuvor gestatten Sie mir einigeBemerkungen zu meinem Hintergrund:Als niedergelassener Frauenarzt in Berlin.und vom Schicksal vieler befreundeter Asylsuchenderbetroffen, arbeite ich seit Jahren imBerliner Flüchtlingsrat. Im übrigen wird dieserwegen seines Engagements den diesjährigenGustav-Heinemann-Preis erhalten. Wohl zumersten Mal wirddamiteine Flüchtlingsinitiativein Deutschland auf diese Weise zur Kenntnisgenommen. Parallel zu meiner Tätigkeit imFlüchtlingsrat und in enger Zusammenarbeitmit ihm, versuche ich mich mit einer kleinen. Gruppe sozialpolitisch engagierter Arzte in. die stark vernachlässigte medizinische Betreuungder Flüchtlinge. einzumischen. BetrachtenSie also mein Hiersein als einen weiterenEinmischungsversuch. Nicht' zuletzt binich Mitglied der internationalen katholischenFriedensbewegung Pax Christi, deren Arbeitsschwerpunktin Berlin die Gesamtheit derAsylproblematikist,Meine Ausführungen beziehen sich sowohlauf eigene Erfahrungen und Beobachtungen,aber auch auf diejenigen vieler Sozialarbeiter_in den Flüchtlingsunterkünften, anderer Kollegen,Psychotherapeuten und Flüchtlingsinitiativen.Immer wieder bestätigt wird mir dieProblematik durch eine Vielzahl befreundeterFlüchtlinge. So nehme ich an, daß ich für dasanstehende Thema motiviert bin und möchteSie aber auch im voraus bitten, einige vielleichtzuemotional gefärbte Passagen nachzusehen.ThesenIch stelle folgende Thesen auf:1. Sammelunterkünfte für Asylsuchende be-.herbergen eine Vielzahl kranker Menschen.2. Die Bedingungen, unter denen sie in den Unterkünftenleben müssen, produzieren Krankheiten.3. Da diese Lebensbedingungen durch Gesetzeund Verwaltungsakte vorgegeben sind, ist dieLegislative und Exekutive! für eine Vielzahl der IErkrankungen im ,Sinne des Verursacherprinzipsverantwortlich. .Asylbewerberlager "Schöneberger Hof" inBerlin.


::,7--Seite 374. Dadurch ist es zur' Rechtsbeugung des Artikel2 Grundgesetz gekommen, in dem allenMenschen das Recht auf körperliche Unversehrtheit garantiert wird. , '5. Gesundheitspolitische. Experten, standesundberufspolitische Arztevertretungen, aberauch die ,medizinische Forschung hat sich denspezifischen Gesundheitsproblemen derFlüchtlinge nicht angenommen. .6. Den Arztef! verbleibende Möglichkeiten dermedizinischen' Hilfe sind.immer dann fast erfolglos,.wenn .die Rahmenbedingungen derenDurchsetzurig behindern.' ,'7. Zu den gravierendsten Behinderungen gehörendie Lebensbedingungen in den Sarnrnelunterkünften.Sie sind daher schnellstmöglich,abzuschaffen.',',., 8. Unter Einbeziehung soziologischer und medizinischerErkenntnisse sind 'neue' Unterbringungskonzepte.für Asylsuchende zu erarbeiten.Kasernierung - Ursache fürphys ische und 'psychischeVeränder:ung,e~Neben Arbeitslosigkeit gehört die zunehmendeVerschlechterung der, Wohnsitu


Seite 38Hier treffen sich Menschen unterschiedlichsterethnischer Zugehörigkeit und extremersozialer. Herkunft. Der iranische Herzspezialistteilt das Zimmer mit dem rassisch verfolgtentamilischen Fischer und dem Solidarnosc-Aktivisten aus Warschau. Dazwischen arabischeGroßfamilien und elternlose Heranwachsende,Kranke, Schwangere oder durch Folterzerbrochene Menschen. In diesem ständigüberfüllten Mikrokosmos herrscht naturgemäßeine babylonische Sprachverwirrung und damitauch Sprachlosigkeit. Die Unterkünfte beherbergenzwischen 40 bis <strong>12</strong>00 Menschen, in größerenSammelunterkünften wurden schon biszu 40 Nationalitäten gezählt. Das wohl einzigverbindende Element dieser Menschen ist derenFreude über die geglückte Flucht und dieHoffnung auf eine bessere Lebensperspektive,gleichzeitig aber auch die grenzenlose Trauerüber den Verlust von Menschen, Heimat undIdentität.Jeder in Deutschland lebende Mensch hatAnspruch auf Unterbringung. Für gesellschaftlicheRandgruppen wie Sozialhilfeempfänger ,Ausländer oder Wohnungslose wird Wohnrauminnerhalb von festgetzten Höchst- und Mindestgrenzengewährt. Diese orientieren sichnicht etwa an den Bedürfnissen der Menschen,eher an wirtschaftlichen und politischen Vorgaben.Asylsuchenden wird das absolute Minimuman 0 n äche zugestanden. Mit -6 mist ihr Lebensraum niedriger bemessen als dereines deu scl1ei1 c äfer unes. a es in dennter ün ten eine Zimmer is 6 qm Größegibt, werden natür IC ents rec ena vle e'Ntenschen in den zur Verfü J!!lg stehendenRäumen unter e rac t 5is die echnerischeHöchstzahl erreic t Ist.Asylbewerber,wartend.~ '?7: '1,i-(:(J ,'/~.~~~~~~~I. ~".-///# ~geduldig auf seine AnerkennungVerlust der Selbstbestimmungdurch Heimordnung undvorprogrammierten TagesablaufEs bedarf schon großer Phantasie, sich denTages- und Nachtablauf unter diesen extrembeengten Verhältnissen vorzustellen. Wer dieSituation nicht aus eigener Anschauung kennt- und das sind auch fast alle für den ZustandVerantwortlichen - möge sich bitte seines gestrigenTagesablaufs erinnern und, so ihn nichtsein Erinnerungsvermögen im Stich gelassenhat, alles auf 20 qm mit drei Bewohnern imZimmer transponieren.Man vergesse auch nicht das Anstehen fürEssenmarken, das Essen aus der Großküche,den Gang zur ständig überfüllten Toilette {leiderauch oft in doppelter Wortbedeutung}, dieLangeweile am Nachmittag, den ungestillten


Seite 39nung, in anderen europäischen Ländern menschenwürdigerbehandelt zu werden, verlassensie Deutschland auf illegalen Wegen oder kehrengar in einer Kurzschlußhandlung in ihreHeimat zurück. Auch das Gefüge innerhalb der'Familie steht zur Disposition, Aggressionenmachen sich Luft, Väter schlagen ihre Kinder,verlassen ihre Frauen, und das Rollenverhaltender Familienmitglieder wird nachdrücklich gestört.Die Auswirkungen des Lagerlebenssind den Verantwortlichen bekanntBemühen wir nun nach dieser unvollkommenenSituationsbeschreibung die sehr weit gefaßte,ja utopische Definition der Weltgesundheitsorganisationvon "Gesundheit", so bleibt uns dieFeststellung, daß nur kranke Menschen dieSarnmelunterkünfte bevölkern. Die WHO definiertGesundheit als Zustand vollkommenenkörperlichen, geistigen und sozialenWohlbefindens und nicht alleindas Fehlen von Krankheiten und Gebrechen..Aber selbst nach der Begriffsbestimmungder klassischen Medizin, festgehalten in der.Reichsversicherungsordnung (RVO), wonachKrankheit als regelwidriger körperlicherund geistiger Zustand definiertwird, dessen Eintritt entweder dieNotwendigkeit der Heilbehandlungoder seine Arbeitsunfähigkeit oderbeides zur Folge hat, stellen Sammelunterkünfteein Reservoir kranker Menschen dar,und die Hinzukommenden werden vielfältigenkrankheitsauslösenden Faktoren ausgesetzt.Die klassischen Arbeitsgebiete der Medizin,mit deren Erkenntnissen und Möglichkeitendem allgemeinen Recht des Menschen auf Ge-. sundheit und körperliche UnversehrtheitRechnung getragen werden sollte, versagen inder Unterbringungspolitik von Flüchtlingen. Esfinden auf diesem Sektor keine Wechselwirkungenzwischen ihr, dem Gesetzgeber und denVerwaltungen statt.Die "Präventivmedizin" mit ihren Schwerpunktender Verhütung von Krankheiten unddas große Gebiet der "Rehabilitationsrnedizin''kommt nicht im Ansatz zum Zuge. Einzig undallein die "kurative Individualmedizin" versuchtmit ihren spezifischen Mitteln bestehendeKrankheiten zu heilen. Sie kommt dabeifast nie über Teilerfolge hinaus, weil sie sichnicht in die Konflikte begibt, die aus der Forderungnach Behebung der vielfältigen pathogenenUrsachen enstehen würden.Daß die Problematik nicht offengelegt wird,kann keiner mehr behaupten. In den letztenJahren gelangte eine Vielzahl von Beobachtungenund Analysen der physischen und psychischenAuswirkungen des Lagerlebens aufFlüchtlinge in die Öffentlichkeit. Vor allemdie in den Lagern tätigen Sozialarbeiter, aberauch Soziologen, Psychologen, Rechtsanwälteund Arzte erheben warnend ihre Stimmen. Esvergeht keine Tagung der Wohlfahrtsverbände,die nicht auf Gesundheitsaspekte bei der Unterbringungvon Flüchtlingen hinweist. Arztlieh-gutachterlieheStellungnahmen liegen ineiner erdrückenden Vielzahl und Bandbreitevor.Jedoch sind leider bisher meinesnoch immer eine -'- bis au le soThiepval-Studie - großange egten wissenscnaftlC en ntersucnungen oder Lan zeitstudienerfol.,h.Auftrag- und Geldgeber würenwohl mit Recht deren Ergebnisse scheuen.Die bisherigen Beobachtungen, Erkenntnisseund vor allem die vielen ärztlichen Cutachtenbeziehen sich meist auf Einzelschicksale. Das.aus der Vielzahl dieser Mosaiksteine entstandeneBild läßt aber schon lange den Schluß zu,Sammellager und Massenunterkünfte für Asylsuchendeendlich zu schließen und neue Konzeptefür deren Unterbringung zu erarbeiten.Obwohl im Konzert der Befürworter undKritiker von Sammelunterkünften gesundheitspolitischeErwägungen meist ausgeblendetwerden, muß ich zur Ehrenrettung bemerken,daß sich doch vereinzelt Gruppen vonArzten, Sozialarbeitern und Psychologen inDeutschland gebildet haben, die sich medizinischerTeilprobleme annehmen. Sie erarbeitentherapeutische Konzepte für gefolterteFlüchtlinge, bieten Hilfen bei hochgradig gefährdetenHeimbewohnern im Sinne einer Kriseninterventionan, widmen sich dem immergrößer werdenden Kreis der Alkoholkrankenoder organisieren ambulant-medizinische Hilfenfür illegale bzw. untergetauchte Flüchtlinge,die sonst bar jeglicher medizinischer Betreuungwären. Diese Initiativen werden vonstaatlichen und berufsständischen Institutionen- wenn wahrgenommen - meist toleriert,aber auch oft beargwöhnt; sie werden, wennüberhaupt, nur unzureichend finanziell unterstütztund können sich bis jetzt nur sehr seltenGehör verschaffen. Die Erfolge stehen im umgekehrtenVerhältnis zu ihrem Aufwand mitden Behörden.


Seite 40Trotz Folter und Flucht -ärztliche Versorgung zweiter KlasseFlüchtlinge beenden nicht immer in gesundemZustand ihre Flucht. Die Fluchtursachen, individuelleoder gruppenspezifische Verfolgung,aber auch Hunger, finden ihren Ausdruck imVerlust der wirtschaftlichen Lebensgrundlage,in Haft, Folter und Vergewaltigung. und habenoft schwere Verletzungen an Körper und Psychehinterlassen. So wird von der Berliner sychotheraeutischen eratun sstelle für Ver-!.sl!gte Xenion geschätzt, daß unter den inBerlin lebenden Asylsuchenden zwischen IOu d 2 % e 0 tert wur en.Folteropferaus der Türkei.dürften. Da dies aus organisatorischen Gründennie sofort und effektiv erfolgt, werdenz.B. Mitbewohner und Betreuerpersonal einererhöhten Ansteckungsgefahr durch eingeschleppteInfektionskrankheiten ausgesetzt.Zwar wurden durch routinemäßige Schirmbildröntgenaufnahmender Lungen von einreisendenAsylsuchenden kurz nach ihrer Ankunft etlicheTuberkulosefälle erkannt und ärztlicherBehandlung zugeführt, dies jedoch erst nachmehrtägigem Lageraufenthalt. Da ein Teil derFälle hochinfektiös war, muß also in den Unterkünfteneine Dunkelziffer sekundär-infizierterMitbewohner existieren, die nur nochdurch entsprechende regelmäßige Untersuchungenedaßt werden könnten, bevor dieKrankheit klinisch manifest wird.Meines Wissens sind jedoch derartige Reihenuntersuchungen,wie wir sie z.B. bei Menschenkennen, die in der Lebensmittelbranchetätig sind, nie vorgenommen worden. Undselbst wenn man damit dem TuberkulosefürsorgegesetzRechnung tragen würde, wäreaufgrund der hohen Fluktuation in den Flüchtlingslagerndie erforderliche, möglichstlückenlose, Erfassung sekundär-infizierterMenschen gar nicht praktikabel. Abgesehenvon der Tuberkulosediagnostik als einzigeMaßnahme obliegt es nach der Ankunft derFlüchtlinge nun nur noch der Beobachtungsgabeund Aufmerksamkeit des Betreuerpersonalssowie der Kommunikationsfähigkeit derFlüchtlinge oder der Intensität der klinischenSymptomatik, um Krankheiten aufzuspüren.Liegen Krankheiten vor oder werden v.ermutetwar es den Flüchtlin en in Berlin noch bisvor kurzem über au terstdann mö.lich melzinischeLeistungen kostenlos, d.h. mitKrankenschein, in Anspruc zu nehmen, wennarzt ic erselts erst as or ie en eben dieserra eit em Sozialhilfeträger attestiertwurde. Ab esehen davon, daß es in Berlinnicht11ur dort nur eine ennge a von Arzeni5t die solche rstun ersuc uns en~Kost nl .. e, beste en aucn außerorentre.!.cb,wie.tig e"te be" Heimleitun undBe ue .p"eLS.O.llal üc tingen die Notwendikeit ärztlicher Intervention nahezu ringenun ies auc noc zu organisieren.Nie t zu e z wegen er a Iir ch gehäuftenInanspruchnahme ambulanter Notdienste undder Notfallstationen der Krankenhäuser entschloßsich der Berliner Senat letztendlich zurgenerellen Herausgabe von Krankenscheinenan Asylsuchende, um dadurch die Voraussetzungenfür die ambulante medizinische Versorgungzu schaffen. Zwischenzei tliche Versuche,in den größten. FlüchtlingsunterkünftenBerlins eine medizinische Basisversorgung--- --un


Seite 41durch Vertra särzte der Heimbetreiber (DRK)_zu organisieren, schlugen aus einer Vielzahlvon Gründen fehl. Sie wäre wohl auch ein weitererBaustein zur Komplettierung der Infrastrukturin den Sammelunterbringungen gewesen.Abgesehen davon, daß sie dem Prinzip derfreien Arztwahl widersprochen hätte, wurdemit Recht vermutet, daß damit eine Entwicklungzur 2-Klassen-Medizin auf niedrigstemNiveau eingeleitet worden wäre. Die Arbeitsgruppe,der ich in Berlin angehöre, hatte nichtunwesentlichen Anteil daran, daß dieses Konzeptzu Fall kam.ItKrankenhauseinweisung? -Entscheidung nach AktenlageGesundheitspolitische Veränderungen habenihre stärkste Triebkraft immer in finanziellenErwägungen. Mehrmalig führte epidemischesAuftreten von Windpocken oder infektiösenLebererkrankungen bei Kleinkindern in BerlinerFlüchtlingslagern zur Entvölkerung derUnterkünfte wegen notwendiger massenhafterKrankenhausaufnahmen. War dies das Signal,daß entsprechende staatliche Fürsorgediensteaus der Reserve gingen und sich durch Beratungen,Untersuchungen und Impfprogrammeauch der Säuglinge und Kleinkinder von Asylsuchendenannahmen? - Daß das öffentlicheGesundheitswesen mit all seinen staatlichenoder kommunalen Einrichtungen seinem gesetzlichenAuftrag der Erhaltung oder Wiederherstellungder Gesundheit bei der Gruppe derFlüchtlinge nur sporadisch nachkommt, stellteine grobe Pflichtverletzung dar.Bei einer Vielzahl von Krankheiten sind dieBetroffenen zur Bettlägrigkeit ezwungen undbedürfen darüber hinaus besonderer ~ undRuhe. Die Gegebenheiten in den Sammelunterkünftensind dafür denkbar ungeeignet. Platzrnangel,permanente Lärmentwicklung, dauernderZwang zur Kommunikation und fehlendehygienische Voraussetzungen für die Krankenpflegesind die stärksten Hindernisse.Selbst die Pflege "platzsparender" krankerKinder stößt wegen der viel zu knapp bemessenenWohnfläche der Familie auf unüberwindbareSchwierigkeiten. Eltern und Geschwisterder Kranken verlagern ihr Tagesdasein aufTerritorien außerhalb des ihnen zugewiesenenRaumes, um dem erkrankten Kind Ruhe undSchlafphasen zu ermöglichen. Zwangslä.u.f..ig.trifft sich aber die Familie in den Nachtstundenwieder im Raum. Die nicht ausbleibendenStreßsituationen ü ren zu Sc afstörungen alerBetroffenen, .c e e ag ress·-vem Verhalten untereinander."Innenausstattung" der ZAST Karlsruhe. FürKrankenpflege denkbar ungeeignet.


Seite 42Sanitäre Mißstände - Ursacheepidi m ischer Ausbrei tunginfektiöser KrankheitenNeben den äußerst beengten Wohnverhältnissenstellen die völlig unzureichenden hygienischenBegebenheiten im Lager krankheitsauslösendeoder -begünstigende Faktoren dar.Zwangsläufig anfallender Abfall, Schmutz undEssensreste werden nicht korrekt entsorgt. Inden spärlich möblierten Zimmern können Kleidung,Gebrauchsgegenstände, sowie Nahrungs-. und Körperpflegemittel nur aufs Engste deponiertwerden. In Zimmern mit vorhandenenWaschmöglichkeiten erfolgt Nahrungszubereitungund Körperpflege mehrerer Menschen oftgleichzeitig.Die zentralen Sanitäranlagen sind quantitativmeist unterdimensioniert. Durch die Vielzahlihrer Benutzer treten Defekte auf, derenBehebung oft über Gebühr lange dauert:Waschbecken verstopfen, Toiletten laufenüber, Duschen führen nur kaltes oder heißesWasser. Um als Fremder in einer Sammelunterkunftdie Toiletten zu finden, braucht ersich nur auf seinen Geruchssinn zu verlassen.In den sanitären Mißständen liegen wohl auchdie Hau tursachen der eidemischen Ausbreitunginfektiöser Darm- und Lebererkrankungen.Am a älliKleinkinder und va llem Säuglinge. Die Häufigkeitauftretender Durchfal erkrankungenführen im Verbund mit Fehlernährung undnicht zu gewährleistender Pflege zu erhöhterAnfälligkeit für andere Krankheiten wie Infek- -tionen der Atemwege und der Haut. Auf längereSicht kann es sogar zur körperlichen undgeistigen Mangelentwicklung der Kinder kommen.Mehrmalige Krankenhausaufenthalte imersten Lebensjahr sind daher an der Tagesordnung.Besonders beschämend sind die baulichenMängel in den Unterkünften. Auch sie habengravierende Folgen auf Wohlbefinden und Gesundheitder Bewohner. Feuchte Wände m'tSchimmelbildung, sogar Ungeziefer, fehlendeög JC eit der Temperaturregulierung in denRäumen und Pilzbefall in unzureichend gepflegtenDusch- und Waschräumen stellen keineBesonderheiten dar. Hier liegen die Brutstättenfür Infektionen der Luftwege sowiebakterieller und mykotischer Hauterkrankungen.Entsprechend dimensionierte und eingerichteteRäumlichkeiten für S ie - d.Sporraknvitätender Kinder aber auch Spielplätze außera der Unter ünfte sind noch immer nichtdie Norm. Abgesehen von geistiger Immobilitätprovoziert dieser Mangel auf lange Zeitauch motorische Inaktivität mit den Folgenstatischer Fehlentwicklung des Skelettsystems.Sanitäranlagenin der ZAST Karlsruhe.


Seite 43Selbst strenge Sicherheitsvorschriften , fürGebäude, in denen sich eine Vielzahl von Menschenaufhalten wie Hotels, Krankenhäuser,Schulen etc. werden oft mit Wissen und stillerDuldung der Behörden nicht eingehalten. Feuerlöschersind unzureichend vorhanden, auchschon mal funktionsunfähig. Fluchtwege beiBränden unzureichend und Telefonkontaktesehr erschwert. In Berlin drohte die für Unterbringungzuständige Sozialstadträtin einesBerliner Bezirkes mit sofortiger Schließungeines Sammellagers für mehr als 1000 Personen,falls die zuständige Baubehörde, nachFestsetzung einer gerichtlich verfügten Frist,nicht endlich Brandschutztüren und -wände anwichtigen Stellen des Gebäudes installierenwürde. Dem vorausgegangen war ein Kompetenzstreitverschiedener Behörden, der längerals ein halbes Jahr dauerte.und nicht etwa Ausdruck von Undankbarkeit.Daß in Lagern mit Sammelverpflegung auchGeld an der Not der Menschen verdient wird,steht auf einem anderen Blatt. Die Grenzenzur Kriminalität wurden dann erreicht, wennverdo e e....L.ehens,!n,j,tte,LmitllheLS,du:.ittelJeJlloder sogar . efälschtem Verfallsdatumarige--Mangelernährung durchGemeinschaftsverpflegungDaß man noch immer nicht in den roßdisionierten amme unterkünften die Voraussetzunen für eigene Nahrungsmittelbeschaffungun -zu ereltung ermöglic t nat .ste t 0eine gezie te erwei erung eines der stärkstene üdnisse de sc e dar. Dies kommtverordnetem Hunger bedenklich nahe und istbesonders verwerflich. Nicht die Einsicht derVerantwortlichen in die Notwendigkeit, sonderndas kollektive Aufbegehren der Flüchtlingebis hin zum Hungerstreik, die Solidaritätdeutscher Flüchtlingsinitiativen und der permanenteProtest von Kirchen und Wohlfahrtsverbandenerzwang in Berlin die Selbstverpflegungder Asylbewerber in allen Sammelunterkünftenbis auf das einzige Sarnmellager fürNeuankömmlinge.Nicht nur bei Kindern kommt es, vor allem inUnterkünften mit Sammelverpflegung (Großküchenessenauf qualitativ niedrigem Niveau),auch zu Fehl- und Mangelernährung.Es ist wohlfür jedermann nachvollziehbar, daß man aufDauer das nicht mehr ißt, was einem nichtschmeckt oder sogar zuwider ist. Kalorischausgewogene und nach ernährungswissenschaftlichenErkenntnissen zubereitete Nahrunganzubieten, ohne auf gravierende, vor allemethnisch bedingte GeschmacksunterschiedeRücksicht zu nehmen, führte in Berlin dazu,daß Flüchtlinge ihr äußerst knapp bemessenesTaschengeld nur für für sie genießbare Nahrungausgaben, Tauschgeschäfte mit Lebensmitteltätigten oder sogar bettelten. So beschämenddiese Vorgänge waren, waren sie,docli auch Zeichen des Überlebenstrainings"Die Rückkehrwilligkeit der Asylbewerber istmit allen Mitteln zu fördern und zu steigern."liefert wurden. Der Tatbestand der Körperverletzungwäre wohl spätestens dann erfüllt gewesen,wäre es dadurch zu Lebensmittelvergiftungengekommen. In Berlin brachte man e~ ,kurz nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl~ar fertig, statt wie bisher üblich H-Milchund Konservengemüse, nun hoch-radioaktivverseuchte' frisc e ' C I und Frischgh!llÜS~~anzubieten, was sonst nicht absetzbar gewesenwä e,In den meisten mir bekannten SammelunterkünftenBerlins stellte bis zum Zeitpunkt derEigenversorgung der Flüchtlinge die Durch-'führung einer "rztlich verordneten Diät dieBeteiligten vor unüberwin are c wierig eiten.Für etliche Sto f echset- und andere'Krankheiten ist eine sgez' ische Diät una -ain arer Bestandteil der Thera[2ie. Diabetesmellitus, Ma en- und Darmkrankheiten sowielere - nd Blutho d ckerksankungen kJ.men bei tls.yjs'uchettd bäuflg~r-v.Q a4-s-i,m,Durchschnitt de.r de cb,en_ße.v.öl.k~(}t:-uf.lgre-Nicht nur, daß die, im Lager bestehenden Lebensbedingungenunter Umständen auslösendfür die Mehrzahl dieser Krankheiten sind, derSozialhilfeträger also Mitverursacher ist" verweigerteben dieser immer noch häufig dieTherapie. Entweder wird die finanzielle Mehrbelastungeiner Diät abgelehnt, oder es bestehenüberhaupt keine Voraussetzungen derDiätzubereitung. In Sammellagern mit kompletterVollverpflegung ist dies von vornherein


Seite 44unmöglich. Dadurch sind schon Blutzuckerkrankein lebensgefährliche Krisen geraten.Mehr Fehl- und Frühgeburtenbei AsylsuchendenSpielende Kinder in der ZAST Karlsruhe.Die vielfältigen Restriktionen, die unsereGesellschaft für Asylsuchende bereithält,stellen Schwangere zunehmend vor die Frage,ob sie überhaupt noch ihre Schwangerschaftaustragen sollten.Das Versagen der Beratungsstellenist vorprogrammiert, da sie keinerleiEinfluß auf die Lebenssituation und der Lebensplanungder Schwangeren nehmen können,und die fragwürdigen Hilfsprogramme wie"Stiftung für Mutter und Kind" greifen erstrecht nicht, da finanzielle Hilfen den Asylsuchendennur selten und völlig unzureichend gewährtwerden. Entsprechende Hinweise durchHeimleitung und Arzte bleiben fast immer aus.Über die Häufigkeit von AIDS-, GonorrhoeundSyphiliserkrankungen liegen mir keine Informationenvor. Die betreuenden Dienste inden Sammelunterkünften stehen jedoch vorden P üble n der erwerbsmäßi en Prostitutionas lsuchender Frauen, auch junger Manner,un damit aucn erpotentiefIen Ge a rer Übertragung derartiger Krankheiten innerhalbder Unterkünfte. Die kostenlose Ausgabevon Kondomen an Asylsuchende im Sinneeiner Krankheitsprophylaxe ist jedoch nochimmer Utopie.


Seite 45ttPsychosomatische Störungen alsFolge des LagerlebensNicht nur unter den in der klassischen Medizinals somatisch begriffenen Krankheiten wird inden Unterkünften gelitten, viel mehr noch unterden vielfachen psychischen Störungen, dieauch Krankheitscharakter annehmen können.Schon unter den Ursachen, die zur Flucht führtenund den Bedingungen, unter denen sie erfolgte,finden sich viele traumatisierende Faktoren.Ichnenne nur die existentielle Angst vorVerfolgung, . den Verlust des Lebensmittelpunktes,die aufgegebenen Lebensziele und dieIdentitätsbrüche durch Haft und Folter. Siesind schwelende Wunden, mit denen Asylsuchendezu uns kommen.1!.esondere Zuwendung und Verständnis, Hi -festellun _ bis hin Zu s chotherage t' s h n. aßnah _ e u e'e Um _ebunK. die derartverletzte Menschen Zonen der, Ruhe gönnt,wären unabding ar. Statt essen geraten sienach i rer An l;Int In einen Teu eIs reis, aerneue Angste sc äfft und zu einer Potenzierun '.der Verunsic erung fü rt. Seine S t" .ßen Arbeitsyex ot, Ausb' du gS'lerbot,verbot Verbot der Familienzusam en ü -rung, Verbot olitisc er Betätigung, zuneh-,mend ri i e s Igewährun~ ze' li nichtü ersc au are Duldun .uncLdrobeudf hscie-.1!!lg..Erlebt und erlitten wird das alles in der Isolationder Sammelunterkünfte. Die über einennicht bestimmbaren Zeitraum zu ertragendeSituation im Lager führt sehr schnell und fastausnahmslos zum lähmenden Gefühl des Ausgeliefertseins.Der nach Art eines Gnadenerlasseszugestandene Lebensraum geht mit demVerlust eigenbestimmter Freiräume und Hand-Ilungsmöglichkeiten einher. Der kommunikativeMensch, aktiv und phantasiebegabt - sonsthätte er wohl auch nicht seine Flucht vorbereitenund durchführen können - durchläuft unterdem Einfluß äußerster Reglementierung seinesLebens-im Lager zwar noch.Phasen des Aufbegehrens,aber nach mehreren Monaten zeigtdie einsetzende Frustration über .die Vergeblichkeitaktiven Einwirkens auf tagerleitung,Betreuungspersonal und Behörden Wirkung.Der Wunsch nach Kommunikation läßt nach,Kontakte zu Mitmenschen verflachen, und etlichebegeben sich in eine selbst gewählte Isolation.Selbst die Suche nach "Sündenböcken"wird aufgegeben, nur noch Familie, persönlicherBesitz und das zugewiesene privatissimumwie Bett, Schrank und Stuhl werden verteidigt.Eine' depressive Grundstimmungmacht sich breit, die in ihrer extremen Aus-"Die Situation im Lager führt zum lähmendenGefühl des Ausgeliefertseins .."wirkung in suizidalen Handlungen endet .Innerhalb dieser phasenhaften Entwicklungkommt es zu einem Komplex psychosomatischerStörungen. Abgesehen von schwerenSchlafstörungen gehen funktionelle Magenbeschwerdenund Appetitlosigkeit bei vielenMännern mitsteigendem Kaffee- und Zigarettenkonsumeinher. Es kommt zur Fehlernährungund Untergewichtigkeit. Suchen sie beiintensiver Symptomatik Arzte auf, mündet dieTherapie - nach meist überflüssiger apparativerGroßdiagnostik- in kurzfristigen Verabreichungenlindernder Medikamente.Aber auch Symptome, die durch schwere bedrohlicheorganische Erkrankungen hervorge-'rufen werden können, werden immer wiederbeobachtet. Der häufige Dauerkopfschmerzbei Asylsuchenden muß zwangsläufig nach vielenRichtungen abgeklärt werden. Stenokardien(Herzschrnerzen) können nicht nur funktionell,sondern auch organisch bedingt sein;ebenso die häufigen pathologischen Veränderungender Blutdruckverhältnisse. Ohne l)ntersuchungenMenstruationsanomalien als primärpsychosomatisch zu erklären, wäre einKunstfehler. Eigene Erfahrungen und diejenigenvieler Kollegen bestätigen in hohem Maß,wie selten jedoch diese Symptome Ausdruck


Seite 46Wenn die Versuche, über direktes Handeln Veränderungender Lebensverhältnisse zu erreichenscheitern, aktives Mitwirken im Asylverfahrenauch nicht mehr möglich ist, Kontakte- vielleicht sogar Freundschaften - zu Mitbewohnernoder sogar Deutschen ausbleiben undkeine Möglichkeiten der Zukunftsgestaltungmehr gesehen werden, beginnt für vieleFlüchtlinge die psychische Krise.Sie wird zuerst in larvierten, später in ausgeprägtenDepressionen sichtbar. Die Hoffnungslosigkeitführt nicht zuletzt zum Verlustder Fähigkeit, sich überhaupt noch aktiv in Beziehungenzu Menschen und Situationen zu setzen.Neben Teilnahmslosigkeit, Inaktivität(auch körperlicher) bis hin zu stuporösen Zuständenwird auch die Flucht in Drogen, vor allern,Alkohol, beobachtet. Auch hier befindetsich die Medizin in handlungsunfähiger Position.Kurzfristige Maßnahmen, z.B. Leberentgiftungbei alkoholtoxischen Leberveränderungensind noch möglich, Entwöhnung in psychotherapeutischerBegleitung bei gleichzeitigerVeränderung der Lebensbedingungen jedochnicht. .Vor dem gleichen Dilemma steht man beihochgradig aggressiven Aslysuchenden, die eineGefahr für sich selber und ihre Umgebungdarstellen. Es bieten sich nur Handlungsmöglichkeitenim Sinne einer Disziplinierung (z.B.Taschengeldkürzung bis zu 50 %) oder Verlegungin eine andere Sammelunterkunft an.Am eklatantesten sind Beispiele selbstmordgefährdeterPersonen. Kommt es zu Suizidversuchen,erfolgt so gut wie immer die Psychiatrisierung.Diese läuft meist nur auf Verwahrungund medikamentöse Ruhigstellung hinaus.Die Durchführung therapeutischer Konzepteversagt aufgrund vielfältigster Erschwernisse.Meist gelingt es den Psychiatern nicht, dasvielfältige Geflecht der auslösenden Ursachenzu entwirren. So kommt es immer wieder vor,daß Personen mehrmals hintereinander suizidaleHandlungen begehen.ForderungenDepressionen und zwangsweisePsychia trisi erungZum Abschluß meiner Ausführungen möchteich meine Forderungen nicht selber artikulieren.Ich zitiere stattdessen aus der Stellungnahmedes Deutschen Roten Kreuzes bei derAnhörung vor dem Innenausschuß des DeutschenBundestags vom 17.°3.1986, die anlaßliehdes am 20.02.1989 erneut durchgeführtenHearings mit der Bemerkung wiederholt wurde,daß sie leider unverändert gültig ist, weildie Auswirkungen inzwischen zum Teil erschreckendeAusmaße angenommen haben:"Die bisher bestehenden flankierenden Maßnahmenwährend des Anerkennungsverfahrenshaben insgesamt zu schwerwiegenden persönlichenBeschränkungen für die Asylsuchendenund ihre Familien geführt. Nach den Erfahrungenaller Wohlfahrtsverbände zeichnen sichjetzt schon (986) soziale und psychischeLangzei tschäden ab."Und aktuell: "Eindeutige Vorteile bei derjetzigen Unterbringungsform bestehen aus derSicht des DRK-Landesverbandes Berlin nurhinsichtlich des Angebots von Sprachunterricht... in allen anderen Bereichen überwiegendie Nachteile erheblich und sind auchdurch große Anstrengungen des Verbandes imideellen, personellen und finanziellen Bereichnur ansatzweise auszugleichen. 11Weitere Stellungnahmen vor dem Innenausschußam 20.02.1989: Deutscher ParitätischerWohlfahrtsverband: "Die zwangsweise Unterbringungin Sammelunterkünften für die Dauerdes Asylverfahrens lehnt der DPWF ab. Gemeinschaftsunterkünftesind für einen begrenztenZeitraum von sechs Monaten akzeptabel.Insbesondere sind Familien grundsätzlichin Wohnungen unterzubringen. Unzurnutbarist auch eine Unterbringung von Frauen inmehrheitlich von Männern bewohnten Gemein-


Seite 47schaftsunterkünften." Und nach terre deshommes verletzt der zwangsweise Aufenthaltin Sammelunterkünften die Menschenwürde.Wenn die katholischen Bischöfeirn gleichenHearing erwarten, "daß die Ärzteschaft derÖffentlichkeit und der Politik ihre Erfahrungenmit Flüchtlingen vermehrt offenlegt",dann bin ich hiermit dieser Erwartung nachgekommen,nicht nur der Bischöfe, vor allem derFlüchtlinge wegen.Eberhard Vorbrodt ist niedergelassenerFrauenarzt in Berlin und arbeitet seit Jahrenim Berliner Flüchtlingsrat und der ÄrztegruppeAsyl. Er ist Mitherausgeber derBroschüre der Ärztegruppe Asyl: "Abschreckenstatt Heilen". Das vorliegendeReferat hat er am 18. März 1989 beim"Hearing gegen Sammellager und ZAST-Neubau" in Karlsruhe gehalten.WeiterführendeLiteratur:T=Kr itische Lebensereignisse. (Hg.)S. H. Filipp. Urban u. Schwarzenberg,München/Wien/Baltimore 1981- Ein Jahr Abschreckungslager -Thiepval-Kaserne Tübingen. Baumgarten,Körner, Weiler. Tübingen.Schwäbische Verlagsgesellschaft1982- Lager und menschliche Würde. Diepsychische und rechtliche Situationder Asylsuchenden .irn SammellagerTübingen (Hg.) ~laudius Hennig;Siegfried Wießer. Tübingen. AS-Verlag1982- Asylbewerber: Asylverfahren. Unterbringung,Versorgung und Betreuungder Asylbewerber in den Städten.Ergebnis der Sitzung des Hauptausschussesdes Deutschen Städtetagesam 9. Juni 1982 in München.Köln: 1982- Asyl bei den Deutschen. Beiträge,zu einem gefährdeten Grundrecht.(Hg.) Herbert Spaich. Reinbek beiI-Iamburg: Rowohlt 1982- Abgelehnt, Ausgewiesen, Ausgeliefert.Dokumentation zum Hearingüber die soziale und rechtliche Situationder Asylbewerber in West-Berlin. Gesellschaft für bedrohteVölker. Reihe "Pogrom", Göttingen1984Krisenintervention. Strategienpsychosozialer Hilfen. Naomi Golan.Lambertus-Verlag Freiburg 1983- Asyl. Anspruch und Beratung. (Hg.)Hermann Uihlein: Thomas Reuther.Lambertus-Verlag Freiburg 1985- Asyl konkret. Lageralltag als kritischesLebensereignis. Richard Wipfler.Express Edition Berlin 1986- Kein Asyl bei den Deutschen. Anschlagauf ein Grundrecht. (Hg.) HeikoKaufmann. Reinbek bei HamburgRowohlt 1986'- Abschrecken statt Heilen. Zur medizinischenVersorgung von Asylsuchenden(Hg.) i\rztegruppe Asyl Berlin.Gesundheitsladen. Gneisenaustr.'2, Berlin 61- Leiden in der Fremde. Zur psychosozialenSituation ausländischerFamilien. 1986 (Hg.) Arbeitskreispsychosozialer Situation auslandi-scher Familien, Deutscher Paritäti- beit. 1984scher Wohlfahrtsverband, Landes- - Die eingeschränkte rechtliche undverband ßerlin e. V. Paritätisches soziale Stellung der Asylbewerber inBildungswerk, Landesverband Berlin der BRD. Uwe Fischer, Hanneloree.V. Irrgang. Fachhochschule Bielefeld,,Ausgrenzungsmechanismen als Fachbereich Sozialwesen. 1984MIttel der Herrschaftssicherung - _ Caritasverband für die Erzdiözesea,m Beispiel hiesiger Ausländerpoli- Freiburg. Sozialarbeit mit Asylbetik, Ute Osterkamp, 1987. Forum b S d h ft 8Kritische Psychologie 19. wer, ern., on er e 1~ 4·,_ Die Asylpolitik in der Bundesrepu- ,J4- Migration und psy~hlsche GesundblikDeutschland unter besonderer heit, Zur psychosoz ialen Lage vonBerücksichtigung des "Asylmiß- Migranten in der Bundesrepl,lblik,brauchs". Astrid Bröker, Jens Rau- Deutschland. Fachtagung der Arbeitenbcrg.Express Edition Berlin terwohlfahrt ,Bundesverband e. V., und der Gesellschaft für Soziale Psy-Berichte/Monographien': chiatrie e.V., 1985 in Bonn.- Deutscher Caritasverband. Fragen - Das Deutsche Rote Kreuz - AbteidesAsylrechts und der Asylbe treu- lung Flüchtlingswesen, Asylbewerungunter Berücksichtigung der ber in Berlin (West) ötv-Betr iebs-Asylbewerber aus dem nichteuropäi- gruppe im DRK LV Berlin - SondersehenAusland. Protokoll der Asylta- nummer. (Hg.) Gewerkschaft ÖTVgung1977 in Freiburg. Bezirksverwaltung Berlin 1986Psychosoziale Situation der - Deutsches Rotes Kreuz, Landes-Flüchtlinge in der Bundesrepublik verband Berlin. Beratung ausländi-Deutschland - ihre Probleme und scher Flüchtlinge. Bericht 1987 -i\ngste. Landesarbeitsgemeinschaft Was Flüchtlinge krank macht ...ausländischer Flüchtlinge, Nord- Annette Windgasse. Psychosozialesrhe in- Westfalen in Düsseldorf e. V., Zentrum für Flüchtlinge in Düssel-4000 Düsseldorf I, Kronprinzenstr. dorf. 1987 '62. . - Psychische Belastungen von Mitar---:Krankwerden im Exil. Aus der Ar- beitern in der Betreuungsarbeit mitbeit des psychosozialen Zentrums Flüchtlingen. Ein Beitrag zum DiafürFlüchtlinge. B. Calmund, C.Cor- log zwischen Mitarbeitern undvalan, G. Corvalan, J.c. Diallo. 6 Flüchtlingen. Richard Braun. Kon-Frankfurt am Main, Hinter den UI- tak t- und Beratungsstelle fürmen 15. Flüchtlinge, DRK Landesverband- Medizinische und psychologische Berlin.Aspekte der Behandlung von Folter- - 2 Jahre Wohnungsprojekt füropfern. Bericht über das Seminar des Flüchtlinge. DiakonischesWerk Ber-Arbeitskreises Medizin - Psycholo- lin e. V. Regiestelle Flüchtlingshilfe.gie im Alber tus-Magnus-Kolleg, Kö- 1989nigsstein/Taunus vom 9.3. bis .rI·3.1984, amnesty international, SektionderBundesrepublik Deutschland.- Deutscher Caritasverband. Le-'benshilfe für Asylbewerber. Protokolleiner Informationstagung 1984in Königsstein.- Zur Problematik von Gemeinschaftsunterkünftenfür Asylbewerberin der Bundesrepublik Deutschland.Günter Hassink. FachhochschuleFulda, Fachbereich Soz ialar-Zei tschri ften:- Asyl. Nach der Flucht ins Lager,Asyl Nr.3. (Hg.) Hamburger ArbeitskreisAsyl e.V., Hamburg 1983.- Flüchtlingsforum. Ein DRK-Magazin von Flüchtlingen in der BundesrepublikDeutschland'. (Hg.) DeutschesRotes Kreuz Generalsekretariat,Bonn.- ID Asyl. (Hg.) Günter Haverkamp,Worringerstr. 70, 4000 Düsseldorf I


DokumentiertInterview mit Flüchtlingen über Abschiebungenund Lebensbedingungenin der ZASTv um I 9. Au g ust I 98 8Am 19.08.88 hat der FlüchtlingsratKarlsruhe mit Flüchtlingen aus derZAST (Zentrale AnlaufsteIle für Asylbewerber)das folgende Gespräch ge-Iühr t.in dem die Flüchtlinge ihre Eindrückewiedergeben.Alle Flüchtlinge, die nach Baden-Württemberg kommen, werden in derZAST vor der Weiterverteilung erfaßt:die Asylanträge werden entgegengenommen,die Flüchtlinge erkennungsdienstlichbehandelt. Die Folge-" antragsteller aus Baden- Württemberg(ihre Erstanträge wurden bereits abgelehnt)werden hier konzentriert.Insgesamt leben in der ZAST ca. 840Flüchtlinge, die Erstantragstellerverbringen durchschnittlich IO Wochenhier, die Folgeantragsteller sogar4,1 Monate. Ihr Verfahren endethäufig mit Abschiebung. Abschiebungensind rechtlich zulässig, wenn derAsylantrag als unbeachtlich entschiedenist, eine Ausreiseaufforderung ergangenund die gewährte Frist abgelaufenist bzw. wenn das Asylverfahrenund die eingelegten Rechtsmittelendgültig negativ entschieden sind.Folgeantragstellern machen sie einfachdie Abschiebung. Aber viele Leutesind zur Polizeibehörde weggegangen,und dann sind sie verschwunden."Die kommen einfach nachtsins Zimmer"FR: Wir haben gehört, daß auchnachts Abschiebungen stattgefundenhaben. Habt Ihr da von etwas mitbekommen,daß nachts die Polizei insLager gekommen ist?A.: Ja das ist schon häufig vorgekommen,z.B. bei einem Bangla Deschi, siehaben es bei ihm fast jeden Abend versucht.Z.T. versuchen sie es zwei-,dreimal die Woche. Z.B. haben LeuteAngst und schlafen deshalb in einemanderen Zimmer. Wenn sie dann sehen,daß er in seinem Zimmer nichtist, dann durchsuchen sie jedes Zimmer,nachts um zwei oder drei Uhr, zujeder Zeit.FR: Haben sie;':den Bangla Deschi gefundenund abgeschoben?A.: Ja gefunden und einfach abgeschoben,letzte oder vorletzte Woche.FR: Die Polizei kommt dann ins Lagerund durchsucht jedes Zimmer? Diekommen dann einfach nachts ins Zirnmerrein und sagen "Melden, wer istda"? MUßt ihr dann die Ausweise zeigen?"Die Leute gehen zur Polizeiund sind dann einfach weg"FR: Sprechen wir zuerst über die Abschiebungen.Könnt ihr erzählen, wasihr darüber mitgekriegt habt, wie dieAbschiebungen ablaufen, in welchemUmfang ~ die Fälle, die ihr mitbekommenhabt?A.: Ich weiß nichts Genaues, aber dieAbschiebungen laufen immer so mittags,daß man für die Sprechstunde einLadungspapier zur Polizeibehörde bekommt.Die Leute gehen zur Polizeibehörde,und sind dann einfach weg,verschwinden. Ich glaube aber, es gibtein Gesetz, daß wenn jemand abgeschobenwerden soll, muß er eine oderzwei Wochen vorher informiert werden.Aber jetzt wird niemandem vorherBescheid gesagt, sie kommen ein-Iach so weg. Viele Leute von BanglaDesch, von Pakistan sind so einfachverschwunden.FR: Mit welcher Begründung wurdendie Leute auf die Ausländerbehördebestellt?A.: Ich weiß nicht, aus welchemGrund sie bestellt wurden. Mit den I. Mai 1989: <strong>Aktion</strong> des Flüchtlingsrats Karlsruhe gegen Abschiebungen.\


Seite 49A.: Ja, die Ausweise muß man zeigen.enn jemand Abschiebung hat, istsein Name bei der Polizei. Sie sagendann seinen Namen oder einfach "Ausweiskontrolle"nachts um 3 oder 4Uhr, wann sie wollen.FR: Seit wann istdas so?A.: Schon die ganze Zeit bei Leutenaus Bangla Deseh, Indien und Pakistan.FR: Zu wievielen kommt die Polizei?A.: Zwei oder drei.FR: Wißt ihr wo sie hingebracht werden?A.: Nein, wahrscheinlich gleich insFlugzeug in Frankfurt. Für BanglaDesch und Pakistan nehmen sie glaubeich Frankfurt.FR: Wird Gewalt angewandt?A.: Nein, sie nehmen sie so mit in ihrAuto. Manchmal lassen sie sie nochdie Tasche packen, manchmal nicht.FR: Wißt Ihr, wieviele Leute in derletzten Zeit abgeschoben worden.sind?B.: Ich selber habe vor drei Monatendie Abschiebung eines Mädchens ausGhana mitbekommen. Sie ist zur Ausländerbehördegegangen, um ihre Duldungzu verlangen, und plötzlich habensie sie mitgenommen. Der zweiteFall, den ich mitbekommen habe, warauch ein Mann aus Ghana. Er ging ausdem gleichen Grund zur Ausländerpolizeiund kam nicht zurück. Dann habeich noch den Fall einer Zigeuner-Familieaus Jugoslawien mitbekommen,das war vor zwei Monaten, außerdem'habe ich die Abschiebung von zweiTürken gesehen. In den letzten dreiMonaten haben sie ca. 15-20 Leuteabgeschoben. Es kann sein, daß siemehr abgeschoben haben, das ist nur'das, was ich mitbekommen habe.FR: Sie haben also Sinti bzw. Roma,Türken und Leute aus Ghana abgeschoben.B.: Und Pakistani und Inder. Ich habeauch einen Mann aus Senegal gesehen.Er war erst neu ins Lager gekommenund sollte gleich woandershin verlegtwerden. Er ist deshalb' zum Bus gekommenund wollte einsteigen. Dawaren die Polizisten und haben ihn sofortgenommen. Ich habe ihn seithernicht gesehen."Viele von uns sind jetztverrückt"FR: Wißt ihr, ob es Widerstand oderAuseinandersetzungen gibt, wenn diePolizei nachts kommt?B.: Nein, niemand kann etwas sagen,die Polizisten kommen und sagen"Okay, wie ist dein Name, Ausweis,komm mit!" - Es gibt sehr viele Probleme,weil sie sagen, wir müssenrausgehen, das ist okay, aber dannkann man das auch nicht tun, weil esein europäisches Gesetz gibt, dassagt, wenn man hier einen Asylantraggemacht hat, kann man keinen mehr 'in"Viele von uns sind jetzt verrückt".Frankreich stellen oder in Österreich,und dann muß man immer hier kämpfen,und wenn jemand nicht zurückkann in sein Land, was kann er dannmachen? Dann muß er warten, daß diePolizisten kommen, sie schicken ihnnach Hause, und dann zu Hause, waspassiert mit ihm? Niemand weiß. Ichglaube, ich bin niemand, der sagt, ichhabe Angst, aber manchmal, ich warteauch, ich weiß nicht, was passiert beimir. Wenn die Polizisten kommen, ichweiß, ich kann nichts machen. Wirmöchten nur kämpfen, daß wir hierbleiben können. Jetzt haben wir auchviel Zeit hier verloren und man kanndiese Zeit nicht mehr wieder holen.Man kann nicht mehr nach Schweden,man kann nicht in Österreich einenAsylantrag machen oder in Holland,das geht alles nicht, es geht nur hier inDeutschland. Und die Leute, die richtigProbleme haben, die können auchnicht zurückgehen. Was machen dieDeutschen mit diesen Leuten? Sie sindhier seit langem. Ich habe Leute gesehen,die sind hier in Deutschland seit 9Jahren, und jetzt sind sie im Lager alsFolgeantragsteller , und diese Leutehaben keine Zunkunft. Ich kenne z.B.die Leute, die mit mir hier waren, alsich hierhergekommen bin, und vielevon uns sind jetzt verrückt, einfachso, langsam sind die Leute verrücktgeworden, man kann nicht sagen, siesind verrückt, aber man kann sehen,sie sind verrückt, deli,A.: Ich kenne 3 Leute, die waren vorhernormal, und jetzt sind sie verrückt.Ich habe einen aus meiner Geburtsstadtim Lager kennengelernt, dawar er ganz normal, aber jetzt, wennman mit ihm spricht, merkt man sofort,er ist ein bißehen verrückt, abervorher war er ein ganz normalerMensch. Er hat Kinder zuhause und dieStreßsituation im Lager, und er mußimmer denken, denken ... Er war vorherganz normal, ein Mensch, undjetzt ist es ganz schlimm, ganzschlimm. -B.: Ich habe auch 4 oder 5 Freunde,z.B. einen aus Tunesien, er war sehrnormal und nach einem Jahr total verrückt.Einer aus Athiopien, er ist hierhergekommen als normaler Menschund jetzt ganz verrückt. Sie waschenihre Kleidung nicht mehr, schneidensich die Haare nicht, und man kannnichts mehr mit ihnen reden, sie sind, ganz depressiv.rlch kenne auch jemandenaus Gambia, er war hier sehr normal,dann ging er nach Stuttgart, vonStuttgart wurde er abgelehnt, unddann wußte er nicht, was er machenkann, einfach so ist er verrückt. Ermacht seine Haare rot und blau wiedie Punks, man kann nichts mit ihmreden.A.: Ich kenne einen Iraner. Zuerst warer normal. Dann hab ich gehört, daß erzurück in den Iran wi 11, weil er nichtmehr normal ist. Heute sagt er so,morgen so. Dann sagt die Sozialbetreuung"Okay, du kannst gehen",morgen, wenn seine Papiere alle klarsind, dann will er nicht gehen. Er istganz unruhig, früher war er sehr ruhig.B.: Ich habe Angst, weil, wenn das beimir passiert, weiß ich nicht, was ichdann fühlen werde. Ich bin sicher,wenn das bei mir passiert, ich weißnicht, was ich machen kann, ich kanneine Depression haben und er auch,das kann man nicht wissen, aber wenndas kommt - diese Personen waren


Seite 50IIIrnormal, und wenn er weiß, er muß gehen,und er kann nicht in sein Land zurückgehen,einfach so kann er verrückt werden.FR: Wie lange sind die Leute, von denenIhr berichtet habt, ungefähr imLager?B.: Das ist verschieden, ich bin jetztseit fast 6 Monaten hier.A.: Ich bin 3 Monate hier, ich kenneeinen, der ein bißchen krank ist, er istauch schon zweieinhalb Monate hier."Sie haben zwei Tage keineEs se nsk ar t e bekom men"FR: Wie werdet Ihr im Lager versorgt?A.: Vor einigen Tagen ist ein jungesarmenisches Ehepaar aus dem Iran insLager gekommen. Sie haben zwei Tagekeine Essenskarte bekommen,Schlafzimmer haben sie ihnen gegeben,aber keine Essenskarte. Sie habenkein Geld, gestern hat er mir seinenEhering gebracht. Er hat mich gefragt"Wo kann ich ihn verkaufen? Ich willmeinen Vater anrufen, aber es gehtnicht." Er will seinen Ring verkaufen.B.: Es gibt auch andere Probleme,z.ß. wegen alten Leuten, es gibt Leute,die sind über 70 Jahre oder 80 Jahre.Sie müssen immer in den Speisesaalkommen zum Essen, und sie habenKinder. Die Kinder können nicht dasEssen für ihre Eltern holen. Sie sindaber sehr alt und können oft nicht gutlaufen, aber sie müssen kommen. Esgibt eine alte Frau aus Jugoslawien,sie ist vielleicht über 70 Jahre alt, undsie muß immer in den Speisesaal kornmen.Vorzwei Monaten war da eineFamilie aus dem Iran oder der Türkei,die Mutter war sehr alt, aber sie mußteimmer in den Speisesaal kommen,sie konnte ganz schlecht laufen. IhreTochter wollte einmal das Essen holenund der Frau auf's Zimmer bringen,aber der Chef hat gesagt: "Nein, dasgeht nicht, sie muß hierher kommenzum Essen." Das ist schlimm für diealten Leute.A.: Letzte Woche ha t ein Bekannter,der in' der Teestube arbeitet, folgendeserzählt: Er ist essen gegangen undwollte das Essen für einen Freund mitnehmen.Er hat gesagt: "Er ist meinFreund, er arbeitet in der Teestube,sie können ihn rufen, ich will sein Essenfür ihn mitnehmen." Da hieß es"Nein, es geht nicht, er muß selbe.rkommen".C.: Man kann nur ein Essen bekommen,wenn man mit der Essensmarkeauch seinen Ausweis zeigt. Wer keinenAusweis' hat, bekommt auch kein Essen.Es gibt viele Familien, und wennder Mann oder die Frau kommt und fürdie Kinder das Essen holen will, dannwollen sie den Ausweis der Kindersehen, sonst geben sie es nicht raus."Wer mittags nicht da ist,bekommt kein Abendessen"FR: Wir haben gehört, daß es nochandere Probleme mit dem Essen gibt.Stimmt es, daß 'man erst ab 13 UhrNachschlag bekommen kann, obwohlschon ab 11.3° Essen ausgegebenwird? .B.: Ja, das stimmt. Das Essen ist sehrwenig für die Leute. Z.B. heute gab es4 oder 5 Kartoffeln mit Buttermilchund eine kleine Suppe, das war alles.Und als Abendessen gab es 3 StückBrot, eine Tomate und Butter und etwasWurst. Das gibt es immer, das istjeden Tag das Abendessen. Ab ein Uhrmittags muß man sich das Abendessenholen, und wenn jemand Hunger hat,kann er das gleich alles essen undkriegt abends nichts mehr zu essen.FR: Um ein Uhr wird das gleich ausgegeben?B.: Ja,ja, wir essen am Abend immerkalt. Brot, Butter, manchmal ein <strong>kleines</strong>Stück Käse, das ist alles. Um einsMit einer Essensboykottaktion protestieren Flüchtlinge am 18.02.89 in derZAST Karlsruhe gegen das schlechte Essen, die unerträglichen hygienischenBedingungen und das despotische Regime in der ZAST.nehmen wir das auf unser Zimmer undlassen es da bis 6, wenn jemand etwasessen will, kann er das essen.FR: Wer mittags nicht da ist, bekommtder kein Abendessen?B.: Nein.FR: Habt ihr einen Kühlschrank fürdas Essen?B.: Nein, niemand hat einen Kühlschrank.A.: Man muß die Sachen praktischschon tagsüber essen.I B.: Manchmal lasse ich meine Butterin meinem Zimmer. Wenn es warm ist,ist alles wie Wasser, wenn ich essenwill.FR: Wird die Küche um eins schon geschlossen?.B.: Nach dem Essen putzen sie vielleichtbis halb zwei oder bis zwei, unddann darf niemand mehr reinkommen.A.: Kürzlich ist ein Freund morgenszum Arzt gegangen. Er ist fünf voreins erst wieder ins Lager gekommen,da gab es kein Essen mehr.B.: Das habe ich auch gesehen. Ichhabe auch jemand gesehen, der neu insLager gekommen ist. Er ist pünktlichum zwölf Uhr gekommen, aber er hattenoch keine Essensmarke. Dann istjemand mit ihm zum Chef gegangen.Der Chef hat gesagt, daß er um einUhr kommt. Der Bekannte hatihm gesagt,daß um' ein Uhr schon zu ist.Dann hat der Chef gesagt: "Okay,dann kann er morgen zum Frühstückkommen, aber heute gibt es keine Essenskarte."Und der Mann blieb ohneEssen. Das war vor drei Wochen.FR: Der Mann war ganz neu gekommen?B.:Ja, er ist kurz vor zwölf angekommen.Der Bekannte hat den Chef gebeten,mit den Küchenarbeitern zusprechen,damit sie ihm auch ohneKarte etwas geben. Der Chef hat geantwortet:I Nein, wenn er keine Essenskartehat, bekommt er nichts".FR: Hat er auch kein Abendessen bekommen?B.: Nein. Wenn jemand nach ein Uhrkommt, bekommt er nur Essen, wenner Glück hat, das hängt dann von denHausmeistern ab. Ansonsten ist er daraufangewiesen, daß ihm jemand etwasvon seinem Abendessen abgibt.c.: Ab Freitagmittag bis Montag frühgibt es keine Essensmarken. ,B.: Sie sagen, daß der Chef nicht da.ist, aber das ist nicht so wichtig. Siekönnen den Leuten in der Küche ja sagen,daß sie Essen herausgeben. Aberdas machen sie nicht.FR: Werden am Wochenende Leute indie ZAST verlegt?B.: Folgeantragsteller kommenmanchmal am Freitagnachmittag um5 oder 6 hierher.FR: Bekommen Sie dann am ganzenWochenende nichts zu essen?B.: Manchmal gar nichts. Abermanchmal kann man mit dem arabischenHausmeister sprechen. Aberwenn der andere Hausmeister da ist,bekommen sie gar nichts. Dann rnüs-


Seite SIsen sie schauen, daß sie von den anderenFlüchtlingen Brot bekommen.A.: Ja, die Leute verteilen dann ihrAbendessen.FR: Kann man soviel Brot bekommenwie man will?B.: Wenn Leute sagen "Komm; gib mirmehr", dann bekommen sie manchmalmehr, aber nicht immer.A.: Wenn der Arbeiter Lust dazu hat.B.:· Ja, ja, aber sie können auch neinsagen. Letzte Woche habe ich dreiganz kleine Stück Brot vom Ende gekriegt.FR: Wenn Ihr abends Hunger habt,könnt Ihr dann nicht noch einmal Brotholen?B.: Nein, nein, esgibt keines mehr."Das Essen ist nicht gut, aberman darf nicht kochen"A.: Z. T. kaufen di~ Leute sich ihr Essenmit dem Taschengeld, aber dannreicht es nicht.B.: Manche Leute haben im Lagerauch einen kleinen Kocher. Aber wennder Hausmeister das sieht, dannnimmt er ihnen alles weg. Sie sagen:"Du darfst hier nichts kochen." DasEssen ist nicht gut in der Küche, aberman darf sich auch selber nichts kochen.A.: Die islamischen Leute haben alleAngst vor dem Schweinefleisch, unddeshalb essen sie oft nichts. Für dieneuen Leute ist das ganz wichtig. Füruns Folgeantragsteller ist es kein Problemmehr, aber den neuen ist es ganzwichtig. Deshalb kaufen sie sich Essenmit dem Taschengeld.FR: Gibt es Obst?C.: Wenig, einen Apfel manchmaloder eine Birne. Jeden Tag gibt es einenApfel oder eine Tomate.A.: Letzte Woche gab's als MittagessenKartoffeln und ein Ei ~und Suppe.Suppe gibt es jeden Tag.FR: Wie sieht die Ernährung der Kinderaus?A.: Sie bekommen zusätzlich Saft undMilch, aber nur wenig, auch Pampers.FR: Hat sich die Situation mit denDuschen verbessert?B.: Nein. Für die Männer gibt es dreiDuschräume, für die Frauen zwei. Insgesamtgibt es ca. 10 Duschen für dieMänner.FR: Gibt es Waschmaschinen?B.: Ja, pro Wäsche muß man I DM bezahlen,für's Trocknen so Pfennig.Das Waschpulver ist dann dabei."Die meisten Hausmeister -niemand kann mit ihnenreden"FR: Könnt Ihr etwas über die Hausmeistersagen? Sind das Deutsche?A.: Die meisten sind Aussiedler, dereine sagt jetzt, er ist deutsch, weil ereinen Paß gekriegt ha t. .B.: Ein Hausmeister von Block 3, erGeschmückterZAST -Eingang.ist gut,er ist aus der Türkei. Es gibtauch einen verrückten Hausmeister.Er hatte immer einen.Hammer. Er hateinfach so die Leute genommen"Komm mit!" Der Mann kommt, sitzthier, und er nimmt seinen Hammerund schlägt zu. Er hat das mit mehrerenLeuten gemacht, letztes Mal miteinem Iraner. Er hat zugeschlagen, erist verrückt. Er war Hausmeister inBlock 2. Er kam dann ins Krankenhaus.FR: Ist das der, den sie weggetan haben,weil er jemanden angegriffenhat?A.: Ja, er hat einen Griechen angegriffen.Einem Iraner hat er das Beinzerschlagen.B.: Ich hab es am gleichen Tag zweimalgesehen. Er hat das mit dem Iranergemacht, er hat ihm den Fuß kaputtgemacht, und dann .in der Nachtum 3 hat er eine Frau aus Polen geschlagen,am gleichen Tag.FR: Mitdem Hammer?B.: Die Frau mit den Händen, aberden Mann aus dem Iran mit dem Hammer.Und der Mann hat nichts getan,hat nichts gesagt. Der Hausmeisterhat ihn so einfach geholt "Komm mit".Er ist gekommen, der Hausmeister hatgesagt "Sitz", er hatte seinen Hammerauf dem Rücken, so hat er das Beinkaputt gemacht. Er ist ein Verrückter.FR: Ist er immer noch Hausmeister?B.: Er war im Krankenhaus, aber jemandhat mir gesagt, daß er wiederzurückkommen soll.A.: Wir haben auch einen 'guten'Pförtner, er ist glaube ich aus Polen,er ist auch ein Unmensch. Wenn jemandkommt, muß er seinen Ausweishergeben.B.: Deswegen ist es schlimm im Lager,weil die Hausmeister, die meistenHausmeister - niemand, kann mit diesenLeuten sprechen. Nur mit einemAraber und dem Mann aus der Türkeikann man sprechen, aber mit den meistennicht. Wenn man an's Fensterkommt, schnauzet') sie einen an: "Hey,Du, weg von mir".A.: Wenn jemand zum Lagerchefgeht, dann passiert nichts, er ist ruhig.Aber später schickt er seine Leute. Erhat vier Leute, Araber und Iraner. Ersagt zu ihnen: "Er ist unruhig, geh',mach' Ordnung". Und die Leute gehenund machen Ordnung, es ist kein Problem.


Seite 52"Hol' Dir einen Dolmetscher!"FR: Sprechen wir noch einmal überdie Polizeibehörde. Wir haben gehört,daß sie sich in einigen Fällen geweigerthat, Asylanträge entgegenzunehmen.Wißt Ihr etwas darüber?A.: Ja, das haben sie bei einer Zigeuner-Familieaus Jugoslawien gemacht.Sie haben mehrmals versucht,einen Antrag zu stellen, und der Chefder Polizeibehörde hat sie immer wie:'der rausgeschickt. Dann wollte sichdie Familie an die Sozialbetreuungwenden, wurde aber nicht zu ihr rein-,gelassen. Eine Sozialbetreuerin hatdann gemeinsam mit einem Rechtsanwaltden ganzen Nachmittag mit derAusländerbehörde verhandelt.FR: Wie sieht das eigentlich aus,wenn die Leute ihren Antrag auf derPolizeibehörde stellen und begründenmüssen. Gibt es Dolmetscher?A.: Das ist ganz wichtig. Auf der Polizeibehördegibt es keine Dolmetscher,wenn die Leute ihren Antragstellen.B.: Für das Protokoll auf der Ausländerbehördegibt es keine Dolmetscher,nur für das Interview beim Bundesamt.Für die neuen Leute ist daswichtig.A.: ICh weiß von türkischen Leuten.die kein Deutsch können. Der Man~auf der Ausländerbehörde hat ihnengesagt "Ich weiß nicht, was ihr wollt.Das ist mir egal, Du kannst dir auf der-Straße einen Dolmetscher suchen undzu mir bringen."FR: Leute aus der ZAST haben unsberichtet, daß Erstantragsteller aufder Polizeibehörde zuerst gefragtwürden: "Hast Du ein Auto?" Wer dieFrage nicht verstehe bzw. nicht sofortreagiere, würde angefahren: "Hol Direinen Dolmetscher"B.: Ja, das habe ich immer wieder gesehen,daß sie das so machen.A.: Bei der Polizeibehörde ist es ganzwichtig, einen Dolmetscher zu haben.l.B. ein Landsmann,den ich kenne. Erkann seine Sache nicht selber erzählen,ich kann es auch' nicht. Aber erhat keinen Dolmetscher gefunden,dann bin ich eben mitgegangen. Ichhab seinen Lebenslauf nicht gut erzählt,aber ich mußte es. Er konnte esnicht selber machen, weil es nichtgeht. Aber seine Situation istschlimm. Für viele Leute ist das so.Die eine Frau von der Polizeibehördehabe ich gefragt, warum es keine Dolmetschergibt. Sie hat gesagt: "Das istEure Sache, Dolmetscher zu finden."Ich hab gesagt: "Ich kann nicht helfen,mein Deutsch ist nicht genug, das mußdoch richtig sein." Sie hat geantwortet:"Das ist nicht meine Sache. InKarlsruhe gibt es 10000 Ausländer,der kann auf der Straße nach einemLandsmann kucken und ihn herbringen."_B.: Ja, das stimmt, wenn man einfachjemanden mitnimmt, weiß man nicht,was der Mann erzählt, ob das richtigist. Und wenn sie einen Dolmetscherbesorgen, dann müssen sie ihn auchbezahlen. Aber für sie ist es nichtwichtig, was der Asylbewerber erzählt,dann ist es nicht so wichtig, einenDolmetscher zu nehmen.A.: Ein Jugoslawe, er macht Dolmetscher,aber er nimmt von allen LeutenGeld. Die Asylbewerber haben keinGeld und müssen doch bezahlen.B.: Wenn sie nichts bezahlen, dannmacht er nichts.FR: Was für Fragen müssen dieFlüchtlinge bei der Polizeibehördebeantworten?A.: Im Büro Koch werden die Leutez.B. gefragt: "Warum bist Du da,kannst Du nicht in Deinem Land leben?Was suchst Du hier?" Oder ersagt auch "Oh, wieder ein Asylbewerber".-B.: Beim Ausländeramt fragen Sie"Warum bist Du hergekommen? Wasfür Probleme hast Du?"A.: Bei Folgeanträgen haben Sie t.B.schon gefragt: "Warum gehst Du nichtzurück in Deine Heimat? Kannst Dudort nicht leben?" Und wenn die Leutedann von Ihren poli tischen Problemengesprochen haben, haben sie gesagt:"Ach, Quatsch.""Sie kontrollieren nur uns"FR: Können wir noch mal über dieLebensbedingungen im Lager sprechen?Wir haben z.B, einen Aushanggesehen, der Alkoholkonsum im Lagerverbietet, gilt das auch für die Zimmer?B.: Ja, überall im Lager. Wenn sie sehen,daß jemand trinkt, dann bekommter kein Taschengeld.A.: Jetzt wird auf dem GottesauerPlatz getrunken.B.: Aber wenn es regnet, geht dasnicht, dann kann man nicht da sitzen.FR: Werdet Ihr auf dem GottesauerPlatz von der Polizei kontrolliert?B.: Ja, das habe ich zweimal mitbekommen.Die Polizisten sind gekommenund haben die Ausweise verlangt.- Sie haben alle Leute kontrolliert, abernur die Flüchtlinge. Die Deutschenwaren auf der anderen Seite, alle besoffen,sie sind jeden Tag besoffen,aber sie haben diese Leute nicht kontrolliert.Aber uns, zu uns sind sie gekommen.FR: Gibt es in der Stadt auch Polizeikontrollen?B.: Sie machen es nicht so häufig, ichwurde in den letzten 6 Monaten ersteinmal kontrolliert. Da waren wir eineGruppe, u.a. mehrere Afrikaner, z.T.aus anderen Städten. Deshalb habensie kontrolliert. -A.: Ich wurde noch nicht kontrolliert,aber ich' habe schon dreimal Kontrollenvon Flüchtlingen beobachtet, beieinem Afrikaner, einem Türken und'einem Araber. Ich habe das von derStraßenbahn aus gesehen.B.: Wenn sie alle Leute kontrollierenwürden, wäre das etwas anderes, abersie kommen nur zu uns und sagen"Ausweis, Ausweis!" Das ist nichtrichtig.A.: Für den Kiosk auf dem GottesauerPlatz ist das jetzt ein gutes Geschäft.Die Polizei ist in der lAST dauerndpräsent. Im Hintergrund das neu renovierteSchloß Gottesaue, das zur Begründungdient, das umliegende Arealzu "bereinigen"."Dein Geld ist noch nichtgekommen"FR: Das Taschengeld wird jetzt nurnoch in zwei Raten zu je 3S DM amersten bz w. fünfzehnten ausgezahlt.Was bedeutet diese Regelung fürEuch?B.: Ich glaube das ist besser für uns,weil es sehr schwer ist, mit 70 DM biszum Ende des Mona ts auszukommen.Ich rauche z.B., so kaufe ich dreiPäckchen Tabak für <strong>12</strong> DM, damitkann ich 2 Wochen rauchen. Nach 2Wochen bekomme ich wieder 3S DM.A.: Es kommt aber auch vor, wennLeute am Anfang der Woche z.B, nachFreiburg geschickt werden, und es gabam ersten Tag eine sehr große Schlange,und sie haben ihr Taschengeld deshalbnicht bekommen. Dann wird ihnenhier gesagt "Ihr bekommt es dort".Aber dort bekommen sie es auchnicht. Das kommt sehr oft vor.FR: Wenn jemand am 2. des Monatskommt und am 14. verlegt wird, bekommter dann überhaupt Geld?B.: Nein, nein. Es gibt auch andereProbleme. l.B. gibt es Leute, die wa-_ren in Schwalbach ein oder zwei Monate,sie haben dort kein Geld gekriegt.Und sie sagen "Wenn Du nachKarlsruhe kommst, geben sie Dir


Seite 53Geld." Und sie kommen hierher undfragen nach dem Geld, und hier sagensie dann "Nein, Dein Geld ist nochnicht gekommen." Und dann bekommendiese Leute vielleicht gleich eineVerlegung am Auszahlungstag, dannmüssen sie vormittags weg und habenihr Geld hier auch nicht gekriegt. Dashabe ich gesehen.A.:lch weiß von vier Kurden. Sie habenmir gesagt, daß sie von Schwalbachdas Geld nicht gekriegt haben,und hier haben sie es auch nicht gekriegt.Die in Schwalbach haben gesagt"Wenn Du nach Karlsruhe gehst,kannst Du dort gleich das Geld für dieganze Woche mitnehmen" und als siedann hier auf die Ausländerbehörde 'gegangen sind, hat Koch gesagt: "Ach,kein Geld, kein Geld, Dein Geld istnoch nicht gekommen." Wenn die Leutevon Schwalbach weggehen, sagendie dort "Du kannst das Geld in Kar lsruhenehmen", und hier sagen sie "Dubekommst es in Tübingen oder Freiburg."B.: Und dort bekommt er dann nur die70 DM, ab dem Zeitpunkt, wo er dortist, für die Wochen davor bekommt ernichts.FR: Wie ist es eigentlich mit Seifeund solchen Sachen? ''A.: Das muß man alles mit den 70 DMkaufen. Seife und Shampoo und Handtuch,Unterwäsche, Socken,Strümpfe.B.: Alles, was man braucht, muß manmit 70 DM besorgen."Die Regierung will, daß dieLeute stehlen"A.: Nach meiner Meinung will die Regierung,daß die Leute stehlen. Siegibt den Leuten so wenig Geld und von70 DM kann man nicht leben. Wennman keine Bekannten hat, von denenman Geld kriegt, dann muß man praktischstehlen. Und dann sagen sie:"Hast Du gesehen, ein Ausländer!"B.: Auch in den Geschäften, wenn einAusländer kommt, dann kommengleich 2 oder 3 Angestellte undkucken, was der macht. Manchmal binich mit diesen Leuten böse, ich habeimmer wieder mit ihnen gesprochen:"Warum machen Sie das?" Ich bin jetztvier Jahre in Deutschland, aber ichhabe noch nichts gestohlen, keineSchachtel Zigaretten. Aber wenn ichin ein Geschäft gehe, immer kommendie Angestellten und schauen, immerwenn ein Flüchtling kommt.A.: Bei mir ist es auch so. Wenn ich inein Geschäft gehe, um Hosen anzuschauen,ich will nichts kaufen, abergleich kommen sie und fragen "Kannich helfen?".B.: Kürzlich hatte ich Probleme miteiner Verkäuferin. Ich hatte, ein PäckchenTabak in der Brusttasche, das ichvor zwei Wochen in dem Geschäft gekaufthatte. Ich kam mit einemFreund und wollte Saft kaufen. Da wareine alte Dame, sie hat mich so angesehenund zu der Arbeiterin - gesagt:"Schauen Sie, er hat etwas in seinerTasche". Die Verkäuferin: "Ah ja, den,frage ich gleich". Dann habe ich gleichgesagt: "Was wollen Sie mich fragen?"Dann habe ich ihr das Päckchen gezeigt,das fast leer war. Sie: "Ah ja,Entschuldigung". Ich habe gesagt:"Okay, aber das ist nicht gut."A.: Letzte Woche gab es in der StraßenbahnFahrkartenkontrolle. Bei allenLeuten ha t er so kurz auf die Kartegeschaut, aber bei mir hat er sie ganzgenau angekuckt und gewendet.B.: Die Geschäfte machen das immermit uns. Neben dem Lager gibt es einenSupermarkt. Jedesmal wenn einAsylbewerber kommt, gleich kommen2 bis 3 Verkäufer. Jeden Tag habe ichProblemeC.: Und wenn man sehr wenig GeldDurch einen Hungerstreik versuchtenFlüchtlinge im September 1985, ihreLebensbedingungen in der ZAST zuverbessern.hat, muß man die richtige Ware guttreffen und muß viel sehen, anschauen,nicht sofort zack, zack kaufen."Erst nach 6 Monatengibt es Kleider"FR: Wie sieht es mit der Kleiderversorgungaus?B.: Es gibt z.B. Kleider für die Leute,aber erst nach 6 Monaten, für die meistengibt es hier also nichts. Vorherbekommt man höchstens alte Kleidervom Roten Kreuz. Die Leute, die dringendKleider brauchen, müssen dieseKleider nehmen. Wenn jemand im Novemberhierher kommt, ist esschlecht, weil er hier keine Kleiderbekommt.A.: Nach den 6 Monaten kann man mit200 oder 210 DM einkaufen.B.: Nein, nein, jetzt haben sie inBlock 4 oben ein Kleiderlager . Da mußman hingehen. Dort gibt es Jeans, füralle Leute die gleichen Jeans. Es gibtkein Geld, keine Gutscheine mehr.Nur noch für 25 DM kann man in denGeschäften in der Stadt was kaufen.FR: Früher konnte man doch immerbei Firma Morlock in der Karlstraßeeinkaufen.B.: Ja, das weiß ich, ich war dort einmal,als ich zum ersten Mal hier war.Aber jetzt geht das nicht mehr, jetztist das im Lager.A.: Jetzt ist im Lager alles, Arzt, Polizeibehörde,Bundesamt, Kleider ....FR: Was bekommt man da für Kleider?B.: Man kann vielleicht eine Hose, eineJeans nehmen und ein Hemd, eineJacke vielleicht. Ich weiß nicht, ob esauch eine Jacke gibt. Und ein paarSchuhe. Mit einem 25 DM-Gutscheinkann man sich ein T-shirt oder Unterwäschekaufen. Aber nur in bestimmtenGeschäften, Hertie etc .. AndereGeschäfte sagen "Nein", aber vieleakzeptieren das.FI~: Hosen kann man nicht im normalenLaden kaufen?B.: Hosen, Hemden, Schuhe bekommtman nur im Lager. Manchmal gibt esProbleme. Er will z.B, eine Jeans haben,aber ich mag keine Jeans. Aberich muß sie nehmen, es gibt nur Jeans.Alle Leute haben gleiche Kleider wieim Gefängnis.A.: Alle haben gleiche Schuhe jetzt -wie Soldaten.FR: Früher gab es nur eine Wartezeitvon drei Monaten für die Kleidung.B.: Jetzt sind es 6 Monate. Früher hatman gleich am ersten Tag ein Kleidungsstückgekommen, eine Hose odereine Jacke oder ein Hemd. Als ich zumersten Mal hierher kam, habe ich beiMorlock eine Hose, eine Unterhoseund ein Hemd bekommen.FR: Ja, so war es noch bis 1984. 1985,als es den Hungerstreik gab, war esschon anders. Da haben sie gesagt,entweder Jacke oder Hose, nach 3Monaten Wartezeit bekam man dannSchuhe, nach weiteren 3 Monaten bekamman ein Hemd.B.: Die meisten bekommen hier garkeine Kleider, nur die Folgeantragsteller,die 6 Monate hier bleiben. Ichhabe bis jetzt noch nichts bekommen.A.: Ich habe mir alles selbst gekauft,ich hatte nichts mehr, kein Hemd, keineHose.FR: Gibt es noch die Kleiderkammerder Diakonie?B.: Ja, die steht allen Leuten offen.Jede Nationalität kann an' einem anderenTag dort hingehen, aber das sindkeine guten Kleider, die sind alle sehralt. Aber wenn jemand dringend etwasbraucht, muß er sie nehmen.


Seite 54RoseGlaserAlternativenzum SammellagerkonzeptMenschenwürdige Unterbringung stattAusgrenzungund Isolation- ------~------------------------------------~---------------------------------Ich möchte mich jetzt nicht für die Einladungbedanken, denn ich gehöre ja im Auftrag derLandtagsfraktion der GRÜNEN zu denMitveranstalterlnnen;ich möchte mich aber an dieserStelle stellvertretend für viele Flüchtlingsinitiativenund für viele Arztegruppen, wie siehier von Herrn Vorbrodt dargestellt wurden,beim Flüchtlingsrat Karlsruhe für die geleiste- .te Arbeit bedanken, denn ohne das ehrenamtlicheEngagement dieser und anderer Asylinitiativenim ganzen Bundesgebiet würden die Lebensbedingungender Flüchtlinge noch schwärzerund trostloser aussehen, als sie es eh schontun.Vor allem von oberen verantwortlichen Stellenist immer wieder zu hören, anders als durchLager sei das Problem der Asylbewerber garnicht zu bewältigen; Lager gelten als "pragmatischeLösung". Hier wurde und wird der Notstandjedoch herbeigeredet. Erst in Zusammenhangmit den Aussiedlern waren andereTöne zu hören; da hieß es auf einmal, es seiMenschen nicht länger als sechs Monate zuzumuten,in einem Sammellager zu leben - unddas, obwohl AussiedlerInnen vom ersten Tag andie Möglichkeit der Selbstverpflegung haben.Wenn sie zur LandesanlaufsteIle (LAST) kom-.men, bekommen sie gleich ein Tablett mit demnötigsten Geschirr, Besteck und Töpfen, so daßsie sich selbst versorgen können. Alles, was wirin den Inis schon seit Jahren für die Flüchtlingeverlangen, ist da plötzlich möglich. Anders alsin den "Asylantenlagern" sind in den "übergangswohnheimen"auch keine Küchen herausgerissenworden.KritikpunkteDoch nicht nur die fehlende Möglichkeit derSelbstversorgung gilt es scharf zu kritisieren,sondern auch die Zwangszuweisung, die jeglicheSelbsthilfe untereinander unterbindet.Wenn Flüchtlinge hier im Land schon Freundehaben, können sie bei ihrer Ankunft nicht einfachsagen: "Ich will nach Stuttgart." Sie müssenan die zugewiesenen Orte. Auch wenn siegar nicht hilflos auf den deutschen Staat angewiesensein wollen, wird es ihnen durch die Residenzpflichtverwehrt, sich von Freundinnenund Freunden, die schon hier sind und über entsprechendeErfahrung verfügen, helfen zu lassen.Reisen sie aber unter Umgehung der Residenzpflichtill.egal zu ihren Freundinnen undwerden dabei zweimal erwischt, gilt ihre Fahrtbeim zweiten Mal als Straftat und nicht mehrals Ordnungswidrigkeit.Der dritte Kritikpunkt ist das Arbeitsverbotfür Asylsuchende. Und als viertes sind sie mitder rigiden herrschenden Rechtsprechung konfrontiert,die - wie wir das heute schon gehörthaben - Folter nicht mehr als Asylgrund anerkenntund im unsäglichen Saulgau-Beschlußsogar soweit geht, einen Asylgrund nur dannals vorhanden anzunehmen, wenn einem einzelnenMenschen in seinem Heimatland mehrzugemutet wird, als der Personengruppe, zuder er gehört. Mit Blick auf die Vorgänge in derNazizeit würde das bedeuten, daß die jüdischenMitbürgerInnen, die der grausamen Verfolgungjaals Gruppe ausgesetzt waren, nachder heutigen Rechtsprechung in der Bundesrepublikkein Asyl bekamen. Darauf hat ProfessorOberndörfer, CDU-Mitglied aus Freiburg,in der ZEIT hingewiesen. Wenn ich Kolleginnenund Kollegen von der CDU in Diskussionen dasentsprechende Zitat vorhalte, erlebe ich esimmer wieder, daß sie darauf mit großer Verwunderungbis Empörung reagieren, zum Teilsogar regelrecht ausfallend werden. Sage ichIhnen dann, daß dieses Zitat von einem überzeugtenCDU-Mitglied stammt, bekommen siemeist den Mund nicht mehr zu. Ich halte es


Seite 55'aber für wichtig, daß in diese CDU-Kreise hineinder Widerspruch zwischen vorherrschenderEinstellung und Christlichkeit deutlich wird.Und ich denke, daß da auch einiges am Aufbrechenist, und meine, wir sollten um jeden Menschenfroh sein, der von dieser Seite kommtund sich engagiert für Flüchtlinge einsetzt.Die rechtlichen Regelungen, die ich geradeaufgeführt habe, führen zu Problemen, auf diedann mit Lagerhaltung von Menschen reagiertwird. Diese Probleme sind von der Landes- undBundesregierung hausgemacht. Die amtlichenRegelungen führen in völlig unsinniger Weisezur Konzentration von vielen Menschen und zuden ganzen Zwängen, die daraus folgen. Folgeantragstellermüssen beispielsweise in dieZAST, egal wie sehr sie sich an ihrem bisherigenAufenthaltsort schon integriert haben. Esheißt so beschönigend: "Folgeantragstellermüssen in der ZAST Wohnung nehmen." 'Ehrlicherwäre, zu sagen: "Sie müssen in der ZASTihren Schlafplatz nehmen und ihren Stehplatzin der Essensschlange - auch wenn sie schon 70Jahre alt sind." JÜngere dürfen ihnen nämlichnichts bringen.Abschreckungdurch SammellagerDas Sammellagerkonzept der baden-wür tternbergischen'Landesregierung spielt in der Bundesrepublikeine Vorreiterrolle. Der Landesregierungging es von Anfang an darum, durch dieVerhältnisse in den Sammellagern potentielleAsylsuchende abzuschrecken. Lothar Späthsoll einmal gesagt haben, es müsse bis hin zurletzten Buschtrommel klar sein, daß es hier inBaden- Württemberg die Flüchtlinge sehrschwer haben; deshalb müßten die Bedingungenwirklich so rigide wie möglich sein, deshalbbräuchten wir Sammellager und sonst keinerleiandere Art der Unterbringung.[ Bis I985 hat das Sammellagerkonzept "funktioniert".Dann wurde die Zahl der Asylsuchendenso groß, daß die vorhandenen Sammellagerdie Flüchtlinge zahlen mäßig nicht mehr aufnehmenkonnten und die Skandale in einzelnenSammellagern einfach zu offensichtlich wurden.Daraufhin wurde zugelassen, daß auch inStädten und Gemeinden über IOOOO EinwohnernFlüchtlinge Aufnahme finden konnten.Dabei wurden aber die Finanzierungsbedingungenentsprechend hart gestaltet, so daß bispraktisch Ende I988 diese 4,5-qm-Regelunggegolten hat. Das bedeutete von der Erstattungdes Landes an die Gemeinden her gese-Wohncontainer in Weinheim: "Menschenwürdeauf Containerformat reduziert." .hen, daß jemand, der eine Privatwohnung vonSo qm zur Verfügung gestellt hat, fast 20 Leutehätte unterbringen sollen, da das Land lediglichdie Unterbringung in Lagern oder lagerähnlichenUnterkünften bezahlt. Seit dem1. Januar '89 ist eine ganz kleine Verbesserungeingetreten. Da wird pro Person bis zu 8 qm erstattet,so daß man jetzt "nur" noch 10 Leutein eine Bo-qrn-Wohnung aufnehmen muß. Einenormale Wohnung wird natürlich aber auch sonoch zur lagerähnlichen Unterkunft.Durch diese Praxis wird die Menschenwürdeauf Containerformat reduziert. Die Sammelcontainerhängen nämlich - auch wenn dasvielleicht kaum bekannt ist - unmittelbar mitdieser Regelung zusammen, denn von der vorgegebenenQuadratmeterzahl her passen genau3 Menschen in einen Container. Die kommunalenSpitzenverbände haben sich übrigenssehr dagegen verwahrt, bei der Aufnahme vonAsylbewerbern ständig derlei Rechenspielemit der Menschenwürde anstellen zu sollen.Aber das Ganze hat scheint's Methode: Offenbarsollen alle Beteiligten möglichst vergraultwerden, damit die Einstellung den AsylbewerberInnengegenüber möglichst negativ ist - imGrund genommen soll alles auf ein Rausekelnhinauslaufen.


Seite 56)/(Merkblatt---------------------------------------Den AsylbewerberInnen wird in diesen Lagernein Merkblatt in die Hand gedrückt, in dem eswörtlich heißt: "Der Unterhalt und die Unterbringungvon Asylbewerbern stellen eine erheblicheBelastung für das Land Baden- Württembergund die baden-württembergischenStädte und Gemeinden dar. Es wird daher erwartet,daß die Asylbewerber den Anordnungender zuständigen Behörden nachkommen.Wenn Anordnungen der Behörden nicht befolgtwerden, bringt der Asylbewerber sich selbst inSchwierigkeiten und zeigt damit, daß eine echtepolitische Verfolgung offensichtlich nichtvorliegt, sondern daß er mit seinem Antragasylfremde Zwecke verfolgt. In diesen Fällenwird die Abschiebung in das Herkunftsland angeordnetwerden." Man schämt sich einfach,wenn AsylbewerberInnen einem so etwas zeigen.verdorbenes Essen geliefert wurde. Die Einführungder Selbstversorgung ist hier eine vernünftigeLösung. Dennoch wird zur Zeit derZAST-Neubau im Bewußtsein der Schwierigkeiten,die auftreten werden, unter Verweigerungder Selbstversorgung durchgezogen.IIISelbstversorgungWenn wir uns um Alternativen zu Sammellagernbemühen, muß unsere erste Forderungdaher lauten, daß die genannten Regelungenrückgängig gemacht werden, damit es zu dieserAnsammlung von Menschen und zu demZwang, sich an einem zugewiesenen Ort aufhaltenzu müssen, erst gar nicht kommt. WirGrünen fordern, die momentanen gesetzlichenRahmenbedingungen des Asylverfahrens zurückzunehmen.Und das wäre eigentlich nichtschwer, denn dabei handelt es sich um politischeBeschlüsse, die sich jederzeit aus derWelt schaffen lassen, wenn der politische Willedazu da ist. Von der politischen Debatte undGroßwetterlage her läuft allerdings derzeitalles eher auf eine Verschärfung hinaus. DerArtikel 16 Absatz 2 des Grundgesetzes wird jaschon längst nicht mehr eingehalten, der istschon allein durch die ganzen Verordnungenunterlaufen. -Der ZAST-Neubau ist ein Ausdruck dafür,daß man aus den Erfahrungen der letzten Jahreüberhaupt nichts lernen will: Man hat nichteinmal die Selbstversorgung geplant. Und dieverordnete Gemeinschaftsverpflegung hat ja,weiß Gott, für alle. Beteiligten ringsrum diegrößten Schwierigkeiten gebracht - bis dahin,daß den Flüchtlingen in letzter Zeit auch hierin Karlsruhe und letzten Sommer in Freiburg"Gemeinschaftsverpflegung" in der ZASTKarlsruhe. Nicht nur, daß auf Essensgewohnheitenkeinerlei Rücksicht genommen wird:die Qualität des Essens ist schlecht, die Portionensind zu klein, Obst und Gemüse gibt eskaum...::f Dezentrale UnterbringungDabei muß kühl und nüchtern festgestellt werden,daß dieses Abschreckungskonzept nicht·nur keinen einzigen Asylbewerber davon abgehaltenhat, hier herzukommen, sondern daß einedezentrale Unterbringung wesentlichkostengünstiger wäre als die derzeit geübteSammellagerpraxis. Ich kann in diesem Zusammenhangaus einem Schreiben des Sozialministersim SPD-regierten Schleswig-Holstein zitieren,in dem es heißt, der Weg einer dezen-


Seite 57tralen Unterbringung mit verbesserten Leistungenfür den einzelnen und einer menschlicherenWohnsituation werde nicht teurer sein,sondern sogar zu Einsparungen führen. Dassind ja Dinge, die wir in den 'Asyl-Inis auchschon immer gesagt haben. Die schleswig-holsteinischeSPD-Alleinregierung, die jetzt dieSchuld nicht mehr auf einen FDP-Koalitionspartnerschieben kann, hat endlich begonnen,Partei- und Wahlkampfversprechen einzulö-- sen: Sie möchte jedes Jahr fünf Sammellagerauflösen. Soweit ist es natürlich nicht vonalleine gekommen, sondern dieser Schritt ist,so denke ich, auch mit durch den Druck bewirktworden, den die Asylinitiativen in denletzten zehn Jahren gemacht haben!Ich will hier keine SPD-Reklame machen,aber ich empfinde es als positiven Schritt,wenn eine Regierung die Anweisung erläßt,Asylbewerberlnnen künftig deutschen SozialhilfeempfängerInnenin der Wohnsituationgleichzustellen - das heißt, sie können in diesemBundesland in Wohnungen ziehen und dieErstattung läuft genauso wie bei SozialhilfeempfängerInnen.Im Vergleich zu den badenwürttembergischenSammellagern, die nochdazu weiter ausgebaut werden sollen, ist diesein gewisser Fortschritt. Während in' Baden-Württernberg allein in diesem Jahr zusätzlichzur ZAST noch vier weitere Sammellager entstehensollen, hat die Regierung Schleswig-Holsteins den Plan, jedes Jahr fünf Sammellageraufzulösen (insgesamt haben sie sechzig).Dabei wird es allerdings auch an uns von außerhalbSchleswig-Holsteins liegen, ob dieser Planwirklich in die Praxis umgesetzt wird. Die Kriterienfür die dezentrale Unterbringung sollenhier, wie gesagt, die gleichen wie bei Soz ialhilfeempfängerInnensein. 7In den bestehenden Gemeinschaftsunterkünfteaber muß, solange sie nicht aufgelöstsind, als nächster Schritt die Möglichkeit derSelbstversorgung gewährt werden. Außerdemgilt es, die in den Gemeinschaf.tsunterkünften- auch in der ZAST - zum Teil existierendenunhygienischen Einrichtungen schnellstens zusanieren. Wesentlicher Schritt aber bleibt dieAbschaffung der Residenzpflicht. Denn ohneeine gewisse Freizügigkeit - und das stehtauch im Kieler Regierungspapier - ist die dezentraleUnterbringung ja gar nicht zu machen.Deshalb will man in Schleswig-Holsteinauch Bundesgesetze weniger rigide auslegenund im Bundesrat Vorstöße zur Anderung derGesetzeslage unternehmen.Grundsätzliche t&1nderungenstatt "Make'-up"Wir müssen jetzt allerdings darauf achten, daßdies auch so durchgeführt' wird. Nach meinerAnsicht ist die dezentrale Unterbringung inWohnungen sowie die Aufhebung vor allem derResidenzpflicht und des Arbeitsverbots daseinzig Richtige, damit den Menschen, die mit'ihren ganzen Problemen herkommen, hier wenigstensein Leben in - zumutbaren - Umständenermöglicht wird, wie sie Menschen gebühren.Professor Oberndörfer ,den ich vorhin bereitserwähnt habe, sagt ganz klar: "Sarnrnellagersind KZs." Da braucht man wohl nichtsmehr hinzuzufügen.Und zu dem Neubau draußen ist zu sagen,daß nach seiner Eröffnung längst nicht "allesbesser" werden wird, wie uns immer entgegengehaltenwird. Mir fällt dazu der Vergleich mitdem Geschwür im Gesicht ein, über das manMake-up kleistert. Das Make-up verdeckt dasGeschwür nur; nach ein paar Stunden ist dieTünche weg, und das Geschwür kommt wiederzum Vorschein. Es bleibt, weil praktisch nur ander Oberfläche etwas verändert wird.Hier in Baden-Württemberg, denke ich, müssenwir die Beispiele aus anderen Bundesländernanführen. Unter Verweis auf die Erfahrungendort müssen wir versuchen, im Bündnisgegen diese unsägliche Asylpolitik unsererLandesregierung in immer mehr Kreise einzudringen,die bisher noch nicht mitmachen,denn dann wird sich auch bei uns etwas ändern.Ich meine, etwas optimistisch dürfen wir sein,schließlich tut sich andernorts etwas. Wir werdendie von uns mit Spannung erwarteten Erfahrungenim Norden den hiesigen Verantwortlichen,die immer behaupten, etwas anderesals Sammellager sei "nicht durchführbar", beijeder Gelegenheit unter die Nase reiben, damitauch hier endlich klar wird: Anders als mit dezentralerUnterbringung geht es nicht! Sammellagersind überhaupt kein Thema!Rose Glaser, MdL, ist innenpolitische Sprecherinder Fraktion der Grünen im badenwürttembergischenLandtag. Sie engagiertsich in besonderer Weise in der AusländerundAsylpolitik. Durch Anfragen im Landtagund Besuche von Sammellagern versuchtsie, auf die Situation der Flüchtlingeaufmerksam zu machen und sucht dabei dieZusammenarbeit mit Flüchtlingsinitiativen.Den vorliegenden Beitrag hat sie anläßlichdes "Hearings gegen SammellagerGnd ZAST -Neubau" am 18.03.89 in Karlsruhegehalten.


Seite 58DokumentiertEinwendungen des Flüchtlingsrats Karlsruhe gegendie Änderung des Flächennutzungsplans und die da rnitbeabsichtigte Gettoisierung der FlüchtlingeAn denN~chbarschaftsverbandLammstr. 77500 KarlsruheFlüchtlingsrat KarlsruheKarlsruhe, 21.°3.1988KarlsruheBetr.: Flächennutzungsplan (FNP)Nachbarschaftsverband Karlsruhe,Öffentliche Auslegung der I. Änderung29.02.-29.°3.1988Hier: Bedenken und AnregungenSehr geehrte Damenund Herren,wir haben in den Entwurf zur FNP-Änderungund in die Erläuterungen Einsichtgenommen. Insbesondere zurÄnderung Ifd. Nr , Ka-1"SondergebietZAST" und im Zusammenhang damitzU KA-8 "Bereich Schloß Gottesaue"und KA-11 "Kriegsstraße-Ost/Ostring"möchten wir Bedenken und Anregungenvorbringen.Wohngebieten auszuweisen. Im einzelnenkritisieren wir am jetzt ausgewiesenenStandort die hohe Lar mb c-lästigung, unverträgliche Nutzungenin der Umgebung, die sozialund räumlich isolierte Lage und dievorprogrammierte hohe Belegungsdichtedes Sammellagers.Da zumindest mehrere Hundert Bewohnerjeweils längere Zeit in derZAST leben, sind diese Nachteilenicht mit dem Hinweis auf die nur vorübergehendeAnwesenheit abzutun.Unsere Gründe legen wir im folgendendar.GliederungI. Betroffenea) Bewohnerb) BeschäftigteCl Bürger2. Lager und Beurteilung desStandortesa) Unmittelbare angrenzende Nutzungenb) Mittelbar angrenzende Nutzungenc) Weitere beeinträchtigende Nutzungend) Sonstige Nutzungen im Umfelde) Anbindung an vorhandene Wohngebietef) Verkehrserschließungg) Beurteilung des Standortes3. Ausstattung mit Wohnfolgeeinrichtungen4. Bedeutung des FNP für diebauliche Gestaltung der ZASTa) Flächeb) Lärmschutz5. Aufenthaltsdauer in derZAST6. Anregungen und AlternativenI. Betroffenea) BewohnerIn der ZAST wohnen ausländischeStaatsbürger, die in der BundesrepublikDeutschland politisches Asyl nachArt. 16 des Grundgesetzes beantragthaben und nach der Landesquote (§ 22(2) AsylVfG) dem Land Baden-Würt-ZusammenfassungDer FNP-Änderungs-Entwurf weisteineil neuen Standort für die ZentraleAnlaufsteIle für Asylbewerber (ZAST)des Landes Baden-Württemberg aus.Dafür ist eine Fläche von ca. 1,3 ha ander Stelle des heutigen Bauhofs DurlaeherAllee 100 bezeichnet. Es sollenein Sammellager für 800 ausländischeAsylbewerber und Arbeitsstätten(Verwaltung, verschiedene Behörden)für ca. 70 Beschäftigte gebaut werden.Der jetzige ZAST-Standort WolfartsweiererStr. 7 soll zugunsten desOststadtparks und eventueller Erweitcrungsbautender Musikhochschuleaufgelassen werden ..Gegen die Ausweisung dieses Standorteshat der Flüchtlingsrat Karlsruheschwere Bedenken. Unseres Erachtenssind dabei die allgemeinen Anforderungenan gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnissenicht ausreichend berücksichtigt;die Bildung einseitigerStrukturen wird gefördert. Wir regenan, mehrere Standorte für dezentraleEinrichtungen im Zusammenhang mit Stand des Flüchtlingsrat Karlsruhe gegen den ZAST-Neubau am 01. Mai 1989.


Seite 59temberg zugewiesen wurden. Sie werdenteilweise im späteren Verfahrensverlaufin andere Gemeinden verlegt.Unter den Asylbewerbern sind vielealleinstehende junge Männer, jedochauch Frauen, Kinder, alte Menschen,ganze oder getrennte Familien. DieAsylbewerber kommen, auch wenn sieletztlich vom Bundesamt nicht alsFlüchtlinge anerkannt werden, durchwegaus schwierigen Lebensumständen.Nennenswertes Vermögen ist beiden meisten nicht vorhanden, es wurdegegebenenfalls für die Flucht aufgebrauchtoder mußte zurückgelassenwerden. Wenn ihr Antrag auf Schutzvor Verfolgung hier abgelehnt wird,' sogeschieht dies in aller Regel, weil A r-mut, Hunger, Krieg, Bürgerkriegund Folter nicht als Asylgründegelten, weil Dokumente zumBeleg staatlicher Verfolgung nichtbeigebracht werden konnten oder weildie Person nur über den Umweg überandere Länder in die Bundesrepublikeinreisen konnte. Der besonderenSchutzwürdigkeit solcher Personentut dies keinen Abbruch.Für die Dauer ihres Verfahrens sindden Asylbewerbern Arbeit und Ausbildungverboten; Erwachsene erhaltennormalerweise monatlich 70 DM Taschengeldfür Hygienebedarf, zusätzlicheGenuß- und Nahrungsmittel,Transportkosten und Freizeitaufwendungen.Sie sind verpflichtet, an einerGemeinschaftsverpflegung teilzunehmen.Die Asylbewerber kommen teilweiseaus anderen Kulturkreisen, größtenteilsaus Ländern mit anderen Konsumbedingungenund mit anderen Verkehrsverhaltnissen, Ihre psychischeBelastbarkeit ist gering, bedingtdurch die Flucht, ggf. vorangegangeneHaft oder Folter und durch die Bedingungendes Sammellagers, aufgezwungenesfremdartiges Essen undUntätigkeit.Diese Bedingungen sind auch in dervorbereitenden Bauleitplanung zu be-.rücksichtigen. Die Erläuterungen zurFNP-Anderung enthalten jedoch keinerleiHinweis darauf, daß hier Abwägungenstattgefunden haben ..b) BeschäftigteDie in der lAST vorgesehenen Arbeitsplätzewerden zum Großteil vondeutschen Beamten und Verwaltungsangestellteneingenommen ..c) BürgerBetroffen von der Planung sind weiterhinalle Bürger der Stadt Karlsruhe,sofern durch die Bildung einseitigerStrukturen negative Auswirkungenzu erwarten sind.2. Lage und Beurteilung desStandortesDas Umfeld der geplanten künftigenlAST ist durch folgende Nutzungengeprägt:a ) Unmittelbar angrenzendeNutzungen- DurlacherAllee: Zur Zeit eineder meistbefahrenen HauptverkehrsstraßenKarlsruhes mit 60000 Fahrzeugenam Tag. Auch in ZukunftHauptverbindungsstraße zwischen denStadtteilen. Keine Überquerungsmöglichkeitim Bereich der ZAST vorgese- .hen. Starke Lärmquelle sowie Gcfährdungspotentialinsbesondere für Kinder.Starke Trennwirkung für dielAST gegen die Umgebung. EinzigerAusgang der lAST liegt vermutlich andieser Straße.- Hauptbahn Karlsruhe-Mannheim:Höhe des Bahndammes ca. 6 rn.Viel befahrene Bundesbahnstrecke,starke Lärmquelle, starke Trennwirkung.- Gasbehälter:Es ist zwar geplant,diesen Behälter durch andere Einrichtungenzu ersetzen, diese stehen jedochnoch nicht fest; der FNP weistdie Fläche für den vorhandenen Gasbehälterweiterhin aus.- Kleingartengelände: Die Bezirksgruppeder Gartenfreunde hatbereits in der vorgezogenen Bürgcrbeteiligungden lAST -Standort in derNachbarschaft abgelehnt. Da auch dieLandschaftsplanung "wirksame Trennungund Abschirmung" der lAST,gegendie Kleingärten verlangt hat, istzu erwarten, daß hier auf Dauer ehermit Konfrontation als mit Koexistenzzu rechnen ist.- Tankstelle: Es bestehen Lärmemissionenvon anfahrenden Kraftfahrzeugen,auch während der Nachtstunden.b) Mittelbar angrenzende Nut-'Zungen .- Verkehrsstraße (lfd. Nr, KA-lI),Kriegsstraße-Ost/Ostring: Direktwestlich des Bahndammes soll dieVerbindungsstraße zw ischen derKriegsstraße und dem Ostring verlaufen.Sie soll bei der lAST in S bis 6m Höhe über die Durlacher Allee geführtwerden; an diese wird sie überRampenfahrbahnen angeschlossen.Die Straße stellt eine Hauptverbindungzwischen Nord- und Südtangentedar und hat direkten Anschluß zumgeplanten Autobahnknoten Killisfeld.Starke Lärmquelle. Gefährdungspotentialinsbesondere für Kinder. StarkeTrennwirkung.'- Gleisbauwerk der Bundesbahn imSüden: Eventuell als Lärmquelle bedeutsam.Starke Trennwirkung.- Straßenprostitution auf demMeßplatz: Es ist unseres Wissens geplant,diese .von den StraßenzügenDurlacher Allee/ Weinweg/ Gerwigstraßehierhin zu verlegen. Gegebenenfallskann das als Anleitung fürBewohner und Bewohnerinnen derlAST verstanden werden. Die darausentstehende Konkurrenzsituationkann auch für die Bekämpfung vonAIDS bedeutsam sein.c) Weitere beeinträchtigendeNutzungen- Die Autobahn BAB 5 führt in ca.800 m Entfernung vom geplantenlAST-Standort in, Hochlage über diedortigen Bahnanlagen. Da. Abschirmungendazwischen fast fehlen, ist je. "Modell des lAST-Neubaus: Der "Männerblock" erstreckt sich direkt entlang dem Bahndamm der Strecke Kar lsruhc-Mannheim. An der Rückseite des Gebäudes befinden sich nur kleine Lüftungsfenster. Dies hat das Rcgicrungspr asidiurnals "modernen Lar mschutz" angepriesen.


Seite 60nach Wetterlage mit Dauerlärmeinwirkungauf die lAST zu rechnen. \- Hauptbahn Karlsruhe-Stuttgart,ca. 350 m südlich der geplantenlAST. Auch hiervon sind Lärmeinstrahlungen zu berücksichtigen.- ferner wird erwogen, in diesem Bereicheine Müllverbrennungsanlagezu erstellen (s. GemeinderatsprotokollKarlsruhc 18.<strong>12</strong>.87, S.38).d) Sonstige Nutzungen im UmfeldDie übrigen flächen der Umgebungwerden genutzt durch- Gewerbebetriebe- Schlachthof- Versorgungseinrichtungen/Gaswerk- Milchzentrale-- Meßplatz- Straßenbahndepot- Vereinssportplatz- Möbelkaufhaus MannPositive Auswirkungen auf die lAST-Bewohner sind von den meisten dieserEinrichtungen nicht zu erwarten.Teilweise ist mit weiteren Lärmimmissionenzu rechnen.c) Anb indurig an vorhandeneWohngebieteDer lAST-Neubau liegt absei ts dervorhandenen Wohngebiete. Die nächstenWohnbauten liegen in ca. 700 mWegentfernung (an der Tullastr aße),Nachbarschaftliche Kontakte zwischenlAST-Bewohnern und der sonstigenWohnbevölkerung sind damitausgeschlossen.DerFlüchtlingsratKarlsruhe betont, daß diese Tr en- .nung der lAST von den Wohngebietenaus unserer Sicht das schwerwiegendsteArgument gegen den geplantenStandort ist. Wären alle anderen Benachteiligungeneinzeln hinnehmbar,so überschreitet diese räumlicheTrennung von der Bevölkerung eineSch merzgrenze.f) VerkehrserschließungDie Anbindung an das örtliche undüberörtliche Straßennetz ist sehr gut;auch die Straßenbahn ist gut erreichbar.Diese Kriterien sind jedoch zuwerten unter Berücksichtigung, daßdie allermeisten Asylbewerber wederein Fahrrad noch ein Kraftfahrzeugbesitzen und daß die monatlichen 70DM das Budget für Straßenbahnkartenstark einschränken. Keinesfalls kanndaher die gute Verkehrserschließungdie sonst negative Beurteilung desStandortes ausgleichen.g ) Beurteilung des StandortesDer geplante Standort ist räumlichund sozial isoliert. Von allen Seitengibt es dauernde oder wiederkehrendeLärmeinstrahlungen. Die Ausweisungeiner zum Wohnen bestimmten Flächeist hier ausgeschlossen. Die Kleingärtnerals einzige direkte Nachbarnstehen dieser Nachbarschaft ableh-Der Männerblock der neuen lAST, direkt neben dem Bahndamm.nend gegenüber. Es ist zu befürchten,daß sich die Anlage als Ghetto mitden bekannten Negativerscheinungendarstellen wird.3. Ausstattung mit Wohn"':folgee in richtungenDie Erreichbarkeit von Läden fürdentäglichen Bedarf ist schlecht. Dennächsten Lebensmittelhandel stelltdas Wertkauf-Center in knapp I kmWegentfernung dar. Das monströseSelf- Service-Angebot dort dürfte zuKonflikten führen, was den Erfahrungenaus der Anfangszeit der Selbstbedienungslädenund der deutschenWohnbevölkerung entspricht. KleinereEinzelhandelsgeschäfte, in denenauch beraten wird, befinden sich erstin größerer Entfernung.Für die Asylbewerber relevante sozialeEinrichtungen und Möglichkeitensinnvoller Freizeitgestaltungsind in der Nähe nicht vorhanden. Gemeinbedarfseimichtungen,in denendie Begegnung zwischen Bewohnernund Bürgern stattfände, sind nichtvorhanden. Gemeinschaftsräume inder lAST, zu denen Bürger erst nachAusweiskontrolle und Registrierungder Besuchszeit Zugang haben, könnensolche Einrichtungen nicht ersetzen.4. Bedeutung des FNP für diebauliche Gestaltung der lASTDie Objektplanung ist nicht Gegenstandder vorbereitenden Bauleitplanung:Wechsel wirkungen durch dievorgegebene Größe und Lage der ausgewiesenenFläche sind jedoch vorhanden.gen, auch eine Ermittlung des Flächenbedarfsist nicht enthalten}. Fürdie vorgesehenen 800 Bewohner zuzüglichArbeitsstätten für ca. 70 Behördenmitarbeiter,PKW-Sfellplätzeund Außenanlagen ist dies eindeutigzu wenig.Tatsächlich geht die Objektplanungbeim Wohnbereich für die Asylbewerbernur von einer Geschoßfläche vonca. 7 qm/Person aus; der vergleichbareWert für Neuplanungen von "normalen"Wohngebieten liegt bei 35qm/Person. Damit ist abzusehen, daßes allein durch die hohe Bclcgungsdichtezu Reibereien unter den Bewohnernkommt, die ohnehin schondurch die erzwungene Untätigkeit gefördertwerden. Eine dichte Belegungvon 2-, 4-,6-, 8-Bettzimmern, die beiJugendherbergen be ispiclsweise nochoft konfliktfrei angehen kann, führt ineinem Sammellager für Asylbewerbersicher zu großen psychischen Belastungender Bewohner.a) FlächeDie im FNP dargestellte Fläche fürdie lAST beträgt ca 1,J ha. (Die genaueAngabe fehlt in den Erläuterunb)LärmschutzDie oben genannten Lärmquellen inder Umgebung sind nur zu sehr geringemTeil an der Entstehungsstelleselbst zu mindern. Dies kann in Abschnittendes Bahndamms und derDurlacher Allee durch Lärmschutzwändegeschehen; die Abtrennungwird dadurch jedoch wieder verstärkt.Im wesentlichen sind passive Lärmschutz-Maßnahmenan den Gebäudenselbst erforderlich (Schallschutzfcnster).Die geplanten Außenanlagen -Kinderspielplatz u.a. - sind relativungeschützt dem Lärm ausgesetzt;der Aufenthalt der Bewohner ist damitauf die Enge des Gebäudeinnernkonzentriert. Insofern gibt die Flächenausweisungim FNP negative Bedingungenvor, die auch durch einegutwillige Objektplanung nicht mehrzu reparieren sind.


Seite 615. Aufenthaltsdauer in derZASTAn die Ausstattung der ZAST und ihreEinpassung in die Umgebung sind unseresErachtens die gleichen Ansprü- .che zu stellen wie an ein Wohngebietmit einer vergleichbaren Bewohnerzahl.Die ZAST soll Unterkunft fürca. 800 Asylbewerber sein, die verpflichtetsind, dort ihre Wohnung zunehmen (§ 20 (2), § 22 (4), § 23AsyIVfG). Das Wohnen in einer anderenWohnung eigener Wahl ist ihnennicht gestattet. ,In der Gemeinderatssitzung Karlsruheam 15.<strong>12</strong>.1987 sagte OberbürgermeisterProf. Seiler, die Aufenthaltszeitder Asylbewerber in derZASTbetrüge "zwischen vier Tagenund zwei Monaten, durchschnittlich2,5 Wochen" (nachSitzungsprotokoll. S. 38). In der Folgewurden die Einwände gegen den neuenStandort der ZAST zwar von Sprechernaller Fraktionen teilweise anerkannt,letztlich jedoch mit dem Hinweisauf die Aufenthaltsdauer von"zwei Wochen" abgetan. (Siehe bei-:spiels weise die Zwischenrufe desStadtrats Dr. Maul und des VorsitzendenProf. Seiler, Sitzungsprotokoll, S.39: "zwei Wochen".)Dies wird der tatsächlichen Situationin der ZAST nicht gerecht. Auchdie Erläuterungen des FNP lassennicht erkennen, daß hier eine gerechteAbwägung zwischen den öffentlichenBelangen und denen der Betroffenenstattgefunden hat. Die von OB Seilerzuerst genannten Zahlen mögen füreinen Teil der Asylbewerber in derZAST zutreffen, die sog. Er s t aritragssteIler.Auch unter diesen istjedoch ·dieAufenthaltszeit in derZAST sehr ungleich verteilt. Asylbewerberaus europäischen Ostblocklandern,die 1987 knapp die Hälfte derEingereisten ausmachten, werden tatsächlichschnell in andere Gemeindenverlegt, teilweise innerhalb wenigerTage. Für aus den Ländern Afrikasund Asiens Geflohene dauert derZAST -Aufenthalt bis zur Verlegungjedoch wesentlich länger; sie wohnenin der Regel einige Wochen bis mehrereMonate in der ZAST.Für den anderen Teil der Asylbewerberin der ZAST, die sog. Folgeantragsteller,sind die von OB Seilergenannten Zahlen gänzlich unzutreffend.Uns liegt eine Statistik vonEnde Januar 1988 über die aktuelleAufenthaltsdauer von 130 Folgeantragstellern(bei einer ZAST -Cesarntbelegungvon gut 600 Personen) vor.Danach sind nach den im Gemeinderatbetonten 2 Wochen 93 Prozent (<strong>12</strong>1Personen) der Zugänge noch in derZAST. 70 % sind länger als-zwei Monatedort, 35 % länger als vier Monate,10 % sogar länger als ein halbes Jahr.Die mittlere Aufenthaltsdauer beträgtmit 14 Wochen, mehr als einVierteljahr. Hiermit verdeutlichenwir, daß die im Gemeinderat in 'denVordergrund gestellte Zeitgrenze von2 Wochen für rund 300 bis 400 Personengar nicht eingehalten wird(nämlich die Hälfte der ErstantragssteIlerund 90 % der Folgeantragsteller).Entsprechend sind bereits im FNPbei der Ausstattung und Einbindungder neuen ZAST auch die Belange vonlänger dort Wohnenden zu berücksichtigen.Für die vorgesehenen Arbeitsstättengelten die Vorbehalte ohnehinohne Einschränkung. Die Ausweisungals Sondergebiet entledigt den Planungsträgernicht da von, entsprechendder vorrangigen Zweckbestimmungfür das Wohnen für eine angemesseneAusstattung Sorge zu tragen.Dies geschieht analog auch bei anderenSondergebieten mit vorwiegenderWohn-Nutzung (z.B. Studentenwohnheime,Altenpflegeheime),Aktuelle Aufenthaltsdauer der am15.3.88 untergebrachten AsylbewerberProzentanteil der Bewohner insgesamt6. Anregungen undAlternativenWir bitten insbesondere die betroffeneStadt Karlsruhc, sich auf ihre noch1987 bekräftigte Absage an den Fremdenhaßund auf ihr gutes Herz zu besinnen;auch die Bauleitplanung mußdie ungerechtfertigte Benachteiligungvon Ausländern verhindern helfenund Bedingungen schaffen, die gegenseitigesVerständnis und nachbarschaftlichesZusammenleben fördern.Die Stadt gibt mit der Flächenausweisungim FNP bereits Vorgaben für Einrichtungen,die selbst dem Land unterstehen.Die am Standort Ka-1 geplante Einrichtungist am falschen Ort, und dievorgesehene Bewohnerzahl ist zu'hoch. Die Bedingungen in der jetzigenZAST sind für die Bewohner schlecht.Die bisher in der Presse genanntenGründe für die Beseitigung der jctzigenZAST orientieren sich jedoch fastausschließlich an gestalterischenMaßstäben und rechtfertigen nicht,sich über die Wohn ansprüche von 800Menschen hinwegzusetzen. (So wirddie Herstellung des Areals KA-8 "Oststadtpark"einschließlich ZAST-Abrißso geplant, daß das ehemalige Lustschloßdes Markgrafen im alten Stilrecht gut zur Geltung kommt. Dieskann in einer demokratischen Gesellschaftnatürlich nicht ernsthaft vorrangigerMaßstab der Siedlungspolitikscin.)Grundsätzlich steht der Flüchtlingsrat'der Einrichtung umzäumterSammellager für Ausländer kritischgegenüber. Die Notwendigkeit odergesetzliche Vorschreibung von Lagernjedoch vorausgesetzt, müssen Mindestanforderungengestellt werden,die die Bildung von Ghettos verhindern.Unseres Er achtens sind kleinere,dezentrale Einrichtungen innerhalb, von Wohngebieten eher geeignet.Mit freundlichenGrüßenFLÜCHTLINGSRAT KARLSRUHEi.A.G. Schulz-Ehlbeck(Freundeskreis für AsylbewerberKarlsruhe e.V.)·10080Basis = 6.89/149 Personen, Lesebeispiel:48 % der Bewohner sind am Stichtag .seit mehr als 1 Monat inder ZASTKopie an:Stadt Karlsruhe. OB Seiler. Stadtplanungsarnt,Stadträte Kar/sruhe, Parteien,Verbände, Kirchen, Mitglieder,Einzelpersonen60Mitglieder des FlüchtlingsratsKarlsruhe:40o~--~--~====~~==~~~~~<strong>Aktion</strong> Partnerschaft Dritte Welt,amnesty international Karlsruhe, ArbeitskreisEntwicklungshilfe, Arbeits-20kreis gegen Ausländerfeindlichkeit,Grüne Liste, Karlsruher Liste, Freundeskreisfür Asylbewerber Karlsruhco 24 6 8 10 <strong>12</strong>14Monate Aufenthaltszeite. V., Freundeskreis für AsylbewerberWaldbronn, Volksfront gegen Reaktion,Faschismus und Krieg, Evangeli-Flüchllinge gesamt -e- Folgeantragstellersche Studentengemeinde, Pax Christi,Zur.Aufenthaltsdauer der Flüchtlinge in der ZAST Kar lsruhc,Arbe iterwohlfahrt.


Seite 62Die Behandlung von Asylbewerbern und Aussiedlernunwillkommene und willkommene FlüchtlingeI11Offiziell gibt es nur eine SorteFlüchtlinge~ Am 6. Oktober 1989 erklärte der Vertreter derBundesrepublik Deutschland vor dem Exekutivkomiteedes UNO-Hochkommissariats fürFlüchtlinge in Genf, daß die Bundesrepublikdieses Jahr weit mehr als 500000 Flüchtlingeaufnehmen werde. In diesem Jahr kamen biszum Oktober 235000 Aussiedler, mehr als<strong>12</strong>0000 Umsiedler und rund 86000 Asylbewerber.In der Erklärung vor der UNO erscheinenalle Flüchtlinge als gleich, behandelt werdensie höchst unterschiedlich. In der Öffentlichkeitwerden die Aus- und Übersiedler als Bereicherungder Bundesrepublik verkauft, mitden Asylbewerbern wird Angst- und Panikmachebetrieben.In den Jahren als sich die Zahl der Asylbewerberbei etwa 10000 Menschen pro Jahr bewegteund die Mehrzahl von ihnen aus demkommunistischen Machtbereich aus Osteuropakam, wurde das Grundrecht auf Asyl als Menschenrechtbetont. Als sich aber die Anzahlder Flüchtlinge in den Soer Jahren erhöhte -viele kamen ietzt aus Afrika und Asien - unddie 100000-Grenze überschritten wurde, wurdensie zur "Belastung" erklärt. An die Stelledes Kriteriums der Menschenrechte trat dasstaatliche Definitionsmonopol über die sogenannteZumutbarkeitsgrenze.Mit der Einführung der Visumspflicht für dieHerkunftsländer der Flüchtlinge, Anerkennungskriterienfür Asylbewerber, die sich nachden hiesigen nationalen Interessen und nichtnach der Menschenrechtssituation in denFluchtländern richteten, wurde das Grundrechtauf Asyl faktisch abgeschafft. "Asylmißbrauch", "Überfremdung", "Wirtschaftsflüchtlinge"und "durchrasste Gesellschaft" wurdenReizworte im Umgang mit den ausländischenFlüchtlingen.Die Kampagnen gegen Asylbewerber undAusländer wurden mit folgenden Argumentengeführt: Die Bundesrepublik Deutschland seikein Einwanderungsland. Schon heute lebtenzu viele Menschen auf zu wenig Raum, eineZuwanderung würde zu unlösbaren sozialenKonflikten führen. In der Bundesrepublik gäbees mehr als 2 Millionen Arbeitslose, um diesich der Staat zuerst kümmern müsse, Auslauderdürften den Deutschen keine Arbeitsplätzewegnehmen. Darüberhinaus wären die Ausländernicht integrationsfähig und anpassungswillig.Sie würden "unser" soziales Netz belasten."Unsere" Bildungseinrichtungen, "unser" Gesundheitssystem,"unser" Rentensystem und"unser" Wohnraum könnten nicht allen Menschenzur Verfügung gestellt werden.Auf ihrem Bundesparteitag in Bremen imSeptember 1989 nahm die CDU diese Argumentewieder auf und behauptete, daß derjenigeAusländerfeindlichkeit schüre, der nicht fürdie weitere Einschränkung des Asylrechts undfür einen "Einwandererstop" eintrete.Mit ihrer Aussiedlerpolitik widerlegtdie Bundesregierung all ihreausländerfeindlichen ArgumenteInsgesamt fällt auf, daß alle Argumente, diegegen den Aufenthalt der Asylbewerber undAusländer vorgebracht wurden, für die UmundAussiedler nicht gelten. In diesem Jahrwerden weit mehr als 150000 DDR-Bürger erwartet.Jeden Tag kommen etwa 400 DDR-Bürger mit einer regulären Ausreisegenehmigungin die Bundesrepublik. Über 50000 kamenallein im September und Oktober 1989 nachÖffnung der Grenzen in Ungarn über Österreich.In den nächsten Jahren rechnet die Bundesregierungmit insgesamt 3.5 Millionen AusundÜbersiedlern. Die Zahl der Neubürger istin den letzten 2 Jahren rapide gestiegen. Vor 3Jahren kamen nur 40000, 1988 waren es schon~oooo Menschen.Die Bundesregierung unternimmt nun den[: Versuch, den Bundesbürgern plausibel zu machen,daß einerseits in der Bundesrepublik keinPlatz für Asylbewerber sei, daß sie der Bevölkerungzur Last fielen und andererseits, daßdas Land die Aus- und Umsiedler dringendbrauche. In den letzten Monaten überschlugensich die Medien mit positiven Berichten überdie Umsiedler. Das Schicksal und die Fluchtwegeder DDR- Bürger wurden ausführlich geschildertund es vergeht kein Tag, an dem nichtzu einer Solidaritätsaktion aufgerufen oder


Seite 631I -fBegrüßung von DDR-Flüchtlingen durch denKarlsruher Oberbürgermeister. Die örtlichePresse wirbt täglich für Spenden.von einer solchen berichtet würde.Diese Informationsflut hatte zur Folge, daßsich die Haltung der Bevölkerung gegenüberden Umsiedlern verbesserte. Nach einerEmnid-Umfrage des "Spiegel" (39h989) sprachensich im September 62 % der Bundesbürgerdafür aus, alle DDR-Flüchtlinge aufzunehmenund sogar der Anteil derer, der die Aufnahmealler politischen Flüchtlinge befürwortete, erhöhtesich auf S4 %. Die Stimmung war nichtimmer so gut. Aus einer repräsentativen Meinungsumfrageim April 1989 ging hervor, "daßdie Bevölkerung mehr Angst vor Aussiedlernals vor einem Krieg habe."-Diese Erfahrungen zeigen, daß es durchausr: möglich ist, durch Aufklärung über die Lageder Flüchtenden, die Aufnahmebereitschaftder Bevölkerung zu beeinflussen. Wenn Politikerund Regierungen sich darauf berufen, daßdie Bevölkerung feindlich gegen die Flüchtlingeeingestellt sei und daß deshalb das Asylrechteingeschränkt werden müsse, so ist dieserzitierte Volkswille genau das Ergebnis ihrerausländerfeindlichen Propaganda.Die Politiker erklären, daß eine Eingliederungder Aus- und Umsiedler in der Bundesrepublikmöglich sei. Sie verweisen darauf, daßes in der Vergangenheit schon einmal möglichgewesen sei, unter weitaus schlechteren wirtschaftlichenBedingungen, ungefähr <strong>12</strong> MillionenFlüchtlinge aufzunehmen und. zu integrieren.Die Zahl der sogenannten "deutschen"Flüchtlinge ist 1989 mit ungefähr 400000 etwa4 mal so hoch wie die Zahl der Asylbewerber.Die Zahl der Asylbewerber, die seit 1949 in derBRD eine dauernde Bleibe gefunden haben, beläuftsich auf etwa 180000. Trotzdem wurdemit einer beispiellosen Hetze gegen die AsylbewerberPolitik und Wahlkampf gemacht. Wiekommt es zu dieser unterschiedlichen Behandlung?Im Merkblatt "Deutsche Aussiedler" machtdie Bundesregierung deutlich, "daß Aus- undUrnsiedler kraft Herkunft und Gesetz Deut- ,sehe sind". IINur Deutsche können als Aussiedleranerkannt werden." Hier wird deutlich, daßdie Haltung der Bundesregierung gegenüberden politschen Flüchtlingen und den Umsiedlernwenig mit der individuellen Lage dieser zutun hat, sondern allein von nationalistischenErwägungen bestimmt ist. Als Deutsche genießensie sofort alle Rechte, die den Ausländernverwehrt werden. Bei den Aussiedlernwird zum wichtigsten Ziel die Integration indie Bevölkerung erklärt.Die Aussiedler im Kalkülder WirtschaftBetrachtet man die Stellungnahmen der deutschenWirtschaft zur Immigration der Um- undAussiedler, so wird deutlich, daß es hier keineswegsum Fürsorge und Mitmenschlichkeitfür die Brüder und Schwestern aus dem Ostengeht, sondern daß auch sie eiskalt zum Objektder Wirtschaftsinteressen degradiert werden.Norbert Walter, Ökonom in der DeutschenBank, sieht im Zustrom der Um- und Aussiedlereine Verjüngungskur der deutschen Wirtschaft.Die deutsche Bevölkerung drohe zuvergreisen und dem wirke der Aussiedlerstromentgegen. Die Zuwanderer würden für mehrFlexibilität am Arbeitsplatz sorgen und einewichtige Rolle bei der Auflösung verkrusteterStrukturen spielen. Er beklagt, daß trotz derhohen Arbeitslosigkeit in Regionen mit hohemWirtschaftswachstum, Unternehmen bereitsheute Schwierigkeiten hätten, Arbeitskräftefür bestimmte Tätigkeiten zu finden. Daß Arbeitskräfteund selbst Arbeitslose heute kaumnoch bereit wären, einen einmal ausgeübtenBeruf oder einen angestammten Wohnort zuwechseln. Für ihn sind in einer Zeit rasantentechnischen Fortschritts und eines permanentenStrukturwandels mobile Arbeitskräfteaber eine wesentliche Voraussetzung für einkräftiges Wirtschaftswachstum. Er erinnert anden Beginn der fünfziger Jahre, wo Zuwandereraus dem Osten schon einmal für einen Wirt-gesorgt hätt~n: I~Sieließen si,ch in!den' Wachstumszentren nieder und ergriffenjene Berufe, die gefragt waren. Mit ihrer Hilfeblieb der Anstieg der Löhne hinter der Produktionsentwicklungzurück 11 (FAZ, 05.08.89).Norbert Walter sagt, wie auch andere, mit


Seite 64'..,..n~f~ll1vo.gekn!Wt.zu ~kn&iingu~ ein:I HelZ'l7rteisletIHeI~!en(."",uJllono leXe{jWSI lIi/fsm'beilet r.Pta/uJIi", lJ.leJIM, AllSZllbiloletda rfJc,ul; •• 11· ~acJ. • V€/'poekeriMeT/ . .filllmllJSie u"J I311tdt'll~ /tfi/atbeikrinl/f(/Itm~8e1ti0..f.Heftt, NOeiIurJiJJlNxlfI$ pI' 5/E ,,""ait pfire-romilie Ikl. OB303j8l1xJcd fPJO. Iffe/J.rSNt!ht-_«.t! .•,.."••..•.•. j


Seite 65Neubau der Zentralen Anlaufstell,e für Asylbewerberdes Landes Baden-Württemberg (ZAST) in KarlsruheStationen einer AuseinandersetzungI~I1979/ 80 Einrichtung der ZAST in Karlsruhe.Wohnblocks aus den yoer Jahren an derWolfartsweierer Strasse werden zum Flüchtlingslagerumgebaut. Das Diakonische Werk der evangelischenKirche richtet eine Beratungsstelle im neuen Lagerein.Juli 83 Die Stadt Karlsruhe und das Land Baden-Württembergvereinbaren den Wiederaufbauder Ruine Gottesaue, die direkt neben derZAST liegt; der Bau soll bis 1987fertig sein. Dabei istauch der Abriß der ZAST und anderer Häuser nach1993vorgesehen.Sept. 85 DieZAST ist mit etwa 1100 Bewohnernvöllig überbelegt. Die gespannten Verhältnisseführen zu Gewalttätigkeiten. Flüchtlingeprotestieren mit einem Hungerstreik gegen die Unterbringung.30.06.87 Der Gemeinderat der Stadt Kar lsruhebeschließt auf Antrag der SPD eine Erklärunggegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit.Im Lauf der Diskussion fällt von der CDU die "Außerung",Karlsruhe sei ohnehin als "Stadt des guten Herzens"bekannt und brauche so eine Erklärung nicht.Die Resolution verurteilt u.a, jegliche Form der Ausgrcnzungvon Ausländern.Mitte 87 Der Karlsruher Flüchtlingsrat wird gegründet.Verschiedene Organisationenaus Karlsruhe und .Urngebung, die in ihrer Arbeithauptsächlich oder gelegentlich mit Flüchtlingen zutun haben, beschließen, ihre Tätigkeiten in diesemGremium zu koordinieren.Erstes Fest des Flüchtlingsrates aufdem Kronenplatz zum "Tag des Flüchtlings".30. I 1.87 Der Flüchtlingsrat erfährt von den Plänender Stadt, die ZAST vom jetzigenStandort an den Gaskessel zu verlegen. In einern Briefan den Planungsausschuß des Gemeinderats werdenschwere Bedenken gegen diese Maßnahme vorgebracht.Insbesondere wird die isolierte Lage kritisiertund eine Unterbringung.in intakten Wohngebieten gefordert.15. I 2.87 Der Gemeinderat berät über die Anderungdes Karlsruher Flächennutzungsplanes(FNP), die den ZAST -Ncubau planerisch absichernsoll. Auch die Kritik des, Flüchtlingsrateskommt zur Sprache. Oberbürgermeister G. Seilerschmettert jegliche Kritik mit dem Hinweis auf eineangeblich nur kurze Aufenthaltszeit der Flüchtlingeim Lager ab. Grüne Liste und Karlsruher Liste lehnendas Vorhaben ab. Die SPD glaubt, es gäbe später nocheinmal eine weitere Entscheidungsmöglichkeit undstimmt "zunächst einmal" zu. Die FDP gibt .an, dieKritik des Flüchtlingsrates teilweise mitzutragen,stimmt aber trotzdem zu. Die CDU-Fraktion stimmtohne Vorbehalte zu. Damit wird die FNP-Anderungbeschlossen. Bau-Bürgermeister Erwin Sack (SPD)gibt gleichzeitig eine mündliche Zusicherung, daß derGasbehälter "weg" kommt.18.<strong>12</strong>.87 Bürgermeister Sack beantwortet denBrief des Flüchtlingsrates, um dessenBedenken auszuräumen. Er legtu.a. dar, "der Standort... wurde gewählt, weil das Gelände in städtischerHand, erschlossen und schnell verfügbar ist." Er bietetein Gespräch zur Klärung an.. 3°.01.88 Der Flüchtlingsrat schreibt wiederuman Bgrn. Sack, die Bedenken seien keineswegsausgeräumt, vielmehr sei die Lagerkonzeptioninsgesamt verfehlt und die Kritikpunkte amStandort bestünden weiterhin. In der örtlichen Tageszeitung"BNN" wird ein entsprechender Leserbriefdes Flüchtlingsrates veröffentlicht.25.02.88 Bgm. Sack weist nunmehr darauf hin,daß die Stadt eigentlich nicht zuständigsei, sondern vielmehr das Land. Das angebotene Gesprächsoll im Regierungspräsidium, gemeinsam mitdem zuständigen Beamten, stattfinden.29.02.88 Die Anderung des FNP wird für einenMonat der Öffentlichkeit zur Stellungnahmevorgelegt.21.03.88 Der Flüchtlingsrat erhebt beim PlanungsträgerEinwände gegen die FNP-Anderung, soweit sie den ZAST -Neubau betrifft.Hauptkritikpunk te sind der isolierte und lärmbelasteteStandort und die beabsichtigte dichte Belegung.Der Flüchtlingsrat widerspricht hier auch der Behauptungvon der nur kurzen Aufenthaltdauer undweist nach, daß viele Flüchtlinge monatelang - bisüber ein Jahr - in der ZAST wohnen. Der Flüchtlingsratgibt allen Gemeinderäten seine Einwendungen zurKenntnis.23.04.88 Das Stuttgarter Innenministerium v,..röffentlichtauf Anfrage genauere Zahlenüber die Aufenthaltszeit der Flüchtlinge in derZAST. Es stellt sich heraus, daß die 689 Personen, dieam Stichtag (15.03.88) in der ZAST wohnen, imDurchschnitt 2,2 Monate dort sind, ein Flüchtling sogarseit 22 Monaten. Der Flüchtlingsrat teilt dieseZahlen dem Gemeinderat und anderen Verbänden mit.


Seite 6619.05.88 Ein Gespräch zwischen Vertretern desFlüchtlingsrates. Bürgermeister E.Sack, Baudirektor Bürger vom Regierungspräsidium,dem Lagerleiter Raißle und seinem StellvertreterWeiß findet statt. Bgm. Sack stellt das bauliche Konzeptder neuen lAST dar. Wesentlich Neues ergibtsich dabei nicht. Sobald es um die schlechte Behandlungder Flüchtlinge geht, weist Bgm. Sack auf eineNichtzuständigkeit der Stadt hin, Herr Bürger verweistauf seine Anweisungen, die von der übergeordnetenLandesregierung kommen. Bgrn. Sack verweistauf eine Stellungnahme des Pfarrers Kar! vom DiakonischenWerk, der den Neubau teilweise gutheißt.Nach dem Gespräch schließt Bgm. Sack mit der Feststellung,man hätte den Bau ha lt besser schon vor derGründung des Flüchtliugsra tes errichten sollen.20.05.88 Die Badischen Neuesten Nachrichtenberichten unter dem Titel "Flüchtlingsratkritisiert erneut ,lAST-Neubaupläne" erstmaligüber die Kritik des Flüchtlingsrat. In einem Kommentar"Schlechtes Gewissen" wird deutlich, daß dieStadt die Gettoisierung der Flüchtlinge will. In einemLeserbrief (18.06.88) bekräftigt der Flüchtlingsratseine Kritik an der Stadt und der Position des DiakonischenWerks.29.06.88 Der Nachbarscha ftsverband Karlsruhe,das offizelle Entscheidungsgremium,beschließt auf Antrag der Stadt Karlsruhe die ~nderungdes FNP wie beabsichtigt. Die Bedenken desFlüchtlingsrates werden zurückgewiesen: "Die Verlagerungder lAST vom jetzigen Standort an der WolfartsweiererStrasse ist insbesondere wegen der z.Z:unzulänglichen Unterbringung der Asylbewerber,aber auch wegen der Umgestaltung des Areals um dasSchloß Gottesaue (Stadttcilpark u.a.) erforderlich.Stadt Karlsruhe und Land Baden- Württemberg habensich einvernehmlich für das Verbleiben der lAST inKarlsruhe entschieden. Diese kann jedoch aus organisatorischenGründen nicht in kleinere, dezentraleEinrichtungen aufgeteilt werden (u.a, wegen Verwaltungund Sozialbetr euung). Bei Überprüfung von 1IStandortalternativen hat sich das Gelände des altenBauhofs in der Durlacher Allee als der noch am ehestengeeignete Standort für den Neubau der lAST erwiesen.lwar ist die dominante Lärmquelle die BahnlinieKarlsruhe-Mannheim, Untersuchungen ergabenjedoch, daß durch Maßnahmen am Projekt selbst(Grundriß, Eigenabschirmung, passiver Schallschutz)ein ausreichender Schallschutz möglich ist. Mit derEinrichtung der lAST soll auch der wichtige Stadteingangvon Osten her aufgewertet werden, u.a, durcheine anspruchsvolle bauliche Gestaltung ~er lASTselbst und durch den Abbruch des Gasbehälters." (Mitteilungdes Nachbarschaftsverbandes Karlsruhe vom21.06.1988) Damit ist der Weg zum Neubau des Sammellagersfrei.27.06.88 Ein Gespräch zwischen Vertretern derSPD-Fraktion des Gemeinderates undVertretern des Flüchtlingsrates findet im Haus Solmsin Karlsruhe statt. Dabei wird deutlich, daß die SPD-Fraktion keine grundsätzliche Kritik an der lAST hat.Es werden lediglich Detailveränderungen an Speiseplänenund der Nationalitäten-Zusammenstellung inden Zimmern angestrebt.19.08.88 Interview des Flüchtlingsrats mit·Flüchtlingen aus der lAST. Drei Asylbewerberschildern die bedrückenden Verhältnisse imLager aus eigener Anschauung. Abschiebungen, psychischeBelastungen, Schikanen der Lagerverwaltungund der Hausmeister, Mängel beim Essen und derKleiderversorgung kommen zur Sprache. Der Interviewtextwird den Medien übergeben und bei mehrerenInformationsständen des Flüchtlingsrates öffentlichverteilt.26.08.88 Die SPD-Fraktion teilt dem Flüchtlingsratmit, daß weitere Diskussionenüber das Thema lAST nur noch im Ausländerbeiratder Stadt stattfinden sollen.Aug. 88 OB Seiler lehnt einen Antrag der GL-Frak tion, seitens der Stadt Karlsruheein öffentliches Hearing zum Neubau der lASTdurchzuführen, ab. Die Standortfrage der lAST seiwiederholt beraten und bereits entschieden worden.Bauliches Konzept, psychologische Fragestellungensowie eventuelle Alternativen lägen allein im Zustandigkeitsbereichdes Landes.07.09.88 Sitzung des Ausländerbeirates derStadt Karlsruhe: unter anderem wirdder ZAST-Neubau besprochen. Die Sitzung ist nichtöffentlich, eine öffentliche Vorstellung der lAST-Pläne wird vom Regierungspräsidium abgelehnt. DieErläuterung der alterna tiven Standorte, die in Erwägunggezogen worden waren, zeigt, daß die Stadt nochweitaus schlechtere Möglichkeiten als die jetzt beschlossenebevorzugt ha tte. Eine Diskussion zwischenBürgermeister Vöhringer und Herrn Bürger vom Regicrungspräsidiumbestätigt, daß die Stadt Karlsruhedie treibende Kraft bei der Verlagerung der lAST war'und ist. Pfarrer Kar! vom evangelischen Gemeindedienstbegrüßt den Neubau ausdrücklich. Der Vertreterdes Flüchtlingsrates stellt seine Ablehnung derNeubaupläne dar. Einwände der ausländischen Beiratsmitgliedergegen den lAST -Neubau werden vonBürgermeister Vöhringer mit dem Hinweis zurückgewiesen,daß nur das Regierungspräsidium für die Planungzuständig sei.2 1.09.88 Der Flüchtlingsrat widerspricht der Positionder SPD, die lAST nur noch imAusländerbeirat zu behandeln, in einem Schreiben anden Fraktionsgeschäftsführer Fischer. Der Flüchtlingsratstellt weiter die Forderung nach einer öffentlichenAnhörung über die lAST -Neubaupläne.01.10.88 Beim "Fest des ausländischen Mitbürgers"auf dem Kronenplatz in Karlsruheerhebt der Flüchtlingsrat öffentlichen Protest gegendie ZAST -Plane der Stadt. Bei der oberflächlich "ausländerfreundlichen",aber völlig unverbindlichen Eröffnungredevon Oberbürgermeister G. Seiler wird einTransparent aufgebaut: "Stadt Karlsruhe will ein neuesGhetto für Flüchtlinge. Wir nicht." Der OB geht daraufnicht ein. Ein Informationsstand und ein Redebeitragdes Flüchtlingsrates konkretisieren die Kritik.(10.10.88 Stadträtin Aune Riehle (GL) erkundigtsich in einer Gemeinderatsanfrage beider Verwaltung nach einer vermuteten Kontaminierungdes lAST -Bauplatzes mit Schwermetallen undanderen Giftstoffen.


Seite 6713.<strong>12</strong>.88 Im Gemeinderat wird die Anfrage derStadträtin Riehle zu Giftstoffen aufdem lAST-Bauplatz beantwortet. Die Existenz vonerheblichen Konzentrationen von Blei, Kupfer undlink im Boden wird zugegeben. Da die Schwermetallejedoch nur zum geringeren Teil in wasserlöslicherForm vorliegen, hält die Verwaltung eine Sanierungnicht für erforderlich. Weiterhin wird zugegeben, daßaus dem Boden in Teilbereichen permanent Methan-Gas entweicht. Daher soll in den nicht unterkellertenBereichen eine Belüftung des Gebäudesockels vorgesehenwerden; wo für die Unterkellerung (des Verpflegungsgebäudesund eines Teils des Männerblocks) Bodenausgehoben werden muß, soll nachher unverseuchterBoden eingebaut werden, der Bodenaushubmuß auf eine Mülldeponie gebracht werden; ansonstenmuß überall eine Schicht unbelasteten Bodens aufgetragenwerden. Die Kontaminierungen werden durcheine alte Hausmülldeponie an dieser Stelle erklärt. Inder gleichen Sitzung beschließt der Gemeinderat, dasin städtischem Eigentum befindliche Grundstück andie Landesentwicklungsgesellschaft LEG für 50 Jahrein Erbpacht zu geben. Wegen der festgestellten Giftstoffewird der LEG eine wesentliche Minderung desPachtzinses zugestanden: Von der an sich zu erhebendenPacht von 107000 DM pro Jahr erläßt die Stadtdeswegen 36000 DM pro Jahr; vom Rest erläßt dieStadt weitere drei Viertel, solange des Gelände alslAST genutzt wird, so daß nur noch ein Pachtzins von18000 DM pro Jahr (für 20000 qm Bauland) verbleibt.Die Stadt trägt weiterhin das Risiko von allen späternoch bekannt werdenden Altlasten, die weitereKosten verursachen.Dez. 88 Die Stadt Kar lsruhe erteilt der LEG dieBaugenehmigung, unter Befreiung vomgeltenden Bebauungsplan, der jegliche soziale Einrichtungenin diesem Gebiet ausschließt. Der Flüchtlingsratbeauftragt eine Karlsruher Rechtsanwaltskanzlei,die Möglichkeit von Rechtsmitteln gegendiese Entscheidung zu prüfen. Es zeigt sich, daß allevon seiten des Flüchtlingsrates einlegbaren Rechtsmittelnur eine geringfügige Verzögerung des Bauesbewirken könnten und keinen entscheidenden Einflußhaben könnten.Dez. 88 OB Seiler entwickelt die Idee, Karlsruhefür eine Bundesgartenschau um dieJahrtausendwende vorzuschlagen. Das Gelände sollauch die jetzige lAST umfassen.01.01.89 lnkrafttreten des "Karlsruher Modells"in Kar lsruhe: Die Anhörungen der Asylbewerberdurch die Ausländerbehörde und durch dieAußensteIle des Bundesamtes finden innerhalb einigerTage nach der Ankunft in Karlsruhe in der lAST statt.lu nächst gilt dieses Verfahren nur fUr einige Herkunftsländer.01.01.89 In Baden-Württemberg tritt das neue"Asylbewerber Unterbringungsgesetz(AsyIUG)" in Kraft. Es enthält zahlreiche Verschlechterungenfür die Situation der Asylbewerber in denGemeinden.J an. 89 Baubeginn an der neuen lAST Karlsruhedurch die Rastätter Baufirma Weißenburgerund das Spezialtiefbauunternehmen GKNKeller.18.02.89 Protestaktion von etwa 100 Flüchtlingenin der (alten) lAST. Ein Essensboykottsoll auf die Lebensbedingungen in der lAST hinweisen:- Wenig und schlechtes Essen,- unhygienische Duschen und Toiletten,- unzureichendes Taschengeld,- unzulängliche Versorgung mit Kleidung,- schikanöse Kontrollen ander Pforte und im Lager,- Besondere Belastungen für Folgeantragsteller ,- keine Gesprächsbereitschaft der offiziellen Stellen.Vier Mitglieder des Flüchtlingsrates, die auf Bitte derFlüchtlinge als Beobachter anwesend sind, erhaltenvon der Lagerleitung Hausverbot, das auf Protestnach einigen Wochen wieder zurückgenommen wird.Eine Presseerklärung veröffentlicht den Protest desFlüchtlingsrates. Verbesserungen der Lagerverhältnissewerden nicht erreicht.18.03.89 Der Flüchtlingsrat veranstaltet gemeinsammit der Landtagsfraktion derGrünen eine eintägige öffentliche Expertenanhörung(Hearing) "Gegen Sammellager und lAST-Neubau" inKarlsruhe. Daran anschließend findet ein Besuch deralten lAST statt, der die dargestellten Mißstände bestätigt.25.08.89 Der Freundeskreis für AsylbewerberKarlsruhe fragt beim lAST -BauherrnLEG nach Informationen über den Bau und den beabsichtigtenBezugstermin an. - Nach 4 Wochen lehntdie LEG nach Rücksprache mit dem Regierungspräsidiumund der Landesregierung die Preisgabe jeglicherInformationen mit dem Hinweis auf "Sicherhe itsaspekte"ab.<strong>12</strong>.09.89 Der Gemeinderat der Stadt Karlsruhebeschließt die Bewerbung für die Bundesgartenschau2001. Dabei soll auch die KriegstraßeOst als Schnellstraße entlang der neuen lAST ausgebautwerden. - Der Bau an der neuen lAST ist mittlerweileweit fortgeschritten. Der größte Teil des 190m langen "Männerblocks" entlang des Bahndamms istim Rohbau fertiggestellt. Der "Frauen-/Familienblock"ist im Rohbau fertig. Die Ausbauarbeiten beginnen.Die Arbeiten am Verwaltungs- und Verpflegungsgebäudelaufen. Der Gasbehälter besteht weiterhin.01.10.89 Bundesweites Inkrafttreten des "KarlsruherModells": Auf Beschluß aller Innenministerder Länder soll die Dauer der Asylverfahrenextrem beschleunigt werden. Dadurch ist auchbeabsichtigt, eine Information der Flüchtlinge überihre Rechte und über das geltende Asylverfahren zuunterbinden. Flüchtlingsräte und Asylgruppen aus derganzen BRD lehnen das Verfahren als weiteren Beitragzur Abschaffung der Asylgewährung ab. DerFlüchtlingsrat Karlsruhe hat seine Kritik am Modellin Presseerklärungen veröffentlicht und seine bisherigenErfahrungen mit dem Modell am Ort den Asylgruppenbundesweit zur Verfügung gestellt.Ok t , 89 Parallel zur "Anne-Frank"-Ausstellungdes Stadtjugendausschusses Karlsruhezeigen Mitglieder des Freundeskreises für Asylbewerberund des Flüchtlingsrates eine öffentliche Ausstellung"Flüchtlinge heute"; dabei wird auch die Problematikdes Karlsruher Sammellagers und des lAST-Neubaus dargestellt.(Gerhard Schulz-Ehlbeck, Flüchtlingsrat Karlsruhe)


Neubauplan für die Zentrale AnlaufsteIle für Asylbewerber(ZAST) des Landes Baden-Württemberc In Karlaruh"'0""'Sro ....••Vl

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