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Mai 2006 - Ihr Alfahosting Team!

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14 Mozart-Kanons | CHORTIROL<br />

Während die großen Opernkompositionen,<br />

die Messen<br />

und das Requiem eine Fülle<br />

an eindrucksvoller Musik für<br />

Gesang und Chor beinhalten,<br />

machen Lieder und eigenständige<br />

Chorstücke nur<br />

einen geringen Teil innerhalb<br />

Mozarts Gesamtschaffen<br />

aus. Im Allgemeinen als<br />

Gelegenheitskompositionen<br />

betrachtet, wird ihnen meist<br />

auch keine große Bedeutung<br />

beigemessen. Dennoch, einige<br />

dieser Stücke würden es<br />

verdienen, häufi ger gesungen<br />

zu werden, so auch die<br />

Vokalkanons, die eine ganz<br />

eigene, ausgesprochen originelle<br />

Facette Mozarts widerspiegeln.<br />

Die ersten Kanons aus Mozarts<br />

Feder stammen aus der<br />

Zeit der ersten Italienreise<br />

1770 und dienten in erster<br />

Linie Übungszwecken. Der<br />

14-jährige Mozart nahm auf<br />

dieser Reise Unterricht beim<br />

damals berühmtesten Musiklehrer<br />

Italiens, dem Franziskanerpater<br />

Martini. Dieser<br />

beauftragte den jungen<br />

Schüler unter anderem mit<br />

der Lösung einiger Kanons<br />

aus seiner Schrift Storia della<br />

musica, in der er, dem gerade<br />

behandelten Inhalt entsprechend,<br />

an den Anfang<br />

und den Schluss jedes Kapitels<br />

einen Rätselkanon stellt.<br />

Auch in späteren Jahren<br />

dürfte sich Mozart noch mit<br />

den Kanons aus der Storia<br />

della musica befasst haben.<br />

Der um 1782 datierte Kanon<br />

V’amo di core KV 348<br />

(382g) ist strukturell sehr eng<br />

Padre Martinis 16-stimmigem<br />

Iste est David vom Ende<br />

des ersten Kapitels aus dem<br />

Mozarts Kanons – auch diese Gattung lebt von Vielfalt<br />

ersten Band nachempfunden.<br />

Sogar Einzelheiten der<br />

Harmoniefolge Martinis fi nden<br />

sich in Mozarts Kanon<br />

wieder, der allerdings nach<br />

dessen Tod von Maximilian<br />

Stadler ergänzt wurde und<br />

zudem „nur“ zwölfstimmig<br />

realisierbar ist. Ein weiterer<br />

markanter Unterschied zu<br />

Iste est David liegt darin,<br />

dass Mozart seinem Kanon<br />

statt eines geistlichen lateinischen<br />

Textes ein italienisches<br />

Liebesgedicht zugrunde legt.<br />

Mit dem Einsatz der dritten<br />

Stimme „uh, che dolore, uh<br />

che tormento“ bringt er<br />

schließlich komische Elemente<br />

in die zuvor sehr zärtliche<br />

Liebeserklärung. In späteren<br />

Jahren benutzte auch Mozart<br />

Kanons als Unterrichtsmaterial.<br />

In einem Übungsheft des<br />

englischen Komponisten Thomas<br />

Attwood aus dem Sommer<br />

1785, damals Schüler<br />

Mozarts, fi nden sich beispielsweise<br />

drei- und vierstimmige<br />

Kanons des berühmten<br />

Lehrers.<br />

Abgesehen von den pädagogischen<br />

Übungen schrieb<br />

Mozart auch eine Reihe<br />

kunstvoller, ausdrucksintensiver<br />

Kanons. Zu dieser Gruppe<br />

zählen die drei geistlichen<br />

Stücke Kyrie a cinque con<br />

diversi canoni KV 89 (73k),<br />

Alleluja KV 553 und Ave Maria<br />

KV 554. Allein das Kyrie<br />

beruht textlich auf der vollständigen<br />

liturgischen Vorlage,<br />

während sich die Texte<br />

der beiden anderen Kanons<br />

auf die Worte „Alleluja“ und<br />

„Amen“, sowie den Mariengruß<br />

beschränken. Alleluja<br />

stammt aus dem Jahr 1788<br />

und basiert auf der gregorianischen<br />

„Alleluja-Intonation“<br />

aus der Karsamstagsliturgie.<br />

Besonders reizvoll an diesem<br />

Kanon ist die kunstvoll<br />

geführte Gegenbewegung<br />

der Stimmen. Das Ave Maria<br />

ist im Gegensatz dazu<br />

von häufi ger Parallelführung<br />

der Stimmen gekennzeichnet.<br />

Darüber hinaus sind<br />

zwei italienischsprachige<br />

Kanons erhalten, in denen<br />

Liebeskummer zum Ausdruck<br />

gebracht wird. Dementsprechend<br />

sind diese beiden<br />

Stücke Lacrimoso son’io KV<br />

555 und Nascoso è il mio<br />

sol KV 557 durch eine elegisch<br />

seufzende Moll-Stimmung<br />

gekennzeichnet.<br />

Am geläufi gsten und am<br />

weitesten verbreitet sind<br />

aber Mozarts Gesellschaftskanons,<br />

von denen sich bis<br />

heute einige im Repertoire<br />

zahlreicher Vokalensembles<br />

und Chöre gehalten haben.<br />

Diese Stücke sorgen durch<br />

ihren häufi g recht derben<br />

Humor wohl immer wieder<br />

für ein Schmunzeln. Von<br />

handfester Melodik, einem<br />

schlagkräftigen Rhythmus<br />

und von einfacher Harmonik<br />

geprägt, besitzen sie – zumindest<br />

in ihrer Originalfassung<br />

– meist komische oder<br />

gar obszöne Texte. Titel wie<br />

Bona nox! bist a rechta Ox<br />

KV 561, Leck mich im Arsch<br />

KV 231 oder vielleicht auch<br />

O du eselhafter Peierl! O du<br />

Peirlicher Esel! KV 560a sind<br />

vermutlich den meisten SängerInnen<br />

schon einmal untergekommen.<br />

Oft werden sie<br />

als erheiternde Aufl ockerung<br />

in Konzerte eingebaut, denn<br />

heutzutage hat man keine<br />

Scheu, Lieder mit derartigen<br />

Texten öffentlich vorzutragen.<br />

Zu Mozarts Zeiten aber<br />

„verbot“ das wachsende<br />

bürgerliche Anstandsgefühl<br />

die Veröffentlichung solcher<br />

Texte. Die Kanons wurden<br />

daher in frühen Ausgaben<br />

von den obszönen Textstellen<br />

befreit, oder man unterlegte<br />

ihnen überhaupt einen völlig<br />

neuen, unverfänglichen Text.<br />

Eine ganze Reihe von Um-<br />

und Neutextierungen sind<br />

uns heute bekannt, und nicht<br />

selten wurden derselben Melodie<br />

viele verschiedene Texte<br />

unterlegt.<br />

Gleichzeitig herrschte aber<br />

in der Gesellschaft des 18.<br />

Jahrhunderts – ebenso auch<br />

innerhalb der Familie Mozart<br />

und deren Freundeskreis<br />

– ein in Bezug auf intime<br />

Anspielungen und erotische<br />

Andeutungen weitaus offenerer<br />

und ungenierterer<br />

Umgangston als heutzutage,<br />

wie es uns einige Briefstellen<br />

vermitteln. So fi ndet sich ein<br />

Großteil des späteren Textes<br />

zum bekannten Kanon Bona<br />

nox! bist a rechta Ox bereits<br />

11 Jahre vor dessen Entstehung<br />

1777 in einem Brief<br />

von Mozarts Mutter aus Paris<br />

an ihren Mann:<br />

„[...] den ganzen dag haben<br />

wür visiten, leben wie die<br />

fürsten Kinder, bis uns holt<br />

der schinder. Adio ben mio<br />

leb gsund, Reck den arsch<br />

zum mund. Ich winsch ein<br />

guete nacht, scheiss ins beth<br />

das Kracht, es ist schon über<br />

oas ietzt kanst selber Reimen.<br />

sch Maria Anna Mozartin.“<br />

Der Kanontext schließlich<br />

lautet wie folgt:<br />

„Bona nox! Bist a rechta<br />

Ox; bona notte, liebe Lotte;<br />

bonne nuit, pfui, pfui; good<br />

night, good night, heut müss<br />

ma noch weit; gute Nacht,<br />

gute Nacht, scheiß ins Bett,<br />

dass’ kracht; gute Nacht,<br />

schlaf fei g’sund und reck<br />

den Arsch zum Mund.“<br />

Auch Wolfgang Amadeus<br />

Mozart fand in seinen Briefen<br />

immer wieder Gefallen<br />

an einer vulgären Ausdrucksweise.<br />

Speziell in den Briefen<br />

an seine Kusine Maria Anna<br />

Thekla, dem „Bäsle“, wimmelt<br />

es oft nur so von derben<br />

Ausdrücken und Schimpfwörtern,<br />

so auch im Brief<br />

vom 28. Februar 1778:<br />

„[...] ob sie noch dann und

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