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Gödelitzer Rede: Landwirtschaft am Scheideweg - MdB Friedrich ...

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<strong>Friedrich</strong> OstendorffMitglied des Deutschen BundestagesSprecher für Agrarpolitik der Fraktion Bündnis 90/GrüneStellv. Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung,<strong>Landwirtschaft</strong> und Verbraucherschutz<strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong>Vortrag vor dem Ost-West-Forum, Gut Gödelitz <strong>am</strong> 3. Dezember 2011Sehr geehrter Herr Schmidt-Gödelitz, meine D<strong>am</strong>en und Herren!Wir stehen dieser Tage einmal wieder vor einem Lebensmittelskandal. Dieses mal geht esum Antibiotika in der Tierhaltung. Und wie bei jedem neuen Lebensmittelskandal der letztenJahre vollzieht sich in Berlin ein inzwischen geübtes Ritual: Die Presse möchte wissen, ob essich um einen Fehler im System handelt und Regierung und Bauernverband erklären unisono:Nein, alles nur Einzelfälle, alles nur schwarze Schafe.Beim Dioxin-Skandal zur Jahreswende 2010/11 stellten sich Frau Aigner und BauerpräsidentSonnleitner vor die vers<strong>am</strong>melte Öffentlichkeit und lieferten sich einen Wettbewerb darum,wer die härteren Strafen für die schwarzen Schafe der Branche forderte, nur um nicht zugebenzu müssen, dass es sich vielleicht doch um einen Fehler im System handelt.Als vor ein paar Wochen mal wieder die Bilder über katastrophale Zustände in der Geflügelhaltungdurchs Fernsehen gingen sofort wieder der gleiche Reflex: Einzelfälle und schwarzeSchafe. Wer wagt etwas anderes zu sagen, wird gern auch etwas härter angegangen undman wird dann schon mal selbst im Deutschen Bundestag als „Nestbeschmutzer“ u.ä. beschimpft.Sie können das gern im Protokoll nachlesen.Beim aktuellen Antibiotika-Skandal das gleiche Bild: Der Grüne <strong>Landwirtschaft</strong>sminister inNRW Johannes Remmel hat eine Studie über die Verwendung von Antibiotika in der Geflügelhaltungin Auftrag gegeben. Ergebnis: Über 96% der Hühner erhalten in ihrem kurzenLeben Antibiotika, in der Regel mehrfach und mit verschiedenen Wirkstoffen. Der CDU-Agrarsprecher Holzenk<strong>am</strong>p – gleichzeitig stellvertretender Agravis-Chef und stellvertretenderLandvolkpräsident in Niedersachsen – interpretierte den Fall im Bundestag wie folgt: Nurkranke Tiere werden behandelt, einen systematischen Einsatz von Antibiotika in der Geflügelmastgibt es nicht. Auch das können Sie im Bundestagsprotokoll nachlesen.Meine D<strong>am</strong>en und Herren, ich glaube es ist an der Zeit einzugestehen, dass wir es nicht nurmit schwarzen Schafen und Einzelfällen zu tun haben, sondern mit einem falschen System.Denn egal ob 96% der Hühner so krank sind, dass sie Antibiotika brauchen oder ob 96% derTiere Antibiotika zur Leistungsförderung erhalten: Hier läuft etwas grundsätzlich schief! DieseHaltung von Hühnern, Puten und Schweinen, die auf engstem Raum zus<strong>am</strong>mengepferchtnie das Tageslicht sehen, ist grundsätzlich falsch.Und weil hier etwas grundsätzlich schief läuft bringt es nichts, immer wieder nur den angeblichenschwarzen Schafen hinterher zu laufen, sondern wir müssen die Systemfrage stellen.Und zwar jetzt und nicht irgendwann. Wir stehen in der <strong>Landwirtschaft</strong> und in der Agrarpolitikin der Tat an einem <strong>Scheideweg</strong>.Ostendorff – Ost-West-Forum Gut Gödelitz 03/12/11 – <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong> – Seite 1 von 5


Das landwirtschaftliche System insges<strong>am</strong>t ist eben nicht mehr das der glücklichen Kühe aufden Milchtüten und der Schweine mit Ringelschwanz im Stroh, die Sie von jeder Broschüredes Bauernverbands mit großen Augen anschauen. Diese Tiere gibt es noch. Natürlich arbeitenviele Bäuerinnen und Bauern so, wie wir es uns vorstellen und wünschen. Aber in derMasse sieht es eben anders aus.Wir erleben heute die absolute Dominanz eines industriellen Agrarmodells. Dieses industrielleModell betrachtet die <strong>Landwirtschaft</strong> als Fabrik, die mit den Inputs Düngemittel, Treibstoff,Futter aber auch mit Antibiotika, Schmerzmitteln und Coccidiostatika usw. Outputs wie Getreideund Fleisch produziert. Dieses Modell wird an den Hochschulen gelehrt. In der DDRwurde dieses Modell unter dem Motto propagiert: „Ohne Gott und Sonnenschein bringen wirdie Ernte ein!“ Nach diesem industriellen Modell arbeitet heute die <strong>Landwirtschaft</strong>.Das Paradebeispiel für die Industrialisierung der <strong>Landwirtschaft</strong> ist seit langer Zeit die Geflügelhaltung.Zwischen 1961 und 2009 ist die Geflügelproduktion weltweit von 7,5 auf 80,3Millionen Tonnen gestiegen. Schon zur Jahrtausendwende kontrollierten Industrieunternehmen74% der Geflügelproduktion. In den Haupterzeugerländern dominieren wenige Konzerneden Markt. In den USA hält Tyson Foods 23% der Produktion und produziert 41 MillionenHühner pro Woche. In Deutschland hält PHW, besser bekannt als Wiesenhof von Paul HeinzWesjohann, 40% des Marktes und sein Bruder 70% der Züchtung. Bei der Produktion vonGeflügelimpfstoffen hält der Konzern gar 80% des Weltmarktes.Besuchen Sie mal Wiesenhof, Sie werden beeindruckt sein. Ich jedenfalls war es. Das sindFabriken, die mit beeindruckender Effizienz Fleisch produzieren, 22 Tiere pro Quadratmeterbzw. – wie es in der Branche heißt – 36-39 kg Fleisch pro Quadratmeter. Ein Eldorado fürAgrarökonomen, nirgends lassen sich Skaleneffekte besser besichtigen als in der GeflügelundSchweinehaltung.Aber diese industrielle Wunderwelt hat eine Kehrseite, die ich kurz an den drei großen globalenHerausforderungen aufzeigen möchte: Klimawandel, Verlust an Biologischer Vielfalt und Welternährung.Momentan läuft in Durban die Weltklimakonferenz. Die <strong>Landwirtschaft</strong> steht dabei zentral <strong>am</strong>Pranger. Laut FAO trägt die Lebensmittelbranche über 20% zu den Klimagas-Emissionenbei, 2/3 davon die Primärproduktion, sprich die <strong>Landwirtschaft</strong>. Laut Umweltbundes<strong>am</strong>tst<strong>am</strong>men weltweit 50% der besonders klimaschädlichen Methanemissionen und 65% derLachgasemissionen aus der <strong>Landwirtschaft</strong>. Gleichzeitig verbraucht der Sektor rund 30% derEnergie. Die konventionelle <strong>Landwirtschaft</strong> verbraucht soviel Energie pro ha für die Erzeugungvon mineralischen N-Dünger wie der ökologische Landbau insges<strong>am</strong>t pro ha. Laut UBAverbraucht der Ökolandbau insges<strong>am</strong>t 6,8 Giga-Joule/ha, die konventionelle <strong>Landwirtschaft</strong>hingegen 19,4 Giga-Joule/ha. Die <strong>Landwirtschaft</strong> ist d<strong>am</strong>it nicht nur ein erheblicherKlimaverschmutzer, sondern auch extrem abhängig vom Erdöl geworden.Das heißt, dass mit der <strong>Landwirtschaft</strong> der vielleicht einzige Wirtschaftsbereich, der über denBoden eine Klimasenke sein könnte und in der Vergangenheit gewesen ist, heute einer dergrößten Verschmutzer geworden ist.Ostendorff – Ost-West-Forum Gut Gödelitz 03/12/11 – <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong> – Seite 2 von 5


Neben dem Klimawandel ist der ungebremste Verlust an Biologischer Vielfalt ein riesigesProblem für die Menschheit: Pro Tag gehen 80-120 Arten verloren, viele in der Agrarlandschaft,die da, wo sie noch traditionell vielfältig gestaltet ist, zu den artenreichsten Landschaftengehört. Nicht weniger dr<strong>am</strong>atisch ist der Verlust an Kulturarten. In den letzten 100Jahren sind nach FAO Angaben 75% der Kulturpflanzen verloren gegangen. Die Vielfalt, dievon der <strong>Landwirtschaft</strong> über Jahrtausende geschaffen wurde, wird nun von ihr in kürzesterZeit vernichtet.Ein drittes globales Thema: Die Welternährung. Auch hier stehen wir vor der paradoxen Situation,dass der Lebensmittellieferant <strong>Landwirtschaft</strong> vielfach nicht mehr satt, sondern hungrigmacht. So belegt etwa die EU 30 Millionen ha in Drittländern zu Futterproduktion, alsoeine Fläche so groß wie Deutschland. 2010 hat Deutschland das erreicht, was die Bundesregierungwill: Der Export von Geflügelfleisch ist wieder einmal kräftig gestiegen. 25% plusgegenüber 2009. „Der Export von Fleisch ist eine große Erfolgsgeschichte“ würde IhnenStaatssekretär Müller, den unsere Ministerin Frau Aigner eigens zu Exportbeauftragten ernannthat, jetzt wahrscheinlich erzählen.Aber wir müssen schon die ganze Geschichte betrachten: 113.000 t Geflügelfleisch gingenallein an das kleine Land Benin mit gerade einmal 9 Millionen Einwohnern. Das NachbarlandNigeria hat den Fleischimport verboten. Also wird in großem Stil und unter schlechten hygienischenBedingungen nach Nigeria geschmuggelt. Dieses europäische Hühnerfleisch kommtfür 2 EUR/kg auf den Markt, während die heimischen Bäuerinnen, denn die Frauen dominierendie Produktion, 5,50 EUR/kg brauchen. Die Folge: Die lokalen Märkte brechen zus<strong>am</strong>menund es droht Hunger.Meine D<strong>am</strong>en und Herren, das industrielle Agrarmodell, das die jetzige Bundesregierungzum Ziel erklärt hat, hat die <strong>Landwirtschaft</strong> auf den Kopf gestellt: Aus einer CO 2 -Senke hat es die <strong>Landwirtschaft</strong> zu einem der Haupt-CO 2 -Emittentengemacht. Aus der Wiege der biologischen Vielfalt wurde ihre größte Bedrohung. Die Quelle unserer Ernährung ist für viele Menschen zur Ursache von Hunger geworden. Ganz zu schweigen vom totalen Strukturbruch auf den Dörfern bei uns.Wie geht es weiter angesichts dieser dr<strong>am</strong>atischen Lage? „Business as usual ist heute keineOption mehr“ – so die Kernaussage des Weltagrarberichts von 2008, an dem weltweit über400 Wissenschaftler und NGOs mitgearbeitet haben. Vor wenigen Wochen hat nun selbstdie FAO, bisher eher bekannt für eine große Nähe zur industriellen <strong>Landwirtschaft</strong>, einKehrtwende vollzogen. In der neuen FAO-Strategie „Save and Grow“ erklärt FAO-Generalsekretär Jacques Diouf: “Das heutige Paradigma der intensive Pflanzenproduktionkann die Herausforderungen des neuen Jahrtausends nicht erfüllen.“Und d<strong>am</strong>it sind wir beim Thema des heutigen Abends. „<strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong>“.Wir stehen vor der Entscheidung, welche <strong>Landwirtschaft</strong> wollen wir? Wir kommen nicht mehrum die großen Herausforderungen herum. Was ist zu tun?1. Wir brauchen ein ganz neues Paradigma, das unser Handeln leitet. Heute ist unsere Praxis,aber auch die Forschung und Lehre an den Hochschulen und eben in weiten Teilen auch dieOstendorff – Ost-West-Forum Gut Gödelitz 03/12/11 – <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong> – Seite 3 von 5


Politik getrieben vom agrarindustriellen Modell. Aber es gibt inzwischen andere Töne. Vorwenigen Jahren waren es noch ein paar versprengte Bäurinnen und Bauern, die das Motto„Bauernhöfe statt Agrarfabriken“ hochhielten. Heute finden Sie insbesondere im internationalenKontext Zeichen von Umdenken, sei es im Weltagrarbericht, bei der FAO oder der EUKommission.Das neue landwirtschaftliche Paradigma muss und wird die bäuerliche <strong>Landwirtschaft</strong> sein.Was meinen wir, wenn wir bäuerlich sagen? Unsere Gegner werfen uns natürlich immer sofortNostalgie vor und das wir zurück wollten in die Vergangenheit. Das ist selbstverständlichUnsinn! Ich glaube, dass die Menschen der Zivilgesellschaft das auch nicht so sehen. Ichglaube, dass in dem Bild vom Bauernhof auch heute noch sehr viel Wahrheit steckt. JederMensch, vor allem jedes Kind, ob aus der Stadt oder vom Land, weiß was ein Bauernhof istund verbindet d<strong>am</strong>it positive Bilder, Kühe auf der Weide, Schweine im Stroh, Hühner aufdem Mist, Felder, Hecken, Teiche usw. Nicht ohne Grund benutzt gerade die Agrarindustriedas Bild von Bauernhof als Werbemotiv. Hinter diesem Bild vom Bauernhof steckt das Sinnbilddessen, was gute <strong>Landwirtschaft</strong> ausmacht. Etwas technischer ausgedrückt heißt das: Nachhaltige Erzeugung qualitativ hochwertiger Lebensmittel, artgerechte Tierhaltung, Klimaschutz, Erhalt der Biodiversität, dezentrale regenerative Energieerzeugung, unternehmerische Selbständigkeit.Oder wie es im EU-Jargon genannt wird: das europäische Agrarmodell einer multifunktionalen<strong>Landwirtschaft</strong>, die nicht nur Lebensmittel erzeugt, sondern auch Kulturlandschaft pflegt,Umweltgüter bereitstellt und Einkommen generiert.2. Wir müssen weg von der erdölabhängigen industriellen <strong>Landwirtschaft</strong>, hin zu einer sonnenbasiertenProduktion. Lassen Sie mich noch einmal die FAO zitieren. Anlässlich des Weltklimagipfelsin Durban erklärt die FAO vor wenigen Tagen: “Es gibt die berechtigte Sorge, dassdie derzeitige Abhängigkeit des Lebensmittelsektors von fossiler Energie dessen Fähigkeiteinschränken wird, die globale Nachfrage nach Lebensmitteln zu decken. Die Herausforderungbesteht darin, die Lebensmittelpreise von den Energiepreisen zu entkoppeln.“ Was wirbräuchten ist eine „energy-smart“-<strong>Landwirtschaft</strong>, so die FAO.3. Wir müssen in der Agrarpolitik Regel und Ausnahme umkehren. Nachhaltige <strong>Landwirtschaft</strong>muss die Regel werden und industrielle Produktion die Ausnahme von dieser Regel. „ÖffentlicheGelder für öffentliche Leistungen“ muss zum Grundsatz der Förderung werden. Wirkönnen nicht weiter für die Nicht-Verschmutzung zahlen, sondern der Verursacher hat zuzahlen für die Kosten, die er der Gesellschaft aufbürdet. Der aktuelle Vorschlag für eine Reformder EU-Agrarpolitik von Agrarkommissar Ciolos geht in diese Richtung: Erstmals sollzumindest ein Teil der Agrarzahlungen an Umweltleistungen gebunden werden. Aus unsererSicht ist das der richtige Weg. Leider sieht Ministerin Aigner das bisher noch nicht so.4. Wir müssen uns um das Ordnungsrecht kümmern. Die meisten Missstände, die heute in derTierhaltung beklagt werden, finden im Rahmen von geltendem Recht statt. 22-25 Tiere proQuadratmeter zu halten ist legal, genauso wie es legal ist, 400.000 Hühner in einer Anlagezu halten. Daher müssen wir das Ordnungsrecht überarbeiten, z.B. das Baurecht, um Haltungsformenauszuschließen, die niemand mehr will und versteht. Ganz konkret muss u.a.Ostendorff – Ost-West-Forum Gut Gödelitz 03/12/11 – <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong> – Seite 4 von 5


§35 des Baugesetzbuches geändert werden, d<strong>am</strong>it nicht länger gewerbliche Anlagen auf denDörfern unter Ausnutzung von Ausnahmetatbeständen gebaut werden können.5. Wir müssen uns um die Märkte kümmern. Wir können es uns nicht länger leisten einerneoliberalen Ideologie zu folgen, die alle Marktregeln zu Teufelszeug erklärt. Wir erleben inden letzten Jahren das massive Auftreten von Finanzmarktakteuren auch auf den landwirtschaftlichenMärkten – sowohl <strong>am</strong> Bodenmarkt als auch an den Rohstoffmärkten. Natürlichdürfen wir hier nicht alle über einen K<strong>am</strong>m scheren, aber mir macht es schon sorgen, wenndie Deutsche Bank Getreidelager baut, um Getreide in großen Mengen horten zu könnenoder wenn insbesondere in Ostdeutschland Kolleginnen und Kollegen auf ihren Höfen regelmäßigBesuch von Herren in Schlips und Kragen bekommen, die im Auftrag finanzstarkerFonds bereit sind, jeden Preis für das Land zu bezahlen.6. Last but not least, meine D<strong>am</strong>en und Herren, brauchen wir einen anderen Stil in der Agrarpolitik.Ich glaube, dass wir in einer neuen Zeit angekommen sind, was Transparenz undPartizipation betrifft. Während der Dioxin-Krise Anfang des Jahres war ich regelmäßig überrascht,wie informiert und entschieden die sog. Verbraucherinnen und Verbraucher waren,mit denen ich in Radiosendungen und Talkshows zu tun hatte. Das Bewusstsein in der Bevölkerungüber das, was in der <strong>Landwirtschaft</strong> vor sich geht ist heute ein ganz anderes alsnoch vor zehn Jahren in der BSE-Krise. 20.000 Demonstranten mögen in Berlin nichts ungewöhnlichessein, aber 20.000 Menschen, die im Januar 2011 während der Grünen Wocheunter dem Motto „Wir haben es satt“ für eine andere Agrarpolitik demonstriert haben undnächstes Jahr wieder kommen werden - das ist neu.Meine D<strong>am</strong>en und Herren, derzeit diskutieren wir – wieder einmal – über eine Reform derGemeins<strong>am</strong>en Agrarpolitik, der GAP. Ich glaube, dass wir auch hier langs<strong>am</strong> in einer neuenZeit angekommen sind. Der 42-jährige Agrarkommissar aus Rumänien geht anders vor alswir es von den Brüsseler Spitzenbe<strong>am</strong>ten bisher gewohnt waren. Dieser Kommissar meidetnicht den Kontakt zu den NGOs, er sucht ihn förmlich. Auf der Agrarministerkonferenz in Lübeckvor einem Jahr verließ er vorzeitig die Pressekonferenz mit Frau Aigner, um noch persönlichbei den demonstrierenden Milchbauern auf der anderen Straßenseite vorbeizuschauen.Und Ciolos hat sein Reformkonzept nicht wie sonst üblich im Geheimen abgefasst,sondern eine breite öffentliche Konsultation mit über 6000 verschiedenen Beiträgen vorgeschaltet,deren Ergebnisse man tatsächlich in den Reformvorschlägen wiederfindet. Daskann Hoffnung machen, auch wenn wir jetzt natürlich erleben, wie die Profiteure des altenSystems – oft aus dem Deutschen Bauernverband -, die sehr viel Einfluss auf die Politik derBundesregierung haben, versuchen, die Reform um jeden Preis zu verhindern.Meine D<strong>am</strong>en und Herren,noch ist offen, ob <strong>am</strong> Ende die Reformer oder die Bremser gewinnen werden. Es sieht wiedereinmal aus wie bei David und Goliath. Wir streiten für die Reform, denn wir glauben,dass wir jetzt endlich einen Systemwechsel in der <strong>Landwirtschaft</strong> brauchen. Weg vom agrarindustriellenModell, hin zu einer modernen bäuerlichen <strong>Landwirtschaft</strong>. Wir sehen die Zivilgesellschaftmehrheitlich an unserer Seite. Die Geschichte lehrt: David hat <strong>am</strong> Ende gewonnen.Vielen Dank!Ostendorff – Ost-West-Forum Gut Gödelitz 03/12/11 – <strong>Landwirtschaft</strong> <strong>am</strong> <strong>Scheideweg</strong> – Seite 5 von 5

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