KUNSTHANDEL WIDDER
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ALFRED WAAGNER<br />
Wien 1886 – 1960 Wien<br />
Alfred Waagner studiert zunächst Chemie und Ingenieurwissenschaft<br />
an der Technischen Hochschule in Wien, ehe er sich der Kunst zuwendet.<br />
1907 verlässt er das Technische Institut und wird Student an<br />
der Wiener Kunstgewerbeschule, der heutigen „Angewandten“, einer<br />
der Wiegen des österreichischen Jugendstils. Berthold Löffler, Mitbegründer<br />
der Werkstätte „Wiener Keramik“ und Schöpfer von Sigmund<br />
Freuds bekanntem Exlibris, ist dort von 1909 bis 1912 Waagners Lehrer.<br />
1913 debütiert Waagner in einer Ausstellung der Wiener Secession.<br />
Gemeinsam mit Künstlern der Secession oder deren Umfeld stellt er in<br />
den Folgejahren regelmäßig aus. Waagners erste Einzelausstellung findet<br />
1924 ebenfalls in Wien statt. Bekannt ist der Künstler für seine monumentalen,<br />
erotischen Akte in einem dekorativen, floralen Jugendstil,<br />
die eine deutliche künstlerische Nähe zu Gustav Klimt erkennen lassen.<br />
Bei unserem Bild handelt es sich um eine allegorische Darstellung<br />
von Jugend und Tod, nicht unähnlich den einschlägigen, erotisch konnotierten<br />
Jugend-, Alter- und Tod-Bildnissen des Renaissancemalers<br />
Hans Baldung Grien. Beide Figuren in Waagners Aquarell sind bekränzt:<br />
Der schöne, nackte Jüngling trägt einen Kranz frischer Gänseblümchen;<br />
der Tod, der sich dem in sich versunkenen, die Hände<br />
hebenden Burschen von hinten nähert und ihm grinsend, hinter vorgehaltener<br />
Hand etwas ins Ohr säuselt, trägt einen Lorbeerkranz, wie ein<br />
Triumphator im alten Rom. Der Tod ist sich seines Sieges gewiss, ganz<br />
im Gegensatz zur christlichen Lehre, die Christus als Sieger über den<br />
Tod versteht. Auf die religiöse Dimension deutet auch der orangerote<br />
Nimbus hinter dem Haupt des blau verschrumpelten Skeletts hin. Zudem<br />
ist der monochrome, keinen nachvollziehbaren Raum definierende<br />
Hintergrund dekorativ mit ebenso blauen Kreuzen gemustert. Der Tod<br />
hat sich frech der Attribute Christi bemächtigt. Ob Waagner mit dieser<br />
Darstellung ernstlich eine moralische Warnung an einen kontemplativen<br />
Betrachter aussprechen möchte, darf bezweifelt werden. Denn eigentlich<br />
hat der Jüngling in dem Bild keine Hoffnung mehr. „Spe salvi<br />
facti sumus“, heißt es im Brief des Paulus an die Römer: Denn durch<br />
Hoffnung sind wir gerettet. Das Pauluswort wird zum sarkastischen<br />
Witz, die warnende Allegorie zum erotischen Grusel, der dem Betrachter<br />
wohlige Schauder beschert.<br />
Auch auf eine naheliegende Parallele zum vorerwähnten Gustav<br />
Klimt sei hier verwiesen: Der berühmte Kollege Waagners malt 1910<br />
sein grandioses Gemälde „Tod und Leben“, in dem ein allegorischer<br />
Tod, gekleidet in ein mit Kreuzen besticktes Gewand, grinsend auf das<br />
allegorische Leben schaut, hier nicht in Gestalt eines nackten Jünglings<br />
dargestellt, sondern in Form einer Gruppe von Menschen beiderlei<br />
Geschlechts und unterschiedlichen Alters. Im Leben ist der Tod von<br />
Anfang an vorbestimmt, der Tod ist immer mit dabei, so könnte man<br />
Klimts Gemälde – und eben auch Waagners Aquarell – immer noch<br />
philosophisch, aber nicht notwendigerweise christlich lesen.<br />
Alfred Waagner<br />
JUGEND UND TOD<br />
um 1914, Tusche und Aquarell/Papier<br />
25,7 x 13,9 cm<br />
monogrammiert AW