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GEFANGENgINgEUROPASgMORAST:DiegSituationgvongAsylsuchen<strong>de</strong>ngundFlüchtlingengingBulgarienTsvetelinagHristova,gRaiagApostolova,gNedagDeneva,gMathiasgFiedler


iiCopyright-HinweisGefangen in Europas Morast:Die Situation von Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen in Bulgarien© Tsvetelina Hristova, Raia Apostolova, Neda Deneva, Mathias Fiedler – <strong>2014</strong>© Bor<strong>de</strong>rmonitoring.<strong>eu</strong> <strong>2014</strong>, Kontakt: office@bor<strong>de</strong>rmonitoring.<strong>eu</strong>© Layout: www.mind-print.com© Übersetzung: Veit SchwabDieses Dokument dient <strong>de</strong>r allgemeinen Verbreitung. Alle Rechte sind vorbehalten. Die nicht-kommerzielleReproduktion ist unter <strong>de</strong>r Anerkennung <strong>de</strong>r Urheberrechte gestattet. Diese Publikation ist nicht fürgewerbliche Zwecke zu nutzen.DisclaimerDie Ergebnisse, Interpretationen und Schlüsse innerhalb dieses Berichts sind persönliche Meinungen <strong>de</strong>rAutorInnen und repräsentieren nicht notwendigerweise die Sichtweisen o<strong>de</strong>r Positionen <strong>de</strong>rProjektför<strong>de</strong>rerInnen.


iiiINHALTEINLEITUNG.................................................................................................................................................. 1Hintergrundinformation ................................................................................................................................ 2Methodik ........................................................................................................................................................ 3Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Berichts ................................................................................................................................ 6I. PUSH-BACKS UND GEWALT AN DER BULGARISCHEN GRENZE .............................................. 71. Institutionelle Antwort auf <strong>de</strong>n “Zustrom von Flüchtlingen” ................................................................... 72. Z<strong>eu</strong>gInnenenberichte von Push-Backs ...................................................................................................... 83. Demütigungspraktiken an <strong>de</strong>r Grenze und in <strong>de</strong>n Grenzgefängnissen ................................................... 124. Die Institutionelle Reaktion auf die Push-Back- und Gewaltvorwürfe ................................................... 14Fazit ............................................................................................................................................................ 15II. VON ÜBERFÜLLTEN LAGERN ZUR PRODUKTION VON OBDACHLOSIGKEIT ................. 161. Verhältnisse und Angebote in <strong>de</strong>n Lagern .............................................................................................. 162. Strukturelle Vorbedingungen zur Produktion von Obdachlosigkeit ....................................................... 20Fazit ............................................................................................................................................................ 24III. INTEGRATION IM UMBRUCH: ........................................................................................................ 26PFADE ZUR EXKLUSION IM CHAOSZUSTAND ................................................................................. 26Fazit ............................................................................................................................................................ 31IV. FREMDENFEINDLICHKEIT UND RASSISTISCHE ATTACKEN INSTITUTIONEN, DIEEXTREME RECHTE UND GEWALT IM ÖFFENTLICHEN RAUM .................................................. 321. Institutionelle Diskriminierung ............................................................................................................... 322. Die extreme Rechte in Bulgarien: High Politics und Gewalt im öffentlichen Raum .............................. 343. Die öffentliche Einstellung gegenüber Geflüchteten: Der Rozovo-Fall.................................................. 36Fazit ............................................................................................................................................................ 38V. ASYLVERFAHREN: DIE MEINUNG VON RECHTSEXPERTINNEN .......................................... 39Dr. Valeria Ilareva, Stiftung für <strong>de</strong>n Zugang zu Rechten, Rechtsanwältin. ................................................ 39Borislav Dimitrov, Rechtshilfezentrum Voice in Bulgaria, freiwilliger Rechtsberater. .............................. 40VI. EUROPAS UNERWÜNSCHTE: EINSCHRÄNKUNGEN DER BEWEGUNGSFREIHEIT ........ 42VII. EMPFEHLUNGEN ............................................................................................................................... 45DANKSAGUNG ............................................................................................................................................. 47ANHANG 1 ..................................................................................................................................................... 48ANHANG 2 ..................................................................................................................................................... 50


1EINLEITUNGAm 28. April <strong>2014</strong> wären ZufallsbesucherInnen in <strong>de</strong>r Aufnahme- undRegistrierungseinrichtung <strong>de</strong>r Staatlichen Agentur für Flüchtlinge in Harmanli über eine Liste von21 Regeln auf Arabisch und Bulgarisch gestolpert (vollständig in Anhang 1).Einige Regeln <strong>de</strong>r Liste, die an eine Wand in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>s Verwaltungsbüros gepinnt war, lautenwie folgt:11. Während <strong>de</strong>r Anwesenheit von Besuchs<strong>de</strong>legationen müssen Sie lächeln und leisesprechen. Kein Gebrüll und Geschrei.17. Sie haben geduldig auf Ihren Aufenthaltstitel zu warten. Die Ungeduldigen könnenkeinen Aufenthaltstitel erhalten, wenn Sie die Beziehung zur Verwaltung ruinieren.18. Diejenigen die keine Badges tragen, wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Verwaltung nicht bedient undwer<strong>de</strong>n <strong>de</strong>n Aufenthaltstitel zu einem späteren Zeitpunkt erhalten.Die obenstehen<strong>de</strong>n Regeln stellten keine weitverbreitete Verfahrensweise dar, son<strong>de</strong>rn wareneine Initiative <strong>de</strong>r Lagerverwaltung und wur<strong>de</strong>n nach Beschwer<strong>de</strong>n von NGO-Mitarbeiten<strong>de</strong>nschnell entfernt. Allerdings stehen sie exemplarisch dafür, wie <strong>de</strong>r bulgarische Staatschutzbedürftige Menschen wahrnimmt und <strong>de</strong>finiert: Weniger als würdige Menschen, die Respektverdienen, als als Menschen, die durch Einschüchterung zum Schweigen gebracht und mit Rechtenausgestattet wer<strong>de</strong>n, die von <strong>de</strong>n Launen <strong>de</strong>r Verwaltung abhängig sind. Unter <strong>de</strong>r Oberflächeinternationaler Konventionen und wie<strong>de</strong>rholter Absichtserklärungen Bulgariens im Hinblick aufSchutzbedürftige verbirgt sich eine fortdauern<strong>de</strong> Unordnung. Solche Regeln sind mehr als nursymbolisch; sie haben reale Auswirkungen auf das Leben <strong>de</strong>r Menschen, die nach Bulgarieneinreisen, um dort Schutz zu suchen. Sie zeigen die Absicht, Asylsuchen<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m Prinzip‚Überwachen und Strafen‘ zu verwalten. Die Leben von Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen inBulgarien sind in einen Kreislauf aus Gewalt, Unsicherheit und Willkür verstrickt.In einem Interview mit <strong>de</strong>r Zeitung Monitor kommentierte <strong>de</strong>r Leiter <strong>de</strong>r Staatlichen Agenturfür Flüchtlinge (SAF) Herr Chirpanliev 1 :Ab sofort lassen wir Flüchtlinge, die nicht Bulgarisch lernen wollen, Erklärungenunterzeichnen, dass sie dies ablehnen. In solchen Fällen wird <strong>de</strong>r Staat kein Geld für ihreIntegration ausgeben und es folgt höchstwahrscheinlich die Rückführung. Es wur<strong>de</strong> auchd<strong>eu</strong>tlich, dass ein Teil <strong>de</strong>r Kur<strong>de</strong>n aus Gebieten kommt, die nicht von militärischenHandlungen betroffen sind. Sie können leicht dorthin zurückgeführt wer<strong>de</strong>n (Chirpanliev,<strong>2014</strong>).Chirpanlievs Aussage folgt <strong>de</strong>r gleichen Logik, die auch bei <strong>de</strong>n ad-hoc Regeln in Harmanliam Werk ist. Bulgarien bestraft Asylsuchen<strong>de</strong> für die eigene Unfähigkeit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, geeigneteProgramme zur sozialen Inklusion zu schaffen. Es ist alarmierend, dass solche Bestrafungen häufigRückführungsandrohungen und eine unverblümte Ablehnung <strong>de</strong>s Aufenthaltstitels beinhalten. Der1 Zeitung Monitor. <strong>2014</strong>. http://www.monitor.bg/article?id=430151 Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.


2Ansatz <strong>de</strong>r bulgarischen Behör<strong>de</strong>n zu „disziplinieren“ ist nicht n<strong>eu</strong>. Es han<strong>de</strong>lt sich um einefortlaufen<strong>de</strong> Ausübung <strong>de</strong>r Verbreitung von Furcht und Beklemmung, die wir in unserer Forschungseit <strong>de</strong>m Jahr 2011 verfolgen konnten.Mit diesem Bericht bel<strong>eu</strong>chtet Bor<strong>de</strong>r Monitoring Bulgarien (BMB) <strong>de</strong>n kontroversenUmgang <strong>de</strong>s bulgarischen Staates mit Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen. Die bulgarischen Behör<strong>de</strong>nbemühen sich, <strong>de</strong>n EU-Normen für Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge zu entsprechen und dieAußengrenze <strong>de</strong>r EU abzusichern. Sie tun dies jedoch oft, in<strong>de</strong>m sie auf Gewalt-, Angst- undEinschüchterungsmetho<strong>de</strong>n zurückgreifen. Diese wer<strong>de</strong>n von strukturellen, wirtschaftlichen undsozialen Verhältnissen <strong>de</strong>r Armut, Arbeitslosigkeit, verbreitetem rechtsextremen Hass und <strong>de</strong>mAlltagsrassismus <strong>de</strong>r Mehrheit begleitet. Auch wenn, vor allem aufgrund <strong>de</strong>r engenZusammenarbeit mit Freiwilligen und NGOs in <strong>de</strong>n letzten Monaten, einige kleine Verbesserungenerreicht wur<strong>de</strong>n, sind wir auf Basis unserer jüngsten Forschung <strong>de</strong>r Meinung, dass die <strong>de</strong>rzeitigenBedingungen Asylsuchen<strong>de</strong>n und InhaberInnen eines subsidiären Schutzstatus in Bulgarien keinwürdiges Leben ermöglichen. Vor diesem Hintergrund spricht sich BMB gegen Dublin-Rückführungen nach Bulgarien und für ein Über<strong>de</strong>nken <strong>de</strong>r Dublin-Verordnung im Allgemeinenaus. Im Kontext <strong>de</strong>r sozioökonomischen Krise und Austerität Bulgariens erz<strong>eu</strong>gt die Dublin-Verordnung ausschließlich eine untragbare Belastung für das Ersteinreiseland und trägt zurinstabilen und chaotischen Situation von Geflüchteten in Bulgarien bei.HintergrundinformationBulgarien ist Unterzeichnerland <strong>de</strong>r Flüchtlingskonvention von 1951 und <strong>de</strong>sZusatzprotokolls von 1967. Als solches bietet es vier Arten von Schutz an: Refugium (durch dasBüro <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten), Flüchtlingsstatus (durch die Staatliche Agentur für Flüchtlinge),humanitären Status (an<strong>de</strong>rnorts bekannt als subsidiärer Status, durch die SAF), und temporärenSchutz (durch <strong>de</strong>n Präsi<strong>de</strong>nten <strong>de</strong>r Republik). Die Umstän<strong>de</strong> für die Gewährung von Schutz fürAuslän<strong>de</strong>rInnen sind einschließlich ihrer Rechte und Pflichten im Asyl- und Flüchtlingsgesetzgeregelt.Seit 2013 führten <strong>de</strong>r Krieg in Syrien und die anschließen<strong>de</strong> Flüchtlingskrise zu einembeispiellosen Zustrom von Asylsuchen<strong>de</strong>n nach Bulgarien. Im Jahr 2013 beantragten 7144 PersonenAsyl. In <strong>de</strong>n ersten vier Monaten <strong>de</strong>s Jahres <strong>2014</strong> gingen 2351 Anträge ein. Im Jahr 2012beantragten 1387 Personen Asyl. Also hat sich im Jahr 2013 die Zahl <strong>de</strong>r Asylanträge im Vergleichzum Vorjahr in etwa verfünffacht. In <strong>de</strong>n zehn Jahren zwischen 2003 und 2012 betrug diedurchschnittliche Zahl <strong>de</strong>r Asylanträge etwa 1000. Dies bed<strong>eu</strong>tet eine siebenfache Steigerung fürdas Jahr 2013 im Vergleich zum Durchschnitt <strong>de</strong>s vergangenen Jahrzehnts.Im Jahr 2013 wur<strong>de</strong> 183 Personen <strong>de</strong>r Flüchtlingsstatus und 2279 Personen ein humanitärerAufenthaltstitel gewährt. In <strong>de</strong>n ersten vier Monaten <strong>de</strong>s Jahres <strong>2014</strong> gewährte Bulgarien 2154Personen Flüchtlings-, und 1488 Personen humanitären Status. Im Jahr 2012 gewährte Bulgarien 18Personen Flüchtlings-, und 159 Personen humanitären Status. Zum Vergleich: Im vorausgehen<strong>de</strong>nZehnjahreszeitraum von 2003-2012 wur<strong>de</strong> Flüchtlingsstatus im Durchschnitt 18 Mal pro Jahrgewährt, humanitärer Status 210 Mal. Dies bed<strong>eu</strong>tet, dass in <strong>de</strong>n ersten vier Monaten <strong>de</strong>s Jahres<strong>2014</strong> die Zahl <strong>de</strong>r gewährten Flüchtlingsstatus 120-mal höher war als im Durchschnitt <strong>de</strong>r letztenzehn Jahre. Im Jahr 2013 hat sich die Anzahl <strong>de</strong>r Personen mit gewährtem humanitären Status imVergleich zum Durchschnitt <strong>de</strong>r letzten zehn Jahre verzehnfacht. Die Hauptherkunftslän<strong>de</strong>r, die in


Asylanträgen im Zeitraum zwischen 01.01.1993 und 30.04.<strong>2014</strong> verzeichnet sind, sind Syrien(6791), Afghanistan (6462), Irak (5698), Armenien (1897), und Staatenlos (1776).Die SAF verwaltet die sogenannten Registrierungs- und Aufnahmeeinrichtungen aufbulgarischem Staatsgebiet. Es gibt drei Registrierungs- und Aufnahmeeinrichtungen in Sofia(bestehend aus vier Lagern: Ovcha Kupel, Kovachevtsi, Vraj<strong>de</strong>bna und Voenna Rampa), Banya undHarmanli. Darüber hinaus gibt es ein Transitzentrum in Pastrogor. Das Integrationszentrum <strong>de</strong>rSAF befin<strong>de</strong>t sich in Sofia, im Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>s Lagers in Ovcha Kupel. Es gibt zwei spezielle Heimezur temporären Unterbringung von Auslän<strong>de</strong>rInnen in Busmantsi und Lyubimets, die dazubestimmt sind, Menschen festzuhalten, die ihre Abschiebung erwarten.Bulgarien war auf diese exponentielle Zunahme <strong>de</strong>r Asylanträge unzureichend vorbereitet undkonnte kaum substanziellen Schutz gewähren – we<strong>de</strong>r in institutioneller, noch in finanzieller o<strong>de</strong>rmaterieller Hinsicht. Als Außengrenze <strong>de</strong>r Europäischen Union ist Bulgarien mit einer Doppelrolleals Gatekeeper und Ersteinreiseland in Übereinkunft mit <strong>de</strong>r Dublin-Verordnung konfrontiert. DieseSituation ist mit erheblichen Herausfor<strong>de</strong>rungen für das Land verbun<strong>de</strong>n, sowohl im Bezug auf dieSicherung seiner Grenzen, als auch bei Aufnahme, Erfassung und Integration von Asylsuchen<strong>de</strong>nund Flüchtlingen. Während <strong>de</strong>r ersten Monate nach August 2013 wur<strong>de</strong> d<strong>eu</strong>tlich, wie unvorbereitetein Land wie Bulgarien im Umgang mit einer größeren Anzahl Asylsuchen<strong>de</strong>r ist. Über Monatehinweg lagen die Bedingungen in <strong>de</strong>n Unterkünften unterhalb <strong>de</strong>s Lebensstandards, die Erfassungvon Asylanträgen war peinlich langwierig; und die Anzahl <strong>de</strong>r MitarbeiterInnen, die mit <strong>de</strong>nErteilungsverfahren betraut waren, lag weit unter <strong>de</strong>r Erfor<strong>de</strong>rlichen. Internationale Organisationenwie <strong>de</strong>r UNHCR und Human Rights Watch verurteilten die herrschen<strong>de</strong>n Bedingungen und rietenvon Dublin-Abschiebungen nach Bulgarien ab. Inzwischen hat Bulgarien 11.062.004 BGN (ca. 5,6Mio. EUR) aus <strong>de</strong>r EU Soforthilfereserve zur Entspannung <strong>de</strong>r Situation erhalten und selbstzusätzliche 2.726.385 BGN (1,4 Mio. EUR) aus <strong>de</strong>m Staatshaushalt investiert. Diese Mittel flossenin die Verbesserung <strong>de</strong>r materiellen Bedingungen in <strong>de</strong>n Lagern und in die Erhöhung <strong>de</strong>r Kapazität<strong>de</strong>r SAF. Der vorliegen<strong>de</strong> Bericht betrachtet die laufen<strong>de</strong>n Entwicklungen, die Auswirkungen <strong>de</strong>rsich verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Lebensbedingungen sowie die verbleiben<strong>de</strong>n Probleme, mit <strong>de</strong>nen Asylsuchend<strong>eu</strong>nd Flüchtlinge in Bulgarien konfrontiert sind.3MethodikDie Forschung für diesen Bericht kombinierten Interviews mit einer Analyse <strong>de</strong>s öffentlichenDiskurses für die Datenerhebung und -analyse. Wir haben semi-strukturierte Interviews mitAsylsuchen<strong>de</strong>n und StatusinhaberInnen innerhalb und außerhalb <strong>de</strong>r SAG-Lager durchgeführt, diedurch Interviews mit BeamtenInnen, NGO-VertreterInnen, AnwältInnen und Freiwilligen ergänztwur<strong>de</strong>n. Einige <strong>de</strong>r Interviews wur<strong>de</strong>n einzeln, an<strong>de</strong>re in Gruppen mit zwei bis drei Personendurchgeführt. Darüber hinaus haben wir die relevanten staatlichen Politiken und Rechtsvorschriftenzusammengestellt, sowie Teile <strong>de</strong>s öffentlichen Diskurses über Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlingeanalysiert. Der Hauptteil <strong>de</strong>r Forschung wur<strong>de</strong> im Zeitraum zwischen März und Juni <strong>2014</strong> inBulgarien durchgeführt. Zusätzlich wur<strong>de</strong>n En<strong>de</strong> April und Anfang Mai <strong>2014</strong> Interviews mitAsylsuchen<strong>de</strong>n in Edirne (Türkei) geführt. Das BMB Team besuchte die SAF-Einrichtungen inHarmanli und in Pastrogor im März <strong>2014</strong>, sowie die Einrichtungen in Voenna Rampa undVrazh<strong>de</strong>bna in Sofia im April und Mai <strong>2014</strong>.


4Im Zeitraum zwischen März und Juni <strong>2014</strong> führten BMB VertreterInnen insgesamt 134Interviews mit Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen. Darüber hinaus haben wir weitere 10 NGO-VertreterInnen und 3 AnwältInnen befragt, die mit Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen arbeiten. Wirhaben mit 5 institutionellen VertreterInnen <strong>de</strong>r SAF und <strong>de</strong>r Sicherheitskräfte in <strong>de</strong>n SAF-Einrichtungen in Pastrogor und Harmanli gesprochen. Insgesamt wur<strong>de</strong>n 17 Stakehol<strong>de</strong>r interviewt.Lei<strong>de</strong>r wur<strong>de</strong>n unsere weiteren Anfragen für Interviews mit VertreterInnen <strong>de</strong>r SAF in Sofia nach<strong>de</strong>r Publikation eines Berichts über einen Push-Back Vorfall vom 21. April <strong>2014</strong> abgelehnt. Wirwer<strong>de</strong>n weiterhin versuchen, Zugang zu SAF-Offiziellen zu erhalten, um <strong>de</strong>ren Sicht und dieInformationen, die sie bereit sind mit uns zu teilen, darzustellen.Die Forschung wur<strong>de</strong> unter <strong>de</strong>m Dach <strong>de</strong>s Bor<strong>de</strong>r Monitoring Projekts durchgeführt. DieRecherche in Bulgarien wur<strong>de</strong> von vier unabhängigen ForscherInnen ausgeführt, die die Situationvon Geflüchteten in <strong>de</strong>m Land seit 2011 beobachten. Zusätzlich zu <strong>de</strong>n erfassten Daten hat dasTeam im Laufe <strong>de</strong>r letzten Jahre an zahlreichen Diskussionen teilgenommen und Beobachtungenangestellt. Seit 2011 haben Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>s Teams umfangreiche Feldforschungen in und umPastrogor (in <strong>de</strong>n Jahren 2011 und 2012), Sofia (in <strong>de</strong>n Jahren 2011, 2012, 2013 und <strong>2014</strong>) sowieBanya (2013) durchgeführt. Der Bericht greift auf diese Kenntnisse und Erfahrungen zurück, umsachkundige Schlüsse über die Kontinuität bestimmter Praktiken zu ziehen. Die zentralenSchlussfolgerungen basieren jedoch auf <strong>de</strong>m jüngsten, im Jahr <strong>2014</strong> durchgeführten Forschungenund einer Kontextanalyse.Nach strengen ethischen Normen haben die ForscherInnen die vollständige Anonymität ihrerInformantInnen sichergestellt, außer in <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen entsprechen<strong>de</strong> Informationen bereitsöffentlich gemacht wur<strong>de</strong>n (z.B. in Medienberichten, Pressekonferenzen, Berichten von an<strong>de</strong>renOrganisationen) o<strong>de</strong>r die Befragten <strong>de</strong>r Offenlegung ihrer I<strong>de</strong>ntität zugestimmt haben. SämtlicheTonaufnahmen und schriftliche Notizen befin<strong>de</strong>n sich im Besitz <strong>de</strong>r ForscherInnen und wer<strong>de</strong>nunter keinen Umstän<strong>de</strong>n veröffentlicht. Die Befragten wur<strong>de</strong>n ausdrücklich darauf hingewiesen,dass BMB keine Rechtshilfeorganisation o<strong>de</strong>r staatliche Institution vertritt und das Ergebnis ihresAsylantrags o<strong>de</strong>r ihre aktuellen Lebensumstän<strong>de</strong> nicht beeinflussen kann, um auf diese Weised<strong>eu</strong>tlich zu machen, dass <strong>de</strong>n Befragten kein unmittelbarer Nutzen aus ihrer Auskunftsbereitschaftentsteht. Die Berichte wur<strong>de</strong>n auf ihre Stimmigkeit hin überprüft. In Fällen von außeror<strong>de</strong>ntlichenEreignissen – z.B. Push-Backs, verzögerte Verfahren, Gewalt o<strong>de</strong>r Problemen mit Dokumenten,wur<strong>de</strong>n die Befragten gebeten, so viele Details wie möglich bereitzustellen und die Ereignissemehrfach anhand <strong>de</strong>r Beantwortung verschie<strong>de</strong>ner Fragen zu erarbeiten. Schil<strong>de</strong>rungen, die alsunglaubwürdig o<strong>de</strong>r voreingenommen befun<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n, wur<strong>de</strong>n nicht in <strong>de</strong>n Berichtaufgenommen. Wir haben versucht, uns auf die am n<strong>eu</strong>tralsten klingen<strong>de</strong>n Schil<strong>de</strong>rungen zustützen.Der Bericht zielt darauf ab, Ten<strong>de</strong>nzen und strukturelle Muster zu i<strong>de</strong>ntifizieren, die nochimmer erhöhte Aufmerksamkeit seitens <strong>de</strong>r bulgarischen Behör<strong>de</strong>n und internationaler Institutionenerfor<strong>de</strong>rn. Wir haben versucht, anhalten<strong>de</strong> und wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Probleme und Entwicklungenaufzuzeigen. Die institutionellen Regelungen und die Rahmenbedingungen im Land unterliegenständigem Wan<strong>de</strong>l. Zahlreiche Verän<strong>de</strong>rungen führen sowohl zu Verbesserungen, als auch zurAufrechterhaltung von Verwirrung und Chaos. Statt einer Momentaufnahme <strong>de</strong>r aktuellen Situationwill dieser Bericht wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> Trends aufspüren, die langfristige Auswirkungen auf dieSituation von Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen in Bulgarien haben.Die wichtigsten Ergebnisse <strong>de</strong>s Berichts, die in <strong>de</strong>n einzelnen Abschnitten <strong>de</strong>tailliertbeschrieben wer<strong>de</strong>n, sind:


Anhalten<strong>de</strong> Push-Backs sowie die verstärkte Präsenz von Grenzschutzbeamten an <strong>de</strong>rbulgarisch-türkischen Grenze, welche Asylsuchen<strong>de</strong> durch das Erz<strong>eu</strong>gen von Furcht vomGrenzübertritt abhalten, sind Hinweise darauf, dass Bulgarien Angehörigen von Drittstaatennicht die volle Möglichkeit dazu gibt, Zugang zu Asyl und Schutz zu erhalten. Dies stellt eineschwerwiegen<strong>de</strong> Verletzung <strong>de</strong>r Menschenrechte dar. Angesichts <strong>de</strong>r jüngsten Berichte überAngehörige von Drittstaaten, die versuchen Bulgarien auf <strong>de</strong>m Seeweg zu erreichen sowievor <strong>de</strong>m Hintergrund von Push-Backs und Gewalt durch die bulgarischen Grenzpolizei, istBMB ernsthaft über die Folgen einer möglichen Verlagerung <strong>de</strong>r Migrationsrouten auf <strong>de</strong>nSeeweg besorgt. Trotz einiger Verbesserungen im Bezug auf die materiellen Bedingungen in <strong>de</strong>n Lagern gibtes viele n<strong>eu</strong>e Probleme für Geflüchtete, die sich aus <strong>de</strong>r Beschl<strong>eu</strong>nigung <strong>de</strong>s Verfahrens zurErlangung eines Aufenthaltstitels und <strong>de</strong>r erhöhten Anzahl <strong>de</strong>r gewährten Aufenthaltstitel(nur für syrische StaatsbürgerInnen) ergeben. Aufgrund fehlen<strong>de</strong>r stimmiger institutionellerRahmenkonzepte zur Integration sowie vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r allgemeinen wirtschaftlichenBedingungen in Bulgarien wer<strong>de</strong>n InhaberInnen <strong>de</strong>s Flüchtlings- o<strong>de</strong>r subsidiären Statusmeist <strong>de</strong>r Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, Armut und sozialen Isolation überlassen. Die Integration von kürzlich anerkannten Flüchtlingen und InhaberInnen eines humanitärenAufenthaltstitels wird von einem <strong>de</strong>rzeit nicht funktionsfähigen staatlichenIntegrationsprogramm behin<strong>de</strong>rt. Weil das bisherige nationale Integrationsprogramm 2013auslief und sich ein N<strong>eu</strong>es noch im Entstehen befin<strong>de</strong>t und weit davon entfernt ist, umgesetztzu wer<strong>de</strong>n, wird die ständig wachsen<strong>de</strong> Zahl von InhaberInnen eines Aufenthaltstitels einemVakuum ohne konsistente und effiziente staatliche Unterstützung für ihre zukünftigeIntegration in <strong>de</strong>r bulgarischen Gesellschaft überlassen. Finanzielle und soziale Ersthilfe,sowie Hilfe beim Erwerb von Sprachkenntnissen und Zugang zum Arbeitsmarkt sind nichtvorhan<strong>de</strong>n. Das Fehlen eines Integrationsprogrammes trägt zur prekären Lage n<strong>eu</strong>erInhaberInnen eines Aufenthaltstitels bei und erhöht das Risiko extremer Armut,Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit sowie frem<strong>de</strong>nfeindlicher und rassistischer Einstellungenund Diskriminierung. Wir insistieren darauf, dass Begünstigte internationalen Schutzes solange äußerst begrenzte Chancen zur sozialen Inklusion und sogar zum physischen Überlebenauf Bulgarischem Staatsgebiet haben, bis ein sorgfältig konzipiertes und effizient umgesetztesIntegrationsprogramm eingeführt wird. Es gibt eine wachsen<strong>de</strong> Zahl frem<strong>de</strong>nfeindlicher Straftaten und ein Mangel an angemesseneninstitutionellen Reaktionen auf diese, was zu beklagen ist. Die Zahl rechtsextremerVereinigungen steigt alarmierend, verbun<strong>de</strong>n mit <strong>de</strong>r Dominanz frem<strong>de</strong>nfeindlicher Diskursein <strong>de</strong>r Öffentlichkeit. VetreterInnen staatlicher Institutionen nehmen regelmäßig rassistischeKommentare und Schlussfolgerungen in ihre offiziellen Statements auf, ohne dafürsanktioniert zu wer<strong>de</strong>n. Es hat eine b<strong>eu</strong>nruhigen<strong>de</strong> Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Praxis <strong>de</strong>r EU im Bezug auf EU-interne Mobilitätvon InhaberInnen eines Aufenthaltstitels stattgefun<strong>de</strong>n, die zu erheblichen Einschränkungenihrer Möglichkeiten geführt hat, außerhalb <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s zu reisen. Mehrere Mitgliedsstaatenhaben vor kurzem damit begonnen, die Visapflicht anzuwen<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>n Zugang zu Visa-Antragsverfahren zu beschränken – eine Praxis, die in <strong>de</strong>r Vergangenheit nicht so strenggehandhabt wur<strong>de</strong>. Diese jüngsten Än<strong>de</strong>rungen vertiefen die Ten<strong>de</strong>nz zur Segregation vonGeflüchteten in <strong>de</strong>r Peripherie <strong>de</strong>r Union, abgedichtet durch die Dublin-Verordnung.5


6Glie<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s BerichtsDer Bericht besteht aus sechs Hauptabschnitten und einem Fazit mit Empfehlungen: I. Push-Backs und Gewalt an <strong>de</strong>r Grenze, II. Von überfüllten Lagern zur Produktion vonObdachlosigkeit, III. Integration im Umbruch, IV. Frem<strong>de</strong>nfeindlichkeit und rassistischeAttacken: Institutionen, die extreme Rechte und Gewalt im öffentlichen Raum, V.Asylverfahren: Die Meinung von RechtsexpertInnen, VI. Europas Unerwünschte:Einschränkungen <strong>de</strong>r Bewegungsfreiheit, VII. Empfehlungen. Je<strong>de</strong>r Abschnitt enthält<strong>de</strong>taillierte Informationen zu <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Themen. Am En<strong>de</strong> eines je<strong>de</strong>n Abschnitts fin<strong>de</strong>nLeserInnen eine kurze Zusammenfassung und Schlussfolgerungen aus <strong>de</strong>r Sicht von BMB. Derabschließen<strong>de</strong> Teil <strong>de</strong>s Berichts enthält unsere Empfehlungen in Bezug auf die zentralen im Berichtdiskutierten Punkte.


7I. PUSH-BACKS UND GEWALT AN DER BULGARISCHEN GRENZE"Du musst zurückgehen; wir wollen dich nicht in Bulgarien." 2"Wir haben sogar gehört, dass die bulgarische Polizei gröber vorgeht alsdie griechische Polizei. Wenn sie dich erwischen, sehen die Bulgaren zu,dass du dich schlecht fühlst, damit du nicht mehr versuchst, zu ihnen zukommen… Sie bringen dich dazu, dich selbst zu hassen…. In <strong>de</strong>n letztenzwei Monaten ist es wirklich gefährlich gewor<strong>de</strong>n [durch Bulgarien] zuflüchten. Nach<strong>de</strong>m wir Schil<strong>de</strong>rungen über Schläge, Fluchen,Beschimpfungen, Anbrüllen und solche Sachen gehört haben, wur<strong>de</strong> dasGanze ziemlich beängstigend. Wir wer<strong>de</strong>n nicht durch Bulgarien gehen." 31. Institutionelle Antwort auf <strong>de</strong>n “Zustrom von Flüchtlingen”Im November 2013 hat die bulgarische Regierung <strong>de</strong>n „Plan zur Eindämmung <strong>de</strong>r Krise inFolge <strong>de</strong>s verstärkten Migrationsdrucks auf das Staatsgebiet Bulgariens“ 4 vorgestellt, <strong>de</strong>r zurVerhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zugangs zu bulgarischem Territorium, und damit zur Verhin<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Zugangszum Asylverfahren unter Bruch <strong>de</strong>s internationalen Flüchtlingsrechts führte 5 .Um die genannten Ziele zu erreichen, ist die Republik Bulgarien im Begriff, einen ca. 30 kmlangen Zaun entlang <strong>de</strong>r „sensibelsten Abschnitte“ seiner Grenze mit <strong>de</strong>r Türkei zu errichten. ImNovember setzte Bulgarien 1500 zusätzliche Polizeipatrouillen 6 ein, um einen „100 prozentigenphysischen Schutz“ <strong>de</strong>r sensibelsten Grenzabschnitte zu gewähren. BMB gibt zu Be<strong>de</strong>nken, dassdie Regierung wegen <strong>de</strong>r Panik seitens <strong>de</strong>r bulgarischen Behör<strong>de</strong>n, die durch die gestiegene Zahlschutzsuchen<strong>de</strong>r Menschen hervorgerufen wur<strong>de</strong>, auf physische und psychische Gewalt sowiePush-Backs zurückgegriffen hat, um die Anzahl Asylsuchen<strong>de</strong>r kleinzuhalten. Die hierdokumentierten Missbräuche fin<strong>de</strong>n trotz <strong>de</strong>r Menschenrechtsschulungen statt, die für dieGrenzpolizei im Rahmen eines „Trainings in <strong>de</strong>n grundlegen<strong>de</strong>n Rechten von Menschen 7 “durchgeführt wer<strong>de</strong>n, das das Innenministerium (IM) gemeinsam mit FRONTEX implementiert hat.Internationale Organisationen haben fortdauernd Be<strong>de</strong>nken über die Maßnahmen geäußert,die Bulgarien gebraucht, um <strong>de</strong>n Zugang zu seinem Staatsgebiet entlang <strong>de</strong>r Grenze zur Türkei2 Aussage eines Grenzpolizisten gegenüber einem Syrischen Staatsbürger, <strong>de</strong>r an <strong>de</strong>r türkisch-bulgarischen Grenzeaufgegriffen wur<strong>de</strong>.3 Interview geführt am 2. Mai <strong>2014</strong> in Edirne, Türkei.4 Insbeson<strong>de</strong>re Abschnitt 1, Absatz 1) Beschränkung <strong>de</strong>r Anzahl illegaler Einwan<strong>de</strong>rer in die Republik Bulgarien undAbschnitt 4) Senkung <strong>de</strong>r Anzahl <strong>de</strong>r Personen die Schutz auf <strong>de</strong>m Staatsgebiet <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s gesucht haben.5 Bulgarien ist durch die Ratifizierung <strong>de</strong>s Abkommens über die Rechtsstellung <strong>de</strong>r Flüchtlinge von 1951 und dasZusatzprotokoll von 1967 an das non-refoulement Prinzip gebun<strong>de</strong>n. Das innerstaatliche Asyl- und FlüchtlingsrechtBulgariens bin<strong>de</strong>t das Land zusätzlich an dieses Prinzip, in<strong>de</strong>m es Europäische Asylrichtlinien umsetzt.6 Nach Angaben <strong>de</strong>s UNHCR wur<strong>de</strong>n etwa 160 von ihnen von <strong>de</strong>r Grenze entfernt. UNHCR. <strong>2014</strong>. http://www.unhcrcentral<strong>eu</strong>rope.org/en/news/<strong>2014</strong>/<strong>bulgaria</strong>-unhcr-says-asylum-conditions-improved-warns-against-transfer-ofvulnerable-people.htmlAufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.7 IM. 2011. http://www.aca<strong>de</strong>my.mvr.bg/International_activity/Partnership/osnovni_prava.htm Aufgerufen am 7. Juni<strong>2014</strong>.


8einzuschränken 8 . Diese haben bereits zu einem signifikanten Rückgang <strong>de</strong>r Einreisen vonAsylsuchen<strong>de</strong>n nach Bulgarien geführt. In Berichten vom Januar 9 , Februar 10 und April <strong>2014</strong> 11 zeigtsich <strong>de</strong>r UNHCR besorgt darüber, dass die „Maßnahmen zur Kontrolle irregulärer Einreise nachBulgarien Menschen, die internationalen Schutz benötigen, daran hin<strong>de</strong>rn nach Bulgarieneinzureisen und dort Asyl zu beantragen“. Der UNHCR verweist auf Berichte von Personen, dieinternationalen Schutz benötigen und die mit Gewalt daran gehin<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n, bulgarischesStaatsgebiet zu betreten. Dies hat zu Fällen von Familientrennungen geführt. Human Rights Watch(HRW) berichtet ebenfalls über mehrere Push-Back Fälle im November und Dezember 2013 (sieheFußnote 8).2. Z<strong>eu</strong>gInnenenberichte von Push-BacksGeflüchtete, die <strong>de</strong>rzeit in Bulgarien wohnen, beklagen miterlebte o<strong>de</strong>r am eigenen Körpererfahrene Push-Backs an <strong>de</strong>r Grenze zur Türkei. Es wird oft berichtet, dass die Push-Backs vonkörperlicher Gewalt und/o<strong>de</strong>r psychischem Missbrauch gegenüber Asylsuchen<strong>de</strong>n durchGrenzpolizistInnen begleitet wer<strong>de</strong>n.In <strong>de</strong>n Monaten nach September 2013 wur<strong>de</strong> durch die Medien aufge<strong>de</strong>ckt, dass Push-Backsin <strong>de</strong>r Türkei stattfan<strong>de</strong>n. Eine dieser Schil<strong>de</strong>rungen stammt von einem syrischen Staatsbürger.Seinen Angaben zu Folge 12 wur<strong>de</strong> er am 6. Dezember 2013 von <strong>de</strong>r Grenzpolizei in <strong>de</strong>r Region <strong>de</strong>sFlusses Kalamitsa geschlagen und mit Gewalt in die Türkei zurückgeführt. Im selben Monatbesuchten JournalistInnen <strong>de</strong>s bulgarischen Staatsfernsehens mit einer versteckten Kamera diegrüne Zone. Aus ihrem Bericht 13 ging d<strong>eu</strong>tlich hervor, dass „wir [die Grenzpolizist_innen] keineklaren Anweisungen erhalten wie zu verfahren ist, wenn wir Flüchtlinge sehen. Uns wird lediglichgesagt, dass wir sie schlagen und in die Türkei zurückführen sollen.“Einige <strong>de</strong>r versuchten Push-Backs sind nicht erfolgreich. Zum Beispiel wur<strong>de</strong> im Oktober2013 14 eine Gruppe von 12 Personen – sechs syrische junge Männer und eine Familie, bestehendaus zwei Erwachsenen und vier Kin<strong>de</strong>rn – von <strong>de</strong>r bulgarischen Grenzpolizei beim Versuch, dieGrenze von <strong>de</strong>r Türkei aus zu überqueren, gestoppt. Die PolizeibeamtInnen versuchten zunächst,die jungen Männer durch physische Angriffe und Luftschüsse abzuschrecken. Die Metho<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rGrenzpolizei funktionierten jedoch nicht und die Gruppe wur<strong>de</strong> nach Bulgarien gelassen um Asylzu beantragen. Die Gruppe wur<strong>de</strong> für drei bis vier Stun<strong>de</strong>n unter freiem Himmel festgehalten.Auch wenn die Zentrale <strong>de</strong>r Grenzpolizei solche Aussagen zurückweist, bestätigen von BMBgeführte Interviews, zusammen mit <strong>de</strong>m von HRW herausgegebenen Bericht das regelmäßigeAuftreten von Push-Backs. HRW hat 44 Fälle von Push-Backs dokumentiert, von <strong>de</strong>nen min<strong>de</strong>stens8 Der ausführlichste Bericht mit Fokus auf Push-back Fälle ist <strong>de</strong>r Human Rights Watch Bericht von April <strong>2014</strong>.Abzurufen unter: http://www.hrw.org/reports/<strong>2014</strong>/04/30/containment-plan-0 Aufgerufen am 7. June <strong>2014</strong>.9 UNHCR. <strong>2014</strong>. http://www.unhcr.org/52c691d59.html Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.10 UNHCR. <strong>2014</strong>. http://www.refworld.org/publisher,UNHCR,,BGR,530aff1d4,0.html Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.11 UNHCR. <strong>2014</strong>. http://www.refworld.org/publisher,UNHCR,,BGR,534cd85b4,0.html Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.12 Capital. 2013. http://www.capital.bg/politika_i_ikonomika/obshtestvo/<strong>2014</strong>/01/31/2231657_stena_ot_jumruci/Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.13 BNT.2013.http://bnt.bg/news/politsiya/ekskluzivno-po-bnt-ohranata-na-ba-lgarskata-granitsa-s-turtsiya Aufgerufenam 7. Juni <strong>2014</strong>.14 Interview mit <strong>de</strong>m Familienvater, geführt am 2. Juni <strong>2014</strong>. Wir zählen dies nicht als Push-back.


519 Menschen betroffen waren. BMB hat weitere 14 Fälle von Push-Backs i<strong>de</strong>ntifiziert, von <strong>de</strong>nenmin<strong>de</strong>stens 50 Personen betroffen waren. 15Push-Backs verwundbarer PersonenInterviews zufolge, die BMB am 27. und 28. März im Lager Harmanli geführt hat, betrafenzwei <strong>de</strong>r dort überlieferten Push-Backs Fälle verwundbarer Personen, nämlich schwangere Frauen.Eine von ihnen verlor später in <strong>de</strong>r Türkei aufgrund <strong>de</strong>s durchlebten Traumas ihr Baby. NachAngaben <strong>de</strong>r Frau baten sie und ihr Mann um Schutz in Bulgarien, als sie von <strong>de</strong>r Grenzpolizeiaufgegriffen wur<strong>de</strong>n. Die Grenzpolizei reagierte darauf mit Knüppelschlägen auf Füße und Rücken<strong>de</strong>s Mannes. Dem Bericht zufolge hielt die Grenzpolizei „Waffen in unsere Gesichter.“ Der Familiegelang die Einreise nach Bulgarien bei einem zweiten Versuch.Der an<strong>de</strong>re Fall betrifft eine schwangere Frau, die drei Mal versuchte von <strong>de</strong>r Türkei nachBulgarien zu gelangen. Die ersten bei<strong>de</strong>n Male wur<strong>de</strong>n sie und ihr Mann von <strong>de</strong>r Grenzpolizeiaufgegriffen, dazu gebracht auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n zu sitzen und „mit Waffen bewacht, bis die türkischePolizei kam und uns zurückbrachte“. Bei<strong>de</strong> Fälle betrafen syrischen StaatsbürgerInnen und fan<strong>de</strong>nim November 2013 statt. 16BMB hat Fälle von mehrfachen Einreiseversuchen i<strong>de</strong>ntifiziert. In einem dieser Fälleversuchte ein syrischer Mann sechs Mal, die Grenze zu überqueren. Der Bericht eines weiterenAsylsuchen<strong>de</strong>n verweist auf eine noch höhere Anzahl von Versuchen, nämlich zehn.Durch die Grenzpolizei in aktuellen Push-Back Fällen ausgeübte GewaltPush-Backs an <strong>de</strong>r bulgarischen Grenze haben nicht aufgehört. BMB hat Push-Back Fälledokumentiert, die im März, April und Mai <strong>2014</strong> stattfan<strong>de</strong>n. Am 21. April <strong>2014</strong> erreichte BMB dieNachricht von einem weiteren Push-Back 17 . Der Push-Back fand am selben Tag statt, die Opferwaren eine syrische Mutter mit ihren vier Kin<strong>de</strong>rn (10, 17, 22 und 24 Jahre alt). Die syrischeFamilie beschloss, Asyl in Bulgarien zu ersuchen, um wie<strong>de</strong>r mit zwei weiterenFamilienmitglie<strong>de</strong>rn zusammen zu sein. Nach<strong>de</strong>m die Familie sich für zwei Tage lang imbulgarischen Wald verlaufen hatte, erreichte sie schließlich die Stadt Vo<strong>de</strong>n, wo sie von einemeinheimischen Mann aufgenommen wur<strong>de</strong>.Es folgt eine Beschreibung <strong>de</strong>s Vorfalls:Nach einem Telefonat <strong>de</strong>s einheimischen Mannes „kam die bulgarische Grenzpolizei umuns mitzunehmen. Sie sagten uns 'camp Sofia', brachten uns aber an die Grenze“,berichtet die Mutter. Ihren Angaben zufolge brachten sie zwei Polizisten an <strong>de</strong>r Grenze,an <strong>de</strong>r sie von fünf o<strong>de</strong>r sechs weiteren Polizisten erwartet wur<strong>de</strong>n, welche schließlichdurch eine Gruppe von sieben o<strong>de</strong>r acht Polizisten zusätzlich verstärkt wur<strong>de</strong>n. DemBericht <strong>de</strong>r Familie zufolge begann das Schlagen auf <strong>de</strong>r türkischen Seite, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r10-jährige Junge nach Essen verlangte. Ihnen wur<strong>de</strong> gesagt „Nein, nein, geht weg,kommt nicht zurück auf die bulgarische Seite“. Eines <strong>de</strong>r Kin<strong>de</strong>r begann, Fotos mit15 Diese Zahlen beinhalten nicht die Fälle, über die bereits in Medienpublikationen berichtet wur<strong>de</strong>n, und in <strong>de</strong>nenPersonen sich <strong>de</strong>r Grenze näherten, aber zurückrannten, weil sie durch die Polizeipräsenz vom Übertritt abgeschrecktwor<strong>de</strong>n waren.16 Bei<strong>de</strong> Interviews wur<strong>de</strong>n während <strong>de</strong>s Besuches von BMB im Lager Harmanli geführt.17 Bor<strong>de</strong>rmonitoring. <strong>2014</strong>. http://bor<strong>de</strong>rmonitoring.<strong>eu</strong>/<strong>2014</strong>/04/child-beaten-at-<strong>eu</strong>-bor<strong>de</strong>r-brutal-push-backs-continuein-<strong>bulgaria</strong>/Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.9


10seinem Handy aufzunehmen, was die Schläge provozierte. „Wir wur<strong>de</strong>n von 14 Polizistenverprügelt. Ein Polizist hielt sich davon [vom Schlagen] entfernt. Er hatte einedunkelblaue Uniform an und sagte immer ‚Beruhigen Sie sich! Beruhigen Sie sich!‘ DerRest hörte nicht zu und setzte die Prügel fort. Von <strong>de</strong>n 14 Polizisten war einer gut ...Einige <strong>de</strong>r Polizisten hatten grüne Uniformen, „einer von ihnen hatte drei Streifen, grün<strong>eu</strong>nd weiße Streifen“, einige hatten Camouflage-Uniformen. Die Mutter erinnert sichferner daran, dass sie mit elektrischen Stöcken geschlagen wur<strong>de</strong>n: „Die Polizei brachtedie Stöcke aus <strong>de</strong>m Auto. Drei davon. Wenn du von diesem Stock berührt wirst, fühlst dudich, als ob du <strong>de</strong>ine Hand nicht mehr bewegen kannst. Sie hatten nur drei davon, dieübrigen waren normale Stöcke ... Einer <strong>de</strong>r Jungen entkam in Richtung <strong>de</strong>s Wal<strong>de</strong>s, sahdann ein Militärauto und fing an zu schreien 'Türkische Polizei, türkische Polizei!‘ , unddie bulgarische Polizei ging sofort auf die bulgarische Seite als ob nichts geschehenwäre. Die türkische Polizei hat uns auf <strong>de</strong>m Bo<strong>de</strong>n gesehen. Ich [die Mutter] sagte <strong>de</strong>rtürkischen Polizei, dass uns unsere Handys weggenommen wur<strong>de</strong>n, aber die bulgarischePolizei sagte, dass dies nicht wahr sei, <strong>de</strong>nn wir hätten Bulgarien noch nicht einmalbetreten“. Die Mutter fuhr fort: „Wir dachten, wir wür<strong>de</strong>n an einen sicheren Ort gehen,aber es war wie in Syrien“.BMB erhielt die Nachricht, dass einer <strong>de</strong>r Brü<strong>de</strong>r im Mai ern<strong>eu</strong>t versuchte, die Grenze zuüberqueren. Er wur<strong>de</strong> wie<strong>de</strong>r zurückgeschoben.Am 15. Mai <strong>2014</strong> um 11 Uhr Ortszeit wur<strong>de</strong>n zwei syrische Brü<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r bulgarischenGrenzpolizei zurückgeschoben. Dies geschah d<strong>eu</strong>tlich (ca. 7km) innerhalb <strong>de</strong>s bulgarischenStaatsgebiets. Die Männer, 38 und 25 Jahre alt, wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Grenzpolizei mit schwerenSchlägen angegangen. Einer <strong>de</strong>r Syrer wur<strong>de</strong> mehrmals am Kopf sowie an <strong>de</strong>n Beinen getroffen.Nach <strong>de</strong>n Schlägen waren die Männer so verängstigt, dass „sie sich zurück in die Türkei schleppenmussten“. Einer <strong>de</strong>r Männer erlitt ein schweres psychisches Trauma: Er weigert sich nach draußenzu gehen und zu essen. Die Familie <strong>de</strong>r Opfer, <strong>de</strong>rzeit wohnhaft in D<strong>eu</strong>tschland, steht unter Schock.Sie haben bereits einen Sohn verloren, <strong>de</strong>r vor zwei Monaten versuchte, auf einem Boot nachGriechenland überzusetzen. 1818 BMB hat lediglich mit Familienmitglie<strong>de</strong>rn in D<strong>eu</strong>tschland und mit einem Fr<strong>eu</strong>nd <strong>de</strong>r Familie gesprochen. Bei<strong>de</strong>Parteien stan<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>m Push-back in dauerhaftem Kontakt mit <strong>de</strong>n Opfern. Die Bil<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r Verletzung wur<strong>de</strong>n BMB(zusammen mit <strong>de</strong>m Google Foto <strong>de</strong>r Örtlichkeit, nicht in diesem Bericht) von <strong>de</strong>r Person übergeben, die vom Push-Back berichtete.


11Semi Push-Backs durch Angst- und EinschüchterungspraktikenWährend <strong>de</strong>s Besuchs in Edirne, Türkei, nahm BMB Berichte über die Angst auf, dieZ<strong>eu</strong>gInnen beim Versuch <strong>de</strong>s Übertritts auf das bulgarische Staatsgebiet erlitten. In einem <strong>de</strong>r Fällevom März <strong>2014</strong> näherte sich eine Gruppe von Asylsuchen<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Grenze nicht, weil sie bulgarischeGrenzbeamte sahen, die sich auf türkischem Territorium befan<strong>de</strong>n. Im Folgen<strong>de</strong>n die Aussage 19 :Es war Nachmittag, als wir in Richtung <strong>de</strong>r Grenze aufbrachen. Es waren n<strong>eu</strong>n von unsund zwei Kin<strong>de</strong>r. Wir waren im Dickicht auf <strong>de</strong>r türkischen Seite, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r grünenZone, aber direkt vor <strong>de</strong>r Straße wo die Jeeps fahren, immer noch auf <strong>de</strong>r türkischenSeite. Wir schickten einen Mann los, um nach Polizei zu schauen, und er kam zurück undflüsterte 'Polizei! Polizei!‘. Wir fragten ihn welche Polizei, und er sagte ‚Bulgaren,Bulgaren‘. Wir alle sahen sie bald darauf, <strong>de</strong>nn wir waren nur 50 Meter von ihnenentfernt. Sie hatten grüne Uniformen an. Sie sahen uns ebenfalls. Sie haben nichts getan.Sie sind nur im Dickicht geblieben. Einer von ihnen fing an sich zu entfernen. Wirbegannen, zu unserem Auto zurückzulaufen.Während offizielle Quellen behaupten, dass alle Grenzschutzmaßnahmen darauf ausgerichtetsind, Asylsuchen<strong>de</strong> zu <strong>de</strong>n offiziellen Grenzübergängen zu leiten, stützen die Beobachtungen vonBMB, dass <strong>de</strong>n Asylsuchen<strong>de</strong>n die Einreise an <strong>de</strong>n Kontrollpunkten verweigert wird. NachAngaben von zwei syrischen Männern, die versuchten Asyl an <strong>de</strong>n Übergängen Kapitan Andreevound Malko Tarnovo zu beantragen, verweigerten ihnen die Beamten an <strong>de</strong>r Grenze zweimal dieEinreise. Es gelang ihnen nur mit <strong>de</strong>r Hilfe von SchmugglerInnen, die grüne Grenze zu überqueren.Die bei<strong>de</strong>n Männer, die bis in die frühen 2000er Jahre in Bulgarien lebten, versuchten ursprünglich19 Die Aussage wur<strong>de</strong> nach <strong>de</strong>m versuchten Übertritt, 2. Mai <strong>2014</strong> in Edirne, Türkei getätigt.


12ein Visum zu erhalten und in das Land als dauerhaft Aufenthaltsberechtigte zurückzukehren. Ihnenwur<strong>de</strong> die Einreise verweigert, nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>n Wunsch zum Ausdruck brachten, Asyl zubeantragen.3. Demütigungspraktiken an <strong>de</strong>r Grenze und in <strong>de</strong>n Grenzgefängnissen 20Mehrere Fälle von extremer Missachtung <strong>de</strong>r Menschenwür<strong>de</strong> an <strong>de</strong>n Grenzen und inGrenzgefängnissen wur<strong>de</strong>n BMB für <strong>de</strong>n Zeitraum von November bis April 2013 berichtet.Schläge, Beschimpfungen, Anbrüllen und Tritte durch die Grenzpolizei sind gängige Erfahrungenfür Schutzsuchen<strong>de</strong>. Demütigen<strong>de</strong>s Verhalten beinhaltet auch Fälle von Entblößen für angeblicheDurchsuchungen und stun<strong>de</strong>nlanges nackt stehen lassen von Personen. „Je<strong>de</strong>r durchläuft das. Sogarkleine Babys! 21 “Die Praxis <strong>de</strong>r <strong>de</strong>mütigen<strong>de</strong>n Durchsuchungen wur<strong>de</strong> bereits 2012 angewandt. Ein Mann aus<strong>de</strong>m Iran berichtet:Wir wur<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Grenze festgenommen und zu einer Arrestzelle gebracht. Siedurchsuchten uns. Auf eine sehr schlimme Art und Weise. Sie durchsuchten unsereKleidung, während wir nackt waren. Und dann schlugen sie mich mit meiner Kleidung inmein Gesicht. Dann meinen Fr<strong>eu</strong>nd. Sie durchsuchten seine Kleidung und schlugen ihnmit seiner Kleidung in sein Gesicht. Sie fragten ihn: ‚Warum hast du nicht bezahlt?Warum hast Du <strong>de</strong>n Anwalt und <strong>de</strong>n Übersetzer nicht bezahlt? Du wirst länger hierbleiben 22 .Ein an<strong>de</strong>rer Mann bez<strong>eu</strong>gt:Die Grenzpolizei durchsuchte mich. Ich zog mich aus und sie durchsuchten mich,während ich nackt war. Sie durchsuchten mein [schaut weg] ... meinen ganzen Körperhaben sie durchsucht. Sie ließen mich hinsetzen und aufstehen, hinsetzen und aufstehen.Das ist ein Teil <strong>de</strong>r Durchsuchung. Ich wur<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Grenzpolizei-Station nichtgeschlagen, aber sie schrien mich an. Ich weiß nicht, was sie schrien. Sie warenaggressiv 23 .In einem überlieferten Fall wur<strong>de</strong>n Personen im Lager Elhovo dazu gezwungen, etwa 16Stun<strong>de</strong>n (von 2.00 bis 6.00 Uhr) ohne Nahrung und Wasser in <strong>de</strong>r Kälte auszuharren 24 . Ein weitererFall in Elhovo offenbart extreme Gewalt durch PolizeibeamtInnen, als zwei Personen <strong>de</strong>rEinrichtung entkamen. Danach wur<strong>de</strong>n fünf Menschen nackt ausgezogen und auf <strong>de</strong>n Rückengeschlagen. Zwei von ihnen seien iranisch Staatsbürger gewesen 25 . Asylsuchen<strong>de</strong> gaben an, in20 ‘Grenzgefängnis’ ist die gängige Bezeichnung unter Asylsuchen<strong>de</strong>n, und bezieht sich auf die Einrichtungen inElhovo, Kapitan Andreevo und Malko Tarnovo.21 Interview geführt in Harmanli am 27. März <strong>2014</strong>.22 Aufgezeichnetes Interview 11 vom 18.08.2012.23 Aufgezeichnetes Interview G12 vom 17.08.2012.24 Interview geführt in Harmanli am 28. März <strong>2014</strong>. Der Fall selbst trug sich nicht im Jahre <strong>2014</strong> zu.25 Interview geführt in Harmanli am 27. März <strong>2014</strong>. Der Fall selbst trug sich nicht im Jahre <strong>2014</strong> zu.


14In einem an<strong>de</strong>ren Fall war ein Mann aus <strong>de</strong>m Irak betroffen 29 :Als die Polizei ihn aufgriff, begannen sie ihn zu schlagen. Er so: ‚bitte schlagt mich nicht,bitte schlagt mich nicht. Ich bin Geflüchteter. Ich kam in Euer Land als Geflüchteter.Bitte schlagt mich nicht.‘ Aber sie schlugen ihn weiter. Und er hatte ein Dokument, einenAusweis dass er ein Fußballspieler im Irak ist. Einer <strong>de</strong>r Polizisten nahm <strong>de</strong>n Ausweis <strong>de</strong>rFußballmannschaft und warf ihn weg. Er sah ihn nur an und sagte: Fußballer? Und siewarfen ihn weg, während er schrie bitte tut mir nicht weh, ich bin ein Fußballspieler aus<strong>de</strong>m Irak, kam nach Bulgarien um Zuflucht zu suchen 30 .4. Die Institutionelle Reaktion auf die Push-Back- und GewaltvorwürfeDie bulgarischen Behör<strong>de</strong>n haben Berichte über Push-Backs und Gewalt durchweg<strong>de</strong>mentiert, ohne weitere Untersuchungen durchzuführen. Nach <strong>de</strong>r Veröffentlichung eines Berichtsüber <strong>de</strong>n Push-Back vom 21. April <strong>2014</strong> (siehe Fußnote 17) durch BMB kommentierte <strong>de</strong>r Leiter<strong>de</strong>r Grenzpolizei Zaharin Penov 31 :Ja. Der Fall über <strong>de</strong>n kürzlich berichtet wur<strong>de</strong>, betrifft höchstwahrscheinlich einenVorfall am frühen Nachmittag <strong>de</strong>s 21. April, in <strong>de</strong>r Nähe <strong>de</strong>r Grenzpyrami<strong>de</strong> 212 auf <strong>de</strong>mGebiet <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong> Bolyarovo. Am 21. hat dort ein bulgarischer Grenzbeamter dieAnwesenheit von fünf Personen unmittelbar an <strong>de</strong>r Grenze auf türkischem Hoheitsgebietfestgestellt. Gemäß <strong>de</strong>r Vereinbarung mit <strong>de</strong>r Türkei wur<strong>de</strong>n die türkischen Behör<strong>de</strong>ninformiert ... [Diese Menschen] waren nie auf bulgarischem Hoheitsgebiet ... DieseAussage [dass <strong>de</strong>r berichtete Fall kein Einzelfall ist] ist mit Sicherheit nicht wahr. Es gibtkeine solchen Praktiken in diese Richtung, die von bulgarischen Grenzbehör<strong>de</strong>neingesetzt wer<strong>de</strong>n. In diesem Gebiet befin<strong>de</strong>n sich außer bulgarischen Grenzbeamtenauch noch 37 [ausländische] Offiziere aus 11 Mitgliedsstaaten.Vier Tage vor <strong>de</strong>r Veröffentlichung <strong>de</strong>s Berichts von HRW kommentierte Minister Iovcheveinige Untersuchungsergebnisse <strong>de</strong>r Organisation 32 :Ich wer<strong>de</strong> nicht ins Detail im Bezug auf die im Bericht genannten Fällen gehen, aber esgibt Dinge die eklatante Lügen sind, die leicht überprüft wer<strong>de</strong>n könnten. Zum Beispiel istdie bulgarische Grenzpolizei nicht mit Waffen ausgerüstet, die Kolben haben. Wasbed<strong>eu</strong>tet, dass es keine Möglichkeit gibt dass [Grenzschutzbeamte] Flüchtlinge mitKolben schlagen, da sie keine Waffen mit Kolben haben. Ich muss auch zugeben, dassunsere Grenzsoldaten, die sich an <strong>de</strong>r Grenze befin<strong>de</strong>n, keine elektrischen Schlagstöcke29 Interview geführt in Pastrogor am 18. August 2012.30 Die Erzählung ist in <strong>de</strong>r dritten Person, da sie in Übersetzung durch <strong>de</strong>n Dolmetscher aufgezeichnet wur<strong>de</strong>.31Interview geführt von Tanya Velichkova für das bulgarische Nationalradio, 24.04.<strong>2014</strong>.http://bnr.bg/horizont/post/100400902/zaharin-panov-opitite-za-preminavane-na-granicata-ni-se-podpomagatotkanaldjiiAufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.32 Vesti. <strong>2014</strong>. http://www.vesti.bg/<strong>bulgaria</strong>/politika/iovchev-hiumyn-rajts-uoch-lyzhe-za-granicata-s-turciia-6010656Aufgerufen am 7. June <strong>2014</strong>. Die Antwort von HRW kann hier heruntergela<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n:http://www.hrw.org/sites/<strong>de</strong>fault/files/reports/MoI5_20_<strong>2014</strong>_English.pdf Aufgerufen am 15. Juni <strong>2014</strong>.


15besitzen o<strong>de</strong>r haben. Sie können Flüchtlinge unmöglich mit Elektro-Sticks malträtieren,die sie nicht besitzen.Er fügte hinzu:Wir [Bulgarien] haben keine Soldaten an <strong>de</strong>r Grenze, und unsere Grenzpolizei hat keineStiefel, daher besteht nicht die Möglichkeit dass die [Grenzpolizei] Flüchtlinge mitStiefeln malträtiert (Iovchev, <strong>2014</strong>).FazitDie konsequente und systematische Verweigerung seitens <strong>de</strong>r bulgarischen Institutionen, dievon mehreren internationalen Organisationen und lokalen NGOs ausgesprochenen Warnungenanzugehen, behin<strong>de</strong>rt jedwe<strong>de</strong> Form von Zusammenarbeit zur Verbesserung <strong>de</strong>r Behandlung vonAsylsuchen<strong>de</strong>n durch <strong>de</strong>n bulgarischen Staat. Kontinuierliche und systematische Gewaltanwendungdurch die bulgarischen Behör<strong>de</strong>n an <strong>de</strong>r Grenze und in <strong>de</strong>n Registrierung- und Hafteinrichtungenstellen eine Verletzung <strong>de</strong>r Menschenrechte dar, die von <strong>de</strong>n entsprechen<strong>de</strong>n Institutionen im Landnicht angesprochen o<strong>de</strong>r untersucht wur<strong>de</strong>. Die abnehmen<strong>de</strong> Zahl von Asylsuchen<strong>de</strong>n im Landist eine direkte Folge <strong>de</strong>r schweren Verletzungen von Menschenrechtsstandards und stellteine direkte Verletzung internationaler Konventionen und nationaler Verpflichtungen dar.Bis solche Praktiken eingestellt wer<strong>de</strong>n, ist das Land nicht dazu in <strong>de</strong>r Lage, eine sichere undwür<strong>de</strong>volle Behandlung aller Individuen in sämtlichen Phasen <strong>de</strong>s Asylverfahrens zu garantieren.


16II. VON ÜBERFÜLLTEN LAGERN ZUR PRODUKTION VONOBDACHLOSIGKEITEn<strong>de</strong> 2013 wur<strong>de</strong> Bulgarien in einer Reihe von Erklärungen und Berichten voninternationalen Organisationen und lokalen NGOs heftig für die Bedingungen in <strong>de</strong>n Lagern, undfür die Qualität und das Tempo <strong>de</strong>s Asylverfahrens kritisiert 33 . Schlechten Lebensbedingungen in<strong>de</strong>n staatlichen Gemeinschaftsunterkünften war einer <strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong>, anhand <strong>de</strong>rer die vorübergehen<strong>de</strong>Einstellung <strong>de</strong>r Dublin-Abschiebungen nach Bulgarien gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>. Obwohl sich <strong>de</strong>rbulgarische Staat zum Zeitpunkt unserer Forschung (März-Juni <strong>2014</strong>) anstrengt, die Renovierung<strong>de</strong>r Gebäu<strong>de</strong> voranzutreiben und Mobiliar sowie kostenlose Mahlzeiten anzubieten – Wir zögerndamit festzustellen, dass sich die Unterbringungsbedingungen insgesamt so verbessert haben, dasssie Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen eine sichere Unterkunft o<strong>de</strong>r ein wür<strong>de</strong>volles Lebengarantieren. Unsere Feldforschung und Analyse zeigen, dass die vom Staat verwalteten Unterkünftenur eine <strong>de</strong>r Unterbringungsoptionen für Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge darstellen, und dass diedarauf bezogenen Verbesserungen nicht unbedingt ein Zeichen für eine Verbesserung <strong>de</strong>rallgemeinen Lebensbedingungen für diese bei<strong>de</strong>n Gruppen darstellen.Trotz <strong>de</strong>r Renovierungen gibt es einige wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong> materielle Probleme in <strong>de</strong>n Lagern(zum Beispiel unregelmäßige Stromversorgung, Mangel an heißem Wasser und Verstopfungen <strong>de</strong>rKanalisation). Allerdings sind auch erhebliche Probleme entstan<strong>de</strong>n, die mit <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>rLager zusammenhängen: Die unzureichen<strong>de</strong> Bereitstellung von Angeboten zur medizinischenVersorgung, Übersetzung und Dolmetschen, sowie von Informationen über Vorschriften und dieVerwaltungsverfahren. Darüber hinaus hat <strong>de</strong>r scheinbare Erfolg im Kampf gegen die Überfüllung<strong>de</strong>r Lager <strong>de</strong>n Preis zunehmen<strong>de</strong>r Obdachlosigkeit von Flüchtlingen und Asylsuchen<strong>de</strong>n.1. Verhältnisse und Angebote in <strong>de</strong>n LagernA. Unterbringung und materielle BedingungenZusätzlich zu <strong>de</strong>n bestehen<strong>de</strong>n Aufnahme- und Transiteinrichtungen in Pastrogor, Banya undOvcha Kupel (Sofia) wur<strong>de</strong>n seit August 2013 vier n<strong>eu</strong>e Camps eröffnet. Drei davon sind offengestaltet, bei einem han<strong>de</strong>lte es sich bis Januar <strong>2014</strong> um eine geschlossene Einrichtung: VoennaRampa, Vrazh<strong>de</strong>bna, Kovachevtsi und Harmanli. Es wur<strong>de</strong> versucht, mehrere Camps anverschie<strong>de</strong>nen an<strong>de</strong>ren Orten in Bulgarien zu eröffnen. Diese Pläne sind allerdings aufgrund vonProtesten <strong>de</strong>r lokalen Bevölkerung und am Wi<strong>de</strong>rstand <strong>de</strong>r Gemein<strong>de</strong>n gescheitert (siehe Fußnote61).Einige <strong>de</strong>r verbleiben<strong>de</strong>n Probleme in <strong>de</strong>n Lagern sind die folgen<strong>de</strong>n: Es besteht ein Mangel an Gemeinschaftsräumen, in <strong>de</strong>nen Asylsuchen<strong>de</strong> Zeit außerhalb ihrerZimmer verbringen können. Zum Beispiel wur<strong>de</strong>n im Lager Pastrogor <strong>de</strong>r33 UNHCR: http://www.refworld.org/publisher,UNHCR,,BGR,52c598354,0.html, HRW:http://www.hrw.org/reports/<strong>2014</strong>/04/28/containment-plan, Amnesty International:http://www.amnesty.org/en/library/asset/EUR15/003/2013/en/3d683266-4c02-4cb2-aea5-e6eb2f666139/<strong>eu</strong>r150032013en.pdf Aufgerufen am 8. Juni, <strong>2014</strong>.


Gemeinschaftsbereich, die Bibliothek, <strong>de</strong>r Gebetsraum sowie <strong>de</strong>r Computerraum, die zuvorverfügbar waren, in <strong>de</strong>n Monaten in <strong>de</strong>nen die höchste Zahl Asylsuchen<strong>de</strong>r im Lageruntergebracht war in Schlafbereiche umgewan<strong>de</strong>lt. Auch wenn das Überbelegungsproblemzwischenzeitlich behoben wur<strong>de</strong>, wur<strong>de</strong>n die Gemeinschaftsbereiche nicht wie<strong>de</strong>r zurVerfügung gestellt. In Harmanli sind Gemeinschaftsbereiche immer noch im Begriffeingerichtet zu wer<strong>de</strong>n. Im April <strong>2014</strong> waren die materiellen Bedingungen in einigen <strong>de</strong>r Lager immer noch sehrunbefriedigend. Beispielsweise fehlten im Gebäu<strong>de</strong> für alleinstehen<strong>de</strong> Männer in VoennaRampa Fensterscheiben, und Familien in <strong>de</strong>n großen Sälen mussten immer noch Bettlakenverwen<strong>de</strong>n um <strong>de</strong>n Raum aufzuteilen und ein Gefühl von Privatsphäre aufrechtzuerhalten.Auch in <strong>de</strong>n renovierten Bereichen mussten Familien auf dieses Mittel zurückgreifen. Es existiert ein anhalten<strong>de</strong>r Mangel an gemeinsamen Küchenbereichen mit vorhan<strong>de</strong>nemKochgeschirr. Im Lager Pastrogor wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r als Gemeinschaftsküche vorgesehene Raum ineine Kantine umgewan<strong>de</strong>lt. In Harmanli gab es gegenwärtig keine Pläne zum Bau einerGemeinschaftsküche. In Ermangelung solcher Räume kochen die Menschen in <strong>de</strong>n Gängen,ihren Zimmern o<strong>de</strong>r in <strong>de</strong>n Bä<strong>de</strong>rn. Es gibt Pläne, Küchen auf allen Etagen <strong>de</strong>s Lagers inVrazh<strong>de</strong>bna einzubauen. Dieses beispielhafte Vorgehen sollte auch in <strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Lagernangeregt wer<strong>de</strong>n. Es wur<strong>de</strong> berichtet, dass die Verfügbarkeit von Warmwasser und Strom in einigen Lagern(z.B. Vrazh<strong>de</strong>bna, Harmanli, Ovcha Kupel, Pastrogor) unregelmäßig ist Verstopfungen <strong>de</strong>r Kanalisation und allgemeine Hygienebedingungen stellen weiterhin einProblem in allen Lagern dar. Diese Probleme beruhen auf <strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong>n Anzahl vonToiletten und Ba<strong>de</strong>zimmer.B. Sozialberatung und ÜbersetzungsdienstleistungenDie fehlen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong> Sozialberatung stellt nach wie vor ein ernsthaftes Problemin allen Lagern dar. Während unserer Forschung in <strong>de</strong>n Lagern Harmanli und Pastrogor berichtetenuns Asylsuchen<strong>de</strong>, dass keine Sozialarbeiter o<strong>de</strong>r sonstiges Lagerpersonal zur Verfügung stehen,die Informationen o<strong>de</strong>r Beratung im Bezug auf die Verfahren, die Rechte und Pflichten vonAsylsuchen<strong>de</strong>n und InhaberInnen eines Aufenthaltstitels in Bulgarien, sowie hinsichtlich konkreterVorschriften über <strong>de</strong>n Zugang zu Institutionen, Gesundheitsversorgung, sozialen Diensten und <strong>de</strong>mWohnungs- und Arbeitsmarkt anbieten. Die SAF berichtet, dass seit April <strong>2014</strong> neben <strong>de</strong>nSozialmediatorInnen <strong>de</strong>s Bulgarischen Roten Kr<strong>eu</strong>zes von <strong>de</strong>r Behör<strong>de</strong> angestellteSozialarbeiterInnen anwesend sind. Allerdings ist ihre Zahl im Vergleich zur hohen Zahl <strong>de</strong>rLagerbewohnerInnen beschränkt, und über die Effizienz ihrer Arbeit liegen noch keineErfahrungswerte vor. Zwar gibt es Bemühungen, Unterstützung in an<strong>de</strong>ren Sprachen als Bulgarischzu leisten, jedoch ist <strong>de</strong>r Erfolg dieser Bemühungen begrenzt und beschränkt sich überwiegend aufArabisch sprechen<strong>de</strong> Asylsuchen<strong>de</strong>. Diejenigen, die an<strong>de</strong>re Sprachen sprechen, bleiben außen vor.Die Verfügbarkeit von ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen in <strong>de</strong>n Lagern ist nach wie vorunzureichend. SAF-DolmetscherInnen unterstützen während <strong>de</strong>r Interviews im Asylverfahren.Allerdings stehen Aslysuchen<strong>de</strong>n und InhaberInnen eines Aufenthaltstitels in <strong>de</strong>n Lagern nicht ohneweiteres <strong>de</strong>signierte DolmetscherInnen zur Informationsübermittlung, für Anfragen o<strong>de</strong>r beimedizinischen Problemen zur Verfügung. Mitunter nehmen SozialarbeiterInnen und MediatorInneneine Doppelrolle als DolmetscherInnen an, allerdings hält sich ihre Anzahl sehr in Grenzen. Die17


18Weitergabe von Informationen und alltägliche Interaktionen zwischen <strong>de</strong>n MitarbeiterInnen und<strong>de</strong>n LagerbewohnerInnen wer<strong>de</strong>n vor allem durch die freiwillige Arbeit an<strong>de</strong>rer BewohnerInnensichergestellt. In unseren Interviews fin<strong>de</strong>n sich zahlreiche Beschwer<strong>de</strong>n über eine unzureichen<strong>de</strong>o<strong>de</strong>r nicht vorhan<strong>de</strong>ne Bereitstellung von Informationen über die Verfahrens<strong>de</strong>tails, Rechte undPflichten <strong>de</strong>r Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlinge in Bulgarien, die Bedingungen und Bestimmungeninnerhalb <strong>de</strong>r Lager, <strong>de</strong>n Zugang zu Angeboten, medizinische Versorgung usw. in einerverständlichen Sprache. Der Rechtsberater Borislav Dimitrov berichtet:Es gibt viele Beschwer<strong>de</strong>n über die Arbeit <strong>de</strong>r ÜbersetzerInnen. Asylsuchen<strong>de</strong> beklagen,dass die Farsi-ÜbersetzerInnen die Sprache nicht gut genug sprechen. Die Arabisch-ÜbersetzerInnen, die meisten von ihnen AraberInnen, sind unhöflich und verhalten sichrespektlos. Die L<strong>eu</strong>te sagen, dass sie ihre Geschichte zwei o<strong>de</strong>r drei Minuten langerzählen, und die ÜbersetzerInnen diese in zwei o<strong>de</strong>r drei Sätzen übermitteln. Es gibtmassenhaft Beschwer<strong>de</strong>n nach <strong>de</strong>r Erteilung von Entscheidungen. Die L<strong>eu</strong>te sehen, dassein Teil <strong>de</strong>r Aussagen in <strong>de</strong>r Entscheidung so nie gesagt wur<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r durch einefehlerhafte Übersetzung verfälscht wur<strong>de</strong>. (Interview, 3. Juni <strong>2014</strong>)C. Medizinische DienstleistungenMedizinische Dienstleistungen und die Bereitstellung von Medikamenten sind in allen Lagernnach wie vor unzureichend, obwohl medizinisches Personal im Lagerbereich anwesend ist, und dieKrankenversicherung für Asylsuchen<strong>de</strong> für die Dauer <strong>de</strong>s Verfahrens durch <strong>de</strong>n Staat ge<strong>de</strong>ckt ist.Bis En<strong>de</strong> April wur<strong>de</strong> das medizinische Personal in einigen <strong>de</strong>r Lager von <strong>de</strong>n Ärzten ohne Grenzenzur Verfügung gestellt, danach hat die SAF die Versorgung mit eigenem medizinischem Personalübernommen. In <strong>de</strong>n meisten Interviews wur<strong>de</strong>n die angebotenen Dienstleistungen, sowie diemedizinische Versorgung als unzureichend qualifiziert. Im Jahr 2013 wur<strong>de</strong> die medizinischeVersorgung in <strong>de</strong>n Einrichtungen von SanitäterInnen abge<strong>de</strong>ckt (mit Ausnahme <strong>de</strong>r Einrichtung inOvcha Kupel, vgl. <strong>de</strong>n Bericht <strong>de</strong>s Ombudsmannes 34 ). Es gelang uns nicht, von <strong>de</strong>r SAFInformationen über die Än<strong>de</strong>rungen seit April <strong>2014</strong> einzuholen.Ein wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>s Problem stellt <strong>de</strong>r Mangel an Aufmerksamkeit für ernsthafteBeschwer<strong>de</strong>n und an Medikamenten dar. Borislav Dimitrov berichtet, dass „[d]enjenigen, die einenAufenthaltstitel erhalten haben und in <strong>de</strong>n Lagern leben, medizinische Versorgung von <strong>de</strong>nMedizinern in <strong>de</strong>n Lagern verwehrt wur<strong>de</strong>, da sie ihre monatliche Versicherung selbst <strong>de</strong>ckenmüssen“. Überweisungen zu FachärztInnen in Krankenhäusern außerhalb <strong>de</strong>r Lager wur<strong>de</strong>nebenfalls als unzureichend erachtet. Die Standardbehandlung für Personen mit Beschwer<strong>de</strong>nbestün<strong>de</strong> aus Schmerzmitteln. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r bisherigen erbärmlichen Bedingungen in<strong>de</strong>n Lagern, <strong>de</strong>r Kälte, F<strong>eu</strong>chtigkeit, Überbelegung und schlechten sanitären Einrichtungen hättenviele Asylsuchen<strong>de</strong> eine sorgfältigere medizinische Untersuchung benötigt. Vereinzelt wur<strong>de</strong>berichtet, dass medizinisches Personal Bestechungsgel<strong>de</strong>r für die Überweisung an SpezialistInneneinfor<strong>de</strong>rte. In <strong>de</strong>n Fällen, in <strong>de</strong>nen es an zusätzlichen Medikamenten bedurft hätte, war <strong>de</strong>rmedizinische Nachschub unzureichend. Medikamente aus Apotheken wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>nKrankenkassen in Bulgarien nicht abge<strong>de</strong>ckt, und sind somit für Asylsuchen<strong>de</strong>, die auf ihremonatliche Beihilfe von 65 BGN (ca. 33 €) beschränkt sind, praktisch unverfügbar.34 Ombudsman. 2013. http://www.ombudsman.bg/national-prevention/2819%23middleWrapper%20Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.


Das nationale Gesundheitssystem verpflichtet Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge zurRegistrierung bei einem Allgemeinarzt, um Zugang zu kostenloser medizinischer Versorgung zuerhalten 35 . Aufgrund <strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong>n Information über die Vorschriften zum Zugang zuGesundheitsversorgung und <strong>de</strong>r Tatsache, dass Asylsuchen<strong>de</strong> und Geflüchtete sich oft von einerEinrichtung zur an<strong>de</strong>ren bewegen, verlieren sie häufig die Registrierung für einen Arzt und könnendaher keine kostenlose Behandlung mehr in Anspruch nehmen. Nach Angaben <strong>de</strong>s Ombudsmannshaben im September 2013 bis zu 400 Flüchtlinge kein Recht auf kostenlose Gesundheitsversorgungaufgrund <strong>de</strong>r Inkonsistenzen zwischen <strong>de</strong>n Regelungen im Bezug auf Geflüchtete und die nationaleGesundheitsversorgung. InhaberInnen <strong>de</strong>s Flüchtlings- o<strong>de</strong>r humanitären Status müssen ihreGesundheitskosten selbst tragen, und sich um die Suche nach einem Allgemeinarzt zurRegistrierung kümmern. Dies ist für die meisten von ihnen schwierig – sie bleiben daher vomGesundheitssystem ausgeschlossen.Es stehen keine Dolmetscherdienste für Arztbesuche in örtlichen Krankenhäusern zurVerfügung 36 . So gebaren beispielsweise in zwei Fällen asylsuchen<strong>de</strong>n Frauen (in Harmanli undPastrogor) Kin<strong>de</strong>r in Bulgarien, ohne während <strong>de</strong>s Geburtsvorgangs sprachliche o<strong>de</strong>r soziale undkulturelle Unterstützung zu erhalten. Anweisungen o<strong>de</strong>r Informationen wur<strong>de</strong>n ihnen nicht in einerSprache gegeben, die sie verstehen konnten. Eine <strong>de</strong>r interviewten jungen Mütter bekam keineUnterstützung o<strong>de</strong>r Anleitung im Bezug auf das Stillen in einer ihr verständlichen Sprache, undkonnte ihr Baby nicht stillen. Es gibt keine Bestimmungen hinsichtlich solcher Dienstleistungen inan<strong>de</strong>ren Notfällen o<strong>de</strong>r solchen medizinischen Fällen, die Krankenhausbesuche notwendig machen.Diese Leerstelle stellt ein Hin<strong>de</strong>rnis für eine angemessene medizinische Versorgung dar, und setztAsylsuchen<strong>de</strong> Risiken von Missverständnissen, über Leidwesen, bis hin zu falscher Behandlungaus.D. Geldstrafen und VerwaltungsgebührenAuf Basis <strong>de</strong>s Flüchtlingsgesetzes und <strong>de</strong>r Vorschriften <strong>de</strong>r Lager wer<strong>de</strong>n Geldbußen gegenAsylsuchen<strong>de</strong> und Geflüchtete verhängt, falls diese Sachanlagen <strong>de</strong>s Lagers beschädigen. DieGeldstrafen variieren, wie im Asyl- und Flüchtlingsgesetz in Abschnitt 4, Art. 93 vorgesehen,zwischen 50 und 200 BGN (25-100 Euro), und übersteigen damit die finanziellen Kapazitäten <strong>de</strong>rLagerbewohnerInnen, <strong>de</strong>ren monatliche Beihilfe 65 BGN beträgt, bei weitem. Wie dieBewohnerInnen berichten, wer<strong>de</strong>n die Geldbußen direkt von <strong>de</strong>r monatlichen Beihilfe abgezogen.Die BewohnerInnen können innerhalb von drei Tagen Einspruch gegen die Entscheidung einlegen.Die Protokolle wer<strong>de</strong>n ihnen auf Bulgarisch vorgelegt. BMB hat mehrere Beschwer<strong>de</strong>n vonLagerbewohnerInnen aufgenommen, die diese Lasten als ungerecht erachteten. In allen Fällen war<strong>de</strong>n LagerbewohnerInnen nicht bewusst, dass ihnen ein Einspruchsrecht zusteht. Dieseproblematische Praxis läuft seit 2012, ähnlichen Beschwer<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong>n auch für alle an<strong>de</strong>ren Lagernvorgebracht.1935 Allerdings verursacht je<strong>de</strong>r Besuch beim Allgemeinarzt eine Gebühr von 2 BGN (1 Euro), was zu viel für einigeAsylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge ist (siehe <strong>de</strong>n Bericht <strong>de</strong>s Ombudsmannes).36 Das Bulgarische Rote Kr<strong>eu</strong>z stellt solche Übersetzungsdienstleistungen zur Verfügung, erreicht aber nur eine sehrgeringe Anzahl von Personen.


202. Strukturelle Vorbedingungen zur Produktion von ObdachlosigkeitTrotz sehr vieler Vorschriften im Bezug auf externe Wohnadressen, die die Situation sowohlvon Asylsuchen<strong>de</strong>n als auch <strong>de</strong>r Lagerverwaltungen erleichtern sollen, wer<strong>de</strong>n vor Ort sofort vieleProbleme sichtbar. Die Fortschreibung extremer Verwundbarkeit in Bezug aufUnterbringungsmöglichkeiten im ganzen Land stellt ein anhalten<strong>de</strong>s Problem dar. Inkonsistente undsich ständig än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Vorschriften für die Unterbringung von InhaberInnen eines Aufenthaltstitelsund Asylsuchen<strong>de</strong>n in und außerhalb <strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r SAF geführten Einrichtungen sind zur Regelgewor<strong>de</strong>n, und führen zu einem allgemeinen Zustand, in <strong>de</strong>m Verwirrung und Chaos herrschen.Derzeit lebt die Mehrheit <strong>de</strong>r Betroffenen außerhalb <strong>de</strong>r Lager, unter externen Wohnadressen.Nach SAF Informationen lebten am 6. Juni <strong>2014</strong> 50%, beziehungsweise 2329 Personen, in SAF-Einrichtungen. Der Rest, also 2359 Personen, lebt unter externen Wohnadressen. Dies bed<strong>eu</strong>tet,dass min<strong>de</strong>stens 2359 Personen nicht mehr finanziell vom Staat unterstützt wer<strong>de</strong>n. Die Zahl ist inWirklichkeit noch viel höher, wenn wir die InhaberInnen eines Aufenthaltstitels und diejenigenPersonen hinzuzählen, <strong>de</strong>ren Verfahren been<strong>de</strong>t o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>ren Asylantrag abgelehnt wur<strong>de</strong>.A. Externe Wohnadressen für Asylsuchen<strong>de</strong>Die Vorschriften <strong>de</strong>r SAF ermöglichen es Menschen während <strong>de</strong>s Asylverfahrens, außerhalb<strong>de</strong>r SAF Wohneinrichtungen zu leben, wenn Sie eine Reihe von Vorschriften befolgen. Alleregistrierten Asylsuchen<strong>de</strong>n können unter einer externen Wohnadresse leben, nach<strong>de</strong>m sie <strong>de</strong>rLagerverwaltung ihren Wunsch in schriftlicher Form übermittelt, und einen Nachweis über dieexterne Unterbringung (z.B. einen Mietvertrag) vorgelegt haben. Darüber hinaus muss die SAFeinen solchen Umzug offiziell genehmigen. Diese Option wur<strong>de</strong> von einem großen Teil <strong>de</strong>rAsylsuchen<strong>de</strong>n bevorzugt, insbeson<strong>de</strong>re in <strong>de</strong>r Zeit in <strong>de</strong>r die Lager überfüllt waren, also in <strong>de</strong>nletzten Monaten <strong>de</strong>s Jahres 2013 und Anfang <strong>2014</strong>. Die Option einer „externen Wohnadresse“basiert auf <strong>de</strong>r Annahme, dass diese L<strong>eu</strong>te über genug Ressourcen verfügen, um sich in Bulgarienselbst, ohne staatliche Unterstützung zu versorgen. Allerdings zeigt unsere Forschung, dass diehauptsächlichen Beweggrün<strong>de</strong> für einen Auszug aus <strong>de</strong>n SAF-Unterkünften in <strong>de</strong>n Bedingungenunterhalb <strong>de</strong>s Lebensstandards sowie im wie<strong>de</strong>rkehren<strong>de</strong>n Rassismus in und rund um die Lager zufin<strong>de</strong>n sind.Auf <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Seite schafft das Leben unter einer externen Wohnadresse während <strong>de</strong>sVerfahrens Voraussetzungen für die Produktion von extremer sozialer Verwundbarkeit: Die finanzielle Grundsicherung durch <strong>de</strong>n Staat geht verloren. Die Regelung zur„externen Wohnadresse“ sieht vor, dass sobald eine Person aus <strong>de</strong>r SAF-Unterkunftausgezogen ist, sie das Recht auf die vom Staat zur Verfügung gestellten monatlichenSozialleistungen von 65 BGN verliert. Die Bedingungen unter <strong>de</strong>nen Asylsuchen<strong>de</strong>n externe Wohnadressen fin<strong>de</strong>n undVerträge unterzeichnen, sind oft betrügerisch und garantieren keine sichere Unterkunft.Viele Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge wer<strong>de</strong>n Opfer von Betrug durch Privatpersonen, diegefälschte Adressen o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren Bedingungen als in <strong>de</strong>n Verträgen festgelegt wur<strong>de</strong>n zurVerfügung stellen. In <strong>de</strong>r Praxis leben Asylsuchen<strong>de</strong> häufig in unsicheren Wohnverhältnissen,ohne ordnungsgemäße Verträge, und sind <strong>de</strong>m Risiko <strong>de</strong>r unvermittelten Obdachlosigkeitausgesetzt.


Die Fälschung <strong>de</strong>r Adressregistrierung ohne einen sicheren Mietvertrag ist weitverbreitet. Trotz <strong>de</strong>r strengen Vorschriften <strong>de</strong>r SAF wur<strong>de</strong>n viele <strong>de</strong>r Verträge gefälscht, einePraxis die im Bericht <strong>de</strong>s Ombudsmannes bestätigt wird. Dieser führt aus, dass in <strong>de</strong>n„Anträgen auf externe Wohnadressen nicht mehr als 3-4 Adressen [vorkommen]“ 37 . DiesePraxis wird durch die Schwierigkeit, Vermieter zu fin<strong>de</strong>n die bereit dazu sind offizielleVerträge zu unterschreiben, <strong>de</strong>n Alltagsrassismus (mehr dazu in Teil V über <strong>de</strong>n Rozovo-Fall), und die hohen Mietpreise erz<strong>eu</strong>gt. Im Ergebnis sind die externen Wohnadressen in <strong>de</strong>rMehrzahl <strong>de</strong>r Fälle gefälscht, was zu einer großen, nicht feststellbareren Zahl von Menschenführt, die obdachlos sind o<strong>de</strong>r waren, o<strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re Formen <strong>de</strong>r Unterbringung aufgetan haben(z.B. Unterbringung durch Fr<strong>eu</strong>ndInnen und Verwandte, die nicht dazu in <strong>de</strong>r Lage sind,zusätzliche MieterInnen zu <strong>de</strong>klarieren). Außer<strong>de</strong>m wur<strong>de</strong>n Korruptionssysteme i<strong>de</strong>ntifiziert,in die VerwaltungsmitarbeiterInnen <strong>de</strong>r Lager involviert sind. Die Bedingungen, unter <strong>de</strong>nen Personen in das Lager zurückkehren können (o<strong>de</strong>r nichtkönnen) wenn sie ausgezogen sind, sind nicht klar im Gesetz festgelegt. Unsere Interviewsbelegen, dass diese Vorschriften <strong>de</strong>njenigen, die aus <strong>de</strong>n Einrichtungen ausziehen, nichttransparent dargelegt wer<strong>de</strong>n. Wir haben Beschwer<strong>de</strong>n von Menschen aufgenommen, dieversucht haben in eines <strong>de</strong>r Lager zurückzukehren, <strong>de</strong>ren Antrag aber ohne einegrundsätzliche Erklärung abgelehnt wur<strong>de</strong>. Die Bedingungen, unter <strong>de</strong>nen Personen in dasLager zurückkehren können (o<strong>de</strong>r nicht können), nach<strong>de</strong>m sie ausgezogen sind, sind nichtklar im Gesetz festgelegt. Ein Anwalt, <strong>de</strong>r mit Geflüchteten arbeitet, erklärt dass „es imbulgarischen Gesetz kein so <strong>de</strong>finiertes Recht gibt" 38 . Einige <strong>de</strong>r Regeln in <strong>de</strong>n Einrichtungen ermöglichen <strong>de</strong>n einfachen Verweis vonAsylbewerbern und Flüchtlingen aus <strong>de</strong>n Lagern. Zum Beispiel verlieren sie automatischihren Platz, wenn Sie mehr als drei Nächte ohne Erlaubnis außerhalb <strong>de</strong>s Lagers verbringen.Während bestimmte Vorschriften von entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>r Bed<strong>eu</strong>tung für die Aufrechterhaltungeines geordneten Systems sind, ist BMB darüber besorgt dass solche Praktiken unnötigeObdachlosigkeit erz<strong>eu</strong>gen. Das Risiko <strong>de</strong>r Obdachlosigkeit ausgeliefert zu sein, das auch vom UNHCR und HumanRights Watch erwähnt wird, hat zu <strong>de</strong>m geführt was wir als „geächteten Aufenthalt“bezeichnen. „Geächteter Aufenthalt“ bezieht sich auf die Tatsache, dass sich eine nichtfeststellbare Zahl an Menschen nachts in die Lager schleicht, und dort mit <strong>de</strong>r Hilfe vonFr<strong>eu</strong>ndInnen (min<strong>de</strong>stens) die Nach über bleibt, um nicht <strong>de</strong>n Gefahren <strong>de</strong>s Schlafens auf <strong>de</strong>rStraße (z.B. Hate-crimes, Frostnächten, Raubüberfällen, etc.) ausgesetzt zu sein. Geflüchteteaus <strong>de</strong>m Lager in Ovcha Kupel haben uns mitgeteilt, dass die Fälle <strong>de</strong>s „geächtetenAufenthalts“ in <strong>de</strong>n vergangenen Monaten aufgrund einer Reihe von Razzien in <strong>de</strong>n Lagernd<strong>eu</strong>tlich zurückgingen 39 . Zur gleichen Zeit gibt es zum Zeitpunkt <strong>de</strong>r Fertigstellung diesesBerichts 2258 verfügbare Plätze in <strong>de</strong>n Flüchtlingslagern im ganzen Land, 1129 davon in <strong>de</strong>rHauptstadt Sofia 40 . Die „geächteten Aufenthalte“ halten bis h<strong>eu</strong>te an. Eine Frau in Ovcha2137 Ombudsman. 2013. http://www.ombudsman.bg/national-prevention/2819#middleWrapper. Eine kürzlichdurchgeführte journalistische Recherche bestätigt die Beobachtungen <strong>de</strong>s Ombudsmannberichts(http://www.trud.bg/Article.asp?ArticleId=3877317). Diese Praxis existiert allerdings schon seit min<strong>de</strong>stens 2011Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.38 Interview geführt in Sofia am 30. Mai <strong>2014</strong>.39 SAF. 6. Juni <strong>2014</strong>. http://www.aref.government.bg/docs/Refugees_06.06.<strong>2014</strong>.doc Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.40 SAF. 6. Juni <strong>2014</strong>. http://www.aref.government.bg/docs/Refugees_06.06.<strong>2014</strong>.doc Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.


22Kupel teilte uns mit: „Ich halte mich hier illegal auf. Ich habe Angst, nachts auf <strong>de</strong>r Straße zusein, und verlasse mich auf die guten Fr<strong>eu</strong>ndInnen, die noch in Ovcha Kupel sind, um beiihnen zu bleiben.“Darüber hinaus weiß BMB von Fällen <strong>de</strong>s ‚geächteten Aufenthalts‘, in <strong>de</strong>nen unbegleitetemin<strong>de</strong>rjährige Asylsuchen<strong>de</strong> betroffen waren. Nach einer Zwangsumsiedlung von unbegleitetenMin<strong>de</strong>rjährigen in die Einrichtung Banya verschwan<strong>de</strong>n alle von ihnen innerhalb einer Woche aus<strong>de</strong>r Einrichtung. Einige von ihnen haben nach ‚geächtetem Aufenthalt‘ einen Platz in einerAufnahmeeinrichtung in Sofia Obdach gesucht, sind aber aus <strong>de</strong>r Einrichtung verwiesen wor<strong>de</strong>nund wur<strong>de</strong>n obdachlos.B. Verlängerter Aufenthalt in SAF-Einrichtungen für InhaberInnen eines AufenthaltstitelsVor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r erhöhten Effizienz und schnellerer Verfahren ist die Unterkunfteines <strong>de</strong>r unmittelbaren Probleme, mit <strong>de</strong>nen InhaberInnen eines Aufenthaltstitels konfrontiert sind.Eine Übergangslösung seitens <strong>de</strong>r bulgarischen Regierung bestand darin, die Bedingungen für eineverlängerte Unterbringung in <strong>de</strong>n SAF-Einrichtungen nach <strong>de</strong>m Erhalt eines Aufenthaltstitels zuän<strong>de</strong>rn. Die frühere Praxis, die die InhaberInnen eines Aufenthaltstitels dazu zwang die von <strong>de</strong>rSAF zur Verfügung gestellten Unterkünfte zwischen 3 und 14 Tagen nach Erhalt einesAufenthaltstitels zu verlassen wur<strong>de</strong> überarbeitet, so dass sie für bis zu 6 Monate bleiben können.Die beschl<strong>eu</strong>nigten Verfahren für Statusentscheidungen nach Januar <strong>2014</strong>, und die niedrigere Zahl<strong>de</strong>r Grenzübertritte hat in Verbindung mit <strong>de</strong>r Erweiterung <strong>de</strong>r vorhan<strong>de</strong>nen Einrichtungen die SAFdazu veranlasst, damit zu beginnen InhaberInnen eines Aufenthaltstitels zu erlauben, länger in <strong>de</strong>nEinrichtungen zu bleiben. Während dieser Schritt das Potenzial dazu hat, das Problem <strong>de</strong>rdrohen<strong>de</strong>n Obdachlosigkeit aufzufangen, zeigt die Realität langsam dass Obdachlosigkeit immernoch produziert wird. BMB hat eine Reihe von Problemen ausgemacht, die sich aus dieser Situationergeben: Die Bedingungen für InhaberInnen eines Flüchtlings- o<strong>de</strong>r humanitären Status im Hinblickauf die Registrierung einer externen Adresse, die Ausstellung von Dokumenten und dasRecht, ihren Wohnsitz in <strong>de</strong>n SAF-Einrichtungen für einen längeren Zeitraum zu behaltenhaben sich in letzter Zeit laufend geän<strong>de</strong>rt. Daraus resultiert ein chaotisches undunübersichtliches Gefüge von Vorschriften, das sich in ständigem Fluss befin<strong>de</strong>t.Darüber hinaus wer<strong>de</strong>n Informationen über die sich än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>n Vorschriften <strong>de</strong>nStatusinhaberInnen nur teilweise, uneind<strong>eu</strong>tig und nicht transparent in für sie verständlicheSprachen vermittelt. Zum Beispiel konnten BewohnerInnen <strong>de</strong>s Lagers Ovcha Kupel zumZeitpunkt unserer Forschung unter Angabe <strong>de</strong>r Adresse <strong>de</strong>s Lagers einen Ausweis bei <strong>de</strong>rStadtverwaltung beantragen. Im Vergleich dazu gab es Berichte von BewohnerInnen <strong>de</strong>rbei<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>ren Einrichtungen in Sofia (Voenna Rampa und Vrazh<strong>de</strong>bna), die die Adresse <strong>de</strong>rEinrichtungen nicht verwen<strong>de</strong>n konnten um Ausweise zu beantragen. Diese divergieren<strong>de</strong>nBedingungen ermöglichen eine Ungleichbehandlung von StatusinhaberInnen, abhängig davonin welcher SAF-Einrichtung sie wohnen..


Die Vorschriften sind flexibel, und können einfach wi<strong>de</strong>rrufen wer<strong>de</strong>n, wenn sich <strong>de</strong>rGesamtzusammenhang än<strong>de</strong>rt (eine n<strong>eu</strong>e Welle von Asylsuchen<strong>de</strong>n, Finanzierungslückenbeim Betrieb <strong>de</strong>r Lager o<strong>de</strong>r eine willkürliche Entscheidung). Dies schafft die Gefahr <strong>de</strong>rVertreibung von StatusinhaberInnen durch die Behör<strong>de</strong>n aus einer Laune heraus, was ohnehinbereits passiert (siehe nächster Punkt).Die mangelhafte Klarheit <strong>de</strong>r Regelungen im Bezug auf längere Aufenthalte vonStatusinhaberInnen in <strong>de</strong>n SAF-Einrichtungen und die ständige Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Vorschriftenerhöhen das Risiko willkürlicher Ablehnungen und Korruptionspraktiken. BMB hatalarmieren<strong>de</strong> Berichte von Fällen erhalten, in <strong>de</strong>nen Geflüchteten die verlängerte Unterkunftwillkürlich verweigert wur<strong>de</strong>, o<strong>de</strong>r Bestechungsgel<strong>de</strong>r gefor<strong>de</strong>rt wur<strong>de</strong>n. In Interviews vom 2. Juni<strong>2014</strong> haben drei StatusinhaberInnen, alles Frauen, sich darüber beschwert, dass sie aufgefor<strong>de</strong>rtwur<strong>de</strong>n das Zentrum in Ovcha Kupel zu verlassen, obwohl sie ihren Aufenthaltstitel weniger alssechs Monate zuvor erhalten haben. Eine von ihnen ist alleinerziehen<strong>de</strong> Mutter eines Kin<strong>de</strong>s. Diean<strong>de</strong>ren bei<strong>de</strong>n sind mit ihren Männern und drei bzw. vier Kin<strong>de</strong>rn in Bulgarien. Ein weiterer Fallbetrifft eine schwangere Frau mit Status, die zusammen mit ihrem Mann unter einer externenWohnadresse lebte, und <strong>de</strong>r die Möglichkeit verweigert wur<strong>de</strong>, in eine SAF-Einrichtungzurückzukehren. In an<strong>de</strong>ren Fällen wur<strong>de</strong>n Personen von einem Lagermitarbeiter zu einermonatlichen Zahlung verpflichtet, um in einem <strong>de</strong>r Lager bleiben zu dürfen.Dieser von einem Anwalt für Geflüchtete berichtete Fall spricht Bän<strong>de</strong> 41 :Kun<strong>de</strong>n von mir, eine Familie mit einem kleinen Kind, haben mir gesagt dass einVerwaltungsmitarbeiter in einer Flüchtlingsaufnahmeeinrichtung ihreRegistrierungskarten genommen und sie dazu aufgefor<strong>de</strong>rt hat zu gehen. Er hat sie dazu'eingela<strong>de</strong>n' eine Erklärung für eine externe Wohnadresse zu unterschreiben, als ob siefreiwillig aus <strong>de</strong>m Lager gehen wollen. Der Mitarbeiter sagte ihnen auch, dass er ihnendie Registrierungskarten zurückgeben wer<strong>de</strong>, sobald sie die Erklärung unterschreiben.Daraufhin hat die Frau protestiert und ihm mitgeteilt, dass sie sich noch im Verfahrenbefin<strong>de</strong>n, und gera<strong>de</strong> dabei sind Einspruch gegen ihre Ablehnung einzulegen. NachAngaben <strong>de</strong>r Familie hat <strong>de</strong>r Mitarbeiter ihnen weiter gesagt, dass sie keine Chancehaben [Status zu erhalten], und gehen müssen, weil an<strong>de</strong>re Menschen noch eine Chancehaben. Er übernahm die Rolle zu entschei<strong>de</strong>n, wer die Chance [auf einen Status] hat, undwer nicht. Als wir ihn anriefen und fragten was passiert und warum er die L<strong>eu</strong>te dazuauffor<strong>de</strong>rt das Lager während <strong>de</strong>s Verfahrens zu verlassen, machte er eine Kehrtwen<strong>de</strong>.Er bestritt die Vorwürfe und sagte, dass dies seine Lieblingsfamilie sei, und er ihnenhelfen will. Nach unserem Aufruf hörte er auf sie so zu behan<strong>de</strong>ln... Ich erhalte Anrufevon Menschen, die mir sagen dass Menschen aus <strong>de</strong>r SAF-Verwaltung durch die Zimmergehen und die L<strong>eu</strong>te zum Verlassen auffor<strong>de</strong>rn. Die Notwendigkeit einer Wohnadresse 42 außerhalb einer SAF-Einrichtung zurBeantragung von Ausweis und Pass ist nicht klar geregelt. Das Gesetz spezifiziert nicht, ob2341 Interview geführt am 30. Mai <strong>2014</strong>.


24sich die Registrierungsadresse auf <strong>de</strong>m Gebiet einer SAF-Einrichtung befin<strong>de</strong>n kann. Ineinigen <strong>de</strong>r Einrichtungen ist StatusinhaberInnen <strong>de</strong>nen erlaubt wur<strong>de</strong>, ihren Aufenthalt zuverlängern, auch erlaubt wor<strong>de</strong>n sich dort zu registrieren. Wie aus unseren Interviewshervorgeht, wur<strong>de</strong> in an<strong>de</strong>ren Einrichtungen diese Regelung nicht geklärt, undStatusinhaberInnen informiert, dass die Adresse <strong>de</strong>s Lagers nicht zur Adressregistrierunggenutzt wer<strong>de</strong>n kann. Dies hat zu einem florieren<strong>de</strong>n Geschäft mit gefälschten Anmeldungengeführt. Eine aktuelle journalistische Recherche ergab, dass die Preise mitunter 500 BGN(250 EUR) erreichen 43 . Verlängerte Aufenthalte in Lagern, die weit von größeren Städten entfernt sind diebessere Chancen für Integration und Zugang zum Arbeitsmarkt bieten, erhöhen das Risikosozialer und wirtschaftlicher Isolation. Obwohl es wichtig ist, die Praxis <strong>de</strong>r Bereitstellungvon Wohnraum für n<strong>eu</strong>e StatusinhaberInnen fortzuführen, verschiebt die Einpferchung inEinrichtungen wie Harmanli und Pastrogor die nächste Stufe <strong>de</strong>r potenziellen Obdachlosigkeitund Arbeitslosigkeit lediglich. Das Fehlen eines Mechanismus für Mietzuschüsse an einemvom Flüchtling gewählten Ort macht aus <strong>de</strong>n verlängerten Aufenthalten in <strong>de</strong>n SAF-Einrichtungen lediglich eine vorübergehen<strong>de</strong> und nicht nachhaltige Lösung.Obwohl eswichtig ist, die Praxis <strong>de</strong>r Bereitstellung von Wohnraum für n<strong>eu</strong>e StatusinhaberInnenfortzuführen, verschiebt die Einpferchung in Einrichtungen wie Harmanli und Pastrogor dienächste Stufe <strong>de</strong>r potenziellen Obdachlosigkeit und Arbeitslosigkeit lediglich. Das Fehleneines Mechanismus für Mietzuschüsse an einem vom Geflüchteten gewählten Ort macht aus<strong>de</strong>n verlängerten Aufenthalten in <strong>de</strong>n SAF-Einrichtungen lediglich eine vorübergehen<strong>de</strong>, undnicht nachhaltige Lösung.Die Zahl <strong>de</strong>r obdachlosen Flüchtlinge und Asylsuchen<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Straßen Bulgariens istunbekannt und bis jetzt unmöglich schätzbar.FazitEin würdiges Leben für Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge wird weiterhin nicht sichergestellt. EinFokus auf die materiellen Bedingungen, bei <strong>de</strong>m ein Großteil <strong>de</strong>r EU Finanzierung für 'sichtbare'Verbesserungen aufgewen<strong>de</strong>t wird, maskiert das Fehlen sozialer Unterstützung, die für das weitereÜberleben von Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen auf <strong>de</strong>m bulgarischen Staatsgebiet unverzichtbarist.Es herrschen eine besorgniserregen<strong>de</strong> Inkonsistenz und ständige Verän<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>rVorschriften in <strong>de</strong>n Einrichtungen, welche es für Flüchtlinge und Asylsuchen<strong>de</strong> schwierig macht,sich über die n<strong>eu</strong>esten Än<strong>de</strong>rungen zu informieren und Bedingungen für Korruption und einedifferenzierte Haltung gegenüber verschie<strong>de</strong>nen Individuen und Gruppen schafft.42 Das Asyl- und Flüchtlingsgesetz schreibt fest, dass Flüchtlinge sich innerhalb von 14 Tagen nach <strong>de</strong>m Verlassen <strong>de</strong>rSAF-Einrichtung bei <strong>de</strong>r örtlichen Gemein<strong>de</strong> registrieren müssen (Abschnitt III, Artikel 35).43 Trud. <strong>2014</strong>. http://www.trud.bg/Article.asp?ArticleId=3877317 Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.


Das begrenzte Angebot an Medikamenten in <strong>de</strong>n Lagern, schlechte Vorkehrungen fürPersonen mit beson<strong>de</strong>ren medizinischen Bedürfnissen, sowie Lücken im nationalenGesundheitssystem schaffen trotz <strong>de</strong>r Bemühungen von Freiwilligen, NGOs und staatlichenAngestellten die Voraussetzungen für einen Ausschluss von staatlich garantierter medizinischerVersorgung und unzureichen<strong>de</strong> und verzögerte medizinische Leistungen.25


26III. INTEGRATION IM UMBRUCH:PFADE ZUR EXKLUSION IM CHAOSZUSTANDDer große Zustrom von Asylsuchen<strong>de</strong>n nach Bulgarien seit August 2013 stellt eine großeHerausfor<strong>de</strong>rung für die Integration von Personen mit internationalem Schutz in die bulgarischeGesellschaft dar. Die syrische Krise hat zu einer exponentiellen Steigerung <strong>de</strong>r Zahl Asylsuchen<strong>de</strong>rgeführt. Die erhöhte Anzahl gewährter Aufenthaltstitel (vor allem seit Januar <strong>2014</strong>) bed<strong>eu</strong>tet, dassnun Tausen<strong>de</strong> von Geflüchteten die gesetzliche Erlaubnis zum Leben und Arbeiten in <strong>de</strong>m Landhaben. Allerdings gibt es kaum institutionell unterstützte Programme zur Integration und sozialenUnterstützung für die Menschen, die sich in dieser Situation befin<strong>de</strong>n.Das vorherige Nationale Integrationsprogramm lief im Jahr 2013 aus, und gegenwärtig gibt eskein operatives Integrationsprogramm in <strong>de</strong>m Land. Dies überlässt die ständig wachsen<strong>de</strong> Zahl n<strong>eu</strong>anerkannter Flüchtlingen und InhaberInnen eines humanitären Status einem Vakuum, ohneausreichen<strong>de</strong> Unterstützung zur weiteren sozialen Inklusion und Integration in die bulgarischeGesellschaft seitens bulgarischer Institutionen. Ohne eine solche Unterstützung wer<strong>de</strong>n die n<strong>eu</strong>anerkannten Flüchtlinge in eine sehr verwundbare Position geworfen, und <strong>de</strong>n Risiken extremerArmut, Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, frem<strong>de</strong>nfeindlicher und rassistischer Einstellungen undDiskriminierung ausgesetzt. Bis ein n<strong>eu</strong>es, gut durchdachtes und effizient umgesetztesIntegrationsprogramm konzipiert und implementiert wird, bleiben diejenigen, die internationalenSchutz genießen, ohne erste finanzielle, sprachliche und soziale Unterstützung, die einIntegrationsschema normalerweise bietet. Wir weisen d<strong>eu</strong>tlich darauf hin, dass dieser eklatanteMangel ihre Chancen auf soziale Inklusion, und sogar das physische Überleben auf <strong>de</strong>mStaatsgebiet Bulgariens drastisch verringert.Die Nationale Strategie für Migration, Asyl und Integration für <strong>de</strong>n Zeitraum 2011-2020umfasste ein Nationales Integrationsprogramm für <strong>de</strong>n Zeitraum 2011-2013, sowie jährlicheAktionspläne. Eine n<strong>eu</strong>e, reformierte Nationale Strategie zur Integration befand sich seit Sommer2013 im Entwurfsstadium. Das n<strong>eu</strong>e Programm wur<strong>de</strong> am 25. Juni <strong>2014</strong> veröffentlicht, sechsMonate nach<strong>de</strong>m das letzte Programm been<strong>de</strong>t wur<strong>de</strong>, und soll plangemäß abhängig von <strong>de</strong>rFinanzierung im Jahr 2015 beginnen.Das n<strong>eu</strong>e Programm umfasst größere Reformen, einschließlich einer Verschiebung <strong>de</strong>rinstitutionellen Zuständigkeiten und eines Dezentralisierungsprozesses, an <strong>de</strong>m mehrere Akt<strong>eu</strong>rebeteiligt sind. Die Umsetzung bedarf einiger Zeit, bevor die EmpfängerInnen bedarfsgerechtbedient wer<strong>de</strong>n können. In <strong>de</strong>r Zwischenzeit führen die beschl<strong>eu</strong>nigten Verfahren zur Erteilung vonSchutzstatus an syrische Asylsuchen<strong>de</strong> in <strong>de</strong>r Praxis dazu, dass die Zahl <strong>de</strong>r n<strong>eu</strong> anerkanntenFlüchtlinge weiterhin anschwellen wird. Dies bed<strong>eu</strong>tet, dass eine größere Anzahl von Personen <strong>de</strong>rUnterstützung bei <strong>de</strong>r ersten Stufe ihrer Integration bedarf. Allerdings wer<strong>de</strong>n die bulgarischenInstitutionen in absehbarer Zukunft nicht dazu in <strong>de</strong>r Lage sein, diese Unterstützung zur Verfügungzu stellen.Die sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen in Bulgarien, die von <strong>de</strong>r anhalten<strong>de</strong>nFinanzkrise, erheblicher Arbeitslosigkeit und weit verbreiteter Armut verschlimmert wer<strong>de</strong>n, führenin Verbindung mit öffentlichen Ressentiments und Alltagsrassismus (vor allem gegen Muslime undMenschen aus afrikanischen Län<strong>de</strong>rn) zu einer Erhöhung <strong>de</strong>r Risiken <strong>de</strong>s sozialen undwirtschaftlichen Ausschlusses für Asylsuchen<strong>de</strong> und n<strong>eu</strong> anerkannte Flüchtlinge. In Ermangelungeines effizienten Integrationsprogrammes wer<strong>de</strong>n sie einem institutionellen Vakuum überlassen,


und unerlässliche Versorgungsleistungen in <strong>de</strong>r riskantesten Zeit ihres Aufenthalts in Bulgarienwer<strong>de</strong>n ihnen vorenthalten.Die Konzeption <strong>de</strong>s Nationalen Integrationsprogramm 2011-2013 und <strong>de</strong>ssen Umsetzungdurch die SAF wur<strong>de</strong> von ExpertInnen in einer Reihe von Monitoringberichten und B<strong>eu</strong>rteilungend<strong>eu</strong>tlich kritisiert 44 . Folgen<strong>de</strong> Aspekte wur<strong>de</strong>n dabei hervorgehoben: unzureichen<strong>de</strong> finanzielleUnterstützung, die Dauer <strong>de</strong>r Unterstützung (bis zu 9 Monate mit Einschränkungen), die strengenAnmeldungsbedingungen, die Zentralisierung <strong>de</strong>s Systems das vor allem auf die Hauptstadtbeschränkt ist, fehlen<strong>de</strong> o<strong>de</strong>r unzureichen<strong>de</strong> Sozialberatung und an<strong>de</strong>re soziale Dienste,unzureichen<strong>de</strong> Sprachkurse, unzureichen<strong>de</strong> berufliche Ausbildung die nicht auf <strong>de</strong>n Arbeitsmarkto<strong>de</strong>r an die Bedürfnisse und Fähigkeiten <strong>de</strong>r Geflüchteten angepasst ist, sowie die Ausgrenzung <strong>de</strong>ram stärksten gefähr<strong>de</strong>ten Gruppen (z.B. Mütter mit kleinen Kin<strong>de</strong>rn, Menschen mit Behin<strong>de</strong>rungen,ältere Menschen). Eine Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>m Programm und <strong>de</strong>m Asyl- und Flüchtlingsgesetzresultierte in einer Beschneidung <strong>de</strong>r Integrationsunterstützung von 12 Monaten – wie imProgramm angegeben – auf 6 Monate, mit <strong>de</strong>r Möglichkeit einer partiellen Verlängerung um 3Monate durch die Anmeldung für ein Berufsbildungsprogramm. Insgesamt vermerken dieEvaluationsberichte eine niedrige Teilnahmerate aufgrund <strong>de</strong>r oben genannten Probleme. Die vonSAF-BeamtInnen anhand mehrerer Anlässe wie<strong>de</strong>rholte Antwort lautete, dass n<strong>eu</strong> anerkannteFlüchtlinge nicht dazu bereit sind, sich zu integrieren.Das Integrationsprogramm für 2011-2013 sah die Anmeldung von maximal 100 Personen proJahr vor. Es unterstützte mit Sprachunterricht und berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Kursen, und gewährleistete eineminimale finanzielle Beihilfe (4 BGN pro Arbeitstag, geplant war eine Erhöhung auf 8 BGN, dieerst zum August 2013 umgesetzt wur<strong>de</strong>), Krankenversicherung, Beihilfe für Mieten und Fahrkartenfür <strong>de</strong>n öffentlichen Nahverkehr. Darüber hinaus sollte es Unterstützung beim Zugang zumArbeitsmarkt leisten, lei<strong>de</strong>r ohne nennenswerte Ergebnisse 45 . Trotz <strong>de</strong>r schwerwiegen<strong>de</strong>n Nachteile<strong>de</strong>s Programms, verurteilt sein h<strong>eu</strong>tiges vollkommenes Fehlen InhaberInnen eines Aufenthaltstitelszu einer ganzen Reihe von Engpässen: keine Krankenversicherung in <strong>de</strong>n ersten Monaten, keinkonsistentes Sprachtraining, keine Mietzuschüsse, und keine monatliche finanzielle Zulage, die alledurch das alte Programm zur Verfügung gestellt wur<strong>de</strong>n.Angesichts <strong>de</strong>s aktuellen Integrationsvakuums wer<strong>de</strong>n InhaberInnen eines AufenthaltstitelsRisiken ausgesetzt und in eine sehr verwundbare Position gebracht. Die folgen<strong>de</strong>n Punkte sinddabei essentiell: Personen die kürzlich einen Aufenthaltstitel erhalten haben, wissen we<strong>de</strong>r von <strong>de</strong>r Existenzeines Integrationsprogramms, noch von <strong>de</strong>r Möglichkeit sich für ein solches einzuschreiben.Unsere Forschung hat gezeigt, dass die MitarbeiterInnen in <strong>de</strong>n Lagern (zumin<strong>de</strong>st zumZeitpunkt <strong>de</strong>r Forschung) keine Kenntnis über die jüngsten Entwicklungen haben. In <strong>de</strong>nLagern Harmanli und Pastrogor stehen keine Informationen über die aktuellen Entwicklungen2744 Siehe Vankova 2013, Report on the Monitoring of the Execution of the National Programme for Refugees’Integration in Republic of Bulgaria (2011-2013) in 2013 und Deneva 2013, In UNHCR’s Access to Employment: ForBeneficiaries of International Protection In Bulgaria, Poland, Romania and Slovakia http://www.unhcrcentral<strong>eu</strong>rope.org/pdf/what-we-do/promoting-integration/access-to-employment-<strong>bulgaria</strong>-poland-romaniaslovakia.html?searched=neda+<strong>de</strong>neva&advsearch=allwords&highlight=ajaxSearch_highlight+ajaxSearch_highlight1+ajaxSearch_highlight2 Aufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.45 Mehr zum Zugang zum Arbeitsmarkt und das Integrationsprogramm bis 2013 fin<strong>de</strong>t sich ebenfalls in Deneva 2013und Vankova 2012


28und über die Möglichkeiten, dass das n<strong>eu</strong>e Integrationsprogramm bieten könnte, zurVerfügung. Darüber hinaus teilen einige <strong>de</strong>r MitarbeiterInnen die Position, dass sie jüngstanerkannte Personen nicht über die Existenz eines Integrationsprogramms informieren, da dieKapazitäten begrenzt sind und es offensichtlich ist, dass nicht je<strong>de</strong>r aufgenommen wer<strong>de</strong>nkann. Solche Praktiken <strong>de</strong>r Informationszurückhaltung schaffen die Möglichkeit zur weiterenAusgrenzung. Selbst wenn ein n<strong>eu</strong>es Programm im Begriff wäre umgesetzt zu wer<strong>de</strong>n, wür<strong>de</strong>eine große Zahl von Menschen nicht darüber informiert wer<strong>de</strong>n, weil es in <strong>de</strong>n Lagern anInformationen mangelt und die Lagerangestellten nicht dazu bereit sind, verständliche undklare Anleitung zur Verfügung zu stellen. Das gegenwärtige Fehlen eines Integrationsprogrammes und von Integrationszentren (außerim Lager Ovcha Kupel) vergrößert <strong>de</strong>n allgemeinen Mangel an Informationen überVerwaltungsvorschriften in Bezug auf die Adressregistrierung, Krankenversicherung,Ausstellung von Dokumenten, sowie <strong>de</strong>n Zugang zu Arbeitslosenbüros, Sozialdiensten und -leistungen. Der Mangel an konsistenter Bulgarisch-Sprachför<strong>de</strong>rung ist ein wesentliches Hin<strong>de</strong>rnis füralle weiteren Integrationsschritte. Im März <strong>2014</strong> haben Sprachkurse für erwachseneAsylsuchen<strong>de</strong> ausschließlich in <strong>de</strong>n durch die Caritas unterstützten Lagern begonnen, undfin<strong>de</strong>n dort dreimal in <strong>de</strong>r Woche für drei Stun<strong>de</strong>n statt. Diese Klassen wur<strong>de</strong>n überwiegendan Asylsuchen<strong>de</strong>n ausgerichtet, ebenso wie die an<strong>de</strong>ren Caritas-Sprachkurse in Sofia. Vorkurzem hat auch die SAF damit begonnen, Sprachkurse für die BewohnerInnnen <strong>de</strong>r Lageranzubieten. Die Verfügbarkeit von Kursen in <strong>de</strong>n SAF-Lagern stellt eine mögliche Grundlagefür <strong>de</strong>n Ausschluss aller <strong>de</strong>rer dar, die ihren Wohnsitz außerhalb dieser Lager haben. DieseInitiativen stellen zwar eine positive Entwicklung dar, sind aber kein Ersatz für einsystematisches, allumfassen<strong>de</strong>s und nachhaltiges Sprachtraining, das für alle die bereit sind aneinem Integrationsprogramm teilzunehmen zugänglich ist. Das bulgarische Rote Kr<strong>eu</strong>z hatebenfalls mit <strong>de</strong>r Organisation von Bulgarischkursen begonnen, allerdings brechen dieTeilnehmerInnen diese <strong>de</strong>rzeit meist ab, da ihnen keine Mittel zur Verfügung stehen, um ihreTransportkosten zu abzu<strong>de</strong>cken. Der Mangel an finanzieller Unterstützung (die von <strong>de</strong>r Aufnahme in das Programm abhängigwar) intensiviert das Risiko extremer Armut und sozialer Ausgrenzung in <strong>de</strong>n erstenMonaten, nach<strong>de</strong>m ein Schutzstatus gewährt wur<strong>de</strong>. Der Mangel an Wohngeld macht es <strong>de</strong>rzeit schwierig, unter einer externen Wohnadresse zuleben. Während die frühere Regelung zur Bereitstellung von Wohngeld eine große Anzahl anProblemen mit sich brachte 46 , ist das gänzliche Fehlen einer solchen zur Unterstützung fürPersonen mit externen Wohnadressen umso problematischer. Derzeit gibt es keineUnterstützung bei <strong>de</strong>r Suche nach einer externen Wohngelegenheit und beim Zahlen <strong>de</strong>rMiete. Für die ersten Monate bed<strong>eu</strong>tet dies die Wahl zwischen einem Leben unterproblematischen Bedingungen und ohne je<strong>de</strong> Chance auf Integration im Lager, o<strong>de</strong>r dasZahlen von hohen Mieten ohne einen Job o<strong>de</strong>r staatliche finanzielle Unterstützung. DieseSituation führt zu einer Aufteilung von Personen auf Basis ihrer finanziellen Situation, mit<strong>de</strong>m Ergebnis, dass diejenigen ohne finanzielle Mittel als weniger integrationswürdig in <strong>de</strong>rbulgarischen Gesellschaft erachtet wer<strong>de</strong>n. Erschwerend kommt hinzu, dass sie dieseAufteilung einem extremen Armuts- und Obdachlosigkeitsrisiko aussetzt.46 UNHCR. 2012. Where is my Home: Bulgaria. http://www.unhcr-central<strong>eu</strong>rope.org/pdf/where-wework/<strong>bulgaria</strong>/where-is-my-home-<strong>bulgaria</strong>.htmlAufgerufen am 8. Juni <strong>2014</strong>.


Die fehlen<strong>de</strong> Unterstützung bei <strong>de</strong>r Anerkennung von Abschlüssen und Qualifikationentragen in Verbindung mit <strong>de</strong>m Mangel an berufsbezogenen Kursen zum N<strong>eu</strong>erwerb vonQualifikationen ebenfalls zu einem Ausschluss vom Arbeitsmarkt bei. Der Mangel an effizienter Unterstützung beim Arbeitsmarktzugang (<strong>de</strong>r aufIntegrationsschritten wie Spracherwerb, Kontakten mit ArbeitgeberInnen und Anerkennungvon Qualifikationen beruht) intensiviert das Risiko, von Schwarzarbeit und Vermittlung durchMittelsmänner angewiesen zu sein. Dies führt zu Arbeitslosigkeit o<strong>de</strong>r prekären und extremausb<strong>eu</strong>terischen Arbeitsbedingungen.29Nach sechsmonatiger Verzögerung kündigte die Regierung am 25. Juni <strong>2014</strong> ihre Strategiefür das n<strong>eu</strong>e Integrationsprogramm an 47 . Die Auswirkungen <strong>de</strong>r im Integrationsprogrammvorgesehenen Reformen können zu Problemen führen. In diesem Stadium bleibt eine Reihe vonernsthaften Be<strong>de</strong>nken bestehen:Erstens gibt es <strong>de</strong>n Vorschlag, die Verantwortung von <strong>de</strong>r SAF zum Ministerium für Arbeitund Sozialpolitik und an<strong>de</strong>re institutionelle Akt<strong>eu</strong>re, einschließlich <strong>de</strong>r Kommunen, zu verlagern.Während die Verlagerung, die von früheren Evaluationsberichten empfohlen wur<strong>de</strong>, eine positiveEntwicklung darstellt, beinhaltet die anfängliche Übergangsphase eine Reihe von Risiken. Auchwenn die Implementierung <strong>de</strong>s n<strong>eu</strong>en Programms in naher Zukunft beginnt, könnten die nächstenSchritte <strong>de</strong>r Genehmigung durch <strong>de</strong>n Ministerrat und vor allem die Umsetzung durch n<strong>eu</strong>eInstitutionen und n<strong>eu</strong>e Akt<strong>eu</strong>re in <strong>de</strong>n kommen<strong>de</strong>n Monaten Flüchtigkeiten und Instabilitätbeinhalten. Dies bed<strong>eu</strong>tet ein längeres Fehlen eines effizienten Integrationsprogramms fürgegenwärtige und zukünftige InhaberInnen eines Aufenthaltstitels.Zweitens baut die Umstrukturierung <strong>de</strong>s Programms auf Dezentralisierung durch dasEinbeziehen von Gemein<strong>de</strong>n im Land. Während ein Schritt in Richtung Dezentralisierungentschei<strong>de</strong>nd ist, wird die Beteiligung n<strong>eu</strong>er lokaler und regionaler Partner und Akt<strong>eu</strong>re, die nichtüber Erfahrungen bei <strong>de</strong>r Integration von Geflüchteten verfügen, sicherlich eine Übergangsperio<strong>de</strong>bei <strong>de</strong>r ordnungsgemäßen Implementierung <strong>de</strong>s Programms mit sich bringen, die zu weiterenVerzögerungen führen könnte. Das komplett n<strong>eu</strong>e Finanzierungsmuster nach <strong>de</strong>m Prinzip „das Geldfolgt <strong>de</strong>m Geflüchteten“ beinhaltet eine Reihe von För<strong>de</strong>rrichtlinien, Bieterverfahren undVerteilungsprinzipien, die Verän<strong>de</strong>rungen in <strong>de</strong>n Verwaltungsvorschriften und mehrerebürokratische Schritte erfor<strong>de</strong>rn. Während sich dies auf lange Sicht als positiver Schrittherausstellen könnte, bed<strong>eu</strong>tet es für <strong>de</strong>n Moment einen langsamen und komplizierten Start <strong>de</strong>sn<strong>eu</strong>en Programms.Drittens wird das n<strong>eu</strong>e Programm angeblich eine viel höhere Zahl ab<strong>de</strong>cken, als diebisherigen 100 pro Jahr; es wird Sprachkurse für sechs Monate bereitstellen, und anschließendInhaberInnen eines Aufenthaltstitels die Möglichkeit dazu geben, Schulungen zu belegen. DasProgramm wird für die Dauer von bis zu einem Jahr laufen. Während <strong>de</strong>r Pressekonferenz im Maihaben SAF Beamte klargemacht, dass die tatsächliche Größenordnung von zusätzlichen EU-Mittelnabhängig sein wird. Derzeit ist Bulgarien nicht dazu in <strong>de</strong>r Lage, genügend Mittel aus <strong>de</strong>mStaatshaushalt für die Weiterführung ein Integrationsprogrammes bereitzustellen, das die erhöhte47 NoviniBG. <strong>2014</strong>. http://www.novini.bg/news/214334-%D1%80%D0%B0%D0%B7%D1%81%D0%B5%D0%BB%D0%B2%D0%B0%D1%82-%D0%B1%D0%B5%D0%B6%D0%B0%D0%BD%D1%86%D0%B8-%D0%B8%D0%B7-%D1%86%D1%8F%D0%BB%D0%B0%D1%82%D0%B0-%D1%81%D1%82%D1%80%D0%B0%D0%BD%D0%B0.html


30Anzahl <strong>de</strong>r InhaberInnen eines Aufenthaltstitels, die Unterstützung bei <strong>de</strong>r Integration benötigen,ab<strong>de</strong>ckt. Eine solche offizielle Erklärung impliziert, dass je<strong>de</strong>s Integrationsprogramm, das einegrößere Anzahl von StatusinhaberInnen auffangen soll, von <strong>de</strong>r temporären Unterstützung durch dieEU abhängig sein wird, anstatt eine langfristige Strategie für eine nachhaltige Integration undsoziale Inklusion zu konzipieren.Zum aktuellen Zeitpunkt muss bedauerlicherweise festgestellt wer<strong>de</strong>n, dass die En<strong>de</strong> Juni<strong>2014</strong> angekündigte Strategie nur auf <strong>de</strong>m Papier eine Strategie ist, da sie auf keiner gesichertenFinanzierung zur Umsetzung beruht und „sogar die AutorenInnen <strong>de</strong>r Strategie in Frage stellen,dass das Programm leistungsfähig ist wenn die Finanzierung nicht gesichert ist“ (Novinite <strong>2014</strong>,siehe Fußnote 47). Die staatliche Finanzierung ist nur für das Jahr 2015 sichergestellt, und selbsthier wird Bulgarien nur in <strong>de</strong>r Lage sein, eine Teilfinanzierung für die Gesamtzahl <strong>de</strong>r Geflüchtetenanzubieten, die <strong>de</strong>r Integration bedürfen. Die restlichen Mittel wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r EU angefor<strong>de</strong>rt. Dieslässt Tausen<strong>de</strong> InhaberInnen eines Aufenthaltstitels ohne jedwe<strong>de</strong> Möglichkeit zur Integration undsozialen Inklusion.Im Zuge <strong>de</strong>r Fertigstellung dieses Berichts wur<strong>de</strong> unsere Aufmerksamkeit auch auf dieVeröffentlichung eines ‚Programms für Beschäftigung und Ausbildung von Flüchtlingen‘ auf <strong>de</strong>rjuristischen Nachrichten-Website Apis gelenkt 48 . Das Dokument wur<strong>de</strong> am 24. März <strong>2014</strong>veröffentlicht. In <strong>de</strong>r einzigen Information auf <strong>de</strong>r Website <strong>de</strong>s Ministeriums für Arbeit undSozialpolitik vom 23. Mai <strong>2014</strong> 49 heißt es, dass das Programm gestartet sei. Es gibt keinen an<strong>de</strong>renoffiziellen Verweis auf dieses Programm auf <strong>de</strong>n Internetseiten <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren beteiligtenInstitutionen. Es erfolgte kein Hinweis auf dieses Programm in <strong>de</strong>r Pressekonferenz <strong>de</strong>r SAF am 10.Mai <strong>2014</strong>, als klar erklärt wur<strong>de</strong> dass das Nationale Integrationsprogramm noch diskutiert wer<strong>de</strong>.Unklar ist, was die Beziehung zwischen diesem Beschäftigungsprogramm und <strong>de</strong>m künftigenNationalen Integrationsprogramm ist. In unserer Forschung hatte keiner <strong>de</strong>r GesprächspartnerInnenKenntnis von <strong>de</strong>r Existenz eines solchen Programms. Ebenso konnten keine Informationen in einem<strong>de</strong>r Lager erhalten wer<strong>de</strong>n. Wir bieten hier eine B<strong>eu</strong>rteilung <strong>de</strong>s Dokuments an und wer<strong>de</strong>n dieEntwicklung dieses Programms und <strong>de</strong>s künftigen Integrationsprogramm für unseren nächstenBericht aufmerksam verfolgen.Das Beschäftigungsprogramm enthält eine Reihe positiver Entwicklungen: Berufsausbildungdie von an<strong>de</strong>ren Institutionen als <strong>de</strong>r SAF umgesetzt wer<strong>de</strong>n, geför<strong>de</strong>rte Arbeitsplätze fürInhaberInnen eines Aufenthaltstitels, die Einstellung von Arbeitslosen StatusinhaberInnen zurArbeit in <strong>de</strong>n Aufnahme- und Transiteinrichtungen <strong>de</strong>r SAF, höhere Kapazitäten als im bisherigenIntegrationsprogramm (Sprachunterricht für 200, Professionalisierungskurse für 100 Personen)sowie die Dezentralisierung und Beteiligung <strong>de</strong>s Ministeriums für Arbeit und Sozialpolitik(einschließlich <strong>de</strong>r Büros <strong>de</strong>r Agentur für Arbeit im ganzen Land), sowie <strong>de</strong>s Ministeriums fürBildung.Dennoch bleiben an dieser Stelle eine Reihe problematischer Aspekte: Die Sprachausbildungist sehr kurz, es sei <strong>de</strong>nn sie wird mit <strong>de</strong>r Zusatzausbildung im geplanten Integrationsprogrammkombiniert (lediglich 180 Stun<strong>de</strong>n, was 3 Monaten à 3 Stun<strong>de</strong>n pro Tag entspricht). Ein zweitesProblem ist, dass es nur Personen zur Verfügung steht, die arbeitslos gemel<strong>de</strong>t sind. Es schließt alsodiejenigen aus, die in niedrig-qualifizierten Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, und trotz<strong>de</strong>m48 Apis. <strong>2014</strong>. http://blog.apis.bg/<strong>2014</strong>/03/prieha-programa-za-zaetost-i-obuchenie-na-bezhantsi-<strong>2014</strong>-g/ Accessed June15, <strong>2014</strong>.49 MoLSP. <strong>2014</strong>. http://www.mlsp.government.bg/bg/news/news.asp?newsid=3578&catid=1 Aufgerufen am 15. Juni<strong>2014</strong>.


noch Bedarf an Sprachkursen und beruflichen Qualifikationen haben. Die dritte Problematik betrifftdie Dauer und <strong>de</strong>n Umfang <strong>de</strong>s Programms, das sich nur auf die InhaberInnen eines Schutzstatusvon 2013 und <strong>2014</strong> erstreckt, und bis zum 31. Dezember <strong>2014</strong> geplant ist, also nur für 7 Monatenach <strong>de</strong>m vorgesehenen Beginn En<strong>de</strong> Mai <strong>2014</strong>. Ebenso ist unklar, welche Akt<strong>eu</strong>re diesesProgramm implementieren wer<strong>de</strong>n. Die Verlagerung <strong>de</strong>r Verantwortung und die Einbeziehungn<strong>eu</strong>er Akt<strong>eu</strong>re in einer Umbruchsphase erz<strong>eu</strong>gt ein erhöhtes Risiko längerer Anpassungszeiträume,bis das Programm beginnt effizient zu arbeiten. Außer<strong>de</strong>m haben Angestellte <strong>de</strong>r sozialen Dienst<strong>eu</strong>nd Arbeitsvermittlungsbüros, bis jetzt aufgrund mangeln<strong>de</strong>r Sprachkenntnisse, nicht effizient mitStatusinhaberInnen gearbeitet. Das Programm erwähnt keine Übersetzungsdienstleistungen. Undschließlich bleibt das Programm – auch wenn die Zahl von 200 geplanten Plätzen für <strong>de</strong>nSprachunterricht und von 100 für berufsbil<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Kurse höher ist als im zuvor bestehen<strong>de</strong>nIntegrationsprogramm (nur 100) – äußerst begrenzt im Vergleich zu <strong>de</strong>r Zahl von 6104Aufenthaltstiteln, die im Jahr 2013 und in <strong>de</strong>n ersten vier Monaten <strong>de</strong>s Jahres <strong>2014</strong> erteilt wur<strong>de</strong>n(davon 2337 mal Flüchtlingsstatus und 3767 mal humanitärer Status).31FazitKurz gesagt, das <strong>de</strong>rzeitige Fehlen eines funktionsfähigen und effizientenIntegrationsprogramms zur staatlichen Unterstützung für n<strong>eu</strong> anerkannte StatusinhaberInnen trägtzu einem höheren Ausgrenzungs- und Armutsrisiko bei und setzt diese Rassismus undDiskriminierung aus. Es erhöht auch die Gefahren <strong>de</strong>r Vertiefung <strong>de</strong>r Abhängigkeit vonundokumentierter Arbeit und Ausb<strong>eu</strong>tung. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r gegenwärtigenWirtschaftskrise stellt die Implementierung einer funktionieren<strong>de</strong>n und effizientenIntegrationsstrategie durch <strong>de</strong>n bulgarischen Staat eine entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Voraussetzung dar, um eineÜberlebenschance nach <strong>de</strong>m Erhalt eines Aufenthaltsstatus zu garantieren.


32IV. FREMDENFEINDLICHKEIT UND RASSISTISCHE ATTACKENINSTITUTIONEN, DIE EXTREME RECHTE UND GEWALT IMÖFFENTLICHEN RAUMDie Mehrheit <strong>de</strong>r von uns befragten Geflüchteten ist rassistischen Beleidigungen,Diskriminierungen und verbalen Hassattacken zum Opfer gefallen. Ein Großteil hat physischeAngriffe entwe<strong>de</strong>r miterlebt o<strong>de</strong>r war selbst von diesen betroffen. Ansteigen<strong>de</strong> nationalistische undrechtsextreme Ten<strong>de</strong>nzen in Bulgarien tragen dazu bei, die Lage weiter zu verschlimmern. BMB istäußerst besorgt über die lan<strong>de</strong>sweite Zunahme rassistischer Attacken im öffentlichen Raum, die tiefverwurzelte Institutionalisierung von Rassismus, sowie Bulgariens kontinuierliche Weigerung, sichwirklich mit <strong>de</strong>n oben genannten Problemen zu befassen. Asylsuchen<strong>de</strong>, undokumentierteMigrantInnen und Flüchtlinge fallen diesen Prozessen unmittelbar zum Opfer.1. Institutionelle DiskriminierungA. Die Normalisierung <strong>de</strong>s rassistischen DiskursesEin Brief von Cecilia Malmström an die bulgarischen Behör<strong>de</strong>n im Februar, in <strong>de</strong>m ernsthafteBe<strong>de</strong>nken hinsichtlich <strong>de</strong>r mangeln<strong>de</strong>n Bereitschaft <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s, sich mit <strong>de</strong>r „Flüchtlingskrise“ imAllgemeinen und <strong>de</strong>r Zugänglichkeit <strong>de</strong>s bulgarischen Staatsgebietes im Beson<strong>de</strong>ren zu befassen,veranlasste Innenminister Iovchev zum Kommentar, dass eine Kritik Bulgarien wür<strong>de</strong> <strong>de</strong>n Zugangzu seinem Staatsgebiet verhin<strong>de</strong>rn unbegrün<strong>de</strong>t sei, weil das Land solche Verpflichtungen nichthabe. Seine Argumente lauteten 50 :Zunächst einmal ist die Türkei ein sicherer Drittstaat, und die Pflichten Flüchtlinge aufihrem Gebiet aufzunehmen sind die ihrigen, und die <strong>de</strong>r Nachbarlän<strong>de</strong>r Syriens.Bulgarien hat keine solchen unmittelbaren Verpflichtungen ... Zweitens, das ist einernsthaftes Argument, momentan können weniger als 50% <strong>de</strong>r illegal Einreisen<strong>de</strong>n alsFlüchtlinge bezeichnet wer<strong>de</strong>n. Es gibt Personen, von <strong>de</strong>nen wir vermuten dass sie mitterroristischen und extremen Gruppierungen verbun<strong>de</strong>n sind, und mit sehr schwerenStraftaten zu tun haben (Minister Iovchev, Februar <strong>2014</strong>, unsere Hervorhebung).Laut einer Studie von Perceptia 51 , einem Unternehmen zur Medienbeobachtung und -analyse,„schüren Tsvetlin Iovchev und Angel Nay<strong>de</strong>nov negative Einstellung [gegenüber Geflüchteten].“Seit <strong>de</strong>m Beginn <strong>de</strong>s Zustroms von Geflüchteten nach Bulgarien, hat <strong>de</strong>r Innenminister dieThematik bewusst als Bedrohung für die nationale Sicherheit dargestellt. In einem Interview vomOktober 2013 sagte Iovchev 52 : „Was kommt ist eine Bedrohung für uns [Bulgaren] als Nation. Wirwaren in <strong>de</strong>n letzten Jahren nicht mit einer härteren Herausfor<strong>de</strong>rung für unsere nationaleSicherheit konfrontiert.“50 Mediapool. <strong>2014</strong>. http://www.mediapool.bg/tsvetlin-yovchev-ne-sme-dlazhni-da-dopuskame-svobodno-bezhantsinews216312.htmlAufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.51 Capital. 2013. http://www.capital.bg/politika_i_ikonomika/<strong>bulgaria</strong>/2013/11/15/2183068_boino_pole_internet/Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.52 BTV News. 2013. http://btvnews.bg/article/<strong>bulgaria</strong>/iovchev-nyama-reshenie-za-izgrazhdane-na-bezhanski-tsentarv-


Perceptia zu Folge schüren frem<strong>de</strong>nfeindliche Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r politischen Partei ATAKA undFußball Ultras solche Haltungen zusätzlich.BMB ist besorgt über die kontinuierliche Ausbreitung von verbalen Hassattacken gegenüberGeflüchteten auf höchster politischer Ebene. Es gibt ernstzunehmen<strong>de</strong> Hinweise darauf, dass solcheInterventionen seitens hochkarätiger PolitikerInnnen dazu beitragen, Hate-crimes im öffentlichenRaum und in <strong>de</strong>n Lagern für Geflüchtete im ganzen Land zu legitimieren.Auf <strong>de</strong>r Pressekonferenz <strong>de</strong>r SAF am 10. Mai <strong>2014</strong> führte <strong>de</strong>r Direktor <strong>de</strong>r SAF, NikolayChirpanliev, materielle Probleme in <strong>de</strong>n Einrichtungen wie verstopfte Rohre o<strong>de</strong>r in Zelten leben<strong>de</strong>Menschen auf „die Tatsache“ zurück, dass einige <strong>de</strong>r syrischen Geflüchteten von Noma<strong>de</strong>nstämmenabstammen wür<strong>de</strong>n und nicht an das Leben in Gebäu<strong>de</strong>n und das Benutzen von Ba<strong>de</strong>zimmerngewöhnt seien. Dies ist ein eklatant abwerten<strong>de</strong>s, diskriminieren<strong>de</strong>s und unbegrün<strong>de</strong>tes Statement,das einzig und allein dazu geeignet ist, negative Stereotype gegenüber Asylsuchen<strong>de</strong>n undFlüchtlingen im Allgemeinen zu schüren. Das regelmäßige Auftreten solcher Aussagen seitens <strong>de</strong>rBeamtInnen, die mit Asylsuchen<strong>de</strong>n betraut sind, sowie <strong>de</strong>r Mangel an Reaktion auf eben diese –durch Institutionen o<strong>de</strong>r die Medien – ist ein b<strong>eu</strong>nruhigen<strong>de</strong>s Anzeichen für einen weit verbreitetenund normalisierten Rassismus in <strong>de</strong>n staatlichen Institutionen, die direkt für die Verwaltung <strong>de</strong>rAufnahme und <strong>de</strong>r Integration von Asylsuchen<strong>de</strong>n verantwortlich sind.Bei unseren Besuchen in <strong>de</strong>n Einrichtungen bezeichneten die Verwaltung und dieMitarbeiterInnen dort untergebrachte Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge unumwun<strong>de</strong>n als„unzivilisiert“, „mit niedrigem Bildungsniveau“ und „unhygienisch“. BMB wur<strong>de</strong> oft über Vorfällewie erniedrigen<strong>de</strong>s Verhalten seitens <strong>de</strong>r Verwaltung und <strong>de</strong>s Sicherheitsdienstes in <strong>de</strong>nEinrichtungen, sowie Beschimpfungen unterrichtet. Eine alleinerziehen<strong>de</strong> Mutter aus Nigeria klagtedarüber, von <strong>de</strong>n Wachen ‚Maymuna‘ (Affe) genannt zu wer<strong>de</strong>n. Personen aus <strong>de</strong>r Verwaltunghätten zu<strong>de</strong>m <strong>de</strong>n Körperkontakt beim Überreichen <strong>de</strong>r monatlichen Bewilligung vermie<strong>de</strong>n, undihr gegenüber Abstoßung d<strong>eu</strong>tlich gemacht. Sie sagte uns 53 :Sie [die Verwaltung] behan<strong>de</strong>ln uns als wenn wir Tiere wären, als wenn wir keineMenschen wären. Sogar die Polizei nennt uns Majmuna [Affe]. Diese Dinge verursachtenSelbstmordgedanken bei mir. Gut, dass ich auf ACET 54 gestoßen bin (Mai <strong>2014</strong>).Rassistische und abwerten<strong>de</strong> Behandlung seitens <strong>de</strong>r Mitarbeiten<strong>de</strong>n und Führungskräfte <strong>de</strong>rInstitutionen, von <strong>de</strong>nen Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge abhängig sind, ist eine inakzeptable Praxis.Sie sind auf allen Ebenen innerhalb dieser Institutionen weit verbreitet und wer<strong>de</strong>n nichtsystematisch angegangen.B. VerfahrensdiskriminierungenSeit <strong>de</strong>m Ausbruch <strong>de</strong>r „syrischen Krise“ wur<strong>de</strong> mediale und institutionelle Aufmerksamkeit,sowohl national als auch international, hauptsächlich auf die Überwachung <strong>de</strong>r Bedingungengerichtet, mit <strong>de</strong>nen syrische Asylsuchen<strong>de</strong> konfrontiert sind. Alle Bemühungen <strong>de</strong>s bulgarischenStaates zielen ausschließlich auf syrische Asylsuchen<strong>de</strong> ab, und erreichen auch nur diese (sieheAbschnitt V. Asylverfahren). Inzwischen gibt es eine alarmieren<strong>de</strong> Diskrepanz zwischen <strong>de</strong>m33kazanlak.html Accessed June 7, <strong>2014</strong>.53 Interview geführt am 22. Mai <strong>2014</strong>.54 ACET ist eine Hilfseinrichtung für Folterüberleben<strong>de</strong>.


34verkürzten Verfahren für SyrerInnen, und <strong>de</strong>n langen Wartezeiten für Nicht-SyrerInnen. Dieschnellen Verfahren kamen überwiegend syrischen Asylsuchen<strong>de</strong>n zugute, während dieAsylsuchen<strong>de</strong>n aus an<strong>de</strong>ren Län<strong>de</strong>rn von längeren Registrierungsperio<strong>de</strong>n berichteten, die sich überMonate hinweg ziehen. Ihnen wird gesagt sie müssten auf „die SyrerInnen warten, die zuersterledigt wer<strong>de</strong>n“. Ähnliche Verzögerungen wur<strong>de</strong>n bezüglich <strong>de</strong>r Entscheidungen überAufenthaltstitel im Lager Pastrogor berichtet, wo die Verfahren einer Familie aus Ruanda und einesMannes aus <strong>de</strong>r Elfenbeinküste für mehr als acht Monate, seit ihrer Einreise, auf Eis gelegt wur<strong>de</strong>n,ohne Informationen o<strong>de</strong>r Grün<strong>de</strong> für die Verzögerung zu erhalten.Darüber hinaus ist eine sprachliche Unterstützung vor allem auf Arabisch vorgesehen, daszurzeit die gesprochene Sprache <strong>de</strong>r Mehrheit <strong>de</strong>r Asylsuchen<strong>de</strong>n ist. Gruppen die an<strong>de</strong>re Sprachensprechen, erhalten unzureichen<strong>de</strong>n Zugang zu Unterstützung und Dienstleistungen in ihrenSprachen.Die Ungleichbehandlung <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Gruppen Asylsuchen<strong>de</strong>r auf Grundlage ihrerNationalitäten ist diskriminierend und unbegrün<strong>de</strong>t. AfrikanerInnen berichten, umso mehrrassistischen Bemerkungen o<strong>de</strong>r Angriffen auf <strong>de</strong>n Straßen und in <strong>de</strong>n Lagern ausgesetzt zu sein.Ein Mann aus Ghana erklärte 55 :Aber das Problem, vor <strong>de</strong>m wir stehen ist, dass sie uns nicht bedienen weil wir schwarzsind. Und die BürgerInnen, die bulgarischen BürgerInnen, wollen kein Schwarz sehen.Wenn Du aus <strong>de</strong>m Lager gehst ... gibt’s ein Problem. Schon zweimal haben sie michaußerhalb <strong>de</strong>s Lagers verfolgt. Sie haben mir mein Handy gestohlen (März <strong>2014</strong>).Rassistischen Einstellungen und die Verlangsamung <strong>de</strong>r Verfahren, was die Dauer <strong>de</strong>sAufenthalts ohne Status verlängert, bringen „nicht-syrische“ Asylsuchen<strong>de</strong> in eine verwundbarePosition.2. Die extreme Rechte in Bulgarien: High Politics und Gewalt imöffentlichen RaumIn <strong>de</strong>n letzten Jahren hat eine Vielzahl verschie<strong>de</strong>ner nationalistischer rechtsextremerGruppierungen ihren Platz im politischen Leben <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s beansprucht. Die Handlungen undÄußerungen ihrer Anführer und Mitglie<strong>de</strong>r waren durchgehend rassistisch und gegen Geflüchtetegerichtet. Die rechtsextreme politische Partei ATAKA (die oft als neo-nazistisch beschrieben wird)ist seit 2005 im Parlament vertreten. Die instabile politische Lage in Bulgarien hat in einer Ten<strong>de</strong>nz<strong>de</strong>r Regierungsbildung durch Koalitionen aus zwei o<strong>de</strong>r mehr Parteien resultiert, die die Bed<strong>eu</strong>tungvon ATAKA als politischen Partner verstärkt hat. Deren Aufstieg zur politischen Macht hat dieMöglichkeit einer offen antirassistischen Politik <strong>de</strong>s Staates bisher blockiert. ATAKA hat dieReaktion auf die „Flüchtlingswelle“ im Land erheblich beeinflusst, sowohl auf institutionellerEbene, als auch auf <strong>de</strong>n Straßen. ATAKA spricht sich offen gegen die Aufnahme von Geflüchtetenaus.55 Interview geführt am 2. März <strong>2014</strong>.


VMRO 56 , die an<strong>de</strong>re nationalistische Partei welche in staatlichen Institutionen vertreten ist,äußerte ebenfalls Ressentiments gegenüber MigrantInnen. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r wachsen<strong>de</strong>nZahl von Asylsuchen<strong>de</strong>n inmitten <strong>de</strong>r syrischen Krise inszenierte die Partei einen Protest an <strong>de</strong>rtürkisch-bulgarischen Grenze und riegelte diese symbolisch mit einer Kette aus AnhängerInnenab 57 .Ansteigen<strong>de</strong> und hemmungslose Ressentiments gegenüber MigrantInnen prägen auch dieGeburtsstun<strong>de</strong> einer weiteren rechtsextremen Partei, <strong>de</strong>r rechtsextremen Nationalistischen ParteiBulgariens (NPB) 58 am 9. November 2013. Sie zog AnhängerInnen zahlreicher Neonazi-Gruppierungen an, unter an<strong>de</strong>rem <strong>de</strong>r Bulgarischen National Radikalen Partei, <strong>de</strong>r BulgarischenNationalen Union, ATAKA sowie Blood and Honour. Die Partei zieht starke Analogien zurGol<strong>de</strong>nen Morgenröte in Griechenland.Nach<strong>de</strong>m im November 2013 eine junge Frau in Sofia von einem Migranten aus Algerienangegriffen wur<strong>de</strong> 59 , organisierten Mitglie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>r NPB zusammen mit Neonazi Fußball Ultras und<strong>de</strong>r rechtsextremen Gruppierung Nationale Union „Zivilstreifen“ in <strong>de</strong>n Bereichen, in <strong>de</strong>nenbekannter Weise MigrantInnen und Asylsuchen<strong>de</strong> leben, bzw. sich treffen. Die Streifen wur<strong>de</strong>nunter <strong>de</strong>m Vorwand organisiert, BürgerInnen vor Gewalt auf <strong>de</strong>r Straße zu schützen, waren aber inWirklichkeit eine direkte Reaktion auf die große Zahl von Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingen.MigrantInnen teilen mit dass sie Angst haben sich in <strong>de</strong>n Straßen von Sofia zu bewegen, vor allemnachts, und dass sie häufig Opfer rassistischer Übergriffe wer<strong>de</strong>n. Die Behauptung seitens <strong>de</strong>rOrganisieren<strong>de</strong>n, dass die Streifen vom Innenministerium zugelassen wor<strong>de</strong>n seien, wur<strong>de</strong> spätervon Ministeriumsoffiziellen zurückgewiesen.Neben <strong>de</strong>n Streifen wur<strong>de</strong>n migrantInnenfeindliche Proteste in <strong>de</strong>r Hauptstadt veranstaltet,auf <strong>de</strong>nen Hun<strong>de</strong>rte von Menschen nationalistische und rassistische Sprechchöre skandierten. EineReihe rassistischer Übergriffe wur<strong>de</strong> gemel<strong>de</strong>t, bei <strong>de</strong>nen ein bulgarischer Bürger türkischerHerkunft ins Koma geprügelt wur<strong>de</strong>, nach<strong>de</strong>m er fälschlicherweise für einen Migranten gehaltenwur<strong>de</strong>. Die Behör<strong>de</strong>n reagierten mit Razzien in Pensionen, von <strong>de</strong>nen bekannt war, dass sieMigrantInnen beherbergen, bei <strong>de</strong>nen <strong>de</strong>ren rechtlicher Status und Aufenthaltsrecht überprüftwur<strong>de</strong>.3556 Einige (aber nicht alle) Aktivitäten <strong>de</strong>r VMRO in <strong>de</strong>n letzten Jahren: Im Jahr 2011 organisierte VMRO einen Protestgegen Z<strong>eu</strong>gen Jehovas in Burgas, <strong>de</strong>r in einem Pogrom en<strong>de</strong>te. VMRO ist Mitveranstalter <strong>de</strong>s jährlichen LukovMarsches, <strong>de</strong>r Neonazis und NationalistInnen aus ganz Europa versammelt (z.B. die in Russland verbotene SlawischeUnion und Neonazi-Gruppierungen aus D<strong>eu</strong>tschland). Angel Jambazki, einer <strong>de</strong>r Anführer <strong>de</strong>r Partei und aktuellgewählter Abgeordneter <strong>de</strong>s Parlaments, hat unzählige Male seine Unterstützung für Anti-LGBT-Aktivitäten; für diePogrome gegen Roma und die türkischen Min<strong>de</strong>rheiten im Jahr 2011, und zahlreiche an<strong>de</strong>re diskriminieren<strong>de</strong> und offenrassistischen Praktiken geäußert.57 Dnes BG. 2013. http://www.dnes.bg/politika/2013/09/22/akciia-na-vmro-blokira-granicata-s-turciia.200193. Auf <strong>de</strong>mBanner <strong>de</strong>r Protestieren<strong>de</strong>n stand „Der Staat geht <strong>de</strong>n Bach runter, und ihr seid das Problem“ Aufgerufen am 7. Juni<strong>2014</strong>.58 Die Partei nahm an <strong>de</strong>n Europawahlen in einer Koalition mit an<strong>de</strong>ren nationalistischen Formationen teil.59 DarikNews. 2013. http://dariknews.bg/view_article.php?article_id=1167996 Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.


363. Die öffentliche Einstellung gegenüber Geflüchteten: Der Rozovo-FallAm 26. April <strong>2014</strong> wur<strong>de</strong>n 17 syrische InhaberInnen eines humanitären Status(unter ihnen 6Kin<strong>de</strong>r) aus Rozovo, einem Dorf in <strong>de</strong>r Nähe von Kazanlak, Bulgarien verjagt 60 . Die Geflüchtetensind ein paar Tage zuvor in <strong>de</strong>m Dorf angekommen, wo sie ein Haus gemietet hatten. IhreAnwesenheit im Dorf löste Proteste seitens <strong>de</strong>r lokalen Bevölkerung aus. Die Proteste fan<strong>de</strong>n vor<strong>de</strong>m gemieteten Haus statt, und waren von Hasstira<strong>de</strong>n und <strong>de</strong>r Androhung körperlicher Angriffenbegleitet. Ein Vi<strong>de</strong>o von Zdravei Balgaria 61 zeigt, wie DorfbewohnerInnen eine bulgarische Flaggean <strong>de</strong>n Zaun <strong>de</strong>s Hauses hängten, in <strong>de</strong>m die Geflüchteten untergebracht waren, und „Bulgarien <strong>de</strong>nBulgaren!“ riefen. Einige <strong>de</strong>r Einheimischen erklärten ihren Wi<strong>de</strong>rstand gegenüber <strong>de</strong>r Präsenz <strong>de</strong>rGeflüchteten vor Ort wie folgt:Ich höre davon [<strong>de</strong>n Geflüchteten] in <strong>de</strong>n Nachrichten, und ich <strong>de</strong>nke, dass sie schlechterals die Zig<strong>eu</strong>ner sind. Wir wollen unser Dorf zurück. Wir wollen nicht Mangalya 62 ,Abschaum und Ungeziefer in <strong>de</strong>m Dorf in Bulgarien, das [ethnisch] am reinsten ist.Ein 12-jähriges bulgarisches Kind erklärt:“Ich habe in <strong>de</strong>n Nachrichten gehört, dass es unter [<strong>de</strong>n Geflüchteten] sehr schlechteMenschen gibt, die BulgarInnen töten. Sie kommen hierher, um sich die Vorteile <strong>de</strong>rbulgarischen Ressourcen zu Nutze zu machen. Natürlich gibt es auch gute L<strong>eu</strong>te unterihnen ... Wenn die guten L<strong>eu</strong>te kommen, können sie hier leben, da dann keine Gefahrbesteht, nur nicht die Verbrecher."„Wir wollen keine ethnischen Beziehungen ins Spiel bringen, aber für diese Menschengibt es keinen Platz im Dorf... nicht dass es zu <strong>de</strong>m Punkt kommt, an <strong>de</strong>m Fenster klirren,Kämpfe ausbrechen und Köpfe eingeschlagen wer<strong>de</strong>n. Uns [<strong>de</strong>n DorfbewohnerInnen]wur<strong>de</strong> versprochen, ich wer<strong>de</strong> nicht kommentieren wer uns das versprochen hat, dass bisMontag das Problem irgendwie gelöst sein wird. Es muss verstan<strong>de</strong>n wer<strong>de</strong>n dassBulgarien für die Bulgaren ist!“, erklärt ein Einheimischer.Nach drei Tagen Aufstand wur<strong>de</strong>n die syrischen Familien aus <strong>de</strong>m Dorf gejagt 63 . Sie wur<strong>de</strong>nmit Hilfe <strong>de</strong>r Polizei aus <strong>de</strong>m Haus geleitet, aus Angst um ihre Sicherheit. Die Familien sprechen60 In ganz Bulgarien gibt es mehrere Fälle von Protesten gegen Asylsuchen<strong>de</strong> und ihre möglichen Unterbringung: InTelish, Bulgarien, blockierten Einheimische am 4. November 2013 die Straße von Pleven nach Sofia aus Protest gegen<strong>de</strong>n angeblich geplanten Bau eines Flüchtlingslagers. Die Proteste wur<strong>de</strong>n organisiert, obwohl es nie offizielleInformationen über ein solches Bauvorhaben gab. In Kazanlak, Bulgarien, protestierten Einheimische am 20. Oktober2013 gegen <strong>de</strong>n potenziellen Bau eines Lagers für Geflüchtete. Hun<strong>de</strong>rte nahmen am Protest teil; 5200 Unterschriftenwur<strong>de</strong>n in weniger als 48 Stun<strong>de</strong>n gesammelt. In Slaveino, Bulgarien, drohten die DorfbewohnerInnen am 25.November 2013 mit Protesten, wenn die bulgarische Regierung beschließt <strong>de</strong>n Bau eines Lagers für Geflüchtete in <strong>de</strong>rGemein<strong>de</strong> durchzuführen. In Sliven, Bulgarien, organisierte ATAKA am 24. November 2013 einen Protest gegen <strong>de</strong>nmöglichen Bau eines Lagers in <strong>de</strong>r Stadt. Auch fan<strong>de</strong>n zahlreiche Proteste in Harmanli statt, bevor und nach<strong>de</strong>mAsylsuchen<strong>de</strong> dort untergebracht wur<strong>de</strong>n.61 Nova News. <strong>2014</strong>.http://novanews.bg/news/view/<strong>2014</strong>/04/28/74124/%D0%B6%D0%B8%D1%82%D0%B5%D0%BB%D0%B8%D1%82%D0%B5-%D0%BD%D0%B0-%D1%81%D0%B5%D0%BB%D0%BE-%D1%80%D0%BE%D0%B7%D0%BE%D0%B2%D0%BE-%D0%BA%D0%B0%D1%82%D0%B5%D0%B3%D0%BE%D1%80%D0%B8%D1%87%D0%BD%D0%BE-%D0%BD%D0%B5-%D0%BF62 Abwerten<strong>de</strong> Bezeichnung für Roma.


von schwerer Angst nach <strong>de</strong>m Vorfall, ein Familienmitglied erlitt einen Herzinfarkt. Zum Zeitpunkt<strong>de</strong>r Abfassung <strong>de</strong>s Berichts befin<strong>de</strong>t er sich immer noch zur Behandlung in einem Krankenhaus inSofia.Die SAF weigerte sich, <strong>de</strong>n frem<strong>de</strong>nfeindlichen Vorfall in Rozovo als von Rassismusgetrieben anzuerkennen. Während einer Pressekonferenz beschrieben SAF VertreterInnen dieEreignisse als einen persönlichen Konflikt zwischen <strong>de</strong>m Besitzer <strong>de</strong>s Hauses und <strong>de</strong>m Rest <strong>de</strong>rDorfbewohnerInnen. Die Staatsanwaltschaft hat auf <strong>de</strong>n Vorfall reagiert, in<strong>de</strong>m sie Kontrollenhinsichtlich <strong>de</strong>s Aufenthaltsstatus <strong>de</strong>r Geflüchteten und das Recht dieser, außerhalb <strong>de</strong>rAufnahmeeinrichtungen zu leben einleitete.Ein rassistischer Angriff, <strong>de</strong>r am 19. April <strong>2014</strong> stattfand, ist beispielhaft für dasgegenwärtige Stimmungsbild. An diesem Tag wur<strong>de</strong> eine französische Staatsbürgerin von einerGruppe von Skinheads in Sofia schwer verprügelt. Die Frau wartete auf einen Bus, als eine Gruppevon Männern unter nachgemachten Affenlauten anfing zu rufen „Haltet <strong>de</strong>n Neger“. Die Frau undihre bulgarischen Fr<strong>eu</strong>n<strong>de</strong> wur<strong>de</strong>n kurz darauf angegriffen. Nach Angaben <strong>de</strong>s bulgarischenHelsinki-Komitees 64 erlitt die Frau Wun<strong>de</strong>n und blaue Flecken an Stirn, Nase, Taille, rechtem Armund Knie, subkutane Hämatome am Bein, sowie Prellungen <strong>de</strong>r Augenli<strong>de</strong>r, <strong>de</strong>s Mun<strong>de</strong>s und linkenArms. Darüber hinaus hat die Frau ein schweres psychisches Trauma erlitten und hat Angst dasHaus zu verlassen o<strong>de</strong>r sich auf <strong>de</strong>m Balkon zu zeigen.Gegen alle Anzeichen, dass <strong>de</strong>r Angriff rassistischer Natur war, wur<strong>de</strong> im GerichtsverfahrenAnklage wegen „<strong>de</strong>s Zufügens leichter Körperverletzung basierend auf Hooligan-Motiven“erhoben.Der Mangel an Einsatz seitens <strong>de</strong>r bulgarischen Behör<strong>de</strong>n beim Verurteilen und Bestrafenrassistischer Übergriffe, Verhaltens und Re<strong>de</strong> wur<strong>de</strong> von mehreren NGOs festgestellt. Im Dezember2013 warnte Amnesty International 65 , dass „die bulgarischen Behör<strong>de</strong>n klar und öffentlich Stellungbeziehen müssen, dass frem<strong>de</strong>nfeindliche und rassistische Gewalt nicht toleriert wer<strong>de</strong>n.Flüchtlinge und MigrantInnen müssen von je<strong>de</strong>r weiteren Belästigung und Gewalt geschütztwer<strong>de</strong>n“. Anstatt <strong>de</strong>ssen beruht die Reaktion seitens <strong>de</strong>r bulgarischen Behör<strong>de</strong>n in <strong>de</strong>n obenbeschriebenen Fällen, die nur einen Ausschnitt aus vielen darstellen, aus <strong>de</strong>r Weigerung mitfrem<strong>de</strong>nfeindlichen und rassistischen Verbrechen umzugehen. Dieser Ansatz rechtfertigt, und führtweitere Gewalt gegen verletzbare Gruppen im Allgemeinen und Geflüchtete im Beson<strong>de</strong>ren fort.Trotz <strong>de</strong>r gemeinsamen Erklärung <strong>de</strong>s Premierministers Oresharski und <strong>de</strong>s Präsi<strong>de</strong>nten Plevnelievvom November 2013 66 gegen <strong>de</strong>n Anstieg frem<strong>de</strong>nfeindlicher Gewalt wer<strong>de</strong>n keine ernsthaftenMaßnahmen in Bezug auf diese Verbrechen durchgeführt. In <strong>de</strong>n meisten Fällen wer<strong>de</strong>nfrem<strong>de</strong>nfeindliche und rassistische Straftaten weiter als Instanzen von Hooliganismus behan<strong>de</strong>lt.3763Mediapool. <strong>2014</strong>. http://www.mediapool.bg/siriyskite-bezhantsi-ot-selo-rozovo-byaha-izseleni-news219601.htmAufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.64 BHC. <strong>2014</strong>. http://www.bghelsinki.org/bg/novini/press/single/pressobshenie-bhk-poema-<strong>de</strong>lo-za-poboj-na-skinhedsnad-chernokozha-frenska-grazhdanka/Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.65 Amnesty International. 2013. http://www.amnesty.org/en/news/<strong>bulgaria</strong>-must-rein-xenophobic-and-racist-violenceafter-seven-attacks-month-2013-12-02Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.66 EU Business. 2013. http://www.<strong>eu</strong>business.com/news-<strong>eu</strong>/<strong>bulgaria</strong>-racism.rdp Aufgerufen am 7. Juni <strong>2014</strong>.


38Fazit Bulgarien stellt einen Extremfall von institutionellem Rassismus dar, einschließlichrassistischer Interventionen seitens hochrangiger PolitikerInnen. Dies liefert heftigenkörperlichen Angriffen Zündstoff. Physische Angriffe auf Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge kommen in letzter Zeit verstärkt vor.Dies stellt eine ernsthafte Bedrohung für ihr physisches Überleben auf <strong>de</strong>m Staatsgebiet <strong>de</strong>sLan<strong>de</strong>s dar. Medienberichte und Kommentare seitens hochrangiger PolitikerInnen haben zu äußerstdiskriminieren<strong>de</strong>m Sprechen und Verhalten gegenüber Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlingengeführt. Bulgarien weigert sich, Hate-crimes auf eine angemessene Art und Weise anzugehen. Ganzim Gegenteil, die Untätigkeit <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s trägt dazu bei, rassistisch motivierte Attacken zuschüren.


39V. ASYLVERFAHREN: DIE MEINUNG VON RECHTSEXPERTINNENEines <strong>de</strong>r Argumente von UNHCR und Human Rights Watch für die Verbesserung <strong>de</strong>rBedingungen für Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge basiert auf <strong>de</strong>m verbesserten Asylsuche- undGewährungsverfahren in <strong>de</strong>m Land. Im HRW Bericht vom April <strong>2014</strong> heißt es: „Bis vor kurzemwaren chronische Verspätungen von mehreren Monaten zwischen <strong>de</strong>m Zeitpunkt, zu <strong>de</strong>m einAsylsuchen<strong>de</strong>r einen Asylantrag gestellt hat ... und zu <strong>de</strong>m die SAF <strong>de</strong>n Antrag aufnahm die Regel.Während dieser Zeit wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Asylsuchen<strong>de</strong> als illegal eingewan<strong>de</strong>rt betrachtet, mit einigerWahrscheinlichkeit festgehalten, und <strong>de</strong>r Gefahr ausgesetzt, abgeschoben zu wer<strong>de</strong>n. Das chronischlangsame bulgarische Asylverfahren verbesserte sich im Frühjahr <strong>2014</strong> dramatisch“.Da unsere Interviews mit Asylsuchen<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rer Nationalitäten als Syrisch (z.B. ausAfghanistan, Iran, Irak, Mali, Somalia, <strong>de</strong>r Elfenbeinküste, etc.) eine Reihe von Beschwer<strong>de</strong>n überdas Verfahren zum Vorschein brachten, holte BMB die Meinung von ExpertInnen im Bezug aufAsylverfahren in Bulgarien ein.Dr. Valeria Ilareva, Stiftung für <strong>de</strong>n Zugang zu Rechten, Rechtsanwältin.VI: Es gab noch nie eine Zeit, in <strong>de</strong>r Aufenthaltstitel in Bulgarien leicht erteilt wur<strong>de</strong>n. ImMoment gibt die SAF Personen aus Syrien Aufenthaltstitel. Mit Sicherheit hat sichje<strong>de</strong>r beschwert, dass sie bzw. er wegen <strong>de</strong>r syrischen Gruppe diskriminiert wur<strong>de</strong>. Esist ganz normal, dass sich Menschen mit <strong>de</strong>r Gruppe vergleichen, die einfacher einenAufenthaltstitel bekommt, aber ich glaube nicht, dass die Situation für <strong>de</strong>n Rest wegen<strong>de</strong>r syrischen Gruppe schlimmer wur<strong>de</strong>. Was passiert, ist dass [die SAF] <strong>de</strong>nSyrerInnen Aufenthaltstitel gibt, und für <strong>de</strong>n Rest bleibt [die Situation] genau so wiezuvor. Wo wir eine Verschlechterung <strong>de</strong>r Situation feststellen, geht es nicht sosehr um die Erteilung eines Aufenthaltstitels, son<strong>de</strong>rn vielleicht um die Dauer <strong>de</strong>sVerfahrens, <strong>de</strong>n Zugang zum Verfahren (z.B. wie lange muss man auf dieErfassung warten) sowie eine Erhöhung <strong>de</strong>r Haftdauer für diejenigen, die nichtSyrerInnen sind, während sie darauf warten erfasst zu wer<strong>de</strong>n, die so genannteImmigrationshaft beim Warten auf die Erfassung. Es gab d<strong>eu</strong>tliche Hinweise darauf,dass an<strong>de</strong>re Nationalitäten länger warten, damit diese [SyrerInnen] aus <strong>de</strong>r Haftentlassen wer<strong>de</strong>n können, um sie bei <strong>de</strong>r SAF zu erfassen.BMB: Nehmen bulgarische Behör<strong>de</strong>n immer noch Menschen in Lyubimets und Busmantsi inHaft, nach<strong>de</strong>m sie die Grenze überschritten [und Asyl beantragt], und die Einrichtungin Elhovo durchlaufen haben, o<strong>de</strong>r wer<strong>de</strong>n sie zu <strong>de</strong>n Aufnahme- undTransiteinrichtungen weitergeschickt?VI: Das ist lei<strong>de</strong>r die Praxis in Bulgarien.BMB: Es wird immer noch so verfahren?VI: Ja. Da es [in Bulgarien] eine Lücke zwischen <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Einreichung <strong>de</strong>sAntrages und <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>r Erfassung <strong>de</strong>s Antrages [durch die SAF] gibt. DieseLücke ist willkürlich. Es gibt keine Bedingungen, es gibt keine Regeln. Du bleibst dortund wartest. Nach bulgarischem Recht gibt es keine Regel, die festschreibt wie lange


40auf die Erfassung zu warten ist. Nach Europäischen Richtlinien muss die Erfassungzusammen mit <strong>de</strong>m Asylantrag erfolgen. Das heißt, von <strong>de</strong>m Moment an in <strong>de</strong>mjemand einen Antrag übermittelt, muss er o<strong>de</strong>r sie als asylsuchend behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n.In Bulgarien schieben wir eine solche Lücke dazwischen, die Europäischem Rechtwi<strong>de</strong>rspricht.Borislav Dimitrov, Rechtshilfezentrum Voice in Bulgaria, freiwilligerRechtsberater.BMB: Wie wür<strong>de</strong>n Sie das Asylverfahren seit 2013 kommentieren?BD: Es ist schlimmer gewor<strong>de</strong>n, weil die Kapazität <strong>de</strong>r Agentur auf die Bearbeitung <strong>de</strong>rAnfragen mit Priorität ausgerichtet ist. Sie kommen auf je<strong>de</strong>n Fall nicht umhin dieTatsache festzustellen, dass die Ersuchen <strong>de</strong>r SyrerInnen, und ich will damit nichtsSchlechtes sagen, ich bin nicht dagegen, aber Fakt ist, dass die Ersuchen <strong>de</strong>rSyrerInnen sehr viel schneller bearbeitet wer<strong>de</strong>n. In <strong>de</strong>r Zeit in <strong>de</strong>r SyrerInnen einenAufenthaltstitel und ihren Ausweis erhalten, kann es sein dass eine Person aus Afrikaerfasst wird, o<strong>de</strong>r auch nicht erfasst wird. Aber mit Sicherheit erhalten AfrikanerInnenkein zweites Interview innerhalb <strong>de</strong>sselben Zeitraumes.BMB: Können Sie uns Beispiele nennen?BD: Das jüngste betrifft eine Person aus Mali. Er hat eine Ablehnung. Nach dieser reicht er[einen zweiten Asylantrag] ein. Er kam zu uns zu Beginn seines zweiten Verfahrens.Er legte ein zweites Ersuchen Anfang Januar vor, das bis April immer noch nichterfasst wur<strong>de</strong>. Also reichten wir ein Gerichtsverfahren beim Verwaltungsgerichtangesichts <strong>de</strong>r Untätigkeit seitens <strong>de</strong>r Agentur [SAF] bei seiner Erfassung ein. Wirhaben <strong>de</strong>n Fall gewonnen, und das Gericht hat festgehalten, dass er von <strong>de</strong>r Agenturinnerhalb von 14 Tagen erfasst, die entsprechen<strong>de</strong>n Unterlagen ausgestellt und einVerfahren [für seinen Asylantrag] gestartet wer<strong>de</strong>n sollte. Das ist nicht innerhalbdieser 14 Tage passiert. Wir schrieben eine Anfrage, in <strong>de</strong>r wir sie unter Anlage <strong>de</strong>rGerichtsentscheidung baten, Maßnahmen zur Erfassung seines Falles einzuleiten. Esist nichts passiert, und so kam er am Dienstag, <strong>de</strong>n 3. Juni wie<strong>de</strong>r, und es gab immernoch keine Verän<strong>de</strong>rung, niemand von <strong>de</strong>r Agentur hat ihn angerufen. Wir schriebennochmals eine Anfrage, fügten seinen Asylantrag und die Gerichtsentscheidung nocheinmal bei. Wir schickten sie per E-Mail an 3-4 <strong>de</strong>r E-Mail-Adressen <strong>de</strong>r Agentur,darüber hinaus, gab ich ihm die Unterlagen um sie ihnen zu bringen und bei <strong>de</strong>rAgentur einzureichen, und sie wie<strong>de</strong>r zu bitten, die Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichts, ihn zuerfassen, zu respektieren. Am nächsten Tag wur<strong>de</strong> er vor <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong>, in <strong>de</strong>m erwohnt, aufgrund <strong>de</strong>s Mangels an Dokumenten und weil er nicht in <strong>de</strong>r Lage dazu warseine I<strong>de</strong>ntität zu beweisen festgenommen. Sie brachten ihn in die 6. Polizeiwache, woich ihn besuchte, und ist jetzt zwangsweise in Busmantsi inhaftiert. Auf <strong>de</strong>rPolizeiwache sprach ich mit <strong>de</strong>m Beamten <strong>de</strong>r Migration [-sdirektion] und <strong>de</strong>nBeamten <strong>de</strong>r Wache. Ich habe versucht, ihnen zu erklären, dass das, was sie tun,rechtswidrig ist, weil ein Gerichtsentscheid vorliegt, und sie ihn nicht festnehmen undnach Busmantsi bringen, son<strong>de</strong>rn anstatt <strong>de</strong>ssen wie vom Gericht verfügt erfassensollten. Es gab kein Ergebnis, und im Moment ist er in Busmantsi. Dies geschah am 4.


Juni, und sein Asylantrag ist von Anfang Januar. Nach 5 Monaten Warten auf seinErsuchen nach Erfassung lan<strong>de</strong>te er in Busmantsi.BMB: Wie viele ähnliche Fälle haben Sie?BD: Viele. Nicht alle von ihnen lan<strong>de</strong>n am En<strong>de</strong> in Busmantsi, aber Personen, die nichtregistriert sind ... viele. Ein weiterer aktueller Fall. Ein iranischer Mann übermittelteeinen zweiten Antrag [auf Erfassung] Anfang März [<strong>2014</strong>]. Bis h<strong>eu</strong>te hat die Agenturihn nicht erfasst. Der Agentur wur<strong>de</strong> ein Beschluss <strong>de</strong>s Verwaltungsgerichtsübermittelt, innerhalb von 14 Tagen Handlungen in Bezug auf die Erfassung <strong>de</strong>sMannes durchzuführen. Letzten En<strong>de</strong>s wartet <strong>de</strong>r iranische Staatsbürger noch immer ineiner beson<strong>de</strong>rs schwierigen Lage seit mehr als drei Monaten darauf, erfasst zu wer<strong>de</strong>nund die rechtlichen Vorteile für Asylsuchen<strong>de</strong> in Übereinstimmung mit <strong>de</strong>mbulgarischen Gesetz in Anspruch nehmen zu können. Derselbe Mann kann sehr gutEnglisch und Farsi, und bekam einen guten Job angeboten, <strong>de</strong>n er nicht akzeptierenkann weil er aufgrund <strong>de</strong>r Untätigkeit <strong>de</strong>r Agentur in Bezug auf seine Erfassung keinenAusweis hat. Sie [die IranerInnen] wer<strong>de</strong>n regelmäßig nicht erfasst. Beson<strong>de</strong>rsAfrikanerInnen, AfghanInnen, IranerInnen, IrakerInnen, aber ich habe das Gefühl, dassdie meisten AfrikanerInnen sind, wer<strong>de</strong>n regelmäßig nicht rechtzeitig erfasst, nicht nurein Mal, son<strong>de</strong>rn über Monate hinweg. Und regelmäßig warten sie Monate auf ihrzweites Interview, nach<strong>de</strong>m sie erfasst wur<strong>de</strong>n.Ich habe einen Fall von einem Mann aus <strong>de</strong>m Irak, <strong>de</strong>r einen von <strong>de</strong>r UN-Kommissionin Syrien mandatierten Status hat. Dennoch hat die SAF seinen Antrag abgelehnt. Ergewann die bei<strong>de</strong>n daraus resultieren<strong>de</strong>n Gerichtsverfahren, sowohl beimVerwaltungsgericht, als auch <strong>de</strong>m Obersten Gerichtshof. Das Verwaltungsgericht hobdie Entscheidung <strong>de</strong>r SAF auf und entschied auf humanitären Status, aber die SAFlegte Berufung gegen die Entscheidung <strong>de</strong>s Gerichtes ein. Der Oberste Gerichtshofbestätigte die Entscheidung <strong>de</strong>s Verwaltungsgerichts und entschied, dass die SAFeinen humanitären Status erlassen soll. Trotz <strong>de</strong>r Entscheidung <strong>de</strong>s OberstenGerichtshofs, die im April gefällt wur<strong>de</strong>, wartet <strong>de</strong>r Mann immer noch, es istinzwischen Juni und seitens <strong>de</strong>r SAF ist keine Handlung zur Einhaltung <strong>de</strong>rEntscheidung <strong>de</strong>s Obersten Gerichtshofs erkennbar.BMB: Wie lange ist <strong>de</strong>r Mann in Bulgarien gewesen?BD: Seit 2011. Er hat alle Hoffnung verloren.41


42VI. EUROPAS UNERWÜNSCHTE:EINSCHRÄNKUNGEN DER BEWEGUNGSFREIHEITDie SAF kann Asylsuchen<strong>de</strong>n zwei Arten von Schutz erteilen: Flüchtlings- und subsidiären(bzw. humanitären) Status. Bei<strong>de</strong> Gruppen haben Anspruch auf Reisedokumente, die sie dazuverwen<strong>de</strong>n können um außerhalb Bulgariens zu reisen. Allerdings sind die Bedingungen für Reisenins Ausland für die bei<strong>de</strong>n Gruppen verschie<strong>de</strong>n. Nach bulgarischem Recht können dieInhaberInnen eines Flüchtlingsstatus zu <strong>de</strong>n gleichen Bedingungen wie bulgarischeStaatsbürgerInnen in an<strong>de</strong>re Län<strong>de</strong>r reisen, während die InhaberInnen eines humanitären Status <strong>de</strong>nBedingungen für Auslän<strong>de</strong>rInnen mit ständigem Wohnsitz in Bulgarien unterliegen. Darüber hinauskann je<strong>de</strong>s Land in <strong>de</strong>r EU und im Schengen-Raum seine eigenen Reisebedingungen bestimmen 67 .Dies resultiert in einer willkürlichen und unlösbaren Situation für InhaberInnen eines Status inBulgarien. Bis vor kurzem reisten bei<strong>de</strong> Gruppen in <strong>de</strong>r Praxis innerhalb <strong>de</strong>r EU allerdings unter<strong>de</strong>nselben Bedingungen: Bis zu drei Monate visafreies, nicht arbeitsbezogenes Reisen, o<strong>de</strong>rBeantragung einer Arbeitserlaubnis. Die unterschiedlichen Bedingungen in Bezug auf Reisen insAusland für die InhaberInnen <strong>de</strong>r zwei Passarten (<strong>de</strong>r für Flüchtlinge ist 5 Jahre gültig, <strong>de</strong>r fürPersonen mit humanitärem Status 3 Jahre) kamen erst im April <strong>2014</strong> wie<strong>de</strong>r zum Vorschein, nacheiner langen Phase <strong>de</strong>r relativ unproblematischen Bewegung von Personen mit humanitärem Statusin an<strong>de</strong>re EU-Län<strong>de</strong>r. Ab April <strong>2014</strong> wur<strong>de</strong> <strong>de</strong>n InhaberInnen eines humanitären Status die Einreisein an<strong>de</strong>re EU-Län<strong>de</strong>r systematisch verweigert.67 Das bulgarische Asyl- und Flüchtlingsgesetz sieht folgen<strong>de</strong>s vor: Art. 42. (1) Die Bescheinigung für Reisen insAusland, die Flüchtlingen ausgestellt wird, berechtigt <strong>de</strong>n Inhaber die Republik Bulgarien innerhalb <strong>de</strong>sGültigkeitszeitraums unter <strong>de</strong>n Bedingungen für bulgarische Staatsbürger zu verlassen und zu betreten, insofern dasLand, in das er o<strong>de</strong>r sie reist, keine geson<strong>de</strong>rten Anfor<strong>de</strong>rungen aufstellt. (2) Die Bescheinigung für Reisens insAusland eines Auslän<strong>de</strong>rs mit humanitärem Status berechtigt <strong>de</strong>n Inhaber die Republik Bulgarien innerhalb <strong>de</strong>sGültigkeitszeitraums unter <strong>de</strong>n Bedingungen für Auslän<strong>de</strong>r mit dauerhaftem Wohnsitz in Bulgarien zu verlassen und zubetreten.


Österreich war das letzte EU-Land, das eine Visapflicht für die InhaberInnen einessubsidiären Status am 17. April <strong>2014</strong> verhängte 68 . Nur wenige Tage zuvor hörte BMB von <strong>de</strong>rGeschichte einer syrischen Familie mit subsidiärem Status, die es am 15. April geschafft hat vonSofia nach Wien zu fliegen, ohne ein Visum bei <strong>de</strong>r Botschaft zu beantragen.BMB hat zahlreiche Fälle syrischer StaatsbürgerInnen mit humanitärem Status dokumentiert,<strong>de</strong>nen die Einreise nach Griechenland und Rumänien an <strong>de</strong>r Grenze verweigert wur<strong>de</strong>. Menschendie erfolglos versuchten die Grenze zu überqueren, bekamen ihre Pässe, die sie als EmpfängerInneneines subsidiären Status ausweisen, mit <strong>de</strong>n Grün<strong>de</strong>n für die Verweigerung <strong>de</strong>r Einreise gestempelt.Diese lauteten entwe<strong>de</strong>r „ungültiges Reisedokument“, o<strong>de</strong>r „hat keine angemessenen Dokumentezum Nachweis <strong>de</strong>s Zwecks und <strong>de</strong>r Bedingungen <strong>de</strong>s Aufenthalts. Das / die folgen<strong>de</strong>(n)Dokument(e) konnten nicht zur Verfügung gestellt wer<strong>de</strong>n...“ (siehe Anhang 2). Nach Kenntnis vonBMB, wur<strong>de</strong> Personen die versuchten ein Visum bei <strong>de</strong>r schweizerischen, österreichischen,rumänischen, belgischen und schwedischen Botschaften zu beantragen, die Erteilung von Visa unter<strong>de</strong>m Vorwand verweigert, ihre Pässe seien kein gültiges Dokument für Reisen ins Ausland. DaBulgarien und Rumänien danach streben ein Teil <strong>de</strong>s Schengen-Raums zu wer<strong>de</strong>n, lasteterheblicher internationaler Druck auf ihnen, einen effizienten Grenzschutz sicherzustellen.Wir hörten von einer Reihe von Fällen, in <strong>de</strong>nen Mitglie<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>rselben Famili<strong>eu</strong>nterschiedliche Aufenthaltstitel erteilt wur<strong>de</strong>n, was zu einer potenziellen Trennung <strong>de</strong>r Familieaufgrund <strong>de</strong>r unterschiedlichen Behandlung von Personen mit Flüchtlingsstatus und subsidiäremStatus an <strong>de</strong>r Grenze führt.Seit April <strong>2014</strong> haben syrische Geflüchtete Proteste vor <strong>de</strong>m Gebäu<strong>de</strong> <strong>de</strong>r EuropäischenKommission in Sofia durchgeführt, und for<strong>de</strong>rn eine offizielle Stellungnahme bezüglich <strong>de</strong>s Rechtsauf Freizügigkeit in <strong>de</strong>r Union. Die Proteste wur<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r erheblichen Unsicherheit ihresphysischen Überlebens, sowie <strong>de</strong>r Unmöglichkeit in an<strong>de</strong>re EU Län<strong>de</strong>r zu reisen hervorgerufen.Bei<strong>de</strong> Aspekte sind miteinan<strong>de</strong>r verbun<strong>de</strong>n. Die Protestieren<strong>de</strong>n for<strong>de</strong>rn, dass die EU-Län<strong>de</strong>r dieAbschottung ihre Grenzen für StatusinhaberInnen aus Bulgarien über<strong>de</strong>nken, weil dies ihreChancen auf ein physisches Überleben erheblich min<strong>de</strong>rt. Einer <strong>de</strong>r Demonstranten sagte uns 69 :Wenn es uns schon nicht erlaubt ist in die EU zu reisen, sollen zumin<strong>de</strong>st [diebulgarischen Behör<strong>de</strong>n] aufhören uns aus <strong>de</strong>n Lagern zu werfen, und damit beginnen unsSozialgeld zu zahlen und beim Fin<strong>de</strong>n eines Jobs helfen, so dass wir in Bulgarien lebenkönnen. Je<strong>de</strong>n Tag wer<strong>de</strong>n Menschen aus <strong>de</strong>m Lager in Ovcha Kupel rausgeworfen,Menschen mit humanitärem Status. Sie können sich keine Wohnung leisten, ihre Kin<strong>de</strong>rsind nicht in <strong>de</strong>r Schule, sie sind [sozial] nicht abgesichert. Es muss einIntegrationsprogramm geben, damit Menschen normal leben können. Sie können unsnicht nur Bulgarisch Kurse geben, wir brauchen Arbeitsplätze und Schulen (Juni <strong>2014</strong>).43Die oben genannten Proteste z<strong>eu</strong>gen von einer tiefen Besorgnis im Bezug auf die unhaltbaresoziale Situation Geflüchteter in Bulgarien, und die Verweigerung <strong>de</strong>s Zugangs zu an<strong>de</strong>renMitgliedstaaten. Sie stellen eine Mahnung dar dass die dringen<strong>de</strong> Notwendigkeit besteht, dieDublin-Verordnung zu über<strong>de</strong>nken. Diese For<strong>de</strong>rung gibt es nun seit Jahren. Wir stimmen mitzahlreichen Berichten überein, die ihre Besorgnis über die Dublin-Verordnung und die unlösbaren68 Nachrichten auf Bulgarisch http://btvnews.bg/article/<strong>bulgaria</strong>/siriiski-bezhantsi-zaminali-za-avstriya-se-vrashtat-unas.html69 Interview geführt am 2. Juni <strong>2014</strong>.


44Probleme, die daraus resultieren, ausdrücken. Vor <strong>de</strong>m Hintergrund <strong>de</strong>r sozio-ökonomischen Lagein Bulgarien kommen wir zu <strong>de</strong>m Schluss dass die Dublin-Verordnung eines <strong>de</strong>r grundlegen<strong>de</strong>nPrinzipien Europas verletzt, nämlich die gegenseitige Solidarität. Darüber hinaus bringt die Dublin-Verordnung Asylsuchen<strong>de</strong> ernsthaft in Gefahr, da sie in wirtschaftlich und sozial peripherenLän<strong>de</strong>rn wie Bulgarien „einsperrt“ wer<strong>de</strong>n, wo Arbeitslosigkeit und Armut herrschen. Dies ist eingefährliches Spiel.BMB hat keinen Zweifel daran, dass Dublin Rückführungen nach Bulgarien sofort eingestelltwer<strong>de</strong>n müssen, bis das Land diskriminierungsfreie Rechtsverfahren, Asylverfahren frei vonWillkür, <strong>de</strong>n Verzicht auf Push-Backs, und soziale Unterstützung gewährleisten kann. Darüberhinaus wer<strong>de</strong>n Grundbedürfnisse wie Unterbringung und ärztliche Dienstleistungen weiterhinstiefmütterlich behan<strong>de</strong>lt, was Flüchtlinge und Asylsuchen<strong>de</strong> extremer Gefahr aussetzt. Dasphysische Überleben <strong>de</strong>r Flüchtlinge und Asylsuchen<strong>de</strong>n im Land wird durch rassistischeÜbergriffe, Obdachlosigkeit, die Unmöglichkeit Arbeit zu fin<strong>de</strong>n, und die Verschlechterung <strong>de</strong>rsozio-ökonomischen und wirtschaftlichen Bedingungen im Land gefähr<strong>de</strong>t. Die Verbesserung <strong>de</strong>rmateriellen Bedingungen in <strong>de</strong>n Lagern stellt keinen Grund für Europäische Län<strong>de</strong>r dar, die Füßestillzuhalten.


45VII. EMPFEHLUNGEN1. Wir for<strong>de</strong>rn die bulgarischen Behör<strong>de</strong>n dringend dazu auf, das Auftreten von Push-Backsan <strong>de</strong>r Grenze unverzüglich zu untersuchen und zu verhin<strong>de</strong>rn. Darüber hinaus for<strong>de</strong>rn wirinternationale Akt<strong>eu</strong>re dazu auf, ein engeres Monitoring <strong>de</strong>r bulgarisch-türkischen Grenze inErwägung zu ziehen, um Push-Backs und Gewalt zu verhin<strong>de</strong>rn. Die Nichteinhaltung <strong>de</strong>s nonrefoulementPrinzips verstößt gegen internationale Übereinkommen und verhin<strong>de</strong>rt, dass Menschenihr Recht auf Asyl im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates ausüben. Europas Schweigen undUntätigkeit im Bezug auf Push-Back Fälle gibt Asylsuchen<strong>de</strong>n effektiv das Signal, dass sie nichtwillkommen sind um geschützt zu wer<strong>de</strong>n.2. Wir empfehlen mehr Anstrengungen zu unternehmen, um die Zahl <strong>de</strong>r SozialarbeiterInnen,<strong>de</strong>s medizinischen Personals und von ÜbersetzerInnen zu erhöhen, um eine durchgehen<strong>de</strong>Unterstützung anbieten zu können. Der Staat sollte mehr Informationen und Unterstützung in Bezugauf <strong>de</strong>n rechtlichen Anspruch von Asylsuchen<strong>de</strong>n auf kostenlose Rechtsvertretung, medizinischeVersorgung und Adressregistrierung zur Verfügung stellen, um das Prosperieren von Korruption zuvermei<strong>de</strong>n. Die bestehen<strong>de</strong>n Strukturen, die die Korruptionspraktiken ermöglichen, bedrohen dasphysische Überleben <strong>de</strong>r Asylsuchen<strong>de</strong>n und Flüchtlinge, und müssen been<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n.3. Die Verordnungen müssen für alle Asylsuchen<strong>de</strong>n vorsehen, eine Unterkunft in <strong>de</strong>njeweiligen Einrichtungen während <strong>de</strong>r gesamten Dauer ihres Verfahrens zu erhalten, wie imbulgarischen Asyl und Flüchtlingsgesetz und in <strong>de</strong>r <strong>eu</strong>ropäischen Richtlinie 2013/33 vorgeschriebenist. BMB begrüßt die Entscheidung <strong>de</strong>r SAF, <strong>de</strong>n Aufenthaltszeitraum für Personen, die Statuserhalten haben, zu verlängern und for<strong>de</strong>rt die bulgarische Regierung dazu auf, diese Möglichkeit ineiner offiziell geregelten Verordnung weiterzuführen. Außer<strong>de</strong>m schlagen wir vor, dass Personendie sich noch im Verfahren befin<strong>de</strong>n, und die Lager für eine externe Wohnadresse verlassen haben,die Möglichkeit erhalten, in einem geregelten Verfahren in die Lager zurückzukehren, um staatlicheSozialleistungen zu erhalten, die sie vor <strong>de</strong>n Strapazen „geächteter Aufenthalte“ und Korruptionbewahren.4. Wir for<strong>de</strong>rn die Institutionen zur Zusammenarbeit auf, um Lösungen in Bezug auf dieLücken in <strong>de</strong>r Gesundheitsversorgung (z.B. bei <strong>de</strong>r Registrierung bei AllgemeinmedizinerInnen und<strong>de</strong>m Herausfallen aus <strong>de</strong>m Gesundheitssystem nach Erteilung eines Status) zu fin<strong>de</strong>n.5. Die Ermöglichung <strong>de</strong>r vollen Teilnahme aller Beteiligten am (zukünftigen) NationalenIntegrationsprogramm ist eine unabdingbare Voraussetzung für die soziale Inklusion. Daher solltenmehr Bemühungen in die zeitnahe Umsetzung eines allumfassen<strong>de</strong>n und effizienten n<strong>eu</strong>enIntegrationsprogramms ohne weitere Verzögerungen fließen.6. Wir bestehen darauf, dass körperliche Angriffe auf Basis von Rassismus und Hate-speechvon <strong>de</strong>n bulgarischen Behör<strong>de</strong>n äußerst ernst genommen wer<strong>de</strong>n müssen, und nicht als„Rowdytum“ qualifiziert wer<strong>de</strong>n dürfen. Körperliche Angriffe auf Asylsuchen<strong>de</strong>, MigrantInnenohne Papiere und Flüchtlinge müssen gründlich untersucht wer<strong>de</strong>n, und als Hate-crimes behan<strong>de</strong>ltwer<strong>de</strong>n.7. Die bulgarischen Behör<strong>de</strong>n sollen sicherstellen, dass Asylsuchen<strong>de</strong> und Flüchtlinge aufeine humane, nicht diskriminieren<strong>de</strong> und respektvolle Weise behan<strong>de</strong>lt wer<strong>de</strong>n. Alltagsrassismus in<strong>de</strong>n Lagern sowie erniedrigen<strong>de</strong>s Verhalten in Polizeistationen, Haftanstalten undAufnahmeeinrichtungen müssen ein En<strong>de</strong> fin<strong>de</strong>n.


468. Das verbesserte Asylverfahren für syrische StaatsbürgerInnen kann nicht auf Kosten <strong>de</strong>rübrigen Asylsuchen<strong>de</strong>n geschehen. Wir for<strong>de</strong>rn die bulgarische Regierung mit Nachdruck auf, alleAsylsuchen<strong>de</strong>n gleichberechtigt zu behan<strong>de</strong>ln. Darüber hinaus gibt es weiterhin Lücken imbulgarischen Gesetz zur Regelung <strong>de</strong>r Asylverfahren. Sie sollen auf eine Weise adressiert wer<strong>de</strong>n,die sie Europäischen Normen entsprechen lässt.9. Im Gegensatz zum jüngsten Bericht <strong>de</strong>s UNHCR vom 15. April <strong>2014</strong> hat BMB zahlreicheProbleme im Asylsystem <strong>de</strong>s Lan<strong>de</strong>s festgestellt, die ein großes Hin<strong>de</strong>rnis für die soziale undwirtschaftliche Inklusion, sowie das physische Überleben Schutzsuchen<strong>de</strong>r in Bulgarien darstellen.Darunter sind: die Verweigerung <strong>de</strong>s Zugangs zu bulgarischem Staatsgebiet, verlangsamteVerfahren für Nicht-SyrerInnen, äußerst problematische Unterbringungsbedingungen, verstärkteObdachlosigkeit, inadäquate medizinische Hilfe, eine unterschiedliche Behandlung <strong>de</strong>rverschie<strong>de</strong>nen Gruppen, ungleicher Zugang zu Rechtsschutz, die Gefahr willkürlicher Verhaftungenvor allem für Personen aus sub-saharischen Län<strong>de</strong>rn Afrikas, verstärkte körperliche Angriffe undoffen rassistische Einstellungen.10. Auf Basis <strong>de</strong>r vorliegen<strong>de</strong>n Punkte empfehlen wir <strong>de</strong>n EU-Mitgliedstaaten, Dublin-Rückführungen nach Bulgarien zu stoppen, bis <strong>de</strong>r bulgarische Staat gewährleisten kann, dass diefestgestellten Probleme in einer angemessenen Art und Weise bedient wer<strong>de</strong>n. Darüber hinaus soll<strong>de</strong>r Rat <strong>de</strong>r Europäischen Union die Dublin-Verordnung im Allgemeinen über<strong>de</strong>nken undüberarbeiten, um nicht nur die gemeinsame <strong>eu</strong>ropäische Grenzkontrolle (z.B. durch FRONTEX,EURODAC), son<strong>de</strong>rn auch die gleichmäßige Verteilung <strong>de</strong>r Verantwortung für die sozialeInklusion und Integration zu gewährleisten.


47DANKSAGUNGDieser Bericht hat vom wertvollen Wissen verschie<strong>de</strong>ner Menschen mit unterschiedlichenHintergrün<strong>de</strong>n profitiert, <strong>de</strong>nen wir dankbar sind.Unser Dank gilt zunächst allen Asylsuchen<strong>de</strong>n, Flüchtlingen und MigrantInnen, die ihre – oftschmerzhaften – Erfahrungen mit uns geteilt haben. Unser Dank gilt auch <strong>de</strong>n Familien <strong>de</strong>r Push-Back Opfer, die uns unermüdlich dabei geholfen haben Menschen zu fin<strong>de</strong>n und besser zuverstehen, was an <strong>de</strong>r bulgarischen Grenze passiert. Dieser Bericht soll ihnen beschei<strong>de</strong>n dabeihelfen, näher an das einzige Bestreben heranzukommen, das sie begonnen haben – ein Leben inWür<strong>de</strong>.Wir bedanken uns bei Florin Faje für das Lektorat und seinen kritischen Blick, und bei TobiasKlaus und Bernd Kasparek für die unermüdlichen Diskussionen und wertvollen Ratschläge.Dr. Valeria Ilareva und Borislav Dimitrov halfen uns enorm mit ihren beruflichenKenntnissen und ihrer ExpertInnenmeinung.Wir bedanken uns auch bei <strong>de</strong>n bulgarischen Behör<strong>de</strong>n für die Bereitstellung <strong>de</strong>s Zugangs zuverschie<strong>de</strong>nen Lagern und Institutionen. Wir hoffen, dass uns in <strong>de</strong>r Zukunft eine bessereZusammenarbeit gelingt, um die Schutzpraktiken in Bulgarien zu verbessern.Wir möchten uns bei <strong>de</strong>r Stiftung für Bevölkerung, Migration und Umwelt (BMU) und <strong>de</strong>rStiftung:do für die Teilfinanzierung <strong>de</strong>r Forschung und <strong>de</strong>r Abfassung von diesem Berichtbedanken.Abschließend danken wir beson<strong>de</strong>rs Bor<strong>de</strong>rmonitoring EU für die bedingungsloseUnterstützung während <strong>de</strong>s Verfassens und <strong>de</strong>r Fertigstellung dieses Berichts.


48ANHANG 1


Alle BewohnerInnen <strong>de</strong>r Aufnahmeeinrichtung Harmanli müssen <strong>de</strong>n Gesetzen <strong>de</strong>r RepublikBulgarien, <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Einrichtung aufgestellten Regeln und <strong>de</strong>n Regeln <strong>de</strong>r Stadt Harmanli Folgeleisten. Die wichtigsten Regeln sind:1. Befehle auszuführen, ohne die Verwaltung <strong>de</strong>r Einrichtung in Frage zu stellen.2. Nicht zu schreien, und <strong>de</strong>mütig sein.3. Nicht untereinan<strong>de</strong>r zu kämpfen, sich zu respektieren und einan<strong>de</strong>r zu helfen.4. Badges und grüne Karten bei sich tragen und vorzuzeigen, wenn dies verlangt wird.5. Ruhe vor <strong>de</strong>m Verwaltungsgebäu<strong>de</strong> aufrechtzuerhalten. Es ist verboten das Gebäu<strong>de</strong> zu betreten,ohne dazu aufgefor<strong>de</strong>rt zu wer<strong>de</strong>n. Das Warten geschieht neben <strong>de</strong>r Treppe.6. Bezahlen <strong>de</strong>r Geldbußen wegen Nichteinhaltung gelten<strong>de</strong>n Rechts und <strong>de</strong>r aufgestellten Regeln.Die Gebühren variieren zwischen 50 und 200 Leva (25 Euro bis 100 Euro).7. Der Umzug in ein an<strong>de</strong>res Zimmer ohne die Zustimmung <strong>de</strong>r für die Unterbringungverantwortlichen MitarbeiterInnen ist verboten.8. Die Lebens-, Flur- und Toilettenräume, sowie die Bereiche rund um die Gebäu<strong>de</strong> sind immersauber zu halten.9. Wenn Inventar kaputtgeht, muss es bezahlt und innerhalb von 8 Tagen wie<strong>de</strong>rhergestellt wer<strong>de</strong>n.Der Umzug zu einer externen Wohnadresse ist nicht möglich, bevor [Scha<strong>de</strong>nsersatz] gezahltwur<strong>de</strong>.10. Wenn Hilfsgüter verteilt wer<strong>de</strong>n, müssen sie sich mit Gutscheinen, Badges und grünen Kartenin <strong>de</strong>r Hand anstellen. Wenn eines dieser Dokumente fehlt, wird es keine Beihilfe für <strong>de</strong>n o<strong>de</strong>r dieTäterIn gegeben.11. Während <strong>de</strong>r Anwesenheit von Besuchs<strong>de</strong>legationen müssen Sie lächeln und leise sprechen.Kein Gebrüll und Geschrei.12. Es ist nur von 10.00 bis 04.00 Uhr möglich, zu einer externen Adresse zu gehen.13. Beim Verlassen <strong>de</strong>r Einrichtung müssen Sie Ihr Badge zurücklassen, und die grüne Kartevorzeigen. Der Besuch <strong>de</strong>r Stadt Harmanli ist von 9.00 bis 19.30 Uhr möglich (eine spätereRückkehr ist nur nach Genehmigung durch das Einrichtungspersonal und <strong>de</strong>r Einreichung einesAntragsmöglich).14. Je<strong>de</strong>r ist verpflichtet, beim Be- und Entla<strong>de</strong>n von Waren und Hilfspaketen, sowie bei an<strong>de</strong>renArbeitstätigkeiten die von <strong>de</strong>r Verwaltung <strong>de</strong>s Zentrums ausgegeben wer<strong>de</strong>n zu helfen. Niemandhat das Recht zu verweigern.15. Der Alkoholkonsum ist untersagt. Das Rauchen ist in <strong>de</strong>n ausgewiesenen Bereichen erlaubt.16. Wer Harmanli verlässt, wird von <strong>de</strong>r Polizei auf die Einhaltung <strong>de</strong>r Ordnung und das Tragen <strong>de</strong>rgrünen Karten überprüft. Zuwi<strong>de</strong>rhan<strong>de</strong>ln<strong>de</strong> wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Polizei für bis zu 3 Tage verhaftet7. Sie haben geduldig auf Ihren Aufenthaltstitel zu warten. Die Ungeduldigen können keinenAufenthaltstitel erhalten, wenn Sie die Beziehung zur Verwaltung ruinieren.18. Diejenigen die keine Badges tragen, wer<strong>de</strong>n von <strong>de</strong>r Verwaltung nicht bedient, und wer<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Aufenthaltstitel zu einem späteren Zeitpunkt erhalten.19. Adressen im Zentrum von Harmanli wer<strong>de</strong>n nur <strong>de</strong>njenigen gegeben, die keine Problememachen, die diszipliniert sind, und die Vorschriften, Regeln und Gesetze <strong>de</strong>r Republik Bulgarienbefolgen.20. Es ist verboten, Müll überallhin aber nicht in <strong>de</strong>n Behälter zu werfen.21. Die Organisation von Revolten wird nach <strong>de</strong>n bulgarischen Gesetzen verurteilt. Die Unkenntnis<strong>de</strong>r Regeln befreit Sie nicht von <strong>de</strong>r strafrechtlichen Verantwortung.49


50ANHANG 2

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