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PDF-Download Anmerkung 87 - Goethe-Museum-Düsseldorf

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Kostbarkeiten aus WeimarAls <strong>Goethe</strong> am Morgen des 7. November 1775 in der kleinenResidenzstadt Weimar ankommt, sind dieser tagelangen Reise, anderen Ziel ein neuer, bewußt eingegangener Lebensabschnitt steht,grundlegende Entscheidungen vorausgegangen. Wenige Wochenzuvor wurde die Auflösung der Verlobung mit Lili Schönemannendgültig vollzogen. Diese Ungebundenheit wie einen Neubeginnnutzend, folgt <strong>Goethe</strong> dem schon im Frühjahr geäußerten Ruf desjungen Herzogs Carl August, der gerade volljährig geworden undseit wenigen Wochen mit Herzogin Luise, Prinzessin von Hessen-Darmstadt verheiratet ist und ihm den Reiz einer gemeinsamenZukunft in Aussicht gestellt hat. Es sind jugendliche, nach Tatendrängende Kräfte, die hier zusammenfinden, die ihren Wirkungsortfür die Dauer von über 50 Jahren in Weimar und im HerzogtumSachsen-Weimar-Eisenach, ab 1815 zum Großherzogtum erhoben,nutzen werden.Mit seinem Eintritt in den Weimarischen Staatsdienst durch dieÜbernahme einer amtlichen Tätigkeit als Minister und Staatsmanngerät <strong>Goethe</strong> in den unmittelbaren politischen Einflußbereich einesdeutschen Kleinstaates. Von Anfang an gehört die herzoglicheFamilie selbstverständlich zu seiner engsten Lebensumgebung,bietet Freundschaft und Weltoffenheit.Die Regenten des herzoglichen Hauses, die <strong>Goethe</strong> während seinerZeit zwischen 1775 und 1832 miterlebt und begleitet sind dieHerzoginwitwe Anna Amalia 1758-1775, Herzog Carl August1775-1828 und Großherzog Carl Friedrich 1828-1853. Sie alleresidierten in der ländlichen Stadt an der Ilm, die im Wandel derGenerationen zum Symbol für Weltkultur wird und einZusammenleben von Hofgesellschaft und Bürgern aller Schichtenumfaßt. Das bauliche Zentrum des höfischen Lebens, dasherzogliche Residenzschloß mit dem weithin sichtbarenSchloßturm, war im Mai 1774 bis auf die Außenmauernausgebrannt und wurde erst 1803 nach langjährigen undkostspieligen Restaurierungsarbeiten wieder bewohnbar. DieserMittelpunkt adeligen Lebens und repräsentativ-gesellschaftlicherEreignisse fehlt, als <strong>Goethe</strong> 1775 nach Weimar kommt;übergangsweise war das Herzogspaar im Fürstenhausuntergebracht. In diese frühen Weimarer Jahre zwischen den Spurensichtbarer materieller Vernichtung und dem kraftvollenAufbruchswillen junger Menschen fällt der Beginn täglicherBegegnungen <strong>Goethe</strong>s mit Mitgliedern der fürstlichen Familie.Die Freundschaft zwischen dem sieben Jahre älteren <strong>Goethe</strong> undHerzog Carl August ist Grundlage und Ausgangspunkt für dieerfolgreiche Entwicklung Sachsen-Weimar-Eisenachs zu einem dermodernsten Reformstaaten seiner Zeit.


Das <strong>Goethe</strong>-<strong>Museum</strong> stellt aus besonderem Anlaß Persönlichkeitendes Hauses Sachsen-Weimar-Eisenach aus fünf Generationen vor.Unschwer läßt sich die Brücke von der Mitte des 18. Jahrhundertsbis zur Gegenwart schlagen: Ein Nachfahre, Jörg Brena, vormalsPrinz Georgvon Sachsen-Weimar-Eisenach, wurde 1921 auf SchloßHeinrichau in Schlesien geboren. Schloß Heinrichau gelangte überGroßherzogin Sophie in den Familienbesitz. Der Vater warGroßherzog Wilhelm Ernst (10. Juni 1<strong>87</strong>6 - 24. April 1923), dieMutter war Prinzessin Feodora von Sachsen-Meiningen (29. Mai1890 - 12. März 1972). Großherzog Wilhelm Ernst, mitGroßherzogin Feodora in zweiter Ehe seit 1910 verheiratet, wurdeVater von einer Tochter und drei Söhnen. Noch vor seinem frühenTod erlebte der letzte Großherzog 1918 den Untergang derMonarchie. Aus dem Familienbesitz dieses direkten Nachfahrenzeigt das <strong>Goethe</strong>-<strong>Museum</strong> erstmals zahlreiche kostbar-kunstvolleGegenstände, deren Herkunft weit in die verzweigte Geschichtedes Herzogtums zurückreicht. Das <strong>Goethe</strong>-<strong>Museum</strong> wird die KunstundGebrauchsgegenstände von hohem historischem Wert alsDauerleihgabe in die Sammlung Kippenberg aufnehmen. Es handeltsich zu einem großen Teil um farbige Porträtminiaturenverschiedener Technik, die sowohl gerahmt als auch in geschliffenesGlas gefaßt sind. Zu den wertvollen Gegenständen zählen einegoldene Damentaschenuhr von Erbgroßherzogin Pauline, eineTaschenuhr von Großherzog Carl Alexander, die aufgeklappt imDeckel das Bild seiner Schwester Auguste vorstellt und weitereerlesene Dinge aus persönlichem Besitz wie Orden, diverseSchreibutensilien, Schmuck und ein filigraner Fächer. Eine dritteGruppe der Kostbarkeiten bilden Einzelstücke historischenTafelsilbers, die einen Eindruck geben mögen vom „SilbernenZeitalter“ Weimars.Damit die Zugehörigkeit vieler Gegenstände zu ihren ehemaligenBesitzern deutlich wird, bietet die Ausstellung zusätzlich auseigenem Bestand in Generationenfolge angeordnete Autographenund Erstausgaben, Privatdrucke zu verschiedenen Anlässen, Noten,Münzen und eigenhändige Zeichnungen an, die gleich Kurzporträtsdie Herrscherfamilien mit ihren Kindern seit der Mitte des 18.Jahrhunderts ergänzend vorstellen. Um der Klarheit derkontinuierlichen Entwicklung der Linie Sachsen-Weimar-Eisenachs willen wird auf eine erweiterte genealogischeBetrachtung der Verbindungen zu Preußen, zur russischenZarenfamilie und zum Haus Oranien verzichtet.Die Verbundenheit der Familien für die ausgewählte Dauer vonmehr als 150 Jahren, die durch Erbfolge und taktierend abgewogeneHeiratspolitik über Europa verteilt waren, tritt ebenso deutlichhervor wie die Bedeutung des dauerhaften Zusammenhalts derHerrscherpaare. Der ungebrochene Dialog mit dem Volk während


Friedens- und Kriegszeiten erwies sich als ebenso wichtig wie dieAusübung uneigennütziger sozialer und mäzenatischer Tätigkeit.Goldene Damentaschenuhr, Genf, mit St. Georg-Dukaten auf der Rückseite vonErbgroßherzogin Pauline, geb. Prinzessin von Sachsen-WeimarHerzogin Anna Amalia (1739-1807) war Tochter des Herzogs Carlvon Braunschweig-Wolfenbüttel und der Herzogin PhilippineCharlotte, einer Schwester Friedrichs des Großen. Sie heiratete1756 Ernst August II. Constantin von Sachsen-Weimar-Eisenach(1737-1758) und übernahm nach dessen frühem Tod neben derErziehung ihrer Kinder für 17 Jahre die Regentschaft. Erst ab 1775,mit dem Umzug in die Räumlichkeiten des Wittumspalais, widmetesie sich ihren literarischen und musikalischen Neigungen, die imBild der geselligen „Tafelrunde“ bis heute ihren charakteristischenAusdruck finden. Anna Amalia schuf für Weimar die Grundlagezur Entfaltung als kulturellem und geistigem Mittelpunkt inDeutschland. Eine ovale Miniatur, Öl auf Elfenbein, trägt den Titel„Iphigenie, Orest und Pylades“. Die ungewöhnlich feine Malereiwird Angelika Kauffmann (1741-1807) zugeschrieben, die zuHerzogin Anna Amalia seit deren Italienreise in naherfreundschaftlicher Verbindung stand, zudem Mitte Februar 17<strong>87</strong>


an einer Lesung <strong>Goethe</strong>s zu „Iphigenie auf Tauris“ in Romteilgenommen hat. Auf der Rückseite der in kleinsteFlußwasserperlen gefaßten Porträtminiatur ist unter Glasornamental angeordnetes dunkles Haar eingefügt. Damit wird dasKunstwerk zum persönlichen Geschenk, dessen Empfängerin mitgroßer Wahrscheinlichkeit Anna Amalia selbst gewesen ist.Der erstgeborene Sohn, Carl August (1757-1828), übernahm am 3.September 1775 die Regierungsgeschäfte. Am 17. Oktober 1775trafen Herzog Carl August und Herzogin Luise (1757-1830) inWeimar ein, wo ihnen von den Bürgern der 6.000 Einwohnerzählenden Residenzstadt ein festlich-froher Empfang bereitet wurde.Mit einer für ihr junges Alter ungewöhnlichen Reife, Vernunft undausgeprägtem Sinn für Hofetikette übernahm Herzogin Luise ihreneuen Aufgaben. Sie suchte und fand den Kontakt zu den berühmtenPersönlichkeiten wie Wieland, <strong>Goethe</strong> oder Herder, die das geistigeLeben Weimars so nachhaltig prägten. Neben der jung verstorbenenLuise Auguste Amalie (1779-1784) erreichten drei ihrer Kinder dasErwachsenenalter: Carl Friedrich (1783-1853), der Erbprinz, CarolineLouise (1786-1816) und Carl Bernhard (1792-1862). Dem ErbprinzenCarl Friedrich galt die uneingeschränkte erzieherischeAufmerksamkeit, und auch Caroline Louise wurde im Sinne desverpflichtenden Privilegs der aristokratischen Herkunft auf ihrespätere Aufgabe vorbereitet. 1810 heiratete sie ErbgroßherzogFriedrich Ludwig von Mecklenburg-Schwerin (1778-1819);außerordentliche Beliebtheit zeichnete sie aus. Carl Bernhard, einJunge von stabiler Konstitution, wählte die Offizierslaufbahn, wurdeköniglich-niederländischer Generalmajor und Provinzialkommandantvon Ostflandern. Er vermählte sich mit Prinzessin Ida, Tochter desHerzogs von Sachsen-Meiningen (1794-1852). Mit allen Kindernpflegte <strong>Goethe</strong> nahen Umgang, begleitete ihre Entwicklung mitmenschlicher Sorgfalt. Eine als Medaillon gefaßte Pastellmalereibildet die Gruppe heranwachsender Menschen ab. Auf der Rückseitedes Schmuckstücks sind drei zusammengebundene,verschiedenfarbige Locken eingelegt, die von den Kindern stammendürften. Auch von Luises Mutter, Henriette Christiane Caroline,geborene Pfalzgräfin von Zweibrücken-Birkenfeld, der „großenLandgräfin“ (1721-1774), existiert eine zierliche Porträtminiatur. Esscheint aufgrund der regionalen Herkunft naheliegend, daß einbeachtliches Silbertablett mit gebogtem Rand, Hanau, datiert auf diezweite Hälfte des 18. Jahrhunderts, aus der Mitgift von HerzoginLuise stammt. Eine silberne Petschaftdose mit seitlichverschiebbarem Deckel, signiert ACA Wien 1815", wurde von zumGroßherzog gewordenen, mit der Anrede „Königliche Hoheit“ausgestatteten Carl August benutzt.Die Geburtstagsfeierlichkeiten und das 50jährige Regierungsjubiläumvon Großherzog Carl August am 3. September 1825


„Iphigenie, Orest und Pylades“, um 1789/90 Miniatur, Öl auf Elfenbein,Angelika Kauffmann (1741-1807) zugeschriebenbestätigen die erfolgreiche Politik von Kontinuität und Wachstumeines Großherzogtums, das von der Stärke seinerHerrscherpersönlichkeiten getragen wurde. In ihrem Werk „Del=Allemagne“ (1810/1813 in England erschienen) würdigt Madamede Staël umfassend die beispielhafte Staatsführung unter HerzogCarl August und Herzogin Luise: „Von allen FürstentümernDeutschlands zeigt keins in solchem Maße wie Weimar die Vorzügeeines kleinen Landes [...]. Ein solcher Staat bildet eine besondereGesellschaft, in welcher man durch die innersten Beziehungenzueinander gehört“. Die ausgestellten Porzellane mit WeimarerMotiven übermitteln einen Eindruck von diesen letztenRegierungsjahren.Der jüngere Bruder des Herzogs, Friedrich Ferdinand Constantin(1758-1793) trat in den Militärdienst ein, nahm 1793 an derBelagerung von Mainz teil und starb dort an einer Ruhrinfektion.Von Prinz Constantin zeigen wir eine Porträtminiatur, versehenmit geschliffenem Deckelglas.Vor 200 Jahren ereignete sich am 3. August 1804 in St. Petersburgdie Hochzeit des Erbprinzen Carl Friedrich mit der russischen


Zarentochter Maria Pawlowna (1786-1859), der festliche Einzugin Weimar mit dem Transport des legendären Brautschatzesschloß sich am 9. November 1804 an. Alle Hoffnungen für dieZukunft des Landes konzentrierten sich neben Carl Friedrich miterstaunlicher Sicherheit auf diese Frau, die von ihrem Volk mitgroßer Lebendigkeit und Zuneigung empfangen wurde. DenGedanken der Fremdheit allegorisch aufhebend, schrieb SchillerMaria Pawlowna zu Ehren das lyrische Festspiel „Die Huldigungder Künste“, das am 12. November 1804, genau ein halbes Jahrvor seinem Tod, auf dem Hoftheater in Weimar uraufgeführtwurde. Maria Pawlowna, in Weimar die „Großfürstin“ oder„Hoheit“ genannt, fiel es nicht schwer, mit ihrem offenen undliebenswürdigen Wesen rasch Mittelpunkt der Hofgesellschaftzu werden. Sie verfügte über Talent im Zeichnen und Musizieren,war charmant, dabei voll Verstand und Selbstbewußtsein. MariaPawlowna dachte politisch und war eine wache Beobachterin derZustände ihrer Zeit. 1805 wurde dem Paar der Sohn PaulAlexander Carl Constantin geboren, der schon im Frühjahr 1806starb. 1808 kam Marie Louise Alexandrine (gest. 1<strong>87</strong>7) zur Welt,die Friedrich Carl Alexander (1801-1883) heiraten wird, dendritten Sohn von König Friedrich Wilhelm III.; 1811 folgteTochter Maria Louise Auguste Catharina (gest.1890), die spätereKönigin von Preußen und deutsche Kaiserin an der Seite vonWilhelm I. (1797-1888); 1818 wurde Erbprinz Carl Alexander(gest. 1901) geboren. <strong>Goethe</strong> verleiht diesem freudigen Ereignismit seiner Dichtung des AMaskenzugs auf 1818" dauerhafteErinnerung. Fragen der Kindererziehung nahm Maria Pawlownavon Beginn an selbst in die Hand; nicht selten tauschte sie sichmit <strong>Goethe</strong> auf diesem Gebiet aus. Der Erbprinz und die Enkel<strong>Goethe</strong>s, Walter Wolfgang und Wolfgang Maximilian, wuchsen,da sie in einem Alter waren, miteinander auf. Hier wurden diepositiven menschlichen Beziehungen gegründet, die sichJahrzehnte später als tragfähig und belastbar erweisen. Der 1775in St. Petersburg geborene Naturwissenschaftler Frédéric Soretkam am 28. Juli 1822 auf dezente Empfehlung <strong>Goethe</strong>s nachWeimar und übernahm bis zur Volljährigkeit des Erbprinzen,1836, dessen Erziehung. Die Botschaften und Taten MariaPawlownas haben die Menschen des Volkes erreicht undüberzeugt. An der Seite des Großherzogs handelte sie aus sozialerVerantwortung und christlich-orthodoxer Nächstenliebe nach denGrundsätzen des klassisch-humanen Menschenbildes. Sie wußteaus eigener Anschauung um die Probleme der einzelnenBevölkerungsschichten und setzte sich für menschenwürdigeLebensbedingungen ein.Maria Pawlowna gab früh zu erkennen, daß sie ihrer Rolle alsErbprinzessin eine eigenständige Ausfüllung geben wollte.


Carl Friedrich und sie hielten sich zum Zeitpunkt der Belagerungvon Weimar durch die Franzosen im Oktober 1806 nicht in derStadt auf. Von Dänemark kommend, blieb die Erbprinzessin inSchleswig am Hof ihrer dort verheirateten Schwester Katharina.Sie war nicht gewillt, sich als Zarentochter zum Faustpfandnapoleonischer Politik machen zu lassen. Dieser Rückzug wurdeauch von der russischen Seite selbst gefordert. Im Frühjahr 1807entzieht sie sich dem Wunsch von Herzog Carl August, einevermittelnde Position zwischen Napoleon und Zar Alexander I.auszuüben. Einlenkende Gespräche mit Herzogin Luise bewirktenschließlich, daß die Erbprinzessin nach dem Friedensschluß vonTilsit zwischen Frankreich und Rußland am 11. September 1807zurückkehrte. Es widerstrebte der selbstbewußten Frau, daß aufpolitischer Ebene ihre weitreichenden Verbindungen gefragtwaren und letztlich nicht ihre Persönlichkeit. Maria Pawlownahandelte verläßlich und pflichtbewußt, andererseits waren ihreReaktionen unkalkulierbar, wenn sie für Machtansprüche undpolitisches Kräftespiel eingesetzt werden sollte. Maria Pawlownawar eine Frau, die die geistige Atmosphäre Weimars, als einemZentrum europäischer Begegnungen um <strong>Goethe</strong>, in ihrerEinmaligkeit schätzte und nutzte. Sie nahm lebhaften Anteil anden Aktivitäten der Weimarer Kunstfreunde und förderte dasWeimarer Musikleben. Durch ihren Einsatz ist es gelungen, denberühmten Klaviervirtuosen und Komponisten Johann NepomukHummel (1778-1837), einen Mozartschüler, für Weimar alsKapellmeister zu verpflichten.Carl Friedrich, der sich erst mit der Übernahme dergroßherzoglichen Aufgaben zu seinen eigentlichen Fähigkeitenselbstbewußt entfalten konnte, führte mit Maria Pawlowna einharmonisches Zusammenleben, das auf vielen gemeinsamenEinstellungen beruhte. Carl Friedrich verfolgte kontinuierlichseine politischen Ziele mit zurückhaltendem Willen zurNeuerung, während Maria Pawlownas Stärke ihre Beliebtheit undNähe zu den Menschen war.Die weitaus größte Anzahl wertvoller Gegenstände stammt ausdem persönlichen Besitz von Erbgroßherzogin Maria Pawlowna.Auswahlweise seien folgende Porträts genannt: Sohn CarlAlexander im Alter von 18 Jahren, farbige Bildnisminiaturen vonMaria Pawlowna selbst, eine signierte Darstellung von ihremBruder, Zar Alexander I., weiterhin ein Porträt der Kaiserin vonRußland, Maria Feodorowna (1759-1828), der Mutter MariaPawlownas. Eines der wertvollsten Schmuckstücke aus demPrivatbesitz der Hoheit ist eine handgearbeitete, überlangeHalskette von farblich aufeinander abgestimmten Gliedern ausEdelsteinen, die sich mit kreisrunden Goldelementen abwechseln,was den Eindruck von Leichtigkeit und Transparenz erweckt.


Lange Halskette aus geschnittenen Edelsteinen mit Goldgliedern aus dem Besitzvon Maria PawlownaAn den jeweiligen Enden der länglichen, leicht strukturiertenSchließe befinden sich ziselierte goldene Krönchen, die wiederumin tropfenförmige, goldgefaßte Elemente aus Lapislazuliübergehen. Ebenfalls von Maria Pawlowna stammt ein kleines rotesNotizbuch aus rotem Saffian, das mit einer qualitätvollen St.Petersburger Goldschmiedearbeit verziert ist. Das Buch, auf dessenletzter Innenseite vermutlich das Porträt ihrer jüngeren SchwesterKatharina (1788-1819) eingearbeitet ist, kann mit einem goldenenDrehbleistift verschlossen werden.Eine Vorstellung von der großherzoglichen Tischkultur erhält derBetrachter am Beispiel der massiven Silberwaren: da gibt esObstbestecke in verschiedenen Größen und Formen, eine kleineperforierte Kelle aus St. Petersburg für Puderzucker mit denInitialen „C“ und „M“, eine Suppenkelle aus dem ausgehenden18. Jahrhundert, eine formschöne Gemüseschüssel mit Deckel ausSt. Petersburger Werkstatt und ein Mokkakännchen mitElfenbeingriff, Deckelknopf und den Initialen des Herrscherpaares.Ein becherförmiger Weinflaschenhalter mit einem seitlichen, zumDrachenkopf gestalteten Griff stammt ebenfalls aus dem Besitz


Silberne Kelle für Puderzucker aus dem Besitz von Maria Pawlowna, St. Petersburgvon Maria Pawlowna. Zu den mit einer Meistermarke versehenenGegenständen zählen eine große runde Gebäckdose und einesilberne, innen vergoldete Saucière. Eine einzelne silberneSenfdose, die zu einem großen Tafelaufsatz gehört, zählt zu einerReihe von Augsburger Silberwaren. Drei Teller mit demAugsburger Prägestempel und drei Teller mit Wappenkrone undRautenkranz lassen etwas von der Festlichkeit gedeckter Tischeerahnen. Alle genannten Einzelstücke zeichnen sich durchFormschönheit, hohen ästhetischen Wert und solideMaterialverarbeitung aus.In der vierten der vorgestellten Generationen verbinden sichErbgroßherzog Carl Alexander vonSachsen-Weimar-Eisenach und Prinzessin Wilhelmina MariaSophie von Oranien (1824-1897), das jüngste Kind und die einzigeTochter des niederländischen Königs Wilhelm II. und seinerGemahlin Anna Pawlowna. Die Hochzeit fand am 8. Oktober 1842im königlichen Palast in Den Haag statt. 1834 war Sophie inBegleitung ihrer Mutter, der jüngsten Schwester von MariaPawlowna, wie schon so oft vorher in Weimar gewesen, wo die


Silberkännchen für Mokka mit Elfenbeingriff und Deckelknopf, Weimarer Silber,versehen mit den Initialen „C“ und „M“10jährige den älteren Vetter wiedersah. An der Seite vonGroßherzog Carl Alexander entwickelte Sophie nachhaltigemäzenatische Ambitionen, die zum Teil bis heute ihre Wirksamkeitbewahrt haben. Dabei konnte sie die von der Schwiegermutterangelegten Wohltätigkeitsbereiche übernehmen und gleichzeitigerweitern. Großherzogin Sophie war noch ein Kind, als <strong>Goethe</strong>starb, dennoch bestand eine bleibende Verbindung zwischen denGenerationen, beginnend mit Carl August und Luise, Carl Friedrichund Maria Pawlowna bis zu dieser wiederum langdauerndenHerrschaft des ausgehenden 19. Jahrhunderts, die in veränderterZeit und mit neuen Zielen entsprechend ihren Repräsentantenwirksam werden konnte. <strong>Goethe</strong>s Enkel, Walther Wolfgang (1818-1885), erklärte „Ihro Königliche Hoheit die Frau Großherzoginvon Sachsen“ zur Erbin des gesamten <strong>Goethe</strong>=schen Nachlasses.Menschenkenntnis und Vertrauen zu dieser verantwortungsbewußtenund kunstsinnigen Regentin führten zu dieser fürWissenschaft und Kultur folgenschweren testamentarischenEntscheidung. Dieses Erbe nahm sie als Verpflichtung gegenüberErschließung und Bewahrung dieses unwiederbringlichen


Geistesgutes von Weltrang. Die Großherzogin entschloß sich zurFörderung einer Gesamtausgabe von <strong>Goethe</strong>s Werken auf derGrundlage aller verfügbaren Autographen. Das Großprojekt gelangunter Mithilfe namhafter <strong>Goethe</strong>forscher, die die 143 Bändeumfassende Ausgabe „im Auftrage der Großherzogin Sophie vonSachsen“ erarbeiteten. Nachdem ihr 1889 auch der Schiller-Nachlaß übereignet wurde, entschied sie sich für die Gründungdes <strong>Goethe</strong>- und Schiller-Archivs in Weimar, wo bis zum heutigenTag die handschriftlichen Archivalien der Dichter aufbewahrt undder Forschung zur Verfügung gestellt werden.1844 wurde Erbgroßherzog Carl August, benannt nach seinemGroßvater, geboren. Er heiratete Erbgroßherzogin Pauline, geb.Prinzessin von Sachsen-Weimar. Tochter Marie Alexandrine,geboren 1849, heiratete Prinz Heinrich VII. von Reuß, Diplomatin preußischen Diensten. Sophie wurde 1851 geboren und starbbereits 8jährig, dazu kam 1854 Elisabeth, die die Ehe mit HerzogJohann Albrecht von Mecklenburg-Schwerin einging.Im November 1<strong>87</strong>5 gründete Großherzogin Sophie dieSophienhaus-Schwesternschaft, 1886 wurde das Mutterhauseingeweiht, dem sich 18<strong>87</strong> eine Krankenpflegeschule anschloß.Die dortige Ausbildung von Pflegerinnen war über die Grenzendes Landes hinaus berühmt. Carl Alexander übernahm mit demTod des Vaters 1853 die Regierung. Er sicherte den CharakterWeimars als geistig-literarischem Mittelpunkt.Aus dem Besitz von Großherzogin Sophie stammt eine goldeneBrosche, in die ein auf Porzellan gemaltes Bild von Schloß Racodin Polen eingelassen ist.Mit der folgenden Generation schließt sich der Kreisgroßherzoglicher Erbfolge: Mit dem Ableben des 50jährigenErbgroßherzogs Carl August, der noch vor seinen Eltern starb,wurde der eingangs erwähnte Sohn Wilhelm Ernst im jungen Altervon 18 Jahren Großherzog. Er übernahm die monarchische Aufgabeund leitete Sachsen-Weimar-Eisenach in ein neues Jahrhundert.Wilhelm Ernst heiratete am 30. April 1903 Prinzessin Carolinevon Reuß ältere Linie und zog mit ihr in das „Weimar derModerne“, wo die junge Großherzogin schon 1905 starb.Es war nach Friedrich Nietzsche (1844-1900) in Weimar die ZeitHenry van de Veldes (1863- 1957) und Harry Graf Kesslers (1868-1937). Mit Ausbruch und Ende des Ersten Weltkriegs verändertsich die weltpolitische Lage grundlegend: am 9. November 1918dankt Großherzog Wilhelm Ernst unter dem Druck der Revolutionab. Die Familie, der Großherzog, nun mit Großherzogin Feodoraund Kindern, zieht noch im Dezember 1918 nach SchloßHeinrichau um, wo Großherzog Wilhelm Ernst noch wenige Jahrefern von Weimar verbringen kann. Das Ende der Monarchie 1918beschließt eine jahrhundertealte Staatsform.


Chinesischer Federbecher, in Holz geschnitten, aus dem Besitz der Ottilie von <strong>Goethe</strong>(1796-1<strong>87</strong>2), aus dem Nachlaß, erworben um 1910Mit Herzogin Anna Amalia vollzieht sich ein kulturellerGründungsakt, Großherzog Carl August und Großherzogin Luiseerarbeiten zur <strong>Goethe</strong>zeit stabile politische Grundlagen für einenanerkannten Staat, mit Großherzog Carl Friedrich undGroßherzogin Maria Pawlowna werden vor dem Hintergrund dereinsetzenden Industrialisierung soziale Aufgaben und diewirtschaftliche Erschließung des Landes verpflichtend,Großherzog Carl Alexander und Großherzogin Sophie erkennenden unschätzbaren kulturellen Besitz einer ganzen Nation undtreten für ihn ein. Der Enkel, Großherzog Wilhelm Ernst, übergibtdas Bleibende an eine neue Zeit mit neuen Menschen. Die„Kostbarkeiten aus Weimar“ sind in diesem Sinne vielfältig zuverstehen und werden in jedem der gezeigten Gegenständeaugenfällig.Heike Spies


Führungen durch die Ausstellung:Sonntag, 17. Oktober 2004, 11 UhrHeike SpiesSonntag, 7. November 2004, 11 UhrHeike SpiesUnsere nächsten Veranstaltungen:Mittwoch, 13. Oktober 2004, 20 UhrProf. Dr. Bernhard Böschenstein,Université de GenèveStationen der <strong>Goethe</strong>-Begegnung:Hofmannsthal und GeorgeMittwoch, 10. November 2004, 20 UhrDr. Klaus F. Gille, Universiteit vanAmsterdam<strong>Goethe</strong> und Ludwig BörneUnsere nächsten Ausstellungen:19. bis 29. Oktober 2004<strong>Goethe</strong>, Licht und FarbeExperimentalausstellung zu<strong>Goethe</strong>s Farbenlehre28. November 2004 bis 23. Januar 2005Deutsche Zeichnungen zurZeit <strong>Goethe</strong>s

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