Studenten- und Hausmärchen Studenten- und ... - Leselicht

Studenten gefragtLeselichtOnur und Sebastian, PsychologieWelche Märchenfähigkeit würdet ihr gern besitzen und warum?Onur: Ich fände es toll, kein Zeitgefühl zu haben.Sebastian: Ich hätte gern eine kleine Tarnkappe, mit der man sichmanchmal verstecken kann und es möglich ist, Dinge auszuprobieren,ohne gleich bestraft zu werden. Einfach ein kleines Stückchenmehr Freiheit.Gibt es ein Märchen, das ihr später euren Kindern unbedingtvorlesen möchtet?Sebastian: Das kalte Herz, weil es mich eine ganze Weile begleitet hat.Man sagt ja immer, es sei ganz gruselig, furchtbar und brutal, abermeiner Meinung nach ist es ein sehr schönes Märchen, weil eszeigt, dass es auf das Herz ankommt. Außerdem ist es wichtig, esam rechten Fleck zu haben und man sollte es nicht für Geld und Ruhm verkaufen. DieseBotschaft finde ich auch für Kinder wichtig.Onur: Wenn man den Kleinen Prinzen auch als Märchen bezeichnen kann, dann binich auf alle Fälle dafür. Ich würde ihn meinen Kindern unbedingt vorlesen und fände es indiesem Zusammenhang schön, ihn auch immer wieder selbst zu lesen, weil er zur Selbstreflexiondient und mich über das Leben nachdenken lässt.Sebastian: Der Kleine Prinz ist einfach einzigartig. Wenn man sich das Buch wirklich zu Herzengenommen hat, und es auch verstanden hat, dann kommt da keiner heran. Es steckt allesdrin. Wir können die ganzen großen Philosophen lesen, aber eigentlich steht es im KleinenPrinzen.Das Negative am Märchen ist…Onur: … dass man manchmal erst spät bemerkt, dass es ein Märchen ist.Sebastian: Ja genau, man träumt von dieser Welt, die man dort kennengelernt hat, aberwenn man erwachsen ist, merkt man, dass es leider nur ein Märchen war und die Realitätnicht so perfekt ist.Sollte man als Erwachsener auch noch Märchen lesen?Sebastian: Klar, weil sie durchaus zeitlos sind. Es kommt auf die Kernbotschaften an und denenkann ich mich auch jetzt und später noch verpflichtet fühlen. Ich glaube, Erwachsenengeht es eben nicht nur um die spannende Geschichte, so wie es als Kind vielleicht einmalwar.Glaubt ihr, dass Märchen Kindern erzieherische Werte vermitteln können und haben dieseheute noch eine Bedeutung?Onur: Für die Kreativität ist es schon vorteilhaft. Einfach etwas weiterzudenken und dadurch könnenKinder ihren Horizont erweitern.Sebastian: Ich habe schon oft die Erfahrung gemacht, dass Kindern und Jugendlichen dieWorte fehlen, um ihre Gedanken und Gefühle zu beschreiben und mir erscheinen die Märchenwegen ihrer alten Sprache deswegen einfach wichtig, damit manche Worte nicht verlorengehen. Ich rede mit Kindern in Seminaren manchmal über aussterbende Begriffe und warumdas so ist und die Märchen sind ein ganz toller Fundus für solche Gespräche. Sie eröffnen denKindern die Möglichkeit, zu einer schönen Sprache zu finden.Habt ihr noch einen Buchtipp für unsere Leser und Leserinnen?Beide: Den Kleinen Prinzen (lachen).Onur: Ich kann euch alle Werke von Dostojewski empfehlen. ZumBeispiel Schuld und Sühne oder Der Spieler finde ich sehr gut.Sebastian: Ich möchte euch die Kurzgeschichten von Tschechowans Herz legen. Außerdem habe ich noch einen Theatertipp: Im Maifeiert die Inszenierung Das Leben des Galilei unter der Regie von JoFabian Premiere. Das ist ein Regisseur, dessen Stücke man sich unbedingtanschauen sollte, weil seine Sicht auf die Gesellschaft eineist, die ich für sehr brauchbar halte.5