Protokollsplitter - Old-Tablers Deutschland
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nossen kulturell erst einzuführen,<br />
hatte nun einen folgenreichen,<br />
unbeabsichtigten evolutionären<br />
Nebeneffekt: Männer zu Männern<br />
zu machen hat, was die einschlägigen<br />
Kulturtechniken betraf,<br />
faktisch immer wieder bedeutet,<br />
sie zusammenzufassen in „Männerbünden".<br />
Männerbünde<br />
fungierten gleichsam als der Ort,<br />
an dem das Mannsein massiert,<br />
konzentriert und rein eingeübt<br />
werden konnte; dabei spielten u.<br />
a. eine Reihe - von einer späteren,<br />
unverständigen ethnologischen<br />
Diskussion so genannter -<br />
„homosexueller" Praktiken eine<br />
Rolle. Homosexualität war freilich<br />
nur der Form, nicht aber dem<br />
Inhalt oder der Funktion nach<br />
gegeben. So oder so stellte sich<br />
heraus, daß Männerbünde nicht<br />
nur Männer heranzogen - und<br />
sozial „bereithielten" -, die für die<br />
Kulturzwecke der Familie taugten<br />
und Rang und Namen erlangten<br />
im Verwandtschaftssystem;<br />
Männerbünde begründeten sich<br />
vielmehr als neues soziokulturelles<br />
Gliederungsprinzip als solches;<br />
sie stiegen auf zu einer neuen,<br />
kulturevolutionär höherstufigen<br />
Form von Vergesellschaftung<br />
überhaupt und begannen, sich<br />
gegen das ältere und elementarere,<br />
sog. „segmentäre" Differenzierungsprinzip,<br />
das die verwandtschaftlich<br />
organisierten<br />
{„gentilgesellschaftlichen") Sozialsysteme<br />
ausgezeichnet hatte, in<br />
Form der gleichsam moderneren<br />
„herrschaftlichen", „stratifikatorischen"<br />
und „funktionellen"<br />
Differenzierung durchzusetzen.<br />
Männerbund statt Sippengemeinschaft<br />
Männerbünde traten, mit<br />
anderen Worten, zu Familien in<br />
Konkurrenz und überlagerten sie;<br />
konnten, vom negativen Extrem<br />
her gesehen, „Männerhäuser"<br />
und „Frauenhäuser" zwar auch in<br />
krassen Konflikt geraten - so daß<br />
Männer, in den Augen von<br />
Frauen, wie „Werwölfe" und<br />
„wilde Männer" erschienen, die<br />
nur mit Mühe, mit weiblichen<br />
Künsten, häuslichem Fleiß und mit<br />
Magie, an die Familie zu binden<br />
waren -, so ergaben sich, positiv<br />
betrachtet, doch auch sinnvolle<br />
kulturevolutionäre Steigerungen:<br />
Männerbünde führten das Dasein<br />
über die Beschränkungen durch<br />
Haus und Herd, Konsanguinalität<br />
und Filiation, Bettwärme, Küchen*<br />
dünste und Kindergeschrei<br />
hinaus; sie waren in der Lage,<br />
Mensch und Gesellschaft herrschaftlich<br />
zu führen, sie hierarchisch<br />
zu gliedern und über sich<br />
selbst hinauszutreiben. Die<br />
Prinzipien des „Bundes", des<br />
Them<br />
„Bündischen", des bündischen<br />
„Geistes" setzten sich durch<br />
gegenüber jenen der „Versippung",<br />
der „Generationenfolge",<br />
der „Hausgemeinschaft". Männerbünde<br />
entdeckten, darüber<br />
hinaus, die Vorteile der „Organisation",<br />
so der Jagd- und Kriegs-,<br />
der kultischen, bürokratischen und<br />
staatlichen Organisation; und sie<br />
richteten das Handeln zunehmend<br />
an Kriterien der „Sach-", der<br />
„Zweck-" und der „Projektbestimmung"<br />
aus.<br />
Was macht das Wesen von<br />
Männerbünden, den Kern ihres<br />
Zusammenschlusses, ihren „Geist"<br />
also näher aus?<br />
Es hieße die Frage verkürzen,<br />
wollte man sie mit dem Hinweis<br />
allein auf besondere „männliche"<br />
Qualitäten beantworten, die bald<br />
biologisch, bald psychologisch,<br />
bald kulturgeschichtlich zu<br />
konstatieren seien. Männer<br />
schließen sich zu Bünden weder<br />
nur zusammen, weil sie „von<br />
Natur aus", als Jäger, Krieger und<br />
kurz: geborene Agressoren,<br />
gegen Frauen Organisationsvorsprung<br />
hätten, noch auch deswegen,<br />
weil sie - wie manche<br />
meinten - zur Homoerotik neigten<br />
und nicht nur nach Frauengunst,<br />
sondern höherer, freierer Männerliebe<br />
strebten. Annahmen solcher<br />
Art, die auf Triebanlagen rekurrieren,<br />
werden der Komplexität der<br />
Phänomene ebensowenig gerecht<br />
wie die These, Männer hätten<br />
Männerbünde eingerichtet, um<br />
Frauen einzuschüchtern und mit<br />
Absicht in Schach zu halten.<br />
Kausalistische, aber auch finalistische<br />
Erklärungen, wie die<br />
genannten, führen auf Gebieten,<br />
die kulturwissenschaftlich zu<br />
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